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Handwerk: Informationsorgan des Kurszentrums Ballenberg Heimatwerk

3 / 99 Stiftung Heimatwerkschule Ballenberg Ein Gemeinschaftswerk des Schweizerischen Freilichtmuseums Ballenberg und der Heimatwerke der Schweiz


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Editorial Feu sacré Schnuppern Generationenkurse Schuhsymposium 1. Schuhe: Geschichte 2. Schuhe: Form 3. Schuhe: Produktion 4. Schuhe: Gestell Archiv von A–Z Tuchfühlung: Christa de Carouge Heierli: Susanne Marti «smallhouse.ch» Ballenberg

Herausgeber Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk Postfach, 3855 Brienz Telefon 033-952 80 40 Fax 033-952 80 49 Redaktion Ursina Arn-Grischott Druck Gisler Druck AG 6460 Altdorf Jahresabonnement Inland Fr. 24.–, Ausland Fr. 32.– 3200 Abonnemente Erscheint 3-mal pro Jahr Ausgabe 1/2000 Redaktionsschluss 1. März 2000 erscheint April 2000 Bestellkarte auf der 3. Umschlagseite Insertionstarif ⁄4 Seite Fr. 150.– 1 ⁄2 Seite Fr. 300.– 1 ⁄1 Seite Fr. 600.– 1


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Zeichen gesetzt Die einen Menschen sehen ihr Leben und Wirken in Epochen von sieben Jahren, andere wählen die angenehm runden Zehnerzahlen, um Rückschau zu halten und sich neu zu orientieren. Wenn aber ein neues Jahrtausend beginnt, scheint dieser Wechsel die ganze Menschheit zu beschäftigen – über Vergangenes zu sinnieren und neue Visionen zu entwickeln liegt gewissermassen in der Luft: Das neue Programm 2000 Kurse. Vor vier Jahren erschien zum ersten Mal «Handwerk» als Informationsorgan des neu eröffneten Kurszentrums auf dem Ballenberg. Das Heft will den Kontakt pflegen zu Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern. Wir machen Kursleiterinnen und Kursleiter bekannt: Christa de Carouge, Seite 16, Stefi Talman, Seite 10. Wir berichten über Aktualitäten des Kurszentrums und stellen immer wieder aktuelle Handwerke und deren Geschichte vor: Alles über Schuhe ab Seite 6. Auch in Zukunft wollen wir Stimmungen im Kurszentrum einfangen und aktiven HandwerkerInnen und GestalterInnen eine Informationsplattform bieten. Das Heft möchte animieren, selber handwerklich und gestalterisch tätig zu werden und traditionelles Handwerk in eigener zeitgenössischer Formensprache umzusetzen. Diesmal: Schnupperkurse Seite 3. Heft finden Sie einen Beitrag aus dem Freilichtmuseum, verfasst von Fachleuten des jeweiligen Themenkreises: z.B. über Belebende Massnahmen im Museum, Seite 22. Explizite Werkanleitungen finden sich weniger als in früheren Heften; der Hauptgrund mag darin liegen, dass in den letzten Jahren sehr viele und sehr gute Bücher zu handwerklichen Themen auf den Markt kamen – die meisten mit farbigen Abbildungen. Einige finden Sie in der Fachbibliothek des Kurszentrums. In unserem Archiv liegen die Zeitschriften der letzten 50 Jahre: «Heimatwerkbote» und «MüleneZeitschrift», die Vorgänger von «Handwerk». Aus dem Fundus, Seite 13 bis 15: Als Rückblick finden Sie einen kleinen Auszug, abgedruckt aus dem Sachregister der letzten 13 Jahre, 1986 bis 1999: Aus dem Fundus, Seite 13 bis 15. Es besteht auch ein Register der Beiträge der Jahre 1952 bis 1985. Sie haben die Möglichkeit auf diesen Fundus zurückzugreifen; auf Anfrage können wir Ihnen die entsprechenden Artikel kopieren und mit Verrechnung der Spesen zusenden. Zur

Erinnerung an den ersten «Heimatwerkbote» lesen Sie in dieser Nummer, in Zusammenhang mit dem bevorstehenden Schuhsymposium, einen der ersten Beiträge – das Schreinern eines Schuhgestells. Überhaupt alles über Schuhe ab Seite 6. Sie finden in diesem Heft die Kurzversion des neuen Kursprogrammes 2000 mit einem Antworttalon. Das Sekretariat schickt Ihnen gerne das detaillierte Kursprogramm gratis zu. Ich freue mich, wenn Sie auch im neuen Jahrtausend zur Leserschaft des «Handwerk» gehören und grüsse

■ Ursina Arn-Grischott

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Feu sacré setzte Rauchzeichen Viel Rauch stieg Mitte Oktober im Kurszentum auf, verursacht von einer grossen Schar Interessierter der Schweizer Keramikszene. Jane Perryman, die Spezialistin aus England mit Dächlikappe, Berufsschürze und feuerfesten Handschuhen in Aktion, Berufs- und Freizeitkeramikerinnen und -keramiker, welche eifrig Fragen stellten und Notizen machten. Gebrannt wurde in alten Ölfässern und in einer grossen Metallwanne, experimentell, spannend, ein Happening der speziellen Art. Gemeinsame Begeisterung für eine Tätigkeit! Der spannende Augenblick war jeweils das Herausnehmen der rauchenden Töpfe – Aaah und Oooh, dann Erklärungen, Begutachtung, Diskussionen.

Ausstellung, kulturelles Feuerwerk ... Die «Instant-Gallery» trug wieder dazu bei, sich über seine mitgebrachten Arbeiten bekannt zu machen. Sobald am Abend der Risotto aus dem grossen Kupferhafen duftete, füllte sich das Kurszentrum mit vielen Besuchern, speziell angereist für das Feuerfest. Das Spektakel war denn auch die Reise wert: Der Feuerturm von Andre Bertholet beleuchtete bereits bei einfallender Dunkelheit den Hof. «Feuer am Berg», eine Performance von

Erich Häberling, bannte das Publikum während langen dreissig Minuten auf den Platz. Feuerorgel, Sopranistin und Häberling als Sisyphos strapazierten und begeisterten das Publikum gleichermassen. Nebst auditiven und visuellen Genüssen hatte man genügend Zeit, über die Thematik des eigenen Sisyphos nachzudenken ... Das Feuerwerk von Bruno Fischer rief zurück zur möglichen Leichtigkeit des Seins, war lustvoll, verspielt, gekonnt. Lauffeuer und farbige Feuerkörper hinter Schattenbildern bleiben in starker Erinnerung.

... und interessiertes Rindvieh Soll niemand behaupten, dass Kühe dumm seien und Tieren jede Sinnlichkeit abgehe: Eine ganze Schar Rinder auf der benachbarten Matte liess es sich nicht nehmen, bis zum Elektrodraht aufzuschliessen und das ganze Feuerspektakel aufmerksam und ausdauernd aus nächster Nähe zu betrachten. Ob sie ebenso interessierte Diskussionen über das Gesehene führten, wie wir übrigen, war nicht in Erfahrung zu bringen ... ■ Ursina Arn-Grischott

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Schnuppern Flachdruck mit Martin Wallimann Experimentieren mit Abdrucken von gefundenen, zufälligen Druckstöcken. Eisenteile, Holzstücke, Stein oder anderes Restmaterial wird eingefärbt, abgezogen und auf dem Format des weissen Papierbogens komponiert. Tiefdruck mit Andi Rieser Sie sammeln erste Erfahrungen mit den vielfältigen Techniken des manuellen Tiefdrucks: Sie steigen in die Welt der Kaltnadel ein. Dazu gehört das Bearbeiten der Druckplatte mit Stichel, Nadel, Schleif-, Fräs- und Polierwerkzeug sowie das selbstständige Drucken, ein- und mehrfarbig, mit der Tiefdruckpresse.

5 auf einen Streich ! Vom positiven Auftritt der letztjährigen Schnupperkurse inspiriert, werden auch im Jahr 2000 Schnupperkurse angeboten. Die ersten fünf auf einen Streich finden Freitag und Samstag, 31. März und 1. April statt. Wollen Sie einmal mit Materialien und Werktechniken Hand anlegen und schnuppern, ob dieses Handwerk für Sie das richtige ist, bevor Sie sich für eine ganze Kurswoche engagieren? Finden Sie heraus, was es mit unserem Angebot auf sich hat. Lernen Sie Kursleiterinnen und Kursleiter, Kurshaus und Umgebung, unsere Themen während eines Tages kennen. Die Schnupperkurse beginnen jeweils am Freitagabend um 17.00 Uhr und enden am Samstag um 17 Uhr. In unserem Angebot sind inbegriffen: Kurs – Kost – Lust – Logis!

Zu verschenken:

Solarkochkiste mit Füssen für zwei Pfannen Eigenbau, funktionstüchtig, speziell geeignet für Maiensäss, Alp.

Farbgestaltung mit Sigi Gertschen Probst Rot und Grün, die beissen sich – aber wie schön sind ein paar Mohnblumen im Gras! Farbübungen zum Thema rot/grün, ausgeführt als Papiercollagen. Kugel flechten mit Bernhard Verdet Verschiedene Flechttechniken an verschiedenen Materialien angewandt führen zu lichten oder dichten sphärischen Formen. Die Kugeln eignen sich als Greif-, Wurf-, Roll- und Gesellschaftsspielzeug sowie für Dekorationen. Instrumentenbau mit Matthias Wetter Das im 16. Jahrhundert verbreitete, beliebte, aus Tierhorn hergestellte Blasinstrument Gamshorn, eine Labium-Gefässflöte mit neun Tönen, überlebte wegen seinem kleinen Tonumfang nur knapp 50 Jahre. Heute begegnet man diesem weichen Hornklangregister in grösseren Kirchenorgeln.

■ 5 auf einen Streich Freitag und Samstag, 31. März und 1. April. Und das ist der nächste Schnuppertermin: ■ 4 auf einen Streich Freitag und Samstag, 26. und 27. Mai. Details im Kursprogramm.

Masse: 66 cm breit, 70 cm hoch, 66 cm lang Bitte melden bei: Herr Köppel Obere Weidstrasse 11, 8820 Wädenswil Tel. 01/ 780 87 16 Handwerk 3/99 3


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Generationenkurs

Gemeinsam anders lernen Ein Experiment ist geglückt und wird weitergeführt: Kursleiter und Kinder in Begleitung von Erwachsenen machten dieses Jahr interessante Erfahrungen in den Generationenkursen. Das neue Angebot wurde wahrgenommen und genutzt: In den Kursen «Filzen», «Sticken» und «Papiermaché» arbeiteten Erwachsene und Kinder am gleichen Thema, lernten gemeinsam und informierten sich gegenseitig über Gelerntes und Neuentdecktes. Die Kinder zeigten grosse Sozialkompetenz und lernten rasch. Was wahrscheinlich am meisten überraschte, war die grosse Ausdauer der 8- bis 14-jährigen beteiligten Kinder; sie hatten keine Mühe, sechs Stunden konzentriert an der Arbeit zu sein. Die Kinder, welche im allgemeinen spontaner mit Materialien und Techniken umzugehen wissen und voller Fantasie eigene Ideen umsetzen, hatten auch einen positiven Einfluss auf die beteiligten erwachsenen Kursteilnehmer. Erstaunlich war vielleicht auch, dass Kursteilnehmer, welche allein, ohne Kinder, am Kurs teilnahmen, die Präsenz der Kinder ebenfalls positiv beurteilten: «Sie haben der Gruppe gut getan, verbreiteten eine fröhliche, aufgelockerte Stimmung, waren interessiert und spontan bei der Arbeit». Für Eltern, Grosseltern oder Gotten waren die gemeinsam verbrachten kreativen Tage mit den Kindern ein gutes Erlebnis.

Im Kursprogramm 2000 werden in den Frühlingsferien Generationenkurse zu folgenden Themen angeboten: ■ Tapedrillos – Schuhe selber gemacht mit Franz Kälin Montag/Dienstag, 17./18. April ■ Filzen – Spielerischer Umgang mit Wolle mit Johanna Rösti Montag bis Mittwoch, 17. bis 19. April ■ Glas in Sand gegossen mit Sandra Hafner Montag bis Mittwoch, 17. bis 19. April ■ Papierofen und einfache Brenntechnik mit Adrian Knüsel Dienstag/Mittwoch, 25./26. April ■ Alte und neue Spiele aus aller Welt mit Marina Landolt und Gertrud Bussinger Dienstag bis Freitag, 25. bis 28. April

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Ausdauer und Eigenständigkeit Im Stickkurs arbeiteten alle nach einer gemeinsam entwickelten Geschichte der Ameise Emisa. Um die sehr zeitaufwändige Stickarbeit etwas schneller und spontaner zu gestalten, wählte die Kursleiterin Barbara Wälchli die Kombination mit gemalten Formen, welche dann zum Teil bestickt wurden. Erstaunlich, mit wieviel Geduld und Liebe zum Detail die Bilder ausgestickt wurden! Bei Kursende hatten alle Teilnehmer ihre ganz persönliche Geschichte auf den Stoff gebannt – ein Bild mit grossem Erinnerungswert! Dass der Werkstoff Wolle Erwachsene und Kinder fasziniert ist offensichtlich. Das weiche Material, die Farben, die Formbarkeit, Möglichkeit der Dreidimensionalität, das Verfestigen des weichen Materials nur mit Händen, Wasser und Seife ist

ein Fest für die Sinne. Dass dabei noch tragbare Produkte entstehen können, ist bestechend. Hier war nicht nur der interessante Weg das Ziel, sondern wirklich auch das entstandene Produkt: Fantasievolle Hüte, Taschen, Filztiere, Bälle aller Art, verziert mit unterschiedlichen Methoden. Kinder und Erwachsene hatten offensichtlich ihren Spass bei der Arbeit. Es entstanden interessante Arbeiten und darüber hinaus offensichtlich auch gute Kontakte und Gespräche zwischen Kindern und Erwachsenen. «Ich habe die Kinder als sehr positiv, kompetent und interessiert erlebt», sagte mir ein Kursteilnehmer, welcher ohne eigene Kinder dabei war – was für ein Kompliment! ■ Ursina Arn-Grischott

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Schuhsymposium Schuhe: Warum sie in die Seele gehen Schuhsymposium 2000 Samstag/Sonntag, 18./19. März 2000 Mit Aiha Zemp, Psychotherapeutin, Stefi Talman, Schuh-Designerin und Unternehmerin, Priska Durrer, Designerin der Schuhfirma Va Bene, Franz Kälin, Schuhmacher und Kursleiter, Dieter und Konstanze von Allmen von der Schuhmanufaktur Kandahar in Gwatt, dem Bally Schuhmuseum Schönenwerd u. a. Das Symposium wird von der Bernischen Stiftung für angewandte Kunst und Gestaltung unterstützt. Verlangen Sie unser Detailprogramm.

Zum Auftakt des Symposiums findet die Woche davor die erste Schuhmacherwoche des neuen Kursjahres mit Franz Kälin statt. Alle Schuhmacherkurse 2000 im Überblick: ■ Schuhmacherwoche, 12. bis 17. März ■ Tapedrillos machen, 17./18. April ■ Schuhmacherwoche, 1. bis 6. Mai ■ Schnupperkurs Tapedrillos, 26./27. Mai ■ Schuhmacherwoche, 4. bis 9. September ■ Der Schweizer Holzschuh mit Alois Langenegger, 27./28. Mai

Spezial zum Thema Schuhe! Lesen Sie von Seite 7 bis 14 unsere Einstimmung auf das Schuhsymposium.

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1. Schuhe: Geschichte Die Sprache der Schuhe: eine kleine Kulturgeschichte Oder: Verpackte Standflächen – Kulturgeschichte des Schuhs. Folge mir! Kurtisanen soll es im 3. Jahrhundert gegeben haben, die Muster und Buchstaben in ihre Schuhsohlen nagelten. Mit jedem Schritt, mit jedem Tritt hinterliessen die Damen Zeichen in der Erde, lockten sie durch ihr einprägsames Stöckeln die Männer an den richtigen Ort ... und bis heute funktioniert dies, wenn auch nicht unbedingt typografisch. Der gesellschaftliche Mensch ist ein verkleideter Mensch – je nach Rolle, nach Ort, nach Zeit. Schuhe sind seit Beginn Teil der menschlichen Kulturgeschichte. Ja, der aufrechte Gang und die zivilisatorischen Errungenschaften wären, so wird vermutet, ohne Schuhe unmöglich gewesen. Zu sehr hätte der Mensch auf spitze Steine achten müssen und hätte den Kopf nicht frei gehabt für anderes ... Sich vorzustellen, in grauer Vorzeit sei die Erfindung des Schuhs in einem nördlichen Land gemacht worden, liegt nahe: die Kälte, der Schnee. Als Beleg dafür könnte man skandinavische Felszeichnungen der Nacheiszeit nehmen, die nicht nur Fussspuren, sondern auch Schuhe zeigen. Doch tatsächlich ist unabhängig voneinander an verschiedenen Orten der Welt der Schuh entwickelt worden: die Hitze, der Sand, die Dornen und Steine. Nicht ein einziges Paar Schuhe ist gewissermassen die Urform, aus der stammbaumartig alle Schuhe bis zu unseren heutigen industriell produzierten hervorgegangen wären. Alle entwarfen und schneiderten ihre Schuhe und ihre Bekleidung selbstverständlich dem Klima gemäss, in dem sie lebten. 100 Arbeitsschritte zum fertigen Schuh in der KandaharFabrik am Thunersee. Handarbeit – Adrian Knüsel hat fotografiert.

Von den allerersten Schuhen ist nichts erhalten, wohl aber Abbildungen und Abdrücke im lehmigen Höhlenboden. Die spanischen, ca. 12’000 bis 15‘000 v. u. Z. entstandenen Felsmalereien der MagdalénienHöhlen zeigen Männer in Fellhosen und Pelzgamaschen und eine Frau mit einem Rock und Stiefeln. Ob Frauen die ersten Schuhe getragen haben und die Erfinderinnen der Schuhe sind, ist eine ungesicherte Annahme. Sicher ist, dass der Schuh schnell ein Zeichen wird für hohen Stand und Rang, für Freiheit, Reichtum und Macht. In der Antike ist das Tragen von Schuhen ein Vorrecht des freien Mannes, und, so nehmen wir doch einmal an, auch der freien Frau. Die Sklaven und Sklavinnen gehen barfuss. Erst mit der Sandale betritt man geschichtlich gesicherten, nämlich ägyptischen Boden. Das Recht, Schuhe zu tragen, ist in Ägypten um das Jahr 3000 v. u. Z. allein den Herrschern und hohen Würdenträgern vorbehalten. Was in der griechischen und römischen Antike die Sandale, ist im zentraleuropäischen und vor allem orientalischen Mittelalter dann der Pantoffel. Vor allem im Orient werden Pantoffeln in aufwendigster Art hergestellt und mit Goldfaden, (Glas-)Perlen, Steinen und Posamenten bestickt. Der Inbegriff höfischer oder ritterlicher Eleganz des europäischen Spätmittelalters wird aber der Schnabelschuh. Die spitz zulaufende Schuhkuppe verlängert sich im Lauf dieser Mode bis in groteske Längen, was ein gutes Beispiel dafür ist, dass sich die (Schuh-)Mode über sämtliche praktischen oder gesundheitserhaltenden Überlegungen hinwegsetzen kann. Obrigkeitliche Erlasse legen die Länge der Schnäbel für die verschiedenen gesellschaftlichen Klassen fest: Gemessenen, vorsichtigen Schrittes geht man einher und zeigt damit aller Welt, dass man Zeit hat ...

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Über die Farbe und Form der Kleidung und der Schuhe kann der Einzelne in das gesellschaftliche System eingeordnet werden, und solange er seinen vom «Schicksal» vorbestimmten Platz nicht verlässt, entstehen auch keine sozialen Schwierigkeiten. Als die «Storchenschnäbel» eine Länge erreichen, bei der selbst das gezierteste Gehen unmöglich wird, hilft sich die Aristokratie, indem sie sich die Schnäbel ans Bein bindet. Einfachere Leute aber haben ganz andere Schwierigkeiten und gehen, wenn nicht barfuss, in Beinlingen, einer Art Strumpfhose mit Schuh. Wenn Füsse und Schuhe erotisch sind, dann sind es auch lange Beine. Unter dem Einfluss der türkischen Schuhmode entwickelt sich in Europa im 16. Jh. der Absatz. Der rote Absatz, der zuerst nur für den Adel reserviert ist, erobern sich die Bürger und Bürgerinnen später; der kniehohe Stulpenstiefel mit hohem Absatz bringt den Mann in imposante Höhe und nobilitiert ihn in den Augen seiner Zeitgenossinnen zum Kavalier. Im Barock und Rokoko schliesslich treibt die Verziehrungs- und Dekorationswut aus Schnallen, Bändern, Rosetten und Brokat wahrhaft Blüten – je üppiger, desto besser. Die Französische Revolution stürzt darauf nicht nur die Monarchie, sondern auch den Absatz. Liberté, Egalité, Fraternité. Alle sollen auf gleicher Höhe gehen, keiner sich erheben. Die Stoffschuhe für Frauen werden wieder flach, aber derart fein, dass sie in kürzester Zeit zerschlissen sind, und die Damen kaufen sie sich deshalb schon ganz modern im Multipack. Nadine Olonetzky, *1962, Kulturjournalistin und Autorin, schreibt über kunst-, fotografie- und kulturgeschichtliche Themen. Sie lebt und arbeitet in Zürich.

Französische und industrielle Revolution zusammen beschleunigen das gesellschaftliche Leben und die Produktionsbedingungen. Schlag auf Schlag folgen die Aufhebung der Zünfte, die Veränderung der gesellschaftlichen Stände. Fliessband- löst Handarbeit ab, Massenanfertigung ersetzt den Mass-Schuh. Die erste Schuhfabrik der Schweiz gründet Carl Franz Bally 1851 in Schönenwerd. Zunächst beschäftigt er ausschliesslich Handschuster, es wird nach dem Prinzip der rationellen Arbeitsteilung gearbeitet. In Europa wie in Amerika wehren sich die Schuster-Zünfte gegen die Einführung von Maschinen zur Herstellung von Schuhen (die amerikanischen trusts schaffen es immerhin 30 Jahre lang erfolgreich, sich gegen die 1835 erfundene Durchnähmaschine zur Sohlenbefestigung zur Wehr zu setzen!). Die Entwicklung ist aber nicht aufzuhalten: Arbeitsteilung in Branchen, neue Maschinen und Werkstoffe wie Gummi, Plastik oder Nylon, neue Klebemittel statt Nägeln, Schrauben und Fäden setzen sich durch. Heute liefern sich Schuhdiscounter und traditionsreiche Firmen einen unerbittlichen Kampf um die Kundschaft. Der Schuh ist zum Konsum- und Wegwerfartikel geworden, massgefertigte Schuhe können nur noch als Nischenprodukt für eine ausgesuchte Klientel überleben. Der Schuh ist ein dreidimensionaler Gegenstand, der aus zweidimensionalen Formen zusammengefügt ist. Die Schuhdesignerin Stefi Talman beschreibt, dass im Schuh das «widersprüchliche Konkave und Konvexe zusammengebracht werden» müsse. 12 Arbeitsstunden stecken in einem Mass-Schuh, für den schon der Leisten existiert. Muss dieser noch chaussiert, das heisst geschnitzt werden, entsprechend mehr. Aber selbst wenn die Schuhe maschinell hergestellt sind, steckt Handarbeit in ihnen und ist der Aufwand zur Produktion grösser als man denkt, wenn man im Warenhaus vor vollen Gestellen steht. Der Schuh ist eine kleine und variantenreiche Plastik. Er ermöglicht die Berührung der Erde ohne Schmerzen, er gibt Halt und erleichtert das Gehen – meistens jedenfalls. Handwerk 3/99 8


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Jeder Schuh provoziert durch seine Form und sein Material eine andere Gangart, ohne Schuh ist das sogenannte westliche Leben nicht denkbar. Sie sind aber, und bei manchen vielleicht vor allem, ein Objekt der Begierde, eine kostspielige Liebhaberei, eine pathologische Obsession. 4000 Paar Schuhe soll Imelda Marcos besessen haben (sie werden den Kern eines Schuhmuseums auf den Philippinen bilden), und wenn es auch nur 50 Paar Schuhe sind: Die Süchtigen verfallen ihnen auch – auch nur um sie anzusehen. Boomartig sollen sich Stiletto-Pumps mit mindestens 10 cm hohen Absätzen verkaufen, doch wann sieht man sie auf der Strasse? Ganz zu schweigen von jenem Knöpfstiefel, der um 1900 von einem Wiener Schuster für einen anonym gebliebenen Auftraggeber zu sadomasochistischen Zwecken gefertigt wurde, und der einen weit über die Sohle ragenden, geschwungenen Stöckelabsatz besitzt. – Da sind doch heizbare Skischuhe weitaus alltagstauglicher und reihen sich 100 Paar High-Heels doch recht anständig in die persönliche Exzentrik. Sie ging «in zitronengelben Stiefeln vor ihm her, so dass ihre Füsse wie zwei Goldammern unter ihrem Kleid herumhuschten», heisst es in einem Roman von Thomas Hardy. Verführung ist in jeder Zeit mit den Schuhen verbunden, der Schuh ein geheimnisvoller Votivgegenstand. Er ist ein erotisches Motiv, tausendfach abgewandelt: Der «phallische» Fuss steckt im «vaginalen» Schuh, die Vereinigung von Fuss und Schuh ist die sinnvolle, fruchtbare Einheit. Keinem anderen Kleidungsstück ausser dem Mantel wohnt derart viel Symbolkraft inne wie dem Schuh. Schuhe als Grabbeigaben, Tongefässe, Glücksbringer, Pillendöschen – der Schuh oder Stiefel erscheint früh zusammen mit Sonne, Pflug oder Schiff als Symbol auf Amuletten und Anhängern. Er ist als Fruchtbarkeitssymbol Teil ritueller Handlungen für eine gute Ernte und an Hochzeiten. Er ist Thema in unzähligen Märchen und Geschichten.

Man küsst ihn (Pantoffelkuss), um Unterwerfung und Verehrung zu demonstrieren oder stellt ihn mit der Spitze gegen die Zimmertür, um böse Geister abzuhalten. Man zieht ihn an oder aus, je nach Heiligkeit des Ortes. Und: Ob Lotusschuh, Pumps, Mokassin, Bottine, Sandalette, Pantoffel, oder sogar Nagelschuh – aufgeladen mit Symbolik, Sentimentalität und/oder Erotik gelten sie allesamt als Quintessenz des Schönen, wenn sie klein sind. Riesige Latschen (laut Volksmund Äppelkähne) gehören ins Reich der Clowns – auch wenn anderweitig auf grossem Fuss gelebt wird. Die neuste Mode adaptiert das Alte für neue Bedürfnisse und Schönheitsideale. Man kommt nicht mehr aus ohne das Arsenal von Mustern, die die Jahrtausende hinterlassen haben. Während früher die Stile noch mindestens ein Jahrhundert anhielten, ist heute die Halbwertszeit eines Stils beinahe mit Wochen zu bemessen. Verblüffend mag vielleicht die Ähnlichkeit einiger Hightech-Turnschuhe wie «Air Foamposite One» oder «Air Zoom Flight Fire» von Nike (1997) sein mit den Skizzen expressionistischer Architekten wie denjenigen von Hermann Finsterlin (um 1919). Die Formensprache ist die gleiche, obwohl es weitaus näher liegt, dass die futuristische Weltraumästhetik à la Raumschiff Enterprice dem Sportschuh-Design Pate gestanden hat. Das Turnschuh-Design entspricht auch der Deutung des urbanen Raums als modernem Dschungel, in dem man sich ebenso praktisch ausgerüstet wie modisch auf der Höhe der Zeit durchzuschlagen hat. Zu Hause tragen wir Hausschuhe und nennen sie zärtlich Schlappen, Latschen, Finken, Patschen oder Schlapfen, doch nicht einmal dort sind die Zeichen zur Erkennung der gesellschaftlichen Zugehörigkeit ausser Kraft gesetzt. Die Höhe des Absatzes oder die Länge der Schuhspitze ist zwar seit der Französischen Revolution kein Rangabzeichen mehr. Aber noch immer gehorchen wir aufs Genaueste den gesellschaftlichen Codes und inszenieren unsere individuellen Mythologien, ganz im Sinne von: Folge mir! ■ Nadine Olonetzky

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2. Schuhe: Form

Schuhe – frech, elegant, bequem 1979 lancierte Stefi Talman als junge Schuhmacherin, aufmüpfig, kreativ, eine ihrer ersten Schuhkreationen, eigentlich eher ein Schuhsocken, weich, vorne spitz zulaufend mit einem Reissverschluss, welcher ungedeckt quer über den Schuh läuft, – der «Zip». Ein offensichtlich schnell zu öffnender Verschluss, bis anhin in der Mode verdeckt, wurde seines Tabus beraubt, wurde zum Schmuck erklärt, seine Funktionalität offen dargelegt. Was als Provokation gedacht war, schlug in die etablierte Modewelt ein: «Zip» war der richtige Schuh zur richtigen Zeit. Das Rampenlicht fiel unvorbereitet auf die junge Schuhmacherin und forderte sie als Designerin. Die spitzen Schuhe mit dem schrägen Reissverschluss waren zuerst in der jungen Zürcher Szene ein Muss, dann in der Punkszene der Renner und schliesslich wurde der Schuh weltweit kopiert. Zwanzig Jahre danach ist der «Zip»-Schuh nochmals auf dem Markt – ich habe ihn mir eben gekauft. Seine Form hat sich verändert, er ist auch für ältere Füsse geräumig, der schräge Reissverschluss wirkt heute nicht

mehr provokativ, aber immer noch etwas extravagant. Ein Schuh, der immer noch starke Präsenz markiert. 1987, nach erfolgreicher und hektischer Tätigkeit als Schuhdesignerin, kehrte Stefi Talman der westlichen Welt den Rücken und verreiste für etliche Jahre nach Thailand. Es war auch eine Suche nach ihrer Herkunft – ihr Vater ist Chinese.

Ein eigenes Label ... Die Schuhe haben Stefi Talman nicht losgelassen – seit einigen Jahren ist sie wieder als Designerin in Zürich ansässig, geprägt von den Jahren in Asien, was zum Teil in ihren jetzigen Arbeiten sichtbar wird. Ende Oktober stellte sie in ihrem Laden-Atelier an der Predigergasse die Herbst-/ Winterkollektion 1999/2000 vor. Auf Türmen von hellblauen Schuhschachteln, versehen mit ihrem Schriftzug als Label, stehen die neuesten Modelle, elegant, bequem, in leuchtend rot und schwarzem Leder, in kurz geschorenem hellblauem oder auberginefarbenem Kalbsfell. Die edle Verarbeitung fällt schon bei kurzem Hinschauen auf – die Schuhe sind alle in ungefärbtem Leder abgefüttert, genäht Handwerk 3/99 10


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nach allen Künsten der Schuhmacherei. Und diese Kunst beherrscht die Schuhdesignerin: in enger Zusammenarbeit mit einer italienischen Schuhmanufaktur werden ihre Modelle mit dem Anspruch auf höchste Qualität gefertigt. Soweit möglich, legt sie auch Wert auf ökologisch sorgfältige Herstellung des Leders. Die Produktionsstätte Italien entspricht genau den ProkuktionsAnforderungen ihrer Schuhmode: Ihre Partner sind spontan und flexibel, risikofreudig, nicht bürokratisch.

... und zwei Kollektionen jährlich Jetzt, wo die Winterkollektion im Verkauf ist – in Boutiquen und exclusiven Mode- und Schuhläden in der Schweiz, in Deutschland, USA, Japan u. a., stehen bereits die Prototypen der Sommerkollektion zur Begutachtung herum, und am Zeichnungstisch arbeitet Stefi Talman an den Modellen der Wintersaison 2000/2001! «Eine Kollektion muss eine Identität haben» – und diese verleiht ihr die talentierte Designerin. Die Inspiration zu Formen und Farben sind vielfältig, jeder visuelle Eindruck kann prägend sein, ob aus der Welt der Mode, der nächsten Umgebung, der Natur. Zwei Kollektionen pro Jahr mit je vierzehn Modellen bedeutet Knochenarbeit. Dass das Tragen von eleganten Schuhen nicht mit einschliesst, dass Schönheit leiden muss, testet Stefi Talman selbst. Sie ist begeisterte Trägerin ihrer eigenen Modelle und stellt selbst den Anspruch, dass Schuhe formschön, interessant, aktuell und eben auch orthopädisch richtig sein sollen, ohne den ältlichen Geschmack nach Gesundheitsschuhen. Jeder Schuh trägt einen liebevollen Namen mit nur drei Buchstaben: CAN; TON; HAN; DAB; WON; CHI – die Liste wäre so lange, wie es in den letzten Jahren Modelle gab. ■ Ursina Arn-Grischott Am Schuhsymposium 2000 können Sie Stefi Talman persönlich kennen lernen. ■ 18./19. März, Kurszenturm Ballenberg Heimatwerk

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3. Schuhe: Produktion Kork- und Lederfaser als thermische Isolation und Teil des Kandahar-Klimasystems. Eigens für diese Marke entwickelt, anatomisch geformte 3-Schicht-Brandsohle aus Lederfasermaterial mit Stahlgelenk. Loses Fussbett bzw. Einlegesohle je nach Modell aus Kork oder Wollfilz. Rutschsichere Profilsohle mit Weichtritt und Raum für Klapp-Gleitschutzeisen.

«Schuhwerk ist Handwerk» und mit «Handmade in Switzerland» wirbt die Firma Kandahar aus Thun in aller Welt für ihre handwerklich gefertigten Schuhe bei qualitätsbewussten Kunden mit höchsten Ansprüchen. Fritz von Allmen, Schuhmacher in Mürren, hatte anfangs der dreissiger Jahre angefangen sich zu spezialisieren und produzierte für anspruchsvolle Kurgäste Spezialskischuhe. Kunden waren unter anderem Pioniere des englischen Kandahar-Skiclubs, die Mürren zu einem beliebten Wintersportort gemacht hatten. Selber Skirennfahrer und Skilehrer wusste von Allmen genau, welchen Strapazen die Füsse beim Skisport ausgesetzt sind und wie man sich im Anschluss an strenge Aufstiege und rassige Abfahrten nach einem bequemen, leichten und gut isolierten Schuhwerk sehnt. So entstand 1932 der erste KandaharAprès-Skischuh aus Schaffell und Crêpegummi. Dank seinem unternehmerischen Geist fing von Allmen bald darauf an, seine handwerklichen Produkte in Kleinserien anzufertigen und den Handel von der Schweiz auf England auszudehnen. Heute führt sein Sohn Dieter von Allmen mit seiner Frau Konstanze das Unternehmen; Qualitätsbewusstsein und Handwerkskultur sind weiterhin

Gütesiegel des Kandahar-Unternehmens. Es entstehen Schuhe für höchste Ansprüche, sorgfältig von Hand gefertigt – über hundert Arbeitsschritte stecken in jedem einzelnen nummerierten Schuh! Lernen Sie «Kandahar» persönlich kennen, bei uns im Kurszentrum am ■ Schuhsymposium, 18./19. März.

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4. Schuhe: Gestell Aus dem Fundus des «Heimatwerkboten» Der Vorgänger der vorliegenden Zeitschrift «Handwerk» erschien erstmals im Winter 1952, nannte sich der damaligen Zeit entsprechend «Heimatwerkbote,» und wurde von der Heimatwerkschule in Richterswil herausgegeben. Sinn und Zweck der Zeitschrift haben sich bis heute nur wenig geändert – Stil, Inhalt und Zielpublikum natürlich sehr! Die Kursbesucher der Heimatwerkschule, damals fast ausschliesslich Leute aus der bäuerlichen Bevölkerung, sollten über das Geschehen der Schule informiert werden und viele Werkanleitungen wurden publiziert. Der «Heimatwerkbote» verstand sich als «Ratgeber für die bäuerliche Selbstversorgung». Das Kursangebot beschränkte sich auf Schreiner- und Webkurse, später kamen Baukurse dazu. Heute mögen uns viele Artikel zum Schmunzeln bringen, und doch bedeuten die 140 Ausgaben eine reiche Sammlung von praktischen Erfahrungen und Kenntnissen, über welche heute nur noch wenige Leute verfügen und sie vermitteln uns durch Sprache und Inhalt den Zeitgeist jener Epoche.

Schreinern ohne Maschinen Wissen Sie z. B., wie man selber – ohne Hilfe von maschinellen Einrichtungen – eine Hobelbank, einen soliden Tisch oder ein Bett schreinert, wie man mit einer Ziehklinge umgeht, wie man einen Spartrog für Trockenfutter im Hühnerstall konstruiert, Fenster verglast, warum Wolle filzt und vieles mehr ...

Sie lesen hier nachfolgend einen Abdruck aus dem ersten Jahrgang, Winter 1952, Heft 2 – passend zum Thema Schuh.

Bauanleitung Die Zeichnungen geben über die Bauweise und die Masse Auskunft. Wenn das Gestell 1,25 m lang gemacht wird, bietet es für 10 Paar grosse Schuhe Platz. Wenn das nicht genügt, ist es ratsam, zwei Gestelle zu bauen, weil ein sehr langes Gestell unhandlich wäre und auch nicht überall Platz fände. Ganz aus Lärchenholz gebaut (mit Ausnahme des Tablars) wäre das Gestell nicht nur schön, sondern auch sehr haltbar, weil dieses Holz besonders wasserbeständig ist. Das Gestell kann aber auch ohne weiteres aus Tannenholz gebaut werden, nur die Schuhlatten sollten aus Hartholz sein.

Hinweise für den Bau Die 4 Verbindungsleisten sind gut sitzend in die Seitenteile einzupassen, zu leimen und mit vernickelten Linsenkopfschrauben festzuziehen. Beim Anreissen der Aussparungen die Seitenteile auf ebenen Boden stellen, damit das Gestell nachher nicht wackelt. Die unteren Leisten so einpassen, dass das Tropfgefäss noch gut hineingeschoben werden kann. Die Schuhlatten sind nach oben zugespitzt. Je kleiner die Auflagefläche, desto schneller trocknet der Schuh. Wenn beim Befestigen der schrägen Leisten und der Schuhlatten die Masse genau eingehalten werden, kommen die Schuhe in die Mitte des Gestells zu liegen. Die dünnere Latte in der Mitte ist für die kleinen Kinderschuhe gedacht. Die grossen Schuhe sollen diese nicht berühren (nicht mehr Auflagefläche, als unbedingt nötig!).

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Tropfgefäss

Holzliste

Die beiden schrägen Bretter stossen unten in einer breiten Fuge zusammen. Wird diese genau gehobelt, gut verleimt und genügend verschraubt, lässt sie bestimmt keinen Tropfen Wasser durch. Diese beiden Bretter werden in die Seitenteile streng passend eingelassen, damit sie auch dort dicht halten. Ein Anstrich mit Ölfarbe auf der Innenseite verhindert, dass sich das Holz mit Wasser vollsaugt und mit der Zeit fault. Damit das ganze Gestell mit dem Tropfgefäss weggetragen werden kann, sind an zwei sich schräg gegenüberliegenden Ecken Holzzapfen durch die Seitenteile hindurch in die senkrechten Brettchen des Tropfgefässes zu stecken. Beim Hervorziehen und Leeren des Gefässes werden die mit Köpfen versehenen Zapfen herausgezogen. Das Schuhgestell sollte direkt beim Hauseingang aufgestellt werden. Die nassen Schuhe lassen sich dann im Gestell in einen temperierten Raum tragen, wobei zur Freude von Mutter und Schwester der Boden nicht beschmutzt wird!

Schuhgestell 1,25 m Masse in cm: 2 Seitenwände 2 Verbindungsleisten 2 Verbindungsleisten 1 Tablar (eingepasst) ca. 2 Tragleisten zum Tablar (eingepasst) 2 untere Tragleisten 2 Schuhlatten (eigepasst) ca. 1 Schuhlatte (eingepasst) ca. Tropfgefäss: 2 senkrechte Seitenteile 1 Längsbrett 1 Längsbrett

Länge 70 125 125 120

Breite 42 8 6 36

Dicke 2,5 2 1,5 1,5

36 34 120 120

3 3 3 2

3 3 3 2

41,5 116 116

6 26 18

2,5 1,5 1,5

Wer nicht ein Tropfgefäss aus Zinkblech machen lassen will, macht sich eines aus Holz, wie auf der Zeichnung angegeben. Es hält, wenn es richtig gemacht wird, absolut dicht. ■

Zeichnungen von Fritz Buchser, Zürich.

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Archiv 1986 –1999 Artikel bestellen Sachregister der Artikel des «Heimatwerkbote», der «Mülene-Zeitschrift» und des «Handwerk». Auf Anfrage können wir Ihnen die entsprechenden Artikel kopieren und gegen je Fr. 5.– Spesen zusenden. Am besten diese Liste kopieren und markieren. Absender nicht vergessen! Bänder, geklöppelt Bänkliwiege Bauen – Gedanken zu bewusstem – mit Lehm – Umbauen und Sanieren I – VII Baugespann Baumwolle Baumstammbrunnen Bergdruck Besen binden Bett, französisch Bienenhaus Bienenkasten, Schweizerkasten Briefkasten Brunnentrog, Heinzenberger Büchelbau Damaszenerstahl Drechslerbank – formen und gestalten Drechslerin Gisela Müller Drechslersymposium Duvet herstellen Eckbank mit gekröpfter Lehne Eckstuhl mit Geflecht Fassaden, Begrünung Färben auf offenem Feuer Färben, Spinnen von Wolle und Seide Filzteppich Fischbandbeschläge Fledermauskästen Gestalten mit Holz Gipsböden Glas – eine Entdeckung Glas, ofengeformt Gnepfi Grat-Holzverbindungen (1. Teil) Grat-Holzverbindungen (2. Teil) Handholzerei Handmähen und Pflege der Sensen Holländer Auszugtisch Holzschnitt Holzschnitzen Holzstrickhaus Holzverbindung Holzverbindungen, verspielte Hundehütte Hydraulischer Widder Imkerei Intarsien Isolationen Keller – Klima verbessern Kerbschnitzerei Klappmesser Damaszenerstahl Kalligraphie Keramik – Elisabeth Langsch

Keramik – Mark Zumstein Kleiderschrank Kleistermalerei Köhlerei im Ballenberg Kommode Kreuzsticharbeiten – Einführung – praktische Arbeiten Kübel und Gebsen Leder – Handnähte Leder-Objekte zum selber machen Leinen oder Flachs Licht – ablichten, belichten Lithographie Maienpfeife Marktstand Metallrestaurierung Möbel restaurieren Murmelbahn Musik, experimentell Nachttisch Nadelspitze Nistkasten für Vögel Papier weben Papiermaché Patchwork, Quilt Patchwork, Entwürfe Ply-Splitting – indische Handarbeit Pöschelibock Praktische Hilfen am Webstuhl Quadratschnur Quellfassung, Wasserversorgung Radiästhesie Räf Raku Rauchbrandtöpferei Sackmalen Sackmalen, Geschichte Saiteninstrumente Sattlerbock Sattlern – Portrait B. Grob Schärfen, Richten der Handwerkzeuge Schaffreiti Schaukelpferd Scherenschnitte Schiebetorbau Schindeln herstellen und anschlagen Schnitzen Schnurgerüst Schriftkurs (Kalligraphie) Schuhmuseum Schuhe – Entstehung Seide Seidenmalen Handwerk 3/99 15

Seile drehen Sekretär Setzwaage Sgraffito Shifu Solar-Dörrer Sonnenofen Spansäge, klein Speckstein im alpinen Raum Spiel, Tippel-Tappel Spielzeugstall Spulen-Schwimmpumpe Stabelle Sticken, freies Sticken, -Ziernähte Stilgeschichte des Möbels Strohflechten Tannast bei den Walsern Textiler Siebdruck Tiefdruck, manuell Tischkegelspiel Tisch und Stuhl für Kinder Tischgarnitur Treppenbau Treppensanierung Trockenmauern Truhe, Walliser Türen und Tore – Stalltüren – Falltüren – Schiebetore Wasserpumpe Weben – Bild- oder Gobelinweben – Brettchenweben – Computerweben – Doppelgewebe – Eine Kette, viele Stoffe – Farbeffekte, Farbwirkungen – Gewebe aus Wolle – Ikat – Haslitaler Handweberei – Kettabschlüsse für Bodenteppich – Nachbehandlung handgewebter Stoffe – Nordische Partiengewebe – Peruanische Textilkunst – Praktische Hilfen am Webstuhl – Randabschlüsse – Schattengewebe – Stoffe in Waffelbindung – Teppich-art-Team – Teppiche in Schussdouble – Teppichweben Werkzeugschrank Wippdrehbank Wolle als Baustoff Wolle filzen Zeichen des Zimmermannes Zinken-Holzverbindungen Zwirnbindung/Restenteppiche Zwirnen und Zwirneffekte ■


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Tuchfühlung Christa de Carouge – Notizen zum Kurs Tuchfühlung, im besten Sinne des Wortes, bot die Begegnung mit der Créatrice Christa de Carouge vom 5. bis 9. September 1999 im Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk. Hier einige Impressionen.

Das Schwarz Absenz der Farbe, Revolution, Anarchie, Nacht, Schatten, Noblesse, Luxus, Ausgangspunkt um Farben wahrzunehmen. Verheissung auch, Geheimnis, Mysterium, Inszenierung, Ritual. Schwarz als ruhender Pol, Farbe des Friedens.

Das Kleid ist deine zweite Haut Das Kleid soll dich begleiten auf der Reise zu dir selbst, das Kleid (die Seide) ist deine zweite Haut, die dich birgt, dich schützt, dich wohl sein lässt. Ich sage immer: In meinen Kleidern kann man sogar wohnen. Ich verwende edlen, fallenden Stoff, bei dem der Körper erst durch die Bewegung sichtbar wird.

Das Kleid auch als Provokation – Denkanstoss gegen die Beliebigkeit – für Tiefgang – Gehalt. Dass sie die Provokation liebt, zeigt schon ihre spontane Bereitschaft, im Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk ihre Arbeit vorzustellen. Viele waren überrascht, Christa de Carouge inmitten von Drechsel-, Schreiner-, Filz-, Web-, Schmiedeund Baukursen zu finden. Ein Kontrapunkt eben, ein Luxus, den sich 20 Teilnehmerinnen nicht entgehen lassen wollten. Christa de Carouge bezeichnet sich als Créatrice- Schöpferin, ist sie ganz und gar. Ihre eindrückliche Sammlung von Kleidern und Tuch aus aller Welt von der tibetanischen Mönchskluft bis zum japanischen Seidenduvet bilden den Hintergrund zur Einführung: Inspiration und Kreation, urbanes Nomadentum und aktuelle und künftige Kollektion bildeten die Schwerpunkte des 3-tägigen Workshops.

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Auf das Wesentliche reduzieren Ausgehend von Reisen durch ferne, für unsere Augen exotische Länder zeigt sie ihre persönliche Entwicklung. Die Teilnehmerinnen lernen eine Lebenskünstlerin, Feinschmeckerin, grosszügige Raumgestalterin und eindrückliche Erzählerin kennen. Sie ist aber auch Einsiedlerin, verschworene Anhängerin der Einfachheit, der Reinheit, Klarheit von Seide. Ihre Kréationen sind weich, reichgefaltet, plissiert, mattschimmernd und vorwiegend schwarz. Schwarz als Inhalt von Freude, Friede, Noblesse, Eleganz, Kraft und Energie. Christa de Carouge macht sensuelle Hüllen, folgt keinem Trend, ist immer schon einen Schritt weiter. Sie schafft Kleider für das Leben, Kleider, die bewohnbar, reversibel, waschbar, brauchbar, kombinierbar, immer reisefertig, leicht faltbar, schlicht alltäglich sind. Aber der Alltag soll Festtag zugleich sein, das Kleid schafft Raum, macht den Körper zur Figur, aus der Bewegung einen Auftritt. Christa de Carouge interessiert sich für das kleinste Detail, ist immer auf Empfang, erlaubt sich keine Oberflächlichkeit.

Die Teilnehmerinnen liessen sich anstecken von der faszinierenden Welt, liessen sich verwandeln und merkten schon bald, dass sie sich auf der ureigenen Wanderung zum persönlichen Wohlergehen befinden. Christa de Carouge liess sich entdecken, öffnete sich in unglaublich grosszügiger Weise, führte uns Nomaden in ihre Welt und wir stellten erstaunt fest, dass wir bei uns selbst angekommen sind. ■ Adrian Knüsel Christa de Carouge wird auch nächstes Jahr wieder einen Kurs im Kurszentrum anbieten: ■ Tuch Sonntag bis Dienstag, 24. bis 26. September 2000

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«Heierli» Schmuck – Tradition – Identität. Eine Neuauffassung von Susanne Marti. Mit dem Label «Heierli» hat Susanne Marti eine Schmuckkollektion kreiert, die als NullSerie in der Diplomarbeit an der Höheren Schule für Gestaltung Zürich/Abteilung Schmuck und Gerät 1998 ihren Anfang fand. Susanne Marti präsentierte ihre Arbeit im Rahmen der Ostergespräche 99 im Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk. Der Name bezieht sich auf Julie Heierli, welche von 1920 bis 1932 das Standardwerk über die Schweizer Trachten geschrieben hat. Dieses fünfbändige Werk ist Hauptreferenz in Susanne Martis Arbeit, die sich auf eine Tradition bezieht, welche in seiner ursprünglichen Form die kulturellen und regionalen Unterschiede der Schweiz wiederspiegelt und deren Entwicklung sich heute aus ökonomischen sowie sozialen Gründen auf einem Tiefpunkt befindet. Susanne Marti hat nicht einen neuen Trachtenschmuck kreiert, sondern eine zeitgemässe, individuelle Weiterentwicklung angestrebt, die als Neuinterpretation auf Recherchen im Bereich des traditionellen Trachtenschmuckes und einem Praktikum in einer Trachtenschmuckmanufaktur basiert.

Tradition als Inspiration In der entstandenen Null-Serie hat Susanne Marti Formensprache, Herstellung, Materialien und Tragart des Schweizer Trachtenschmuckes neu aufgefasst und umgesetzt. Die für den Trachtenschmuck typische Filigranität, mit dessen Transparenz symbolhaltige Zeichen dargestellt werden und die Plazierung des Schmuckes, die sowohl ästhetische als auch funktionale Eigenschaft hat, sind visuelle Elemente, die Susanne Marti in ihrer Arbeit aufnimmt.

«Heierli» ist als Schmucksystem individuell kombinierbar. Das Schmucksystem besteht aus Verbindungsknopf, Aufsatz und Band. Fotos Heierli: Nadine Athanasiou, Rolf Häfliger.

Additives Baukastensystem Bei der Entwicklung des Schmucksystems war ihr nebst der visuellen Umsetzung auch der Einsatz einer entsprechend zeitgemässen Technologie wichtig. Dabei werden die manuell aufwendig herzustellenden Formen des Filigranschmuckes mit dem Computer entworfen und unter Einbezug von zeitgemässen, industriellen HerstellungstechniHandwerk 3/99 18


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ken gefertigt. Dies ermöglicht, Filigranschmuck in einer breiten Formenvielfalt herzustellen – reduziert auf ein System von drei Elementen: Verbindungsknopf, Aufsatz und Band, deren Kombination zueinander zahlreiche Variationsmöglichkeiten zulassen und so der Trägerin individuellen Spielraum lassen. Der Verbindungsknopf, aus rostfreiem Stahl geprägt, wird in die Schlitze des Bandes eingeführt und verbindet dieses. Er ist in seiner Art eher ein Beschlag, ein Verbindungselement mit einfacher Schmuckwirkung. Auf den Verbindungsknopf können verschiedene Varianten eines Aufsatzes mittels eines einfachen Drehverschlusses aufgebracht werden.

Das filigrane Element Der Aufsatz nimmt die visuelle Wirkung des traditionellen Filigranschmuckes auf, dessen prägende Elemente der Steg und die Füllung sind. Die Funktion des Steges übernimmt eine Fassung aus Chromstahlblech, die Füllung bildet eine Rastermembrane aus Nickel, die mittels einer Galvanotechnik in feinen Mustervariationen aufgebaut wird. Dieses Präzisionsverfahren ermöglicht lineare Zeichnungen in vielfältigen Formvariationen seriell herzustellen und Bleche in einer minimalen Schichtdicke zu erzeugen. Die Rastermembrane scheinen fragil – Muster, die auf lochblechartige Grundstrukturen appliziert sind, erinnern an Stickereien und spielen aber auch bewusst mit der Ästhetik der modernen Technologie, wie sie im Maschinenbau und der Nahrungsmittelverarbeitungstechnik vorkommt. Diese dünnen Membrane sind transparent und flexibel wie Papier und können dreidimensional verformt und so von der Fassung in Position gehalten werden.

Tragart Trachtenschmuck übernimmt neben seiner ästhetischen Wirkung auch Funktion. Er hält und verbindet einzelne Kleidungsstücke der Tracht an bestimmten Orten des Körpers zusammen. Heute unterscheidet sich die Garderobe an Feiertagen und Werktagen nicht mehr. Vielmehr reagieren wir mit der Kleidung auf Anlässe und Situationen. Aus der Überlegung unmittelbar reagieren zu können, hat Susanne Marti ein Prinzip entwickelt, das eine individuelle Plazierung des Schmuckes ermöglicht.

Abbildungen von traditionellen Trachten zeigen eine ausgepräte Dramaturgie von Linie und Flächen in den Textilien. Die Zeichenhaftigkeit der Linien übernehmen elastische Bänder, welche um den Körper gewickelt werden. Diese sind aus Elastikgewebe oder Silikon. Sie sind 3 Meter lang und weisen alle 4,5 cm einen Schlitz auf. Die Trägerin kann mit diesen Bändern verschiedene Figuren am Körper zeichnen. An den Kreuzungspunkten halten die Verbindungsknöpfe die Bänder zusammen und erinnern in ihrer Örtlichkeit und schmückenden Aussage an die Tracht. Für die angestrebte Wirkung ist minimal ein Band, drei Verbindungsknöpfe und ein Aufsatz nötig. Das Set lässt sich beliebig erweitern. Die Bänder und Verbindungsknöpfe werden somit als zweite Schicht über den Alltagskleidern getragen. Die entstandene Null-Kollektion «Heierli» wurde dieses Jahr mit dem Eidgenössischen Stipendium für Gestaltung in der Sparte «Schmuck» ausgezeichnet und soll von Susanne Marti in einer weiteren Phase präzisiert und zu einer Synthese finden, die als industriell hergestelltes Produkt sowohl zum praktisch tragbaren und zeitgemässen Schmuck sich weiterentwickelt und als erkennbares Zeichen der Tracht bestehen bleibt. Besuchen Sie Susanne Marti auf dem Internet! webpage: http://www.formpol.ch

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Holz: «smallhouse.ch» «Das Haus, das mir gefallen würde, bestünde aus einem grossen Raum, in dem man in einer Ecke mit seinen Freunden redet, in einer anderen isst, in einer anderen schläft und in einer anderen arbeitet.» William Morris in einem Brief an W. B.Yeats

Aufregend neu Die Bernische Stiftung für angewandte Kunst und Gestaltung, mit der das Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk in regem Austausch steht, hat diesen Herbst mit der Ausstellung «Touch Wood» einen besondern Akzent zum Holzbau der Zukunft gesetzt. Die spezielle Attraktion der Ausstellung konnte in der Stadtgärtnerei Elfenau erstmals besichtigt und betreten werden – das «smallhouse.ch.».

Kleinsthaus mit grossen Qualitäten «smallhouse.ch», ein auf das Maximum optimierter Wohnkubus von 4,13 m Länge, 9,73 m Breite und 5,83 m Höhe, entstand im Rahmen des Förderprogrammes Holz 2000 des Bundes und der Schweizerischen Holzwirtschaftskonferenz. Wer den kleinen Kubus, in einer Holz-Modul-Bauweise gefertigt, von aussen sieht, ist erstaunt, wie grosszügig und elegant das Innere wirkt. Der bescheidene und dennoch in seiner Ausgestaltung anspruchsvolle Bau eignet sich besonders dazu, bestehende Gebäude und Anlagen zu ergänzen und zu erweitern oder Restflächen zu füllen. Das Haus kann zur Erweiterung bei knappen Wohnverhältnissen dienen, als Wohnatelier genutzt oder einfach so für Individualisten eingerichtet werden. So auffällig anders der Bau auf den ersten Blick wirkt, so diskret wird er auch prominenten Standorten gerecht – auch wenn, oder gerade weil die Architekten den Mut hatten, von der Schweizer Detailversessenheit etwas abzurücken.

Einfach und vorgefertigt

Konzeption: bauart architekten Reto Baer, Willi Frei, Peter C. Jakob, Matthias Rindisbacher, Marco Ryter, Mitarbeiter Stefan Graf. Falkenplatz 7, 3012 Bern bauart@access.ch www.smallhouse.ch

heraus und erzeugen die lichtdurchflutete Wirkung des Hauses und geben ihm eine überraschende Grosszügigkeit. Aussergewöhnlich sind die vollständig in den Werkhallen vorgefertigten Holz-Module, die in einem Tag auf die vorbereiteten Fundamente abgesetzt werden können. Die rationelle Bauweise ermöglicht eine spätere Verschiebung des Hauses oder die Versetzung an einen neuen Standort.

Bauökologisch durchdacht Das konsequent in Holz und mit Holzwerkstoffen gebaute Haus und die grosszügig bemessene Wärmedämmung garantieren ein angenehmes Raumklima. Ein wirkungsvoller Holzofen sorgt für behagliche Wärme im Winter. Selbstverständlich sind auch die bauökologischen Kriterien erfüllt. Die sanitären Einrichtungen und die Elektroinstallationen entsprechen in ihrer durchdachten Einfachheit der Gesamtphilosophie.

Vier grosse Fenster, auf jeder Seitenfläche des Quaders angeordnet, prägen sein Äusseres und verleihen ihm etwas skulpturhaftes – das Haus wird zum Objekt und das Objekt zum Haus. Die grossflächigen, den vier Raumzonen zugeordneten Fenster, sprengen den Raum geradezu von innen Handwerk 3/99 20


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Tourismus, Wissenschaft Historische und gegenwärtige Handwerkskunst auf dem Ballenberg Im Gegensatz zu «klassischen» Museen sieht sich ein Freilichtmuseum ausgeprägter der schwierigen Aufgabe ausgesetzt, sowohl einem wissenschaftlichen Auftrag zu genügen, wie auch touristischen Wünschen entgegen zu kommen. Diese konstante Gratwanderung zwischen Kommerzialisierung und Vermittlung lässt die Befürchtung eines Überhandnehmens von «folkloristisch-idyllisierender und kommerziell verfälschter Unterhaltungs-Vorführungen zum Freizeitkonsum-Gebrauch» zu, wie Heinrich Mehl in einer Festschrift lakonisch feststellt. Dass auf dem Ballenberg dieser Befürchtung erfolgreich entgegengearbeitet wird, lässt sich an der Mitwirkung zahlreicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen feststellen, welche ihrer Arbeit die Bereitschaft zur ungekünstelten demonstrationsorientierten Vermittlung entgegenbringen. 1. Hinweis von der Museumspädagogin E. Schönmann in einem unveröffentlichten Arbeitspapier: Heinrich Mehl: Auf dem Weg nach Disneyland. Zur Entwicklung der Freilichtmuseen im Jahre 100 nach Skansen. In: Festschrift. Heinz Spielmann zum 60. Geburtstag. Hamburg 1990. 2. Andrea Heinzeller: «Belebende Massnahmen» am Freilichtmuseum – untersucht am Beispiel des Freilichtmuseums an der Glentleiten. Unveröffentlichte Magisterarbeit. München 1995, S.5. 3. Andrea Heinzeller, ebd. S. 9 f. 4. Kilian Kreilinger: Handwerksvorführungen. Zerstörung als didaktische Aufgabe. Freundeskreisblätter 23/1978, S. 108.

Die Museumspädagogin E. Schönmann sieht im Kurszentrum, welches die gezielte Vermittlung von Handwerken anstrebt, eine ideale Ergänzung zum Freilichtmuseum. Dadurch kann man sich auch dem «Areal Ballenberg» auf die ungezielte Vermittlung, d. h. die Vorführung von Handwerkstechniken konzentrieren und erspart sich dadurch eine potentiell überladene Verkaufsstrategie. Die sogenannt «belebenden Massnahmen», d.h. besucherorientierte und lustvolle Darstellungen und Aktionen, wie eben die Vorführung von Handwerkskunst, sollen Interesse an der ländlichen Kultur entfesseln und schliesslich auf Gefallen am Museum zur Folge haben. Im Gegensatz zu anderen Museumsarten hat ein Freilichtmuseum die Möglichkeit, Objekte «in einem der historischen Wirklichkeit nahestehenden Zusammenhang» zu präsentieren2. Schon Mitte des letzten Jahrhunderts forderte der «FreilichtmuseumsPionier» Arthur Hazelius (1831–1901), «dass die Museumsobjekte grösseres Aufsehen erregen sollten. Der Besucher sollte die Gegenstände in ihrer Funktion sehen, also den Hausrat in den Räumen selbst anschauen und die Anzüge so, wie sie getragen wurden, betrachten können.» Hazelius wollte ganze Volkslebensbilder darstellen, wo durch ein lebendiger Eindruck von Sitte und Brauch des Volkes entstehen sollte3.

Handwerk zeigen, aber nur mit Bildungsauftrag Dieser lebendige Eindruck von ländlicher schweizerischer Kultur wird geschaffen, indem im Freilichtmuseum Ballenberg neben rund 90 Gebäuden um die 30 Handwerke vorgeführt werden. Aber auch Veranstaltungen ohne betriebswirtschaftliche Hintergedanken müssen bestimmten Kriterien genügen, wie bereits Ende der 70er Jahre von K. Kreilinger bemerkt wurde: Handwerkliche Vorführungen dürfen nicht nur eine «Irgendwie-Belebung» des vermeintlich «toten» Museums bedeuten. Sie haben nur dann eine Existenzberechtigung, wenn sie in die primären Aufgaben des Museums eingebunden sind. Das bedeutet, Handwerksvorführungen in einem Museum gelten als Mittel, den Bildungsauftrag des Museums erfüllen zu helfen: Sie sollen dazu beitragen, dem Museumsbesucher die ausgestellten Objekte zu erschliessen und an ihnen das historische Handwerkswesen, Traditionen und Handwerk 3/99 23


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Techniken des historischen Handwerks, aber auch den Handwerker selbst, sein Arbeiten und Wohnen, sein Leben, sein Eingebundensein in vielen historischen und sozialen Zusammenhängen näher zu bringen4.

Dokumentation beruflicher Entwicklungen Im Schweizerischen Freilichtmuseum stammen nahezu alle Handwerksstätten aus dem 19. Jahrhundert. Aus dieser Epoche sind die einzelnen Techniken und Tätigkeiten gut dokumentiert. Grundsätzlich lässt sich für diese Zeit eine Unterteilung in professionelle Gewerbe und im Nebenbetrieb ausgeübte Handwerke beobachten. Gewerbe, die hauptberuflich ausgeübt werden, verfügen über feste Einrichtungen und über typische Gebäude. Sie waren zumeist in Kleinstädten und Dörfern angesiedelt, wie beispielsweise die Mühle, die Schmiede und die Wagnerei. Andere Berufe wie Schreiner, Schuhmacher oder Metzger wurden nebenberuflich von Bauern ausgeübt, welche oft zusätzlich als Störhandwerker mit ihrem Handwerkszeug von Hof zu Hof zogen. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich eine Reihe von häuslichen Verrichtungen zu Handwerken. Alltägliche Arbeiten wurden professionalisiert. Deutlich wird dieser Wandel beim Bäckergewerbe, das sich erst nach 1820 ausserhalb der Städte durchsetzte. Vor diesem Zeitpunkt backten die Bauersfrauen selbstverständlich selbst. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich bei den Metzgern und Schnapsbrennern beobachten. Die Uhrmacherei und das Spitzenklöppeln im Jura, die Strohflechterei, welche vor allem im Sensegebiet und im Freiamt betrieben wurde; die baselländische Posamenterei; die appenzellische Stickerei; die Holzschnitzerei und die Spanschachtelherstellung im Berner Oberland – all diesen Beispielen regionaltypischer Heimindustrien und Heimatarbeiten (deren Produkte sich teils zu weltbekannten und begehrten Exportartikeln entwickelt hatten) kann man auf dem Ballenberg in den entsprechenden Häusern begegnen.

oft ihrem zweiten Beruf nachgehen mussten, wird z. B. im Webkeller des Hauses von Wattwil SG (Gebäudenummer 931) dargestellt. Inwieweit der Besucher und die Besucherin die historischen und sozialen Zusammenhänge erfassen können, bleibt schwierig abzuschätzen. Vielfach stossen jene Arbeiten auf emotionales Verständnis, welche erst bis vor kurzem zum Alltag vieler gehörten, oder immer noch ausgeübt werden. So kann man Unterhaltsarbeiten im Museum wie Zäune flicken, Dachreparaturen oder auch Garten-, Wald- und Feldarbeiten und schliesslich auch die Tierbetreuung zu jenen «belebenden Massnahmen» zählen, die unauffällig dem wissenschaftlichen Auftrag genügen, wie auch den touristischen Wünschen entgegenkommen. ■ Gabriela Niederberger

Willkommen im Handwerk! Gabriela Niederberger (29) leitet neu das Stiftungssekretariat an Stelle von Christian Sidler. Sie ist mehrheitlich in der Innerschweiz aufgewachsen und studierte nach dem Kollegi Stans Schweizer Geschichte, Neuere Allgemeine Geschichte und Deutsche Literatur in Basel. Vor dem Ballenberg hatte sie während 21⁄2 Jahren eine Hilfsassistenz am historischen Seminar Basel inne; anschliessend absolvierte sie ein Praktikum bei der Fachstelle für Gleichstellung in Liestal.

Stellenwert des Handwerks Was heutzutage gerne als Hobby und Kunsthandwerk gepflegt wird, war damals für viele Familien eine bitter notwendige zusätzliche Erwerbsmöglichkeit. Unter welchen Bedingungen diese Leute Handwerk 3/99 24


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Aufräumen, sortieren, Gedanken büscheln ... Wir wünschen besinnlich frohe Festtage, Glück und frischen Schwung im neuen Jahr. Kurszentrum Ballenberg Heimatwerk Das Team: Adrian Knüsel Lisa Fankhauser Mark Schlup Simone Schewe

Bestellkarte Kursinformationen

«Handwerk»

■ Jahresprogramm 2000 Ex. Kurzprogramme 2000 ■ ■ Informationen für Veranstalter von Kursen, Seminarien und Tagungen ■ Information über Lehrlingslager

■ Abonnement, Jahr: Fr. 24.–, Ausland Fr. 32.– ■ Probenummer Fr. 8.– ■ Ausgabe Nummer:.....

Vereinigung der Gönner ■ Ich will GönnerIn werden

Freilichtmuseum Ballenberg ■ Veranstaltungsprogramm

Ich bin interessiert an Informationen über


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Herzliche Gratulation! Den diesjährigen design preis schweiz im Bereich Textil haben Peter Birsfelder und Hugo Zumbühl gewonnen. Die beiden hatten sich bei uns im Kurszentrum kennen gelernt und zum «Teppich-Art-Team» zusammengeschlossen. Wir haben ihre wunderschönen aus Papier gewobenen Arbeiten im Handwerk 1/99 vorgestellt. Die sehenswerte Ausstellung zum design preis schweiz ist noch bis zum 9. Januar im Kunstmuseum Solothurn zu sehen. (Jeweils montags geschlossen).

Unter dem Label «Heierli» hat Susanne Marti den traditionellen Trachtenschmuck neu definiert und eine erfrischend andere Schmuckserie geschaffen. In diesem Handwerk ab Seite 18.

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