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So soll Nachhaltigkeit in Südtirol aussehen Über Visionen, Ziele, Handlungsfelder und Umsetzungsstrategien Für die Landesregierung besteht kein Zweifel, dass weder Südtirol noch die Welt derzeit nachhaltig lebt und wirtschaftet. Im Gegenteil, wir leben weit über unsere Verhältnisse hinaus und damit auf Kosten unserer Kinder. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie gibt die Landesregierung den Rahmen vor, in welchem nachhaltige Entwicklung in Südtirol stattfinden kann und soll. Nachhaltigkeit ist ein strapazierter Begriff, den jede und jeder so interpretiert, wie es gerade besser passt. Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie als Landeshauptmann? Arno Kompatscher: Nachhaltigkeit ist seit 1987 klar definiert. „Eine nachhaltige Entwicklung bezeichnet eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der jetzigen Generation dient, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden.“ Abseits von den klassischen drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökologie, Ökonomie und Soziales, steckt für mich in diesem Satz aber vor allem die Frage der Gerechtigkeit. Wie gerecht ist eine Gesellschaft, wenn sie nicht an ihre Nachkommen, ihre Kinder denkt? Und wie gerecht kann eine Gesellschaft sein, die auch es zu großen Teilen verfehlt, der „jetzigen Generation“ Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Über 80 Prozent der Weltbevölkerung lebt nicht auf dem Niveau, wie wir es in Südtirol gewohnt sind. Wenn wir die Frage der Gerechtigkeit unter uns Menschen ernst nehmen, klären sich viele Zweifel bei der Nachhaltigkeit und wir merken, dass wir noch lange nicht da sind, wo wir hinmüssen. Die Nachhaltigkeit wird gerne in einem Spannungsdreieck zwischen Ökologie, Ökonomie und Sozialem 6
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gesehen. Gelingt es der Politik, einen Ausgleich zwischen den drei Bereichen zu schaffen? Kompatscher: Ein vollständiger Ausgleich ist im aktuellen Wirtschaftsund Gesellschaftssystem zu sehr großen Teilen nur schwer möglich. Wir haben es in den letzten 250 Jahren geschafft, ökonomischen und sozialen Wohlstand bis zu einem gewissen Grad für sehr viele Menschen zu erreichen. Dabei haben wir leider außer Acht gelassen, dass dieses Schaffen unser ökologisches System an seine Grenzen bringt und somit wieder uns als Spezies Mensch gefährdet. Ein Gleichgewicht ist somit im Moment nicht vorhanden, aber wir müssen alles dafür tun, um dahin zu gelangen. Der Ausgleich wird das Ziel sein. Bis dahin müssen wir aber viele Parameter im ökonomischen und sozialen Bereich verändern. Der Südtiroler Klimaforscher Georg Kaser fordert ein negatives Wirtschaftswachstum und eine deutliche Reduzierung des Konsums. Schließen Sie sich diesen Forderungen an? Kann das gelingen?
Landeshauptmann Arno Kompatscher
Kompatscher: Es gilt als gesichert, dass wir den Problemen, die auf uns zukommen,
nicht mehr nur auf wirtschaftlicher Ebene entwachsen können. Mehr noch - gerade im allein auf positives Wachstum ausgerichteten Modell liegt eine der Wurzeln des zu lösenden Problems. Wir müssen unsere Ansprüche so verändern oder besser gesagt reduzieren, dass wir gut leben können, ohne den Raubbau an den vorhandenen Ressourcen voranzutreiben. Das ist das große Ziel. Bis dahin ist es ein weiter Weg und wir haben nur wenig Zeit. Verzicht muss in einer Überflussgesellschaft wie der unseren nicht unbedingt ein Einschnitt, ein großer Verlust sein. Wenn weniger konsumiert wird, muss auch weniger produziert werden. Ob das die einzige Lösung ist, bleibt jedoch fraglich. Die Frage ist nämlich weniger, ob der Konsum oder die Produktion steigen darf oder nicht, sondern eher auf welche Art. Wenn eine Landwirtschaft regenerativ ist, d.h. sie gibt der Natur in Summe mehr zurück als sie ihr nimmt, warum soll sie dann nicht wachsen? Wenn eine Bauwirtschaft in Kreislaufmodellen immer wieder auf die gleichen Ressourcen zurückgreifen kann und kaum neue verbraucht, warum soll sie nicht bestehen? Wir haben immer noch lineare Wirtschaftsmodelle im Kopf, die seit der Industrialisierung in uns prägend sind. In einer Welt, die sich