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lesen füRTh

otoo sharon dodue. foto: ralf steinberger

steffen kopetzky. foto: marc reimann

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abgespecKt und trotzdem sexy

dem fürther literaturfestival lesen! ist es 2020 gelungen, eine abgespeckte, corona-safe und trotzdem umfangreiche version ihres festivals auf die beine zu stellen. ein erfolg, der in diesem jahr wiederholt wird. und was die fürther so abgespeckt und „lesen light“ nennen, wäre an anderen orten das programm eines ganzen jahres.

Vom 17. bis 27. juni kommen zehn Autorinnen und Autoren nach Fürth, die Lesungen finden größtenteils im Innenhof des Kulturforums statt. Sofern es eben die Inzidenzen zulassen. Auch hier gilt: Print ist cool und alles, aber aktueller und sicherer geht‘s online. Ein Blick ins Programm: Der Autor steffen kopetzky dürfte in den kommenden Monaten ein gefragter Mann sein. Er schrieb bereits 2019, als hätte er es geahnt, den Roman „Monschau“. Ein Buch, das 1962 spielt und irgendwie dennoch von heute handelt: Ein junger Mediziner reist dienstlich in die Eifel, dort sind die Pocken ausgebrochen. In Fürth besteht die Möglichkeit, den Autor zu fragen, ob er aus vorausahnender Marketing-Perspektive vielleicht eine Pandemie bei Billa Gates in Auftrag gegeben hatte. Nicht in die Vergangenheit, sondern vielmehr in die Zukunft blickt raphaela edelbauer mit ihrem neuen Roman „DAVE“, der von der gleichnamigen Maschine handelt: die erste KI mit einem menschlichen Bewusstsein! Doch Programmierer Syz hat so seine Zweifel, ob das nun eine gute Idee war. Einen Thriller der Stunde, einen Klimathriller

nämlich, bringt wolf harlander mit nach Fürth: In „42 Grad“ erlebt Deutschland einen Jahrhundertsommer, inklusive austrocknender Flüsse und brennender Wälder. Der österreichische Schriftsteller Felix Kucher wendet sich nicht nur fürs Festival, sondern auch inhaltlich Fürth zu: Sein Buch „Sie haben mich nicht“ gekriegt handelt unter anderem von der Fürther Buchhändlerin Marie S. Rosenberg, die vor den Nazis in die USA floh. Die BachmannpreisTrägerin Sharon Dodua Otoo liest aus ihrem sehnsüchtig erwarteten ersten Roman. In „Adas Raum“ erlebt die Titelhedlin die Ankunft der Portugiesen in Afrika – und Jahrhunderte später die mühsame Wohnungssuche in Berlin. Ada ist viele Frauen. Und noch ein viel besprochenes Debüt: Lisa Krusche erzählt in „Unsere anarchistischen Herzen“ von zwei jungen Frauen, eine muss dank ihrer Hippie-Eltern aufs Land ziehen, die andere lebt dort schon und führt ein wildes, gefährliches Leben.

Aber nicht nur die schöne Kunst wird in Fürth abgefeiert, die Programmmacher*innen haben auch ein Auge für den Sachbuchmarkt. Anselm Oelze hat mit „Die Grenzen des Glücks“ ein Buch geschrieben, das uns eigentlich alle angehen sollte: Er ist nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria nach Lesbos geflogen und erzählt in einer eindringlichen Reportage von den dortigen Zuständen. Mit Nicole Diekmann kommt die ZDF-Hauptstadtkorrespondentin nach Fürth. In „Die Shitstorm-Republik“ geht es um Hass und Hetze im Netz – und darum, wer hinter solchen Attacken steckt, wer sie inszeniert und wem sie nützen. Auch die Lyrik hat ihren Platz beim LESEN! Clara Louise ist vielleicht eher noch als Singer/Songwriterin bekannt, hat mit „Golden“ aber auch ihren vierten Gedichtband veröffentlicht. Außerdem sucht das Festival im Rahmen des u20-slams die besten Nachwuchs-Bühnen-Poet*innen. über den Auftritt von silke schlichtmann zuletzt freuen sich Eltern und junge Leseratten. Ihre mittlerweile vierteilige Reihe über den frechen Mattis richtet sich an Erstleser*innen. Die Lesung ist Teil des Kinder- und Familientags, an dem auch vorgelesen und philosophiert wird. Die regional verankerte Literatur holt der Verband der mittelfränkischen Schriftsteller*innen auf die LESEN!-Bühne. leonhard f. seidl führt durch die Veranstaltung, die fünf Schreibende aus dem Verband vorstellt, die wiederum ihre neuste Arbeit vorstellen: pauline füg, sabine burkhardt, yvonne richter, gerd scherm und manfred schwab.

Neben den Lesungen des Kulturforums im Kulturforum gibt es auch etliche Partner des Festivals, die zum Spielort werden. Im Museum für Fraenkultur geht es um Frauen und Digitalisierung, die Stadtbibliothek widmet sich der Jugendliteratur (Seawalkers), im Bogenhof trifft man sich zum, Pssst!, gemeinsam leise Lesen und im interkulturellen Garten stellen Muttersprachler*innen fremdsprachige Texte vor.

Die während des Festivals im Stadtgebiet aufpoppenden Buchtauschregale schließlich laden dazu ein, sich Lektüre für zuhause mitzunehmen – oder Bücher dazulassen, über die sich der oder die Nächste dann freut. Acht ganzjährige Regale gibt es im Stadtgebiet bereits, ein neuntes kommt für die Festivaldauer in der Schwabacher Straße, Höhe Rudolf-Breitscheid-Straße hinzu. Plus: Zwei Büchertürme und Hängematten, Sitzsäcke, Sonnenschirme, ..., die fast schon traditionell von der Initiative stadtlesen gestellt werden: 17. bis 20. Juni, Konrad-Adenauer-Anlage.

lesen! literaturfestival, vom 17. bis 27. Juni im Kulturforum Fürth www.fuerth.de/LESEN

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