Museumsjournal 2/23

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Ausstellungen in Berlin und Potsdam

2/24 APRIL MAI JUNI

NEUE MALEREI

Henry Taylor trifft Jill Mulleady

ROMANTIK

Caspar David Friedrich kehrt zurück

FOTOGRAFIE

Die Helmut Newton Foundation hat Grund zu feiern

KUNST IST FREI

Debatte um Rassismus und Antisemitismus

8,50

INHALT

um 1834

CASPAR DAVID FRIEDRICH

38

16

Jill

Malerei

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Blickfang

Eine

Geh

Momentaufnahme

Der Grundstein für Berlins modernstes Museum ist gelegt

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Was sich so tut

Zwischen Berlin, Potsdam und Breslau

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Neue Nachhaltigkeit

Was man von Lothar Matthäus lernen kann

Bücher Fünf Lesetipps

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Tagesreise

Neue Ausstellungskonzepte in Lübeck

PANORAMA
Andreas Angelidakis’ Installation »The Beach«
8
und Henry Taylor
Mulleady
der Gegenwart im Schinkel Pavillon
Landschaft
von Carol Rhodes
nach… Schöneberg. Zum Auftanken!
doch
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Caspar David Friedrich, »Lebensstufen«,
NACH LÜBECK
TAGESREISE
2

DISKURS

Die Kunst ist frei

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Umfrage

Wie Berliner Kulturmacher sich gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus stellen

FOKUS

Fußball-Kultur

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Gewinner

Marianna Simnett beschert dem Hamburger Bahnhof ein Kunstwerk zur Fußball-Europameisterschaft

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Fußballkultursommer

Kulturveranstaltungen rund um die EM

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Spielplatz

Kunstparcours am Gropius Bau

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Turniere unterm Hakenkreuz

Das Sportmuseum arbeitet deutsche Fußballgeschichte auf

MALEREI IM SCHINKEL PAVILLON

8

AUSSTELLUNGEN

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Romantisch

Die Alte Nationalgalerie feiert Caspar David Friedrich

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Spaziergang durch Rom

Mit Marten van Heemskerck auf Künstlerreise im Kulturforum

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Demokratieverlust

Im ehemaligen SA-Gefängnis Papestraße wird parlamentarischer Helden gedacht

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Hafenbilder

in der Alfred Ehrhardt Stiftung Europas Zukunft in der NGBK

Naturnähe

in der Berlinischen Galerie

Maarten van Heemskerck, »Titus-Bogen von Süden mit Durchblick zum Forum Romanum«, um 1532–36
KÜNSTLERREISE 42 3
Cover: Henry Taylor, »Forest Fever Ain’t Nothing Like, ›Jungle Fever‹«, 2023

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Stadt geschichtet

Michael Wesely zeigt Berlin im Museum für Fotografie

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Sex sells

Wie sich das Jüdische Museum einem populären Thema nähert

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Erinnern in der Gedenkstätte Hohenschönhausen

Otti Berger im Temporary Bauhaus-Archiv Held und Heldt in der Stiftung Kunstforum

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Horizonte öffnen

Die Akademie der Künste geht Utopien nach

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Moderne Frau

Das Brücke-Museum steht auf für Hanna Bekker vom Rath

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Performativ

Wie uns Alexandra Pirici im Hamburger Bahnhof beweglich machen will

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Textile Kunst

Das Minsk hält alle Fäden zusammen

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Stadtschreiber mit Kamera

In der Berlinischen Galerie geht Akinbode Akinbiyi auf Wanderung

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Phantastischer Realismus

Hans Baluschek wird vom Bröhan-Museum wiederentdeckt

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Antike Weiblichkeit

Das Alte Museum räumt ein paar Klischees ab

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Unsichtbar

Im Kupferstichkabinett kann man Entdeckungen machen

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Inselbegabung

In der James-Simon-Galerie und im Neuen Museum wird ägyptische Kulturgeschichte aufgeblättert

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Sauerbruch Hutton in der Tchoban Foundation Klangarbeiten in der Akademie der Künste Verbrüderungen im Haus der Kulturen der Welt

70

Kosmopolit

Im Museum Barberini offenbart Amedeo Modigliani tiefe Einblicke

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Dekolonial Historische Perspektivwechsel im Kindl

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… wenn ihr mich lasst!

Das Humboldt Forum erinnert an den Republikpalast

TEXTILE KUNST
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Qunnie Pettway, »Flying Swallows«, ca. 1978
HELMUT NEWTON FOUNDATION 78 AMEDEO MODIGLIANI 70 4
Amedeo Modigliani, »Mädchen mit einer gestreiften Bluse«, 1917
Matthias
Harder unter »Big Nudes«

Canaletto-Gemälde aus der Streitschen Stiftung

EINBLICKE

78

Ganz großes Kino

Matthias Harder im Interview, nicht nur über Helmut Newton

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Ordentlich

Das Kunstgewerbemuseum sortiert sich um

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Gloria di Venezia

Die Schätze der Streitschen Stiftung werden in der Gemäldegalerie ausgestellt

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MIRIAM GOLDMANN

Am Medium der Ausstellung begeistert sie die Möglichkeit, das Vertraute und das Unbekannte, Trennendes und Verbindendes auf unterhaltsame Weise ans Licht zu holen. Seit 1999 ist Miriam Goldmann wissenschaftliche Mitarbeiterin und Ausstellungskuratorin am Jüdischen Museum Berlin. Zuvor studierte sie Judaistik und Geschichte in Freiburg, an der Hebräischen Universität Jerusalem und an der Freien Universität Berlin. Mit den von ihr kuratierten kulturhistorischen Ausstellungen – etwa »A wie Jüdisch. In 22 Buchstaben durch die Gegenwart«, »Cherchez la femme«, »Koscher & Co. Über Essen und Religion« und jetzt zum Thema »Sex. Jüdische Positionen« (siehe Seite 48) –will sie die plurale jüdische Gegenwart einem diversen Publikum vermitteln.

JENS THOMAS

ANNGRET KLÜNKER

Warum beschäftigen wir uns heute noch mit der Antike? Weil sie uns Antworten für das Hier und Jetzt geben kann. Als Archäologin im Museum verknüpft Annegret Klünker Fragen der Antike mit der Gegenwart. Nach Studium und Promotion in Berlin, Wien und Oxford ist sie als wissenschaftliche Museumsassistentin in Fortbildung in der Berliner Antikensammlung tätig. Ihr Fokus liegt auf der visuellen Kultur der Antike – den Bildern. Sie hat sich besonders mit Personifikationen auf römischen Münzen als Mittel politischer Kommunikation beschäftigt. In dieser Ausgabe stellt Klünker die Ausstellung »Göttinnen und Gattinnen« (siehe Seite 64) im Alten Museum zu mythischen Frauen der Antike vor, die momentan eine feministische Aktualisierung in Kunst, Literatur und Popkultur erfahren.

Jens Thomas ist promovierter Soziologe und Chefredakteur der Plattform »Creative City Berlin« von Kulturprojekte Berlin. Seine Schwerpunkte sind Nachhaltigkeitsthemen, die neue Arbeitswelt und die Verzahnung von Kultur und Politik. Seit 2021 ist er Autor der Kolumne »Neue Nachhaltigkeit« im Museumsjournal (siehe Seite 14). Thomas schreibt mit Leidenschaft und steht auf aggressiven Gitarrensound. Zu seinen Hobbys zählen Joggen, Fußball und Schwimmen –zum Reiten hat’s einfach nicht gereicht. Seit 2024 lehrt er an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und der Leibniz Universität Hannover. Im vergangenen Jahr ist sein Buch »Selbstherstellen als neue Politik« im Transcript-Verlag erschienen.

DIE BERLIN/ VENEDIG CONNECTION 86
Bits & Pieces Neues aus den Museen 92 Sieben Sachen 94 Ausstellungskalender 108 Umgedreht 109 Abbildungsnachweis 110 Impressum
5 2 / 24 CONTRIBUTORS

PANORAMA

Jill Mulleady und Henry Taylor im Oktogon des Schinkel Pavillons

Alles im Fluss

TAGESREISE NACH LÜBECK: Wie man ein altes Kloster in ein überschäumend lebendiges Museum verwandelt

Die Sammlung der Lübecker Kunsthalle St. Annen fußt auf bürgerschaftlichem Engagement, das mit einem gewissen Fokus auf Werke aus Norddeutschland und Skandinavien um 1890 seinen Anfang nahm. Es gibt einen großen Freundeskreis, dem auch einige Sammler angehören. Inzwischen finden sich in der Sammlung circa vierhundert Gemälde, dazu Skulpturen und ungefähr 1400 Grafiken, vorrangig aus dem Zeitraum von 1945 bis in die Gegenwart

und mit einem Fokus auf informelle und abstrakte Kunst. Schenkungen halten die Sammlung bis heute vital. Doch sie befindet sich zu großen Teilen im Depot, denn es gibt keine Dauerausstellungsflächen im Gebäude des alten Klosters.

Genau hier setzt Direktorin Noura Dirani, die seit anderthalb Jahren im Amt ist, an. Sie sprudelt vor Ideen, in welchen Konstellationen und dank welcher Kooperationen sie die Kunsthalle bespielen

»Fuse«: Tatjana Busch illuminiert die Lübecker Kunsthalle St. Annen möchte. Zunächst bedauert sie eine allseits bekannte Fehlstelle – nur zehn Prozent der Sammlung stammen von Frauen (64 Werke von 17 Künstlerinnen). Dieser große Nachholbedarf ist ihr beim Sammeln wie beim Kuratieren neuer Ausstellungen ein Ansporn. Seitdem die Kunsthistorikerin und Romanistin Dirani einen Lehrstuhl für Globale Kunstgeschichte in Heidelberg innehatte, ist sie zudem an allen Ansätzen interessiert, die außereuropäische Positionen

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einbeziehen, gängige Narrative aufbrechen und Grenzziehungen hinterfragen. Ebenso wichtig ist ihr, dass Bildung und Vermittlung bereits im kuratorischen Prozess gebührende Beachtung finden. Offen, nachhaltig, transkulturell und sozial – mit diesen griffigen Leitlinien beschreibt Dirani ihr Konzept für die Neuausrichtung der Kunsthalle.

Einen guten Eindruck, wie das in der Praxis aussieht, erlaubt die aktuelle Ausstellung »Hello Lübeck«, die vielgestaltig den Dialog und die Partizipation feiert. Aus Gegenüberstellungen ergeben sich Verbindungen zwischen Geschichten, Objekten und Menschen, die neue Sichtweisen auf den eigenen Sammlungsbestand werfen und einen niedrigschwelligen Zugang zur Kunst schaffen. Das beginnt bereits im kostenfrei zugänglichen Foyer mit der raumgreifenden Arbeit »The Beach« von Andreas Angelidakis. 68 weiche, bunte Module lassen sich beliebig positionieren, laden ein zum Lümmeln oder Bauen. Assoziationen zum nahen Ostseestrand stellen sich nicht zwangsläufig ein, aber das ist für den bunten Treffpunkt auch nicht ausschlaggebend. Dirani war es wichtig, dass dieses Entree ohne Eintritt genutzt werden kann und hat den Einlass entsprechend verrückt.

Einen witzigen Kontrast bilden gleich zum Auftakt Porträts von Kuratorinnen und Kuratoren – alle mit entschlossen verschränkten Armen fotografiert – zu den umgebenden Objekten. Der Konzeptkünstler Ahmet Öğüt hat diese »Appointed Curators« exakt unter diesem Suchbegriff gegoogelt und fragt sich: »Wer entscheidet, was gezeigt wird?« In diesem Raum waren es die jeweiligen Sammlungsverantwortlichen aus verschiedenen Lübecker Museen. Dirani hatte um Objekte gebeten, die mit Werken aus der Kunsthallen-Sammlung konfrontiert werden. Der Dialog als inhaltliche Klammer – im einzelnen Werk, der Werke untereinander und mit dem Publikum –geht aber nur bedingt auf, es ergibt sich ein eher beliebig wirkendes Sammelsurium. Die beiläufige Präsentation an wiederverwendbaren, schlichten Holzregalen, mit handschriftlichen Verweisen zu den Werken leuchtet wiederum ein. Ganz wunderbar und ein Highlight der Schau ist die eigens für das Untergeschoss komponierte immersive Arbeit »fuse« von Tatjana Busch. Mäandernde Lichtformen umfließen stehende oder an dünnen Schnüren aufgehängte abstrakte geometrische Körper. Farben tauchen auf, werden im additiven Farbspektrum weiß – ein stetes Werden und Vergehen. Das Zusammenspiel von Lichtreflexionen, Sound, Bewegung, Farbe

und Form entführt sanft in den eigenen Gedankenkosmos: Licht ist magisch, auch wenn wir es jeden Tag sehen.

In allen weiteren Räumen entsteht Kunst überhaupt erst im Miteinander: So können Besucher Eiswürfel, die mit den Farben regionaler Pflanzen eingefärbt sind, auf einer großflächigen Leinwand schmelzen lassen. Die ineinander fließenden Farbfelder ergeben zart anmutende »Collectivity Paintings«. An der gegenüberliegenden Wand bilden verschiedenfarbige Peddigrohrhalme, die man in einen gelöcherten Schriftzug »Hope« stecken kann, eine dichte Raumskulptur. Beide im Wortsinn partizipativen Werke hat die Künstlerin Stephanie Lüning speziell für die Kunsthalle konzipiert. Um Ideen von Kindern und jungen Erwachsenen für die Stadt von morgen geht es im Projekt »Geknetete Stadt«. Nach gemeinsamen Streifzügen durch Lübeck mit dem Konzept- und Aktionskünstler Christian Jankowski verarbeiteten diese ihre Eindrücke von historischen Stätten in Texten und mit Knete. Der Clou: Ein Kuratorium aus Kindern wählte drei der quietschgelben Knetfiguren aus, die zwei bis drei Meter groß in Messing gegossen und demnächst vor der Kunsthalle aufgestellt werden. Zum Abschluss der Schau ist in der »Jungen Kunsthalle Kiku« der überschießenden Gestaltungslust freier Lauf gelassen. Benjamin Butter hat den Raum unter dem Motto »It is what it is« komplett mit weißen Papierbahnen zum Bemalen ausgestattet. Entstanden ist ein überdimensioniertes Graffiti, übersät mit Zeichnungen und Botschaften, dominiert vom Wunsch nach Frieden in der Welt.

Diese und weitere Arbeiten werden bis zum Ende der Laufzeit im Juli nochmal ausgetauscht – alles bleibt im Fluss. Das ist der Direktorin ebenso wichtig wie eine gelungene Ausstrahlung der Kunsthalle in die Stadt hinein. Am 14. April ist eine große Schaum-Kunst-Aktion am berühmten Lübecker Holstentor geplant. Mit solchen Schaum-Aktionen sorgte Stephanie Lüning schon in verschiedenen Städten für jede Menge Spaß, so vorm Pariser Centre Pompidou. Mit ihren ephemeren Skulpturen möchte die Künstlerin »den Punkt erreichen, an dem Grenzen verschwinden, wenn eins ins andere übertritt, physikalisch, emotional, körperlich«. Genau diese Grenzüberwindung lässt sich als übergreifendes Anliegen der Kunsthalle unter Noura Dirani beschreiben.

Text GABRIELE MIKETTA

LÜBECK

Berlin → Lübeck: 235 km, knapp 3 Stunden mit ICE und Regio über Hamburg

Sieben Kirchtürme prägen seit dem Mittelalter die Silhouette der »Königin der Hanse«. Die Altstadtinsel, umflossen von Trave und Kanal, versprüht noch immer den Charme einer Hafenstadt. Wunderschöne Backsteingotik dominiert. Einst brachten mächtige Hansekoggen Waren aus aller Welt. Heute verfügt Lübeck mit seinen 218.000 Einwohnern über einen der größten Fährhäfen Europas. Wahrzeichen der Altstadt, seit 1987 Unesco-Weltkulturerbe, ist das Holstentor.

Hanse

Im Museumshafen liegen zwanzig historische Segelschiffe. Von einer Bootstour rund um die Altstadt, über Hafen- und Kanalrundfahrten bis zum Ostseetörn ist alles drin. Im Europäischen Hansemuseum taucht man in den Alltag der Hansekaufleute ein. hansemuseum.eu

Kloster

Seit 2013 ist die Kunsthalle St. Annen mit dem Stadtmuseum zum Museumsquartier St. Annen zusammengeführt. Im ehemaligen Kloster entfaltet die sakrale Kunst, darunter einmalige Schnitzaltäre, besonderen Zauber. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert ist die bewegte Lübecker Kulturgeschichte aufgeblättert. museumsquartier-st-annen.de

Literatur

Im Günter-Grass-Haus sind neben der Olivetti, auf der Grass »Die Blechtrommel« tippte, Manuskripte, Skizzenbücher, Druckgrafiken und Aquarelle ausgestellt. Das Geburtshaus von Thomas Mann wird derzeit umgebaut. Ein Teil der Ausstellung des Buddenbrookhauses findet sich daher im Drägerhaus, neben der Kunst des 19. Jahrhunderts und der klassischen Moderne. grass-haus.de museum-behnhaus-draegerhaus.de

Museumsquartier St. Annen

Wie Hähne im Duschraum und das Fußballtrikot über den Kopf gezogen: Die Aquarelle von Marianna Simnett (diese und vorherige Seite) sind Storyboards für ihren Film »Winner«

Mal verliert man, und mal gewinnen die anderen

Das gilt auch bei der Fußball-Europameisterschaft, aus deren Anlass MARIANNA SIMNETT nun eine faszinierende Filminstallation geschaffen hat

Die Filminstallation »Winner« von Marianna Simnett ist eine kühne und fantastische Dekonstruktion des Fußballsports durch das Medium des Tanzes in drei Akten. Anlässlich der in Deutschland stattfindenden Fußball-Europameisterschaft 2024 hat die Künstlerin sie für den Hamburger Bahnhof produziert. Im Zentrum der Handlung steht Misery, ein fiktiver ehemaliger Fußballschiedsrichter, der in einem magisch-realistischen Kartenhaus mitten auf dem Spielfeld wohnt.

Ein Kartenhaus ist ein empfindliches Gebilde. Die Komplexität oder gar die Schönheit seiner Konstruktion geht mit Fragilität einher. Auf einen Tisch zu hauen, auf dem mit großer Sorgfalt Karten zu einem Haus zusammengefügt wurden, ist verlockend. Und die Befriedigung, die beim Zerfall des wackligen Gebildes zu spüren wäre, sollte man dieser Verlockung nachgegeben haben, das sind die Gefühle, welche die faszinierende Ambivalenz der Charaktere in Marianna Simnetts Filminstallation haargenau treffen.

Ungleich der Fabel, an deren Bildsprache sich »Winner« anlehnt, stehen die tanzenden Protagonist*innen weder eindeutig auf der guten noch der moralisch verwerflichen Seite. Ein Chor von Babys, dem die amerikanische Sängerin und Dichterin Lydia Lunch ihre Stimme leiht, übernimmt die Rolle des Fußballkommentators und besingt Miserys Haus aus roten und gelben Karten: »A beautiful house / with beautiful windows / and beautiful doors / a beautiful staircase / and beautiful floors. / A beautiful house / with beautiful hammers / and beautiful chains / and beautiful knives / and beautiful saws.«

Die Hämmer, Messer und Sägen verraten, was bevorsteht: Trotz oder gerade aufgrund seiner Schönheit wird das Kartenhaus des Schiedsrichters zerstört. Zeitgenössische Tänzer*innen in wechselnder menschlicher oder tierischer Gestalt nehmen das Haus auseinander, nachdem sie zuvor Chaos auf und neben dem Spielfeld gestiftet hatten. Doch Misery ist nicht nur Leidtragender des Geschehens, als Schiedsrichter ist er eine entscheidende Figur im Fußballspiel. Wie der Titel »Winner« andeutet, können seine Urteile über den Ausgang des Spiels, über Gewinnen und Verlieren entscheiden. Und dies unter dem Jubel oder den Buhrufen Tausender Zuschauenden. In Marianna Simnetts Film wird der Charakter Misery von

all den (Fehl-)entscheidungen und Fouls heimgesucht, bei denen sein Verdikt über das Schicksal der Spieler*innen und Mannschaften entschieden hat. Lag er falsch oder richtig? Wer hat gewonnen; wer hat verloren? Die »Zerstörer*innen« schlüpfen währenddessen in die Rollen von Fans, Spieler*innen und Aufseher*innen, sie wechseln somit nicht nur die eigene Gestalt, sondern auch die Seiten.

Simnetts Filminstallation basiert auf Graham Greenes Kurzgeschichte »The Destructors« (auf Deutsch unter dem Titel »Zerstörungswut« veröffentlicht) aus dem Jahr 1954. Auf eine fabelhafte Weise wird so das Thema Fußball behandelt, Simnett hält unserer Gesellschaft mit ihrer Filminstallation den Spiegel vor und verwehrt sich dabei jeglicher Deutungsschemata. Die Künstlerin arbeitet multidisziplinär und vereint Film, Tanz und Musik in dieser raumgreifenden Filminstallation, die Rollenbilder umkehrt und uns mit Stereotypen und Grenzen konfrontiert. Wir nehmen Anteil, empfinden Schadenfreude und Ekel, Begeisterung und Faszination. »Winner« ist geprägt von der Widersprüchlichkeit und Fragilität eines Moments, in dem die Rollen erst klar zugeschrieben zu sein scheinen, die Stimmung jedoch plötzlich kippt und die Machtverhältnisse neu entschieden werden.

Auch das physische Erlebnis des Ausstellungsraums und die mehrkanalige Installation bieten eine Multiplizität von Perspektiven. Die Ausstellung wird durch einen Tunnel betreten. Er gleicht einem sogenannten Spielertunnel, durch den Fußballer*innen unter den Fantribünen aufs Spielfeld laufen und erinnert dabei auch an einen Geburtskanal. Die erste Begegnung mit »Winner« erfolgt somit in Antizipation, dabei werden Besuchende im Tunnel gleichermaßen zu Spielenden, denen ein Match bevorsteht, und zu Babys, die das Licht der Welt erblicken. Die Handlung ist auf mehreren Screens zu sehen, unterbrochen wird sie von Bier und Hotdog Verkäufer*innen. Zuschauende sind Zeug*innen, Konsument*innen und, je nachdem, wie sie sich auf den skulpturalen geformten Siegertreppchen platzieren, selbst Gewinner* oder Verlierer*innen.

Zuletzt thematisiert die Künstlerin auch ihre eigene Ambivalenz gegenüber dem Sport: »All of my life, I rejected football. Growing up, you get told it’s not for you. You get told that you’re a girl, you have to play with these toys and not those toys.«

(»Mein ganzes Leben lang habe ich Fußball abgelehnt. Wenn man aufwächst, wird einem gesagt, dass das nichts für einen ist. Man sagt dir, dass du ein Mädchen bist, du musst mit diesen Spielsachen spielen und nicht mit jenen.«) Das Projekt betrachtet sie als Chance, auch ihre eigenen Gefühle gegenüber Fußball zu hinterfragen, die sich durch ihr tiefes Eintauchen in das Spiel vollständig verändert haben.

»Winner« seziert das Fußballspiel hinsichtlich dessen Intensität und Komplexität, auf dem Leidenschaft, Höhenflug, Triumph und Niederlage lasten und transportiert all das vom Platz, von den Leinwänden, aus den Kabinen, Kneipen, Straßen und Wohnzimmern in den Ausstellungsraum des Hamburger Bahnhofs.

Text CHARLOTTE KNAUP, Kuratorin

Marianna Simnett. Winner

17. Mai bis 3. November Hamburger Bahnhof –Nationalgalerie der Gegenwart smb.museum

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Außer Konkurrenz

FREI SPIELEN und gefahrlos Fehler begehen

Bei sportlichen Spielen gibt es feste Regeln und klar definierte Sieger und Verlierer. Häufig geht es sowohl darum, Emotionen zu lenken als auch Konflikt und Konfrontation zu kultivieren. Beim freien Spielen hingegen können alle jederzeit die Ausgangssituation verändern und die Regeln neu erfinden. Ein von Künstlern gestalteter Parcours (beteiligt sind unter anderem Florentina Holzinger, Agnieszka Kurant, Tomás Saraceno und Raul Walch) macht nun ernst mit dem Spiel: Vor und während der Fußball-Europameisterschaft beschäftigt sich »Radical Playgrounds« mit den Unterschieden zwischen dem

Spiel als Wettkampf und dem freien Spiel. Elf Wochen lang wird auf dem Parkplatz am Gropius Bau eine Art künstlerischer Vergnügungspark entstehen. Eine Ausstellung zur Geschichte der Spielplätze ergänzt das Programm. Kurz vor Eröffnung der FußballEM im Juni stellt der Künstler und Choreograf Massimo Furlan mit einer Performance das WM-Fußballspiel zwischen Ost- und Westdeutschland aus dem Jahr 1974 nach. Basierend auf echten Erfahrungen vom Fußballplatz nimmt die Kunstaktion dieses Spiel als Ausgangspunkt, um zwischen den aktuellen Kontexten von Spielen, Wettkampf und Gesellschaft zu vermitteln.

Radical Playgrounds: From Competition to Collaboration

Ein Kunstparcours am Gropius Bau

27. April bis 14. Juli 2024 Berliner Festspiele berlinerfestspiele.de

Vitjitua Ndjiharine, »Networked Constellations«; Mariana Telleria, »We Are the Limit of All Things«; Céline Condorelli, »Play for Today«, Installationsansicht, École de la Porte d'Eau, 2022; Joar Nango, »A Swing Made by Birch«, 2018 (Im Uhrzeigersinn)
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Turniere unterm Hakenkreuz

Welche Rolle der FUSSBALL IM NATIONALSOZIALISMUS spielte, wird nun genauer beleuchtet

Wie trug der Fußball im Nationalsozialismus dazu bei, die sogenannte Volksgemeinschaft herzustellen und nationalsozialistische Bilderwelten zu etablieren? Diese Frage versucht die Ausstellung »Sport. Masse. Macht – Fußball im Nationalsozialismus« im Haus des Sports im Olympiapark zu beantworten. Das klassische Objekt für die Geschichte des Sports, respektive des Fußballs ist der Pokal – also ein Preis, der in einem sportlichen Wettkampf gewonnen wurde. Daher dienen Pokale in der Schau als »Leitobjekte«. Im deutschen Fußball wurde 1935 zum ersten Mal ein nationaler Pokalwettbewerb ausgetragen. Das Siegerteam erhielt den Tschammer-Pokal, benannt nach dem Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten. Als DFBVereinspokal wird er bis heute verliehen. Das damals aufgebrachte Hakenkreuz war zunächst durch eine Plakette mit dem DFB-Logo ersetzt worden. Erst 1964 wurde ein neuer Pokal in Auftrag gegeben. Welche Kontinuitäten, welche Brüche nationalsozialistischer Ideologie lassen sich nach 1945 feststellen? Das Zusammenspiel von Teilhabe und Ausschluss zieht sich als roter Faden durch die Ausstellung. Besonders interessant ist, welche Spieler nach der Machtübernahme aus den Vereinen und Verbänden ausgeschlossen und welche Vereine verboten wurden. Fünf Menschen, deren Karrieren, bedingt durch die rassistische und antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus, ein abruptes Ende fanden, werden genauer vorgestellt.

Die Ausstellungsgestaltung vermeidet die Reinszenierung nationalsozialistischer Bilderwelten, verdeutlicht vielmehr deren Konstruiertheit. Der Sport – und insbesondere der Massensport – fungierte im Nationalsozialismus als wesentliches Element der Herrschaftspraxis, das galt auch für den Fußball. Das NS-Regime

knüpfte an die Sportbegeisterung der Bevölkerung an und gab dem Sport eine neue ideologische sowie praktische Bedeutung. Dazu zählten spektakuläre Massenereignisse ebenso wie die Erhöhung des Sports im Alltag. Die Ausstellung gewährt einen Einblick in die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit des Fußballs. Diese Reflexion ist für die gegenwärtige Diskussion um Teilhabe,

Sport.

Masse. Macht Fußball im Nationalsozialismus

24. Mai bis 31. Juli 2024

Sportmuseum Berlin

Ausschluss und Zugehörigkeit im Sport sowie die Menschen- und Freiheitsrechte dringend geboten. Zudem gibt die Schau einen Ausblick auf aktuelle Initiativen gegen Rassismus, Antisemitismus und Queerfeindlichkeit, ganz im Sinne von: #erinnernheißthandeln.

Text MAIKE PRIESTERJAHN, Sammlungsleiterin

Peco 1935 wird der Wettbewerb für deutsche Vereinsmannschaften ins Leben gerufen. In 1935, the first championship between German clubs took place. Normalität in Kriegszeiten: Auch während des Krieges besteht der Wettbewerb Normalcy in times of war: the tournament continued during wartime. Pokalwettbewerb und Trophäe werden nach Kriegsende wieder ausgespielt. Das Hakenkreuz wird nur überdeckt. The fight for the trophy also continued after the war. The swastika was covered over. 1965 wird die Tschammer-Trophäe durch den heutigen DFB-Pokal ausgetauscht. In 1965, the Tschammer Cup trophy was exchanged for today’s DFB Cup trophy. Tschammer Pokal (ab 1935) Tschammer Cup (from 1935)
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Zeichnung von Athena Grandis

Sehnsucht nach vertiefender Betrachtung

Ob CASPAR DAVID FRIEDRICH vergessen wäre, wenn die Berliner Nationalgalerie ihn nicht vor 120 Jahren wiederentdeckt hätte? Ein Grund mehr, den runden Geburtstag des Romantikers zu feiern

Caspar David Friedrich (1774–1840) schuf Landschaften mit weiten Himmeln und fernen Horizonten, in denen die Unendlichkeit von Raum und Zeit spürbar wird. Mit einer ungewöhnlich subtilen Malerei komponierte er Bilder der Sehnsucht, die stets aufs Neue zum vertiefenden Betrachten einladen. Anlässlich seines 250. Geburtstages zeigt die Alte Nationalgalerie, in Kooperation mit dem Berliner Kupferstichkabinett, erstmals eine große Ausstellung zum Werk des bedeutendsten Malers der deutschen Romantik.

Über 60 Gemälde und 50 Zeichnungen, darunter weltberühmte Ikonen wie »Das Eismeer«, »Kreidefelsen auf Rügen«, »Zwei Männer in Betrachtung des Mondes« und »Lebensstufen«, sind zu sehen. Eine solche Ausstellung war in Berlin überfällig, allein deshalb, weil bereits zu Lebzeiten Friedrichs zahlreiche Erwerbungen und öffentliche Präsentationen in der damaligen preußischen Hauptstadt zum frühen Ruhm des Künstlers beitrugen. In Berlin wurde Friedrich nicht nur entdeckt, sondern zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der legendären Jahrhundertausstellung an der Nationalgalerie wiederentdeckt. Zudem wird an der Berliner Nationalgalerie weltweit eine der größten Sammlungen von Gemälden Friedrichs bewahrt.

Als Caspar David Friedrich im Alter von 36 Jahren zum ersten Mal in Berlin ausstellte, wurde er dort als Schöpfer einer unvergleichlichen romantischen Landschaftskunst schlagartig berühmt. Unter dem nichtssagenden Titel »Zwei Landschaften in Öl« sind die beiden Hauptwerke »Mönch am Meer« und »Abtei im Eichwald« auf der Berliner Akademieausstellung von 1810 zu sehen. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. erwarb das Bilderpaar für

450 Taler. Friedrichs Malerei war damit von höchster Stelle nobilitiert. Im selben Jahr ernannte die Berliner Akademie der Künste den in Dresden lebenden Maler zu ihrem Mitglied. Vor allem das Gemälde »Mönch am Meer« erhielt durch die außergewöhnliche Reduktion seines Gegenstandes und die fast abstrakte Komposition ein vielfältiges Echo.

Berlin war als Rezeptionsort für Friedrich und sein Werk von großer Bedeutung. Während seiner Reise von Kopenhagen nach Dresden hatte sich der Künstler im Sommer 1798 für einige Wochen in Berlin aufgehalten und kam möglicherweise in Kontakt mit künftigen Förderern. Hier präsentierte Friedrich zwischen 1810 und 1834 auf den Akademieausstellungen mehrfach seine Werke. In Berlin lebende Philosophen und Dichter wie Friedrich Schleiermacher, Clemens Brentano, Achim von Arnim und Heinrich von Kleist haben Friedrich bewundert und unterstützt. Der preußische Friedrich Wilhelm III. erwarb weitere wichtige Werke. Der Kronprinz, der spätere König Friedrich Wilhelm IV., auch »Romantiker auf dem Thron« genannt, und seine Schwester Charlotte, die spätere Zarin von Russland, verehrten Friedrich und sorgten für Ankäufe sowohl in Berlin als auch in St. Petersburg.

Weitere Berliner Zeitgenossen widmeten sich dem Werk des Künstlers. Der Verleger und Kunstsammler Georg Andreas Reimer besaß damals die umfangreichste Sammlung von Werken Friedrichs. Reimer, der wie Friedrich aus Greifswald stammte und mit ihm befreundet war, sammelte nicht nur, er verkaufte auch dessen Werke, etwa an den russischen Zaren. Zudem zeigte er einige der von ihm erworbenen Bilder auf Ausstellungen, hauptsächlich in Berlin.

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Städte schreiben, Städte lesen

Wanderer zwischen den Welten: AKINBODE AKINBIYI wollte eigentlich Schriftsteller werden. Alltägliches aus

London bis Lagos erzählt er lieber mit der Kamera

Akinbode Akinbiyi, Fotografie aus der Serie »African Quarter« (links) und aus der Serie »Lagos. All Roads« (rechts)

Seit 1972 wandert Akinbode Akinbiyi mit seiner Kamera durch die Metropolen dieser Welt. In Städten wie Berlin, Brasilia, Durban oder Lagos entstehen überwiegend Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die durch poetische Vielschichtigkeit bestechen und subtil gesellschaftspolitische Umbrüche thematisieren. Der Ausstellungstitel »Being, Seeing, Wandering« beschreibt zugleich die charakteristische künstlerische Herangehensweise des Fotografen. Kindheit und Jugend verbrachte der 1946 in Oxford geborene Akinbiyi in England und Nigeria. Schon in jungen Jahren motivierte ihn seine Neugier, urbane Zentren wie Ibadan, Lagos oder London zu entdecken. Oft ohne Ziel folgt er den endlosen Abzweigungen, läuft durch Passagen, macht Halt an Plätzen und setzt dann seinen Weg durch die Straßen fort. Das Wandern wurde für ihn ein tägliches Ritual und das Labyrinth der Städte Schauplatz seiner Fotografien. Mit seiner analogen Rolleiflex-Kamera hält Akinbiyi »das Wesen eines Ortes« fest, wie er es 2010 formulierte.

In der Millionenstadt Lagos, an der Küste Nigerias, fotografiert Akinbiyi – offen und mit allen Sinnen – seit den 1980er-Jahren.

Seine Aufnahmen transportieren die pulsierende Energie, die lauten Geräusche, die durchdringenden Gerüche und die Historie der Metropole. Die Langzeitserie »Lagos: All Roads« vereint vielschichtige Erzählebenen einer Großstadt: Schilder, die für das Laminieren von Personalausweisen werben, lose Stromkabel, die auf eine instabile elektrische Infrastruktur verweisen, und Kolonialbauten, denen der Schatten einer grausamen Vergangenheit innewohnt. Auf Lagos Island siedelten sich Nachkommen der einst aus dem heutigen Nigeria nach Brasilien verkauften Sklavinnen und Sklaven an und übernahmen den Stil der portugiesischen Kolonialarchitektur. Brasilien schaffte erst 1888 als letztes Land in Amerika die Sklaverei ab.

Am Stadtstrand Bar Beach auf Victoria Island in Lagos erinnert heute nichts mehr an die brutale Verschiffung versklavter Menschen. Eine frische Meeresbrise, Wellenrauschen und weicher, weißer Sand versprechen einen Ausgleich zu dem dröhnenden Verkehr im Zentrum. »Sea Never Dry« ist eine poetische und hoffnungsvolle Langzeitserie betitelt, die auf ein an der Westküste

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Aus der Serie »Berlin« (links) und aus der Serie »Lagos. All Roads« (rechts)

MATTHIAS HARDER, 1965 in Kiel geboren, studierte Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Philosophie in Kiel und Berlin. Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) sowie Beiratsmitglied des European Month of Photography (EMOP). Seit 2004 arbeitet er als leitender Kurator in der Helmut Newton Foundation in Berlin, seit 2019 überdies als Stiftungsdirektor. Harder publiziert regelmäßig in internationalen Kunstzeitschriften wie »Art in America«, »Aperture«, »Foam«, »Eikon« oder »Photonews« und ist Autor zahlreicher Bücher und Ausstellungskataloge.

»Seine Fotos sind ganz großes Kino«

Wie hält man das Werk von HELMUT NEWTON lebendig?

Ein Gespräch mit Matthias Harder über zeitlose Bilder, Provokationen und einen einzigartigen Auftrag

Helmut Newtons »Big Nudes« begrüßen die Besucher im Entrée. Einst hingen hier Porträts preußischer Offiziere an den Wänden des 1909 erbauten ehemaligen Landwehr-Kasinos am Bahnhof Zoo. Seit zwanzig Jahren beheimatet es die Helmut Newton Foundation. Über den roten Teppich der imposanten Freitreppe gelangt man in die Ausstellungsräume. Derzeit sind hochkarätige Vintage Prints aus dem legendären Condé-Nast-Archiv zu sehen. Mit der Schau hat Matthias Harder einen Coup gelandet. Wir treffen den Direktor der Foundation in seinem großzügigen Büro, an dessen Wänden sich dicht an dicht Werke namhafter Fotografen reihen. Dass er sich kaum einen besseren Ort zum Arbeiten vorstellen kann, glaubt man dem Foto-Enthusiasten sofort. Auf einem Tisch sind Bücher und Abzüge ausgebreitet. Harder steckt mitten in den Ausstellungsvorbereitungen zum Jubiläum.

MUSEUMSJOURNAL: In »Chronorama« mit über zweihundertfünfzig Fotografien und Illustrationen aus dem Condé-NastArchiv von 1910 bis in die späten 1970erJahre hinein geht es um weit mehr als Modefotografie. Was gab den Anlass für die Ausstellung?

Matthias Harder: Helmut Newton hat für viele Magazine von Condé Nast gearbeitet. Sein großes Ziel war immer die französische »Vogue«, damals das Schlachtschiff des Verlags. 1961 erfüllte sich sein Traum und er zog, »aus dem australischen Busch kommend«, wie Newton es formulierte, nach Paris, den Vertrag für eine Festanstellung in der Tasche. Hier mietete er eine Wohnung im Marais-Viertel und machte die Straße zur Bühne seiner Fotografien. Seit zwanzig Jahren zeigt die Foundation Newtons Werk in den unterschiedlichsten Zusammenhängen. Natürlich ist er in erster Linie ein herausragender Modefotograf, er hat aber ebenso

Porträt und Akt fotografiert. Mit »Chronorama« blicken wir nun erstmals auf Newtons Werk im Kontext seiner Kolleginnen und Kollegen bei Condé Nast, wo damals die besten Illustratoren und Fotografen der Zeit engagiert waren. Die Ausstellung ist ein Parforceritt durch die Welt der Schönen und Reichen, durch das Glamour-Leben vieler Jahrzehnte. Die Schau repräsentiert im Grunde genommen die gesamte Bildsprache des 20. Jahrhunderts quer durch die Genres Porträt, Mode, Stillleben, Architektur und Fotojournalismus, inklusive avantgardistischer Experimente.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Pinault Collection und war zuvor in Venedig im Palazzo Grassi zu sehen. Pinault besitzt rund 6000 Fotos aus dem riesigen Condé-Nast-Archiv. Sie sind Co-Kurator der Ausstellung. Nach welchen Kriterien wurde ausgewählt?

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Modisches Versprechen

Der nächste Strandurlaub kommt be stimmt. Doch bis es soweit ist, sollte man sich besser warm anziehen. Der Sweater mit einem Aufdruck des israelischen Künstlers Navot Miller ist wie das Versprechen einer endlosen Sommeridylle. Sweatshirt, Baumwolle, 49 Euro, Shop C/O Berlin

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SACHEN

Alles für ein Lächeln

Das Sofortbild mit weißem Rahmen ist Kult. Künstler wie Andy Warhol oder Helmut Newton liebten es. Geheimdienste nutzen es. Nicht zu vergessen der ganz private Schnappschuss und das kindliche Vergnügen, etwas unmittelbar in der Hand zu haben –im wahrsten Sinne des Wortes ein Original.

Polaroid Kamera Now+, 149,99 Euro, Shop Helmut Newton Foundation

AUS DEN MUSEUMSSHOPS

Auferstehung eines Klassikers

Nicht nur zu Ostern kommt er groß raus: Der Hase ist seit der Antike ein begehrtes Motiv. Albrecht Dürer verewigte ihn als Naturstudie. Die plastische Dürer-Version des Künstlers Ottmar Hörl macht nun dem Gartenzwerg im Vorgarten den Platz streitig.

Ottmar Hörl: Dürer Hase, Kunststoff, ca. 26 × 16 × 36 cm, verschiedene Farben, 60 Euro, Shop Gropius Bau

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Ehrenrunde drehen

Würden Sie gerne noch einmal die Schulbank drücken?

Der französische Designer Laurent Badier hat sich bei seiner ersten Möbelkollektion »Les Adulescentes« von einem ikonischen Schulstuhl inspirieren lassen. Eine Hommage an seine Mutter, die Lehrerin war. Sitzen bleiben war noch nie so schön!

Hocker, Design: Laurent Badier, 46,5 × 35 cm, Acrylglas und pulverbeschichteter Stahl, verschiedene Farben, 220 Euro, Shop Fotografiska Berlin

the Rain

Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber gut behütet ist schon halb gewonnen. Mit diesem knallbunten Regenhut, frei nach Egon Schiele, perlt selbst der trübste Tag einfach an einem ab. Frühlingsgefühle pur – das ganze Jahr!

Regenhut »Schiele«, Design: Studio Painted, Polyester, 25 Euro, Shop Palais Populaire

Wie das Leben so spult

Zurückspulen, Stopptaste drücken, Kassette umdrehen, Play, Bandsalat –der Walkman war das »Signature Piece« der Achtziger. Nun erfährt der störrische Tonträger ein retroschickes Revival. Mit dem portablen Gadget eines Pariser Startups lassen sich sogar eigene Mixtapes aufnehmen. Ganz wie früher.

Kassettenrekorder, Design: We Are Rewind, Paris; verschiedene Farben, 149 Euro, bauhaus-shop

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www.museumsjournal.berlin

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