Magazin #19 der Kulturstiftung des Bundes

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das magazin der kulturstiftung des bundes frühjahr / sommer 2012

N

O

gedichte von nikola madzirov ann jäderlund corina bernic frances leviston john mateer yan jun jan snela khalid al-maaly douglas diegues dagmara kraus ali al-jallawi eugene ostashevsky alexander gumz halyna kruk vicente luis mora bilder von wolfgang tillmans


das nikola madzirov magazin ann jäderlund der kulturstiftung corina bernic des frances leviston bundes john mateer

Wir feiern Geburtstag! Die Kulturstiftung des Bundes wurde vor zehn Jahren, im März 2002, gegründet. Die Stiftung erhält heute jährlich 35 Millionen aus dem Haushalt des Staatsministers für Kultur und Medien. Im Laufe der Zeit sind es mehr als 2.000 Projekte aus allen künstlerischen Sparten und Disziplinen geworden, die die Stiftung gefördert oder in Eigenregie durchgeführt hat. Wir haben uns mit vielfältigen Themen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung beschäftigt — Arbeit, Migration, Erinnerungskultur, Nachhaltigkeit und Bioethik — und dabei den Beitrag von Künstlerinnen und Künstlern zur Gegenwartskultur in den Vordergrund gerückt.

michael krüger

aus dem Mazedonischen von Alexander Sitzmann Seite 3

aris fioretos

:

aus dem Schwedischen von Paul Berf Seite 6

ernest wichner

aus dem Rumänischen von Ernest Wichner Seite 9

raoul schrott

:

aus dem Englischen von Mirko Bonné Seite 12

joachim sartorius

thomas böhm

:

dagmar leupold

:

jan snela

yan jun

Seite 19

aus dem Chinesischen von Lea Schneider Seite 16

stefan weidner

ilija trojanow

Verena Auffermann – Literaturkritikerin; Jürgen Jakob Becker – Programmverantwortlicher Literarisches Col-

douglas diegues

aus dem Arabischen von Heribert Becker Seite 22

aus dem Portunhol von Odile Kennel Seite 24

loquium Berlin, Geschäftsführer des Deutschen Über-

thomas wohlfahrt

val berlin (ilb); Aris Fioretos – Schriftsteller, Literatur-

Deutschen Literaturfonds; Katharina Narbutovič –

katharina narbutovič

Berliner Festspiele; Raoul Schrott – Schriftsteller; Stefan Weidner – Schriftsteller, Übersetzer; Ernest

dagmara kraus

:

:

Seite 28

verena auffermann

eugene ostashevsky aus dem Englischen von Uljana Wolf Seite 35

Leiterin Berliner Künstlerprogramm des D A A D ; Joachim Sartorius – Schriftsteller, bis 2011 Intendant der

:

aus dem Arabischen von Leila Chammaa Seite 30

wissenschaftler; Michael Krüger – Schriftsteller, Verle-

– Schriftstellerin, geschäftsführende Vorsitzende des

michael lentz

ali al-jallawi

Böhm – Programmleiter internationales literaturfesti-

ger; Michael Lentz – Schriftsteller; Dagmar Leupold

:

khalid al-maaly

:

setzerfonds; Nico Bleutge – Schriftsteller; Thomas

:

aus dem Englischen von Ludwig Roman Fleischer Seite 15

Mentorinnen und Mentoren

Etwas sehr Besonderes ist diese Jubiläumsausgabe zudem durch die Bilder von Wolfgang Tillmans. Der Künstler hat die Sequenz seiner Fotografien in einem leeren Heft angeordnet, um die herum sich die Gedichte in einem eigenen Rhythmus gruppiert haben. So entstand eine Abfolge von Bildern und Gedichten, die fernab vom Prinzip der Bebilderung die Offenheit in den Beziehungen zwischen Bild und Gedicht wahrt und die doch mehr als zufällig ist.

:

frühjahr / sommer 2012

Es ist ein schöner Brauch, an Geburtstagen und zu Jubiläen Gedichte vorzutragen. Wir haben in diesem Heft Platz gemacht für viele Gedichte, mit denen wir unser Jubiläum feiern wollen. Anerkannte, literarisch versierte Persönlichkeiten, die unsere Arbeit in den vergangenen Jahren begleitet haben, haben als Mentoren Gedichte von Lyrikerinnen und Lyrikern aus dem In- und Ausland vorgeschlagen, welche hierzulande noch weitgehend unbekannt sind. Es sind durchweg Erstveröffentlichungen in deutscher Sprache. Bei der Entscheidung, unser Jubiläumsmagazin als Lyrikheft zu gestalten, stand die Überlegung Pate, dass wir zum Jubiläum unsererseits mit Gedichten danken wollen: den Künstlerinnen und Künstlern, den Projektpartnern, Autorinnen und Autoren unseres Magazins, dem Stiftungsrat, dem Stiftungsbeirat und den Fachjurys, den Ländern und Kommunen. Wir danken für Zusammenarbeit und Beratung, für wunderbare Projekte, für Themen und Ideen, mit denen wir uns als Stiftung verbinden durften. Wir setzen auf das PotlatschPrinzip, indem wir gemeinsam mit den Mentoren den Dichterinnen und Dichtern über den Tag hinaus Prominenz verleihen. Wir hoffen, dass auch die exzellenten, oft im Verborgenen arbeitenden Übersetzerinnen und Übersetzer von diesem Glanz profitieren.

:

jürgen jakob becker

:

halyna kruk aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe Seite 42

:

alexander gumz Seite 39

nico bleutge

:

vicente luis mora aus dem Spanischen von Timo Berger Seite 43

Wichner – Schriftsteller, Leiter des Literaturhauses Berlin; Thomas Wohlfahrt – Direktor der literaturW E R K statt berlin

bilder von wolfgang tillmans


das nikola madzirov magazin ann jäderlund der kulturstiftung corina bernic des frances leviston bundes john mateer

Wir feiern Geburtstag! Die Kulturstiftung des Bundes wurde vor zehn Jahren, im März 2002, gegründet. Die Stiftung erhält heute jährlich 35 Millionen aus dem Haushalt des Staatsministers für Kultur und Medien. Im Laufe der Zeit sind es mehr als 2.000 Projekte aus allen künstlerischen Sparten und Disziplinen geworden, die die Stiftung gefördert oder in Eigenregie durchgeführt hat. Wir haben uns mit vielfältigen Themen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung beschäftigt — Arbeit, Migration, Erinnerungskultur, Nachhaltigkeit und Bioethik — und dabei den Beitrag von Künstlerinnen und Künstlern zur Gegenwartskultur in den Vordergrund gerückt.

michael krüger

aus dem Mazedonischen von Alexander Sitzmann Seite 3

aris fioretos

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aus dem Schwedischen von Paul Berf Seite 6

ernest wichner

aus dem Rumänischen von Ernest Wichner Seite 9

raoul schrott

:

aus dem Englischen von Mirko Bonné Seite 12

joachim sartorius

thomas böhm

:

dagmar leupold

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jan snela

yan jun

Seite 19

aus dem Chinesischen von Lea Schneider Seite 16

stefan weidner

ilija trojanow

Verena Auffermann – Literaturkritikerin; Jürgen Jakob Becker – Programmverantwortlicher Literarisches Col-

douglas diegues

aus dem Arabischen von Heribert Becker Seite 22

aus dem Portunhol von Odile Kennel Seite 24

loquium Berlin, Geschäftsführer des Deutschen Über-

thomas wohlfahrt

val berlin (ilb); Aris Fioretos – Schriftsteller, Literatur-

Deutschen Literaturfonds; Katharina Narbutovič –

katharina narbutovič

Berliner Festspiele; Raoul Schrott – Schriftsteller; Stefan Weidner – Schriftsteller, Übersetzer; Ernest

dagmara kraus

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Seite 28

verena auffermann

eugene ostashevsky aus dem Englischen von Uljana Wolf Seite 35

Leiterin Berliner Künstlerprogramm des D A A D ; Joachim Sartorius – Schriftsteller, bis 2011 Intendant der

:

aus dem Arabischen von Leila Chammaa Seite 30

wissenschaftler; Michael Krüger – Schriftsteller, Verle-

– Schriftstellerin, geschäftsführende Vorsitzende des

michael lentz

ali al-jallawi

Böhm – Programmleiter internationales literaturfesti-

ger; Michael Lentz – Schriftsteller; Dagmar Leupold

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khalid al-maaly

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setzerfonds; Nico Bleutge – Schriftsteller; Thomas

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aus dem Englischen von Ludwig Roman Fleischer Seite 15

Mentorinnen und Mentoren

Etwas sehr Besonderes ist diese Jubiläumsausgabe zudem durch die Bilder von Wolfgang Tillmans. Der Künstler hat die Sequenz seiner Fotografien in einem leeren Heft angeordnet, um die herum sich die Gedichte in einem eigenen Rhythmus gruppiert haben. So entstand eine Abfolge von Bildern und Gedichten, die fernab vom Prinzip der Bebilderung die Offenheit in den Beziehungen zwischen Bild und Gedicht wahrt und die doch mehr als zufällig ist.

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frühjahr / sommer 2012

Es ist ein schöner Brauch, an Geburtstagen und zu Jubiläen Gedichte vorzutragen. Wir haben in diesem Heft Platz gemacht für viele Gedichte, mit denen wir unser Jubiläum feiern wollen. Anerkannte, literarisch versierte Persönlichkeiten, die unsere Arbeit in den vergangenen Jahren begleitet haben, haben als Mentoren Gedichte von Lyrikerinnen und Lyrikern aus dem In- und Ausland vorgeschlagen, welche hierzulande noch weitgehend unbekannt sind. Es sind durchweg Erstveröffentlichungen in deutscher Sprache. Bei der Entscheidung, unser Jubiläumsmagazin als Lyrikheft zu gestalten, stand die Überlegung Pate, dass wir zum Jubiläum unsererseits mit Gedichten danken wollen: den Künstlerinnen und Künstlern, den Projektpartnern, Autorinnen und Autoren unseres Magazins, dem Stiftungsrat, dem Stiftungsbeirat und den Fachjurys, den Ländern und Kommunen. Wir danken für Zusammenarbeit und Beratung, für wunderbare Projekte, für Themen und Ideen, mit denen wir uns als Stiftung verbinden durften. Wir setzen auf das PotlatschPrinzip, indem wir gemeinsam mit den Mentoren den Dichterinnen und Dichtern über den Tag hinaus Prominenz verleihen. Wir hoffen, dass auch die exzellenten, oft im Verborgenen arbeitenden Übersetzerinnen und Übersetzer von diesem Glanz profitieren.

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jürgen jakob becker

:

halyna kruk aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe Seite 42

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alexander gumz Seite 39

nico bleutge

:

vicente luis mora aus dem Spanischen von Timo Berger Seite 43

Wichner – Schriftsteller, Leiter des Literaturhauses Berlin; Thomas Wohlfahrt – Direktor der literaturW E R K statt berlin

bilder von wolfgang tillmans


michael krüger

:

nikola madzirov aus dem Mazedonischen von Alexander Sitzmann

kulturstiftung des bundes magazin 19

Die dunkle Bewegung deines Gesichts

Темното движење на твоето лице

Zerschneide die Luft mit der dunklen Bewegung deines Gesichts. Fall auf die Knie, bete, und senke den Kopf wie ein Schuhputzer über ein billiges Paar Schuhe. Leg das Ohr auf den Boden und sieh alle Regengüsse und Auferstehungen voraus. Wie ein Spiegel im Aufzug bilde die Höhen des Universums ab, und verwirf die Bewahrer aller dauerhaften Werte. In den denkmalgeschützten Häusern lebt niemand.

Пресечи го воздухот со темното движење на твоето лице. Клекни, помоли се, и сведни ја главата како уличен чистач на евтини чевли. Потпри го увото врз земјата и предвиди ги сите дождови и воскреснувања. Како огледало во лифт одрази ги височините на универзумот, и отфрли ги чуварите на сите трајни вредности. Во куќите заштитени со закон никој не живее.

Die Sonne schläft in deinem Schoß

Сонцето спие во твојата утроба

Der Obstgarten der Unsicherheit, den wir angelegt haben, trägt seine Früchte nachts, wenn die Sonne in deinem Schoß schläft und auf meinen Samen wartet.

Овоштарникот на несигурноста што го засадивме ги дава плодовите ноќе, кога сонцето спие во твојата утроба чекајќи го моето семе.

Wir wissen nichts über die Mineralien und die vergrabenen Spielsachen, auch nichts über die Hummeln, die Blütenstaub transportieren zwischen zwei kriegführenden Staaten.

Не знаеме ништо за минералите и закопаните играчки, ниту за бумбарите што пренесуваат полен низ две завојувани држави.

Die Erde riecht nach vergessener Feuchte und die Fußstapfen unserer Kindheit sind bedeckt von den Radspuren eines Pferdekarrens.

Земјата мириса на заборавена влага и стапките на нашето детство се покриени со тркала на запрежна кола.

Hier kommt unsere Unschuld vorbei auf ihrem Weg zu den beleuchteten Städten, die nur in den Atlanten existieren und am Himmel, wenn der Mond nicht scheint.

Оттука нашата невиност минува и оди кон осветлените градови што постојат само во атласите и на небото кога месечината ја нема.


michael krüger

:

nikola madzirov aus dem Mazedonischen von Alexander Sitzmann

kulturstiftung des bundes magazin 19

Die dunkle Bewegung deines Gesichts

Темното движење на твоето лице

Zerschneide die Luft mit der dunklen Bewegung deines Gesichts. Fall auf die Knie, bete, und senke den Kopf wie ein Schuhputzer über ein billiges Paar Schuhe. Leg das Ohr auf den Boden und sieh alle Regengüsse und Auferstehungen voraus. Wie ein Spiegel im Aufzug bilde die Höhen des Universums ab, und verwirf die Bewahrer aller dauerhaften Werte. In den denkmalgeschützten Häusern lebt niemand.

Пресечи го воздухот со темното движење на твоето лице. Клекни, помоли се, и сведни ја главата како уличен чистач на евтини чевли. Потпри го увото врз земјата и предвиди ги сите дождови и воскреснувања. Како огледало во лифт одрази ги височините на универзумот, и отфрли ги чуварите на сите трајни вредности. Во куќите заштитени со закон никој не живее.

Die Sonne schläft in deinem Schoß

Сонцето спие во твојата утроба

Der Obstgarten der Unsicherheit, den wir angelegt haben, trägt seine Früchte nachts, wenn die Sonne in deinem Schoß schläft und auf meinen Samen wartet.

Овоштарникот на несигурноста што го засадивме ги дава плодовите ноќе, кога сонцето спие во твојата утроба чекајќи го моето семе.

Wir wissen nichts über die Mineralien und die vergrabenen Spielsachen, auch nichts über die Hummeln, die Blütenstaub transportieren zwischen zwei kriegführenden Staaten.

Не знаеме ништо за минералите и закопаните играчки, ниту за бумбарите што пренесуваат полен низ две завојувани држави.

Die Erde riecht nach vergessener Feuchte und die Fußstapfen unserer Kindheit sind bedeckt von den Radspuren eines Pferdekarrens.

Земјата мириса на заборавена влага и стапките на нашето детство се покриени со тркала на запрежна кола.

Hier kommt unsere Unschuld vorbei auf ihrem Weg zu den beleuchteten Städten, die nur in den Atlanten existieren und am Himmel, wenn der Mond nicht scheint.

Оттука нашата невиност минува и оди кон осветлените градови што постојат само во атласите и на небото кога месечината ја нема.


Stille Knechtschaft

Тивко ропство

Gefangen sind wir wie ein Stern zwischen zwei Sternbildern. Die Stille macht uns lebendig, formt die Anatomie unserer Angst auf den Tulpenfeldern, die wir einander nie versprochen haben, und in den nach Zimt duftenden Küchen. Gefangen sind wir in den Schubladen voller Medikamente und duftender Kerzen, wir sind verurteilt zu dauerhaftem Glauben an die Signale, die das Fernsehen an die zweite Generation von Auswanderern sendet. Gefangen ist der ganze Himmel in den Augen der Gläubigen, eingesperrt ist die Stadt in die Fotoapparate der Touristen, die das Bild von dem Haus nie entwickeln werden, in dem wir zwischen den Vorhängen, die damals unsere einzige Kleidung waren, schwiegen. Gefangen sind wir in allen Mauerspalten, die zum Himmel führen, im Licht, das von der Kraft der schlaflosen Flüsse erzeugt wird, in allen Teppichen mit Mustern aus Blüten, die nicht existieren, in allen offenen Gräbern, die an Flucht erinnern und nicht an Ewigkeit, an Begegnung. Eingeschlossen sind wir in den Pässen, in denen wir grenzenlos sterben.

Заробени сме како ѕвезда меѓу две соѕвездија. Тишината нé оживува, ја обликува анатомијата на нашиот страв во полињата со лалиња кои никогаш не сме си ги ветиле, во кујните со мирис на цимет. Заробени сме во фиоките со лекови и миризливи свеќи, осудени сме на трајно верување во сигналите што телевизиите им ги испраќаат на второто поколение емигранти. Заробено е целото небо во очите на верниците, заклучен е градот во апаратите на туристите кои никогаш нема да ја развијат сликата од куќата во која молчевме меѓу завесите што тогаш беа наша единствена облека. Заробени сме во сите пукнатини од ѕидовите што водат кон небото, во светлината произведена од силата на реките кои не спијат, во сите килими со шари од цветови кои не постојат, во сите отворени гробови што потсетуваат на бегство, а не на вечност, на среќавање. Затворени сме во пасошите во кои умираме безгранично.

Nikola Madzirov, geboren 1973 in Strumica, Mazedonien, wo er auch heute als Lyriker, Essayist und literarischer Übersetzer lebt. Für seinen ersten Gedichtband Eingeschlossen in der Stadt 1999 erhielt er den Preis »Studentski zbor«, sein zweites Buch Irgendwo nirgendwo wurde im selben Jahr mit dem Preis »Aco Karamanov« ausgezeichnet. Für seinen bisher letzten Gedichtband Versetzter Stein von 2007 erhielt er den renommierten Gebrüder-MiladinovPreis sowie den Hubert-Burda-Preis. Zahlreiche Aufenthaltsstipendien führten ihn u.a. nach Wien [KulturKontakt Austria, 2005], Krems [U L N Ö, 2006], Graz [I H AG , 2007], Iowa City [International Writing Program, University of Iowa, 2008], Berlin [Literarisches Tandem, 2009 und LiteraturRaum im Bleibtreu, 2011] sowie München [Villa Waldberta, 2009 und 2011].

kulturstiftung des bundes magazin 19

Silver 75, 2008


Stille Knechtschaft

Тивко ропство

Gefangen sind wir wie ein Stern zwischen zwei Sternbildern. Die Stille macht uns lebendig, formt die Anatomie unserer Angst auf den Tulpenfeldern, die wir einander nie versprochen haben, und in den nach Zimt duftenden Küchen. Gefangen sind wir in den Schubladen voller Medikamente und duftender Kerzen, wir sind verurteilt zu dauerhaftem Glauben an die Signale, die das Fernsehen an die zweite Generation von Auswanderern sendet. Gefangen ist der ganze Himmel in den Augen der Gläubigen, eingesperrt ist die Stadt in die Fotoapparate der Touristen, die das Bild von dem Haus nie entwickeln werden, in dem wir zwischen den Vorhängen, die damals unsere einzige Kleidung waren, schwiegen. Gefangen sind wir in allen Mauerspalten, die zum Himmel führen, im Licht, das von der Kraft der schlaflosen Flüsse erzeugt wird, in allen Teppichen mit Mustern aus Blüten, die nicht existieren, in allen offenen Gräbern, die an Flucht erinnern und nicht an Ewigkeit, an Begegnung. Eingeschlossen sind wir in den Pässen, in denen wir grenzenlos sterben.

Заробени сме како ѕвезда меѓу две соѕвездија. Тишината нé оживува, ја обликува анатомијата на нашиот страв во полињата со лалиња кои никогаш не сме си ги ветиле, во кујните со мирис на цимет. Заробени сме во фиоките со лекови и миризливи свеќи, осудени сме на трајно верување во сигналите што телевизиите им ги испраќаат на второто поколение емигранти. Заробено е целото небо во очите на верниците, заклучен е градот во апаратите на туристите кои никогаш нема да ја развијат сликата од куќата во која молчевме меѓу завесите што тогаш беа наша единствена облека. Заробени сме во сите пукнатини од ѕидовите што водат кон небото, во светлината произведена од силата на реките кои не спијат, во сите килими со шари од цветови кои не постојат, во сите отворени гробови што потсетуваат на бегство, а не на вечност, на среќавање. Затворени сме во пасошите во кои умираме безгранично.

Nikola Madzirov, geboren 1973 in Strumica, Mazedonien, wo er auch heute als Lyriker, Essayist und literarischer Übersetzer lebt. Für seinen ersten Gedichtband Eingeschlossen in der Stadt 1999 erhielt er den Preis »Studentski zbor«, sein zweites Buch Irgendwo nirgendwo wurde im selben Jahr mit dem Preis »Aco Karamanov« ausgezeichnet. Für seinen bisher letzten Gedichtband Versetzter Stein von 2007 erhielt er den renommierten Gebrüder-MiladinovPreis sowie den Hubert-Burda-Preis. Zahlreiche Aufenthaltsstipendien führten ihn u.a. nach Wien [KulturKontakt Austria, 2005], Krems [U L N Ö, 2006], Graz [I H AG , 2007], Iowa City [International Writing Program, University of Iowa, 2008], Berlin [Literarisches Tandem, 2009 und LiteraturRaum im Bleibtreu, 2011] sowie München [Villa Waldberta, 2009 und 2011].

kulturstiftung des bundes magazin 19

Silver 75, 2008


Liebestriptychon

Kärlekstriptyk

Einsamkeit Warten. Wie die Tiere. Tief in der Lunge. Im

Ensamhet väntan. Som djuren. Nere i lungorna. I det

Dunkeln. In bläulicher Leere.

mörka. I blåfärgad tomhet.

Mit einem schlanken Boot

Med en smal båt

spalten die Arme

klyver armarna

d e n k a l t e n Wa s s e r –

det kalla vatten–

lauf. Ich bin nicht die ich

d ra g e t . J a g ä r i n t e d e n j a g

bin. Und ich bin niemand

å r. O c h j a g ä r i n t e n å g o n

and e res.

annan.

Einsamkeit Widerhall. Ein grünes Blatt in der Wärme. Ein leichtes

Ensamhet genklang. Ett grönt blad i värmen. En lätt

Wer im Kopf hochsteigt. Steil aufwärts

Den som stiger upp i huvudet. Rakt upp

Streicheln. Leichter Hunger. A l s b e w e g t e s i c h d a s G a r t e n –

strykning. Lätt hunger. S o m o m t rä d g å rd s -

in einem seiner dünnsten Kanäle. Wenn die Körper

i en av dess tunnaste kanaler. När kropparna

g ra s f r e i

g rä s e t r ö rd e s i g f r i t t

vernichtet werden. Wer hineinsteigt. Wenn man einen sieht

förintas. Den som stiger in. När man ser någon

d u rc h u n s h i n d u rc h .

genom oss.

der eigentlich nicht geben kann. Der nicht glaubt. Tote

som egentligen inte kan ge. Som inte tror. Förser

Eine warme Holzbrust unter der Hand.

Ett varmt träbröst under handen.

Körper mit Essensgaben versieht. Oder wenn der Körper

döda kroppar med matgåvor. Eller om kroppen blir

Oder innen in der Hand.

Eller inne i handen.

übermäßig geschmückt wird. Verstümmelt wenn er verstümmelt wird.

alltför smyckad. Lemlästad när den blir lemlästad.

Direkt in de r Haut . An d e r Schweißnä sse.

Direkt inne i hud en . Vid svett fukten .

Vernichtet vom puren Hass. Dann ist nichts davon

Förintad av själva hatet. Då är ingenting av det

O so wie

O så som

in ihm. Was folgen kann wird folgen.

i det. Det som kan följa kommer att följa.

e i n e i n z i g e r Ta g

en enda dag

Unverändert in seiner Form. Wendet sich der

Oförändrat i sin form. Vänder sig till den

in deinem

i ditt

inneren Rückseite der Augen im Kopf zu. Vielleicht wieder für immer.

inre baksidan av huvudets ögon. Kanske för alltid igen.

d ü n n e n H a u s . O w i e e i n Ta g .

tunna hus. O som en dag.

Ist jedes Menschen Licht

Är varje människas ljus

l e b e n d i g . Das graue.

l e v a n d e . D e t g rå a .

Im Licht der Liebe. Schwach darunter und brennend. Schwach

I kärlekens ljus. Svagt under och brinnande. Svagt

Das sind die vielen Köpfe der Gedanken. Wenn man sich in

Det är tankarnas alla huvuden. När man i sina

nahe den Augen. Der Haut. Schwach neben der Kammer. Schwach

nära ögonen. Huden. Svagt bredvid kammaren. Svagt

seinen Gedanken umdreht. Man zerstört seine

tankar vänder sig om. Man förstör sina

still. Schwach singend. Schwach mit einem einzigen Ton. Schwach

tyst. Svagt sjungande. Svagt med en enda ton. Svagt

Sichtweisen. Kocht und kocht neu.

synsätt. Kokar och kokar om.

neben dem Mund. Den Augen. Schwach nahe der Kammer.

bredvid munnen. Ögonen. Svagt nära kammaren.

Anhäufungen, die elastischen

Anhopningar som liknar

Schwach

Svagt

Teilen gleichen. Doch was ist Elastizität? Du der

elastiska delar. Men vad är elasticitet? Du som

weich. Schwach wie das schwache Gold

mjukt . Svagt som det svaga guldet

du damals mein Freund warst? In jener Zeit

var min vän då? I den tid

E rd e Z i t r u s

j o rd c i t r u s

die nie mehr auf etwas

som aldrig mer kan göra

wie die Farbe des Hungers.

s o m h u n g e r n s fä r g .

Anspruch erheben kann.

anspråk på någonting.

aris fioretos

:

ann jäderlund

Ann Jäderlund, geboren 1955 in Stockholm, wo sie heute noch wohnt. Schwedische Dichterin und Dramatikerin. Eine der bedeutendsten Stimmen der zeitgenössischen schwedischen Poesie. Jäderlund hat etwa ein Dutzend Bücher seit ihrem Debüt Vimpelstaden 1985 veröffentlicht und zahlreiche renommierte Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den Bellmanpriset der Schwedischen Akademie 2008 sowie den Aniarapriset 2010. Zuletzt erschien Vad hjälper det en människa om hou häller rent vatten över sig i alla sina dagar 2009.

aus dem Schwedischen von Paul Berf

kulturstiftung des bundes magazin 19


Liebestriptychon

Kärlekstriptyk

Einsamkeit Warten. Wie die Tiere. Tief in der Lunge. Im

Ensamhet väntan. Som djuren. Nere i lungorna. I det

Dunkeln. In bläulicher Leere.

mörka. I blåfärgad tomhet.

Mit einem schlanken Boot

Med en smal båt

spalten die Arme

klyver armarna

d e n k a l t e n Wa s s e r –

det kalla vatten–

lauf. Ich bin nicht die ich

d ra g e t . J a g ä r i n t e d e n j a g

bin. Und ich bin niemand

å r. O c h j a g ä r i n t e n å g o n

and e res.

annan.

Einsamkeit Widerhall. Ein grünes Blatt in der Wärme. Ein leichtes

Ensamhet genklang. Ett grönt blad i värmen. En lätt

Wer im Kopf hochsteigt. Steil aufwärts

Den som stiger upp i huvudet. Rakt upp

Streicheln. Leichter Hunger. A l s b e w e g t e s i c h d a s G a r t e n –

strykning. Lätt hunger. S o m o m t rä d g å rd s -

in einem seiner dünnsten Kanäle. Wenn die Körper

i en av dess tunnaste kanaler. När kropparna

g ra s f r e i

g rä s e t r ö rd e s i g f r i t t

vernichtet werden. Wer hineinsteigt. Wenn man einen sieht

förintas. Den som stiger in. När man ser någon

d u rc h u n s h i n d u rc h .

genom oss.

der eigentlich nicht geben kann. Der nicht glaubt. Tote

som egentligen inte kan ge. Som inte tror. Förser

Eine warme Holzbrust unter der Hand.

Ett varmt träbröst under handen.

Körper mit Essensgaben versieht. Oder wenn der Körper

döda kroppar med matgåvor. Eller om kroppen blir

Oder innen in der Hand.

Eller inne i handen.

übermäßig geschmückt wird. Verstümmelt wenn er verstümmelt wird.

alltför smyckad. Lemlästad när den blir lemlästad.

Direkt in de r Haut . An d e r Schweißnä sse.

Direkt inne i hud en . Vid svett fukten .

Vernichtet vom puren Hass. Dann ist nichts davon

Förintad av själva hatet. Då är ingenting av det

O so wie

O så som

in ihm. Was folgen kann wird folgen.

i det. Det som kan följa kommer att följa.

e i n e i n z i g e r Ta g

en enda dag

Unverändert in seiner Form. Wendet sich der

Oförändrat i sin form. Vänder sig till den

in deinem

i ditt

inneren Rückseite der Augen im Kopf zu. Vielleicht wieder für immer.

inre baksidan av huvudets ögon. Kanske för alltid igen.

d ü n n e n H a u s . O w i e e i n Ta g .

tunna hus. O som en dag.

Ist jedes Menschen Licht

Är varje människas ljus

l e b e n d i g . Das graue.

l e v a n d e . D e t g rå a .

Im Licht der Liebe. Schwach darunter und brennend. Schwach

I kärlekens ljus. Svagt under och brinnande. Svagt

Das sind die vielen Köpfe der Gedanken. Wenn man sich in

Det är tankarnas alla huvuden. När man i sina

nahe den Augen. Der Haut. Schwach neben der Kammer. Schwach

nära ögonen. Huden. Svagt bredvid kammaren. Svagt

seinen Gedanken umdreht. Man zerstört seine

tankar vänder sig om. Man förstör sina

still. Schwach singend. Schwach mit einem einzigen Ton. Schwach

tyst. Svagt sjungande. Svagt med en enda ton. Svagt

Sichtweisen. Kocht und kocht neu.

synsätt. Kokar och kokar om.

neben dem Mund. Den Augen. Schwach nahe der Kammer.

bredvid munnen. Ögonen. Svagt nära kammaren.

Anhäufungen, die elastischen

Anhopningar som liknar

Schwach

Svagt

Teilen gleichen. Doch was ist Elastizität? Du der

elastiska delar. Men vad är elasticitet? Du som

weich. Schwach wie das schwache Gold

mjukt . Svagt som det svaga guldet

du damals mein Freund warst? In jener Zeit

var min vän då? I den tid

E rd e Z i t r u s

j o rd c i t r u s

die nie mehr auf etwas

som aldrig mer kan göra

wie die Farbe des Hungers.

s o m h u n g e r n s fä r g .

Anspruch erheben kann.

anspråk på någonting.

aris fioretos

:

ann jäderlund

Ann Jäderlund, geboren 1955 in Stockholm, wo sie heute noch wohnt. Schwedische Dichterin und Dramatikerin. Eine der bedeutendsten Stimmen der zeitgenössischen schwedischen Poesie. Jäderlund hat etwa ein Dutzend Bücher seit ihrem Debüt Vimpelstaden 1985 veröffentlicht und zahlreiche renommierte Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den Bellmanpriset der Schwedischen Akademie 2008 sowie den Aniarapriset 2010. Zuletzt erschien Vad hjälper det en människa om hou häller rent vatten över sig i alla sina dagar 2009.

aus dem Schwedischen von Paul Berf

kulturstiftung des bundes magazin 19


Revolution

revoluţie

Sie haben Bălănel geschlagen, ihn angespuckt, ihn richtig fertig gemacht, ihn über einen Drat laufen lassen, ein Stück Knochen am anderen End. Dann haben sie ihm Brifcor in den Rachen gegossen und in den Arsch die Weiße Rakete gesteckt. Um den Hals haben sie ihm den vierzehner Schraubenschlüssel gehängt. All dies unter den schielenden Augen von Miaunel, der unentwegt N E I N schrie und ZA I Z - was ihm wie Russisch klang und PAGADI I

l-au lovit, l-au scuipat pe bălănel i-au scos ochii şi l-au pus să meargă pe o sîrmă cu un os la capăt a căzut. atunci i-au turnat brifcor pe gît în fund i-au îndesat racheta albă de gît i-au agăţat o cheie de paişpe toate astea sub ochii bolnavi de strabism ai lui miaunel care urla necontenit N U, Z A I Ţ şi PAG A DI I .

ernest wichner

:

corina bernic aus dem Rumänischen von Ernest Wichner

Kalenderschnecke

melc de calendar

manchmal geht sie wie auf einem roten Teppich durch den Tag

uneori trece prin zi ca pe un covor roşu

verwirkt ihre Augen mit den epischen Fäden des Gewebes damit sie nicht falle durch die Montagnacht heftet sie sich an jedes einzelne Blatt wie eine Kalender Schnecke

cladding, 2009

kulturstiftung des bundes magazin 19

îşi împleteşte ochii cu firele epice ale ţesăturii să nu cadă printre nopţile de luni se agaţă de fiecare filă ca un melc de calendar


Revolution

revoluţie

Sie haben Bălănel geschlagen, ihn angespuckt, ihn richtig fertig gemacht, ihn über einen Drat laufen lassen, ein Stück Knochen am anderen End. Dann haben sie ihm Brifcor in den Rachen gegossen und in den Arsch die Weiße Rakete gesteckt. Um den Hals haben sie ihm den vierzehner Schraubenschlüssel gehängt. All dies unter den schielenden Augen von Miaunel, der unentwegt N E I N schrie und ZA I Z - was ihm wie Russisch klang und PAGADI I

l-au lovit, l-au scuipat pe bălănel i-au scos ochii şi l-au pus să meargă pe o sîrmă cu un os la capăt a căzut. atunci i-au turnat brifcor pe gît în fund i-au îndesat racheta albă de gît i-au agăţat o cheie de paişpe toate astea sub ochii bolnavi de strabism ai lui miaunel care urla necontenit N U, Z A I Ţ şi PAG A DI I .

ernest wichner

:

corina bernic aus dem Rumänischen von Ernest Wichner

Kalenderschnecke

melc de calendar

manchmal geht sie wie auf einem roten Teppich durch den Tag

uneori trece prin zi ca pe un covor roşu

verwirkt ihre Augen mit den epischen Fäden des Gewebes damit sie nicht falle durch die Montagnacht heftet sie sich an jedes einzelne Blatt wie eine Kalender Schnecke

cladding, 2009

kulturstiftung des bundes magazin 19

îşi împleteşte ochii cu firele epice ale ţesăturii să nu cadă printre nopţile de luni se agaţă de fiecare filă ca un melc de calendar


Leinwand

pînză

die Spinne webt ihr Netz in deinem fragend geöffneten Mund hier in Rumänien bellen nachts oft die Hunde ich ziehe es vor, mir all dies in einem entschiedenen Grau-Schwarz anzuhören die Wörter aber sind Stahlkugeln die klackend dahin und dorthin rollen, sie drücken uns an die Wand

păianjenul îşi ţese pînza în gura ta deschisă a întrebare aici în românia cîinii latră mult noaptea prefer să ascult totul într-un tranşant gri-negru iar cuvintele sunt bile de oţel care ne rostogolesc zăngănind încoace şi încolo lipindu-ne de pereţi

jemand ist zwischen irgendwelchen Zeitungsseiten als vermißt gemeldet worden man hatte ihn verloren zwischen Leitartikeln und Werbung bei den Möbeln zu viele E’s und B’s die Spinne webt ihr Netz in deinen Ohren hier in Rumänien fällt man leicht auf Gerüchte herein sie fallen herab mit den Lindenblüten und dem Krähenschiß in den Unrat aus verschmutzten Socken und schiefgelaufenen Schuhen ein anderer Bibliothekar, so heißt es, habe sich krank gemeldet Stauballergie

cineva a fost dat dispărut în paginile unui ziar îl pierduseră printre editoriale şi reclame la piese de mobilier cu prea multe e-uri şi b-uri păianjenul îşi ţese pînza în urechile tale aici în românia zvonurile se prind uşor şi cad o dată cu florile de tei şi găinaţul de ciori într-o mîzgă de şosete murdare şi pantofi scîlciaţi cică un alt bibliotecar şi-ar fi dat demisia pe caz de boală alergie la praf

Corina Bernic, 1981 in Iaşi geboren, lebt als Journalistin, Kulturmanagerin, Autorin und Übersetzerin aus dem Deutschen [u.a. Peter Handke, Rolf Dieter Brinkmann, Daniel Kehlmann, Herta Müller] und Englischen in Bukarest. Ihr erster Gedichtband Casa scărilor [Treppenhaus] erschien 2011 in Bukarest.

10

kulturstiftung des bundes magazin 19

Mark, studio, 2009


Leinwand

pînză

die Spinne webt ihr Netz in deinem fragend geöffneten Mund hier in Rumänien bellen nachts oft die Hunde ich ziehe es vor, mir all dies in einem entschiedenen Grau-Schwarz anzuhören die Wörter aber sind Stahlkugeln die klackend dahin und dorthin rollen, sie drücken uns an die Wand

păianjenul îşi ţese pînza în gura ta deschisă a întrebare aici în românia cîinii latră mult noaptea prefer să ascult totul într-un tranşant gri-negru iar cuvintele sunt bile de oţel care ne rostogolesc zăngănind încoace şi încolo lipindu-ne de pereţi

jemand ist zwischen irgendwelchen Zeitungsseiten als vermißt gemeldet worden man hatte ihn verloren zwischen Leitartikeln und Werbung bei den Möbeln zu viele E’s und B’s die Spinne webt ihr Netz in deinen Ohren hier in Rumänien fällt man leicht auf Gerüchte herein sie fallen herab mit den Lindenblüten und dem Krähenschiß in den Unrat aus verschmutzten Socken und schiefgelaufenen Schuhen ein anderer Bibliothekar, so heißt es, habe sich krank gemeldet Stauballergie

cineva a fost dat dispărut în paginile unui ziar îl pierduseră printre editoriale şi reclame la piese de mobilier cu prea multe e-uri şi b-uri păianjenul îşi ţese pînza în urechile tale aici în românia zvonurile se prind uşor şi cad o dată cu florile de tei şi găinaţul de ciori într-o mîzgă de şosete murdare şi pantofi scîlciaţi cică un alt bibliotecar şi-ar fi dat demisia pe caz de boală alergie la praf

Corina Bernic, 1981 in Iaşi geboren, lebt als Journalistin, Kulturmanagerin, Autorin und Übersetzerin aus dem Deutschen [u.a. Peter Handke, Rolf Dieter Brinkmann, Daniel Kehlmann, Herta Müller] und Englischen in Bukarest. Ihr erster Gedichtband Casa scărilor [Treppenhaus] erschien 2011 in Bukarest.

10

kulturstiftung des bundes magazin 19

Mark, studio, 2009


raoul schrott

:

frances leviston aus dem Englischen von Mirko Bonné

Folegandros Der Wind ist allein. Er kann nicht wirklich sein auf dem Meer, nicht sich selbst bestärken, rast bloß umher, bis er auf Zeugen stößt. Die Inselschichten, ein Zaunpfahl, um sich zu reiben, Olivenbäume, Ziegenböcke und menschliche Bewohner brechen ihn. Jetzt kommt er immer von neuem. Müde mitunter, wird er zum Murmeln, bläst den Staub von Blatt zu Blatt und fährt dann nachts hoch vor Angst, nicht sich noch irgendwas sehen zu können, vor Angst, die Welt wäre endgültig verschwunden. Kindlich mutet es an, so wie er immer da ist, wie er klammert und wimmert, wie er dazwischenfunkt, wenn du für dich sein willst im letzten Licht am Strand. Man wünscht sich einen Gott, der es schafft, ihn zu beruhigen, ein Ritual, ein rituelles Opfer, das sein Brüllen besänftigt, ihn einlullt, bis er schläft, nur gibt es nichts, woran du noch glaubst — bloß den Wind, der die Kuppeln der Hügelkirchen und Ohren der Esel erfüllt, der schließlich erstirbt im Gewirr deiner Lungen.

Folegandros The wind is lonely. It cannot be real at sea, it cannot confirm itself but rushes about until it encounters witnesses. The island’s tiers, a fence post to rub against, olive trees, billy goats, and human inhabitants break it. Now it is always arriving. Tired at times it falls to a murmur, moving the dust from leaf to leaf, then rises at night, afraid it cannot see itself or anything else, afraid the world has vanished forever. There is a childish feel to its always being there, how it follows and whines, how it interrupts your private moments taken on the beach at dusk. You wish for a god you could ask to appease it, some rite, some ritual sacrifice to quiet its roaring and lull it to sleep, but there is nothing left you believe in — only the wind filling the domes of summit churches and donkeys’ ears, dying at last in the maze of your lungs.

Innereien

Humbles

Hast du in der Dämmerung ein Reh angefahren —

If you have hit a deer on the road at dusk;

bist, zitternd, aus dem Wagen gestiegen,

climbed, shivering, out of your car

unter Flüchen den entstandenen Schaden

with curses to investigate the damage

festzustellen, und fandst es zerrissen und dampfend

done, and found it split apart and steaming

in die Brennnesseln geschleudert, nicht mehr zu retten —

far-flung in the nettle bed, utterly beyond repair,

dann hast du gesehen, was keinem zu sehen bestimmt ist,

then you have seen what is not meant to be seen,

umsichtig gepackt, gefaltet wie Fallschirmseide,

is packed in cannily, coiled, like parachute silks,

nur nicht zurückzupacken, die Welt plötzlich Zeuge:

but unputbackable, out for the world to witness:

das gewundene, uhrfedergenau gewickelte Fleisch

the looping, slicked-up clockspring flesh’s

ein Rosa, Mauve, Arterienrot,

pink, mauve, arterial red,

und da, ein noch durchpulstes Netz herrlicher Venen

and there a still-pulsing web of royal veins

überbringt die schlechte Nachricht dem Herzen;

bearing the bad news back to the heart;

etwas kaputt, etwas hart, schwarz,

something broken, something hard, black,

nötigen die zerplatzten Eingeweide das Fleisch,

the burst bowel fouling the meat

sein Tun offenzulegen, überführt, wie Judas,

exposed for what it is, found out, as Judas,

aufgeschlitzt von Brust bis Bauch, in der Dämmerung

ripped from groin to gizzard, was found

am Hollerstrauch hing, noch immer mit der Erde

at dawn, on the elder tree, still tethered to earth

verbunden durch alle die Seile und Anker seines Lebens.

by all the ropes and anchors of his life.

Skandinavien

Scandinavia

Ich glaub, da könnt ich glücklich sein, nördlich vom Ruhm, im ungebrochnen Licht; die Horizonte ausgemalter Stunden gemischt in Himmel, Himmel aus sanft gehäuften Feldern, herrenlosen, deren Ränder immer wieder im raschen Hin und Her des Winds neu entstehen. Ich könnte versuchen,

I think I could be happy there, north of fame, in light unbroken; blending the imagined hours’ horizons into sky, sky through soft-heaped fields, unclaimed, their rims forever reforming at the wind’s deft caprice. I could try

wie ein Glas Wasser zu leben, vollkommen klar und irgendwie verhalten, ein Schluck, der dir nichts weismacht, nur das Da-Sein lebendig hält; könnte sitzen, liegen, wäre ruhig, das Weiße

to live as a glass of water, utterly clear and somehow restrained, a sip that tells you nothing but perpetuates the being-there; could sit, lie, settle down, the white

eines Einfalls ganz verloren im schon nächsten, wie Regen sich verliert

of one idea entirely lost upon another, as rain is lost

im Auf und Ab der See, wie ein einzelnes weihevolles Gesicht ertrinkt im Wogen der samstäglichen Menge und der Gedanke, es zu lieben, dass eine Flocke entscheidend mehr als alle anderen in einem Gestöber schmilzt, zurückfließt in das Irrsinnsmeer, den lichten öffentlichen Traum.

in the shift of the sea, as a single consecrated face drowns in the swell of the Saturday host, and the notion of loving that one critically more than any other flake in a flurry melts, flows back to folly’s pool, the lucid public dream.

Frances Leviston, 1982 in Edinburgh geboren, wuchs in Sheffield auf, studierte englische Philologie am St Hilda’s College in Oxford und schloss mit einem MA an der Sheffield Hallam University ab. 2006 bekam sie den Eric Gregory Award der Society of Authors. Ihr erster Gedichtband, Public Dream, erschien 2007 bei Picador und stand auf den Shortlists des T.S. Eliot Prize, des Forward Prize for Best First Collection und des Jerwood-Aldeburgh Prize. Veröffentlicht wurden Gedichte von ihr im Guardian, The Times, Times Literary Supplement, der Edinburgh Review und dem Magazin Granta/British Council New Writing. Leviston lehrt Kreatives Schreiben und rezensiert Gedichte für den Guardian.

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kulturstiftung des bundes magazin 19


raoul schrott

:

frances leviston aus dem Englischen von Mirko Bonné

Folegandros Der Wind ist allein. Er kann nicht wirklich sein auf dem Meer, nicht sich selbst bestärken, rast bloß umher, bis er auf Zeugen stößt. Die Inselschichten, ein Zaunpfahl, um sich zu reiben, Olivenbäume, Ziegenböcke und menschliche Bewohner brechen ihn. Jetzt kommt er immer von neuem. Müde mitunter, wird er zum Murmeln, bläst den Staub von Blatt zu Blatt und fährt dann nachts hoch vor Angst, nicht sich noch irgendwas sehen zu können, vor Angst, die Welt wäre endgültig verschwunden. Kindlich mutet es an, so wie er immer da ist, wie er klammert und wimmert, wie er dazwischenfunkt, wenn du für dich sein willst im letzten Licht am Strand. Man wünscht sich einen Gott, der es schafft, ihn zu beruhigen, ein Ritual, ein rituelles Opfer, das sein Brüllen besänftigt, ihn einlullt, bis er schläft, nur gibt es nichts, woran du noch glaubst — bloß den Wind, der die Kuppeln der Hügelkirchen und Ohren der Esel erfüllt, der schließlich erstirbt im Gewirr deiner Lungen.

Folegandros The wind is lonely. It cannot be real at sea, it cannot confirm itself but rushes about until it encounters witnesses. The island’s tiers, a fence post to rub against, olive trees, billy goats, and human inhabitants break it. Now it is always arriving. Tired at times it falls to a murmur, moving the dust from leaf to leaf, then rises at night, afraid it cannot see itself or anything else, afraid the world has vanished forever. There is a childish feel to its always being there, how it follows and whines, how it interrupts your private moments taken on the beach at dusk. You wish for a god you could ask to appease it, some rite, some ritual sacrifice to quiet its roaring and lull it to sleep, but there is nothing left you believe in — only the wind filling the domes of summit churches and donkeys’ ears, dying at last in the maze of your lungs.

Innereien

Humbles

Hast du in der Dämmerung ein Reh angefahren —

If you have hit a deer on the road at dusk;

bist, zitternd, aus dem Wagen gestiegen,

climbed, shivering, out of your car

unter Flüchen den entstandenen Schaden

with curses to investigate the damage

festzustellen, und fandst es zerrissen und dampfend

done, and found it split apart and steaming

in die Brennnesseln geschleudert, nicht mehr zu retten —

far-flung in the nettle bed, utterly beyond repair,

dann hast du gesehen, was keinem zu sehen bestimmt ist,

then you have seen what is not meant to be seen,

umsichtig gepackt, gefaltet wie Fallschirmseide,

is packed in cannily, coiled, like parachute silks,

nur nicht zurückzupacken, die Welt plötzlich Zeuge:

but unputbackable, out for the world to witness:

das gewundene, uhrfedergenau gewickelte Fleisch

the looping, slicked-up clockspring flesh’s

ein Rosa, Mauve, Arterienrot,

pink, mauve, arterial red,

und da, ein noch durchpulstes Netz herrlicher Venen

and there a still-pulsing web of royal veins

überbringt die schlechte Nachricht dem Herzen;

bearing the bad news back to the heart;

etwas kaputt, etwas hart, schwarz,

something broken, something hard, black,

nötigen die zerplatzten Eingeweide das Fleisch,

the burst bowel fouling the meat

sein Tun offenzulegen, überführt, wie Judas,

exposed for what it is, found out, as Judas,

aufgeschlitzt von Brust bis Bauch, in der Dämmerung

ripped from groin to gizzard, was found

am Hollerstrauch hing, noch immer mit der Erde

at dawn, on the elder tree, still tethered to earth

verbunden durch alle die Seile und Anker seines Lebens.

by all the ropes and anchors of his life.

Skandinavien

Scandinavia

Ich glaub, da könnt ich glücklich sein, nördlich vom Ruhm, im ungebrochnen Licht; die Horizonte ausgemalter Stunden gemischt in Himmel, Himmel aus sanft gehäuften Feldern, herrenlosen, deren Ränder immer wieder im raschen Hin und Her des Winds neu entstehen. Ich könnte versuchen,

I think I could be happy there, north of fame, in light unbroken; blending the imagined hours’ horizons into sky, sky through soft-heaped fields, unclaimed, their rims forever reforming at the wind’s deft caprice. I could try

wie ein Glas Wasser zu leben, vollkommen klar und irgendwie verhalten, ein Schluck, der dir nichts weismacht, nur das Da-Sein lebendig hält; könnte sitzen, liegen, wäre ruhig, das Weiße

to live as a glass of water, utterly clear and somehow restrained, a sip that tells you nothing but perpetuates the being-there; could sit, lie, settle down, the white

eines Einfalls ganz verloren im schon nächsten, wie Regen sich verliert

of one idea entirely lost upon another, as rain is lost

im Auf und Ab der See, wie ein einzelnes weihevolles Gesicht ertrinkt im Wogen der samstäglichen Menge und der Gedanke, es zu lieben, dass eine Flocke entscheidend mehr als alle anderen in einem Gestöber schmilzt, zurückfließt in das Irrsinnsmeer, den lichten öffentlichen Traum.

in the shift of the sea, as a single consecrated face drowns in the swell of the Saturday host, and the notion of loving that one critically more than any other flake in a flurry melts, flows back to folly’s pool, the lucid public dream.

Frances Leviston, 1982 in Edinburgh geboren, wuchs in Sheffield auf, studierte englische Philologie am St Hilda’s College in Oxford und schloss mit einem MA an der Sheffield Hallam University ab. 2006 bekam sie den Eric Gregory Award der Society of Authors. Ihr erster Gedichtband, Public Dream, erschien 2007 bei Picador und stand auf den Shortlists des T.S. Eliot Prize, des Forward Prize for Best First Collection und des Jerwood-Aldeburgh Prize. Veröffentlicht wurden Gedichte von ihr im Guardian, The Times, Times Literary Supplement, der Edinburgh Review und dem Magazin Granta/British Council New Writing. Leviston lehrt Kreatives Schreiben und rezensiert Gedichte für den Guardian.

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kulturstiftung des bundes magazin 19


joachim sartorius

Kairo

Cairo

Mohamed, an der Bar des Cosmopolitan Hotels, verwendete das Wort »Märtyrer« für jene, die im Lauf der Revolution getötet wurden. Der amerikanische Professor, mit dem ich mittelalterliche persische Poesie diskutiert hatte,

Mohamed, at the bar of the Cosmopolitan Hotel used the word »martyrs« for those who were killed during the Revolution. The American professor, with whom I had been discussing Persian

mittelalterliche Poesie und Sufi-Metaphern von Adonis, widersprach fast, wortlos unsern Freund daran erinnernd, dass auch die Bärtigen sie so bezeichnen mochten. Wir, Dichter einer anderen Welt, bestellten noch ein Bier.

Medieval poetry and Adonis’ Sufi metaphors, almost objected, wordlessly reminding our friend that the Bearded Ones, too, might call them that. We, Poets of Another World, ordered another beer.

Ich fragte nach über Adonis. Mohamed und die anderen bewunderten den Dichter, nicht das Sprachrohr. Neulich, in einem offenen Brief an den syrischen Präsidenten, war Adonis nicht denunzierend, er war versöhnlich gewesen, hatte vorsichtig gesprochen, wie jemand

I asked about Adonis. Mohamed and the others admire the Poet, not the Spokesman. Recently, in an open letter to the Syrian President, Adonis hadn’t been denunciatory, had been conciliatory, spoken carefully, like someone

in Angst vor Bösem. Ahmed, Dichter, einst ein Häftling, lauschte bloß. Im Geist waren die Fernsehmenschenmassen — Kinder und verschleierte Frauen — Demonstrationen ohne Männer, Stimme voller Sehnsucht, sich zu äußern, Metapher, weder fundamentalistisch noch zum Märtyrer geworden.

afraid of evil. Ahmed, poet, once a prisoner, just listened. In mind, the televised crowds of children and veiled women, demonstrations sans men, were Voice yearning for utterance, metaphor neither fundamentalist nor martyred.

:

john mateer aus dem Englischen von Ludwig Roman Fleischer

John Mateer wurde 1981 in Roodeport/Südafrika geboren und wuchs bei Johannesburg auf. 1989 übersiedelte er mit seiner Familie nach Australien. Heute lebt er, wenn nicht auf einer seiner zahlreichen Reisen, in Melbourne und Perth. Vom Rand der weit verstreuten südafrikanischen Diaspora geschrieben, befassen sich seine Gedichte — in bisher fünf Gedichtbänden erschienen — mit seiner afrikanischen Kindheit, dem Apartheid-Regime, dem Widerstand gegen koloniale Besitznahme und Ausbeutung und aktuellen politischen und kulturellen Bruchstellen. Immer ist — jenseits nationaler Identitäten — ein Bewusstsein am Werk, wie die historische Dimension von Erfahrung auf die Gegenwart einwirkt und sie besetzt. Die hier abgedruckten Gedichte sind Teil eines noch unveröffentlichten Zyklus, der im Frühjahr 2011 in Kairo entstanden ist.

Freischwimmer 93, 2004

15

kulturstiftung des bundes magazin 19

Die Kopten

The Copts

Dort, wo zwei Finger einen Puls finden würden,

There, where two fingers would find a pulse,

auf die Innenseite seines Handgelenks hat er das Koptenkreuz

on the inside of his wrist, he has the Coptic Cross

tätowiert, ein lebendiges Zeichen, ein Amulett, beinah geheim,

tattooed, a vital sign, an amulet, almost secret,

wie ein Wort, pharaonisch, das auftaucht, im Arabischen zu bleiben,

like a word, Pharaonic, surfacing to remain in Arabic,

eine Stimme, beruhigendes Rufen über Jahrhunderte von Lärm.

a voice, calming, calling across centuries of noise.

Winsor Hotel

Winsor Hotel

— ein Urgedicht

— an Ur Poem

Das Zwielicht ist der natürliche Zustand des Zimmers. All die Möbel zumindest ein halbes Jahrhundert alt, die Beleuchtung fluoreszierende Röhren, die man antippen muss, damit sie leuchten, über dem Schreibtisch und dem Bett wie Ektoplasmen. Draußen Kairo, ein kaputtes Kino, Berge von Unrat und eine Reihe orangefarbener Plastikstühle für Shisha rauchende Männer. Ich sollte mich zu ihnen setzen anstatt hier zu sein in einem anderen Jahrhundert, am Schreibtisch, ein hoffnungsvoller Romancier oder, was ich bin: ein ambiger Afrikaner, gerade aufgewacht aus einem Traum, in dem ich einem angolanischen Kriegsherrn Unterschlupf gewähre. Ich bin mehr Tutuolas fernsehhafter Geist, und starre meine Liebste an, in einem Hongkonger Hotelzimmer. Da ist sie auf dem Handydisplay, Seifenblasen pustend, scharf und rundum bumsbar. Irgendwo da draußen Kowloon, das weg vom Fenster sinkt.

Gloaming is the room’s natural state. All the furniture at least half a century old, the lighting fluorescent tubes that need to be tapped to glow over the desk and the bed like ectoplasms. Outside, Cairo is a ruined cinema, piles of rubbish and a row of orange plastic chairs for the shisha smoking men. I should join them instead of being here in another century, at the desk, a hopefully novelist, or, as I am, an ambiguous African just woken from the dream that I was giving refuge to an Angolan warlord. I’m more Tutuola’s televisionhanded ghost, gazing at my love naked in a Hong Kong hotel room. On the handset’s screen, there she is, blowing bubbles, clearly, totally fuckable. Kowloon somewhere outside, falling away from the window.


joachim sartorius

Kairo

Cairo

Mohamed, an der Bar des Cosmopolitan Hotels, verwendete das Wort »Märtyrer« für jene, die im Lauf der Revolution getötet wurden. Der amerikanische Professor, mit dem ich mittelalterliche persische Poesie diskutiert hatte,

Mohamed, at the bar of the Cosmopolitan Hotel used the word »martyrs« for those who were killed during the Revolution. The American professor, with whom I had been discussing Persian

mittelalterliche Poesie und Sufi-Metaphern von Adonis, widersprach fast, wortlos unsern Freund daran erinnernd, dass auch die Bärtigen sie so bezeichnen mochten. Wir, Dichter einer anderen Welt, bestellten noch ein Bier.

Medieval poetry and Adonis’ Sufi metaphors, almost objected, wordlessly reminding our friend that the Bearded Ones, too, might call them that. We, Poets of Another World, ordered another beer.

Ich fragte nach über Adonis. Mohamed und die anderen bewunderten den Dichter, nicht das Sprachrohr. Neulich, in einem offenen Brief an den syrischen Präsidenten, war Adonis nicht denunzierend, er war versöhnlich gewesen, hatte vorsichtig gesprochen, wie jemand

I asked about Adonis. Mohamed and the others admire the Poet, not the Spokesman. Recently, in an open letter to the Syrian President, Adonis hadn’t been denunciatory, had been conciliatory, spoken carefully, like someone

in Angst vor Bösem. Ahmed, Dichter, einst ein Häftling, lauschte bloß. Im Geist waren die Fernsehmenschenmassen — Kinder und verschleierte Frauen — Demonstrationen ohne Männer, Stimme voller Sehnsucht, sich zu äußern, Metapher, weder fundamentalistisch noch zum Märtyrer geworden.

afraid of evil. Ahmed, poet, once a prisoner, just listened. In mind, the televised crowds of children and veiled women, demonstrations sans men, were Voice yearning for utterance, metaphor neither fundamentalist nor martyred.

:

john mateer aus dem Englischen von Ludwig Roman Fleischer

John Mateer wurde 1981 in Roodeport/Südafrika geboren und wuchs bei Johannesburg auf. 1989 übersiedelte er mit seiner Familie nach Australien. Heute lebt er, wenn nicht auf einer seiner zahlreichen Reisen, in Melbourne und Perth. Vom Rand der weit verstreuten südafrikanischen Diaspora geschrieben, befassen sich seine Gedichte — in bisher fünf Gedichtbänden erschienen — mit seiner afrikanischen Kindheit, dem Apartheid-Regime, dem Widerstand gegen koloniale Besitznahme und Ausbeutung und aktuellen politischen und kulturellen Bruchstellen. Immer ist — jenseits nationaler Identitäten — ein Bewusstsein am Werk, wie die historische Dimension von Erfahrung auf die Gegenwart einwirkt und sie besetzt. Die hier abgedruckten Gedichte sind Teil eines noch unveröffentlichten Zyklus, der im Frühjahr 2011 in Kairo entstanden ist.

Freischwimmer 93, 2004

15

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Die Kopten

The Copts

Dort, wo zwei Finger einen Puls finden würden,

There, where two fingers would find a pulse,

auf die Innenseite seines Handgelenks hat er das Koptenkreuz

on the inside of his wrist, he has the Coptic Cross

tätowiert, ein lebendiges Zeichen, ein Amulett, beinah geheim,

tattooed, a vital sign, an amulet, almost secret,

wie ein Wort, pharaonisch, das auftaucht, im Arabischen zu bleiben,

like a word, Pharaonic, surfacing to remain in Arabic,

eine Stimme, beruhigendes Rufen über Jahrhunderte von Lärm.

a voice, calming, calling across centuries of noise.

Winsor Hotel

Winsor Hotel

— ein Urgedicht

— an Ur Poem

Das Zwielicht ist der natürliche Zustand des Zimmers. All die Möbel zumindest ein halbes Jahrhundert alt, die Beleuchtung fluoreszierende Röhren, die man antippen muss, damit sie leuchten, über dem Schreibtisch und dem Bett wie Ektoplasmen. Draußen Kairo, ein kaputtes Kino, Berge von Unrat und eine Reihe orangefarbener Plastikstühle für Shisha rauchende Männer. Ich sollte mich zu ihnen setzen anstatt hier zu sein in einem anderen Jahrhundert, am Schreibtisch, ein hoffnungsvoller Romancier oder, was ich bin: ein ambiger Afrikaner, gerade aufgewacht aus einem Traum, in dem ich einem angolanischen Kriegsherrn Unterschlupf gewähre. Ich bin mehr Tutuolas fernsehhafter Geist, und starre meine Liebste an, in einem Hongkonger Hotelzimmer. Da ist sie auf dem Handydisplay, Seifenblasen pustend, scharf und rundum bumsbar. Irgendwo da draußen Kowloon, das weg vom Fenster sinkt.

Gloaming is the room’s natural state. All the furniture at least half a century old, the lighting fluorescent tubes that need to be tapped to glow over the desk and the bed like ectoplasms. Outside, Cairo is a ruined cinema, piles of rubbish and a row of orange plastic chairs for the shisha smoking men. I should join them instead of being here in another century, at the desk, a hopefully novelist, or, as I am, an ambiguous African just woken from the dream that I was giving refuge to an Angolan warlord. I’m more Tutuola’s televisionhanded ghost, gazing at my love naked in a Hong Kong hotel room. On the handset’s screen, there she is, blowing bubbles, clearly, totally fuckable. Kowloon somewhere outside, falling away from the window.


gegen alle organisierten lügen

thomas böhm

:

yan jun

gestern nacht träumte ich von sojasoße; gestern nacht begann ich zu wachsen; gestern nacht ging die wüste weit fort, wie ein seufzen. ich habe die wolken gehört, unterm dachstuhl, während der letzte von den jungen, die weggehen aus dem Chinesischen mussten, als man ihre häuser abriss, seine zigarette aufrauchte. weil gestern von Lea Schneider nacht keine frau weinen wollte, wurde shanghai eine stadt aus holzpferden; weil kein nebel über die brücken kommen wollte, wurde guangzhou ein tablettenhimmel… und in xining gingen die lichter aus, während jemand sein messer versteckte und über eine straße rannte, die mit schaföl bespritzt war; gestern nacht verließ der gott von beijing die stadt. gegen alle organisierten lügen! gegen treffen bei dämmerung unter frühen sternen. gegen das schreien meines namens von einer baumspitze, gegen schreien im nieselregen. gegen kapitalistische kontemplation. gegen zweigesichter und dreimesser. gegen die reinkarnation toter seelen in anderen leichen. gegen die senkung meines iqs durch dich. gegen die unterbrechung eines films nach der hälfte — wenn das licht unsere deckmäntel reißt, hält die albtraumfee in der luft an — sie hat keine liebe, sie hat keine zukunft, ihre einsamkeit ist unsere einsamkeit… gegen macht. zum flohmarkt, unsterbliche und unvergängliche! gestern warst du ein intellektueller, heute bist du ein dieb, morgen wirst du im schlaf sprechen und ein philosoph sein, geht es darum? geht es darum, dass handys nicht durchkommen, aber flugzeuge problemlos einen zerbrechlichen himmel zerkratzen dürfen? geh raus, mit dem prinz der rindergeister, schau dir einen gott an — ein jahr sollte reichen um schweigen zu lernen, um beobachten zu lernen, um zu lernen wie man in lehmstahlhöhlen wohnt und weint. sex hilft gegen alles! gegen werbung, gegen vergesslichkeit. gegen das zerreißen irgendeines ausweises, irgendeines hässlichen gesichts. gegen das überstehen eines kometenschauers in goldenen mänteln, während man den namen der eigenen tochter vergisst. gegen tanzende fleischfresser. gegen sterbende computer. gegen das leben wie eine sichel. gegen das sterben eines geruchs in der nacht. gegen fashion mags und internetagenturen. gegen tagträumen, gegen durchsichtige kleidung, das ausbrechen eines herzes in gänsefedern… schnaps, der aus zehn schritt entfernung tötet… die herrschaft der dummen… pornohefte als prüfungsunterlagen… gegen angst. dreh das gewitter auf! gegen qigong-meister, gegen rock stars, gegen die zerstörung unserer wunderschönen atmosphäre durch elektrizität. gegen die schließung von bars für wandergeister. gegen verbogene götter. gegen die verehrung von brüsten. gegen den verkauf von blumen, gegen den verkauf unserer unterweltblumen unter sieben streunenden sternen, gegen blumen zum valentinstag und zum muttertag, gegen den verzehr von blumen. gegen haut. gegen azurblaue verschwörungen. befreit die steppe von den künstlern! wenn man zweifelt, liegt es am blutdruck im großhirn, aber entsteht verehrung wirklich aus hunger? darum — gegen die rede der gottesanbeterin, gegen die mysophobische naturwissenschaftlerin, sie hat mich verletzt! vor allem aber gegen intellektuelle, die sich als diebe verkleiden. außerdem gegen wälder, die so tun als seien sie holzhäuser für fremde vögel; sie werden fortgetragen von straßenkünstlern, die ihre kunst verkaufen, in träume gesperrt, die feuer fangen und in den tälern dieser kunst verschwinden, für immer…

16

kulturstiftung des bundes magazin 19

Silver 78, 2010


gegen alle organisierten lügen

thomas böhm

:

yan jun

gestern nacht träumte ich von sojasoße; gestern nacht begann ich zu wachsen; gestern nacht ging die wüste weit fort, wie ein seufzen. ich habe die wolken gehört, unterm dachstuhl, während der letzte von den jungen, die weggehen aus dem Chinesischen mussten, als man ihre häuser abriss, seine zigarette aufrauchte. weil gestern von Lea Schneider nacht keine frau weinen wollte, wurde shanghai eine stadt aus holzpferden; weil kein nebel über die brücken kommen wollte, wurde guangzhou ein tablettenhimmel… und in xining gingen die lichter aus, während jemand sein messer versteckte und über eine straße rannte, die mit schaföl bespritzt war; gestern nacht verließ der gott von beijing die stadt. gegen alle organisierten lügen! gegen treffen bei dämmerung unter frühen sternen. gegen das schreien meines namens von einer baumspitze, gegen schreien im nieselregen. gegen kapitalistische kontemplation. gegen zweigesichter und dreimesser. gegen die reinkarnation toter seelen in anderen leichen. gegen die senkung meines iqs durch dich. gegen die unterbrechung eines films nach der hälfte — wenn das licht unsere deckmäntel reißt, hält die albtraumfee in der luft an — sie hat keine liebe, sie hat keine zukunft, ihre einsamkeit ist unsere einsamkeit… gegen macht. zum flohmarkt, unsterbliche und unvergängliche! gestern warst du ein intellektueller, heute bist du ein dieb, morgen wirst du im schlaf sprechen und ein philosoph sein, geht es darum? geht es darum, dass handys nicht durchkommen, aber flugzeuge problemlos einen zerbrechlichen himmel zerkratzen dürfen? geh raus, mit dem prinz der rindergeister, schau dir einen gott an — ein jahr sollte reichen um schweigen zu lernen, um beobachten zu lernen, um zu lernen wie man in lehmstahlhöhlen wohnt und weint. sex hilft gegen alles! gegen werbung, gegen vergesslichkeit. gegen das zerreißen irgendeines ausweises, irgendeines hässlichen gesichts. gegen das überstehen eines kometenschauers in goldenen mänteln, während man den namen der eigenen tochter vergisst. gegen tanzende fleischfresser. gegen sterbende computer. gegen das leben wie eine sichel. gegen das sterben eines geruchs in der nacht. gegen fashion mags und internetagenturen. gegen tagträumen, gegen durchsichtige kleidung, das ausbrechen eines herzes in gänsefedern… schnaps, der aus zehn schritt entfernung tötet… die herrschaft der dummen… pornohefte als prüfungsunterlagen… gegen angst. dreh das gewitter auf! gegen qigong-meister, gegen rock stars, gegen die zerstörung unserer wunderschönen atmosphäre durch elektrizität. gegen die schließung von bars für wandergeister. gegen verbogene götter. gegen die verehrung von brüsten. gegen den verkauf von blumen, gegen den verkauf unserer unterweltblumen unter sieben streunenden sternen, gegen blumen zum valentinstag und zum muttertag, gegen den verzehr von blumen. gegen haut. gegen azurblaue verschwörungen. befreit die steppe von den künstlern! wenn man zweifelt, liegt es am blutdruck im großhirn, aber entsteht verehrung wirklich aus hunger? darum — gegen die rede der gottesanbeterin, gegen die mysophobische naturwissenschaftlerin, sie hat mich verletzt! vor allem aber gegen intellektuelle, die sich als diebe verkleiden. außerdem gegen wälder, die so tun als seien sie holzhäuser für fremde vögel; sie werden fortgetragen von straßenkünstlern, die ihre kunst verkaufen, in träume gesperrt, die feuer fangen und in den tälern dieser kunst verschwinden, für immer…

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kulturstiftung des bundes magazin 19

Silver 78, 2010


dagmar leupold

befreit den körper des computers!

:

jan snela

man sagt, dass geräusche herumgehen können und die nachtschichtarbeiter wecken, dass blut fallen kann und die gesichter schwarzer menschen trifft, die in den 50ern geboren wurden. deine gleichgültigen skizzen von holzsandalen und luft werden den nachmittag verlängern, bis die diebe von allen hängen kommen und entgeistert den sonnenuntergang betrachten. willkommen im untergrund! es gibt hier keine punktheorie, höchstens punkpraxis. begrabt mich falls ich tot bin. glaubt an die ewigkeit der liebe und anderer dinge des täglichen gebrauchs. die welt gehört euch. gegen unterhaltungsjournalisten und ihr verzerrtes grinsen. singt ein lied auf rostigen nägeln. geht ein bisschen glücklicher. lärm kann dein leben verbessern, aber spiel bitte nicht in einem verqualmten arbeitszimmer — sagt er, wenn die wolken sich zusammendrängen, ist wissenschaft bloß aberglaube. und er sagt, zigaretten machen den wütenden kopfschmerzen, snacks bringen hippies zum nachdenken, rauch ändert das leben eines eisernen gefolgsmanns. was das leben eines menschen angeht, das ganze leben eines menschen, das ganze leben eines menschen… sein gebiet ist sauber, seine nachbarn heulen jeden tag, er sagt, es gibt keinen erlöser.

Hostien, Herr Honorarprofessor der Theologie, kann ich verschlingn wie Backoblaten oder wie wenn es Chips wärn, drum gib mir

Da machte ich dir die Szene. ‘s Lokal verließ ich in seinen Vorraum in grimmem Ärger und konnte so gleich auch noch nach meiner Jacke sehen,

Hostien! Beschaff sie, wenn dir dein Leben lieb ist, mir bitte plötzlich und dass der Sitz das Fleisch ist von deiner Seele. Und keine Backoblaten!

ob sie noch hing, am Haken, mit den Dukaten in ihrer dunklen Tasche um dann zu zahlen.

Der Brei bricht in deinem Innern, das dieses umsummte Innerste ist, dieses Unsummenspiel der Fliegen, tot auf dem Käseteller.

lernt von genosse li bai — ändert die welt, ändert euch.

In Emaille gefasstes Wunder: »Sie müssen uns dieses Prachtstück verkaufen, sehr hochachtungsvoll..« »Nie und nimmer!«

glaubst du jetzt an reinkarnation? kühe in der entfernung und ihre glotzenden augen: gegen ehe. schafft die geistige sklaverei ab.

[Re: Melchior.] Der Brei bricht. Refrainartig refraktiert. U PS brachte dich, vor Jahren.

wer geld hat, braucht einen geldbeutel. jedes detail des frühlings könnte eine küstenlinie sein.

Ich unterschrieb mit dem Füller. Dass Kälte mir garantiert wurde, das versteht sich. Versteht sich Melchior als Pionier in der Küche? Manchmal

in die bäume! die vogelperspektive der kämpfenden. in die bäume! die begrüßung der nutten. in die bäume! die auflösung amerikas. wer fliegen kann ist ein zauberer. außer moskitos, natürlich.

dagegen.

Wir aßen Zwiebelsuppe, du gähntest, weil Salz nicht sich darin finden wollte und die Gespräche vorüber gegangen waren wie müde Kellner.

Melchior

schwule liebe — ja und.

dagegen. gegen alles. gegen uns selbst. gegen alles gegen das wir sind. gegen alles gegen das wir nicht sind. gegen alles das wir sind. gegen alles gegen das wir nicht sein dürfen und nicht sein können.

Die Szene

frage ich mich solche Sachen. Nach all den Tagen zumal. Ob, wenn der Brei ständig bricht, nicht Brei bricht.

Wie Milch vorm Fenster.

Yan Jun [颜峻] wurde 1973 in Lanzhou geboren, wo er an der Northwest Normal University Chinesisch studierte und als Lektor arbeitete, bevor er 1999 nach Peking zog. Seitdem ist er als Kritiker, Betreiber des Independent-Labels Subjam [Tietuo] und Künstler eine zentrale Figur der inoffiziellen [fei guanfang] bzw. Untergrund [dixia] -Musikszene geworden. Seit 2001 ist er Mitherausgeber der inoffiziellen Literaturzeitschrift Writing [Shu] und hat bei Subjam zwei Gedichtbände veröffentlicht: Infrasonic [Cisheng Bo, 2001] und Impossible [Bu Keneng, 2006].

19

kulturstiftung des bundes magazin 19

Jan Snela, geboren 1980 in München. Studium der Komparatistik, Slawistik, Rhetorik und des literarischen Schreibens am Studio Literatur und Theater in Tübingen. 2010 gewann er einen der drei Preise beim 18. Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin. 2011 erhielt er ein Arbeitsstipendium des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg. Veröffentlichungen: Milchgesicht, in der Anthologie zum Open Mike [Allitera, 2010] und Die Miriam, in: poet nr. 11 [poetenladen, 2011]


dagmar leupold

befreit den körper des computers!

:

jan snela

man sagt, dass geräusche herumgehen können und die nachtschichtarbeiter wecken, dass blut fallen kann und die gesichter schwarzer menschen trifft, die in den 50ern geboren wurden. deine gleichgültigen skizzen von holzsandalen und luft werden den nachmittag verlängern, bis die diebe von allen hängen kommen und entgeistert den sonnenuntergang betrachten. willkommen im untergrund! es gibt hier keine punktheorie, höchstens punkpraxis. begrabt mich falls ich tot bin. glaubt an die ewigkeit der liebe und anderer dinge des täglichen gebrauchs. die welt gehört euch. gegen unterhaltungsjournalisten und ihr verzerrtes grinsen. singt ein lied auf rostigen nägeln. geht ein bisschen glücklicher. lärm kann dein leben verbessern, aber spiel bitte nicht in einem verqualmten arbeitszimmer — sagt er, wenn die wolken sich zusammendrängen, ist wissenschaft bloß aberglaube. und er sagt, zigaretten machen den wütenden kopfschmerzen, snacks bringen hippies zum nachdenken, rauch ändert das leben eines eisernen gefolgsmanns. was das leben eines menschen angeht, das ganze leben eines menschen, das ganze leben eines menschen… sein gebiet ist sauber, seine nachbarn heulen jeden tag, er sagt, es gibt keinen erlöser.

Hostien, Herr Honorarprofessor der Theologie, kann ich verschlingn wie Backoblaten oder wie wenn es Chips wärn, drum gib mir

Da machte ich dir die Szene. ‘s Lokal verließ ich in seinen Vorraum in grimmem Ärger und konnte so gleich auch noch nach meiner Jacke sehen,

Hostien! Beschaff sie, wenn dir dein Leben lieb ist, mir bitte plötzlich und dass der Sitz das Fleisch ist von deiner Seele. Und keine Backoblaten!

ob sie noch hing, am Haken, mit den Dukaten in ihrer dunklen Tasche um dann zu zahlen.

Der Brei bricht in deinem Innern, das dieses umsummte Innerste ist, dieses Unsummenspiel der Fliegen, tot auf dem Käseteller.

lernt von genosse li bai — ändert die welt, ändert euch.

In Emaille gefasstes Wunder: »Sie müssen uns dieses Prachtstück verkaufen, sehr hochachtungsvoll..« »Nie und nimmer!«

glaubst du jetzt an reinkarnation? kühe in der entfernung und ihre glotzenden augen: gegen ehe. schafft die geistige sklaverei ab.

[Re: Melchior.] Der Brei bricht. Refrainartig refraktiert. U PS brachte dich, vor Jahren.

wer geld hat, braucht einen geldbeutel. jedes detail des frühlings könnte eine küstenlinie sein.

Ich unterschrieb mit dem Füller. Dass Kälte mir garantiert wurde, das versteht sich. Versteht sich Melchior als Pionier in der Küche? Manchmal

in die bäume! die vogelperspektive der kämpfenden. in die bäume! die begrüßung der nutten. in die bäume! die auflösung amerikas. wer fliegen kann ist ein zauberer. außer moskitos, natürlich.

dagegen.

Wir aßen Zwiebelsuppe, du gähntest, weil Salz nicht sich darin finden wollte und die Gespräche vorüber gegangen waren wie müde Kellner.

Melchior

schwule liebe — ja und.

dagegen. gegen alles. gegen uns selbst. gegen alles gegen das wir sind. gegen alles gegen das wir nicht sind. gegen alles das wir sind. gegen alles gegen das wir nicht sein dürfen und nicht sein können.

Die Szene

frage ich mich solche Sachen. Nach all den Tagen zumal. Ob, wenn der Brei ständig bricht, nicht Brei bricht.

Wie Milch vorm Fenster.

Yan Jun [颜峻] wurde 1973 in Lanzhou geboren, wo er an der Northwest Normal University Chinesisch studierte und als Lektor arbeitete, bevor er 1999 nach Peking zog. Seitdem ist er als Kritiker, Betreiber des Independent-Labels Subjam [Tietuo] und Künstler eine zentrale Figur der inoffiziellen [fei guanfang] bzw. Untergrund [dixia] -Musikszene geworden. Seit 2001 ist er Mitherausgeber der inoffiziellen Literaturzeitschrift Writing [Shu] und hat bei Subjam zwei Gedichtbände veröffentlicht: Infrasonic [Cisheng Bo, 2001] und Impossible [Bu Keneng, 2006].

19

kulturstiftung des bundes magazin 19

Jan Snela, geboren 1980 in München. Studium der Komparatistik, Slawistik, Rhetorik und des literarischen Schreibens am Studio Literatur und Theater in Tübingen. 2010 gewann er einen der drei Preise beim 18. Open Mike der Literaturwerkstatt Berlin. 2011 erhielt er ein Arbeitsstipendium des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg. Veröffentlichungen: Milchgesicht, in der Anthologie zum Open Mike [Allitera, 2010] und Die Miriam, in: poet nr. 11 [poetenladen, 2011]


Garten (weiss), 2009

Faltenwurf (skylight), 2009


Garten (weiss), 2009

Faltenwurf (skylight), 2009


stefan weidner

:

Ich ging hinaus in die Welt

khalid al-maaly

Auf dem Weg liefen Wölfe

aus dem Arabischen von Heribert Becker

Und ich kehrte, meinen Beutel tragend, zurück Wir gingen in eine wasserreiche Gegend, um zu trinken Und als meine Füße vom Gehen müde wurden Schlief ich ein wenig Und als ich wieder erwachte, war ich allein Der Wind verstreute feinen Sand

.

Und es strahlte ein Stern. Versuch anzukommen

Ich ging hinaus in die Welt Allein aus der Erinnerung wiederkehrend

Als der Tag wiederkam

Meine Illusionen in einem Beutel bei mir tragend

Blieb ich meiner Schwäche treu

Ein Faden aus der Erinnerung

Meine Illusion, sie war zerschlissen wie ein Seil

Band die Sehnsucht an mein Herz

Und mein Kleid war geflickt Allmählich entstand eine Fata Morgana Auf den Hügeln irrten Lichter umher.

Doch ich brach das Schweigen Und schrie mit trauriger Stimme

.

Rief oft

!

Doch man hörte mich nicht.

Ich suchte Hilfe in der Gegenwart

24/10/1997

Im Läuten, in einer vom Tag verlassenen Stunde Ich wandte mich ans Vergessen An eine Mauer und einen toten Skorpion.

.

Ich wartete

Schwarzer Wind kam auf

Auf etwas, das mich antreiben würde Auf eine Blume, um meinen Einfall zu bündeln

Als ich umherging, legte sich Staub auf den weiten Weg

Um heimlich zu schmelzen

Und in meinem Herzen lärmte die Wüste

.

Und zu verschwinden.

Und schwarzer Wind kam auf wie Sturm überm Meer Da trat ich in Korridore

Aufbrechen wollt’ ich

Und fand auf dem Weg die Seele allein

Noch weiter fortgehen

Unterhalten von einem verloren gegang’nen Passanten

Ich wollte entschwinden

5/11/1997

Und die Erinnerungen sich entfernten

Khalid Al-Maaly, 1956 in As’Samawa, Irak, geboren, 1979 Flucht nach Frankreich aus politischen Gründen. 1980 Antrag auf politisches Asyl in der BRD. 1983 Anerkennung als politischer Asylant. Seit 1996 deutscher Staatsbürger. 1983 Gründung des Al-Kamel Verlages für Publikationen in Arabisch in Köln. 2008 erfolgte der Umzug des Verlages nach Beirut. Er verfügt über eine Filiale in Bagdad. Neben arabischen Autoren publiziert der Verlag zahlreiche Übersetzungen aus anderen Sprachen, vor allem aus dem Deutschen, bei Lyrik meist in der Übersetzung von Al-Maaly selbst.

Glitzerten dort die Sterne Und ich erhielt eine streunende Seele zurück Eine Nacht, die Tränen blutete Ich hielt den Faden

.

Und zog daran, um anzukommen. 23/10/1997

22

.

Und sie dachte, sie ging’ in den Tod.

Und als die Tage sich häuften

23

kulturstiftung des bundes magazin 19


stefan weidner

:

Ich ging hinaus in die Welt

khalid al-maaly

Auf dem Weg liefen Wölfe

aus dem Arabischen von Heribert Becker

Und ich kehrte, meinen Beutel tragend, zurück Wir gingen in eine wasserreiche Gegend, um zu trinken Und als meine Füße vom Gehen müde wurden Schlief ich ein wenig Und als ich wieder erwachte, war ich allein Der Wind verstreute feinen Sand

.

Und es strahlte ein Stern. Versuch anzukommen

Ich ging hinaus in die Welt Allein aus der Erinnerung wiederkehrend

Als der Tag wiederkam

Meine Illusionen in einem Beutel bei mir tragend

Blieb ich meiner Schwäche treu

Ein Faden aus der Erinnerung

Meine Illusion, sie war zerschlissen wie ein Seil

Band die Sehnsucht an mein Herz

Und mein Kleid war geflickt Allmählich entstand eine Fata Morgana Auf den Hügeln irrten Lichter umher.

Doch ich brach das Schweigen Und schrie mit trauriger Stimme

.

Rief oft

!

Doch man hörte mich nicht.

Ich suchte Hilfe in der Gegenwart

24/10/1997

Im Läuten, in einer vom Tag verlassenen Stunde Ich wandte mich ans Vergessen An eine Mauer und einen toten Skorpion.

.

Ich wartete

Schwarzer Wind kam auf

Auf etwas, das mich antreiben würde Auf eine Blume, um meinen Einfall zu bündeln

Als ich umherging, legte sich Staub auf den weiten Weg

Um heimlich zu schmelzen

Und in meinem Herzen lärmte die Wüste

.

Und zu verschwinden.

Und schwarzer Wind kam auf wie Sturm überm Meer Da trat ich in Korridore

Aufbrechen wollt’ ich

Und fand auf dem Weg die Seele allein

Noch weiter fortgehen

Unterhalten von einem verloren gegang’nen Passanten

Ich wollte entschwinden

5/11/1997

Und die Erinnerungen sich entfernten

Khalid Al-Maaly, 1956 in As’Samawa, Irak, geboren, 1979 Flucht nach Frankreich aus politischen Gründen. 1980 Antrag auf politisches Asyl in der BRD. 1983 Anerkennung als politischer Asylant. Seit 1996 deutscher Staatsbürger. 1983 Gründung des Al-Kamel Verlages für Publikationen in Arabisch in Köln. 2008 erfolgte der Umzug des Verlages nach Beirut. Er verfügt über eine Filiale in Bagdad. Neben arabischen Autoren publiziert der Verlag zahlreiche Übersetzungen aus anderen Sprachen, vor allem aus dem Deutschen, bei Lyrik meist in der Übersetzung von Al-Maaly selbst.

Glitzerten dort die Sterne Und ich erhielt eine streunende Seele zurück Eine Nacht, die Tränen blutete Ich hielt den Faden

.

Und zog daran, um anzukommen. 23/10/1997

22

.

Und sie dachte, sie ging’ in den Tod.

Und als die Tage sich häuften

23

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ilija trojanow

:

douglas diegues aus dem Portunhol von Odile Kennel

3 wilde Sonette

1.

2.

even-steven das spiel den hunger zu fighten heulen die menschen megavoll sind die knäste

juego empatado para combater el hambre uivan los hombres los cárceres están superlotados

die people pennen ans gitter gebunden nobody cares about your krätze & your tuberkulose alles ist gleich wieder out

personas dormindo atadas a las grades tu sarna & tu tuberculose a nadie comove nada mais consigue ser novidade

bis auf die echt crazy freaks die nichts mehr zu loosen haben die einen hungern — die anderen fastfooden too much der kick zur destruction ist schon very natural the perfect crime um an die macht zu kommen ebenso

las excepciones son los maníacos que no tem nada a perder unos passam fome — otros comem demais impulsos de destruición ya son coisas naturais como la prática del crime para conquistar el poder

gesellschaftliche galgenfrist tierische toxine flatrateverbrechen — no future gilt selbst für die zukunft also renne ich, will dich nicht loosen und nicht diesen spezial offer afternoon

prazos oficiais toxinas animais crimes banais — nem el futuro parece tener futuro então yo corro para non perder bocê y la tarde sin juros

[Denglische Interpretation eines Gedichts in »wildem Portunhol«]

[Aus: Dá Gusto Andar Desnudo Por Estas Selvas, Ed. Travessa dos Editores, Curitiba, 2003]

3.

wie soll man mit hands in the matsch kunst erlernen in den cityparks schreib mit elefantenmist pur und liberté toujours aber never ever again keine courage

con las manos en la massa como aprender el arte en los jardines de la cidade escriba con bosta de elefante y liberdade solo no sea más um covarde

Wat hastn schon davon, son janz jebüldeta Fatzke zu sein een Studierta mit ang masse von so ne Titel inne Tasche een Leben, dass de jleich ne jute Arbeet inn’n Hintern jeschoben kriechst wer als Esel uff de Welt kommt, bleibt ehmt immer een Tier

non adianta ter segundo grau completo graduación pós-graduación doctorado en la gaveta um bom curriculum que garanta buen emprego quem nasceu pra ser una bestia sempre será una besta

times of karambolage friedhofsmafiosos — unsecurity heißt die struktur lösch mit benzin the bonfire of vanities aber never ever again keine courage

tiempo de rebelião máfias de los cementérios — formación de instabilidades apaga con gasolina la fogueira de las vaidades solo no sea más um covarde

Wat hastn schon von dem Jerede ohnen Schnodder vont Leben dazu dein Friedrich Willem uffn Mittach, uffn Ahbent und uffn Lokus zu serviern als wärste vom Stamme Hootevoleh wer als Esel uff de Welt kommt, bleibt ehmt immer een Tier

non adianta dominio de la lengua sem la gosma de la experiência almolçar jantar cagar vomitar grandes assinaturas que se estendem como grifes de la más alta cultura quem naceu pra ser una besta sermpre será una bestia

mach das tabu kaputt lern mit den aasgeiern die ganze bagage zu spät ist es nie aber never ever again keine courage

quiebra el tabu aprende lo que hay para aprender com los urubus mesmo habiendo llegado tarde solo no sea más um covarde

Wat hastn schon von det Lesen und der villen Schreiberei loofst dir nachn Diplomen de Hacken ab, damit dir de Hohlköppe bumfiedeln klüja währt ooch nich länger alsn Löffel Weisheit, nich hier in China nich, nich im Iran wer als Esel uff de Welt kommt, bleibt ehmt immer een Tier

non adianta saber ler y escrever correta mente, colecionar diplomas que os otários veneram conhecimento nunca foi sabiduria nem aqui na china nem là no Iran quem nasceu pra ser una bestia sermpre será una besta

nutz diese woche nonstop crime und remis aber never ever again keine courage

aproveite bién esta semana de crimenes y empates solo no sea más um covarde

Manch eener sülzt nen Stuss sich ausser Seele uff Feten mit etepetete aber wie saachte schon die jute alte Jertrude: een Esel is een Esel is een Esel.

muchos posam de sábio en la mais badalada de las fiestas mas como diria titia Gertrude: una bestia es una bestia es una bestia.

[Franglodeutsche Interpretation eines Gedichts in »wildem Portunhol«]

[Aus: Dá Gusto Andar Desnudo Por Estas Selvas, Ed. Travessa dos Editores, Curitiba, 2003]

[Berlinische Interpretation eines Gedichts in »wildem Portunhol«: Odile Kennel und Eva Stelzer]

[Aus: Uma flor, Eloísa Cartonera, Buenos Aires 2005]

Douglas Diegues ist einer der außergewöhnlichsten Dichter Brasiliens. Aufgewachsen nahe der paraguayanischen Grenze, schreibt der sich der »Vanguarda primitiva«, der »primitiven Avantgarde« zurechnende Dichter seine Gedichte in einer Mischsprache aus Portugiesisch, Spanisch und zunehmend auch Guarani und nennt diese Lingua Franca des Grenzgebiets, die es in schriftlicher Form eigentlich nicht gibt, »Portunhol Selvagem«, »Wildes Portunhol«. Er hat zahlreiche Gedichtbände veröffentlicht und Schriftsteller wie Malcolm Lowry, Edgar Allan Poe und Tomas Eloy Martinez ins »Wilde Portunhol« übersetzt.

24

25

kulturstiftung des bundes magazin 19


ilija trojanow

:

douglas diegues aus dem Portunhol von Odile Kennel

3 wilde Sonette

1.

2.

even-steven das spiel den hunger zu fighten heulen die menschen megavoll sind die knäste

juego empatado para combater el hambre uivan los hombres los cárceres están superlotados

die people pennen ans gitter gebunden nobody cares about your krätze & your tuberkulose alles ist gleich wieder out

personas dormindo atadas a las grades tu sarna & tu tuberculose a nadie comove nada mais consigue ser novidade

bis auf die echt crazy freaks die nichts mehr zu loosen haben die einen hungern — die anderen fastfooden too much der kick zur destruction ist schon very natural the perfect crime um an die macht zu kommen ebenso

las excepciones son los maníacos que no tem nada a perder unos passam fome — otros comem demais impulsos de destruición ya son coisas naturais como la prática del crime para conquistar el poder

gesellschaftliche galgenfrist tierische toxine flatrateverbrechen — no future gilt selbst für die zukunft also renne ich, will dich nicht loosen und nicht diesen spezial offer afternoon

prazos oficiais toxinas animais crimes banais — nem el futuro parece tener futuro então yo corro para non perder bocê y la tarde sin juros

[Denglische Interpretation eines Gedichts in »wildem Portunhol«]

[Aus: Dá Gusto Andar Desnudo Por Estas Selvas, Ed. Travessa dos Editores, Curitiba, 2003]

3.

wie soll man mit hands in the matsch kunst erlernen in den cityparks schreib mit elefantenmist pur und liberté toujours aber never ever again keine courage

con las manos en la massa como aprender el arte en los jardines de la cidade escriba con bosta de elefante y liberdade solo no sea más um covarde

Wat hastn schon davon, son janz jebüldeta Fatzke zu sein een Studierta mit ang masse von so ne Titel inne Tasche een Leben, dass de jleich ne jute Arbeet inn’n Hintern jeschoben kriechst wer als Esel uff de Welt kommt, bleibt ehmt immer een Tier

non adianta ter segundo grau completo graduación pós-graduación doctorado en la gaveta um bom curriculum que garanta buen emprego quem nasceu pra ser una bestia sempre será una besta

times of karambolage friedhofsmafiosos — unsecurity heißt die struktur lösch mit benzin the bonfire of vanities aber never ever again keine courage

tiempo de rebelião máfias de los cementérios — formación de instabilidades apaga con gasolina la fogueira de las vaidades solo no sea más um covarde

Wat hastn schon von dem Jerede ohnen Schnodder vont Leben dazu dein Friedrich Willem uffn Mittach, uffn Ahbent und uffn Lokus zu serviern als wärste vom Stamme Hootevoleh wer als Esel uff de Welt kommt, bleibt ehmt immer een Tier

non adianta dominio de la lengua sem la gosma de la experiência almolçar jantar cagar vomitar grandes assinaturas que se estendem como grifes de la más alta cultura quem naceu pra ser una besta sermpre será una bestia

mach das tabu kaputt lern mit den aasgeiern die ganze bagage zu spät ist es nie aber never ever again keine courage

quiebra el tabu aprende lo que hay para aprender com los urubus mesmo habiendo llegado tarde solo no sea más um covarde

Wat hastn schon von det Lesen und der villen Schreiberei loofst dir nachn Diplomen de Hacken ab, damit dir de Hohlköppe bumfiedeln klüja währt ooch nich länger alsn Löffel Weisheit, nich hier in China nich, nich im Iran wer als Esel uff de Welt kommt, bleibt ehmt immer een Tier

non adianta saber ler y escrever correta mente, colecionar diplomas que os otários veneram conhecimento nunca foi sabiduria nem aqui na china nem là no Iran quem nasceu pra ser una bestia sermpre será una besta

nutz diese woche nonstop crime und remis aber never ever again keine courage

aproveite bién esta semana de crimenes y empates solo no sea más um covarde

Manch eener sülzt nen Stuss sich ausser Seele uff Feten mit etepetete aber wie saachte schon die jute alte Jertrude: een Esel is een Esel is een Esel.

muchos posam de sábio en la mais badalada de las fiestas mas como diria titia Gertrude: una bestia es una bestia es una bestia.

[Franglodeutsche Interpretation eines Gedichts in »wildem Portunhol«]

[Aus: Dá Gusto Andar Desnudo Por Estas Selvas, Ed. Travessa dos Editores, Curitiba, 2003]

[Berlinische Interpretation eines Gedichts in »wildem Portunhol«: Odile Kennel und Eva Stelzer]

[Aus: Uma flor, Eloísa Cartonera, Buenos Aires 2005]

Douglas Diegues ist einer der außergewöhnlichsten Dichter Brasiliens. Aufgewachsen nahe der paraguayanischen Grenze, schreibt der sich der »Vanguarda primitiva«, der »primitiven Avantgarde« zurechnende Dichter seine Gedichte in einer Mischsprache aus Portugiesisch, Spanisch und zunehmend auch Guarani und nennt diese Lingua Franca des Grenzgebiets, die es in schriftlicher Form eigentlich nicht gibt, »Portunhol Selvagem«, »Wildes Portunhol«. Er hat zahlreiche Gedichtbände veröffentlicht und Schriftsteller wie Malcolm Lowry, Edgar Allan Poe und Tomas Eloy Martinez ins »Wilde Portunhol« übersetzt.

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Nachtstilleben, 2011


Nachtstilleben, 2011


wechselreden auf langue bleue #1

michael lentz

#2

man nodro dedsor or 2 manu smu tvistu pi an fnin of vantu3 1

:

dagmara kraus

epithalamion für j. und k. ames

vor dem schlafgemach zu singen

»... und jeder sagt, er wisse nur vom anblick seines käfers, was ein käfer ist. [...] – aber wenn nun das wort ›käfer‹ dieser leute doch einen gebrauch hätte?«

me nu flira ar 4 me oa kleto5 mi kapor 6 me vanta an trinf 7 me trova ven er ra me flota8 an penk 9 — it kalsu10? dov ɥiftu11 ane paru slostu12 ne figla mi flospor13 pro vopvigi ven par stiflu14 it flospu knofted15 me evila tiɥ16 an rimg di birsu17 it volɥ ane florlu di perlu18 me vanta ɥevlu19 ven tosn bansu it spids20 — si, te snono21, te ne vanta22 — bo ne eɥato it frilg dego23 — ne dana benɥ preni an kab24 — mea sla sork seri 25 — lu bolvu26 — bi aɥ frilg27 — is lu gatu28 — feɥ su smami smoɥ29

me nu flira ar 30 me oa kleto31 mea sla sork seri32 lu bolvu33 bi aɥ frilg34 is lu gatu35 feɥ su smami smoɥ36

1

der mann wird als schuldner geboren

30 ich werde nicht fehlen

2

oder

31 ich werde mich ankleiden

3

die menschen sind einander durch unendlich viele bedürfnisse verbunden

32 meine einzige sorge ist

4

ich werde nicht fehlen

34 sind in dieser zeit

5

ich werde mich ankleiden

35 wie die straßen

wittgenstein, philosophische untersuchungen

die sie-ameise* sie geendet haben denken und gegangen sein in kaufzimmer, wo sie gekauft haben gesichtsschmiere rote einige; sie gewaschen haben sich, gekämmt haben sich, geschmiert haben rötlich, und gesessen haben bei lichtloch. naturgemäß, warum sie gewesen sein so geschmückt und so schönheitsvoll, jeder gehender bei geliebt haben sich in sie. er-rind gegangen sein bei, und gesagt haben sie : – heda! sie – ameischen, was? du wollen heiraten ich. sie-ameischen gesagt haben zurück : – wie aber du machen werden ich geliebt in? er-rind angefangen haben rinden; sie-ameischen geschlossen haben ohren mit füsslein zwei. – folgen weg deinen, sie gesagt haben zu er-rind, warum du schrecken ich, höher-schrecken ich, und am höchsten schrecken ich. dasselbige geschehen sein zu hund, welcher gehundet haben; katz, welcher gekatzt haben; schwein, welcher geschweint haben; hahn, welcher gehahnt haben; alle geursacht haben abstossung in sie-ameise; nicht-irgendeiner erhalten haben gunst ihrig, bis käferchen gegangen sein bei ihr, welcher gewusst haben so feinartig und so zartartig machen sie geliebt in, dass sie-ameischen gegeben haben hand schwarz ihrig er. sie gelebt haben wie tauben und glücklich so, dass man nicht geaugt haben solches von wann welt sein welt.

33 die alleen

6 beim hutmacher

36 vielleicht auf diät

7 ich brauche einen hut aus seide

*Abschrift der hormiguita-Übersetzung von Georg Bauer. [In: Ders. SP EL I N . Eine Allsprache auf allgemeinen Grundlagen der sprachwissenschaftlichen Kombinatorik, Brüssel und Zagreb, 1888.]

8 ich finde einen, der mir steht 9 eine hose 10 — und caleçons ? 11 zwei blusen 12 ein paar socken 13 dann gehen wir weiter zum schuster 14 um ein paar stiefel zu kaufen 15 und lackschuhe 16 ausserdem möchte ich gerne 17 einen diamantring 18 und auch ein paar perlenohrringe

Dagmara Kraus, geboren 1981 in Wrocław, Polen, studierte Komparatistik

und Kunstgeschichte in Leipzig, Berlin und Paris sowie Literarisches Schrei-

19 ich brauche schmuck

ben am Deutschen Literaturinstitut. Seit 2008 veröffentlicht sie Gedichte in

20 ein dutzend kokarden und spitze

Zeitschriften und Anthologien (»Jahrbuch der Lyrik«, »freie radikale lyrik«,

21 — ja, du hast recht

»Edit«, »Neue Rundschau«) und übersetzt aus dem Polnischen. Im März

22 — du brauchst das alles

2012 erschien »kummerang«, ihr Lyrikdebüt, im Berliner kookbooks-Verlag.

23 — aber wir plaudern viel und die zeit vergeht 24 — wir sollten den wagen bestellen 25 — meine einzige sorge ist 26 — die alleen 27 — sind in dieser zeit 28 — wie die straßen 29 — vielleicht auf diät

28

29

kulturstiftung des bundes magazin 19


wechselreden auf langue bleue #1

michael lentz

#2

man nodro dedsor or 2 manu smu tvistu pi an fnin of vantu3 1

:

dagmara kraus

epithalamion für j. und k. ames

vor dem schlafgemach zu singen

»... und jeder sagt, er wisse nur vom anblick seines käfers, was ein käfer ist. [...] – aber wenn nun das wort ›käfer‹ dieser leute doch einen gebrauch hätte?«

me nu flira ar 4 me oa kleto5 mi kapor 6 me vanta an trinf 7 me trova ven er ra me flota8 an penk 9 — it kalsu10? dov ɥiftu11 ane paru slostu12 ne figla mi flospor13 pro vopvigi ven par stiflu14 it flospu knofted15 me evila tiɥ16 an rimg di birsu17 it volɥ ane florlu di perlu18 me vanta ɥevlu19 ven tosn bansu it spids20 — si, te snono21, te ne vanta22 — bo ne eɥato it frilg dego23 — ne dana benɥ preni an kab24 — mea sla sork seri 25 — lu bolvu26 — bi aɥ frilg27 — is lu gatu28 — feɥ su smami smoɥ29

me nu flira ar 30 me oa kleto31 mea sla sork seri32 lu bolvu33 bi aɥ frilg34 is lu gatu35 feɥ su smami smoɥ36

1

der mann wird als schuldner geboren

30 ich werde nicht fehlen

2

oder

31 ich werde mich ankleiden

3

die menschen sind einander durch unendlich viele bedürfnisse verbunden

32 meine einzige sorge ist

4

ich werde nicht fehlen

34 sind in dieser zeit

5

ich werde mich ankleiden

35 wie die straßen

wittgenstein, philosophische untersuchungen

die sie-ameise* sie geendet haben denken und gegangen sein in kaufzimmer, wo sie gekauft haben gesichtsschmiere rote einige; sie gewaschen haben sich, gekämmt haben sich, geschmiert haben rötlich, und gesessen haben bei lichtloch. naturgemäß, warum sie gewesen sein so geschmückt und so schönheitsvoll, jeder gehender bei geliebt haben sich in sie. er-rind gegangen sein bei, und gesagt haben sie : – heda! sie – ameischen, was? du wollen heiraten ich. sie-ameischen gesagt haben zurück : – wie aber du machen werden ich geliebt in? er-rind angefangen haben rinden; sie-ameischen geschlossen haben ohren mit füsslein zwei. – folgen weg deinen, sie gesagt haben zu er-rind, warum du schrecken ich, höher-schrecken ich, und am höchsten schrecken ich. dasselbige geschehen sein zu hund, welcher gehundet haben; katz, welcher gekatzt haben; schwein, welcher geschweint haben; hahn, welcher gehahnt haben; alle geursacht haben abstossung in sie-ameise; nicht-irgendeiner erhalten haben gunst ihrig, bis käferchen gegangen sein bei ihr, welcher gewusst haben so feinartig und so zartartig machen sie geliebt in, dass sie-ameischen gegeben haben hand schwarz ihrig er. sie gelebt haben wie tauben und glücklich so, dass man nicht geaugt haben solches von wann welt sein welt.

33 die alleen

6 beim hutmacher

36 vielleicht auf diät

7 ich brauche einen hut aus seide

*Abschrift der hormiguita-Übersetzung von Georg Bauer. [In: Ders. SP EL I N . Eine Allsprache auf allgemeinen Grundlagen der sprachwissenschaftlichen Kombinatorik, Brüssel und Zagreb, 1888.]

8 ich finde einen, der mir steht 9 eine hose 10 — und caleçons ? 11 zwei blusen 12 ein paar socken 13 dann gehen wir weiter zum schuster 14 um ein paar stiefel zu kaufen 15 und lackschuhe 16 ausserdem möchte ich gerne 17 einen diamantring 18 und auch ein paar perlenohrringe

Dagmara Kraus, geboren 1981 in Wrocław, Polen, studierte Komparatistik

und Kunstgeschichte in Leipzig, Berlin und Paris sowie Literarisches Schrei-

19 ich brauche schmuck

ben am Deutschen Literaturinstitut. Seit 2008 veröffentlicht sie Gedichte in

20 ein dutzend kokarden und spitze

Zeitschriften und Anthologien (»Jahrbuch der Lyrik«, »freie radikale lyrik«,

21 — ja, du hast recht

»Edit«, »Neue Rundschau«) und übersetzt aus dem Polnischen. Im März

22 — du brauchst das alles

2012 erschien »kummerang«, ihr Lyrikdebüt, im Berliner kookbooks-Verlag.

23 — aber wir plaudern viel und die zeit vergeht 24 — wir sollten den wagen bestellen 25 — meine einzige sorge ist 26 — die alleen 27 — sind in dieser zeit 28 — wie die straßen 29 — vielleicht auf diät

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kulturstiftung des bundes magazin 19


Wie Mutters Kaffee

‫أمك‬ َ ‫كقيوة‬

Schnell gealtert bin ich wie ein ungesungenes Lied. Wie eine Flöte, die mit Fingern Wortlücken füllt, Wind in die Brust saugt, zwei Grübchen erwachen lässt und sie dann sinngebend verbindet. Wie eine alte Flöte, die zum Glas Wein ein Lied spielt, alle Enkel um sich versammelt. Wie eine Flöte, die Schnee und Ernst von der Schwelle fegt, dann vergisst, dass der Kopf, wohin das Herz auch immer zieht, mit der Zeit verschneit. Schnell gealtert bin ich, sage ich zu meiner Mutter. Sie lächelt: Das ist das strahlende Licht im Herzen, mein Sohn. Wie das von deinem Opa Dschaafar. Dir laufen die Tränen so schnell wie meine Mutter Nardjis Abschied hielt. Dunkel und trüb bist du wie ihr Kaffee. Von mir aber hast du die extra Prise Zucker mitbekommen. Ich trinke den Kaffee jetzt ohne Zucker, sage ich. Dir reicht eben der eigene, sagt sie. Gealtert bin ich, besuche häufig den Arzt,1 räume morgens Schreibtisch und Herzenssachen auf. Ich lernte ein wenig tanzen, zertrat versehentlich alle Finger in meinem Herzen, pflege meine Scham mit Schweigen. Gealtert bin ich, durchlief alle Stationen wie ein alter Zug der heimfährt, wenn er stirbt. Gealtert bin ich wie ein ungesungenes Lied. Wie eine Flöte, die mit Fingern Wortlücken füllt in dem Versuch, zwei Gedächtnisse in einem Gedanken einzufangen.

30

kulturstiftung des bundes magazin 19

ٍ .‫كأغنية لم تُغنّى‬ ً‫كبرت سريعا‬ ُ ِ ٍ ‫كناي‬ ُّ‫قديم يحط‬ ِ ‫أصابع ُو في‬ ،‫الكالم‬ ‫ثقوب‬ ٍ َ ،‫الريح‬ ‫يجر إلى صدره‬ ُّ َ ِ ‫غم‬ ،‫ازتين‬ ُ ّ ‫يفتح‬ .‫ويعقد بينيما يخط معنى‬ ُ

thomas wohlfahrt

:

ali al-jallawi aus dem Arabischen von Leila Chammaa

ٍ ‫كناي‬ ‫قديم‬ ٍ

ِ ِ ‫النبيذ‬ ‫لكأس‬ ‫ضيف الموسيقى‬ ُ ‫ُي‬ ..‫ويجمع أحفادهُ حولو‬

‫وكناي‬ ٍ

ِ ‫انة عن‬ ِ ‫سيجرف ثمج الرز‬ ‫بابو‬ َ ُ ‫ثم ينسى‬

‫قمبك أنّى‬ َ ‫يت‬ َ ‫سيثمج ر‬ َ ‫وج‬ ّ ‫أسك‬ ُ ً‫كبرت سريعا‬ ُ :‫فتبسم‬ ‫أقول ألمي‬ ُ

ِ ِ ‫القناديل في‬ ‫القمب يا ولدي‬ ‫بياض‬ ‫ىذا‬ ُ )‫(جعفر‬ ‫جدك‬ َ َ ‫مثل‬ ْ ‫وىذي الدموع السريعة مثل الوداع‬

،)‫(نرجس‬ ‫ألمك‬ َ ُ ‫ازددت حزناً كقيوتيا‬ ‫لكنك‬ َ َ

‫ازددت لكن بسك ْر‬ ‫وألنك مني كقيوتيا‬ َ :‫وأقول ليا‬

ٍ ‫صرت أشربيا دونما‬ ‫سكر‬ ُ .‫ اكتفي بالذي فيك‬:‫فتقو ُل‬ ٍ ‫كبرت‬ ‫آه‬ ُ ‫وصرت أزور الطبيب‬ ُ

‫أرتب مكتبتي ومواعيد قمبي صباحا‬ ُ ِ ‫الرقص‬ ‫مت شيئا من‬ ُ ّ‫تعم‬ ٍ ‫لكنني دون‬ ‫قصد‬

،‫رضضت جميع أصابع قمبي‬ ُ ِ ‫السكوت‬ ‫بالحياء‬ ‫فعالجني‬ ُ

ِ ‫المحطات‬ ‫كبرت بكل‬ ُ ٍ ٍ ‫مثل‬ ‫عجوز‬ ‫قطار‬

‫يموت‬ ‫سيرجع لمبيت حين‬ ُ ‫كبرت‬ ُ .‫كأغنية لم تغ ّنى‬ ِ ُّ‫كناي يحط‬ ِ ‫أصابع ُو في‬ ،‫الكالم‬ ‫ثقوب‬ ٍ َ ‫يحاو ُل‬ .‫يصطاد ذاكرتين بمعنى‬ ُ

Wald (Tierra del Fuego) I, 2010


Wie Mutters Kaffee

‫أمك‬ َ ‫كقيوة‬

Schnell gealtert bin ich wie ein ungesungenes Lied. Wie eine Flöte, die mit Fingern Wortlücken füllt, Wind in die Brust saugt, zwei Grübchen erwachen lässt und sie dann sinngebend verbindet. Wie eine alte Flöte, die zum Glas Wein ein Lied spielt, alle Enkel um sich versammelt. Wie eine Flöte, die Schnee und Ernst von der Schwelle fegt, dann vergisst, dass der Kopf, wohin das Herz auch immer zieht, mit der Zeit verschneit. Schnell gealtert bin ich, sage ich zu meiner Mutter. Sie lächelt: Das ist das strahlende Licht im Herzen, mein Sohn. Wie das von deinem Opa Dschaafar. Dir laufen die Tränen so schnell wie meine Mutter Nardjis Abschied hielt. Dunkel und trüb bist du wie ihr Kaffee. Von mir aber hast du die extra Prise Zucker mitbekommen. Ich trinke den Kaffee jetzt ohne Zucker, sage ich. Dir reicht eben der eigene, sagt sie. Gealtert bin ich, besuche häufig den Arzt,1 räume morgens Schreibtisch und Herzenssachen auf. Ich lernte ein wenig tanzen, zertrat versehentlich alle Finger in meinem Herzen, pflege meine Scham mit Schweigen. Gealtert bin ich, durchlief alle Stationen wie ein alter Zug der heimfährt, wenn er stirbt. Gealtert bin ich wie ein ungesungenes Lied. Wie eine Flöte, die mit Fingern Wortlücken füllt in dem Versuch, zwei Gedächtnisse in einem Gedanken einzufangen.

30

kulturstiftung des bundes magazin 19

ٍ .‫كأغنية لم تُغنّى‬ ً‫كبرت سريعا‬ ُ ِ ٍ ‫كناي‬ ُّ‫قديم يحط‬ ِ ‫أصابع ُو في‬ ،‫الكالم‬ ‫ثقوب‬ ٍ َ ،‫الريح‬ ‫يجر إلى صدره‬ ُّ َ ِ ‫غم‬ ،‫ازتين‬ ُ ّ ‫يفتح‬ .‫ويعقد بينيما يخط معنى‬ ُ

thomas wohlfahrt

:

ali al-jallawi aus dem Arabischen von Leila Chammaa

ٍ ‫كناي‬ ‫قديم‬ ٍ

ِ ِ ‫النبيذ‬ ‫لكأس‬ ‫ضيف الموسيقى‬ ُ ‫ُي‬ ..‫ويجمع أحفادهُ حولو‬

‫وكناي‬ ٍ

ِ ‫انة عن‬ ِ ‫سيجرف ثمج الرز‬ ‫بابو‬ َ ُ ‫ثم ينسى‬

‫قمبك أنّى‬ َ ‫يت‬ َ ‫سيثمج ر‬ َ ‫وج‬ ّ ‫أسك‬ ُ ً‫كبرت سريعا‬ ُ :‫فتبسم‬ ‫أقول ألمي‬ ُ

ِ ِ ‫القناديل في‬ ‫القمب يا ولدي‬ ‫بياض‬ ‫ىذا‬ ُ )‫(جعفر‬ ‫جدك‬ َ َ ‫مثل‬ ْ ‫وىذي الدموع السريعة مثل الوداع‬

،)‫(نرجس‬ ‫ألمك‬ َ ُ ‫ازددت حزناً كقيوتيا‬ ‫لكنك‬ َ َ

‫ازددت لكن بسك ْر‬ ‫وألنك مني كقيوتيا‬ َ :‫وأقول ليا‬

ٍ ‫صرت أشربيا دونما‬ ‫سكر‬ ُ .‫ اكتفي بالذي فيك‬:‫فتقو ُل‬ ٍ ‫كبرت‬ ‫آه‬ ُ ‫وصرت أزور الطبيب‬ ُ

‫أرتب مكتبتي ومواعيد قمبي صباحا‬ ُ ِ ‫الرقص‬ ‫مت شيئا من‬ ُ ّ‫تعم‬ ٍ ‫لكنني دون‬ ‫قصد‬

،‫رضضت جميع أصابع قمبي‬ ُ ِ ‫السكوت‬ ‫بالحياء‬ ‫فعالجني‬ ُ

ِ ‫المحطات‬ ‫كبرت بكل‬ ُ ٍ ٍ ‫مثل‬ ‫عجوز‬ ‫قطار‬

‫يموت‬ ‫سيرجع لمبيت حين‬ ُ ‫كبرت‬ ُ .‫كأغنية لم تغ ّنى‬ ِ ُّ‫كناي يحط‬ ِ ‫أصابع ُو في‬ ،‫الكالم‬ ‫ثقوب‬ ٍ َ ‫يحاو ُل‬ .‫يصطاد ذاكرتين بمعنى‬ ُ

Wald (Tierra del Fuego) I, 2010


‫يفرك ظيرنا شجر‬

Den Rücken kratzt uns der Baum Ich hänge meine Seele an den Mantel einer Frau. Singend steigt sie hinab zum Fluss, lockt die Vögel zurück, sagt: Sollten die Propheten vergessen, dass sie uns das Jenseits versprochen haben, dann schlagt beim Stadttor Jesus ans Kreuz, fangt das Wasser von seinen Händen auf, balsamiert damit wie mit Henna die Opfer eurer Bomben ein. Zwischen Gefallenem und Todesmoment steht ein Mädchen, die Taschen voll Erde, sagt: hier wohnt Gott / dann bricht die Stimme im Gedächtnis ab. Eine Berberin sagt: Die Gebote wurden in aller Eile geschrieben, die Propheten hoben ab, gingen in weißem Dunst auf. Ermordete kehrten aus dem Tod zurück, die Brust zerschossen, die Finger in die Einschusslöcher gesteckt. Dann schweigt sie. Gott steigt in seiner Trauer zwei Schritte empor, und in Nazareth gerät die junge Freude aus dem Takt. Eine Frau – neben ihr ein Dichter, krank vor Liebe zu ihr – sagt: Der Himmel hier ist weniger hoch – ebenso unsere Träume . . . Dann schweigt sie. Im Schweigen fliegt mein Herz auf, und das Flugzeug setzt zur Landung an. Engel führen den Aufzug himmelwärts. 3 Ein kleiner Engel zählte seine Finger, vergisst, er zeigt auf die Rückkehrer aus dem Tod. Wie viel Mord ist nötig, damit sich Gott im Jenseits beeilt? Eine Frau – krank wie der Dichter, der aus ihrem Schweigen erwächst – sagt: Der Himmel hier ist weniger weiß – ebenso unsere Freude. . . Dann schweigt sie. Der Dichter, ursprünglich aus einem Dorf, zerspringt, schenkt ihren Brüsten die Rundung zurück.

Eine Wolke, die einer anderen ins Ohr tuschelt Über meinen Vater . . . über mich sage ich zu einer Wolke, die einer anderen zutuschelt: Der junge Mann pflanzte das Gedicht im Wasserkrug an. Die Hand der jungen Frau trieb aus auf dem Stein. Auf den Stein des Propheten setzte mich ein anderer Stein.

‫أعمّق روحي عمى معطف امرأة‬ ‫نزلت في الغناء‬

،‫تعيد العصافير لمنير‬

:‫قالت‬

‫إذا رجع األنبياء عن الوعد باآلخرْة‬

Pass auf, mein Junge, auf einem provisorischen Lager findet das Gedicht keinen Schlaf, baue nicht auf Wasser. Das weise Meer wirst du künftig nicht mehr in die Irre führen, mein Sohn, sagt der Vater und schweigt. In seinen Augen erlischt der Himmel erneut.

‫فاصمبوا عند باب المدينة عيسى‬ ‫وحنوا بماء يديو ضحايا قنابمكم‬

‫إن بين القتيل ولحظتو طفم ٌة‬ ،‫عبأت جيبيا بالتراب‬

.‫ فانقطع الصوت في الذاكرة‬/ ‫ ىنا يسكن اهلل‬:‫وقالت‬ :‫قالت امرأة بمالمحيا البربرية‬

Ich aber sehe: Das Meer ergießt sich auf ihr Kleid, das Meer gibt seine würdige Haltung auf, zieht vorbei an denen, die ins Café geflüchtet sind. Vater . . . Das Meer steigt aus den Kleidern, begibt sich als Tourist ins Gedicht, kippt den Kaffee der Klarheit ins Wortgewirr.

‫كانوا عمى َع َج ٍل يكتبون الوصايا‬ ‫ تصعد خطوتيم في بياض‬..‫وكان النبيون‬ ‫وقتمى يعودون من موتيم‬

‫بأصابعيم يممؤون فراغ الرصاص عمى صدرىم‬

‫تصمت‬ ‫ثم‬ ُ ‫يرتفع اهلل في حزنو خطوتين‬

)‫ويرتبك الفرح الطفل في (الناصرة‬

‫قالت امرأة كان يجمس في جنبيا شاعر‬

Das Meer tritt aus dem Hafen, wandelt umher, lächelnd, schlicht, elegant. Es zieht den Sonnabend am Ohr, entreißt ihm jeden Zigarettenstummel, stößt ihn in den Kalender zurück.

:‫سوف يمرض في حبيا‬

‫تصمت‬ ‫ ثم‬..‫السماء أقل ارتفاعا ىنا مثل أحالمنا‬ ُ .‫ وتيبط مدرجيا الطائرة‬،‫يصعد في الصمت قمبي الكثير‬ ‫مالئكة يقفون عمى مصعد الغيم‬

ُّ ‫كان مالك صغير‬ ‫يعد أصابعو ثم ينسى‬

Und das Meer . . . Hast du die Segel nicht gesetzt? Ich sage: 7 Dem jungen Mann, o Vater, ist die Wolke ins Café gefolgt, der Zeiger seines Herzens verfing sich im Gestirn. Das, o Vater, ist die Geschichte einer Wolke, die ins Wortwasser sank.

‫يشير إلى القادمين من الموت‬ ُ ٍ .‫آه ترى كم من القتل نحتاج كي يسرع الرب باآلخرة‬ ‫ينبت في صمتيا شاعر‬ ُ ‫قالت امرأة صار‬ :‫مرضت مثمو‬

‫تصمت‬ ‫ ثم‬..‫السماء أقل بياضا ىنا مثل أفراحنا‬ ُ ،‫ينفرط الشاعر القروي عمى نفسو‬

.‫ويعيد إلى صدرىا الدائرة‬ ُ

Und du? Hast du das geglaubt? Der junge Mann, o Vater, pflanzte das Gedicht im Wasserkrug an. Die junge Frau, o Vater, aber saß daneben und nähte sich einen eigenen Himmel. Zaghaft wie wir hängt sie ihren Träumen nach. Ihr Gott steigt in ihre Hand hinab, mit der anderen deckt sie ihn zu, und er schläft ein.

Ali Al-Jallawi, geboren 1975 in Manama, Bahrain, ist Poet und Schriftsteller. Mit gerade mal siebzehn Jahren wurde er aufgrund eines Gedichts, in dem er das Regime in Bahrain kritisierte, verhaftet. In seinem Band AlMedina al-akhira [Die letzte Stadt] träumt Al-Jallawi von einer perfekten Stadt, einer Stadt der Dichter, in der jeder frei ist, seine Gedanken auszudrücken. Gewidmet ist das Werk seinem Freund Isa, der, zum Tode verurteilt, zusammen mit Al-Jallawi im Gefängnis saß. Neben sieben Gedichtbänden veröffentlichte Ali Al-Jallawi für ein bahrainisches Forschungszentrum Arbeiten über die Baha’i und die jüdischen Gemeinschaften des Landes. Seit einiger Zeit schreibt er auch Prosa. Veröffentlichungen [Auswahl]: Bahraini Poets: Ali Al Jallawi, Ebrahim Al-Arrayedh, Tarafa, Ali Al Shargawi [2010], Tashta’il karazat nahd, Al Intishar Al Arabi [Beirut, 2008], Dilmuniyat I [Dar Aalia, Kuwait 2002], Dilmuniyat II [Dar Kan’aan, Syrien 2003], Al Madina Al Akhira [Beirut 2002], Al ‘Isyan, Dar Al Mada [Syrien 2000], Wajhan li-mra’atin wahida [Dar Al Kunooz, Beirut 1999]

32

‫تسر ألختيا‬ ُّ ‫عن غيمة‬

Das ist die Geschichte einer Wolke, die ins Wortwasser sank.

33

:‫ عني أقو ُل‬..‫عن أبي‬

– ‫سر ألختيا‬ ‫ لغيمة‬ُّ ُ‫جمست ت‬ ْ ‫أن الفتى شتل القصيدة في إناء الماء‬ ‫لكن الصبية أعشبت يدىا عمى حجر‬

ٍ ‫وأجمسني – عمى‬ ‫حجر‬ ٍ ‫حجر‬ ُ ‫آخر‬ ٌ – ‫نبي‬ ‫فيا ولدي انتبو‬

‫إن القصيدة ال تنام عمى سرير العابرين‬ ِ ‫بالماء‬ ‫فال تثق‬

‫لن تستدرج البحر الذكي يداك بعد اآلن‬

...‫يا ولدي‬

‫يعود لصمتو‬ ُ ِ ‫سماء مرة أخرى‬ ‫بعينيو‬ ‫انطفأت‬ ٌ ‫وجدت البحر يستمقي عمى فستانيا‬ ‫ولكني‬ ُ ‫البحر يخرج من وقار البحر‬ ..‫يعبر شارع الناجين لممقيى‬

..‫أبي‬

‫والبحر ينيض عن مالبسو‬ ِ ‫القصيدة سائحا يسيو‬ ‫وينز ُل في‬

ِ ‫ىذيانو‬ ‫فيدلق قيوة المعنى عمى‬

‫والبحر يمشي خارج الميناء‬

‫مبتسما‬

ِ ‫بساطتو‬ ‫أنيقا في‬

‫"السبت" من أذنيو‬ ‫يجر‬ ُّ َ

ِ ‫السجائر‬ ‫يأخذ منو أعقاب‬

.‫األيام‬ "‫ثم يدفعو إلى "رزنامة‬ ْ ..‫و البحر‬

‫ لم تممك شراعاً؟‬/ ِ ‫ يا‬:‫قمت‬ ‫أبت الفتى تبعتو غيمتو إلى المقيى‬ ُ ٍ ‫وابرةُ قمبو عمقت‬ ‫بنجم‬

‫يا أبي‬

‫ىذي رواية غيمة نزلت إلى ماء الكالم‬ ‫قت؟‬ ّ ‫ ىل‬...‫وأنت‬ َ ‫صد‬ ِ ِ ‫يا‬ ‫الماء‬ ‫أبت الفتى شتل القصيدة في إناء‬

‫لكن الصبية يا أبي‬ ِ ‫جمست‬ ‫سقف سمائيا‬ ُ‫إليو تخيط‬ َ ْ

ٍ ‫إن الصبية مثمنا تسيو عمى‬ ‫خجل‬ ‫فينزل ربيا في كفيا‬

‫فنام‬ ُ ْ ‫غطتو باألخرى‬

.‫لكالم‬ ْ ‫ىذي رواية غيمة نزلت إلى ماء ا‬ kulturstiftung des bundes magazin 19


‫يفرك ظيرنا شجر‬

Den Rücken kratzt uns der Baum Ich hänge meine Seele an den Mantel einer Frau. Singend steigt sie hinab zum Fluss, lockt die Vögel zurück, sagt: Sollten die Propheten vergessen, dass sie uns das Jenseits versprochen haben, dann schlagt beim Stadttor Jesus ans Kreuz, fangt das Wasser von seinen Händen auf, balsamiert damit wie mit Henna die Opfer eurer Bomben ein. Zwischen Gefallenem und Todesmoment steht ein Mädchen, die Taschen voll Erde, sagt: hier wohnt Gott / dann bricht die Stimme im Gedächtnis ab. Eine Berberin sagt: Die Gebote wurden in aller Eile geschrieben, die Propheten hoben ab, gingen in weißem Dunst auf. Ermordete kehrten aus dem Tod zurück, die Brust zerschossen, die Finger in die Einschusslöcher gesteckt. Dann schweigt sie. Gott steigt in seiner Trauer zwei Schritte empor, und in Nazareth gerät die junge Freude aus dem Takt. Eine Frau – neben ihr ein Dichter, krank vor Liebe zu ihr – sagt: Der Himmel hier ist weniger hoch – ebenso unsere Träume . . . Dann schweigt sie. Im Schweigen fliegt mein Herz auf, und das Flugzeug setzt zur Landung an. Engel führen den Aufzug himmelwärts. 3 Ein kleiner Engel zählte seine Finger, vergisst, er zeigt auf die Rückkehrer aus dem Tod. Wie viel Mord ist nötig, damit sich Gott im Jenseits beeilt? Eine Frau – krank wie der Dichter, der aus ihrem Schweigen erwächst – sagt: Der Himmel hier ist weniger weiß – ebenso unsere Freude. . . Dann schweigt sie. Der Dichter, ursprünglich aus einem Dorf, zerspringt, schenkt ihren Brüsten die Rundung zurück.

Eine Wolke, die einer anderen ins Ohr tuschelt Über meinen Vater . . . über mich sage ich zu einer Wolke, die einer anderen zutuschelt: Der junge Mann pflanzte das Gedicht im Wasserkrug an. Die Hand der jungen Frau trieb aus auf dem Stein. Auf den Stein des Propheten setzte mich ein anderer Stein.

‫أعمّق روحي عمى معطف امرأة‬ ‫نزلت في الغناء‬

،‫تعيد العصافير لمنير‬

:‫قالت‬

‫إذا رجع األنبياء عن الوعد باآلخرْة‬

Pass auf, mein Junge, auf einem provisorischen Lager findet das Gedicht keinen Schlaf, baue nicht auf Wasser. Das weise Meer wirst du künftig nicht mehr in die Irre führen, mein Sohn, sagt der Vater und schweigt. In seinen Augen erlischt der Himmel erneut.

‫فاصمبوا عند باب المدينة عيسى‬ ‫وحنوا بماء يديو ضحايا قنابمكم‬

‫إن بين القتيل ولحظتو طفم ٌة‬ ،‫عبأت جيبيا بالتراب‬

.‫ فانقطع الصوت في الذاكرة‬/ ‫ ىنا يسكن اهلل‬:‫وقالت‬ :‫قالت امرأة بمالمحيا البربرية‬

Ich aber sehe: Das Meer ergießt sich auf ihr Kleid, das Meer gibt seine würdige Haltung auf, zieht vorbei an denen, die ins Café geflüchtet sind. Vater . . . Das Meer steigt aus den Kleidern, begibt sich als Tourist ins Gedicht, kippt den Kaffee der Klarheit ins Wortgewirr.

‫كانوا عمى َع َج ٍل يكتبون الوصايا‬ ‫ تصعد خطوتيم في بياض‬..‫وكان النبيون‬ ‫وقتمى يعودون من موتيم‬

‫بأصابعيم يممؤون فراغ الرصاص عمى صدرىم‬

‫تصمت‬ ‫ثم‬ ُ ‫يرتفع اهلل في حزنو خطوتين‬

)‫ويرتبك الفرح الطفل في (الناصرة‬

‫قالت امرأة كان يجمس في جنبيا شاعر‬

Das Meer tritt aus dem Hafen, wandelt umher, lächelnd, schlicht, elegant. Es zieht den Sonnabend am Ohr, entreißt ihm jeden Zigarettenstummel, stößt ihn in den Kalender zurück.

:‫سوف يمرض في حبيا‬

‫تصمت‬ ‫ ثم‬..‫السماء أقل ارتفاعا ىنا مثل أحالمنا‬ ُ .‫ وتيبط مدرجيا الطائرة‬،‫يصعد في الصمت قمبي الكثير‬ ‫مالئكة يقفون عمى مصعد الغيم‬

ُّ ‫كان مالك صغير‬ ‫يعد أصابعو ثم ينسى‬

Und das Meer . . . Hast du die Segel nicht gesetzt? Ich sage: 7 Dem jungen Mann, o Vater, ist die Wolke ins Café gefolgt, der Zeiger seines Herzens verfing sich im Gestirn. Das, o Vater, ist die Geschichte einer Wolke, die ins Wortwasser sank.

‫يشير إلى القادمين من الموت‬ ُ ٍ .‫آه ترى كم من القتل نحتاج كي يسرع الرب باآلخرة‬ ‫ينبت في صمتيا شاعر‬ ُ ‫قالت امرأة صار‬ :‫مرضت مثمو‬

‫تصمت‬ ‫ ثم‬..‫السماء أقل بياضا ىنا مثل أفراحنا‬ ُ ،‫ينفرط الشاعر القروي عمى نفسو‬

.‫ويعيد إلى صدرىا الدائرة‬ ُ

Und du? Hast du das geglaubt? Der junge Mann, o Vater, pflanzte das Gedicht im Wasserkrug an. Die junge Frau, o Vater, aber saß daneben und nähte sich einen eigenen Himmel. Zaghaft wie wir hängt sie ihren Träumen nach. Ihr Gott steigt in ihre Hand hinab, mit der anderen deckt sie ihn zu, und er schläft ein.

Ali Al-Jallawi, geboren 1975 in Manama, Bahrain, ist Poet und Schriftsteller. Mit gerade mal siebzehn Jahren wurde er aufgrund eines Gedichts, in dem er das Regime in Bahrain kritisierte, verhaftet. In seinem Band AlMedina al-akhira [Die letzte Stadt] träumt Al-Jallawi von einer perfekten Stadt, einer Stadt der Dichter, in der jeder frei ist, seine Gedanken auszudrücken. Gewidmet ist das Werk seinem Freund Isa, der, zum Tode verurteilt, zusammen mit Al-Jallawi im Gefängnis saß. Neben sieben Gedichtbänden veröffentlichte Ali Al-Jallawi für ein bahrainisches Forschungszentrum Arbeiten über die Baha’i und die jüdischen Gemeinschaften des Landes. Seit einiger Zeit schreibt er auch Prosa. Veröffentlichungen [Auswahl]: Bahraini Poets: Ali Al Jallawi, Ebrahim Al-Arrayedh, Tarafa, Ali Al Shargawi [2010], Tashta’il karazat nahd, Al Intishar Al Arabi [Beirut, 2008], Dilmuniyat I [Dar Aalia, Kuwait 2002], Dilmuniyat II [Dar Kan’aan, Syrien 2003], Al Madina Al Akhira [Beirut 2002], Al ‘Isyan, Dar Al Mada [Syrien 2000], Wajhan li-mra’atin wahida [Dar Al Kunooz, Beirut 1999]

32

‫تسر ألختيا‬ ُّ ‫عن غيمة‬

Das ist die Geschichte einer Wolke, die ins Wortwasser sank.

33

:‫ عني أقو ُل‬..‫عن أبي‬

– ‫سر ألختيا‬ ‫ لغيمة‬ُّ ُ‫جمست ت‬ ْ ‫أن الفتى شتل القصيدة في إناء الماء‬ ‫لكن الصبية أعشبت يدىا عمى حجر‬

ٍ ‫وأجمسني – عمى‬ ‫حجر‬ ٍ ‫حجر‬ ُ ‫آخر‬ ٌ – ‫نبي‬ ‫فيا ولدي انتبو‬

‫إن القصيدة ال تنام عمى سرير العابرين‬ ِ ‫بالماء‬ ‫فال تثق‬

‫لن تستدرج البحر الذكي يداك بعد اآلن‬

...‫يا ولدي‬

‫يعود لصمتو‬ ُ ِ ‫سماء مرة أخرى‬ ‫بعينيو‬ ‫انطفأت‬ ٌ ‫وجدت البحر يستمقي عمى فستانيا‬ ‫ولكني‬ ُ ‫البحر يخرج من وقار البحر‬ ..‫يعبر شارع الناجين لممقيى‬

..‫أبي‬

‫والبحر ينيض عن مالبسو‬ ِ ‫القصيدة سائحا يسيو‬ ‫وينز ُل في‬

ِ ‫ىذيانو‬ ‫فيدلق قيوة المعنى عمى‬

‫والبحر يمشي خارج الميناء‬

‫مبتسما‬

ِ ‫بساطتو‬ ‫أنيقا في‬

‫"السبت" من أذنيو‬ ‫يجر‬ ُّ َ

ِ ‫السجائر‬ ‫يأخذ منو أعقاب‬

.‫األيام‬ "‫ثم يدفعو إلى "رزنامة‬ ْ ..‫و البحر‬

‫ لم تممك شراعاً؟‬/ ِ ‫ يا‬:‫قمت‬ ‫أبت الفتى تبعتو غيمتو إلى المقيى‬ ُ ٍ ‫وابرةُ قمبو عمقت‬ ‫بنجم‬

‫يا أبي‬

‫ىذي رواية غيمة نزلت إلى ماء الكالم‬ ‫قت؟‬ ّ ‫ ىل‬...‫وأنت‬ َ ‫صد‬ ِ ِ ‫يا‬ ‫الماء‬ ‫أبت الفتى شتل القصيدة في إناء‬

‫لكن الصبية يا أبي‬ ِ ‫جمست‬ ‫سقف سمائيا‬ ُ‫إليو تخيط‬ َ ْ

ٍ ‫إن الصبية مثمنا تسيو عمى‬ ‫خجل‬ ‫فينزل ربيا في كفيا‬

‫فنام‬ ُ ْ ‫غطتو باألخرى‬

.‫لكالم‬ ْ ‫ىذي رواية غيمة نزلت إلى ماء ا‬ kulturstiftung des bundes magazin 19


Dies ist die Sage vom Piraten und seinem Papagei, ein Stück weit wie die Ballade von Bonnie und Clyde, die waren allerdings ein Endchen delinquenter, und divergenter. Am Tag als sie sich trafen war der Pirat noch kein Pirat aber er hatte, mit dem Plan, wenn er groß sei einer zu werden, eine gewaltige Masse privater Piratenwaffen zusammengerafft: Yatagans und Enterhaken, Blunderbusse, Krisse aus Malaysia – dreihundertundachtundfünzig insgesamt! Der Papagei war schon Papagei. Ihr Treffen ging, die Aufnahmen beweisens, so: an einem kühlen Tag im düstren Zoogeschäft [Nase und Schnabel beide voll Schnief], gestanden sie einander ohne Scheu, wie ihr Lieblingsspielzeug hieß: BOAGEIL

!

!!

!!!

E BUMSENDE BA ZOOK AS

Sie terrorisierten Touristen von Bali bis Venedig auf der Biennale, dann trampten sie runter nach Kalifornien, wo sie als Kursleiter jobbten in Kalisthenik, Kalibrierung, Kalligraphie, Rucola konsumierten, sich lokalisierten als Kriminelle und schließlich von der Kohle eine Galeone kauften die sie als künftiges Goldbarrenlager tauften. Hier nun begann ihre Reise zur See, bekannten sich beide zur Piraterie. Sie überfielen Paketboote, Tretboote, auch Boote mit Paketen zum Treten, Pontons, Pirogen und Pinassen, Gondeln mit Metalleinlassung, Dingis, Dhaus, Baidarkas, Klipper und Katamarane, Feluken, Schaluppen, Tanker, auch Galoschen und Badewannen! Doch weder auf der welligsten Welle noch auf dem kokosnussverzierten Strand vergaßen sie die düstre Stelle, jenes kühle Zoogeschäft, nicht mal als sie ihre Truhen vollpackten oder kürzlich getroffenen Kafiren den Kopf abhackten. Sie schufteten hart, hatten Erfolg und scheffelten Geld, sie kauften Kunst und ein Terrassenhaus in New Jersey, und dabei gings ihnen nie um den Zaster, nur um das kriminelle Leben, das so krass war!

katharina narbutovič

:

This is the story of the pirate and his parrot, not unlike the ballad of Bonnie and Clyde who, however, were a little more desperate. And disparate. On the day of their meeting, the pirate was not yet a pirate although, always aspiring to become one when an adult, he had amassed a vast private collection of pirate arms: yatagans, grappling hooks, blunderbusses, Malaysian krisses– three hundred and fifty eight total! The parrot was already a parrot. How they met, closed-circuit cameras agree: in a dark pet store on a dank day, [both nose and beak were full of mucus], not a little nervously the two confided in each other how much they loved to play

eugene ostashevsky aus dem Englischen von Uljana Wolf

34

Silver 64, 2008

35

kulturstiftung des bundes magazin 19

!

!!

!!!

Y BOOMING BA ZOOK AS

with BOOR ISHL They assaulted tourists from Bali all the way to the Venice Biennale, then took a trip down to California, where they worked as instructors of calisthenics, calibration and calligraphy; cooked cauliflowers; then reallocated themselves to crime; and finally with the proceeds bought themselves a galleon in case they should come across a large store of gold bullion. It was then they took to the sea and took up piracy. They raided packet boats, pedal boats and boats at once packet and pedal, palanders, pirogues, pontoons, and gondolas made of metal, dhows, dinghies, baidarakas, catamarans and clippers, feluccas, garrookuhs, tankers, bathtubs and bedroom slippers! But whether on the wavy wave or on the coconut-strewn shore they never did forget that old dark and dank pet store, not even when filling their coffers or beheading recently met kafirs. They worked hard, became successful and wealthy, they bought art and a split-level house in New Jersey, although they were never in it for the cash but because the criminal form of life is such a blast!


Dies ist die Sage vom Piraten und seinem Papagei, ein Stück weit wie die Ballade von Bonnie und Clyde, die waren allerdings ein Endchen delinquenter, und divergenter. Am Tag als sie sich trafen war der Pirat noch kein Pirat aber er hatte, mit dem Plan, wenn er groß sei einer zu werden, eine gewaltige Masse privater Piratenwaffen zusammengerafft: Yatagans und Enterhaken, Blunderbusse, Krisse aus Malaysia – dreihundertundachtundfünzig insgesamt! Der Papagei war schon Papagei. Ihr Treffen ging, die Aufnahmen beweisens, so: an einem kühlen Tag im düstren Zoogeschäft [Nase und Schnabel beide voll Schnief], gestanden sie einander ohne Scheu, wie ihr Lieblingsspielzeug hieß: BOAGEIL

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E BUMSENDE BA ZOOK AS

Sie terrorisierten Touristen von Bali bis Venedig auf der Biennale, dann trampten sie runter nach Kalifornien, wo sie als Kursleiter jobbten in Kalisthenik, Kalibrierung, Kalligraphie, Rucola konsumierten, sich lokalisierten als Kriminelle und schließlich von der Kohle eine Galeone kauften die sie als künftiges Goldbarrenlager tauften. Hier nun begann ihre Reise zur See, bekannten sich beide zur Piraterie. Sie überfielen Paketboote, Tretboote, auch Boote mit Paketen zum Treten, Pontons, Pirogen und Pinassen, Gondeln mit Metalleinlassung, Dingis, Dhaus, Baidarkas, Klipper und Katamarane, Feluken, Schaluppen, Tanker, auch Galoschen und Badewannen! Doch weder auf der welligsten Welle noch auf dem kokosnussverzierten Strand vergaßen sie die düstre Stelle, jenes kühle Zoogeschäft, nicht mal als sie ihre Truhen vollpackten oder kürzlich getroffenen Kafiren den Kopf abhackten. Sie schufteten hart, hatten Erfolg und scheffelten Geld, sie kauften Kunst und ein Terrassenhaus in New Jersey, und dabei gings ihnen nie um den Zaster, nur um das kriminelle Leben, das so krass war!

katharina narbutovič

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This is the story of the pirate and his parrot, not unlike the ballad of Bonnie and Clyde who, however, were a little more desperate. And disparate. On the day of their meeting, the pirate was not yet a pirate although, always aspiring to become one when an adult, he had amassed a vast private collection of pirate arms: yatagans, grappling hooks, blunderbusses, Malaysian krisses– three hundred and fifty eight total! The parrot was already a parrot. How they met, closed-circuit cameras agree: in a dark pet store on a dank day, [both nose and beak were full of mucus], not a little nervously the two confided in each other how much they loved to play

eugene ostashevsky aus dem Englischen von Uljana Wolf

34

Silver 64, 2008

35

kulturstiftung des bundes magazin 19

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Y BOOMING BA ZOOK AS

with BOOR ISHL They assaulted tourists from Bali all the way to the Venice Biennale, then took a trip down to California, where they worked as instructors of calisthenics, calibration and calligraphy; cooked cauliflowers; then reallocated themselves to crime; and finally with the proceeds bought themselves a galleon in case they should come across a large store of gold bullion. It was then they took to the sea and took up piracy. They raided packet boats, pedal boats and boats at once packet and pedal, palanders, pirogues, pontoons, and gondolas made of metal, dhows, dinghies, baidarakas, catamarans and clippers, feluccas, garrookuhs, tankers, bathtubs and bedroom slippers! But whether on the wavy wave or on the coconut-strewn shore they never did forget that old dark and dank pet store, not even when filling their coffers or beheading recently met kafirs. They worked hard, became successful and wealthy, they bought art and a split-level house in New Jersey, although they were never in it for the cash but because the criminal form of life is such a blast!


Liebe Eule

Dear Owl

Liebe Eule du hast große Augen

Dear Owl you have big eyes

Federn die kreuz und quer abstehn du erwachst

feathers that stick in all different directions you wake up

dein Höschen sieht lustig aus Du hörst

your panties are funny You hear

Laute von Worten die um ihr Leben flehn

the sounds words make as they plead for life

mehr bleibt nicht von der Sprache der Sprache

that’s all that remains of the language of language

Oh Eule Inmitten von Blättern

O Owl among leaves

was ist dieser Wald aus »Lettern«, Schwarzlicht

what is this forest of »letters«, black light

unverständlicher Sonnen ich kann nicht sehn

of unintelligible suns I cannot see

wer ich bin wer du bist

who I am who you are

was der Unterschied zwischen Gut und Böse was das Ende menschlichen Verlangens

the difference between good and evil the end of human desire

wie die Wahrheit sagen und warum

how to tell the truth and why

Ist das mein Leben Bist du darin

Is this my life Are you in it

36

kulturstiftung des bundes magazin 19

Ushuaia Lupine (a), 2010


Liebe Eule

Dear Owl

Liebe Eule du hast große Augen

Dear Owl you have big eyes

Federn die kreuz und quer abstehn du erwachst

feathers that stick in all different directions you wake up

dein Höschen sieht lustig aus Du hörst

your panties are funny You hear

Laute von Worten die um ihr Leben flehn

the sounds words make as they plead for life

mehr bleibt nicht von der Sprache der Sprache

that’s all that remains of the language of language

Oh Eule Inmitten von Blättern

O Owl among leaves

was ist dieser Wald aus »Lettern«, Schwarzlicht

what is this forest of »letters«, black light

unverständlicher Sonnen ich kann nicht sehn

of unintelligible suns I cannot see

wer ich bin wer du bist

who I am who you are

was der Unterschied zwischen Gut und Böse was das Ende menschlichen Verlangens

the difference between good and evil the end of human desire

wie die Wahrheit sagen und warum

how to tell the truth and why

Ist das mein Leben Bist du darin

Is this my life Are you in it

36

kulturstiftung des bundes magazin 19

Ushuaia Lupine (a), 2010


ufer, abgebaut wellen, dünen, händchenhalten. immer vierzig grad zum wind. Epithalamion

Epithalamion

Sagt der Vater der Mathematikerin zur Mathematikerin: »Meine Tochter, Autos sind besondere Objekte der Erkenntnis, Denn wenn du einsteigst und die Zündung drehst, klemmt es [Wie du rasch bemerkst], also holst du dir einen Mechaniker,

The mathematician’s father says to the mathematician: »My daughter, cars are special among objects of cognition Because when you get in and turn on the ignition Nothing happens [you discover] and you go call the auto mechanic

Und dieser bringt einen Funken Gefühl in deine Welt. Drum kränze das Dach deines Wagens mit Passionsfrüchten und Aprikosen, Pflanz einen Granatapfelbaum statt der Antenne und bestück ihn mit Pirolen, Denn ein Funken Gefühl kommt nicht jeden Tag in unsere Welt.«

Who brings a little human warmth into your world. So string passion fruit and apricots from the rafters of your vehicle, Plant a pomegranate tree in place of the antenna and populate it with songbirds, For it is not every day a little human warmth comes into our world.«

Sagt die Mutter des Mechanikers zum Mechaniker: »Mein Sohn, bedenke den Sinn von Geräten – Inbus-, Rollgabel- oder verstellbarer Schraubenschlüssel, Laute, Mandoline, Blockflöte oder Bohrer – Sie alle ermöglichen die Verwandlung von Natur in Artefakte, mittels Arbeit,

The auto mechanic’s mother says to the auto mechanic: »My son, consider the meaning of instruments– adjustable wrench, monkey wrench, Allen wrench, Mandolin, lute, recorder, electric drill– They facilitate the transformation of nature into artifact by means of labor

Und alles hat eine Bestimmung, auch Arbeit, Und was ist die Bestimmung von Arbeit? Nu, keine Ahnung? Wusst ichs doch. Du bist dumm, mein Sohn, darum bist du ja Mechaniker. Liebe! Liebe ist wie ein gut gewähltes Gleichnis: Sie wirft auf beide Seiten, die sich ganz durchdringen, neues Licht.«

And everything has an end, including labor, And what is the end of labor? Nu, you don’t know? I didn’t think you would. You’re stupid, my son. That’s why you’re an auto mechanic. Love! Love is like a well-chosen simile: It fills both of its members with another and shared light.«

Sagt der Mechaniker zur Mathematikerin: »Hast du je Spaghetti im Kochwasser aneinanderkleben sehn? Oder Schildkröten Eier legen und dabei Tränen vergießen Groß wie das Floß der Medusa?

The auto mechanic says to the mathematician: »Did you ever see spaghetti stick to each other in hot water? And turtles lay eggs although weeping tears as big as the shipwreck of the Medusa While doing so?

Lass uns Wege ebnen für Gärten und Akademien, Lass Künste blühn und Literatur in unserem kleinen Reich wie anno dazumal! Oh ich seh Volieren voll scholastischer Papageien [›Hic‹ und ›hoc ‹, ›quid‹ und ›ut dixit ‹]! Wo ist eigentlich mein Vogelatlas für Sprachphilosophen des 14. Jahrhunderts?«

Let us break ground for gardens and academias, Let arts and letters flourish in our private empire as only arts and letters can do! Lo, I envision an aviary full of scholastic parrots [›Hic‹ and ›hoc ‹, ›quid‹ and ›ut dixit ‹]. Where is my National Audubon Guide to Fourteenth-Century Philosophers of Language?«

Sagt die Mathematikerin zum Mechaniker: »An einer untypischen Stelle schreibt Aristoteles Mathematik sei die Betrachtung des Schönen. Unter divergenten und konvergenten Reihen können nur die konvergenten als Basis für Zahlen gelten.

The mathematician says to the auto mechanic: »Aristotle in an uncharacteristic moment Calls mathematics the study of beauty. Of series divergent and convergent, only the convergent can serve as the foundation of number.

Bilde du meine Umgebung, Mechaniker, als wär ich eine Zahl, Lass Künste blühn und Literatur in unserem kleinen Reich wie anno dazumal! Schon spür ich, wie sich in meiner Brust was regt, Denn ein Funken Gefühl kommt nicht jeden Tag in unsere Welt.«

verena auffermann

alexander gumz

übungstiere verwandeln sich zurück in knochen. hinter einem vorhang aus schreien tanzen kinder im sand. durch die kiefern schlägt verwunderung. fremde mundart. was soll ich singen, bitte, und aus welcher heimat? wir suchen dieses ufer jetzt schon viel zu lang.

schwimmende gebäude wir waren selten näher dran als so, unterm niesel aus verhältnissen, vollgestopft mit zahlen. wir saßen dichter am fernseher, okay, unsere oberflächen glatt und gnadenlos. wir schliefen auch mal neben säufern, tanzten auf autodächern in zu großen schuhen. wir standen schöner an der küste, ihrem bösen licht. hinter uns knatterten wände. wir wussten nicht, dass häuser schwimmen können, verfälscht von unseren synapsen. wir waren niemals näher dran als so: gesichter, die kein haus besitzen. nicht in diesem bild

die reisewelle setzt ein

Stand you in my neighborhood, auto mechanic. Let arts and letters flourish in our private empire as only arts and letters can do. I feel my breasts swelling already For it is not every day a little human warmth comes into our world.«

und nicht im nächsten.

zwei finger zerdrücken eine brücke überm bach. effekte glitzern. weiße lücken. brachen, die in keinem katalog erscheinen. wir schalten experten zu: störfeuer, von tausend handys übertragen. welcher bauer hat sich auf dem damenklo erhängt? lass ihn in seinem schutzanzug vermodern. schlag nochmal die doppelseite auf. wie grün die wiesen, wie genau der himmel!

Der New Yorker Dichter Eugene Ostashevsky wurde 1968 in Leningrad geboren. Seine Gedichte sind voller dissonanter Rhythmen, dröhnender Reime und multilingualer Sprachspiele. Als Übersetzer und Herausgeber veröffentlichte Ostashevsky die erste englischsprachige Anthologie der russischen avantgardistischen Gruppe O B ERI U , deren Kopf Daniil Charms und Aleksandr Vvedenskij waren. Seine Dissertation schrieb Eugene Ostashevsky über die Geschichte der Ziffer Null. Er lehrt Literatur an der New York University.

38

:

da steht ein bunker. den müssen wir erreichen sobald die straßen wieder frei sind.

39

kulturstiftung des bundes magazin 19

Alexander Gumz, geboren 1974 in Berlin, wo er auch lebt, studierte Germanistik und Philosophie. Redakteur und Literaturveranstalter beim Texttonlabel KO O K und für das poesiefestival berlin, Mitbegründer des Festivals L A N . Drei Tage junge Literatur und Musik in Berlin und der langen Literatur- und Musiknacht H A M . L I T in Hamburg. Mitherausgeber mehrerer internationaler Anthologien. Er veröffentlichte Gedichte und Nachdichtungen in Zeitschriften und Anthologien, darunter Lyrik von Jetzt [DuMont 2003], Jahrbuch der Lyrik [S. Fischer 2008, 2009, 2011], Rock Lyrik [dtv 2011], Die Zeit, Neue Rundschau, Wespennest, intendenzen, sprachgebunden, poet[mag], Das Magazin, Edit und Akzente. Sein erster Gedichtband, ausrücken mit modellen, ist im Frühjahr 2011 bei kookbooks erschienen. Gumz erhielt unter anderem den Wiener Werkstattpreis für Lyrik 2002, war Finalist beim Leonce-und-Lena-Preis 2003 und 2009 und beim open mike der Literaturwerkstatt Berlin 2009, Stipendiat der Villa Decius in Krakau 2007 und des Berliner Senats 2010. 2012 erhält er den Clemens Brentano Preis der Stadt Heidelberg.


ufer, abgebaut wellen, dünen, händchenhalten. immer vierzig grad zum wind. Epithalamion

Epithalamion

Sagt der Vater der Mathematikerin zur Mathematikerin: »Meine Tochter, Autos sind besondere Objekte der Erkenntnis, Denn wenn du einsteigst und die Zündung drehst, klemmt es [Wie du rasch bemerkst], also holst du dir einen Mechaniker,

The mathematician’s father says to the mathematician: »My daughter, cars are special among objects of cognition Because when you get in and turn on the ignition Nothing happens [you discover] and you go call the auto mechanic

Und dieser bringt einen Funken Gefühl in deine Welt. Drum kränze das Dach deines Wagens mit Passionsfrüchten und Aprikosen, Pflanz einen Granatapfelbaum statt der Antenne und bestück ihn mit Pirolen, Denn ein Funken Gefühl kommt nicht jeden Tag in unsere Welt.«

Who brings a little human warmth into your world. So string passion fruit and apricots from the rafters of your vehicle, Plant a pomegranate tree in place of the antenna and populate it with songbirds, For it is not every day a little human warmth comes into our world.«

Sagt die Mutter des Mechanikers zum Mechaniker: »Mein Sohn, bedenke den Sinn von Geräten – Inbus-, Rollgabel- oder verstellbarer Schraubenschlüssel, Laute, Mandoline, Blockflöte oder Bohrer – Sie alle ermöglichen die Verwandlung von Natur in Artefakte, mittels Arbeit,

The auto mechanic’s mother says to the auto mechanic: »My son, consider the meaning of instruments– adjustable wrench, monkey wrench, Allen wrench, Mandolin, lute, recorder, electric drill– They facilitate the transformation of nature into artifact by means of labor

Und alles hat eine Bestimmung, auch Arbeit, Und was ist die Bestimmung von Arbeit? Nu, keine Ahnung? Wusst ichs doch. Du bist dumm, mein Sohn, darum bist du ja Mechaniker. Liebe! Liebe ist wie ein gut gewähltes Gleichnis: Sie wirft auf beide Seiten, die sich ganz durchdringen, neues Licht.«

And everything has an end, including labor, And what is the end of labor? Nu, you don’t know? I didn’t think you would. You’re stupid, my son. That’s why you’re an auto mechanic. Love! Love is like a well-chosen simile: It fills both of its members with another and shared light.«

Sagt der Mechaniker zur Mathematikerin: »Hast du je Spaghetti im Kochwasser aneinanderkleben sehn? Oder Schildkröten Eier legen und dabei Tränen vergießen Groß wie das Floß der Medusa?

The auto mechanic says to the mathematician: »Did you ever see spaghetti stick to each other in hot water? And turtles lay eggs although weeping tears as big as the shipwreck of the Medusa While doing so?

Lass uns Wege ebnen für Gärten und Akademien, Lass Künste blühn und Literatur in unserem kleinen Reich wie anno dazumal! Oh ich seh Volieren voll scholastischer Papageien [›Hic‹ und ›hoc ‹, ›quid‹ und ›ut dixit ‹]! Wo ist eigentlich mein Vogelatlas für Sprachphilosophen des 14. Jahrhunderts?«

Let us break ground for gardens and academias, Let arts and letters flourish in our private empire as only arts and letters can do! Lo, I envision an aviary full of scholastic parrots [›Hic‹ and ›hoc ‹, ›quid‹ and ›ut dixit ‹]. Where is my National Audubon Guide to Fourteenth-Century Philosophers of Language?«

Sagt die Mathematikerin zum Mechaniker: »An einer untypischen Stelle schreibt Aristoteles Mathematik sei die Betrachtung des Schönen. Unter divergenten und konvergenten Reihen können nur die konvergenten als Basis für Zahlen gelten.

The mathematician says to the auto mechanic: »Aristotle in an uncharacteristic moment Calls mathematics the study of beauty. Of series divergent and convergent, only the convergent can serve as the foundation of number.

Bilde du meine Umgebung, Mechaniker, als wär ich eine Zahl, Lass Künste blühn und Literatur in unserem kleinen Reich wie anno dazumal! Schon spür ich, wie sich in meiner Brust was regt, Denn ein Funken Gefühl kommt nicht jeden Tag in unsere Welt.«

verena auffermann

alexander gumz

übungstiere verwandeln sich zurück in knochen. hinter einem vorhang aus schreien tanzen kinder im sand. durch die kiefern schlägt verwunderung. fremde mundart. was soll ich singen, bitte, und aus welcher heimat? wir suchen dieses ufer jetzt schon viel zu lang.

schwimmende gebäude wir waren selten näher dran als so, unterm niesel aus verhältnissen, vollgestopft mit zahlen. wir saßen dichter am fernseher, okay, unsere oberflächen glatt und gnadenlos. wir schliefen auch mal neben säufern, tanzten auf autodächern in zu großen schuhen. wir standen schöner an der küste, ihrem bösen licht. hinter uns knatterten wände. wir wussten nicht, dass häuser schwimmen können, verfälscht von unseren synapsen. wir waren niemals näher dran als so: gesichter, die kein haus besitzen. nicht in diesem bild

die reisewelle setzt ein

Stand you in my neighborhood, auto mechanic. Let arts and letters flourish in our private empire as only arts and letters can do. I feel my breasts swelling already For it is not every day a little human warmth comes into our world.«

und nicht im nächsten.

zwei finger zerdrücken eine brücke überm bach. effekte glitzern. weiße lücken. brachen, die in keinem katalog erscheinen. wir schalten experten zu: störfeuer, von tausend handys übertragen. welcher bauer hat sich auf dem damenklo erhängt? lass ihn in seinem schutzanzug vermodern. schlag nochmal die doppelseite auf. wie grün die wiesen, wie genau der himmel!

Der New Yorker Dichter Eugene Ostashevsky wurde 1968 in Leningrad geboren. Seine Gedichte sind voller dissonanter Rhythmen, dröhnender Reime und multilingualer Sprachspiele. Als Übersetzer und Herausgeber veröffentlichte Ostashevsky die erste englischsprachige Anthologie der russischen avantgardistischen Gruppe O B ERI U , deren Kopf Daniil Charms und Aleksandr Vvedenskij waren. Seine Dissertation schrieb Eugene Ostashevsky über die Geschichte der Ziffer Null. Er lehrt Literatur an der New York University.

38

:

da steht ein bunker. den müssen wir erreichen sobald die straßen wieder frei sind.

39

kulturstiftung des bundes magazin 19

Alexander Gumz, geboren 1974 in Berlin, wo er auch lebt, studierte Germanistik und Philosophie. Redakteur und Literaturveranstalter beim Texttonlabel KO O K und für das poesiefestival berlin, Mitbegründer des Festivals L A N . Drei Tage junge Literatur und Musik in Berlin und der langen Literatur- und Musiknacht H A M . L I T in Hamburg. Mitherausgeber mehrerer internationaler Anthologien. Er veröffentlichte Gedichte und Nachdichtungen in Zeitschriften und Anthologien, darunter Lyrik von Jetzt [DuMont 2003], Jahrbuch der Lyrik [S. Fischer 2008, 2009, 2011], Rock Lyrik [dtv 2011], Die Zeit, Neue Rundschau, Wespennest, intendenzen, sprachgebunden, poet[mag], Das Magazin, Edit und Akzente. Sein erster Gedichtband, ausrücken mit modellen, ist im Frühjahr 2011 bei kookbooks erschienen. Gumz erhielt unter anderem den Wiener Werkstattpreis für Lyrik 2002, war Finalist beim Leonce-und-Lena-Preis 2003 und 2009 und beim open mike der Literaturwerkstatt Berlin 2009, Stipendiat der Villa Decius in Krakau 2007 und des Berliner Senats 2010. 2012 erhält er den Clemens Brentano Preis der Stadt Heidelberg.


40

TGV, 2010

Jurys Inn, 2010


40

TGV, 2010

Jurys Inn, 2010


der Blackbox Gedächtnis ist nichts zu entnehmen nichts ist zu verrücken in den verrümpelten Zimmern der Kindheit nichts mehr zu korrigieren auf den vergilbten Papieren, von deren rissigen Rändern das Eigentliche getilgt ist. und der vergessene Hochzeitsgesang flickt dir die Löcher nimmt dich beim Arm führt dich in den Kreis tanz nur die Zeiten in den Seiten, die Jahre in den Taschen vergraben weder schuldest du ihnen noch sie irgendwem irgendwas. dieser unglaubliche Fokus die vertauschte Perspektive je weiter, desto bestimmter schlägt die Höllenmaschine Gedächtnis zum Tanz den Takt Und kein Pionier stößt sie aus der Spur und kann sie entschärfen, du reißt noch am schwarzen Draht, dann am roten, dann gehen unserem Lied die Farben aus. im komplexen Getriebe Gehirn verschließt und kurzschließt sich dein unwirkliches morgen, dein ungeschehenes gestern

із чорної скриньки пам’яті нічого уже не вийняти нічого не переставити в кімнатах дитинства захламлених нічого не переправити у жовтих свідоцтвах вим’ятих,

Іноді навіть вдається піднятись на кілька сантиметрів над бруком і мяко гойдатись на вітрі так діти несуть над собою повітряні кульки і мріють залетіти і завджи знаходиться гілка колюча якась або очі

manchmal stecken wir die Beine durch die rostige Wolke und betrachten eingehend die Trampelpfade der Ameisen

а часом буває позвішуєм ноги з іржавої хмари і довго вивчаємо їх мурашні маршрути

Menschen ersinnen eine Stille, die ins Ohr schrillt und eine kreischende Schaukel an langen Stricken, die ab und an reißen … Menschen ersinnen eine Katze, die übermütig auf der rostigen Brüstung spaziert um den eigenen Herzschlag zu übertönen ersinnen Menschen einen Fisch, der todgeweiht unter dem dicken Wintereis zappelt einen winzigen Stein im Schuh, der das Gehirn so entsetzlich peinigt um das Leben voll und ganz zu spüren, ersinnen Menschen den Tod, in dem sie sich qualvoll die Finger quetschen …

Людина вигадує тишу, що ріже слух і скрипучу гойдалку на довгих мотузках, які час від часу уриваються... людина вигадує кішку, що ризиковано ходить по іржавому парапету аби не чути стукоту власного серця людина вигадує рибу, що приречено бється під товстою зимовою кригою крихітний камінець у черевику, який так нестерпно муляє мозок щоб уповні відчути життя, людина вигадує смерть, між якою до болю защемлює пальці ...

kulturstiftung des bundes magazin 19

:

Hölderlin erweitern

halyna kruk

Ampliando a Hölderlin

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

де найважливіше загинуло на згинах, яких не розправити. та діри в тобі залатує забуте весільне ладкання бере тебе попід руки виводить тебе у коло танцюй собі роки в боки, а час собі руки в брюки і ні ти йому ніц не винна ні він – нічого й нікому. такий неймовірний фокус обернена перспектива чим далі воно, тим ближче пекельна машинка пам’ять вистукує ритм до танцю І жоден сапер не встигне збити її із толку, знешкодити своєчасно ще смикаєш чорний дротик, а потім червоний дротик, а потім у нашій пісні закінчуються кольори. в складному моторі мозку замкнулося і закоротить твоє нереальне »завтра«, твоє небувале »вчора«

Manchmal heben wir sogar ein paar Zentimeter vom Pflaster ab und schaukeln weich im Wind so tragen Kinder ihre Luftballons und träumen zu fliegen und immer findet sich ein spitzer Zweig oder Blick und zischend zerreißt das kindliche Glück mit schrillem Ton was bleibt ihnen dann – Spritzen Zigaretten Zellophan Zirrhosen Zugzwänge diese Leute diese Zerberusse der Misslaune diese Engel und Lauten

42

jürgen jakob becker

F. Hölderlin, »Da ich ein Knabe war …«

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

F. Hölderlin, »Da ich ein Knabe war …«

Grund

Suelo

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

Erweiterung 1

Ampliación 1

Ich verstand die Stille des Aethers, Ich verstand die Stille des Aethers, Der Menschen Worte verstand die Stille des Aethers, Der Menschen Worte verstand die Stille des Aethers, Der Menschen Worte verstand ich nicht. Der Menschen Worte verstand ich nicht.

й зі свистом зривається щастя дитяче з навищої ноти що їм зостається тоді – шприци цигарки целофани цирози цайтноти ці люди ці цербери люті ці ангели й лютні

Halyna Kruk, 1974 geboren, studierte Philologie mit Schwerpunkt Mediävistik und Barock an der Universität Lemberg und promovierte dort 2001 mit einer Arbeit zum ukrainischen Barock. Sie hat bislang drei Gedichtbände veröffentlicht, zuletzt Das Gesicht jenseits des Fotos [2005], außerdem zahlreiche Zeitschriftenpublikationen. Ihre Gedichte wurden u.a. ins Englische, Deutsche, Schwedische und Russische übersetzt. Halyna Kruk schreibt außerdem Kinderliteratur und übersetzt aus dem Polnischen, Russischen und Weißrussischen. Sie unterrichtet an der der Iwan-Franko-Universität Lemberg Weltliteratur und lebt in Lemberg. Die hier vorliegenden Gedichte stammen aus dem Zyklus Із чорної скриньки пам‘яті iz tschornoji skrynky pamjati [Blackbox Gedächtnis] [2009].

Erweiterung 2

Ampliación 2

Ich verstand die Stille des Aethers; der Menschen Worte verstanden die Stille des Aethers, ich verstand der Menschen Worte nicht.

Yo entendía el silencio del Éter; las palabras del hombre entendían el silencio del Éter, yo no entendía las palabras del hombre.

Erweiterung 3

Ampliación 3

Ich verstehe dich, du verstehst deine Liebe, ich fasse deine Liebe nicht.

Yo te entiendo, tú entiendes tu amor, yo no comprendo tu amor.

Erweiterung 4

Ampliación 4

Ich sehe das Licht und umfasse es. Nehme es in meine Hand lasse es so vor meinen Augen wandern lasse es verschwinden wenn ich sie schließe. Du kommst und fragst Was ist das Licht? Und ich verstehe die Frage nicht. Ich verstehe auch nicht warum du mich aushorchst deswegen verstehe ich dich nicht und verstehe, verwirrt, weder das Licht, noch mich selbst.

Yo veo la luz y la comprendo. La tomo en mi mano, la dejo caminar por mis ojos, la hago desparecer si los cierro. Tú vienes y preguntas qué es la luz. Y yo no entiendo la pregunta. Tampoco comprendo por qué me inquieres, por lo que no te entiendo a ti y, devastado, ya no comprendo la luz ni me comprendo.

Je suis une langue qui je ne comprends pas.

Je suis une langue qui je ne comprends pas.

Erweiterung 5

Ampliación 5

Ich sein, was? sein, das was? sein.

Ser yo, ser qué, ser el qué.

43

nico bleutge

:

vicente luis mora aus dem Spanischen von Timo Berger


der Blackbox Gedächtnis ist nichts zu entnehmen nichts ist zu verrücken in den verrümpelten Zimmern der Kindheit nichts mehr zu korrigieren auf den vergilbten Papieren, von deren rissigen Rändern das Eigentliche getilgt ist. und der vergessene Hochzeitsgesang flickt dir die Löcher nimmt dich beim Arm führt dich in den Kreis tanz nur die Zeiten in den Seiten, die Jahre in den Taschen vergraben weder schuldest du ihnen noch sie irgendwem irgendwas. dieser unglaubliche Fokus die vertauschte Perspektive je weiter, desto bestimmter schlägt die Höllenmaschine Gedächtnis zum Tanz den Takt Und kein Pionier stößt sie aus der Spur und kann sie entschärfen, du reißt noch am schwarzen Draht, dann am roten, dann gehen unserem Lied die Farben aus. im komplexen Getriebe Gehirn verschließt und kurzschließt sich dein unwirkliches morgen, dein ungeschehenes gestern

із чорної скриньки пам’яті нічого уже не вийняти нічого не переставити в кімнатах дитинства захламлених нічого не переправити у жовтих свідоцтвах вим’ятих,

Іноді навіть вдається піднятись на кілька сантиметрів над бруком і мяко гойдатись на вітрі так діти несуть над собою повітряні кульки і мріють залетіти і завджи знаходиться гілка колюча якась або очі

manchmal stecken wir die Beine durch die rostige Wolke und betrachten eingehend die Trampelpfade der Ameisen

а часом буває позвішуєм ноги з іржавої хмари і довго вивчаємо їх мурашні маршрути

Menschen ersinnen eine Stille, die ins Ohr schrillt und eine kreischende Schaukel an langen Stricken, die ab und an reißen … Menschen ersinnen eine Katze, die übermütig auf der rostigen Brüstung spaziert um den eigenen Herzschlag zu übertönen ersinnen Menschen einen Fisch, der todgeweiht unter dem dicken Wintereis zappelt einen winzigen Stein im Schuh, der das Gehirn so entsetzlich peinigt um das Leben voll und ganz zu spüren, ersinnen Menschen den Tod, in dem sie sich qualvoll die Finger quetschen …

Людина вигадує тишу, що ріже слух і скрипучу гойдалку на довгих мотузках, які час від часу уриваються... людина вигадує кішку, що ризиковано ходить по іржавому парапету аби не чути стукоту власного серця людина вигадує рибу, що приречено бється під товстою зимовою кригою крихітний камінець у черевику, який так нестерпно муляє мозок щоб уповні відчути життя, людина вигадує смерть, між якою до болю защемлює пальці ...

kulturstiftung des bundes magazin 19

:

Hölderlin erweitern

halyna kruk

Ampliando a Hölderlin

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

aus dem Ukrainischen von Claudia Dathe

де найважливіше загинуло на згинах, яких не розправити. та діри в тобі залатує забуте весільне ладкання бере тебе попід руки виводить тебе у коло танцюй собі роки в боки, а час собі руки в брюки і ні ти йому ніц не винна ні він – нічого й нікому. такий неймовірний фокус обернена перспектива чим далі воно, тим ближче пекельна машинка пам’ять вистукує ритм до танцю І жоден сапер не встигне збити її із толку, знешкодити своєчасно ще смикаєш чорний дротик, а потім червоний дротик, а потім у нашій пісні закінчуються кольори. в складному моторі мозку замкнулося і закоротить твоє нереальне »завтра«, твоє небувале »вчора«

Manchmal heben wir sogar ein paar Zentimeter vom Pflaster ab und schaukeln weich im Wind so tragen Kinder ihre Luftballons und träumen zu fliegen und immer findet sich ein spitzer Zweig oder Blick und zischend zerreißt das kindliche Glück mit schrillem Ton was bleibt ihnen dann – Spritzen Zigaretten Zellophan Zirrhosen Zugzwänge diese Leute diese Zerberusse der Misslaune diese Engel und Lauten

42

jürgen jakob becker

F. Hölderlin, »Da ich ein Knabe war …«

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

F. Hölderlin, »Da ich ein Knabe war …«

Grund

Suelo

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

Ich verstand die Stille des Aethers Der Menschen Worte verstand ich nie.

Erweiterung 1

Ampliación 1

Ich verstand die Stille des Aethers, Ich verstand die Stille des Aethers, Der Menschen Worte verstand die Stille des Aethers, Der Menschen Worte verstand die Stille des Aethers, Der Menschen Worte verstand ich nicht. Der Menschen Worte verstand ich nicht.

й зі свистом зривається щастя дитяче з навищої ноти що їм зостається тоді – шприци цигарки целофани цирози цайтноти ці люди ці цербери люті ці ангели й лютні

Halyna Kruk, 1974 geboren, studierte Philologie mit Schwerpunkt Mediävistik und Barock an der Universität Lemberg und promovierte dort 2001 mit einer Arbeit zum ukrainischen Barock. Sie hat bislang drei Gedichtbände veröffentlicht, zuletzt Das Gesicht jenseits des Fotos [2005], außerdem zahlreiche Zeitschriftenpublikationen. Ihre Gedichte wurden u.a. ins Englische, Deutsche, Schwedische und Russische übersetzt. Halyna Kruk schreibt außerdem Kinderliteratur und übersetzt aus dem Polnischen, Russischen und Weißrussischen. Sie unterrichtet an der der Iwan-Franko-Universität Lemberg Weltliteratur und lebt in Lemberg. Die hier vorliegenden Gedichte stammen aus dem Zyklus Із чорної скриньки пам‘яті iz tschornoji skrynky pamjati [Blackbox Gedächtnis] [2009].

Erweiterung 2

Ampliación 2

Ich verstand die Stille des Aethers; der Menschen Worte verstanden die Stille des Aethers, ich verstand der Menschen Worte nicht.

Yo entendía el silencio del Éter; las palabras del hombre entendían el silencio del Éter, yo no entendía las palabras del hombre.

Erweiterung 3

Ampliación 3

Ich verstehe dich, du verstehst deine Liebe, ich fasse deine Liebe nicht.

Yo te entiendo, tú entiendes tu amor, yo no comprendo tu amor.

Erweiterung 4

Ampliación 4

Ich sehe das Licht und umfasse es. Nehme es in meine Hand lasse es so vor meinen Augen wandern lasse es verschwinden wenn ich sie schließe. Du kommst und fragst Was ist das Licht? Und ich verstehe die Frage nicht. Ich verstehe auch nicht warum du mich aushorchst deswegen verstehe ich dich nicht und verstehe, verwirrt, weder das Licht, noch mich selbst.

Yo veo la luz y la comprendo. La tomo en mi mano, la dejo caminar por mis ojos, la hago desparecer si los cierro. Tú vienes y preguntas qué es la luz. Y yo no entiendo la pregunta. Tampoco comprendo por qué me inquieres, por lo que no te entiendo a ti y, devastado, ya no comprendo la luz ni me comprendo.

Je suis une langue qui je ne comprends pas.

Je suis une langue qui je ne comprends pas.

Erweiterung 5

Ampliación 5

Ich sein, was? sein, das was? sein.

Ser yo, ser qué, ser el qué.

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nico bleutge

:

vicente luis mora aus dem Spanischen von Timo Berger


Besorg dir eine Sprache

Dótate de Lengua

jetzt nicht ach jetzt nicht weiter nicht weiter weiß jetzt ach weiß jetzt weiter und jetzt weiterundjetzt nicht weiter weiß jetzt weiter weiß nicht weiß nicht nicht weiß weiß jetzt nicht weiß jetzt ach weiß jetzt nicht weiß jetzt nicht weiß jetzt nicht weiter

ya no ay ya no seguir seguir no sé ya ay ya sé seguir y ya seguiriya no seguir ya seguir sé sé no sé no no sé ya sé no ya sé ay ya sé no no ya sé ya no sé seguir

Platz

Plaza

Heute bin ich hier, um den Platz zu betrachten

Hoy he venido a contemplar la plaza

alle fünf Sekunden geht ein Mann vorbei alle zwanzig Sekunden kommt ein Kind alle fünf Minuten ein Pärchen der Linienbus hält alle zwanzig jede Stunde bewegt sich der Stundenzeiger weiter alle drei Stunden erscheint eine schöne Frau alle zehn Stunden küsst sich jemand und alle zwölf ändert sich das Licht alle vierzehn kommt der Kellner und alle vierundzwanzig ein neuer Tag alle zehn Tage der Auftritt eines großen Mannes alle vierzig geht eine zufriedene Frau vorbei alle neunzig ein unzertrennliches Paar alle zehn Monate sieht mich jemand an alle zwölf vergeht ein Jahr und Schnee fällt alle zwei Jahre taucht ein Terrorist auf alle vier der neue Bürgermeister alle sechs Jahre gibt es Feierlichkeiten

cada cinco segundos pasa un hombre cada veinte segundos cruza un niño cada cinco minutos las parejas el autobús de línea cada veinte cada hora la hora en el reloj cada tres horas una mujer bella cada diez horas alguien se da un beso y cada doce cambiará la luz cada catorce viene el camarero y cada veinticuatro salta un día cada diez días cruza un hombre excelso cada cuarenta una mujer feliz cada noventa una pareja estable cada diez meses alguien que me mira cada doce transcurre un año y nieva cada dos años pasa un terrorista cada cuatro pasea el nuevo alcalde cada seis años hay celebraciones

alle einundzwanzig wird der Platz umgestaltet alle fünfzig ist hier ein anderer, der beobachtet alle sechsundsechzig fliegt der Halley vorbei

cada veintiuno remodelación cada cincuenta hay otro que la observa cada setenta y seis la vuela el Halley

und alle hundert schreibt jemand Verse über einen Platz, an den sich jemand gesetzt hat, um den Platz zu betrachten

y cada cien escribe versos alguien sobre una plaza donde se ha sentado alguien que viene a contemplar la plaza

44

Vicente Luis Mora, 1970 in Córdoba, Spanien, geboren, ist Schriftsteller und Literaturkritiker. Momentan arbeitet er als Leiter des Instituto Cervantes in Marrakesch. Er hat 15 Bücher veröffentlicht. Seine Texte wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zuletzt sind erschienen: der Gedichtband Tiempo [2008], der Roman Alba Cromm [2010] und ein Essay über Literatur und Neue Technologien El lectoespectador [2012].

Wenn du kannst

Si puedes

Das Leben ist kein Spiel. Das Leben ist

La vida no es un juego. La vida no es

kein Puzzle. Das Leben ist kein Rätsel, über das man sich den Kopf zerbricht

un puzle. La vida no es un rompecabezas

– auch wenn es manche zerbricht. Das Leben

– aunque algunas rompe –. La vida

ist eine Digitaluhr

es como un reloj digital

die von einem Wolkenkratzer fällt

caído desde un rascacielos

und am Boden zerschellt.

y estrellado contra el suelo.

Kehre die Stücke zusammen, sauge die Flüssigkeiten auf,

Reúne los trozos, recoge los fluidos,

verbinde die getrennten Kabel,

reconecta los cables descompuestos,

setze alles zusammen, versuche sie

júntalo todo, intenta hacerlo

wieder zum Laufen zu bringen.

funcionar de nuevo.

Ontologischer Essay

Ensayo de ontología

Du hättest gern ein Geschenk von mir. Ich will schon runtergehen. Du hältst mich zurück. Nein, sagst du. Nicht so eins. Ich will, dass du mir das Beste von dir schenkst: ein Gedicht. Bist du dir sicher? Ja. Gut, ich schreibe dir ein Liebesgedicht. Nein, kein Auftragsgedicht, sagst du. Ich will das beste Gedicht, das du schreiben kannst. Es wird dir nicht gefallen, wende ich ein. Schreib es – für mich. Wie du willst. Ich fange ganz von vorne an: das Ding. Das DI NG in Großbuchstaben. Nenne mir eins. Dann also … die … die Rose. Das ist ein guter Anfang. Die Rose. In Ordnung. Beginnen wir mit etwas Wesentlichem: Die Rose existiert nicht. Weder existiert der Gegenstand Rose noch die Vorstellung Rose. Es gibt nur eine Blume, bei der die Kelch-, Blüten- und Staubblätter in einer bestimmten konzentrischen Anordnung vereint sind. Sie gehört zu einer bestimmten Gattung Blumen. Sie ist Gegenstand vielerlei Rhetorik und nicht weniger Kunstwerke, die meisten davon schlecht. Ich glaube nicht an den Topos der Rose, an die Rose als Sinnbild, das Rosenkreuz. Mir gefällt manchmal die rosa, die in dem Wort Prosa steckt. Ich halte die Rose, das sagte ich bereits, für unvollkommen, weil sie nicht essbar ist. Weil sie schnell verwelkt. Weil sie weniger gut riecht als andere Blumen. Weil sie viel Wasser braucht und zu viel Zuwendung. Künstler sind genau so beschränkt. Und weil sie Dornen hat. Achtung: Jetzt kommt die Rhetorik. Draußen höre ich schon petrarkistische Bilder tönen: die Rose deiner Lippen, all die Klischees. Das kommt mir aber nicht unter. Auch Locke und seine exemplarischen Rosen, voll von primären und sekundären Eigenschaften, muss man vergessen. Weiter also: Es gibt den Gegenstand Rose nicht, ergo gibt es auch das Bild Rose nicht. Repräsentation ist krankhaft. Schlaf nicht ein. Die Wortfigur verwandelt sich in eine andere Wortfigur. Die Rose ist nicht die Blume, sondern das Wort Rose. Wir sind nun bei Mallarmé, verstehst du? Neosymbolismus. Auch so etwas Krankhaftes. Die Rose ist weiterhin das Erhabene. Mit Borges haben wir es ein wenig besser gemacht: tiefe, grenzenlose, innige Rose. Es gibt keinen Gegenstand mehr. Auch kein Bild. Hier ist die Rose schon eine Abstraktion, eine AntiRose. Borges sagt Rose und hätte Rubin sagen können, oder Edelstein, oder Bernstein, um nur an drei stereotype – und genauso erlesene – Dinge zu denken. Aber er entscheidet sich für Rose, und das macht uns stutzig, stimmt’s? Da pocht das Erhabene, sogar noch wenn es ausgebleicht ist. Also bleibt wie immer nur Paul Celan. Wenn alle die Waffen strecken, bleiben Hölderlin und Celan. Manchmal auch Juan Ramón Jiménez, aber aufgrund seiner frühen Geburt war es J. R. unmöglich, dem Wort Rose zu entkommen, genau wie Mallarmé. So bleibt Celan und seine Niemandsrose. Doch hier herrscht immer noch Streit. Merkst du es? Es ist ja nicht so, dass niemand sie mehr ansähe. Das Subjekt, nicht das Objekt, zweifelt. Man zweifelt nicht an der Rose, sondern an dem Ich, das sie betrachtet, und das ist gut so. Es gibt derzeit nichts Fragwürdigeres als die Rose. Also schreiben wir ein Gedicht des 21. Jahrhunderts über die Rose, ein Geschenk für dich; das Beste, was ich mit einer Rose anstellen kann, mit den Buchstaben des Wortes R/o/ s/e und der geerbten Rhetorik der Rose. Ich habe es dir ja gesagt: Womöglich gefällt es dir nicht. Das Gedicht ist für dich, es ist das beste, das ich je geschrieben habe. Hier ist es:

Me pides un regalo. Voy hacia la calle. Me paras. No, me dices. De ésos no. Quiero que me regales lo mejor de ti. Un poema. ¿Estás segura? Sí. De acuerdo. Te haré un poema de amor. No. No quiero –me dices– un encargo. Quiero el mejor poema que seas capaz de hacer. No te gustará, respondo. Házmelo. Bien, tú ganas. Comienzo desde el principio: la cosa. La Cosa, con mayúsculas. Dime una. Pues… la… la rosa. Empezamos bien. La rosa. De acuerdo. Partamos de algo esencial: la rosa no existe. No existe el objeto rosa, ni el concepto rosa. Hay una flor que une sépalos, pétalos y estambres en una determinada disposición concéntrica. Pertenece a una especie determinada de flores. Sobre ella se ha hecho mucha retórica y no pocas obras de arte, sobre todo malas. Descreo del topos de la rosa, de la rosa como emblema, de la rosa cruz. Sólo me gusta, en ocasiones, la rosa que hay en la palabra prosa. No veo perfecta a una rosa, esto ya lo dije, porque no se puede comer. Porque no dura. Porque huele peor que otras flores. Porque requiere agua y demasiado mimo. Los artistas son así de necios. Porque tiene espinas. Cuidado, que aparece la retórica. Siento ladrar ahí fuera imágenes petrarquistas: la rosa de tus labios, esos tópicos. No entrarán. También hay que olvidarse de Locke y sus rosas ejemplarizantes, llenas de primeras y segundas cualidades. Sigo. No hay un objeto rosa, con lo cual no hay imagen de la rosa. La representación es enfermiza. No te duermas. El tropo se convierte en otro tropo. La rosa no es la flor, sino la palabra rosa. Hemos llegado a Mallarmé, ¿comprendes? Neosimbolismo. Otro achaque. La rosa sigue siendo aún lo sublime. Con Borges pudimos mejorar algo: rosa profunda, ilimitada, íntima. Ya no hay objeto. Tampoco imagen. Aquí la rosa es ya una abstracción, una antirosa; Borges dice rosa y podría haber dicho rubí, o gema, o ámbar, por pensar tres lugares comunes –y tanto– de excelencia. Pero elige rosa, y eso nos escama, ¿verdad? Late ahí lo sublime, todavía, deslavazado. Así que ya sólo queda Paul Celan, como siempre. Cuando todos han terminado, se quedan Hölderlin y Celan. A veces, Juan Ramón Jiménez, pero por fecha de nacimiento J. R. no podía escapar de la palabra rosa, como Mallarmé. Se quedan Celan y su rosa de nadie, la niemand Rose. Pero aún hay conflicto, ¿lo percibes? No, no es que nadie la mire. Es que hay duda en el sujeto, pero no en el objeto. No se duda de la rosa, sino del yo que observa, y eso es bueno. No hay nada más sospechoso a estas alturas que la rosa. Así que vamos a escribir un poema del siglo X XI sobre la rosa, tu regalo; lo mejor que yo puedo hacer con una rosa, con las letras de la palabra r/o/s/a, y con la retórica heredada de la rosa. Te lo dije: quizá no te guste. Este poema es para ti, es el mejor que he hecho. Aquí lo tienes:

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Dótate de Lengua

jetzt nicht ach jetzt nicht weiter nicht weiter weiß jetzt ach weiß jetzt weiter und jetzt weiterundjetzt nicht weiter weiß jetzt weiter weiß nicht weiß nicht nicht weiß weiß jetzt nicht weiß jetzt ach weiß jetzt nicht weiß jetzt nicht weiß jetzt nicht weiter

ya no ay ya no seguir seguir no sé ya ay ya sé seguir y ya seguiriya no seguir ya seguir sé sé no sé no no sé ya sé no ya sé ay ya sé no no ya sé ya no sé seguir

Platz

Plaza

Heute bin ich hier, um den Platz zu betrachten

Hoy he venido a contemplar la plaza

alle fünf Sekunden geht ein Mann vorbei alle zwanzig Sekunden kommt ein Kind alle fünf Minuten ein Pärchen der Linienbus hält alle zwanzig jede Stunde bewegt sich der Stundenzeiger weiter alle drei Stunden erscheint eine schöne Frau alle zehn Stunden küsst sich jemand und alle zwölf ändert sich das Licht alle vierzehn kommt der Kellner und alle vierundzwanzig ein neuer Tag alle zehn Tage der Auftritt eines großen Mannes alle vierzig geht eine zufriedene Frau vorbei alle neunzig ein unzertrennliches Paar alle zehn Monate sieht mich jemand an alle zwölf vergeht ein Jahr und Schnee fällt alle zwei Jahre taucht ein Terrorist auf alle vier der neue Bürgermeister alle sechs Jahre gibt es Feierlichkeiten

cada cinco segundos pasa un hombre cada veinte segundos cruza un niño cada cinco minutos las parejas el autobús de línea cada veinte cada hora la hora en el reloj cada tres horas una mujer bella cada diez horas alguien se da un beso y cada doce cambiará la luz cada catorce viene el camarero y cada veinticuatro salta un día cada diez días cruza un hombre excelso cada cuarenta una mujer feliz cada noventa una pareja estable cada diez meses alguien que me mira cada doce transcurre un año y nieva cada dos años pasa un terrorista cada cuatro pasea el nuevo alcalde cada seis años hay celebraciones

alle einundzwanzig wird der Platz umgestaltet alle fünfzig ist hier ein anderer, der beobachtet alle sechsundsechzig fliegt der Halley vorbei

cada veintiuno remodelación cada cincuenta hay otro que la observa cada setenta y seis la vuela el Halley

und alle hundert schreibt jemand Verse über einen Platz, an den sich jemand gesetzt hat, um den Platz zu betrachten

y cada cien escribe versos alguien sobre una plaza donde se ha sentado alguien que viene a contemplar la plaza

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Vicente Luis Mora, 1970 in Córdoba, Spanien, geboren, ist Schriftsteller und Literaturkritiker. Momentan arbeitet er als Leiter des Instituto Cervantes in Marrakesch. Er hat 15 Bücher veröffentlicht. Seine Texte wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zuletzt sind erschienen: der Gedichtband Tiempo [2008], der Roman Alba Cromm [2010] und ein Essay über Literatur und Neue Technologien El lectoespectador [2012].

Wenn du kannst

Si puedes

Das Leben ist kein Spiel. Das Leben ist

La vida no es un juego. La vida no es

kein Puzzle. Das Leben ist kein Rätsel, über das man sich den Kopf zerbricht

un puzle. La vida no es un rompecabezas

– auch wenn es manche zerbricht. Das Leben

– aunque algunas rompe –. La vida

ist eine Digitaluhr

es como un reloj digital

die von einem Wolkenkratzer fällt

caído desde un rascacielos

und am Boden zerschellt.

y estrellado contra el suelo.

Kehre die Stücke zusammen, sauge die Flüssigkeiten auf,

Reúne los trozos, recoge los fluidos,

verbinde die getrennten Kabel,

reconecta los cables descompuestos,

setze alles zusammen, versuche sie

júntalo todo, intenta hacerlo

wieder zum Laufen zu bringen.

funcionar de nuevo.

Ontologischer Essay

Ensayo de ontología

Du hättest gern ein Geschenk von mir. Ich will schon runtergehen. Du hältst mich zurück. Nein, sagst du. Nicht so eins. Ich will, dass du mir das Beste von dir schenkst: ein Gedicht. Bist du dir sicher? Ja. Gut, ich schreibe dir ein Liebesgedicht. Nein, kein Auftragsgedicht, sagst du. Ich will das beste Gedicht, das du schreiben kannst. Es wird dir nicht gefallen, wende ich ein. Schreib es – für mich. Wie du willst. Ich fange ganz von vorne an: das Ding. Das DI NG in Großbuchstaben. Nenne mir eins. Dann also … die … die Rose. Das ist ein guter Anfang. Die Rose. In Ordnung. Beginnen wir mit etwas Wesentlichem: Die Rose existiert nicht. Weder existiert der Gegenstand Rose noch die Vorstellung Rose. Es gibt nur eine Blume, bei der die Kelch-, Blüten- und Staubblätter in einer bestimmten konzentrischen Anordnung vereint sind. Sie gehört zu einer bestimmten Gattung Blumen. Sie ist Gegenstand vielerlei Rhetorik und nicht weniger Kunstwerke, die meisten davon schlecht. Ich glaube nicht an den Topos der Rose, an die Rose als Sinnbild, das Rosenkreuz. Mir gefällt manchmal die rosa, die in dem Wort Prosa steckt. Ich halte die Rose, das sagte ich bereits, für unvollkommen, weil sie nicht essbar ist. Weil sie schnell verwelkt. Weil sie weniger gut riecht als andere Blumen. Weil sie viel Wasser braucht und zu viel Zuwendung. Künstler sind genau so beschränkt. Und weil sie Dornen hat. Achtung: Jetzt kommt die Rhetorik. Draußen höre ich schon petrarkistische Bilder tönen: die Rose deiner Lippen, all die Klischees. Das kommt mir aber nicht unter. Auch Locke und seine exemplarischen Rosen, voll von primären und sekundären Eigenschaften, muss man vergessen. Weiter also: Es gibt den Gegenstand Rose nicht, ergo gibt es auch das Bild Rose nicht. Repräsentation ist krankhaft. Schlaf nicht ein. Die Wortfigur verwandelt sich in eine andere Wortfigur. Die Rose ist nicht die Blume, sondern das Wort Rose. Wir sind nun bei Mallarmé, verstehst du? Neosymbolismus. Auch so etwas Krankhaftes. Die Rose ist weiterhin das Erhabene. Mit Borges haben wir es ein wenig besser gemacht: tiefe, grenzenlose, innige Rose. Es gibt keinen Gegenstand mehr. Auch kein Bild. Hier ist die Rose schon eine Abstraktion, eine AntiRose. Borges sagt Rose und hätte Rubin sagen können, oder Edelstein, oder Bernstein, um nur an drei stereotype – und genauso erlesene – Dinge zu denken. Aber er entscheidet sich für Rose, und das macht uns stutzig, stimmt’s? Da pocht das Erhabene, sogar noch wenn es ausgebleicht ist. Also bleibt wie immer nur Paul Celan. Wenn alle die Waffen strecken, bleiben Hölderlin und Celan. Manchmal auch Juan Ramón Jiménez, aber aufgrund seiner frühen Geburt war es J. R. unmöglich, dem Wort Rose zu entkommen, genau wie Mallarmé. So bleibt Celan und seine Niemandsrose. Doch hier herrscht immer noch Streit. Merkst du es? Es ist ja nicht so, dass niemand sie mehr ansähe. Das Subjekt, nicht das Objekt, zweifelt. Man zweifelt nicht an der Rose, sondern an dem Ich, das sie betrachtet, und das ist gut so. Es gibt derzeit nichts Fragwürdigeres als die Rose. Also schreiben wir ein Gedicht des 21. Jahrhunderts über die Rose, ein Geschenk für dich; das Beste, was ich mit einer Rose anstellen kann, mit den Buchstaben des Wortes R/o/ s/e und der geerbten Rhetorik der Rose. Ich habe es dir ja gesagt: Womöglich gefällt es dir nicht. Das Gedicht ist für dich, es ist das beste, das ich je geschrieben habe. Hier ist es:

Me pides un regalo. Voy hacia la calle. Me paras. No, me dices. De ésos no. Quiero que me regales lo mejor de ti. Un poema. ¿Estás segura? Sí. De acuerdo. Te haré un poema de amor. No. No quiero –me dices– un encargo. Quiero el mejor poema que seas capaz de hacer. No te gustará, respondo. Házmelo. Bien, tú ganas. Comienzo desde el principio: la cosa. La Cosa, con mayúsculas. Dime una. Pues… la… la rosa. Empezamos bien. La rosa. De acuerdo. Partamos de algo esencial: la rosa no existe. No existe el objeto rosa, ni el concepto rosa. Hay una flor que une sépalos, pétalos y estambres en una determinada disposición concéntrica. Pertenece a una especie determinada de flores. Sobre ella se ha hecho mucha retórica y no pocas obras de arte, sobre todo malas. Descreo del topos de la rosa, de la rosa como emblema, de la rosa cruz. Sólo me gusta, en ocasiones, la rosa que hay en la palabra prosa. No veo perfecta a una rosa, esto ya lo dije, porque no se puede comer. Porque no dura. Porque huele peor que otras flores. Porque requiere agua y demasiado mimo. Los artistas son así de necios. Porque tiene espinas. Cuidado, que aparece la retórica. Siento ladrar ahí fuera imágenes petrarquistas: la rosa de tus labios, esos tópicos. No entrarán. También hay que olvidarse de Locke y sus rosas ejemplarizantes, llenas de primeras y segundas cualidades. Sigo. No hay un objeto rosa, con lo cual no hay imagen de la rosa. La representación es enfermiza. No te duermas. El tropo se convierte en otro tropo. La rosa no es la flor, sino la palabra rosa. Hemos llegado a Mallarmé, ¿comprendes? Neosimbolismo. Otro achaque. La rosa sigue siendo aún lo sublime. Con Borges pudimos mejorar algo: rosa profunda, ilimitada, íntima. Ya no hay objeto. Tampoco imagen. Aquí la rosa es ya una abstracción, una antirosa; Borges dice rosa y podría haber dicho rubí, o gema, o ámbar, por pensar tres lugares comunes –y tanto– de excelencia. Pero elige rosa, y eso nos escama, ¿verdad? Late ahí lo sublime, todavía, deslavazado. Así que ya sólo queda Paul Celan, como siempre. Cuando todos han terminado, se quedan Hölderlin y Celan. A veces, Juan Ramón Jiménez, pero por fecha de nacimiento J. R. no podía escapar de la palabra rosa, como Mallarmé. Se quedan Celan y su rosa de nadie, la niemand Rose. Pero aún hay conflicto, ¿lo percibes? No, no es que nadie la mire. Es que hay duda en el sujeto, pero no en el objeto. No se duda de la rosa, sino del yo que observa, y eso es bueno. No hay nada más sospechoso a estas alturas que la rosa. Así que vamos a escribir un poema del siglo X XI sobre la rosa, tu regalo; lo mejor que yo puedo hacer con una rosa, con las letras de la palabra r/o/s/a, y con la retórica heredada de la rosa. Te lo dije: quizá no te guste. Este poema es para ti, es el mejor que he hecho. Aquí lo tienes:

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kulturstiftung des bundes magazin 19


Wald (Ilex) I, 2010

Eierstapel, 2009


Wald (Ilex) I, 2010

Eierstapel, 2009


gremien stiftungsrat Der Stiftungsrat trifft die Leitentscheidungen für die inhaltliche Ausrichtung, insbesondere die Schwerpunkte der Förderung und die Struktur der Kulturstiftung. Der aus 14 Mitgliedern bestehende Stiftungsrat spiegelt die bei der Errichtung der Stiftung maßgebenden Ebenen der politischen Willensbildung wider. Die Amtszeit der Mitglieder des Stiftungsrates beträgt fünf Jahre. Die folgende Übersicht enspricht der Zusammensetzung des Stiftungsrates bei seiner 21. Sitzung am 12. Dezember 2011. Vorsitzender des Stiftungsrates

Bernd Neumann

Staatsminister bei der Bundeskanzlerin und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien

für das Auswärtige Amt

Cornelia Pieper

Staatsministerin

für das Bundesministerium der Finanzen

Steffen Kampeter

Parlamentarischer Staatssekretär

für den Deutschen Bundestag

P rof. Dr. Nor b e r t L a m me r t

Bundestagspräsident

D r. h . c . Wo l f g a n g T h i e r s e

Bundestagsvizepräsident

Hans-Joachim Otto

Parlamentarischer Staatssekretär

als Vertreter der Länder

P r o f. D r. J o h a n n a Wa n k a

Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur

Wa l t e r S c h u m a c h e r

Staatssekretär, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz

Klaus Hebborn

Beigeordneter für Bildung, Kultur und Sport, Deutscher Städtetag

Uwe Lübking

Beigeordneter, Deutscher Städte- und Gemeindebund

als Vorsitzender des Stiftungsrates der Kulturstiftung der Länder

Peter Harry Carstensen

Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein

als Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur

Senta Berger

Schauspielerin

Durs Grünbein

Autor

P r o f. D r. D r. h . c. Wo l f L e p e n i e s

Soziologe

als Vertreter der Kommunen

stiftungsbeirat Der Stiftungsbeirat gibt Empfehlungen zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Stiftungstätigkeit. In ihm sind Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vertreten. Prof. Dr. Clemens Börsig

Vorsitzender des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft im BDI e.V.

Jens Cording

Präsident der Gesellschaft für Neue Musik e.V.

Prof. Martin Maria Krüger

Präsident des Deutschen Musikrats

P rof. Dr. h.c. K laus - Dieter L eh ma n n

Präsident des Goethe-Instituts

Isabel Pfeiffer-Poensgen

Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder

D r. Vo l k e r R o d e k a m p

Präsident des Deutschen Museumsbundes e.V.

Dr. Dorothea Rüland

Generalsekretärin des DAAD

Dr. Georg Ruppelt

Vizepräsident des Deutschen Kulturrats e.V.

Prof. Dr. Oliver Scheytt

Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Johano Strasser

Präsident des P. E .N. Deutschland

F r a n k We r n e k e

Stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di e.V.

Prof. Klaus Zehelein

Präsident des Deutschen Bühnenvereins e.V.

jurys und kuratorien Rund 50 Experten aus Wissenschaft, Forschung und Kunst beraten die Kulturstiftung des Bundes in verschiedenen fach- und themenspezifischen Jurys und Kuratorien. Weitere Informationen zu diesen Gremien finden Sie auf unserer Website unter www. kulturstiftung-bund.de bei den entsprechenden Projekten.

vorstand Hor tensia Völckers

Künstlerische Direktorin

Alexander Farenholtz

Verwaltungsdirektor

Sekretariate

Beatrix Kluge / Beate Ollesch [Büro Berlin] / Christine Werner

team Referent des Vorstands

Dr. Lutz Nitsche

Justitiariat / Vertragsabteilung

Dr. Ferdinand von Saint André [ Justitiar] / Susanne Dressler / Doris Heise / Anja Petzold

Kommunikation

Friederike Tappe-Hornbostel [Leitung] / Tinatin Eppmann / Diana Keppler / Juliane Köber / Christoph Sauerbrey / Arite Studier / Antje Wagner

Förderung

Kirsten Haß [Leitung] / Dorit von Derschau / Dr. Marie Cathleen Haff / Teresa Jahn / Dr. Alexander Klose / Antonia Lahmé / Anne Maase / Uta Schnell / Karoline Weber / Ines Große / Marcel Gärtner / Kristin Salomon / Kristin Schulz / Barbara Weiß Allgemeine Projektförderung

Projektprüfung

Torsten Maß [Leitung] / Bärbel Hejkal / Steffi Khazhueva Steffen Schille [Leitung] / Marius Bunk / Berit Koch / Kristin Madalinski / Fabian Märtin

Verwaltung

Andreas Heimann [Leitung] / Margit Ducke / Maik Jacob / Steffen Rothe

Herausgeber Kulturstiftung des Bundes / Franckeplatz 1 / 06110 Halle an der Saale /Tel 0345 2997 0 / Fax 0345 2997 333 /info@kulturstiftung-bund.de /www.kulturstiftung-bund.de Vorstand

Hortensia Völckers / Alexander Farenholtz [verantwortlich für den Inhalt]

Redaktion

Friederike Tappe-Hornbostel

Redaktionelle Mitarbeit Christoph Sauerbrey

Gestaltung

cyan Berlin

Redaktionsschluss

31.1.2012

des Bundes — alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung

Fotonachweis

© Wolfgang Tillmans,

insgesamt oder in Teilen ist nur zulässig nach vorheriger

Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln

schriftlicher Zustimmung der Kulturstiftung des Bundes.

Herstellung hausstætter Auflage

30.000

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. © Kulturstiftung


gremien stiftungsrat Der Stiftungsrat trifft die Leitentscheidungen für die inhaltliche Ausrichtung, insbesondere die Schwerpunkte der Förderung und die Struktur der Kulturstiftung. Der aus 14 Mitgliedern bestehende Stiftungsrat spiegelt die bei der Errichtung der Stiftung maßgebenden Ebenen der politischen Willensbildung wider. Die Amtszeit der Mitglieder des Stiftungsrates beträgt fünf Jahre. Die folgende Übersicht enspricht der Zusammensetzung des Stiftungsrates bei seiner 21. Sitzung am 12. Dezember 2011. Vorsitzender des Stiftungsrates

Bernd Neumann

Staatsminister bei der Bundeskanzlerin und Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien

für das Auswärtige Amt

Cornelia Pieper

Staatsministerin

für das Bundesministerium der Finanzen

Steffen Kampeter

Parlamentarischer Staatssekretär

für den Deutschen Bundestag

P rof. Dr. Nor b e r t L a m me r t

Bundestagspräsident

D r. h . c . Wo l f g a n g T h i e r s e

Bundestagsvizepräsident

Hans-Joachim Otto

Parlamentarischer Staatssekretär

als Vertreter der Länder

P r o f. D r. J o h a n n a Wa n k a

Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur

Wa l t e r S c h u m a c h e r

Staatssekretär, Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz

Klaus Hebborn

Beigeordneter für Bildung, Kultur und Sport, Deutscher Städtetag

Uwe Lübking

Beigeordneter, Deutscher Städte- und Gemeindebund

als Vorsitzender des Stiftungsrates der Kulturstiftung der Länder

Peter Harry Carstensen

Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein

als Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur

Senta Berger

Schauspielerin

Durs Grünbein

Autor

P r o f. D r. D r. h . c. Wo l f L e p e n i e s

Soziologe

als Vertreter der Kommunen

stiftungsbeirat Der Stiftungsbeirat gibt Empfehlungen zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Stiftungstätigkeit. In ihm sind Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik vertreten. Prof. Dr. Clemens Börsig

Vorsitzender des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft im BDI e.V.

Jens Cording

Präsident der Gesellschaft für Neue Musik e.V.

Prof. Martin Maria Krüger

Präsident des Deutschen Musikrats

P rof. Dr. h.c. K laus - Dieter L eh ma n n

Präsident des Goethe-Instituts

Isabel Pfeiffer-Poensgen

Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder

D r. Vo l k e r R o d e k a m p

Präsident des Deutschen Museumsbundes e.V.

Dr. Dorothea Rüland

Generalsekretärin des DAAD

Dr. Georg Ruppelt

Vizepräsident des Deutschen Kulturrats e.V.

Prof. Dr. Oliver Scheytt

Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Johano Strasser

Präsident des P. E .N. Deutschland

F r a n k We r n e k e

Stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di e.V.

Prof. Klaus Zehelein

Präsident des Deutschen Bühnenvereins e.V.

jurys und kuratorien Rund 50 Experten aus Wissenschaft, Forschung und Kunst beraten die Kulturstiftung des Bundes in verschiedenen fach- und themenspezifischen Jurys und Kuratorien. Weitere Informationen zu diesen Gremien finden Sie auf unserer Website unter www. kulturstiftung-bund.de bei den entsprechenden Projekten.

vorstand Hor tensia Völckers

Künstlerische Direktorin

Alexander Farenholtz

Verwaltungsdirektor

Sekretariate

Beatrix Kluge / Beate Ollesch [Büro Berlin] / Christine Werner

team Referent des Vorstands

Dr. Lutz Nitsche

Justitiariat / Vertragsabteilung

Dr. Ferdinand von Saint André [ Justitiar] / Susanne Dressler / Doris Heise / Anja Petzold

Kommunikation

Friederike Tappe-Hornbostel [Leitung] / Tinatin Eppmann / Diana Keppler / Juliane Köber / Christoph Sauerbrey / Arite Studier / Antje Wagner

Förderung

Kirsten Haß [Leitung] / Dorit von Derschau / Dr. Marie Cathleen Haff / Teresa Jahn / Dr. Alexander Klose / Antonia Lahmé / Anne Maase / Uta Schnell / Karoline Weber / Ines Große / Marcel Gärtner / Kristin Salomon / Kristin Schulz / Barbara Weiß Allgemeine Projektförderung

Projektprüfung

Torsten Maß [Leitung] / Bärbel Hejkal / Steffi Khazhueva Steffen Schille [Leitung] / Marius Bunk / Berit Koch / Kristin Madalinski / Fabian Märtin

Verwaltung

Andreas Heimann [Leitung] / Margit Ducke / Maik Jacob / Steffen Rothe

Herausgeber Kulturstiftung des Bundes / Franckeplatz 1 / 06110 Halle an der Saale /Tel 0345 2997 0 / Fax 0345 2997 333 /info@kulturstiftung-bund.de /www.kulturstiftung-bund.de Vorstand

Hortensia Völckers / Alexander Farenholtz [verantwortlich für den Inhalt]

Redaktion

Friederike Tappe-Hornbostel

Redaktionelle Mitarbeit Christoph Sauerbrey

Gestaltung

cyan Berlin

Redaktionsschluss

31.1.2012

des Bundes — alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung

Fotonachweis

© Wolfgang Tillmans,

insgesamt oder in Teilen ist nur zulässig nach vorheriger

Courtesy Galerie Buchholz, Berlin/Köln

schriftlicher Zustimmung der Kulturstiftung des Bundes.

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