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HANDWERK

DIE INFORMATION DES KURSZENTRUMS BALLENBERG HEIMATWERK 2/2005

Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk, CH-3855 Brienz Telefon 033 952 80 40, Fax 033 952 80 49 info@ballenbergkurse.ch www.ballenbergkurse.ch Handwerk, traditionelles Bauhandwerk und zeitgenรถssische Gestaltung.

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EDITORIAL:

VON FÄDEN UND RAUPEN … Geschätzte Leserinnen und Leser: Die erstmals verwendete Farbe im Heft 1/2005 hat uns viele positive Rückmeldungen gebracht. Wir haben entschieden, dass wir in diesem Jahr farbig weitermachen … Auch dieses Heft ist einigen Aspekten textilen Gestaltens gewidmet. Seltene historische Stricktechnik, bei der Glasperlen auf Baumwollgarn aufgestrickt wurden, eröffnet das Heft.* Die Stickerin Barbara Wälchli Keller gewährt uns Einblick in ihr Schaffen. Eine ganz andere Arbeit können wir von Gina Chiara aus Almens zeigen. Flickwerk heisst die Arbeit, die durch den Fund alter Hemden entstanden ist. Die Seidenraupen sind die jüngsten Haustiere im Freilichtmuseum Ballenberg. Im Hof von Novazzano wurden sie gezüchtet und ebendort sind sie auch jetzt wieder zu sehen. n Wir wünschen Spass am Schauen und Lesen. Mit freundlichen Grüssen

Adrian Knüsel, Leiter * Brandon Mably und Kaffe Fasset werden vom 2. bis 4. September im Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk sein!

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Das Objekt: Kinderchäppeli Barbara Wälchli: Ich bin eine Fädige Aus dem Heimatwerkboten 1967: Der Blick zurück Gina Chiara, Wildfrau: kulinarische Experimente und Kreationen Jahresthema Ballenberg 2005: Seide – Sinnbild der Schönheit Theater im Ballenberg: Die Stickerin und der Fergger

Handwerk 2/2005. Redaktion: Adrian Knüsel (ak) Herausgeber: Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk, 3855 CH-Brienz, Telefon 033 952 80 40, Fax 033 952 80 49, www.ballenbergkurse.ch, info@ballenbergkurse.ch. Druck: Gisler Druck AG, Altdorf. Auflage 3200 / 3 Ausgaben jährlich. Abo Inland Fr. 24.– / Ausland Fr. 32.–.


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DAS OBJEKT

KINDERHÄUBCHEN Die abgebildeten Hauben erhielten wir von einer Kursteilnehmerin, die uns dazu folgende Geschichte aufschrieb: Mein Grossvater war ein einfacher Weinbauer, hatte aber sehr grosses Interesse an Kultur und Geschichte. Er war auch sehr belesen, und für mich ist seine Version sehr glaubwürdig: Er besass viele Antiquitäten und Kuriositäten. Oftmals von Zigeunern abgekauft oder getauscht. Vieles wurde ihm einfach gebracht, weil er an solchen Dingen Freude hatte, und dafür Lebensmittel oder Alkohol anbieten konnte! (Der Wein und Schnaps haben manchmal doch ihr Gutes.) Er sagte, dass diese kleinen Chäppli Kinder von sehr reichen Familien trugen, die einen District (oder Zehnden) regierten. Diese Familien hatten damals grosse Autonomierechte. Das Landesmuseum in Zürich hat mir diesen Teil der Geschichte auch bestätigt. Sie kannten diese kleinen Kunstwerke. Sie haben mich auch auf das Besondere aufmerksam gemacht: Die Glasperlen

wurden nicht aufgestickt, sondern vorher in das Garn eingefädelt und mitgestrickt. An dieser Stelle möchten wir uns für diese Schenkung bedanken. n

ZEHNDEN aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie (weitergeleitet von Zenden) Zehnden (gelegentlich auch Zenden geschrieben) war im Kanton Wallis in der Schweiz bis 1848 die Bezeichnung für die Bezirke. 1476 –1798 existierten sieben Zehnden; das Wallis wurde deshalb auch «Republik der sieben Zehnden» genannt. Jeder Zehnden besass grosse Autonomierechte; das Lötschental und das Unterwallis waren allerdings Untertanengebiete. Die sieben Zehnden waren: Goms, Brig, Visp, Raron, Leuk, Sierre, Sion Nach dem Zusammenbruch der Alten Eidgenossenschaft 1798 kamen schrittweise weitere Zehnden des Unterwallis dazu. 1798: Monthey, Saint-Maurice, Entremont 1802: Martigny, Hérémence 1815: Conthey Somit existieren 13 Zehnden, welche den heutigen Bezirken entsprechen. Diese sind im Walliser Wappen durch 13 Sterne repräsentiert.


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BARBARA WÄLCHLI KELLER, KURSLEITERIN STICKEN

«ICH BIN EINE FÄDIGE!»


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schnur oder die Netzchen von Orangen und Zwiebeln. «Und ich habe einen sehr lieben Mann, er bringt mir immer Sachen aus dem Zeughaus Seewen.» Dann ist da das Haus. Auch dort verwahrt Barbara Wälchli einen Teil ihrer Schätze, unter anderem die «Gyztrucke», eine Schachtel mit kleinen Schubladenfächern, in welchen sie Fäden in besonders kostbaren Farben aufbewahrt. Farben, wie sie sich wohl kein zweites Mal finden liessen, oder jedenfalls nicht im Warenhaus um die Ecke. Farben, die auf den Moment warten, da Barbara Wälchli oder eine ihrer Schülerinnen ein ganz bestimmtes Blaugrünsilber oder Lachsorangerosa oder Blassbeigegelblich suchen, ein schwer zu beschreibendes, aber doch ganz Bestimmtes, Unbedingtes. Dann, und nur dann, öffnet sie die Gyztrucke und gibt es heraus.

Sie stickt in der Normandie, sie stickt im Münstertal, sie stickt in Burma, sie stickt auf dem Ballenberg. Barbara Wälchli Keller (51) ist vernarrt in Fäden aller Art und hat sich augenzwinkernd zur ersten inoffiziellen FZGB ernannt. Der Titel ist weder eidgenössisch geschützt noch geprüft, und auch kein «dipl.» schmückt ihn. Eine FZGB ist eine Faden-zur-Geltungsbringerin. Um allerdings zu verstehen, was dahinter steckt, muss der in seinem Normalleben nicht weiter mit Fäden befasste Mensch sich ein wenig in die Materie vertiefen. Da ist zunächst einmal das Atelier. Es dient unter anderem der Aufbewahrung von Fäden aller Art. Konventionelles Stickgarn in allen Regenbogenfarben findet sich dort ebenso wie glitzrige Geschenkbändel, Bast für den Gartenbedarf, grosse Baumwollspulen für die Webstühle, Fischernetz-Schnur, Päckli-Hanf-

ENDLICH AUF DEM RECHTEN KURS Kurz vor dem Lehrabschluss bestand sie dann die Aufnahmeprüfung für den Vorkurs der Kunstgewerbeschule Basel. Die Lehrabschlussprüfung ging sie daraufhin so locker an, dass sie den zweitbesten

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Eigentlich hat sie schon immer gewusst, dass Fäden ihr Ding sind. Aber wie es so sein kann mit Berufungen: Ihnen zu folgen, ist bisweilen kein schnurgerader Weg, und leicht kann man den Faden verlieren. Barbara Wälchli ist aufgewachsen in Rothrist, der Vater war Stanzwerkzeugmacher, die Mutter Hausfrau, sie waren vier Kinder, Barbara die Zweitälteste. «Ich habe viel machen müssen!», sagt sie heute noch mit einem Seufzen, wenn sie an ihren Werdegang zurückdenkt. Sie meint nicht die viele Arbeit, sie meint die Umwege. Im Kopf hatte die junge Frau eigentlich den Wunschberuf Modedesignerin. Damit sie aber etwas tauge im Haushalt, musste sie zunächst ein Jahr lang die Haushaltungsschule in Lucens besuchen und davor, da sie fürs Internat von Lucens noch zu jung war, einen Jahreskurs an der Handelsschule. «Lucens war nichts für mich. Ich haushalte nicht gern. Ich koche auch leidenschaftlich nicht gern!», sagt sie energisch. Auch die anschliessende dreijährige Lehre als Schneiderin lag ihr nicht besonders. «Ich war die schlechteste Lehrtochter. Ich habe mich am ersten Tag schon auf den letzten gefreut!» Um sich mit ihrer Situation abzufinden, war ihr die Erinnerung an die Rede des Direktors von Lucens hilfreich, der den Schülerinnen am ersten Tag gesagt hatte: «Ich weiss, dass es euch stinkt. Aber wenn dies das Schlimmste ist, was euch im Leben passiert, dann habt ihr ein gutes Leben.» Ohnehin war es nicht einfach, sich zu orientieren. Im Sticken war sie schlecht gewesen in der Schule, sie nähte und handarbeitete ungern. «Das Schönste war Knopflöcher nähen von Hand.» Lieber wollte sie zeichnen, merkte während der Lehre dann aber auch, dass Mode sie nicht wirklich interessierte. «Wenn ich Kleider zuschneiden musste, habe ich mich mehr für den Stoff selber interessiert und versuchte herauszufinden, wie er gewoben war.»

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UMWEGE UND WARTESCHLAUFEN


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Abschluss schaffte, obwohl ihr die Gewerbeschullehrerin ein Desaster prophezeit hatte. «Die Jahre an der Kunstgewerbeschule waren für mich das Paradies!» Sie bildete sich während viereinhalb Jahren zur Textilentwerferin und Textilgestalterin aus, lebte in einer kleinen Wohngemeinschaft mit wenig Geld, jobbte in den Ferien und am Wochenende als Flachmalerin, Charcuterie-Verkäuferin, Serviertochter, an der Kasse im Perrymarkt, in einer Gärtnerei. Nach der Ausbildung, als es an die Stellensuche ging, war klar: In die Modeindustrie wollte sie nicht. «Diese ewigen Wechsel dort, vier Kollektionen pro Jahr, der Stress, nur immer liefern, liefern, liefern – das ist es nicht.» In der Heimatwerkschule Richterswil, der Vorläuferin des heutigen Kurszentrums, wäre eine Stelle frei gewesen. «Aber das war für uns damals der Inbegriff von Bünzligkeit, eine Kunstgewerbeschülerin ging nicht dorthin!», meint sie schmunzelnd.

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FRANZÖSISCHES INTERMEZZO Sehr viel angesagter in der ausklingenden FlowerPower-Zeit Mitte der 70er-Jahre war da schon das Angebot einer Schule in Südfrankreich, gegründet von verschiedenen KunsthandwerkerInnen aufgrund einer boomenden Nachfrage. «Damals gingen alle nach Südfrankreich und wollten töpfern oder weben lernen. Die Schule war in der Nähe von Aix-en-Provence, wunderschön gelegen in einer alten Mühle. Ich kam da an mit meiner schweizerischen Solidarität und wollte liefern, zuverlässig, ein bisschen pedantisch, wollte auch Französisch lernen und Erfahrung sammeln im Unterrichten. Was ich vorfand, waren zwar alles liebe Leute, gute Handwerker, die aber vom Unterrichten, vom Leiten einer solchen Schule keine Ahnung hatten. Das Laissez-faire lag mir nicht so, und das Niveau war tief – ich hatte gerade mal zwei Webstühle, einen mit brauner und einen mit weisser Wolle … Es gab kein Programm, keinen Lehrplan, es war ständig kalt, ich verdiente kaum etwas, hatte keine Wohnung, meine Kleider lagen in Kisten – ein Kleid, das ich von meiner Mutter bekommen hatte, das erste neue Kleid seit vier Jahren, hatte ein grosses Mäuseloch , als ich es auspackte …» Ein halbes Jahr später war Barbara Wälchli wieder in der Schweiz. Als ihre französischen Kollegen später versuchten, sie zurückzuholen, genügte ihr der Blick ins Tagebuch aus dieser Zeit, um entschieden nein sagen zu können.

BÜNZLIGER GLÜCKSFALL Ja sagte sie hingegen, als ein Angebot aus Richterswil kam. «Ich dachte, ich brauche ja Geld, ich mache das, bis ich etwas Gescheiteres finde. Aber es war ein absoluter Glücksfall! Es lag ebenfalls in einer alten Mühle, direkt am See – ich musste mich am Anfang ins Füdli klemmen, um zu realisieren, dass ich für das, was ich hier mache, Geld bekomme! Es war so schön!», schwärmt sie begeistert. Auch an Fritz Wezel, den damaligen Leiter der Schule, denkt sie mit Freude und Wärme zurück. Er muss zwar ein recht dominanter Patriarch alter Schule gewesen sein, aber auch hilfsbereit, gerecht und zugänglich für gute

Argumente. «Wenn die Schüler zufrieden waren, war er es auch. Ich konnte mich entwickeln, hatte viel Freiheit, und er hat mir sogar geholfen, die Steuererklärung auszufüllen – er hat immer genug Abzüge hinbekommen.» Barbara Wälchli war als Leiterin der Webschule angestellt. «Aber von der Ausbildung her bin ich ja keine Weberin. Ich wäre damals nicht fähig gewesen, mir den eigenen Webstuhl einzurichten!» Ihr Glück: Sie hatte eine Handweberin als Kollegin, die ihr das Weberische beibrachte, während sie das Gestalterische beisteuerte. «Wir waren vom ersten Tag an zusammen und tauschten uns aus, ganz ohne Neidereien.»

BERUF ODER FAMILIE Doch nach zwei Jahren lockte bereits eine neue Herausforderung: Sie sollte für die Basler Mission in ein Entwicklungsprojekt in Peru einsteigen, technische Beraterin einer Weberei werden. Sie überlegte es sich gut und nüchtern. «Es war eine harte Entschei-

dung. Ich dachte: Du bist jetzt 26, wenn du zurückkommst, bist du 31. Dann noch einen Mann zu finden … Wenn du also eine Familie gründen willst, ist Peru nicht gerade förderlich.» Und sie entschied sich – für Peru, gegen eine Familie. «Ich hatte meine Ausbildung selber bezahlt und wollte berufstätig bleiben.» Das heisst: Sie hatte sich eigentlich entschieden. Denn da war Roland, ein paar Wochen zuvor kennen gelernt, ein bisschen verliebt. Man überlegte, ob er sie vielleicht begleiten könnte, doch zu viele Steine lagen da im Weg. Je länger die Planungsphase für den PeruEinsatz dauerte, desto wackliger wurde ihr Entschluss. «Und ich war schon ein paar Männern einfach davongelaufen, sobald sie mir zu nahe gekommen waren … Ich dachte: Du kannst nicht immer einfach weg!»


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Schliesslich lehnte sie die Stelle ab – sehr schweren Herzens. «Es hat noch lange gekämpft in ihr», erinnert sich Roland Keller an diese Zeit. Aber dann ging alles sehr schnell; wenn schon, denn schon. Sie gab die Stelle in Richterswil auf und heiratete. Die beiden Buben sind heute 21 und 23 Jahre alt und schon mehr oder weniger zu Hause ausgezogen. Bernhard, der ältere, studiert in Zürich Mathematik und Philosophie, ist unkonventionell, kritisch und politisch sehr aktiv. «Er hat mir ein Leben lang ein Loch in den Bauch gefragt», erinnert sie sich lächelnd. «Wegen ihm habe ich einen sechsbändigen Brockhaus gekauft!» Der jüngere, Samuel, ist Gärtner von Beruf und steckt in der Zweitausbildung als Tierpfleger. Als Junge hat er im Garten einen Taubenschlag gebaut, den er, als er auszog, samt Inhalt grosszügigerweise dem Vater vermachte. Auch im Fledermausschutz engagiert er sich, pflegte oft über den Winter kränkliche Tiere zu Hause gesund. Lakonische Bemerkung der Mutter dazu: «Irgendwann gewöhnt sich die Familie

Gewähr). «Du darfst noch ein bisschen mehr anspannen. Hast Du nass gemacht? Dann geh jetzt mal ganz süüferli. Weisst Du, was ich das Gefühl habe? Wenn Du die Schäfte vorn hättest, bekämst Du ein schöneres Fach! Du hast wohl auch ein bisschen fest angeschlagen …» Seit sie das Atelier hat – schon über 20 Jahre – hat sie sich intensiver dem Sticken zugewandt. Vor allem aber will sie einfach mit Fäden arbeiten. «Ich kann nicht sagen, ich bin eine Weberin, oder eine Stickerin. Es gibt Gebiete in der Stickerei, die ich nicht beherrsche. Aber ich bin eine Fädige! Im Grunde bin ich ja gegen das Missionieren, aber mit den Fäden missioniere ich. Ich habe auch gekämpft mit den Fäden, manchmal. Aber eigentlich will ich allen Leuten zeigen, wie schön die Fäden sind!» Hier im Atelier bewahrt sie den grössten Teil des Materials für ihre Stickkurse auf. Schon gepackt ist zum Beispiel die Kiste für den Kurs in einem Schloss an der Küste der Normandie. «Tausende von Fäden –

daran, dass am Stubentisch Mehlwürmer ausgedrückt werden.»

dicke, dünne, matte, glänzige … Etwa 30 Kilo Fäden! Ich musste das für den Zoll aufschreiben. Und etwa 29,5 Kilo kommen wohl wieder zurück. Aber es braucht diese Auswahl, es ist wie bei Farbstiften. Am Vormittag gehen wir am Meer oder im Schlossgarten auf Themensuche, am Nachmittag sticken wir mit dem Ziel, dass wir am Abend fertig sind; wir machen eine Art gestickte Skizzen.»

DAS KOCH-SCHLAF-WEBATELIER Heute hat Barbara Wälchli ihr eigenes Atelier in einer ehemaligen Schreinerwerkstatt in Steinerberg, nahe der Kirche. Zwei Räume hat es, eine beeindruckende Fachbibliothek, eine Rumpelkammer im oberen Stock und eine Küche, in der sie früher, als die Buben noch klein waren, auch bisweilen für sie gekocht hat. Im Winter, wenn zu viel Schnee lag, um die steile Strasse zum Wohnhaus hoch zu fahren, haben sie manchmal sogar im Atelier übernachtet. Vier Webstühle stehen darin, eine Lehrtochter lernt bei ihr das Handwerk der Textilgestalterin und Handweberin. Mit ihr – Franziska heisst sie – führt sie für den Laien unverständliche Gespräche (Wiedergabe ohne

NICHT BEQUEM WERDEN! Seit der Geburt der Kinder hat Barbara Wälchli immer geschaut, dass sie auch beruflich zu tun hat. «Damit ich nicht bequem werde!» Sie hat Kurse gegeben fürs Heimatwerk in Zürich, Ferienkurse in Richterswil, hat eine Tracht bestickt, die Zeitschrift des Berufsverbands redigiert, Religionsunterricht gegeben, war Expertin bei den Lehrabschlussprüfungen


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der Handweberinnen, hat einen Weiterbildungskurs an der Kunstgewerbeschule genommen. «Wieder einmal Schülerin sein und Fehler machen und ausprobieren dürfen, das war gut. In den Kursen erwarten die Schüler von dir garantierte Lösungen – das ist manchmal recht hart.» Ihren eigenen Schülerinnen lässt sie übrigens viel Freiheit. «Das Einzige, was ich nicht mache, ist Sticken nach Vorlage, diese Fertigpackungen, die man kaufen kann. Da weigere ich mich. Obwohl … einmal habe ichs doch gemacht. Bei einer Frau, die mich bat, ihr zu helfen, weil sie selber nicht zurechtkam. Aber im nächsten Kurs stickte sie schon frei! Ich zeige am Anfang die Technik und das Material, und dann machen wir gleich gestalterische Sachen. Es wäre für mich ein Horror, wenn man meinen Leuten ansehen würde, dass sie bei mir sticken waren. Jede soll ihre eigene Sprache finden! Und die Technik, der Stich, ist ja nur ein Mittel zum Zweck. Es geht mir ums Sticken als Ausdrucksmittel.»

ROSSBÜEL Was sie selber mit diesem Ausdrucksmittel anfängt, hängt in ihrem Haus an den Wänden. Der Weg dorthin, ins Rossbüel hinauf, ist steil, führt durch Felssturzgebiet. Im Auto ein Kleber mit der Aufschrift «Fahre nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann!» Es geht an Wiesen vorbei, wo Männer an den Börtern mit der Sense am Mähen sind; an waldigen Stellen blühen kleine weisse Orchideen. Das Haus ist das ehemalige Ferienhaus ihres Mannes, umgebaut zu einem kleinen Familienwohnhaus. Vom Autoparkplatz führt ein Fussweg übers Grundstück, durch ein Waldstück mit Bach, von Sohn Bernhard früher ehrerbietig «Herr Bacher» genannt. Fast schon umwerfend stürmisch fällt die Begrüssung durch Balz aus, den Entlebucher Sennenhund. Im Haus herrscht bunte Enge. In der Küche eine Eckbank, in der Stube ein Biedermeiersofa und ein

grünblauer Kachelofen, an der Decke Tablare für Bücher, die sonst nirgends mehr Platz fanden. Überall hat es Sachen und Sächelchen, Gläser und Fensterbretter voll Steine und Muscheln. «Und immer, wenn ich noch eine leere Ecke entdeckte, sassen wir mit dem Schreiner zusammen und passten etwas Schönes, Platzbietendes hinein. Als wir ins Rossbüel zügelten, träumte es mir ab und zu von leeren Schubladen. Einmal entdeckte ich im Traum sogar ein ganzes Stockwerk, das noch einzurichten war!» Umso grosszügiger dafür der Blick von der Terrasse. «Man sähe den Mythen, den Fronalpstock, den Lauerzersee, bis ins Muotathal hinein», zeigt sie mit dem Finger in den dichten Nebel. «Ich bin im Alltag gern unter Leuten, wohne aber lieber etwas abgeschieden. Aber wenn ich nicht einmal in der Woche nach Zürich könnte, könnte ich nicht so leben.»

GESTICKTE LEBENSZEICHEN Die Sujets der Stickereien, die an den Wänden hängen, sind so unterschiedlich, wie sie es auch bei Male-

reien sind. Da ist ein langes besticktes Band, es heisst «Gedichtband». Oder verschiedene Briefe, ein Beschwerdebrief, ein langweiliger Brief, noch auf dem Stickrahmen ein Liebesbrief, gestickt mit buchstabenartigen Stichen, die doch keine richtigen Buchstaben sind. «Oder hier wollte ich Brest zeigen, diese total zerbombte Stadt, wos nur noch Betonmauern hat. Und da waren wir im Eisenbahnmuseum. Und hier gings mir um das schöne Blau des Meeres», kommentiert sie ein gesticktes Tagebuch. Ihre Arbeiten verkauft sie hin und wieder an Gruppenausstellungen, führt auch Aufträge aus, oft Wandbilder oder Altardecken für Kirchen, zu besichtigen zum Beispiel in der Kapelle von Steinerberg, den ref. Kirchen Unterägeri und Walchwil, einer freien Kirche in Frutigen. Auch von ihr: die Altardecke und eine passende Stola auf der Bettmeralp. Dazu gibt es eine lustige Geschichte: Die Wolle – Lämmchenwolle


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Barbara Wälchli wirkt zufrieden und zuversichtlich, auch versöhnt, wenn sie ihr Leben betrachtet. Sie strahlt Offenheit aus, Natürlichkeit, ein Selbstbewusstsein ohne jede Spur von Dünkel. Sie ist freundlich und fröhlich, man fühlt sich wohl in ihrer Nähe. Sie spricht liebevoll über ihren Mann, der ihre im Meer gesammelten Muscheln wäscht und selber von Sand und Wasser geschliffene Glasscherben sammelt. Seit ein paar Jahren hat sich für sie nun auch ein alter Wunsch erfüllt: Sie kann sich in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren, in einem von einer privaten Stiftung getragenen Projekt in Burma. In der dortigen Weberei und Näherei wurden Stoffe von billiger Qualität hergestellt. Sie setzte sich für eine Qualitätsverbesserung ein und hat inzwischen eine Linie aufgebaut mit Stoffen für die Innendekoration, Kissen, Vorhänge, Tischsets, Bodenmatten, welche auf gute Nachfrage stossen bei den im Land stationierten Hilfsorganisationen und allmählich auch bei wohlhabenden Burmesinnen und Burmesen. Der Betrieb beschäftigt 95 Personen, vornehmlich unterprivilegierte Menschen, Aidskranke, Waisenkinder, ehemalige Prostituierte, welche hier eine Ausbildung erhalten. Zweimal pro Jahr reist Barbara Wälchli für insgesamt sieben Wochen hin, für die Zwischenzeit gibt sie Hausaufgaben. Den jungen Mädchen hat sie gezeigt, wie man frei sticken kann, ohne Vorlage. Das Resultat hat sie überwältigt, sie hat einen Musterblätz mit nach Hause genommen. «Es freut mich wahnsinnig. Und das in einem Land, wo man fast keine Fäden findet!» Die Arbeit ist aber auch eine Herausforderung. «Da Asiaten nicht nein sagen, habe ich am Anfang nicht

DER KLEINE TEMPORÄRE EGOISMUS Barbara Wälchli gibt, und hin und wieder nimmt sie sich auch. Nimmt sich zum Beispiel dieses eine verlängerte Wochenende im Jahr, da sie sich mit einer Gruppe von Frauen in eine Hütte zurückzieht, um zu sticken. Die Frauen hat sie nach drei einfachen Krite-

BUCH «Freies Sticken. Kreatives Arbeiten mit Faden und Farbe» von Barbara Wälchli Keller, AT Verlag (vergriffen, eventuell antiquarisch oder in Bibliotheken erhältlich) rien ausgewählt: «Ich muss sie gern haben, sie müssen gerne sticken, und sie müssen es akzeptieren, wenn es abverheit. So habe ich sie ausgewählt, ganz egoistisch, und ich hatte eine goldene Hand! Wir sind sieben Frauen, und für jede ist dies das Wochenende, das sie auf Biegen und Brechen verteidigt. Weil es so verrückt schön ist!» Ob sie noch Träume hat? «Ja. Aber vielleicht ist es nicht gut, wenn sie sich verwirklichen. Ich wollte Stonehenge sehen. Aber dann dachte ich: Wohl besser nicht, du bist dort dann nicht alleine! Auf dem MontSaint-Michel hat es auch fast nur Japaner gehabt …» Sie lächelt, zögert, denkt nach, sagt es dann doch. «Einen Sommer lang ein Haus am Meer, wo ich die Wellen Tag und Nacht höre. In England oder in der Normandie. Das wilde Meer – das ist mein Traum.» (dr)

KURS Sticken: Weder Kreuzstich noch Gobelin mit Barbara Wälchli Keller Lassen Sie sich ein- und entführen in ein Sticken, welches mit dem Malen verglichen werden kann, nur dass dazu anderes Werkzeug verwendet wird. Auf dieser Basis wird das Zusammenspiel von Fäden, Farben und Stichen erprobt, mit dem Ziel, eine eigene Aussage zu finden. Offen für alle Interessierten. Datum: FR bis SO, 9. bis 11.09.2005 Kosten: Fr. 450.- plus Material nach Aufwand www.ballenbergkurse.ch ■

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FREUDE AM SINNVOLLEN

gemerkt, dass es Mädchen und Frauen hat, die nicht einmal mit Plus und Minus rechnen können.» Sie hat neue Lehrmittel gemacht, in denen alles mit Zeichnungen erklärt ist. Sie musste auch merken, dass der Betrieb in Konkurrenz steht zur Strasse, obwohl er viel bessere Löhne bezahlt als andere Betriebe. «Man muss den Frauen etwas beibringen, das sie wirklich brauchen können, zum Beispiel Flip-Flops besticken, die sie dann verkaufen können. Sonst stehen sie plötzlich wieder auf der Strasse, weil sie dort doch mehr verdienen.» Zurzeit läuft es so gut, dass ein Teil der Weberinnen nach der Ausbildung weiter beschäftigt werden kann. Den Näherinnen schenkt man nach Möglichkeit eine Nähmaschine.

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(Lamm Gottes) – sollte mit Alpenrosen von der Bettmeralp gefärbt werden. Diese sammelte fleissig die Pfarrköchin, entfernte mit Sorgfalt die Blätter und schickte das Holz an die Färberin – welche aber in Verzweiflung geriet, da es doch die Blätter sind, welche die Farbe geben! Sie kochte und kochte das Holz, bis es doch noch etwas Farbe abgab, bekam aber bald darauf per Post schon eine Schachtel voller Alpenrosenblätter zugeschickt und war überglücklich über die wunderbaren Farbtöne, die sich so nun ergaben. Den Weg nach aussen sucht Barbara Wälchli zwar, scheut ihn aber auch ein wenig. «Man stellt sein Herzblut zur Schau, setzt sich der Kritik aus … Aber die Streicheleinheiten nähme man halt gerne.» Allerdings hat die Kunst von Barbara Wälchli mit einem Handicap zu kämpfen, das andere Kunstarten nicht haben. «Das Textile wird in der Kunst etwas stiefmütterlich behandelt», erfährt sie immer wieder. Da gibt es schon einmal abschätzige Kommentare, weil es eben textil ist, weil es weibliche Handarbeit ist, weil es sich trotzdem erfrecht, seinen Preis zu haben. «Einmal hat sich eine Pelzmantelfrau in eine kleine Stickerei von mir verliebt. Ihr Mann meinte dazu nur: ‹Der Preis hat zwei Nullen zu viel.› Solches tut weh.» Aber es gibt auch andere Wege als Ausstellungen: «Meine Sticketen werden jeweils schon nach und nach verkauft!»


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AUS DEM HEIMATWERKBOTEN 1967

DER BLICK ZURÜCK

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Über Textiles lässt sich im Heimatwerkboten, dem Vorgängerorgan von Handwerk, nicht viel lesen. Schliesslich war die alte Heimatwerkschule vor allem eine Fortbildungsanstalt für Bauern, und in den Kursen wurde vorwiegend die Holzbearbeitung am Hobelbank unterrichtet. Eine Ausnahme waren die regelmässigen Webkurse, von denen in diesem romantischen Text auch die Rede ist. ■


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Nicht ganz im Tal unten, sondern etwas am Hang des bündnerischen Tales Domleschg liegt Almens. Etwa 230 Menschen leben im Dorf. Wer mit dem Postauto ankommt, meint zuerst, sich verguckt zu haben. Ein zweiter Blick macht klar: Es sind tatsächlich zwei! Zwei Kirchtürme, die sich gleichen wie ein Ei dem andern. Nur dass der eine katholisch ist und der andere reformiert. Am Schulhaus und Dorfbrunnen vorbei führt der Weg zum Haus der Chiaras. Eine Holztreppe hinauf – und schon steht man in einem der wichtigsten Räume des Hauses: der Küche. Die Küche ist der Arbeitsplatz von Gina Chiara. Sie verarbeitet dort, was sie im grossen Garten zieht, Gemüse, Kräuter, auch Rares wie Hirschhornsalat, alte Kartoffelsorten und roten Rosenkohl. Regelmässig streift sie auch durch die Wälder und Wiesen und sammelt wilde Früchte und Gemüse. Viel davon macht sie ein und verkauft es auf dem Markt und in ein paar spezialisierten Läden der Gegend. Oder sie verwendet es für die eigene Küche, wenn sie die grossen Tafelrunden veranstaltet für Gruppen von Gästen bis zu zwölf Personen. «Tavolata» nennt sie diese Essen. Heute Abend soll eine solche Tavolata stattfinden. Auf dem hölzernen Schneidbrett liegen grüne Stängel für ein Gericht mit Linsen und Marroni, indisch gewürzt mit Bockshornklee, Ingwer, Kreuzkümmel und Koriander. Die grünen Stängel sind wilder Lauch, den Gina am Vortag gesammelt hat. «Oft wächst Wildgemüse an den Rändern von Hecken und Wegen. Gerade bei uns im Domleschg hat es sehr viele Hecken. Aber weil es so schön ist und so viele Wanderwege hat, hat es natürlich auch viele Hunde, und das ist immer ein bisschen heikel. Dieser Wildlauch steht zum Beispiel oft an den Wegrändern, aber dort nehme ich ihn nicht. Das wäre natürlich gruusig.»

Lauch muss man diese Häutchen abziehen, das gibt sehr viel zu tun», erläutert Gina Chiara. «Aber von diesen wilden Gemüsen ist unser Kulturgemüse ja irgendwann einmal abgeleitet und weiter gezüchtet worden. Und von daher gleichen sie sich natürlich schon stark. Dieser Wildlauch ist auch vom Geschmack her sehr ähnlich wie Lauch. Ich verwende ihn oft auch anstelle von Zwiebeln.» Auf dem Holzherd steht eine Bratpfanne, in die Gina Chiara nun etwas Olivenöl giesst. Ob es nicht schwierig sei, hier die Temperatur zu regulieren, so ganz ohne Schalter, um auf die Zwei oder Drei zu stellen? Sie lacht, sie hört die Frage nicht zum ersten Mal. «Im Gegenteil – es ist fast einfacher als auf einem gewöhnlichen Herd. Hier in der Mitte ist es am heissesten, da ist das Feuer am direktesten. Jetzt kann ich die Pfanne hier an den Rand ziehen, und schon schmort es nur noch.»

KLEINER LAUCH – GROSSE ARBEIT Die Stängel sehen wirklich aus wie Miniatur-Lauch. Und machen gar keinen besonders wilden Eindruck, wie sie da schön geputzt auf dem Brett liegen. Ganz zivilisiert wirken sie, wie kleine Frühlingszwiebeln. «Man muss ziemlich viel rüsten, bei jedem einzelnen

GINA CHIARA, WILDFRAU Sie lebt in einem über 600 Jahre alten Bauernhaus in Almens. Aufgewachsen im Emmental, hat sie zusammen mit ihrem Mann Urs Chiara vor 16 Jahren dort ihre neue Heimat gefunden. Bekannt wurde Gina Chiara (44) durch ihr Interesse an fremden

Esskulturen und die eigenen kulinarischen Experimente und Kreationen, die sie seit einigen Jahren Gästen an ihrer Tavolata in der alten Bauernstube zugänglich macht.


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Indische Gewürze, uraltes Wildgemüse, der Holzherd und Gina, die Wildfrau: In der Küche treffen sich Welten und Zeiten. Gina Chiara hat Freude am Ausprobieren, ist offen gegenüber anderen Kulturen, Bräuchen, Arbeitsweisen, Geschmäckern. Den Boden dazu mag ihre Herkunft gelegt haben – sie ist selber zwischen zwei Kulturen aufgewachsen. «Ich bin ein bisschen ein Mischmasch», lacht sie. «Mein Vater stammt aus Sizilien und ist wegen der Arbeit in den Norden Italiens gezogen. Und meine Mutter kommt aus dem Emmental und ist ebenfalls wegen der Arbeit nach Norditalien gegangen. Dort haben sie sich kennen gelernt, und aus dieser Beziehung sind ich und meine Schwestern entstanden.» Als Gina zwei Jahre alt war, zog die Familie ins Emmental. «Die Küche war bei unserer Familie, auf beiden Seiten, etwas sehr Wichtiges, Zentrales. Beide Familienseiten kochen sehr gut. Ich habe Erinnerungen aus der Kindheit, wie der ganze Clan an einem Tisch hockte und zum Beispiel Tortellini gewickelt hat. Das liegt mir schon ein wenig im Blut. Auch das Sammeln ist etwas, woran ich mich erinnere. Mit meinem Vater bin ich Pilze sammeln gegangen, und mit meiner Mutter und der Schweizer Grossmutter haben wir Heubeeri gesucht, die wir dann zubereitet oder eingemacht haben, oder Löwenzahnkraut … Da war ich noch ein sehr kleines Kind.» Dass Gina Chiara das Sammeln, Konservieren und Kochen zu ihrem Beruf machen würde, stand allerdings nicht von Anfang an fest. Nach der Ausbildung am Hauswirtschafts- und Handarbeitsseminar zog sie erst einmal nach Sizilien ins Dorf ihres Vaters. «Mich beschäftigte die Frage, wohin ich gehöre. Ob ich Italienerin bin, oder Schweizerin, oder was ich überhaupt bin. Ich wollte diesen Wurzeln nachgehen.» Die innere Suche nach Wurzeln wurde abermals begleitet durch das äussere fröhliche Sammeln und Suchen. «Die halbe Sippschaft ist jeweils am Wochenende ausgezogen mit Dutzenden von Plasticksäcken am Arm, man hat Spargeln gesucht und Löwenzahn und Borretsch. Das hat mich so fasziniert, dass ich während der Woche auch selber noch gegangen bin – es hat mich richtig gepackt!» Zurück in der Schweiz vermisste sie zunächst die südlichen Schätze und dachte wehmütig, wie gut es wäre, in Sizilien zu wohnen beim wilden Spargel. Aber allmählich schärfte sich ihr Blick auch für die hiesigen Gewächse, sie las und probierte aus und begegnete anderen Menschen mit denselben Interessen. «Und so bin ich nach und nach auf immer mehr

IM WINTER TEXTIL Im Frühling und Sommer sammelt Gina Chiara vor allem zarte Kräuter und Blätter, im Herbst Früchte und Wurzeln. Während der zwei, drei Wintermonate, wenn es draussen nichts zu ernten gibt und auch Pause ist bei den Tavolatas, nimmt sich Gina Chiara Zeit heraus für ihr zweites grosses Interesse, das Textile. «Vor allem beschäftige ich mich mit textilen Techniken wie stricken, sticken oder häkeln; das Material muss nicht textil sein, es können auch Draht, Plastick oder Pflanzen sein, Gefundenes.» Als ob sie ihre Streifzüge durch Matten und Hecken einfach verlegen würde und nun sammelnd durch Strassen und Läden zöge, verarbeitet Gina Chiara beispielsweise die dünnen Plasticksäcke von der Gemüse-Selbstbedienung zu einem transparent-luftigen Federboa-Objekt. Oder kaputte Veloschläuche, die sie mit Plastickstreifen umwickelt, zu Schmuck. Die Technik dazu heisst Gempen und ist althergebracht. Von Hand arbeiten. Handwerk. Von A bis Z kennen und durchschauen. Selber machen. Sei es nun ein Kuchenteig oder ein Kleid. «Das ist mir sehr nah, darin war ich schon früh zu Hause.» Früher wurden aus Brennesselstängeln Fasern gewonnen und daraus Stoffe hergestellt. Im Mittelalter war diese Technik verbreitet, im ersten Weltkrieg wurde sie sogar industrialisiert, als die Baumwolle rar war. Gina Chiara hat sie nach-erfunden. «Ich suchte aber nicht die traditionelle Verarbeitung, also mit Spinnen und Weben, sondern bei mir gab’s daraus vegetarische Pelzli.» Lange Zeit entstanden solche Werke eher im stillen Kämmerlein. «Diese Arbeit war für mich wie eine Nascherei – der Fensterputz, das Jäten, der Garten gingen immer vor.» Aber nun will Gina Chiara auch hier Schritte nach aussen tun.

AUF DER PIRSCH Für die Tavolata braucht Gina Chiara nun noch etwas frisches Wildgemüse von draussen. Wenn sie auf die Pirsch geht, sieht sie ein bisschen aus wie eine Jägerin: grüner Faserpelzpulli, umgehängte Sammeltasche, achtsame Bewegungen, wacher Blick. Kaum ein paar Schritte vom Haus weg, am ungeteerten Weg bei einer Hecke, lässt sich eine Teufelskralle entdecken, ein Kraut mit Blättern, die der Brennessel ähneln, nicht sehr aromatisch, aber geeignet für in ein Mischgemüse, einen Wildspinat. Vor allem gesucht ist bei dieser Pflanze aber die Wurzel. In ihrer Sammeltasche hat Gina Chiara alles dabei, was es braucht: viele Stoffbeutel, Gummihandschuhe fürs Nesselpflücken, eine Zange, eine Schere, ein Taschenmesser, einen Grabstock, um Wurzeln auszugraben – und eine kleine Säge. Zum Bäume fällen unterwegs? «Nein, die brauche ich ganz selten. Mehr, wenn ich vielleicht mal einen Haselstecken benötige für den Garten … Aber vor allem, dass ich sie hätte, wenn ich sie brauchen würde!», lacht sie. Pflanzen lassen sich finden – oder auch nicht, ist Gina Chiara überzeugt. Wenn eine Pflanze sich zeigt,

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ICH BIN EIN MISCHMASCH

Sachen gestossen. Und noch jetzt – ich weiss längst noch nicht alles, ich lerne jedes Jahr etwas Neues hinzu.»

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Im Augenblick ist aber nicht Schmoren gefragt, sondern sanftes Anbraten: von Wildlauch, von Ingwer, Knoblauch, Chili. Ein pikanter, exotischer Duft breitet sich in der alten Küche aus. Nach einer Weile kommen die eingeweichten Linsen und Marroni dazu, alles wird gut durchmischt und dann mit Wasser abgelöscht. Noch kein Salz, sonst werden die Linsen nicht richtig weich. Deckel drauf und dann die richtige Stelle suchen, wos gerade so ein bisschen köchelt.


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wenn sie sich dem Blick offen darbietet, dann ist das wie ein stilles Einverständnis, gepflückt zu werden. Denn Pflanzen können sich auch verbergen, hat sie erfahren. Sie sind da, und doch gleitet der Blick über sie hinweg, ohne sie zu erfassen. Und entdeckt man sie doch, ist es, als wäre ein bisschen etwas Unrechtes dabei. Es ist eine Art Kommunikation zwischen zwei Naturwesen, doch diese Sprache braucht offene Sinne, um gehört zu werden. Und verlangt von der Sammlerin Respekt und die Bescheidenheit, auch einmal etwas stehen zu lassen. Und nur so viel zu nehmen, dass noch genug übrig bleibt – fürs Weiterwachsen, für die Tiere, für andere.

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GUGGERSUUR! Der Streifzug ist Arbeit und Vergnügen zugleich. Die Vögel pfeifen, Frühlingsdüfte liegen in der Luft, die Naturlandschaft tut der Seele gut. Auf einer sparsam genutzten Wiese etwas oberhalb des Hauses erntet Gina Chiara die prallen, saftigen Blätter des Leimkrauts und die rauhen haarigen der Wiesensalbei, köstlich würzig im Geschmack. Überraschend sauer dagegen, obwohl der Name es erahnen lässt, die spinatähnlichen Blätter des Sauerampfers. «Wenn er aufstängelt, trägt er eine rispenartige, rötliche Blüte. Als Kinder haben wir diese Stängel gegessen und darauf herumgekaut, wie auf Kaugummi. Wir nannten das ‹guggersuur›. Vielleicht, weil im Frühling der Gugger ruft … Die Blätter eignen sich sehr gut als Gemüse. Leider verfärben sie sich beim Kochen. Aber es gibt feine Rahmsaucen daraus, und man kann sie auch in den Salat schnetzeln.» Die beste Zeit fürs Ernten ist der Vormittag. «Dann sind die Pflanzen noch frisch, so quasi frisch aus dem Bett, frisch erwacht, und noch nicht schon wieder müde. Nach dem Mittag, wenn die Sonne schon so stark geschienen hat, sind sie bereits wieder ein bisschen schlaff.» Und die besten Tage sind jene, an denen es nicht kurz zuvor geregnet oder Tau gegeben hat. Denn wenn die Pflanzen nass sind, verkleben sie im Sammelbeutel, und wenn sie beispielsweise zu einem Pesto verarbeitet werden, besteht die Gefahr, dass sie anfangen zu gären oder zu schimmeln. Angst vor giftigen Pflanzen hat Gina Chiara kaum. Wohl gibt es Kräutlein, von denen man besser die Finger lässt. Die Herbstzeitlose zum Beispiel, deren Blätter wie Tulpenblätter aus dem Boden stechen. «Aber wir haben nicht so viele sehr giftige Pflanzen in der Schweiz. Und wenn man nicht einfach alles in sich hineinstopft und verschluckt, passiert nicht so viel. Man kann das ja auch mit Verstand machen: Wenn man vielleicht das Gefühl hat, das sei jetzt Wiesensalbei, dann kaut man ein wenig an dem Blatt und merkt: Aha, das hat wirklich ein bisschen Salbeigeschmack, das muss sie sein. Oder man merkt: Oh, das hat aber einen ganz anderen Geschmack! Und dann muss man es ja nicht unbedingt hinunterschlucken und noch mehr davon nehmen, dann speit man es eben aus und hört auf.»

ENDSPURT IN DER KÜCHE Zurück in der Küche muss nun konzentriert gearbeitet werden; bald kommen die Gäste. Katze Biala ver-

langt lautstark ihr Futter. Gina Chiara bereitet den Quarkblätterteig für den Hopfensprossenkuchen vor, die Sprossen hat sie im dichten Gestrüpp bei einem ausgetrockneten Bachbett geerntet – Hopfensprossenernte gibt zerkratzte Arme; dazu kommen Speckwürfelchen und Ziegenmilch-Feta aus dem Hinterrheintal. Die Brötchen hat sie bereits am Vormittag gebacken. Auch die walnussgrossen Kugeln für die Strangolapreti, die Pfaffenwürger, sind fertig – ein Gericht aus Norditalien mit Altbrot und Wildspinat. Wenn die Gäste da sind, werden die Kugeln im siedenden Wasser gegart und anschliessend in warmer Bärlauchbutter gedreht. Der Abend steht unter dem Motto «Arme LeuteKüche». Deshalb das Altbrot, deshalb die Linsen als gut nährende, billige Hülsenfrucht, deshalb auch die Marroni, früher im Tessin das Brot der Armen. Und passend zum Motto auch die Steinsuppe, eine Grünkern-Gemüsesuppe mit Brennesseln und eben – mit ein paar mitgekochten Kieseln. Der Tisch ist nicht mit weissem Stoff gedeckt, sondern mit einem Tischtuch aus Zeitungspapier, dazu gibts Ärmelschoner gegen die Druckerschwärze. In einer Ecke hat Gina Chiara die Geschichte der Steinsuppe aufs Papier geschrieben. Die Teller haben keinen Goldrand, es ist Bauerngeschirr, Einzelstücke. Und es gibt auch keine Gänge, es kommt einfach alles auf den Tisch. Empfangen werden die Gäste im Keller, wo Gina Chiara auch ihre Vorräte lagert. In der Ecke türmen

sich leere Gläser, in den Regalen hats Eingemachtes in vielen Farben: Grün, Orange, Rot, Gelblich. SüssSaures mit Essig und Zucker, heiss Eingefülltes, mit Salz und Öl Konserviertes. Gina Chiara mag den Anblick. «Es gefällt mir, mit den Farben zu spielen. Und die gefüllten Regale geben einem auch so etwas wie ein Gefühl von Sicherheit. Man weiss: Für die nächsten paar Tage hat man sicher noch etwas zu essen», schmunzelt sie. «Auch wenn man nicht am Hungertuch nagt und das überhaupt kein Thema ist! Aber irgendwo, weit drinnen, ist es wie eine Sicherheit.»

SCHMAUSEN UND SCHWELGEN Nach dem Apéro im Keller nehmen die Gäste am langen Tisch in der Stube Platz. Gina Chiara stellt das Menü vor und trägt auf. Und dann darf gegessen werden. Mit Genuss. Mit Appetit. Mit Neugier. Und am Schluss des Essens hat jeder und jede ihren persönlichen Favoriten.


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DIE STEINSUPPE Es war einmal vor langer Zeit, als die Menschen noch an Märchen glaubten, da klopfte ein Landstreicher an die Tür eines Bauernhauses und bat um ein wenig Wasser. Das wurde ihm gewährt. Der Landstreicher setzte seine Gamelle mit dem Wasser aufs Feuer, zog einen Kiesel aus der Tasche und tat ihn dazu. Dann rührte er das Wasser um, schmeckte ab, leckte sich geniesserisch die Lippen. Auf die Frage, was er da mache, antwortete er: «Ich koche mir eine Steinsuppe.» Ob sie gut schmecke? «Vorzüglich. Aber ehrlich – etwas Salz könnte ihr nicht schaden», sagte der Landstreicher. Das Salz wurde ihm ebenfalls bewilligt. Wie die Suppe jetzt schmecke? «Immer besser. Allerdings: mit etwas Zwiebeln und einer Handvoll Griess wäre sie ein Genuss.» Auch diese Zutaten wurden ihm gereicht. Mit der Zeit erbat sich der Besucher weitere Zutaten, am Ende gar noch Wein und geriebenen Käse. Die Suppe schmeckte wirklich herrlich. Als alle gegessen hatten, wusch der Landstreicher den Stein sorgfältig ab und steckte ihn in die Tasche. Aber der Bauer liess so lange keine Ruhe, bis der Suppenkoch ihm den Stein verkaufte.

«Die Kügeli, i wäiss nit wi die häissen. Di hend mi so e bitz an Capuns erinneret. Die sinn würkli super gsi.» «Der Kueche isch sehr guet gsi!» «D’Stäisuppe, mit däm Grüene, wo drin gsi isch! Ohni Käs, damit d’Kräutli würklich fürechömment.» «Eidüttig d’Linse mit de Marroni, das isch e Kombination, wo-n-i no nie gha han, scho speziell!» Gina Chiara hat viel zu tun gehabt, erst zum Dessert sitzen sie und ihr Mann auch noch dazu. Es gibt Strudel mit Apfel und Quitte an einer Schlüsselblümchen-Sauce. Was gefällt ihr daran, diese Sachen aus der Natur holen und essen oder verarbeiten zu können? «Es ist wie ein Geschenk, das man einfach bekommt, gratis und franko. Klar, man muss es holen gehen, aber ich bin in der Natur, in der frischen Luft, ich merke, wie sich die Jahreszeiten verändern, es tut mir gut, ich kann mir so auch ein wenig quasi die Therapie ersparen. Und am Schluss hat man auch noch etwas, und

WILDFRAU GINA CHIARA ZEIGT «FLICKWERK» IM KURSZENTRUM BALLENBERG HEIMATWERK Vor einiger Zeit fand Gina Chiara im Tenn eines unbenutzten Stalls 11 alte, zerschlissene und mehrfach geflickte Leinenhemden. Zeugen einer anderen Zeit, einer Zeit, da hart und von Hand gearbeitet wurde, einer Zeit, da Hemden lange herhalten mussten. Arbeitsschatten, Spuren von Werktagen, waren sichtbar – mit den eingestickten Schattenbildern von Werkzeugen hat Gina Chiara ein eigenständiges Zeugnis geschaffen, das in sehr eindrücklicher und fast beklemmender Weise die Mühsal und Schwere der damaligen langen Arbeitstage uns vor Augen führt. Alles war Handarbeit, hat an der Substanz gezehrt – die Werktage lang – der Stoff handgewoben und rar: darum musste Sorge getragen werden, wurde geflickt, ergänzt, Altes neu zusammengesetzt. Gerade diese Sorgfalt, die diese Hemden ausdrücken, hat Gina fasziniert und liess ihr keine Ruhe. Es hat lange gedauert, bis sie zur Umsetzung der Schattenbilder fand. Eine zusätzliche irritierende Dimension erhält Gina’s Arbeit durch die Tatsache, dass sie für ihre Stickerei Flicktechniken mit einer elektrischen Nähmaschine verwendet. Gina Chiara hat die Hemden freundlicherweise zur Verfügung gestellt, um sie im Rahmen des Jahresthemas des Museums «Textile Techniken» im Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk zeigen zu können. (ak)

zwar etwas Besonderes, keine Null-acht-fünfzehnLösung, nicht irgend eine Monokultursorte, sondern etwas ganz Spezielles. Ich bin schon privilegiert, weil ich das jetzt zu meinem Beruf gemacht habe. Wenn ich acht Stunden am Tag irgendwo in einem Betrieb arbeiten würde, dann wäre ich am Abend sicher auch froh, dass der Kühlschrank schon voll ist oder dass ich noch auf dem Heimweg eingekauft habe und nicht mehr durch die Hecken streifen muss, um etwas zu finden oder auch nicht. Das begreife ich gut. Ich fühle mich glücklich, dass ich das so machen kann. Und durch meinen Beruf auch Leute und uns selber bekochen kann mit diesen Sachen.» (dr)

HINGEH-TIPP 13.9.2005 – Kleinkunsttag, Ausstellung und Performance «Kunst Stoff» von Gina Chiara und Christa Schmid, Kino Raetia, Thusis. n


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JAHRESTHEMA BALLENBEREG 2005

SEIDE – SINNBILD DER SCHÖNHEIT


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1. Zucht der Seidenraupen 2. Abtöten der Larven mit Wasserdampf 3. Abhaspeln und Zusammendrehen (Verzwirnen) der Seidenfasern 4. Weben 5. Seide färben

1. Zucht der Seidenraupen Wir wollen etwa 2’500 Seidenraupen aufziehen. Dies ergibt etwa 2 bis 3 Mio. Meter Seidenfasern, das heisst etwa 500’000 Meter Seidenfäden zum Verweben. Dies wiederum ergibt ca. 700 Gramm Seide oder 10 bis 20 m2 Seidenstoff. Für die Fütterung dieser Seidenraupen braucht es rund 120 kg Blätter. 2. Abtöten der Larven mit Wasserdampf Bevor die Larven schlüpfen, müssen sie getötet werden (mit Wasserdampf), sonst durchlöchern sie den Kokon und beschädigen den Seidenfaden. 3. Abhaspeln und Zusammendrehen (Verzwirnen) der Seidenfasern – Abhaspeln und Zusammendrehen der Fasern ist sicher einer der wichtigsten und interessantesten Arbeitsabläufe.

Die kostbare Seide stammt ursprünglich aus China, wo sie – so heisst es in einer Legende – vor 5’000 Jahren von einer Kaiserin entdeckt wurde. Um 200 v. Chr. entwickelte sich die Seide zum begehrten Exportartikel, der auf der «Seidenstrasse» über Istanbul bis nach Europa transportiert wurde. Mit der Androhung drastischer Strafen gelang es den Chinesen, das Geheimnis der Herstellung und somit auch das Handelsmonopol bis ins 6. Jh. n. Chr. zu bewahren. Zwei Mönche, so sagt man, hätten damals Eier des Seidenspinners in einem Spazierstock versteckt aus China nach Vorderasien geschmuggelt. Auch der Schweiz brachte die «Königin der Textilien» beträchtlichen Wohlstand und begehrte Arbeitsplätze, zuerst in der Heimarbeit und später in der Textilindustrie. Im 13. Jh. entwickelte sich der

4. Weben Obwohl es sehr verschiedene Webstühle gibt, verwenden wir einen einfachen Handwebstuhl. Im Prinzip werden Seide, Wolle usw. nach der gleichen Methode verwoben. 5. Färben der Seide Grundsätzlich gibt es zwei Methoden zum Färben der Seide: – Der Faden wird vor dem Weben gefärbt. So können die Farben beim Weben variiert und einfache oder komplizierte Muster gewoben werden bis hin zur aufwändigen Methode der Ikat-Seide. – Beim zweiten Verfahren wird der Stoff erst nach dem Verweben gefärbt (einfarbiger Stoff, Schablonendruck, Siebdruck, Batik usw.). – Zum Färben verwenden wir nach Möglichkeit Naturfarben wie zum Beispiel: Schwarzholz, Aspargus, Indigo, Gelbholz, Granatapfel usw.)

Seidenhandel in Zürich erstmals zu einem florierenden Geschäft. Im 16. und 17. Jh. profitierten auch andere Landesteile von den neuen Impulsen, ausgelöst von Glaubensflüchtlingen aus Oberitalien und später aus Frankreich (Hugenotten), so z. B. Genf, Basel mit der Seidenbandweberei und die Innerschweiz mit der so genannten Schappe-Industrie, der Verarbeitung von zweitklassiger Seide.

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Nach dem letztjährigen erfolgreichen Versuch, im Freilichtmuseum Seidenraupen zu züchten, können wir unserem Publikum folgende Arbeitsschritte vom Ei zur Seidenraupe zeigen:

– Beim Abwickeln wird der Kokon in heisses Wasser getaucht (70 bis 80 °C) und bewegt, bis sich das Ende des Fadens löst. – Eine einzelne Faser ist zu fein. Darum werden die Fasern von mehreren Kokons zur Bildung eines einzelnen Fadens zusammengefasst (gezwirnt). – Wie viele Fasern zusammengenommen werden, bestimmen die Qualität und Stärke des Fadens. Dies kann zwischen 5 bis 40 Fäden variieren. – Beschädigte Kokons und Restfäden werden aufbewahrt, gekämmt und zum Seidenfaden gesponnen (dieses Produkt ist minderwertig, billiger und wird zu der so genannten Schappeseide verarbeitet).

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VOM EI ZUM SEIDENTUCH


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1. Eier Der Schmetterling legt ca. 300 – 500 mohnsamenähnliche Eier, aus denen ca. 1,5 mm dunkle Raupen schlüpfen. 2. Raupe Während ihres Wachstums fressen die Raupen eine grosse Menge Maulbeerblätter und häuten sich viermal. Die Länge der ausgewachsenen Raupe beträgt ca. 9 cm. 3. Kokon Nach ca. 32 Tagen spinnt sich die Raupe ein, der Kokon entsteht. Die Seidenflüssigkeit entwickelt sich in zwei Drüsen. Die am Kopf der Seidenraupe austretenden doppelten Fasern sind von Seidenleim umgeben, welcher die Fasern zu einer einzelnen Faser zusammenklebt. 4. Schmetterling Im Kokon verwandelt sich die Raupe zur Puppe und zum Schmetterling. Nach ungefähr 14 Tagen durchstösst der Schmetterling die Hülle. Er kann weder fressen noch fliegen und lebt nur ca. 3 Tage zur Fortpflanzung. Man lässt nur s1 viele Schmetterlinge ausschlüpfen, als zur Weiterzucht notwendig sind.

Wir benötigen für 2'500 Eier etwa 120 kg reine Blätter. Da die Seidenspinner fast ausschliesslich Maulbeerblätter (Morus alba) fressen, haben wir Maulbeerbäume gepflanzt. Die restlichen Blätter beziehen wir aus dem Tessin. Von den Maulbeerbäumen kann auch die Maulbeere verwendet werden. Die Frucht ist bis 3 cm gross, hat einen hohen Vitamin-C-Gehalt und wird frisch zum Einmachen oder Dörren verwendet. Die Farbe verändert sich je nach Reifegrad von weiss bis leicht rötlich.

RAUMKLIMA Da die Seidenspinner anfällig auf parasitäre Erkrankungen sind, müssen in den Räumen der Aufzucht folgende Punkte erfüllt sein: – alle Öffnungen mit Fliegengitter verschliessen – bei der Türe evtl. Vorhang montieren wegen Licht, Staub und Insekten – Heizgerät (konstante Temperatur 20–25°) – Steuergerät für Luftfeuchtigkeit (70–80%) – Lichtinstallation – Schutz gegen Mäuse

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FÜTTERUNG

SEIDE SCHWARZENBACH Die Firma Robert Schwarzenbach & Co gehörte zu den ganz Grossen im Seidengeschäft. 1832 gründeten die Brüder Joseph und Johann Schwarzenbach zusammen mit Jakob Näf die Seidenweberei Näf & Schwarzenbach. Nach 20 Jahren trennten sich die Geschäftspartner und Johann Schwarzenbach gründete seine eigene Seidenfirma. In den folgenden Generationen entwickelte sich die Firma zum grössten Schweizer Unternehmen mit Aussenstellen in Europa und Übersee. Den Übergang vom Kleinbetrieb mit Heimarbeiter/innen und Handwebstühlen zum

mechanisierten Grossbetrieb erfolgte unter Robert Schwarzenbach (1839–1904). Ab 1884 ging die Anzahl der Handwebstühle von 30’000 auf 10’000 zurück, während die mechanischen von 3’000 auf 11’000 zulegten. Die Söhne von Robert führten die Firma als Holding unter neuem Namen zum grössten Textilunternehmen der Schweiz. Die Geschäftszahlen von 1926/27 beeindrucken: 28’000 Beschäftigte weltweit, 267 Millionen Umsatz, Produktion von 35 Millionen Metern Seide. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 beendete den Höhenflug der Firma, die im folgenden Jahrzehnt über 100 Millionen Franken verlor, nach heutigem Wert eine gigantische Summe. Dennoch überlebte das Unternehmen bis 1981. Auf dem ehemaligen Fabrikareal stehen heute Reiheneinfamilienhäuser.

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WISSENSWERTES

SEIDENARTEN

– Nach dem Schlüpfen aus dem Ei wächst die Raupe innerhalb von 30 Tagen von ca. 1.5 mm auf 9 cm und das Körpergewicht steigt um das 12’000-fache. Die Raupe dreht sich in einer Acht rund 250’000–300’000-mal bis zum fertigen Kokon. Die Faser eines Kokons kann bis zu 3 km lang sein. – Sobald sich die Larven zum kaum flugtauglichen Schmetterling entwickelt haben, schlüpfen sie (Durchstossen des Kokons), paaren sich, legen Eier und sterben nach 1– 3 Tagen. – 1 kg Seide benötigt ca. 3’500 Kokons (ca. 10 kg). – 1 m2 Seidenstoff wiegt je nach Fadenstärke 50 g. 1 kg ist rund 20 m2. – Für 1 kg Seide benötigt man rund 150 kg Maulbeerblätter. – 25 g Eier ergeben etwa 35’000– 40’000 Stück Kokons. – Ein Faden von London nach New York würde rund 1,5 kg wiegen.

Auch die Vielfalt der Seide ist sehr gross: Wir konzentrieren uns auf die Maulbeerseide (Haspelseide, abgehaspelt vom Kokon) und auf die Schappeseide. 1. Maulbeerseide, Haspelseide (fein, gleichmässig, ohne Noppen) 2. Tussahseide 3. Bourette 4. Schappe (nicht abhaspelbare Teile oder durchstossene Kokons) 5. Cuitseide 6. Souple-Seide 7. Anaphe-Seide 8. Muschelseide 9. Ecrù-Seide

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Die Angaben variieren sehr stark. Sie sind abhängig von Grösse, Art und Qualität der Kokons!

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PRODUKTION VON KOKONS Eine spezielle Rolle spielte die Seide im Tessin. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörte dort das Züchten von Seidenraupen zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige. Dieses lukrative Geschäft liessen sich auch die Besitzer des Gutshofes von Novazzano nicht entgehen. Um 1850 wurde ein grosser Teil des landwirtschaftlichen Bodens mit Hunderten von Maulbeerbäumen bepflanzt, der Nahrung der Seidenspinner. Die Gutsbesitzer haben für die Zucht fast alle Räume mit Cheminées ausgestattet und einen neuen Trakt angebaut.

Weniger von Erfolg gekrönt waren die Bemühungen in Graubünden und Appenzell. 1750 pflanzte Ulysses von Salis in Marschlins 1’000 Maulbeerbäume und begann mit der Zucht von Seidenraupen, die er aber nach ein paar Jahren wieder aufgab. Neue Impulse kamen vom 1831 in Chur gegründeten Seidenbauverein. Nach der Gründung einer Aktiengesellschaft besass der Verein schon bald über 10’000 Bäume. Der Erfolg war von kurzer Dauer, das Unternehmen endete schon 1848 in der Liquidation. Nicht viel besser verlief der Versuch im Kanton Appenzell: Die 30’000 Maulbeerbäume, auf Veranlassung der Gemeinnützigen Gesellschaft 1834 gepflanzt, wurden bereits nach 10 Jahren wieder aufgegeben.


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ENTWICKLUNG SEIDENRAUPENZUCHT Allgemein

Die Texte zur Seide erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie sollen Sie gluschtig machen, die Ausstellung im Freilichtmuseum zu besuchen. Siehe auch www.ballenberg.ch und www.ballenberg kurse.ch

Ab 3000 v. Chr. hat China während rund 3000 Jahren das Monopol. Danach Ausbreitung in Japan und später von Zentralasien bis zum Kaspischen Meer. 6. Jh. Persien 8. Jh. Arabisches Reich 12. Jh. Über Griechenland, Mazedonien nach Italien und in die übrigen europäischen Länder 15. Jh. Brescia, Mailand, Venedig Schweiz 19. Jh. 1834 bis 1844

Kanton Tessin, Bergell und Misox, Genf Kanton Appenzell: Pflanzen von 30’000 Maulbeeerbäumen Aufgabe des Unternehmens

Kanton Tessin: Entwicklung der Produktion: 1830: 142’000 kg 1871: 253’617 kg 1890: 91’956 kg 1928: 12’187 kg

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FADENQUALITÄT 1. Qualität = Haspelseide Vom Kokon abhaspelbare Faserlänge, mindestens 1 ⁄3 der gesamten Länge von bis zu 3'000 Metern. Aussehen: edel schimmernd und kostbar, klares Gewebebild. Griff: sehr fein, weich und warm. 2. Qualität – Schappe Ausgangsmaterial: Flockseide, durchbrochene Kokons, Resthäutchen, Haspelabgang (alles, was vom Kokon nicht abgehaspelt werden kann).

DIE APPENZELLER SEIDENBEUTELTUCH-HANDWEBER Die häusliche Handweberei bot im Kanton Appenzell während fast 500 Jahren eine lebenswichtige Erwerbsquelle. Mit der Ausbreitung der Weberei entstand ein eigener Haustyp, «Wäberhöckli» genannt, ohne Stall und ohne Umschwung. Die Webräume befanden sich meistens im feuchten Keller, um das Austrocknen des Garns zu verhindern. Zusätzliche Fensterreihen im Sockelbereich brachten wenigstens etwas mehr Licht. Die Arbeitsbedingungen waren

auch so noch hart genug. Das Tagwerk dauerte von fünf Uhr morgens bis um 9 Uhr abends. Die Einführung der Seidenbeuteltuch-Handweberei durch die neue Firma Dufour & Co. in Thal geht auf das Jahr 1833 zurück. 1890 gab es alleine im Kanton Appenzell Ausserhoden1’622 Seidenweber, die mit Fr. 3.– bis 6.– pro Tag fast doppelt so viel verdienten als die anderen Handweber. Während der ersten 100 Jahre stellte man ausschliesslich Gazestoffe her, die beim Mahlen als feine Siebe dienten. Ab den 1930erJahren kamen neue Anwendungen z.B. im Siebdruck, später in der Elektronik, in der Lebensmittelindustrie und in der Medizinaltechnik (z.B. Blutfilter) dazu. 1993 trat der letzte Seidenweber Appenzells in den Ruhestand, während die Seidengaze AG in Thal ihre Fabrik weiterhin erfolgreich führt.


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GUTSHOF VON NOVAZZANO 1824: Alfonso Maria Turconi (1738–1805) vermacht die Pobbia dem Krankenhaus «Beata Vergine». Die befreundete Gräfin Luisa Lecchi-Greppi (1796–1857) darf den Hof bis an ihr Lebensende nutzen.

2’900 kg Kokons (etwa 1’315’000 Stück) 7’500 m2 Seidenstoff Verbrauch: 37’500 kg Maulbeerblätter

1845: Anbau des Gebäudes für die Seidenraupenzucht an die Südostecke. Gleichzeitig werden Hunderte von Maulbeerbäumen angepflanzt, welche das Futter für die Seidenraupen liefern.

Baugeschichte La Pobbia 13./14. Jh.: Ein Wohnhaus und ein gegenüberliegender Heustall sind die ältesten Gebäudeteile des späteren Gutshofes.

1850–1865: Letzte grössere Bauphase: Aufstockung des Wohntraktes, Aus- und Umbau der Ställe.

1701: Die Pobbia, ein grosszügig angelegtes Gehöft mit Feldern, Wiesen, Weinbergen und Kastanienwald geht in den Besitz der lombardischen Grafenfamilie Turconi über. Verschiedene Gutsverwalter bewirtschaften in Folge den Gutshof. 1821: Anbau einer Wohnung an den Südtrakt.

1906: Die Pobbia wird mit dem Bau eines öffentlichen Brunnens an der Westfassade an das Wasserversorgungsnetz angeschlossen. 1922: Die Pobbia wird ans Stromnetz angeschlossen. Die Ausrüstung mit Lampen in drei Küchen und einem Stall erfolgt erst 1942. 1925–1950: Von ca. 1930 bis Ende der 1940er-Jahre wird intensiv Tabak angebaut. 1962–2001: Die Familie Zambetti übernimmt 1962 die Bewirtschaftung des gesamten Hofes und betreibt Viehzucht. In den 1980er-Jahren verlässt die Familie den Hof, und das ehemalige Gut verwildert.

SEIDE AKTUELL Anfangs der 1980er-Jahre waren natürliche Fasern wieder vermehrt gefragt und damit auch die Seide, die in dieser Zeit eine kleine Blüte erlebte. Doch gegen Ende des Jahrzehnts brachte die Entwicklung in China den Rohseidenhandel durcheinander. Die Chinesischen Exporte von billigen Fertigprodukten brachten viele Seidenverarbeiter in Schwierigkeiten. Nur noch rund ein Dutzend mittlere und kleinere Firmen überlebten den nächsten Einbruch anfangs des 3. Jahrtausends. Die Seide wird von neuen, natürlichen und künstlichen Fasern bedrängt. Die Mode und die gesellschaftliche Realität tragen ebenfalls zu dieser Entwicklung bei.

Auch heute noch wird in der Schweiz gesponnen, gewoben und veredelt, aber nur noch im Kleinen. Nischen sind immer schwieriger zu finden, führen jedoch konsequent genutzt immer noch zum Erfolg. Wenn Sinnlichkeit und Luxus gefragt sind, kann die Seide als edelste aller Fasern ihre Stärken ausspielen. Im Luxussegment bestehen für die Seide nach wie vor intakte Chancen, denn Schweizer Firmen setzen voll auf Qualität, Kreativität und Innovation. n

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15. Jh.: Der Hof wird durch eine Umfassungsmauer geschlossen.

1890–1920: Phase der wirtschaftlichen Veränderungen: Die Zahl der Maulbeerbäume nimmt ab, da die Seidenindustrie dramatisch zurückgeht. Seit 1895 bewirtschaftet nicht mehr nur eine Familie das Gut: Es werden fünf Pächter genannt. Von 1900 bis 1920 wird in einer Wohnküche der Pobbia gewirtet.

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Produktion In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und anfangs des 20. Jahrhunderts wurden am Originalstandort des Gutshofes von Novazzano Seidenraupen gezüchtet.


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In Weidbach, einem Ostschweizer Dorf, dessen Bevölkerung mehrheitlich von der Stickerei lebt, findet die Versteigerung eines Heimwesens samt Vieh und Stickmaschine statt. Der bisherige Besitzer, ein Wittwer mit drei Kindern, wurde vom Fergger(*) Erwin Schläpfer durch die ständig sinkenden Stichpreise in den Ruin getrieben. Dem äusserst begabten Kunststicker Jakob Roth, der sich selbstständig machen will, gelingt es das Haus zu ersteigern. Für die Stickmaschine reicht das Geld jedoch nicht und der Fergger Schläpfer erhält diese als Meistbietender. Jakob sieht sich nun gezwungen, die Stickmaschine auf Abzahlung bei Schläpfer zu erstehen und gerät damit in seine Abhängigkeit. Es dauert nur wenige Wochen bis Jakob Roth und seine tüchtige Frau Lydia mit Schläpfer der Garnpreise wegen in einen grossen Streit geraten.

Die schwierigen Zeiten machen auch vor der örtlichen Schifflistickfabrik Hagmann nicht halt. Die Arbeiterinnen und Arbeiter sind nicht gewillt, die Senkung der Tageslöhne hinzunehmen und legen die Arbeit nieder. Als ehemaliger Fabrikarbeiter setzt sich Jakob Roth lauthals für die Streikenden ein und wird deshalb von Direktor Hagmann als Rädelsführer betrachtet. Schliesslich ist der Patron bereit, einige Zugeständnisse zu machen und die Arbeiterschaft feiert erleichtert ihren kleinen Sieg. Als am nächsten Morgen Jakob Roth immer noch nicht nach Hause gekommen ist, befürchtet seine Frau Schlimmes. Sie macht sich auf die Suche, bleibt aber erfolglos. Steckt Schläpfer oder gar Hagmann hinter dem Verschwinden Jakobs? Das spannende Stück spielt kurz nach der Wende ins 20. Jahrhundert, einer Zeit, die geprägt war vom

SPIELDATEN Premiere: Mittwoch 6. Juli 2005 Ersatzdatum: Donnerstag, 7. Juli 2005 im Juli: 9., 13., 14., 15., 16., 20., 21., 22., 23., 27., 29., 30. Juli 2005 im August: 3., 4., 6., 10., 11., 12., 13., 17., 18., 19., 21., 25., 26., 27. August 2005 Vorverkauf; ab 2. Mai 2005 Telefon 033 952 15 14 oder www.ltb-tickets.ch Landschaftstheater Ballenberg Postfach 770, Gärbigässli 1 3855 Brienz Telefon 033 952 15 15 E-Mail: landschaftstheater@ballenberg.ch

THEATER IM BALLENBERG

«DIE STICKERIN UND DER FERGGER»

Aufstieg der Stickereiindustrie und ihrer Krisen. Es erzählt die Geschichte einer Frau und Mutter von sechs Kindern, die entgegen der gesellschaftlichen Erwartungen ihren eigenen Weg sucht. Das Freilichtmuseum Ballenberg bietet mit der Geländekammer Östliches Mittelland wiederum eine einmalige Kulisse für unser Landschaftstheater. Der Regisseur Reto Lang legt ganz besonderen Wert auf die Bedürfnisse des Publikums. Die Tribüne ist ein Teil seiner Inszenierung und wird so aufgestellt, dass von allen Plätzen eine hervorragende Sicht besteht. «Die Stickerin und der Fergger» – das Sommertheatererlebnis des Jahres 2005! Es spielen Marlise Fischer, Anne Hodler und Hans Joachim Frick sowie ca. 40 Laienspielerinnen und Laienspieler aus der Region. n


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FLUGWETTER?

www.ballenberg.ch

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