Arenenberg - Napoleonmuseum

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Labhards

ARENENBERG Deutschland/Österreich 7,– € Schweiz 8.– CHF

Das schönste Schloss am Bodensee


ARENENBERG Sehnsuchtsort seit mehr als 600 Jahren

Schon die Römer wussten die Schönheit dieses einzigartigen „Berges“ oberhalb des Untersees zu schätzen. Archäologische Funde lassen darauf schließen. Um was für eine Art von spätantiker Besiedlung es sich dabei handelte, bleibt allerdings im Dunkel der Geschichte verborgen. War es ein Landhaus? War es ein kleines Heiligtum? Man weiß es nicht. Die im Mittelalter für den Arenenberg gebräuchliche Bezeichnung, „Narrenberg“, deutet jedenfalls darauf hin, dass es hier noch lange Spuren aus der Spätantike zu sehen gegeben haben muss. Denn mit dem Begriff „Narr“ verband man in dieser Zeit gerne Dinge, die sehr alt waren und deren Ursprung unerklärlich schien.



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pätestens seit dem beginnenden 15. Jahrhundert steht außer Frage, dass der „Narrenberg“ ein wahrer Sehnsuchtsort ist. Er gehörte vermögenden und mächtigen Thurgauer bzw. Konstanzer Familien, die u.a. durch Fernhandel reich geworden waren und Verbindungen in die ganze, damals bekannte Welt besaßen. Sie trafen sich hier, feierten Feste und genossen die überwältigende Landschaft. Freunde und Förderer, darunter wahrscheinlich auch zahlreiche gekrönte Häupter, kamen zu Besuch und so manche diplomatische Frage dürfte hier im Grünen erörtert worden sein. Neben Repräsentation und Erholung bedeutete ein solches Gut natürlich auch einen Wirtschaftsfaktor. Ackerbau, Fischerei, Viehzucht, Obstwiesen, Gemüsegärten und vor allem Reben gehörten als wichtige Bestandteile dazu. Der „Arenen“- (sprich: „Narren“-)berger Wein galt schon im Mittelalter als begehrtes Getränk. Wie das Gut damals genau ausgesehen hat, lässt sich allerdings nur erahnen. Wahrscheinlich handelte es sich um mindestens ein in Stein gebautes Haus, zu dem weitere in Fachwerk errichtete Gebäude zählten, darunter sicher eine „Trotte“, d.h. ein „Torkel“ für den Wein. Zu den oben beschriebenen mehr landwirtschaftlich ausgerichteten Anlagen gehörte aber auch noch etwas ganz Besonders – ein ausschließlich der Erholung dienender kleiner Garten. Ein Sehnsuchtsort im wahrsten Sinne des Wortes! Doch die Zeiten änderten sich – blutige Eroberungskriege führten dazu, dass der reiche Thurgau verwüstet und Untertanengebiet wurde. Der Narrenberg blieb zwar als Weingut erhalten, verlor aber seine sonstige Funktion. Kartäuser-Mönche aus Buxheim bei Memmingen (Bayern) erwarben die Anlage und arbeiteten erfolgreich in den Rebhängen. Sie errichteten zu den bestehenden Gebäuden wahrscheinlich auch ein kleines „Klösterle“, dessen Standort unter der Bezeichnung „Eremitage“ noch heute im Landschaftspark erahnt werden kann.

Der Blick ins scheinbar Unendliche fasziniert die Besucher schon seit weit mehr als 1.000 Jahren. (Bild vorhergehende Seite) Der Arenenberg (Aharenberg) auf einem Ölgemälde aus dem Reichenauer Münster. Darunter ein heute verschwundenes kleines Gotteshaus mit Anbau.

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Im Zuge der Reformation veräußerten die Mönche das Gut. Es geriet erneut in weltlichen Besitz. Diesmal stammten die Besitzer-Familien mehrheitlich aus Konstanz und St. Gallen. Thurgauer kamen erst später wieder dazu. Ende des 16. Jahrhunderts träumte man bereits vom romantischen Mittelalter und schuf – dem Geschmack der Zeit folgend – ein Renaissance-Lustschloss, das den damaligen Vorstellungen entsprach. Ganz nach dem Vorbild Italiens entstand ein Gesamtkunstwerk, das neben dem zentralen Schloss mit Türmchen und Zinnen bereits über einen Garten mit Terrassen, Grotten und Wasserspielen verfügte. Sicher nicht ganz so kunstvoll und verschwenderisch wie in der Toskana – dazu fehlten das Geld und vor allem die begabten Handwerker, aber für die Verhältnisse nördlich der Alpen sicher ein Traum! Wieder änderten sich die Verhältnisse – die Städte und Landschaften um den Bodensee gerieten ins Abseits der Geschichte. Hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen gelang es den Einheimischen nur noch schlecht als recht, das reiche Erbe ihrer Vorfahren zu unterhalten. Gebäude verfielen und Gärten verwilderten. So auch auf dem Narrenberg, dessen Name sich allmählich zu Arenenberg veränderte. Das kurze Aufblühen im

Barock schuf zwar prächtige Kirchen und Klöster, auf die Verhältnisse am Untersee hatte es aber kaum Auswirkungen. Die Menschen hier lebten in und mit ihrer Vergangenheit und konservierten sie. Standesgemäß wohnte man in einem Konstanzer Stadthaus und kam zur Erholung auf den Arenenberg. Gärten, Wein und Landwirtschaft standen dabei im Mittelpunkt des Interesses. Umgeben von blühenden Wiesen, fruchtbaren Feldern und vor allem direkt am See, genoss man – fern von der ziemlich verarmten und stinkenden Stadt – das scheinbar heitere Leben auf dem Land. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts berichteten die Besucher von diesem Leben und erzählten schwärmerisch von der Schönheit der Landschaft. Völlig überraschend kam auch die Weltgeschichte zurück. Ein künftiger Kaiser der Franzosen, seine Mutter und seine Familie verliebten sich in den Arenenberg und prägten ihn bis heute. Behutsam modernisierten sie das Gut. Es entstand ein Landsitz mit Pariser Charme, dazu ein Landschaftspark, voll von den Spuren seiner reichen Vergangenheit. Ungezählt sind die Besucher auf dem Arenenberg dieser Jahre; viele von ihnen hinterließen Erinnerungen, in denen sie voller Wehmut und Sehnsucht an ihre Zeit am Untersee zurück denken.

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2 1 Arenenberg und Wein gehören seit vielen hundert Jahren zusammen. 2 Aus der Sicht des Besuchers bilden Museum, Shop und Bistro eine Einheit. Dazu gehören natürlich die vielen Hortensien im Park. Die Lieblingspflanze der Königin Hortense!

DER ARENENBERG HEUTE Auch als Ausflugsziel, Museum und Ort der Wissenschaft sowie Beratungszentrum steht der Arenenberg noch ganz in der Tradition des Sehnsuchtorts. Im Jahr 1906 schenkte die letzte französische Kaiserin das Anwesen dem Kanton Thurgau, der darin ein Museum errichtete und es um eine landwirtschaftliche Schule erweiterte. Beide Betriebe – Museum und Schule – repräsentieren heute den Arenenberg, zu dem eine vielfältige Gartenwelt gehört. Ihre Mitarbeiter und Ausbilder geben ihre

Liebe und ihr Wissen zum und über die Geschichte des Orts gerne an die Besucher und Schüler weiter. Alle sind eingeladen, sich vom Zauber des Schlossguts einfangen zu lassen und seine grüne Seite kennenzulernen. Dazu stehen ihnen das Museum, die Schulgärten mit Gärtnerei, Wein- und Sortengärten, der englische Landschaftspark und der mittelalterliche Patriziergarten offen.

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Verschwundene Schönheit

Kostbare Stoffe, wertvolle Tapeten und wichtige Gebäude

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1 Die Konstanzer Firma Herosé produzierte Stoffe in Erinnerung an Königin Hortense. 2 Die Fabrik lag westlich der Stadt direkt am Rhein auf der Petershauser Seite.

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ber 600 Jahre Geschichte zogen natürlich viele Veränderungen nach sich. Dies gilt besonders für die Zeit nach 1906. Während an und im heutigen Napoleonmuseum nur kleine Anpassungen vorgenommen wurden, unterzog der Kanton Thurgau die übrigen Schlossgebäude (Dépendance und Gästehaus) immer wieder großflächigen Um- und Neubauten. Für die Nutzung als Schule und Beratungszentrum selbstverständlich unumgängliche Maßnahmen. Von Veränderungen waren auch die Sammlungen und das Inventar betroffen. Manche Stücke wurden verkauft und kamen manchmal in andere Museen. So blieb im Musée de l’Impression sur Etoffes (Mulhouse, Elsass) glücklicherweise eine besondere Kostbarkeit erhalten. Ein Fragment, der sog. Hortensia-Ware. Es handelt sich dabei um Stoffe, die einst nach Entwürfen von Königin Hortense gefertigt worden waren. Die Archive des Arenenbergs sind gefüllt mit kostbaren Erinnerungen der vergangenen Pracht. Von Zeit zu Zeit dürfen sie bei Sonderausstellungen bewundert werden.

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Für immer verloren

Auf Arenenberg selbst ist wahrscheinlich der Verlust des Hoftheaters am meisten zu bedauern. Musiker wie Franz Liszt, Schriftsteller wie Alexandre Dumas und Architekten wie Karl Friedrich Schinkel haben es gesehen. Der Bau lag im später abgerissenen und anschließend neu errichteten Ostflügel der Anlage. Kurz nach 1817 gebaut, betraten es die Gäste durch einen repräsentativen, von Säulen getragenen Portikus. Im Inneren erwartete sie ein Zuschauerraum mit geschnitzten Stühlen. Die eigentliche Bühne war – soweit man weiß – halbrund und besaß gemalte Kulissen. Wie durch ein Wunder haben sich in den Sammlungen des Napoleonmuseums nicht nur die Sitzgelegenheiten, sondern auch Fragmente der Wanddekoration erhalten. Sie zeugen von der schlichten Schönheit des Theaters.

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1, 2 Fragmente der ursprünglichen Wandbespannung des Hoftheaters 3 Das Nordportal des Theaterflügels 4 Nordportal und ein Teil der Außenwand des Theaters 5 Stuhl aus dem einstigen Theaterraum

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DAS SCHLOSS Vom edlen Patriziersitz zum Museum

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Als „Schloss“ bezeichnet man heute das Napoleonmuseum, obwohl es nur ein kleiner Teil davon ist. In seinen Mauern haben fast alle vergangenen Epochen Spuren hinterlassen.

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HEINRICH VON TETTIKOVEN (? – 1438) Der adlige Patrizier aus Konstanz kaufte den Narrenberg 1432 seinem Schwiegervater Hans Frig ab. Auf ihn folgte das ursprünglich bürgerliche Geschlecht der Brisacher. Die Mitglieder dieser Familie dienten drei Kaisern bzw. Königen hintereinander als Berater, waren aber auch im Tuchhandel tätig. Aufgrund ihres großen Reichtums und ihrer Erhebung in den Adelsstand galten sie als „die“ Aufsteiger des 15. Jahrhunderts. Appollonia Humpis, die Witwe des letzten Brisachers, veräußerte den Narrenberg im Jahr 1500 an Henni Neukomm, einen Kaufmann aus Lindau. Er besaß ihn bis 1512. Dann gehörte das Gut dem Kartäuser Kloster in Buxheim bei Memmingen. Anschließend geriet es wieder in Privatbesitz.

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om Narrenberg genannten Gut des späten Mittelalters scheinen sich kaum Spuren erhalten zu haben. Lediglich in den Gewölben des historischen Weinkellers und im Mauerwerk des heutigen Napoleonmuseums vermutet man Reste davon. Anhand von Urkunden lässt sich sein Aussehen allerdings gut beschreiben: Auf der Liegenschaft befanden sich mehrere Häuser, mindestens eines davon aus Stein. Dazu ein Bauernhof, ein Torkel, zwei Weingärten, ein (Lust-) Garten, Brunnen, Wiesen und Felder, Weiden, Quellen, Wald, Fischereirechte und eine Anlegestelle für Schiffe. Auch seine Besitzer sind bekannt. Der zweite, Heinrich von Tettikoven, wurde sogar in der Chronik des Konstanzer Konzils portraitiert. Eine große Seltenheit für das 15. Jahrhundert! Im Gegensatz zu den Bauten des 15. Jahrhunderts ist die Schlossanlage zwischen dem 16. und beginnenden 19. Jahrhundert noch heute an vielen Stellen nachvollziehbar. Neben einem Haupthaus besaß sie zwei weitere Gebäude und eine mit Zinnen bewehrte Umfassungsmauer, die mit verschiedenen Türmen verstärkt war. Daraus darf man aber nicht schließen, es handelte sich um Verteidigungseinrichtungen. Die Mauern und Türme waren nur noch reine Zierelemente. Eine zeitgenössische Chronik berichtet, der Narrenberg gehöre dem Konstanzer Bürgermeister Sebastian Geissberg. Er habe ihn komplett neu als Lustschloss erbauen bzw. anlegen lassen. Auf


ANTON PROSPER VON STRENG (1694 – 1781) Ursprünglich in den Diensten der Fürsten von Fürstenberg stehend, entschied sich Anton Prosper von Streng für eine Verwaltungslaufbahn in der vorderösterreichischen Stadt Konstanz. An deren Ende stand das Amt des Bürgermeisters. In den Besitz des Arenenbergs kam er durch seinen Schwiegervater, den Thurgauer Freiherren Karl Anton von Rüpplin und Keffikon. Dieser hatte das Gut für seine Tochter, deren Mann und die gemeinsamen fünf Kinder gekauft. Neben dem Arenenberg besaß Anton Prosper von Streng noch ein Palais in der Konstanzer Inselgasse und ein weiteres Landgut an der sog. Schmugglerbucht in Konstanz. Nach dem Tod seiner Frau widmete er sich der Theologie, wurde Pfarrer und starb hoch betagt auf dem Arenenberg.

1 1 Die Reichsstadt Konstanz im späten Mittelalter. Links oben ein patrizischer Landsitz im Thurgau 2 Bei dieser Kreuzabnahme handelt es sich um das Gemälde eines unbekannten Meisters. Es stammt vermutlich aus der alten Arenenberger Schlosskapelle.

Geissberg folgten als Besitzer unterschiedliche Konstanzer, St. Galler und Thurgauer Familien, die teilweise auf dem Narrenberg selbst wohnten. Sie gehörten sowohl dem weltlichen wie auch dem geistlichen Stand an. Daneben besaßen sie aber meist noch einen Stadtsitz in Konstanz. Zusammen mit Verwaltern und Taglöhnern unterhielten sie die im Schnitt ca. 15 Hektar große Landwirtschaft. Im Mittelpunkt stand dabei vor allem der Rebbau. Auch ein offizieller Weinausschank lässt sich zeitweise nachweisen. Eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten stellte wohl Anton Prosper von Streng dar.

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Sein Enkel, Johann Baptist von Streng, verkaufte den Arenenberg schließlich im Februar 1817 Hortense de Beauharnais, Duchesse de Saint-Leu, frühere Königin von Holland. Die ursprüngliche Inneneinrichtung des Schlosses blieb wohl im von Streng’schen bzw. von Rüpplin’schen Familienbesitz. Über ihren Verbleib ist nicht viel bekannt. Ein im Kunsthandel aufgetauchtes Gemälde soll aus der Arenenberger Schlosskapelle dieser Zeit stammen. Es zeugt von der hohen Qualität der damaligen Möblierung. Hortense de Beauharnais kaufte das Schloss ohne Möbel und begann sofort mit Umbaumaßnahmen.

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1 1 Der Salon von Königin Hortense, auch „Zeltzimmer“ genannt. 2 Das herrschaftliche Kaiserbad im Prinzenflügel 3 Der Arenenberg um 1832. Von links: das sog. Schloss, die Kapelle, die Dépendance mit Prinzen-, Süd-, Nord- und Theaterflügel. Davor der Torkel. Er wird später zum Gästehaus umgebaut.

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HORTENSE DE BEAUHARNAIS Ihre Baumaßnahmen prägen den Arenenberg bis heute. Die Mauern, Türme

und Nebengebäude aus dem späten Mittelalter bzw. der Renaissance verschwanden. An deren Stelle trat die um 1820 neu gebaute Dépendance mit ihren vier Flügeln: 1. Der zweigeschossige „Prinzenflügel“ im Westen für den Verwalter, die

Küche und das herrschaftliche Badezimmer. Die Räume sind heute noch weitgehend historisch erhalten. Im Erdgeschoss befinden sich das Infozentrum / Shop / Cinéma und Kaiserbad. Im OG die Wohnung des Prinzen Louis Napoléon (heute Administration des Napoleonmuseums). 2. Der eingeschossige Südflügel mit Zimmern für Mägde und Knechte und

Räumen für die Landwirtschaft. Heute großteils neu gebaut. Im Erdgeschoss Schulzimmer / Empfang des Bildungs- und Beratungszentrums, in den Obergeschossen Seminarräume und Hotelzimmer.

HORTENSE DE BEAUHARNAIS (1783 – 1837) Die Tochter Joséphines, der geliebten Frau Napoleons I., wurde mit Louis Bonaparte, dem späteren König von Holland und bevorzugten Bruder des Kaisers verheiratet. Nach seinem Willen sollten die Kinder der beiden die Dynastie der Bonapartes auf dem französischen Kaiserthron weiterführen. Die Ehe zwischen Hortense und Louis war sehr schlecht; es kam zur Trennung. Nach dem Tod ihrer Mutter übernahm Hortense 1815 am Hof deren Position als Première Dame de France, als First Lady Frankreichs. Bei der Rückkehr der Bourbonen als Könige musste sie Frankreich verlassen und floh mit ihrem Sohn Louis Napoléon nach Konstanz und später auf den Arenenberg. Dort starb sie 1837.

3. Der eingeschossige Nordflügel für Stallungen und für die Landwirtschaft.

Heute ein kompletter Neubau. Im Erdgeschoss Bistro Louis Napoléon, im Obergeschoss Hotelzimmer.

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1 1 Der Speisesalon wurde ebenfalls als Zelt gestaltet. 2 Billard war ein beliebtes Freizeitvergnügen. 3 Das Schlaf- und Sterbezimmer von Königin Hortense – unverändert seit ihrem Tod.

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4. Der eingeschossige „Theaterflügel“ im Osten mit dem Hoftheater, der

Wohnung des Gärtnergesellen und der Orangerie. Heute ein kompletter Neubau. Im Erdgeschoss Küche, in den Obergeschossen Seminarräume und Hotelzimmer. Der historische Weinkeller aus dem Mittelalter wurde erweitert (heute Ver-

anstaltungsraum) und das sog. „Untere Haus“ am östlichen Parkeingang als Wohnung für den Gärtner und den Obergärtner bestimmt (heute Mitarbeiterwohnung des Bildungs- und Beratungszentum). Zusätzlich ließ die Königin einen neuen Torkel errichten, der unter ihrem Sohn, Kaiser Napoleon III., durch Gästezimmer erweitert wurde (heute Bibliothek / Sammlungen / wissenschaftlicher und didaktischer Bereich des Napoleonmuseums). Zu Beginn der 1830er Jahre folgte die Hofkapelle als Neubau. In den Gärten kam es zu Verschönerungen. Der heute gerne als „Schloss“ bezeichnete zentrale Bau des 16. Jahrhun-

derts (das Napoleonmuseum), erhielt eine völlig neue Fassadengestaltung und im Süden einer zunächst eingeschossigen Erweiterung. Kaiserin Eugénie, die Frau Napoleons III., vergrößerte diesen Anbau um ein zweites Stockwerk und die Panoramaerker im Westen.

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PRINZ LOUIS NAPOLÉON / KAISER NAPOLEON III. (1808 – 1873) Das einzige überlebende Kind von Louis Bonaparte und Hortense de Beauharnais kam mit seiner Mutter 1815 an den Bodensee und wuchs mit Unterbrechungen hier auf. Seit 1832 galt er als der unbestrittene Anwärter auf den französischen Kaiserthron. Nach einem ersten Putsch in Frankreich wurde er in die USA verbannt, kehrte aber auf den Arenenberg zurück und lebte bis Ende 1838 abwechselnd dort bzw. im Schloss Gottlieben bei Konstanz. Nach vielen Umwegen wählten ihn die Franzosen 1848 zum Präsidenten der Zweiten Republik, vier Jahre später per Volksabstimmung zum Kaiser. 1870 setzten der preußisch-französische Krieg und eine Revolution seiner Herrschaft ein Ende. Er starb 1873 im englischen Exil. Obwohl er den Bodensee immer als seine „Heimat“ bezeichnete, kehrte er bis zu seinem Tod nur noch ein einziges Mal auf den Arenenberg zurück.

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Im repräsentativen Bibliothekssalon empfing die kaiserliche Familie ihr unbekannte Gäste. Bei geselligen Abenden versammelte man sich hier z.B., um Zeitung zu lesen, Bßcher zu schreiben oder sich mit Spielen die Zeit zu vertreiben.


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NAPOLEONMUSEUM Das Äußere und Innere des Museums entspricht dank sorgfältiger wissen-

schaftlicher Forschungen und Restaurierungsmaßnahmen der vergangenen Jahre wieder weitestgehend dem Zustand der Kaiserzeit. Im Erdgeschoss findet der Besucher Salons, die schon damals dem gesellschaftlichen Leben vorbehalten waren. Die Beletage gehört zu den Privaträumen der kaiserlichen Familie, das zweite Obergeschoss beinhaltet die Appartements der Gesellschaftsdamen. Und im dritten Obergeschoss schließlich liegen die Mansarden für die Kammerfrauen.

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1 Im Boudoir verrichtete man kleinere Näharbeiten oder schrieb kurze Notizen. 2 Der wahrscheinlich intimste Raum des Schlosses. 3 Die kleine Privatbibliothek befand sich im Arbeitszimmer der Königin. Hier erledigte sie ihre Korrespondenz, hier bewahrte sie geheime Schriftstücke auf.

SCHLOSS Viele Besucher stehen vor dem Gebäude und fragen sich, wo denn eigentlich

das „Schloss“ sei. Sie erliegen dabei einer seit Jahrzehnten sorgfältig gepflegten sprachlichen Verwirrung – der Behauptung, dass „nur“ das heutige Napoleonmuseum Schloss Arenenberg sei. Mit der Bezeichnung, „Schloss Arenenberg“, ist seit jeher der gesamte Arenenberg gemeint. Das heißt, die Gebäude des heutigen Bildungs- und Beratungszentrums genauso, wie der Komplex des Napoleonmuseums. Sie bilden zusammen die Nachfolge des mittelalterlichen bis neuzeitlichen Schlossguts. Dies hatte 1906, im Jahr der Schenkung, auch der Kanton Thurgau als neuer Besitzer erkannt. Er gab den beiden neu entstandenen Betrieben Bezeichnungen, die der Tradition des Schlossguts Rechnung trugen: Napoleonisches Museum im Schloss Arenenberg und Landwirtschaftliche (Winter-)Schule im Schloss Arenenberg. Später distanzierte sich der Bildungsbereich vom gemeinsamen Erbe; der Begriff „Schloss“ wurde konsequent nur noch für das Museum verwendet.

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1 Arbeitszimmer des Kaiserlichen Prinzen. 2 Im Oberen Seesalon. 3 Der Salon der Kaiserin besticht durch den Stil des Zweiten Empires.

KAISERIN EUGÉNIE (1826 – 1920) Die aus einer spanisch-irischen Grandenfamilie stammende Adlige heiratete Napoleon III. erst 1852. Drei Jahre später brachte sie den Thronfolger, Louis Napoléon, zur Welt. Den Arenenberg lernte sie zunächst bei einem Besuch 1865 kennen. Erst nach dem Tod ihres Mannes wuchs ihr Interesse an der Liegenschaft. Zusammen mit ihrem Sohn verbrachte sie bis 1878 die Sommermonate am See. Der Kronprinz starb allerdings ein Jahr später in britischen Diensten; die Kaiserin orientierte sich danach um und kam nur noch selten auf den Arenenberg.

Für Außenstehende ist es schwierig zu verstehen, dass im „Gesamtkunstwerk Napoleonmuseum“ manchmal mehrere Zeitebenen aufeinander treffen und damit sichtbar werden. So finden sich allein aus der Zeit von Königin Hortense drei Bauphasen. Nach ihrem Tod führt ihr Sohn Prinz Louis Napoléon die Arbeiten fort, orientiert sich dabei allerdings am Geschmack seiner Mutter. Karl Keller, an den das Schloss 1843 verkauft worden war, nimmt keine Veränderungen vor – im Gegenteil. Die Liegenschaft verkommt in dieser Zeit zusehends. 1855 kauft Kaiser Napoleon III. den Arenenberg zurück und ordnet eine erste Restaurierung der bestehenden Anlage an. Dabei legte er fest, dass am Stil seiner Mutter nichts oder nur wenig verändert werden dürfe. Diese Maßnahmen bzw. Modernisierungen laufen über Jahrzehnte und ziehen sich bis zu seinem Tod hin. Ab 1874 werden sie von Kaiserin Eugénie, seiner Witwe, fortgesetzt und nach eigenem Stilempfinden ergänzt. 1906 verschenkt die Kaiserin das Schloss an den Kanton Thurgau. Auch aus dieser Phase sind Eingriffe sichtbar. Allerdings herrscht bei der Denkmalpflege und Museumsdirektion heute die Überzeugung vor, dass die Veränderungen des 20. Jahrhunderts im Laufe der Zeit wieder zugunsten des kaiserlichen Zustands entfernt werden. 3

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KANTON THURGAU

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Der Kaiserliche Prinz freut sich über sein Kinderzimmer. Auch auf Türknöpfen prangen die Insignien der Familie Bonaparte. Das Schlafzimmer von Kaiserin Eugénie. Der Pleasureground neben dem Schloss wurde im 20. Jahrhundert stark verändert. Die Tore des Historischen Weinkellers öffnen sich momentan nur bei Führungen und Weinproben.

1906 verschenkte Kaiserin Eugénie das Schlossgut an den Kanton Thurgau. Sie knüpfte an ihre Donation drei zentrale Bedingungen: Der Kernbereich dürfe niemals veräußert, und in den Gebäuden müsse eine öffentliche Nutzung (Museum und Schule) eingerichtet werden. Außerdem legte sie fest, dass für einen Zeitraum von 100 Jahren in der Schlosskapelle jährlich mehrere Gottesdienste für sie und ihre Familie zu feiern seien. Der Kanton akzeptierte diese Bedingungen, modernisierte die Schlossgebäude aber nach dem Geschmack der Zeit bzw. nach praktischen Gesichtspunkten. Für den Schulbetrieb wurden zusätzliche Bauten errichtet, deren Architektur dem Zauber des Ortes leider nur wenig Rechnung trug. Die Baumaßnahmen der letzten Jahre stehen allerdings unter dem Zeichen, die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen zu wollen und – wo möglich – auf dem Arenenberg wieder eine Harmonisierung herbeizuführen.

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DIE SCHLOSSKAPELLE Für die einen das Himmelreich, für die anderen „nur“ ein Gotisches Zimmer

Heute steht sie weit oben auf der Liste der 50 schönsten Orte

zum Heiraten in der Schweiz und wird mit romantischen Begriffen wie „Ganz intim“ in Verbindung gebracht. Ihre Grundmauern reichen sogar ins späte Mittelalter zurück.

Königin Hortense kaufte gerne Kunstgegenstände aus aufgelösten Kirchen und Klöstern. Dieser Altar wurde von einem Konstanzer Goldschmied neu zusammen gesetzt.

Kein Wunder, dass seit damals hier die sog. „Himmelsleiter“ endet. Symbolisch führt sie aus den feuchten Niederungen des Parks, dem mittelalterlichen „Jammertal auf Erden“, direkt ins „Himmelreich“. Viele Besucher bezeichnen die Kapelle als die „Schöne am See“, denn sie wurde direkt gegenüber der ehrwürdigen Reichenauer Klosterkirche erbaut. Von hier aus blickt man über den Untersee auf den Bodanrück sowie den Hegau und weiter über den Überlinger See in den Linzgau. Eine wahrhaft „himmlische“ Aussicht!

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Ursprünglich erfüllte die Kapelle aber nicht nur den Zweck eines Gotteshauses. Als Königin Hortense sie erbauen ließ, wünschte sie sich zusätzlich noch ein „Gotisches Zimmer“ in ihrem Garten. Und so sollte es kommen. Joseph von Lassberg, Schwager der berühmten Annette von Droste-Hülshoff, lieferte die Ideen. Eine Besucherin erinnert sich: „Man steigt mehrere Stufen zur Türe hinan; das Innere sieht wie ein gotisches Zimmer aus; […] Den Hintergrund erblickt man erst, wenn die großen Flügeltüren der hinteren Wand aufgetan werden, wo sich auf einigen Stufen ein schön geschmückter Altar befindet.“

1 Die im Jahr 1832 neu erbaute Kapelle auf einem zeitgenössischen Ölgemälde 2 Das Innere der Kapelle präsentiert sich als romantisches Gotteshaus, in dem auch immer wieder Konzerte durchgeführt werden.

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Die Gartenwelt

Der Arenenberg war schon immer von vielfältigen Gärten umgeben. Die heutige Gartenwelt ermöglicht auf kleinstem Raum eine Reise durch die Gartentrends der letzten 600 Jahre.


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S P Ä T M I T T E L A LT E R – E I N G A R T E N F Ü R D I E F A M I L I E N V O N T E T T I KO V E N U N D B R I S A C H E R Dass schon in römischer Zeit auf dem Arenenberg Gärten bestanden, lässt sich zwar annehmen, aber nicht beweisen. Es fehlen aussagekräftige Befunde für das spätantike Leben hier. Dies ändert sich im Mittelalter – Urkunden aus dem Schlossarchiv belegen sämtliche Arten von damals bekannten Gärten: Wein-, Gemüse und Obstgärten bis hin zu einem Lustgarten für die adligen Besitzer. Wo dieser „Patriziergarten“ stand, bleibt unklar. Wahrscheinlich in direkter Nähe des aus Stein gebauten Haupthauses, nach Süden orientiert und innerhalb einer Umzäunung. Da weder das genaue Aussehen, noch der ursprüngliche Platz bekannt sind, wurde der Patriziergarten nach den Schriften von Albertus Magnus und Petrus de Crescentiis rekonstruiert. Beide lassen sich sowohl in Thurgauer-, wie auch in Konstanzer Klosterbibliotheken nachweisen.

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1 Der rekonstruierte mittelalterliche Patriziergarten im südwestlichen Teil der Gartenwelt. 2 Spätestens seit 1539 folgen die Arenenberger Gärten dem Ideal der Renaissance. Sie ziehen sich in mehreren Terrassen zum See hin und sind perspektivisch angelegt. 3 Die sog. „Tunnelgrotte“ reicht mindestens ins 16. Jahrhundert zurück. Im späten 19. Jahrhundert wurde sie zu einem „Latrinenstollen“ umfunktioniert.

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RENAISSANCE – DER GARTEN UND SEINER NACHFOLGER

DES

SEBASTIAN GEISSBERG

Mit dem nach 1539 auf dem Narrenberg errichteten Lustschloss änderte sich auch die Gartensituation. Die neue Anlage orientierte sich nun nach Norden, Richtung See. Ganz nach dem Vorbild der italienischen Renaissance entstanden Terrassen, Wasserspiele und Grotten, deren Spuren teilweise heute noch gut erkennbar sind. Natürlich darf man sich bei der Vorstellung eines solchen Gartens nicht an der Kunstfertigkeit toskanischer Landgüter orientieren, dazu fehlten am Bodensee sicher das handwerkliche Können und auch das Geld. Aber die Besitzer des Narrenbergs besaßen beste Beziehungen in den Raum südlich der Alpen und konnten den hiesigen Baumeistern Angaben über die Ideen der Renaissance machen. Die Nutzgärten wurden teilweise neu angelegt und – wie in dieser Zeit üblich – auch in den Lustgarten integriert. Im Mittelpunkt standen die Reb- und Obstgärten. Felder, Wiesen und Wälder schienen nur von untergeordneter Bedeutung.

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1 1 Der Pleasureground neben dem Schloss wurde erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts zu einem kleinen französischen Barockgarten umgestaltet. 2 Ursprünglich zog sich der Rebgarten bis zum Schloss hin. Um 1830 wurde er an dieser Stelle verkleinert.

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BAROCK – D E R G A RT E N

DER

FA M I L I E N

VON

RÜPPLIN

UND VON

STRENG

Einen originalen Barockgarten hat es auf dem Arenenberg nie gegeben. Dazu eigneten sich weder die umliegende Landschaft noch die Schlossanlage. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde allerdings der Pleasureground südlich des Napoleonmuseums im Sinne des Barocks grundlegend verändert. Dabei verfolgten alle Beteiligten die Idee, dass „ein französisches Schloss auch einen französischen Garten brauche“. Somit entstand eine Rasenfläche mit übergroßem Springbrunnen, geometrischen Buchseinfassungen und Blumenschmuck. Dazu gesellten sich Figuren aus Buntsandstein, die von einem Barockschlösschen aus der Umgebung stammten. Das Ensemble sollte an Versailles erinnern.

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DER LANDSCHAFTSGARTEN – EIN WERK VON KÖNIGIN HORTENSE Ob die spätestens im 18. Jahrhundert bereits vorhandene Eremitage und der Parkwald mit seinem klar definierten Jagdrevier als Teil eines frühen Landschaftsgartens zu sehen oder eher der Renaissance zuzuordnen ist, bleibt dahingestellt. Sicher gehört der 1816 durch Hortense de Beauharnais skizzierte erste „kaiserliche“ Park zu dieser Gattung. Nach Bekunden von Zeitzeugen übernahm die Königin einige Details aus den früheren Anlagen (z.B. Wasserspiele, Grotten, Eremitage), ließ dafür aber andere typische Elemente wie die Terrassen weitgehend einebnen. Ortsbezeichnungen wie die „Italienische Terrasse“ erinnern noch an den Garten der Renaissance. Die Königin legte das heute wieder vorhandene Wegesystem an und sorgte für eine ausgefeilte moderne Wasserversorgung. Diese brauchte die Monarchin, um wichtige Neuerungen wie die „Grosse Fontaine“ ausreichend „bespielen“ zu können. In dieser Zeit entstand auch eine erste Orangerie auf Arenenberg. Sie lag am südlichen Ende des Theaterflügels, neben der Wohnung des Gärtnergesellen. Ebenfalls in diese Zeit geht der Potager, der Gemüsegarten zurück. Er befand sich zwischen dem späteren Gästehaus und der Orangerie – genau dort, wo in der Renaissance und vielleicht schon im Mittelalter das „Krautgärtlein“ gestanden hatte. Obstgärten und Felder blieben bestehen. Einzig die Rebgärten veränderten sich ebenfalls: Königin Hortense liebte die Weinlese!

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1 Rechts neben dem Gästehaus lag der Gemüsegarten. Er wurde im Osten von der Orangerie begrenzt. 2 Die Italienische Terrasse ist Richtung See von typischen Buchssträuchern umgeben.

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EKLEKTIZISMUS – N A P O L E O N III. A U C H

EIN

„P A R KO M A N E “

Beeinflusst durch das Werk und die Person des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau überformten Prinz Louis Napoléon sowie seine Mutter den Landschaftsgarten. Sie brachten exotische Pflanzen ein und schufen ein Arboretum, von dem heute allerdings praktisch nichts mehr erhalten ist. Außerdem veränderten sie durch massive Erdbewegungen die Landschaft vor dem Museum und gaben ihr das heutige Aussehen. Bunte Blumenschiffe wurden vor der Eremitage angelegt, der Pleasureground entwickelte sich zu einem Teppichparterre, in dem Beete und Rabatten sich zu geometrischen Figuren vereinigten. Später kam ein kleiner Springbrunnen hinzu. Auch als Kaiser blieb Louis Napoléon seiner Linie treu – er ließ die Arenenberger Gärten konsequent im Pückler’schen Sinne durch einen Schüler des Fürsten weiter pflegen. Dazu zählten natürlich auch die Nutzgärten, in deren Tradition die heutigen Schulgärten weitergeführt werden.

3 1,3 Rings um die Eremitage herrscht üppige Blütenpracht soweit das Auge reicht. 2 Reste des Arboretums an einem Nachmittag im Herbst. 4 Der älteste erhaltene Parkplan stammt von 1835, wurde aber später mehrfach überarbeitet.

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Neue Horizonte D A S 20. J A H R H U N D E R T Mit dem Übergang der Liegenschaft an den Kanton Thurgau änderten sich die Verhältnisse grundlegend. Das einst zusammengehörende „Schlossgut“ wurde in ein Museum, eine Schule und einen Gutsbetrieb aufgeteilt. Für einen adligen Garten, der ausschließlich der Erbauung diente, war kein Platz mehr. Die Gärtnerei blieb zwar bestehen, wurde aber dem Gutsbetrieb zugeteilt und erhielt den Auftrag, alles unter landwirtschaftlichen und schulischen Gesichtspunkten zu vereinfachen. So verschwanden nicht nur die bunten Blumenschiffe, die Wasserspiele und die Eremitage. Das Arboretum diente fortan zu Ausbildungszwecken und wurde immer lichter, bis kaum mehr etwas davon vorhanden war. Andere Bereiche verwilderten und wurden als Deponie für den Schutt der Schulneubauten genutzt. Alle Schönheit und Geschichte schien unwiederbringlich verloren. Doch oftmals kommt es anders als gedacht: Georg Alfons Simon, dem letzten kaiserlichen- und ersten kantonalen Gärtner in Diensten der Landwirtschaftlichen Schule, ist es zu verdanken, dass der Garten von Königin Hortense und ihrem Sohn heute wieder in seiner ursprünglichen Schönheit erstrahlen darf. Vehement wehrte er sich gegen die Zerstörung „seines Parks“ und widersetzte sich den Anweisungen dazu. Mit umsichtigen Schutzmaßnahmen sorgte er für den Erhalt von Grotten, Wegen und Fontänen. Von ihm sorgfältig mit Erde bedeckt, gerieten sie bald in Vergessenheit. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wiederentdeckt, bewundern heute alle Gäste diese Zeugen einer 600jährigen Geschichte. Im Gegensatz zu den „Lustgärten“ erhielten die „Nutzgärten“ eine erheblich größere Beachtung. Wein- und Obstbau, Gemüse- und Ackergärten wurden erweitert. Ein Bildungs- und Beratungsbetrieb entstand, auch die einstige kaiserliche Hofgärtnerei erhielt einen Lehrauftrag. Zusätzlich gewann die auf Arenenberg bisher kaum vorhandene Viehwirtschaft stark an Bedeutung. Aus dem einstigen Schlossgut entwickelte sich so das weit über die Grenzen hinaus renommierte Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg.

1 Der „Situationsplan“ von 1907 zeigt die bald nach der Schenkung durchgeführten Veränderungen 2 Museum und Schule um die Mitte des 20. Jahrhunderts. In der Mitte ist der Potager deutlich zu erkennen. 3 Anstelle des „Theaterflügels“ entstand im Osten der Dépendance ein zeitgemäßer Schulbau. 4, 5, 6 Impressionen aus den Schulgärten des 21. Jahrhunderts

DIE GEGENWART Erst mit dem Jahrhundertwechsel kam es wieder zu Veränderungen. Der Freundeskreis des Napoleonmuseums, die Stiftung Napoleon III., nahm sich mit Unterstützung der Thurgauer Regierung der Erforschung und der Wiederherstellung der Gärten an. Verschüttete Bereiche wurden wieder ausgegraben und restauriert. Verlorene Einbauten – wie die „Himmelsleiter“ unter Beachtung der historischen Gegebenheiten neu interpretiert. Dank zahlreicher privater Sponsoren konnte so schon 2008 ein erster Teil des restaurierten Parks der Öffentlichkeit übergeben werden. Allerdings ist die Arbeit noch lange nicht abgeschlossen. In den Rebhängen, im Parkwald, bei der Serpentine und vor allem in und um die Schlucht am östlichen Parkeingang liegen noch viele spannende Dinge verborgen. Es gilt, den Potager auszugraben und die Geschichte des Weinbaus zu erforschen. Was wurde seit dem Mittelalter auf dem Arenenberg angebaut? Welche Tiere hielt man hier? Im Stillen haben die Wissenschaftler des Museums nie aufgehört, sich mit den Gärten zu beschäftigen – neue Erkenntnisse liegen längst in den Schubladen und warten nur darauf, präsentiert zu werden. Ab 2016 führt ein neuer Rundweg die Besucher durch die Arenenberger Gartenwelt. Die Schulgärten des Bildungs- und Beratungszentrums sind ein wesentlicher Bestandteil davon.

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Auf Arenenberg erzählt jeder Stein, jede Pflanze und jedes Lebewesen Geschichte(n). Eine einzigartige Konstellation.

Das lebendige Erbe


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1,2 Auch im 21. Jahrhundert kann auf Handarbeit nicht verzichtet werden.

Zurück in die Zukunft Der Arenenberg von heute präsentiert sich seinen Gästen als ein lebendiger Standort mit vielseitigen Schwerpunkten. Kultur, Tourismus, Forschung, Bildung und Beratung stellen dabei die zentralen Säulen dar. Trotzdem nehmen die Besucher nicht alle Bereiche gleichermaßen wahr. Landwirtschaft, Weingut und Gärtnerei gehören wie Bildung und Beratung zu den klassischen Aufgaben des BBZ Arenenberg. Unter seinem Dach beheimatet sind aber auch die neuen Segmente, wie z. B. die Schweizer Musikinstrumentenbauer sowie Seminare und Tagungen bzw. die Gastronomie, die das Bild abrunden. Zum Napoleonmuseum gehören neben dem sogenannten „Schloss“, der Shop und das Informationszentrum für den Tourismus-Standort Arenenberg. Dazu die Hofkapelle sowie die historischen Gärten mit ihren verschiedenen Attraktionen und Gebäuden. Für den Publikumsverkehr nicht zugänglich ist ein Forschungszentrum, das umfangreiche Sammlungen verschiedener Fachrichtungen sowie eine napoleonische Spezialbibliothek unterhält. Dieser Aufteilung folgend, sind die Aufgaben des Museums entsprechend vielfältig. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Bewahrung, Erforschung, Präsentation und Vermittlung der napoleonischen Geschichte im deutschsprachigen Raum mit einem Schwerpunkt auf den Beginn des 19. Jahrhunderts.

Als neuer Zweig trat die Geschichte des europäischen Gartenbaus hinzu, deren Epochen sich in der Arenenberger Gartenwelt widerspiegeln. Forschung und Museum sind stark international ausgerichtet und arbeiten eng mit in- und ausländischen Instituten zusammen. Bei der Wissensvermittlung spielt die Erlebnisinszenierung eine immer wichtigere Rolle. Im Unterschied zu einem eher klassischen Museumsstandort zeichnet sich der Arenenberg traditionell als wichtiges Ausflugsziel bzw. kulturtouristischer Informations- und Anziehungspunkt des Kantons Thurgau und der Bodensee-Region aus. Die Betreuung dieses Bereichs zählt seit mehr als 100 Jahren ebenfalls zu den Aufgaben des Napoleonmuseums. Sein breitgefächerter Museumsshop reiht sich nahtlos in die Palette eines attraktiven Tourismusstandortes ein, zu dem natürlich auch die gastronomischen Angebote des BBZ-Arenenbergs gehören. Den Vorstellungen der kaiserlichen Familie folgend, präsentiert sich der Arenenberg so als internationales Bildungs-, Beratungs- und Forschungszentrum bzw. als Treffpunkt für napoleonische Geschichte, für historische Gärten und Lernort für modernen Gartenbau. Eine attraktive Mischung für alle Besucher!

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ZU GAST

auf dem Arenenberg

Gastlichkeit hat auf dem Arenenberg eine lange Tradition. Schon

die mittelalterlichen Besitzer des Narrenbergs bewirteten hier oben gerne ihre vielfältigen Gäste. Dabei kamen genauso Obst und Gemüse wie Feldfrüchte, Fische aus dem See sowie Geflügel und Fleisch aus den heimischen Stallungen auf den Tisch. Diese Tradition setzte sich in der Zeit von Königin Hortense und Kaiser Napoleon III. fort. Ein Potager lieferte das Gemüse, der Gutsbetrieb Fleisch, Milch und Eier, der See die Fische und die Felder bzw. benachbarte Höfe weitere Grundnahrungsmittel. Nicht zu vergessen natürlich, die umliegenden Wälder auf der Thurgauer – und der badischen Seite des Untersees mit ihrem reichen Wildbestand. Dîner wurde gegen 18 Uhr gereicht. Dabei orientierten sich die Köchinnen und Köche des Hofes sowohl an der gehobenen französischen, wie auch an der bodenständigen einheimischen Küche. „Das Essen wurde auf Silber und schönem Porzellan

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aufgetragen, erst auf silberne Réchauds gesetzt, dann die einzelnen Platten serviert. Die Suppe wurde nur in Tellern herum gegeben. Es waren etwa acht Gerichte, nebst einigen kleinen Assietten und Dessert. Die Speisen waren gut, elegant serviert, aber doch nicht auffallend luxuriös“ (Klara von Greyerz). Leider fehlt ein handgeschriebenes Kochbuch des Arenenbergs, aber alte Familien aus Konstanz und dem Thurgau pflegen bis heute „kaiserliche Rezepte“ und geben sie von Generation zu Generation weiter. Für Besucher, die länger blieben, stand nicht nur ein Bett, sondern sogar ein separates Gästehaus zur Verfügung. Kein Wunder also, dass sich die Abteilung Seminare und Tagungen bis heute dieser Tradition verpflichtet fühlt. Unter dem Motto „saisonal, regional – immer frisch“ bietet die Arenenberger Gastronomie regionale Köstlichkeiten an und in der Hotellerie stehen für Gäste 85 Betten zur Verfügung. Kulinarische Workshops ergänzen das Angebot.


Zwei Arenenberger Rezepte aus der Zeit von Kรถnigin Hortense, aufbewahrt in einem handgeschriebenen Familienkochbuch.

Die Geschichte | A R E N E N B E R G 49


WEINBAU am Arenenberg Aufgrund verschiedener Scherben von spätantiken Trinkgefäßen

lässt sich vermuten, dass schon die Römer auf Arenenberg Wein kultivierten. Erste schriftliche Nachweise dafür finden sich in Urkunden, die mit dem Jahr 1400 beginnen. Darin werden verschiedene Weinberge genannt, ein Torkel und natürlich auch „Rebmänner“, die für den Unterhalt, aber auch die Produktion des Weines notwendig waren. Sie alle unterstanden der Konstanzer Rebleute-Zunft, die bis ins Detail auf die Einhaltung ihrer Satzungen und natürlich auch der Qualität achtete. Schon damals muss der „Narrenberger“ Wein ein erlesener Tropfen gewesen sein, denn die Besitzer des Weinguts erwirtschafteten reiche Gewinne mit ihrem Produkt. Sei ließen es sich auch nicht nehmen, auf ihrem Gut einen Ausschank einzurichten. Königin Hortense und ihre Familie behielten den Weinbau bei. Aus alten Lagerbüchern weiß man, dass es – auf drei Keller verteilt – insgesamt 24 Weinfässer gab, deren Inhalt knapp 70.000 Liter umfasste. Das größte davon besaß allein ein Fassungsvermögen von ca. 9.000 Litern.

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Zu den heimischen Gewächsen kam ein respektabler Vorrat an importierten Weinen: 1827 zählte er immerhin ca. 5‘000 Flaschen unterschiedlicher Provenienz, dazu weitere sechs Fässer sowie nicht zu verachtende Bestände an Spirituosen. Erhalten haben sich davon noch einige Flaschen aus dem Weinkeller Napoleons III.: Bordeaux, St. Emilion, Jahrgang 1865. Heute gedeihen die Arenenberger Weine auf drei Hektaren an einer der schönsten Lagen des Untersees. Achtsame Vinifizierung und viel Erfahrung sorgen dafür, dass hier füllige Blauburgunder, geschmeidige Cuvées und fruchtige Weissweine entstehen. Auch Edelbrände gehören ins Angebot.

Konstanzer Rebleute um 1610.

Die Geschichte | A R E N E N B E R G 51


Ausgewählte Besucher erinnern sich ... Gästebücher haben sich leider nur vereinzelt erhalten. Poetische Erinnerungen dafür aber so viele, dass sie auf einer Parkroute und in einem Notizbuch veröffentlicht sind.

Der zweite Golf von Neapel

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ach der Tafel kehrte man in den Salon zurück und dann führte uns die Herzogin hinaus, um die Aussicht und die Umgebungen des Hauses zu sehen. An der einen Seite fällt der Berg ziemlich schroff gegen das Seeufer ab, und es läuft oben am Hause ein nicht allzubreiter Gang [...] herum. In der Ecke des Schlosses, wo sich der Gang etwas erweitert, steht ein großer Baum mit einer Bank, von welcher man die reizendste Aussicht auf den damals von den glühenden Strahlen der Abendsonne vergoldeten See hat. Die italienische Dame fragte mich, ob ich jemals in Neapel gewesen. Ich verneinte es. „Eh bien, Madame! Vous voyez ici le golfe de Naples en miniature!“ [Sie sehen hier den Golf von Neapel im Kleinen] rief sie aus, und einige Anwesende gaben ihr Recht. – Gewiss aber war es eine der lieblichsten Aussichten, die ich jemals gesehen.

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KLARA VON GREYERZ (1790 - 1839) Ihre Erinnerungen zählen zu den lebendigsten und inhaltsreichsten Schilderungen des Lebens auf Arenenberg. Über die Autorin selbst ist leider nicht viel bekannt. Sie besaß große künstlerische Fähigkeiten und fertigte filigrane Scherenschnitte an. Königin Hortense und Klara befreundeten sich in Augsburg. Vielleicht ging die Bekanntschaft von ihren Kindern aus.


Die Niederlassung

„U

nter den Landsitzen, welche die Königin in der Nähe von Konstanz, im Kanton Thurgau besichtigt hatte, gab es einen Ort, der ihr besonders aufgefallen war: Es war ein kleines Herrenhaus von einem etwas tristen Aussehen zu diesem Zeitpunkt, aber sehr schön gelegen. Auf halber Höhe auf einer Art Vorgebirge gebaut, überragte es den Untersee und die Insel Reichenau. Auf der Westseite ruhte die Sicht über schöne, mit Bäumen bepflanzte Landzungen, die durch kleine Buchten voneinander auf verspielte und unterschiedliche Art getrennt waren. […] In gewisser Entfernung des Hauses, am anderen Ende des Gutes, weitete sich der Blick über das Dorf von Ermatingen, so heiter und so anmutig vom See und Strom des Rheins umspült; und endlich die Stadt Konstanz, und die flüssige Ebene des Obersees, von den Gletschern des Säntis beherrscht.

LOUISE COCHELET (1783 – 1835) Sie war die langjährige Angehörige des Hofes von Königin Hortense, arbeitete dort als Vorleserin bzw. Gesellschaftsdame und begleitete die Monarchin seit ihrer gemeinsamen Schulzeit am Institut von St. Germain. Das Verhältnis der beiden Damen prägte eine gewisse Hassliebe und gegenseitige Abhängigkeit. 1817 kaufte Louise Cochelet die in der Nähe des Arenenbergs gelegenen Schlösser Sandegg und Salenstein. Nach ihrer Heirat mit dem pensionierten napoleonischen Major Charles Parquin errichtete sie auf Schloss Wolfsberg ob Ermatingen eine Fremdenpension für gehobene Gäste des Arenenberger Umfeldes.


„Im Gras sah ich Glühwürmchen, die mich immer melancholisch stimmen, weil sie mich an die zahlreichen und so verschiedenen Herbstzeiten meines vergangenen Lebens erinnern ...“

Kahnpartie nach Arenenberg

„W FRANÇOIS-RENÉ DE CHATEAUBRIAND (1796 – 1887) Der große französische Romancier, Staatsmann und Romantiker, den Bewunderer schon zu Lebzeiten als „Zauberer“ bezeichneten, besuchte im Spätsommer 1832 Konstanz und den Hof von Königin Hortense. Zusammen mit seiner Freundin Juliette Récamier unternahm er einen Schiffsausflug und landete dabei am Ufer des Arenenberger Parks.

54 A R E N E N B E R G | Poetische Erinnerungen

ir machten eine Bootsfahrt auf dem See […] und landeten schliesslich am Ufer eines Parks. […] Ein Pavillon erhob sich inmitten der Gärten, und ein elegantes Landhaus lehnte sich an den Rand des Hochwaldes. Im Gras sah ich Glühwürmchen, die mich immer melancholisch stimmen, weil sie mich an die zahlreichen und so verschiedenen Herbstzeiten meines vergangenen Lebens erinnern. Wir gingen aufs Geratewohl spazieren und setzten uns schliesslich auf einer Bank […] nieder. Vom Pavillon bis zum Wald hörte man die Harmonien von Harfen und Hörnern; als wir zuhören wollten, überrascht und voller Entzücken, schwiegen sie plötzlich. Es war eine Szene aus einem Märchenspiel. Da die Melodie nicht wieder begann, las ich Madame Récamier meine Beschreibung des St. Gotthard vor; sie bat mich, etwas in ihr Taschenbüchlein einzuschreiben, […] mit Bleistift [schrieb ich]: ,Was ich am Luzerner See suchte, habe ich am Konstanzer See gefunden, den Reiz und die Erkenntnis der Schönheit. Ich möchte nicht wie Rousseau sterben, ich möchte noch lange die Sonne sehen, wenn ich nur mein Leben in ihrer Nähe verbringen darf. Oh, dass doch meine Tage zu Ihren Füssen ihr Ende fänden, so wie die Wellen, deren Gemurmel Sie so sehr lieben.‘ […] Das Blau des Sees schimmerte zwischen den Blättern; am südlichen Horizont türmten sich die Gipfel der Graubündner Alpen; ein Wind spielte mit den Weiden und schlief wieder ein, so wie auch die Wellen kamen und vergingen; wir sahen niemanden, und wir wussten nicht, wo wir waren.


ZUM ABSCHIED „

Als wir uns zum Abschied erhoben, erbot sie [Hortense] sich, uns bei der schönen Nacht ein Stück Weges zu begleiten. Sie kam ungefähr eine Viertelmeile mit, bis dahin, wo sie eine weite Aussicht auf den See geniessen konnte, über dem der Mond wie eine rote Kugel aufging […]. ,Nun will ich mich von Ihnen verabschieden‘, sagte sie, und wir überliessen sie der ruhigen Betrachtung einer Größe, die nie verblassen, und einem Vergnügen, das nie trügen wird. Dies war das letzte, das ich von ihr sah und vielleicht von ihr sehen werde, von ihr, der vollendeten Hortense, unserer kurzen Bekanntschaft aber werde ich mich immer erinnern; wie ein Vertiefen in jene Tage, die ihrem Lande den Charakter der hervorragendsten Nation gegeben haben.

Unbekannter englischer Schriftsteller (1823)


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