Transmogrify

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SEBASTIAN BLINDE

PAUL SIMON HEYDUCK

CAROLINE WIMMER

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Titel: Sebastian Blinde | Host II | Sculpture | 2023 | Foto: Caroline Wimmer

ENGLISCH (trænzˈmɒɡrɪˌfaɪ): WUNDERSAME VERWANDLUNG; TRANSFORMIEREN, INSBESONDERE AUF GROTESKE ODER SELTSAME WEISE

03.09. – 20.09.2023

VERNISSAGE 02.09. ZUR MUSEUMSNACHT KOBLENZ

EINLASS 19:00 UHR | BEGINN 20:00 UHR

DIE KÜNSTLER*INNEN SIND BEI DER VERNISSAGE ANWESEND.

DIE AUSSTELLUNG KANN VOM 03. – 20.09.2023 NACH TELEFONISCHER ANMELDUNG BESICHTIGT WERDEN.

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Struktur, Textur, Faktur –

Eine Ode an die Oberflächlichkeit

KNOCHEN, LEDER, PILZE

Drei unterschiedliche Künstler*innen, die, obwohl sie komplett unterschiedliche Sujets bedienen und heterogen in ihrer Ausdrucksform sind, haben Gemeinsamkeiten, die entdeckt werden wollen.

Der kreative, unkonventionelle und expressive Umgang mit Oberflächen und Materialitäten ist auf verschiedene Art Kern jeder Arbeit. Der Blick des Betrachters wird auf das Spiel mit Oberflächen und AusgangsMaterial gelenkt, er bleibt an der äußeren Faktur hängen und verliert sich in ihr. Vorannahmen und Vorurteile treten in Diskurs mit zu erfahrendem: Das Spiel mit Oberflächlichkeiten.

STRUKTUR TEXTUR FAKTUR

Bei der Betrachtung eines jeden Kunstwerkes, vielmehr sogar jeglichen Objekts, lässt die Struktur als unveränderbare Aufbauart des Materials immer auch Erwartungen durch Erfahrungen im Betrachter aufkommen. Mit genau diesen Erwartungen spielen und brechen die KünsterInnen.

Pilze, Stoffe, Keramik, all das bringt Assoziationen und damit einhergehende Vorstellungen und Vorurteile mit sich – und mit genau jenen wird gespielt. Vorurteile, die bekannte Oberflächen effizieren, werden nicht befriedigt. Die Werke fordern die BetrachterInnen zu einem Tanz auf, der sich zwischen der Sichtbarmachung des Verborgenen und der Entfremdung des Vertrauten hin und her bewegt.

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Die Textur ist die entstandene Abschlussfläche jeder Struktur, die außen sichtbar ist und dadurch erfahrbar wird. Die Werke oszillieren zwischen der Wahrnehmbarkeit und Erfahrbarkeit der Struktur und Textur. Durch Vergrößerung, Umwidmung, Neuanordnung oder Entkontextualisierung ist der Übergang von der wahrnehmbaren Textur und Struktur fließend. Das Spiel mit Oberflächenempfindung und Materialbeschaffenheit macht eine Unterscheidung zwischen Textur und Struktur mitunter unmöglich.

Die Pilzfotografien von Caroline Wimmer nehmen die OberflächenStruktur der Pilze unter die Linse. Pilzoberflächen werden zu amorphen Landschaften, die durch ihre Farbgebung und die extreme Vergrößerung eine andere Welt offenbaren. Die Fotografien zeigen das Unbekannte im Vertrauten, indem Bekanntes durch den Filter der Verfremdung beleuchtet wird. Die unterschiedlichen Oberflächen der Pilze werden zu ihren spezifischen, individuell wahrnehmbaren Charakteristika.

Sebastian Blinde schafft es mit seinen Skulpturen aus verschiedenen Materialien auf eine ganz andere Art und Weise mit Strukturen zu spielen. Erfahrungsbasierte Eigenschaften von bestimmten Stoffen treten in einen Dialog mit dem zu Entdeckenden, da die Materialien aus ihren gewöhnlichen Kontexten gerissen und neu zusammensetzt werden. Die Erfahrung der Rezipienten mit den Strukturen der Materialien wird benutzt, um die amorphen Gebilde lebendig erscheinen zu lassen – Unbelebtes wird zu Lebendigem. Die Oberflächenstrukturen geben einen erzählenden Weg vor und lassen den Betrachter mit eigenen Assoziationen zurück.

Ein faszinierendes Spannungsfeld materieller Strukturen eröffnet auch Paul Simon Heyduck: Knochenobjekte aus Keramik. Harte, widerstandsfähige Knochen bildet er aus einem Material nach, dass zerbrechlich und fragil ist. Die Struktur der Oberfläche wird bewusst durch den Brennvorgang zerstört und bricht somit der Grundannahme, wie stabil Knochen sein müssen. Der Inzenierungsmoment der zerstörten Struktur bildet hier den Fokus. Durch Arrangement und Präsentation eines ordinären Knochens kommt es zu einer Ästhetisierung und Überhöhung des Alltäglichen.

Die Kombination und Interaktion von Struktur und Textur wird bei allen drei Künstlern zum erzählenden Moment – zu Faktur, die Art der Erscheinung, des sinnlich Wahrnehmbaren.

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Astrid Fries M. A.

Caroline Wimmer BERLIN

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CAROLINE WIMMER | Something’s up | 80 x 80 cm I Gallery Print | 2022
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CAROLINE WIMMER | The Hidden Path | 80 x 80 cm I Gallery Print | 2023

CAROLINE WIMMER ist freie Fotografin in Berlin. Der Schwerpunkt ihrer Auftragsarbeit liegt im Bereich Portrait. Neben ihrer kommerziellen Fotografie arbeitet sie an freien, künstlerischen Projekten, für die sie sich auf die Abenteuer kleiner und großer Reisen begibt, sich den unendlichen Schön­ und Besonderheiten der Natur widmet und mit Vorliebe experimentelle Möglichkeiten der Fotografie austestet.

Seit vielen Jahren existiert und wächst ihre Begeisterung für die Natur und dabei vor allem für das oft übersehene Königreich der Pilze. Caroline ist fasziniert von ihrer Optik, den Formen, Farben, Strukturen und der ihnen eigenen, oft bizarren Schönheit. Mit ihrer Pilzfotografie versucht sie, das Magische ihres Wesens einzufangen. Dafür spürt sie ihnen in ihrem natürlichen Lebensraum nach oder züchtet sie in ihrem Studio als bereitwillige Fotomodelle heran.

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Von zunächst dokumentarischen Bildern geht Carolines Arbeit mit Pilzen in die zunehmende Abstraktion, Inszenierung und Verfremdung. Dabei dienen Pilze als Projektionsfläche ihrer Fantasie. Sie spielt mit ihren Protagonisten und erschafft mit ihrer Hilfe neue, normalerweise unsichtbare Welten. Gerne nimmt sie bei ihrer Inszenierung die Dunkelheit, UV­Licht und andere „Zaubermittel“ zu Hilfe.

Die ausgestellten Pilzfotografien sind Fenster zu einer Welt voller Magie und Wunder. Sie zeigen Wesen, die in ihrer eigenen, besonderen Realität existieren, Kreaturen der Nacht, mystische Wesen, die nicht mit normalen Parametern erfassbar sind.

Mit Einbruch der Dunkelheit verwandelt sich die Welt. Die Nacht lässt das Bekannte fremdartig, manchmal auch unheimlich erscheinen. Der Fantasie werden Tür und Tor geöffnet für eigene Kreationen.

Carolines Pilze sind Bewohner dieser nächtlichen Welt, in die man nur auf versteckten Pfaden gelangen kann. Der Betrachter der Bilder ist eingeladen, der Fotografin in diese verborgene Welt zu folgen.

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CAROLINE WIMMER | Night Creature II | 80 x 80 cm I Gallery Print | 2022
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CAROLINE WIMMER | Night Creature I | 80 x 80 cm I Gallery Print | 2022
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CAROLINE WIMMER | The Queen | 80 x 120 cm I Gallery Print | 2022
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Sebastian Blinde BERLIN

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SEBASTIAN BLINDE | Host III | Sculpture | 2023
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SEBASTIAN BLINDE | Host II | Sculpture | 2023

SEBASTIAN BLINDE ist selbständiger Illustrator und Designer aus Berlin. Seine Arbeiten zeichnen sich durch die Kombination aus graphischen Elementen und digitaler (Nach­)Bearbeitung aus, die den BetrachterInnen in eine Welt führen, in der die Grenzen zwischen Realität und Fantasie aufgehoben werden.

Blindes Werke erzählen visuelle Geschichten, die durch genaue Linienführung und eine extreme Detailversessenheit durch einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik erweitert werden. Die digitale Nachbearbeitung ermöglicht ein verschmelzen analoger Kreationen mit scheinbar unendlichen Möglichkeiten der virtuellen Welt. Farbpaletten werden erweitert, Texturen hinzugefügt und surreale Elemente eingearbeitet. Seine Werke werden in etwas verwandelt, dass über die Grenzen der Realität hinausgeht. Diese Verschmelzung von Analogem und Digitalem verleiht seinen Illustrationen eine Tiefe und Dimension, die den Betrachter in eine andere Wirklichkeit entführt.

Die ausgestellten Skulpturen offenbaren eine tiefe Erforschung und Kenntnis von Materialien und deren Eigenschaften. Blinde wagt eine Entkontextualisierung. Die Kombination aus verschiedensten Stoffen, wie Leder, Baumwolle, Spitze und Pelz, ergibt fremdartig wirkende Gebilde. Unbelebte Stoffe werden plötzlich lebendig wirkende wurmartige Wesen. In diesem Prozess der ästhetischen Umformung erweckt der Künstler das Potential der Materialien zum Leben. Jedes seiner Werke ist in einem Stadium kreativer Evolution – Metamorphose.

Eine hervorzuhebende Facette von Sebastian Blindes Exponaten ist die Fähigkeit, Synästhesien beim Publikum hervorzurufen. Das Werk selber wird zum handelnden Akteur. Betrachter*innen können förmlich die Oberfläche der verwendeten Materialien fühlen und die Strukturen durch das Auge ertasten. Erfahrenes verschmilzt mit individuellen Erfahrungen des Betrachters. Dieses Zusammenspiel von Sinnreflexen erzeugt eine reiche und immersive Erfahrung, bei der die Grenze zwischen Wahrnehmungsfeldern verschwimmen. Das Werk tritt in individuellen Austausch mit dem Rezipienten.

Sebastian Blindes Werke sind nicht nur visuell beeindruckend, sondern auch eine Einladung das Gewöhnliche, das Vertraute mit neuen Augen zu sehen und die Sinne auf eine Reise der Entdeckungen zu schicken: in eine Welt, in der Unbelebtes zu Lebendigem wird und die Wahrnehmungen verschmelzen.

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SEBASTIAN BLINDE | Host I | Sculpture | 2023

Paul Simon Heyduck HÖHR-GRENZHAUSEN

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21 PAUL SIMON HEYDUCK | Healing Words (Ausschnitt) | Rauminstallation | 2018 / 2023
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PAUL SIMON HEYDUCK | Healing Words (Ausschnitt) | Rauminstallation | 2018 / 2023

PAUL SIMON HEYDUCK arbeitet interdisziplinär als freischaffender Künstler. In seinen Arbeiten beschäftigen ihn Verwerfungen, Übergänge und Texturen im Bewussten und Unbewussten. Dabei faszinieren ihn geistige und materielle Strukturen, generative Systeme, Resonanz und Rauschen.

Healing Words II

STAHLRAHMEN, KERAMIKOBJEKTE, DÜBEL, SCHRAUBEN, MUTTERN, EDELSTAHLDRAHT, 2018 / 2023

Die Knochenobjekte bestehen aus Keramik und wurden von Anfang an bewusst so geformt, dass ihr unversehrtes Überstehen des Brennvorgangs eher unwahrscheinlich war. Zum Scheitern verurteilte, skulpturale Gedanken, deren Schwerpunkt nicht auf dem exakten Kopieren echter Knochen lag, sondern vielmehr darauf, deren ambivalente Ästhetik zu erfassen und diese in Form von knochenhaften Strukturen nachzuempfinden. In hartem Kontrast dazu offenbart die Arbeit einen zweiten Schritt, eine Art destruktiven Reparaturprozess. Durch die Verwendung von maschinell gefertigten Verbindungselementen wie Dübel und Stahlschrauben wurden die Bruchstücke zusammengefügt, jedoch auf eine Weise, die nicht ohne weitere Zerstörung der ursprünglichen Formen auskommt. Allerdings erscheint in der weiteren Betrachtung dieses Zusammenzwingen der Einzelteile, die schon in ihrer Entstehung nicht wirklich zusammen gehörend gedacht waren¤, nur als ein vermeintliches Reparieren, das sich eher als eine gewaltsame Synthese verstehen lässt.

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PAUL SIMON HEYDUCK | Katharsis III | Videoprojektion auf schwarzer Fläche | 19m39s | 2012/23

Katharsis III

VIDEOPROJEKTION AUF SCHWARZER FLÄCHE

Die 2012 entstandene, hypnotische Videoskulptur wurde mithilfe eines Algorithmus erstellt, der schnelle, symmetrische Ausgangsbilder extrem verlangsamen sollte. Das Material wurde so gewählt, dass es den Algorithmus immer wieder dazu brachte „Fehler“ zu erzeugen, welche dieser im nächsten Schritt wieder zu korregieren versuchte, wobei mehr „Fehler“ entstanden. Ähnlich früher AI­Programme wie Googles „DeepDream“ wurde das Bild mit jedem Schritt komplexer und offenbarte dabei gleichzeitig mehr und mehr die visuellen Eigenheiten des Algorithmus.

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Texte:

Astrid Fries

Caroline Wimmer

Paul Simon Heyduck

Sebastian Blinde

Fotos:

Caroline Wimmer

Paul Simon Heyduck

Herausgeber:

Alte Limofabrik

Gestaltung:

Stephanie Schwarz

Marcus Hoffstadt

Druckerei:

www.onlineprinters.de

Auflage: 100 Stück

IMPRESSUM 27

WERKHALLE ALTE LIMOFABRIK

Schützenstraße 44 | Hinterhof

56068 Koblenz

t. 0261 95227544

m. werkhalle@alte­limofabrik.com

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