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November 2008
K체nftige Herausforderungen und Chancen der Landwirtschaft
INHALTSVERZEICHNIS EDITORIAL
Roman Engeler
Dynamisch in die Zukunft Willy Gehriger äussert sich zu den Herausforderungen der fenaco LANDI-Gruppe.
4 FENACO
Ein Blick vorwärts
«Verantwortungsvoll und dynamisch in die Zukunft» Interview mit Willy Gehriger, Vorsitzender der fenaco Geschäftsleitung
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LANDI-Geschäftsführer Martin Bieri: «Konkurrenzkampf wird härter» Vor 50 Jahren: Bezugs- und Absatzgenossenschaften
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In 50 Jahren hat sich die Politik weitgehend aus der Landwirtschaft verabschiedet.
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MANAGEMENT «Ein Blick vorwärts» Heidi Bravo zur (möglichen) Schweizer Landwirtschaft in 50 Jahren Professor Enno Bahrs: Agrarbetriebe im 21. Jahrhundert fenaco-Präsident Lienhard Marschall: «Der wichtigste Beruf der Welt» Vor 50 Jahren: Das Landwirtschaftsgesetz
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Wohin geht die Reise? Vier Megatrends werden die Entwicklung der Landtechnik beeinflussen.
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LANDTECHNIK «Wohin geht die Reise?» So sieht Karlheinz Köller die Landtechnik von morgen
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Vor 50 Jahren: Import-Kontingente aufgehoben SLV-Präsident Jürg Minger: «Überdurchschnittliche Dienstleistungen weiter gefragt»
Potenzial nützen
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PFLANZENBAU
Die Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften zur Pflanzenbau-Strategie 2050.
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«Potenzial nutzen» Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften zur Strategie 2050
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Werner Kuert, fenaco Geschäftsleitung: «Hilfsstoffhandel und Abnehmer bereiten sich vor» Vor 50 Jahren: Ackerbau schon früher fortschrittlich
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NUTZTIERE Fortschritt wird anhalten Die Tierproduktion wird stets den Konsumentenansprüchen gerecht werden müssen.
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«Fortschritt wird anhalten» Christine Flury und Stefan Rieder mit Szenarien für die Zukunft
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Eugen Brühlmeier, fenaco Geschäftsleitung: «Eingeschlagenen Kurs konsequent weiterverfolgen» Vor 50 Jahren: Bedeutung des Stallklimas entdeckt
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Impressum UFA-Revue Jubiläumsausgabe der MitgliederFachzeitschrift der LANDI. Die Ausgaben Nr. 1, 3, 5, 7-8, 9 und 11 der UFA-Revue erscheinen mit im Abonnement inbegriffener Beilage des LANDI-Contact. ISSN 1420-5106
Herausgeber fenaco, Erlachstrasse 5, 3001 Bern Mitherausgeber LV-St. Gallen und GVS Schaffhausen. Die Beteiligungen der Herausgeber an anderen Unternehmungen sind
in den gültigen Geschäftsberichten aufgeführt. Erhältlich beim Verlag.
Dr. Roman Engeler, Chefredaktor; Hans Peter Kurzen, Verlagsleiter
Redaktion und Verlag Tel. 052 264 27 28 Fax 052 213 21 61 Schaffhauserstr. 6, 8401 Winterthur
Auflage (WEMF/SW beglaubigt 06) Mitgliederabonnemente 76’852 davon deutsch 63’036 davon französisch 13’816 Gratisauflage 2’976 Druckauflage 79’828
Zwischen der ersten Ausgabe der «UFA+SEG Rundschau», erschienen im Herbst 1958, bis zur aktuellen Ausgabe der «UFA-Revue», der Fachzeitschrift der LANDI, liegen nicht einfach nur 50 Jahre. Es handelt sich um eine wechselvolle, interessante Zeitspanne, geprägt von einer rasanten Entwicklung in der Landwirtschaft. Gab es vor 50 Jahren in der Schweiz rund 200 000 landwirtschaftliche Betriebe, so sind es heute noch etwas mehr als 60 000 Haupt- und Nebenerwerbsbetriebe. Die durchschnittliche Betriebsfläche nahm in dieser Zeit von knapp 7 auf über 17 Hektar zu. Auch die UFA-Revue hat in dieser Zeit eine Entwicklung durchgemacht, den Namen gewechselt und das Erscheinungsbild dem Zeitgeist entsprechend immer wieder angepasst. Geblieben ist jedoch das eigentliche Konzept: Das Vermitteln von Zusammenhängen, Hintergründen und Analysen, gleichermassen erarbeitet von externen Fachautoren wie internen Redaktoren, mit dem Ziel, die Bauern in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen. Dieses Konzept hat heute mehr denn je seine Richtigkeit, werden doch blanke Nachrichten über digitale Medien schneller und eleganter verbreitet, als Zeitschriften dies tun können. Auch mit dieser Jubiläumsausgabe will die Redaktion dem bewährten Konzept treu bleiben. Anstelle einer retrospektiven Betrachtung über «50 Jahre UFA-Revue» wagen verschiedene Experten einen Blick in die Zukunft: Wie wird die Landwirtschaft morgen wohl aussehen? Welche Herausforderungen werden in den nächsten 50 Jahren auf die Bauern zukommen? Und, wo liegen die spezifischen Chancen einer Schweizer Landwirtschaft? Interessante Themen in einem für Sie hoffentlich spannenden Jubiläumsheft!
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50 JAHRE UFA-REVUE FENACO
Verantwortungsvoll und dynamisch in die Zukunft DIE FENACO entwickelte sich in den vergangenen 15 Jahren zu einem effizienten Unternehmen, in dem die Bauern nach wie vor die Hauptrolle spielen. Willy Gehriger, Vorsitzender der fenaco Geschäftsleitung, zeigt die künftigen Herausforderungen auf.
Roman Engeler
Daniela Clemenz
UFA-Revue: Vor rund 150 Jahren haben sich die ersten landwirtschaftlichen Genossenschaften als Selbsthilfeorganisationen gebildet. Dieser Idee blieb man bis heute treu. Wird dies auch in Zukunft so sein? Willy Gehriger: Das Genossenschaftswesen entwickelt sich sehr gut, sowohl in der Schweiz, als auch im Ausland. Der Genossenschaftsgedanke, dass die Bauern Besitzer ihrer Werkzeuge und ihrer Infrastrukturen sind, ist immer noch fest verankert. Das ist auch sinnvoll, denn der Primärsektor wird immer hart zu kämpfen haben und sich auch in Zukunft verteidigen müssen. Es gibt aber in der Landwirtschaft auch Organisationsformen, die nach anderen Spielregeln funktionieren. Beispielsweise LANDI, die als Aktiengesellschaften firmieren? Ja, aber dabei handelt es sich um so genannte genossenschaftliche Aktiengesellschaften (AG) und auch bei diesen LANDI AG steht der Genossenschaftsgedanke in Zentrum. Sie sind dort entstanden, wo es zu einer Kooperation von Genossenschaft und der fenacoGruppe kam. Eine AG ist halt jene juristische Form, in der eine solche Kooperation rechtlich korrekt geregelt werden kann. Wir setzen uns stets dafür ein, dass die Landwirte Aktionäre werden und dadurch die Interessen ihrer LANDI wahrnehmen. Kurz gesagt, eine LANDI AG ist juristisch gesehen eine Aktiengesellschaft, funktioniert aber wie eine Genossenschaft. Die Genossenschaftswelt hat sich verändert, die Zahl der LANDI sinkt und beträgt heute noch etwas mehr als 300. Zu-
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JUBILÄUM
dem sehen die LANDI vermehrt NichtLandwirte als Kunden. Ist diese Entwicklung erwünscht? Die Hauptaufgabe der Genossenschaft wird immer in der Landwirtschaft liegen, auch wenn es künftig weniger Bauern und Betriebe geben wird. Wir wollen aber weiterhin dynamische und aktive Genossenschaften mit einer Ganzjahresbeschäftigung der Angestellten. So ist es erwünscht, dass wir nichtlandwirtschaftliche Kreise als Kunden in den LANDI-Läden gewinnen können.
Der Genossenschaftsgedanke ist immer noch fest verankert.
Was bedeutet dieser Trend für die fenaco? In der ganzen Branche wird die Professionalisierung weiter zunehmen, um die Qualität der Dienstleistungen weiter zu verbessern. Dies gilt für die LANDI wie für die fenaco. Wir engagieren uns deshalb intensiv in der Aus- und Weiterbildung. Wir wollen, dass die LANDI-Mitarbeiter die Bauern kompetent bedienen und beraten können. Eine herausragende Agrarkompetenz ist für uns wichtig. Die fenaco sieht sich heute als körperschaftlicher Konzern in enger Verbindung mit den LANDI. Wo sehen Sie die Vorteile dieser engen Partnerschaft?
Der neu kreierte Begriff «körperschaftlicher Konzern» steht heute teilweise für die einstige Bezeichnung «Genossenschaftsverband» und symbolisiert die enge Zusammenarbeit zwischen LANDI und fenaco. Jeder macht das, was er am besten kann und wo er am effizientsten ist. Für den Endkunden ist es letztlich nicht relevant, wer welche Aktivität macht – für ihn muss die Leistung stimmen. Nehmen Sie als Beispiel den Mischfuttersektor: Einst betrieben wir viele dezentrale Mischfutterwerke. Wir sahen aber schon früh, dass man die Werke zentralisieren muss, will man weiterhin wettbewerbsfähig Mischfutter produzieren. Nicht jede LANDI sah dies jedoch gleich, weil sie vielleicht selbst Besitzerin eines Mischfutterwerks war. Solche Prozesse verursachen Spannungen, die im Dialog gelöst werden müssen. Dialog – zusammen reden, das sagt sich leicht. Was steckt bei der fenaco dahinter? Wir reden intensiv mit der Basis, mit den LANDI-Vorständen und -Geschäftsführern. Dabei geht es um Fakten und Strukturen. Wir wollen auch die Unternehmenskultur fördern und weiter entwickeln. Auftretende Spannungen sind immer Energie und Motor für Ideen, um gemeinsam vorwärts zu kommen. Die fenaco ist in den letzten Jahren stetig gewachsen, wird heute da und dort als Agrarriese bezeichnet. Ein Riese erweckt hin und wieder Ängste. Was unternehmen Sie dagegen, damit diese Ängste beseitigt werden, respektive gar nicht erst aufkommen? 11 2008 · UFA-REVUE
50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE aufmerksam. Steht diese Haltung nicht im Widerspruch zu einem Handelsunternehmen und zur eigenen Exporttätigkeit? Wenn man die fenaco als privates Handelsunternehmen betrachten würde, könnte man dies bejahen. Denn ich sehe ebenso viele Geschäftsfelder, in denen wir Gewinn machen, wie solche, in denen wir Verluste einfahren würden. Dass der Handel auch nach diesen Abkommen funktioniert, steht ausser Zweifel. Aber wie sieht es mit der Inlandproduktion aus? Nehmen wir Österreich. Dort werden jährlich 700 000 Schweine importiert, geschlachtet, verarbeitet und das Fleisch wieder exportiert. Man spricht dann von Exportsteigerungen, aber davon hat der österreichische Schweineproduzent herzlich wenig. Die fenaco bezweckt, eine produzierende Schweizer Landwirtschaft zu fördern, und da steht ein Freihandelsabkommen mit der EU quer in der Landschaft.
Die fenaco ist zu 100 % ein bäuerliches Unternehmen.
Willy Gehriger: «In der ganzen Branche wird die Professionalisierung zunehmen, um die Qualität der Dienstleistungen weiter zu verbessern».
Die Gründung der fenaco gab bei unseren Mitbewerbern nicht nur Anlass zu Freude, das ist klar. Wir sind nicht nur gewachsen, wir sind vor allem effizienter geworden und haben Marktanteile gewonnen. Es gibt scheinbar Leute, nach deren Meinung sollen die Bauern und ihre Organisationen klein bleiben. Wenn sie trotzdem grösser werden, kann dies Ängste wecken, daher vielleicht der Ausdruck «Agrarriese». Aber ehrlich gesagt, es gibt in der Schweiz anUFA-REVUE · 11 2008
dere Unternehmen, auch im Bereich der Lebensmittelveredlung, zu denen der Ausdruck «Riese» besser passen würde. Die fenaco ist zu 100 % ein bäuerliches Unternehmen, aktive Bauern sind in der Unternehmensführung vertreten. Die Globalisierung mit WTO-Abkommen oder dem europäischen Agrarfreihandel verunsichert die Schweizer Landwirte. Sie als fenaco machen stets auf negative Konsequenzen für die Bauern
In welchen Geschäftsfeldern wird es sehr schwierig werden? Beim Fleisch wird die Schweiz im Gastro- und Tiefpreissegment niemals mithalten können. Insgesamt dürfte die Schweineproduktion um einen Drittel zurückgehen. Selbst bei den Spezialitäten im Hochpreissegment darf man sich keine Illusionen machen. Die Konkurrenz ist stark, man denke nur an den Parmaschinken. Es liegt in der Natur der landwirtschaftlichen Produktion: Je mehr Premium-Produkte erzeugt werden, desto mehr wird auch Restware produziert, und was machen wir damit? Der Bundesrat sieht aber Begleitmassnahmen zur Abfederung der negativen Auswirkungen eines Freihandelsabkommen vor. Selbst damit wird es für alle Beteiligten hart werden. Die dafür vorgesehen JUBILÄUM
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50 JAHRE UFA-REVUE FENACO 3 Mrd. Fr. werden allenfalls reichen, um allfällige Restwerte abzuschreiben, aber für Investitionen in die Zukunft reicht das nicht. Dafür würde es jährlich diesen Betrag brauchen. Wir haben nun mal nicht gleich lange Spiesse wie die Länder in der EU. Sehen Sie in der Globalisierung, im Öffnen der Grenzen nicht auch Chancen – sowohl für die Bauern als auch für das Unternehmen fenaco? Ach sehen Sie, der Freihandelsgedanke ist alt und die Idee, Grenzen abzu-
bauen, beschäftigt die Politiker schon seit Jahrzehnten. Aber in den letzten Jahren wurden weltweit mehr Grenzen auf- als abgebaut. Ehrlich gesagt, im Freihandel sehe ich eher geringe Chancen. Man darf nicht naiv sein. In Europa herrschen andere Spielregeln. Ein Verarbeitungsbetrieb im Südtirol erhält bei Investitionen bis zu 80 % Unterstützung durch die EU und durch die Landesregierung. Auch das Erstellen von Bauten in der Landwirtschaftzone ist dort möglich. Solche Voraussetzungen werden wir in der Schweiz nie haben.
Seit der Bund sich 2001 aus der Getreidevermarktung zurückgezogen hat, agiert die fenaco erfolgreich in diesem Segment, wirtschaftlich rationell und zum Wohle der Bauern. Ein ähnlicher Liberalisierungsschritt ist zurzeit im Milchmarkt aktuell. Von Aussen hat man das Gefühl, dass es dabei um einiges harziger läuft, als damals beim Getreide. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Haben Sie allenfalls Tipps für die Milchbranche? Getreide und Milch sind nur beschränkt vergleichbar. Bei der Milch steckt ein industrieller Verarbeitungs-
Konkurrenzkampf wird härter Als grösste Herausforderung einer LANDI sieht Martin Bieri die Agrarpolitik. «Der Rückzug der Politik hat nach wie vor immense Auswirkungen auf die Bauern, die Landwirtschaft und auch auf eine LANDI. Gewisse Bauern werden extensivieren, auf diese Art ihre Direktzahlungen optimieren und vollziehen, was die Politik will. Andere richten sich nach dem Markt aus, produzieren intensiv, erzeugen Qualitätsprodukte in grossen Einheiten – und stossen an ihre Grenzen.» Martin Bieri ist Sohn eines LANDIGeschäftsführer, lernte Landwirt und führt seit 1995 die Geschicke der LANDI Kerzers und Umgebung. Diese LANDI ist eingezwängt in der Dorfzone, die Gebäude sind wenig funktional. «Wir müssen in die Industriezone expandieren», sagt Bieri.
Wie sieht ein LANDI-Geschäftsführer wie Martin Bieri die Zukunft der Landwirtschaft? 6
JUBILÄUM
Geplant ist, zusammen mit den LANDI Aarberg, Treiten und Ins die LANDI Seeland zu gründen. Um in den verschiedenen Agrargeschäften erfolgreich zu sein, müsse dem Handel jederzeit alles in verlangter Menge und Qualität zur Verfügung stehen, betont Bieri. «Man muss deshalb stets etwas mehr als eigentlich nötig im petto haben, eine so genannte Risikomenge». Man versuche aber ausgleichend auf den Markt zu wirken, erklärt Bieri und ergänzt: «Wir haben zum Beispiel für den Bohnenanbau einen Mengen- und Aktionsfonds, einen so genannten Verkaufsförderungsfonds eingerichtet, um in Härtefällen die Marktschwankungen ausgleichen zu können». Trotzdem brauche es gemäss Bieri auch künftig eine regulierende (staatliche) Hand bei grossen Marktschwankungen. Schliesslich gelange man im Finanzsektor auch zu dieser Einsicht. Der Boden ist der begrenzende Produktionsfaktor, vor allem bei den intensiv produzierenden Gemüsebaubetrieben im Seeland.
Die Gemüsebauern brauchen Land, um eine vernünftige Fruchtfolge einhalten zu können. Flächentausch zwischen Grünland- und Gemüsebetrieb sind gefragt. «Aber die Bauern haben Mühe miteinander zu reden und solche Sachen zu regeln. Die Interessenlagen sind zu unterschiedlich, manchmal ist es auch eine Generationenfrage», erklärt Bieri. Solche Differenzen unter den Bauern werden in Zukunft noch ausgeprägter sein und der Konkurrenzkampf werde grösser, ist Bieri überzeugt. Verstärkt wird dieser Trend durch die Einkaufskonzentration der Detailhändler mit ihren Logistikplattformen. «Ein LANDI-Geschäftsführer muss zur Lösung solcher Zielkonflikte beitragen. Wir haben schon viele Schritte in diese Richtung gemacht. Die überbetriebliche Zusammenarbeit kann durchaus noch intensiviert werden. So lassen sich nämlich massiv Maschinen- und Gebäudekosten sparen», meint Martin Bieri abschliessend.
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE
Die Hauptaufgabe einer Genossenschaft wird immer in der Landwirtschaft liegen, selbst wenn man auch nicht-bäuerliche Kreise als Kunden gewinnen möchte.
Bezugs- und Absatzgenossenschaften
prozess dahinter, beim Getreide hingegen übernehmen wir die Lagerung, die Reinigung, halten die Kosten so tief wie möglich und verkaufen das Getreide weiter. Dahinter steckt eine echte genos-
Die fenaco bezweckt, eine produzierende Schweizer Landwirtschaft zu fördern. senschaftliche Lösung mit einer Marge von weniger als 2 %. Übrigens einiges tiefer, als dies früher bei der staatlichen Lösung der Fall war. Mit Tipps für die Milchbranche halte ich mich zurück, das ist nicht unser Geschäft. Wo liegen für Sie die künftigen Herausforderungen einer fenaco? UFA-REVUE · 11 2008
Die grösste Herausforderung wird sein, mit überdurchschnittlichen Dienstleistungen die Bauern zu unterstützen. Dazu müssen wir unsere Strukturen modernisieren und restrukturieren. Bei den LANDI wird es weiterhin Fusionen und Zusammenschlüsse geben. Die Kommunikation mit der bäuerlichen Basis, auch mit den übrigen Kunden, muss intensiv gepflegt werden. Eine weitere Herausforderung ist die weltweite Knappheit bei Produktionsmitteln, zum Beispiel beim Dünger. Die Beschaffung dürfte nicht mehr so selbstverständlich sein, wie in den letzten Jahrzehnten. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor ist die Politik. Nur wenn die agrarpolitischen Massnahmen bekannt sind, kann ein Unternehmen wie die fenaco strategisch korrekt planen. Sie sind momentan Vizepräsident, demnächst Präsident von «Intercoop Europe», dem europäischen Verband der Genossenschaften. Wie arbeiten Sie in diesem Gremium zusammen?
In den 1950er Jahren gab es in der Schweiz rund 1127 Bezugs- und Absatzgenossenschaften in sieben regionalen und zwei kantonalen Verbänden, denen etwas mehr als 120 000 Mitglieder angehörten. Die Verbände befassten sich damals mit dem Grosseinkauf von Produktionsmitteln und der Verwertung von Landesprodukten. In Gebieten mit viel Ackerbau und kleinbäuerlichen Verhältnissen besassen die Genossenschaften meist einen Maschinenpark, den sie ihren Mitgliedern zur Verfügung stellten. Statutengemäss oblag vielen Genossenschaften auch die Beratung und die Organisation von Weiterbildungen mit Kursen, Demonstrationen und Besichtigungen. Der Umsatz aller Verbände belief sich vor 50 Jahren auf rund 400 Mio. Fr. Davon entfiel knapp ein Drittel auf den Getreideverkehr. Das mahlfähige inländische Brotgetreide wurde im Auftrag und auf Rechnung der Eidgenossenschaft übernommen. Fakten zum landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen trug damals Ernst Durschi, VOLG-Präsident und ETHProfessor, zusammen. In seiner Publikationen Mitte der 1950er Jahre vermerkt er: «Ohne die genossenschaftliche Zusammenarbeit, durch welche die eher ungünstige ‹marktstrategische Position› der klein- und mittelbäuerlichen Betriebe in der Konkurrenzwirtschaft ganz wesentlich verbessert wurde, wäre die Landwirtschaft in unserem Industriestaat auf verlorenem Posten, trotz des kürzlich vom Volke angenommenen Bundesgesetz über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes.»
vor 50 Jahren
Zusammenarbeit ist immer ein Thema. Dass wir gegen ein Freihandelsabkommen sind, heisst nicht, dass wir uns abschotten. Wir suchen die Kooperation, aber aus einer gewissen Stärke heraus. Macht man dies nicht, verliert man seine Identität. Wir vergleichen unsere Zahlen regelmässig mit jenen unserer Partner im Verband. Auch wenn wir im Vergleich zu Deutschland oder Frankreich ein etwas kleineres Unternehmen sind, beweisen unsere Zahlen, dass wir effizient arbeiten. Im Oktober gründeten wir eine neue Handelsgenossenschaft mit Sitz in der Schweiz. Beteiligt sind sieben europäische Genossenschaftsverbände. Ziel
Quelle: Ernst Durtschi, Die landwirtschaftlichen Genossenschaften der Schweiz.
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50 JAHRE UFA-REVUE FENACO chen Rohstoffmärkte geraten. Es braucht Kontrollmechanismen, denn an der Börse und im Freihandel folgen die Nahrungsmittel der Kaufkraft und nicht den hungrigen Mägen. Die WTO versagt in diesem Bereich völlig. Aber Indien und China sind aufgewacht. Hohe Exportzölle verhindern dort die Ausfuhr von Nahrungsmitteln, damit genug da ist, um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Ich bin zuversichtlich, dass immer mehr Länder dies auch so sehen werden. Abschliessend zurück zur unmittelbaren Zukunft. Im vergangenen Jahr konnte die fenaco mit einem Umsatz von 4.8 Mrd. Fr. und einem Ergebnis von 64 Mio. Fr. den besten Abschluss seit der Gründung erzielen. Wie sehen die Tendenzen für das laufende Geschäftsjahr aus?
Ein Freihandelsabkommen mit der EU steht quer in der Landschaft.
Die Verantwortlichen der fenaco haben früh erkannt, dass eine gewisse Zentralisierung der Mischfutterproduktion nötig ist, will man auch künftig wettbewerbsfähig Futter produzieren.
wird sein, einen Teil der nichtlandwirtschaftlichen Aktivitäten zu bündeln.
chend sind diese Eindringungsversuche nicht automatisch erfolgreich.
Stecken benachbarte Genossenschaftsverbände ihre Fühler in Richtung Schweiz aus? Das wird regelmässig versucht, nicht nur die benachbarten, sondern auch Unternehmen aus den Niederlanden oder gar Irland machen dies. Aber die europäische Etikette alleine bedeutet nicht, dass in der Schweiz erfolgreicher geschäftet werden kann, als wir dies tun. Wir haben aufgrund unserer Leistungen eine starke Marktposition erreicht und sind dynamisch, entspre-
Wie beurteilen Sie die Auswirkungen von spekulativen Geschäften auf die landwirtschaftlichen Rohstoffe? Diese Spekulation ist verheerend. Landwirtschaftliche Rohstoffe sind Lebensmittel und die Nahrungsversorgung gehört zu den Menschenrechten. Der weltweite Getreidehandel liegt in den Händen von acht Firmen, die Konzentration beim Düngerhandel ist noch grösser. Wenn eine liberale Einstellung mit einem hohen gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstsein gekoppelt ist, resultiert daraus Erfolg und auch Wohlstand. Gerade die Finanzmärkte führen uns aber die dramatischen Folgen vor Augen, wenn der Bezug zur Realität verloren geht. An der Börse sind virtuelle Welten entstanden, in denen es nur noch darum geht, möglichst schnell sehr viel Geld zu verdienen. In diesen Strudel sind auch die landwirtschaftli-
Ein gewisser Unsicherheitsfaktor ist die Agrarpolitik. 8
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Wir werden beim Umsatz die Schwelle von 5 Mrd. Fr. wohl überschreiten, vor allem aufgrund der Teuerung bei den Energie- und Rohstoffpreisen. Das Unternehmensergebnis wird nicht ganz dort sein, wo wir im vergangenen Jahr lagen, jedoch werden die Budgetwerte sicher erreicht. 䡵
Dr. Willy Gehriger leitet seit 2002 als Vorsitzender der Geschäftsleitung die Geschicke der fenaco. Der Waadtländer Agronome promovierte an der ETH in Zürich und leitete danach während 12 Jahren den Bereich Kartoffeln und Neusaaten an der Forschungsanstalt Changins. 1989 trat er in den Westschweizer Genossenschaftsverband UCAR ein. Nach der Fusion zur fenaco leitete er ab 1993 das Departement Pflanzenbau. Neben der Funktion als Vorsitzender der fenaco Geschäftsleitung ist Gehriger seit 2002 zuständig für das Departement Landesprodukte.
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50 JAHRE UFA-REVUE MANAGEMENT
Ein Blick vorwärts IN 50 JAHREN wird sich die Politik weitgehend aus der Landwirtschaft verabschiedet haben. Die Landwirte haben sich einerseits voll auf eine intensive Produktion spezialisiert oder sich anderseits als Botschafter für eine naturverbundene Lebensweise der Landwirtschaft und Vermittler zu den Konsumenten profiliert.
Heidi Bravo
Wenn man den Blick nicht zurück, sondern vorwärts in die Zukunft richtet, so kann man zwar aus der Vergangenheit lernen, doch unter welchen Rahmenbedingungen die Landwirte in 50 Jahren arbeiten werden, ist sehr ungewiss. Der Klimawandel wird weiter gehen, in der Schweiz wird es voraussichtlich einige Grade wärmer sein. Für die landwirtschaftliche Produktion kann dies – verbunden mit ausreichend vorhandenem Wasser im
Wasserschloss Schweiz – vorteilhaft sein und die landwirtschaftlichen Erträge werden steigen, dies im Gegensatz zu andern Regionen Europas und der Welt. Die Entwicklungen und Ereignisse der letzten Monate und Wochen auf den Kapital- und Agrarrohstoffmärkten sowie auf dem Energiemarkt haben gezeigt, wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern können. Die Grenzen werden infolge von WTO und einer weiteren Annäherung an die EU offener
sein. Die internationalen Märkte werden immer unberechenbarer und Turbulenzen werden direkt auf die schweizerische Landwirtschaft überschwappen. Gleichzeitig wird sich auch die Einkommensschere zwischen gut bis sehr gut verdienenden und ärmeren Bevölkerungsschichten weiter öffnen.
Rückzug der Agrarpolitik Der Bund wird sich aus der Agrarpolitik weitgehend zurückgezogen haben. Einzig für
Veränderte Rahmenbedingungen haben zur Folge, dass die Betriebe sich weiter spezialisieren oder vergrössern werden. Bild: VSGP
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE funktionierendes Mengenmanagement geeinigt. Neueste Technologien werden auch im Pflanzenbau eingesetzt und durch den Klimawandel ist der Anbau neuer Kulturen und Spezialitäten in Acker-, Obst- und Gemüsebau wirtschaftlich erfolgreich. Schweizerische Spezialitäten sind im Ausland gefragt
Die Konsumentinnen werden je nach verfügbarem Einkommen und Überzeugung noch mehr als heute verschiedene Qualitäten von Nahrungsmitteln nachfragen.
Agrarbetriebe im 21. Jahrhundert Derzeit befindet sich die Landwirtschaft global in einem sich dynamisch veränderndem Umfeld. Zwei treibende Kräfte stecken dahinter: Der Bevölkerungszuwachs, begleitet von veränderten, anspruchsvollere Ernährungsgewohnheiten, und der zunehmende Verbrauch fossiler Energie mit der Notwendigkeit, diese mindestens teilweise durch Biomasse zu ersetzen. Während früher agrarpolitische Interventionsmechanismen in Überschusssituationen die Preise nach unten absicherten, aber auch nach oben nicht viel Erwartungspotenzial übrig liessen, werden die künftigen Märkte durch ein höheres Mass an Unsicherheit geprägt sein.
vom Steuerzahler geforderte öffentliche Leistungen, wie schöne Landschaften, Biodiversität oder Tierwohl, wird der Bund Auflagen erlassen und einzelne Leistungen über Direktzahlungen abgelten. Die Konsumenten werden je nach verfügbarem Einkommen und Überzeugung noch mehr als heute verschiedene Qualitäten von Nahrungsmitteln nachfragen. Einfache Deklaration, Rückverfolgbarkeit und Sicherheit der Nahrungsmittel werden eine Selbstverständlichkeit sein.
Spezialisierung Diese veränderten Rahmenbedingungen haben für die schweizerischen Landwirtschaftsbetriebe weit reichende Konsequenzen. Die einen Betriebe werden sich stark spezialisieren, intensiv produzieren und wenn immer möglich, sich vergrössern. UFA-REVUE · 11 2008
Andere Betriebe werden das Bild des typischen Landwirtschaftbetriebes des 20. Jahrhunderts weiter entwickeln, sich weiter diversifizieren und zunehmend als Botschafter der Landwirtschaft und Vermittler zu den Konsumenten auftreten. Die erste Kategorie der Betriebe wird sich über den Zukauf von Flächen und Produktionsrechten oder aber über verschiedenste Formen der überbetrieblichen Zusammenarbeit vergrössern. Diese Betriebe werden auf den Markt ausgerichtet, effizient und nach neuesten Erkenntnissen produzieren. In der Milchproduktion werden Melkroboter einen Teil der Arbeit übernehmen, die gemolkene Milch wird elektronisch erfasst und die Futterration entsprechend bestimmt. Die Produzenten und Verarbeiter haben sich privatrechtlich auf ein
Mit abnehmenden agrarpolitischen Interventionsmechanismen werden betriebliches Informations- und Risikomanagement wichtiger. Agrarunternehmer sollten sich künftig noch weniger davor scheuen, einen Blick auf die Entwicklung internationaler Märkte zu werfen. Im Zeitalter der Globalisierung von Agrarmärkten beeinflussen Ernten in Australien, Überschwemmungen in lowa oder Tierseuchen in England die Entwicklung inländischer Marktpreise. Während sich früher die Preiserwartungen in relativ schmalen Bandbreiten bewegten, wird diese Spanne zukünftig grösser werden. Das Potenzial von Preisausschlägen nimmt zu und die Märkte werden noch weniger gut prognostizierbar. Es wird für alle Marktbeteiligten schwieriger, Angebot und Nachfrage ausreichend vorauszusehen und mit dem notwendigen Verhandlungsgeschick zu begleiten. Wer an dieser Stelle schlecht prognostiziert und verhandelt, wird im künftigen Wettbewerb stärker als zuvor das Nachsehen haben. Das Verhandlungsmanagement gewinnt an Bedeutung. Damit schlägt auch die Stunde der wachstumswilligen und wachstumsfähigen Agrarunternehmer. Entscheidend wird aber sein, wer auch in schlechten Zeiten Oberwasser behalten und die Schwächen anderer für das eigene Wachstum nutzen kann. Insgesamt ergeben sich steigende Anreize für eine höhere Produktionsintensität, die noch höhere Herausforderungen an den Umwelt- und Naturschutz erfordern. Steigende Preise führen dazu, die Betriebsmittel noch effizienter einzusetzen. Eine zunehmende Technisierung (Precision Farming, Precision Livestock Farming) wird die Agrarunternehmer entsprechend unterstützen. Die Offenheit gegenüber technischen Innovationen wird wichtig sein, um diese bei angemessenem Preis-Leistungs-Verhältnis in die Praxis implementieren zu können. Dr. Enno Bahrs, Professor für landwirtschaftliche Betriebslehre an der Universität Hohenheim (D).
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50 JAHRE UFA-REVUE MANAGEMENT und durch den durchgehenden Schutz von Herkunftsbezeichnung und bekannten Marken können Marktanteile im Ausland gewonnen werden. Anderseits werden auch mehr Produkte importiert, vor allem solche im Billigsegment. Der Abschluss von Verträgen mit Grossverteilern und andern Abnehmern verlangt von den Betriebsleitern fundiertes ökonomisches Wissen und Verhandlungsgeschick. Für Betriebsleiter gehören leistungsstarke Taschencomputer mit integriertem Telefon, die alle Abläufe auf dem Hof erfassen, längst zum alltäglichen unverzichtbaren Arbeitselement.
Diversifizierung Die zweite Kategorie von Betrieben kann oder will den Weg der effizienten, rein auf den Markt ausgerichteten Landwirtschaft nicht gehen. Der Familienbetrieb mit seiner
Moderne Informationstechnologien wie beispielsweise leistungsfähige Taschencomputer werden zu einem unverzichtbaren Arbeitsinstrument.
Wichtigster Beruf der Welt Lienhard (l.) und Michael (r.) Marschall setzen sich für eine produktive Schweizer Landwirtschaft ein.
Lienhard Marschall, Landwirt und Lohnunternehmer aus Neuenegg (BE), stellte sich vor etwas mehr als 20 Jahren die Frage, wie er neben seiner angestammten Tätigkeit auch im Umfeld der Landwirtschaft etwas bewegen kann. Unzufrieden mit der LANDI Neuenegg sah er sich damals vor die Wahl gestellt: «Entweder trete ich aus der LANDI aus oder helfe im Vorstand mit, aus der angeschlagenen LANDI wieder ein rentables Unternehmen zu machen». Mit Erfolg, konnte doch die LANDI Neuenegg mit neuen Leuten wieder auf Erfolgskurs gebracht werden. Marschall selbst fand am Genossenschaftswesen Gefallen, engagierte sich weiter und ist heute Verwaltungspräsident der fenaco. Eine intensive, aber interessante Aufgabe, wie er betont. «Ich kann die Sicht Bauern einbringen. Die Geschäftsleitungssitzungen sind für mich sakrosankt, dort fühle ich den Puls des Unternehmens.» Marschall findet es wichtig, dass die bäuerliche Basis
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in ihren Unternehmen, aber auch in der Politik Einfluss nimmt. Allerdings weiss er nur zu gut, dass für solche Engagements auch immer die notwendige Zeit gefunden werden muss. Bei den Marschalls teilen sich Vater Lienhard und Sohn Michael, der sich momentan auf die Meisterprüfung vorbereitet, das grosszügige und modern eingerichtete Büro im Bauernhaus. Jeden Morgen diskutieren sie über die Tagesplanung. Aber auch strategische Fragen zu den einzelnen Betriebszweigen, AnbauMarkt- und Investitionsplanungen werden behandelt. In der Buchhaltung sieht Lienhard Marschall ein wichtiges Instrument der Betriebsführung. Als mehrwertsteuerpflichtiger Betrieb ist er angehalten, die Buchführung «à jour» zu halten, denn diese liefert ihm die Grundlagen für wichtige Entscheide. Ohne dies käme er sich wie ein Blinder vor, allenfalls versehen mit einem Blindenstock, wenn die Resultate erst Mitte des Folgejahrs
einträfen. Für eine erfolgreiche Betriebsplanung braucht es aber mehr als Zahlen. «Man muss mit sich selbst ehrlich sein, die eigenen Schwächen und Stärken erkennen, das Wünschbare vom Mögliche unterscheiden und zuerst mit jenen Steinen bauen, die vorhanden sind». Als grosses Problem der Schweizer Landwirtschaft erachtet Marschall die hohen Strukturkosten von Gebäuden, Maschinen und Einrichtungen. «Weniger als die reinen Anschaffungskosten beschäftigen mich die notwendigen 2 Mrd. Fr., die in der Gesamtrechnung der Schweizer Landwirtschaft für die jährlichen Abschreibungen ausgewiesen werden». Um diese Kosten zu senken, so Marschall, sei eine bessere Auslastung der Maschinen zwingend erforderlich, das heisse aber gleichzeitig weniger Maschinen anschaffen. Als weitere Herausforderung der Zukunft sieht Lienhard Marschall, die Leistungen der Landwirtschaft einer breiten Öffentlichkeit verständlich zu machen. «Heute geht fast vergessen, dass ein Bauer
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE
Lebensmittel wie Milch, Brot oder Fleisch produziert». Für Marschall ist der Beruf des Landwirts denn auch einer der wichtigsten auf der Welt. Den Hunger zu stillen, gehöre schliesslich zu den Existenzbedürfnissen und zu den Grundrechten der Menschen. «Während jenen zwei Stunden, in denen man beispielsweise die UFA-Revue liest, wächst die Weltbevölkerung um rund 19 000 Menschen, die zusätzlich ernährt werden müssen», betont Marschall. Das gelinge aber nur, wenn jeder Staat für eine gewisse Mindestgrundversorgung einstehe und die Bauern zu Kosten deckenden Preisen produzieren könnten. Dies meint Lienhard Marschall durchaus mit kritischem Blick in Richtung Grenzöffnung: «Ich wünsche mir, dass die Nahrungsmittel produzierende Landwirtschaft nicht dem StakeholderDenken der ‹Globalisierungstechnokraten› zum Opfer fällt».
Autorin Dr. Heidi Bravo ist seit 1993 für den schweizerischen Bauernverband tätig. Von 1997 bis 2005 war sie Leiterin des Departements Agrarwirtschaft und Internationale Beziehungen und Mitglied der Geschäftsleitung. Als Leiterin Stab Internationales vertrat sie im Sommer die Interessen der Schweizer Bauern an der WTO-Runde in Genf.
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Anliegen der Gesellschaft Ein Teil der Bevölkerung wird sich kaum für Natur und Landwirtschaft interessieren. Diese Konsumenten werden möglichst günstige Nahrungsmittel nachfragen ohne zu fragen, wie sie produziert wurden oder woher sie kommen. Der Preis ist der entscheidende Faktor. Der Grossteil der Bevölkerung wird aber eine schöne Erholungslandschaft, die vielfältigen Angebote der Landwirtschaft, unterschiedliche Bewirtschaftungsarten und die Offenheit der Bauernfamilien im direkten Kontakt schätzen. Diese Konsumenten unterstützen die Landwirtschaft durch den Kauf von Nahrungsmitteln und Dienstleistungen und werden so auch in 50 Jahren die Zukunft der schweizerischen Landwirtschaft sichern. 䡵
Das Landwirtschaftsgesetz 1954 trat das eidgenössische Landwirtschaftsgesetz in Kraft. Ziel war, einen gesunden Bauernstand und eine leistungsfähige Landwirtschaft mittels kostendeckender Preise zu erhalten. Über die Massnahmen, wie diese Ziele zu vereinbaren und zu erreichen waren, herrschte jedoch weitgehend Dissonanz. Im Vordergrund standen Auseinandersetzungen über den Milchpreis, denn davon hing es ab, ob die Bauern den «Paritätslohn» erzielen würden. 1958 erwies sich die Situation auf dem Milchsektor als derart prekär, dass die Landesregierung den Milchpreis auf 43 Rp. einfror. Zudem hatten die Produzenten sich mit einem Rückbehalt an den Verwertungskosten zu beteiligen. Die Idee der inneren Aufstockung als Alternative zum flächenmässigen Wachstum rückte in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre in den Vordergrund. Gemeint war damit eine Geflügel- oder Schweinefleischproduktion auf Basis zugekaufter Futtermittel. Am 31. Oktober 1958 beantragte der Bundesrat eine Abänderung des Bundesgesetzes über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen aus dem Jahre 1940, damit der Bund die Kredithilfe fortsetzen konnte bis das Bundesgesetz über Investitionsdarlehen an die Landwirtschaft ausgearbeitet war.
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diversifizierten Produktion im Kreislauf mit der Natur, dem typischen bäuerlichen Familienleben, mit Hofhund, Katze, Blumen- und Gemüsegarten entspricht dem Wunsch der Bevölkerung. Der Grossteil der Produkte wird über die Direktvermarktung abgesetzt, wobei sich verschiedene Betriebe oftmals für die Verarbeitung und Vermarktung ihrer Produkte zusammenschliessen. Die Leiter dieser Betriebe verfügen über eine hohe Sozialkompetenz. Viele dieser Betriebe bieten Ferien auf dem Bauernhof, Kinder- und Altenbetreuung sowie Angebote im Freizeitbereich an. Es gibt Möglichkeiten zur Betreuung verschiedenster Tiere vom Pensionspferd, über Hunde und Katzen bis zum Altenbrot für Tiere. Der Aufenthalt auf dem Bauernhof gehört ins Schulprogramm. Die Kinder können so praxisnah in Themen aus Biologie, Ökologie, Gartenbau, Gesundheit oder Kochen eingeführt werden. Damit wird das Verständnis der Jugend für den Kreislauf der Natur gefördert, denn nur noch wenige Kinder werden einen direkten Bezug zur Landwirtschaft haben. Auf dem Grossteil dieser Betriebe stammt das Haupteinkommen aus paralandwirtschaftlicher oder nichtlandwirtschaftlicher Tätigkeit. Je nach der geographischen Lage der Betriebe und den Neigungen der Bauernfamilie drängt sich das eine oder andere Modell auf. Die Betriebsmodelle werden sich angepasst haben und auch verschiedene Zwischenformen werden weitergeführt. Die Zusammenarbeit mit Tourismus, Naturparks und Gewerbe wird den Alltag prägen und die Bauernfamilien werden als im Dorf verwurzelte Mitglieder der Gesellschaft hoch geschätzt.
Quelle: Werner Baumann, Peter Moser: Bauern im Industriestaat, 1999.
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Wohin geht die Reise? DIE LANDTECHNIK VON MORGEN wird geprägt sein von den Megatrends Boden und Wasser schonende Pflanzenproduktion, weitere Automatisierung bis hin zu Precision Farming, elektrische Antriebe für Traktoren und Landmaschinen sowie Steigerung der Energieeffizienz und die Produktion erneuerbarer Energien.
Karlheinz Köller
Eine wachsende Weltbevölkerung sowie die anhaltende Bodenzerstörung durch Erosion, Versalzung und Bebauung bei gleichzeitig zunehmender Wasserknappheit stellen die Landwirtschaft vor die gigantische Aufgabe, die Nahrungsmittelproduktion in den nächsten Jahrzehnten zu verdoppeln, um das Ziel einer quantitativ und
qualitativ angemessenen Ernährung der Menschheit zu sichern. Da mittlerweile mehr als 50 % der Weltbevölkerung in Städten leben und der Anteil der Landbevölkerung weiter sinken wird, stellt der zunehmende Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften eine weitere Herausforderung dar. Die
Steigerung der Nahrungsmittelproduktion bei gleichzeitigem Schutz der Ressourcen Boden und Wasser sowie unter Berücksichtigung der Folgen des Klima-
Konsequente Weiterentwicklung und Einführung einer konservierenden Bodenbearbeitung sind wichtige Massnahmen für eine nachhaltige Begrenzung der Bodenerosion. Bild: Amazonen-Werke
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE • Boden- und Wasser schonende Pflanzenproduktion. • Automatisierung und Precision Farming. • Elektrische Antriebe für Traktor- und Landmaschinen. • Steigerung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien.
Boden- und Wasser schonende Pflanzenproduktion Vor dem Hintergrund anhaltender Bodenzerstörung durch Erosion, Versalzung, Wassermangel, Bebauung sowie den Folgen des Klimawandels bleibt der Bodenschutz weltweit die wichtigste Herausforderung. Die konsequente Weiterentwicklung und Einführung von Verfahren zur konservierenden Bodenbearbeitung und Direktsaat ist mit Abstand die wichtigste Massnahme für eine nachhaltige Begrenzung der Bodenerosion, verbunden mit ökonomischen Vorteilen. Während in Nord- und Südamerika, aber auch in Australien, diese Verfahren Standard sind, ist die Verbreitung in anderen Regionen der Welt, trotz der ökologischen und ökonomischen Vorteile, vergleichsweise gering. In Europa ste-
hen einseitige Fruchtfolgen, strenge gesetzliche Auflagen in Pflanzenschutz und Biotechnologie sowie die ungewohnten Managementanforderungen einer weiteren Verbreitung im Wege. Wichtigste Voraussetzung für einen wirkungsvollen Erosionsschutz ist der Verbleib der Ernterückstände auf der Bodenoberfläche. Damit ist das Strohmanagement nach der Ernte aus technischer Sicht von grösster Bedeutung. Abgesehen von einer optimalen Verteilung und Zerkleinerung des Strohs sind für einen optimalen Einsatz von Bodenbearbeitungs- und Sägeräten innovative Entwicklungen von Werkzeugen und Softwareprogrammen erforderlich, um Boden schützende Mulchdecken zu erhalten, aber gleichzeitig das Saatgut optimal im Boden zu platzieren. «Intelligente» Bodenbearbeitungsgeräte werden künftig in Abhängigkeit von der
Aufhebung der Einfuhrbeschränkung Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Schweiz die Einfuhr ausländischer Traktoren zum Schutz der damals noch zahlreichen Schweizer Hersteller stark eingeschränkt. Ausländische Anbieter hatten es deshalb schwer, auf dem Schweizer Markt Fuss zu fassen. Wieviele Maschinen die Importeure einführen konnten, war jeweils Gegenstand von Verhandlungen. Auf den 1. April 1958 wurde diese Einfuhrkontingentierung dann aber aufgehoben, gleichzeitig jedoch der Zollansatz von 0.20 Fr. auf 1.00 Fr. je kg (Traktor) angehoben. Trotzdem machte diese Entwicklung den einheimischen Herstellern zu schaffen und trug letztlich massgeblich zum Niedergang des Schweizer Traktorenbaus bei.
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wandels und demographischer Entwicklungen bieten nicht nur den Landwirten, sondern auch den Landmaschinenherstellern riesige Chancen. Die Kernfrage für die Zukunft lautet: Wie produziert man mehr Nahrungsmittel auf weniger Land bei weniger Wasser? Der Landtechnik fällt dabei eine entscheidende Rolle zu. Ohne weitere Motorisierung und Mechanisierung wird es nicht möglich sein, eine ausreichende Ressourcen schonende und nachhaltige Produktion von Nahrungs-, Futter- und Energiepflanzen zu sichern. Abgesehen von einer weltweit flächendeckenden Mechanisierung sind zusätzliche Anstrengungen in Forschung und Entwicklung erforderlich, um die Produktionsprozesse weiter zu rationalisieren, zu automatisieren sowie Boden schonend, Wasser und Energie sparend zu gestalten. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich vier Megatrends ab, welche die künftige Entwicklung bestimmen werden:
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50 JAHRE UFA-REVUE LANDTECHNIK Hangneigung, der Strohauflage, der Bodenart oder der Fruchtart mittels Sensoren und Software automatisch die Arbeitstiefe und -geschwindigkeit regeln, um eine dem Standort angepasste Mulchdecke auf der Oberfläche zu hinterlassen. Entsprechend geregelte Sämaschinen sind in der Lage, in Abhängigkeit von der Strohauflage und des Bodenwassergehaltes automatisch die jeweils optimale Saattiefe einzustellen. Abgesehen von diesen maschinentechnischen Verbesserungen muss auch das gesamte System optimiert werden, zum Beispiel mit verbesserten Boden schonenden Fahrwerken zur Vermeidung von Bodenverdichtungen, spezieller Pflanzenschutztechnik zur automatischen Erkennung unterschiedlicher Pflanzenarten mit signifikanter Reduzierung des Wertstoffbedarfs und schliesslich mit verbesserter Düngerapplikation im Saatbereich. Die Landwirtschaft muss künftig auf weniger Fläche für mehr Menschen Nahrungsmittel produzieren – eine riesige Chance für die Landtechnik mit innovativen Produkten.
Automatisierung und Precision Farming Um die Arbeitsproduktivität, den Ressourcenschutz und die Energieeffizienz weiter zu verbessern, hält der Trend zur Automatisierung von
Arbeitsprozessen in der Pflanzenproduktion, verbunden mit teilschlagspezifischen Bewirtschaftungsstrategien, weiter an. Neben den bekannten Ansätzen bei Düngung, Saat und Pflanzenschutz, gewinnt auch die ortsspezifische Bodenbearbeitung mit variablen Arbeitstiefen an Bedeutung. Die bessere Auslastung und Überwachung komplexer Maschinen erfordert den weiteren Einsatz von Elektronik und Regeltechnik, zunehmend unterstützt durch intelligente Software, die ebenfalls unerlässlich wird für steigende Anforderungen in den Bereichen Qualitätssicherung, Rückverfolgbarkeit und Dokumentation von Arbeitsprozessen sowie Logistik, Flottenmanagement und Maschinenüberwachung zur Minimierung von Ausfallzeiten und Reparaturkosten. Im Precision Farming sind mittlerweile Fahrassistenz-Systeme, zum Beispiel zur automatischen Lenkung und für positionsgenaue Wende- und Schaltmanöver, Stand der Technik und insbesondere auf modernen Betrieben verbreitet. Die vergleichsweise hohen Anschaffungskosten, die auf die erforderliche hohe Präzision und Einsatzsicherheit bei gleichzeitig vergleichbar geringen Stückzahlen zurückzuführen sind, sowie die Tatsache, dass das Potenzial dieser Systeme durch Fahrassistenz alleine bei weitem nicht ausgeschöpft ist, führen zur weiteren Zunahme von teilschlagspezifischen Applikatio-
nen. Während Einzellösungen bereits auf dem Markt sind, werden die Entwicklungen im Bereich des Daten-Managements zu vernetzten Strukturen führen, welche die gesamte Prozesskette abbilden. So können Informationen aus der Ernte, wie etwa unterschiedliche Qualitätsparameter oder aus dem Pflanzenschutz (Unkraut- und Schädlingsnester), automatisch analysiert und für Entscheidungen in der Bodenbearbeitung (Arbeitstiefe, Verteilgenauigkeit) und Düngung verwendet werden. Hier besteht die Forderung, leistungsfähige und flexibel einsetzbare Entscheidungsmodelle zu entwickeln, die auch fabrikatsunabhängig einsetzbar sind. Die Präzision der Arbeit wird durch elektronische Steuerungen und zunehmend elektrische Antriebe weiter zunehmen. Eine wesentliche Voraussetzung, die resultierenden Potenziale abzurufen, ist die Möglichkeit, einen «virtuellen Schlag» in dem Rechner zu führen, der die Steuerung des Gerätes koordiniert. So kann auch in der Praxis effektiv jede Teilfläche mit dem Wert belegt werden, der aufgrund der Entscheidungsalgorithmen vorgesehen ist. Die nötigen Schnittstellenstandards sind mittlerweile vorhanden oder angedacht und müssen konsequent umgesetzt werden. Eine weitere Funktion ist die mechanische Unkrautbekämpfung. Hier sind die zuverlässige Reihenerkennung und die Fähigkeit, die einzelne Pflanze zu betrachten, wichtigste Voraussetzungen, nicht nur zwischen, sondern auch in der Reihe effektiv und mit angepasster Intensität zu arbeiten. Neben diesen «High-Tech»-Anwendungen wird auf der anderen Seite im «Low-Budget»-Bereich ein Markt für einfache Anwendungen und entsprechende Geräte für kleinere Betriebe entstehen. Hier ergibt sich die Nachfrage nach einfachen, kostengünstigen Geräten und Traktoren, wobei bewusst auf einfache neue Technik gesetzt wird, statt auf gebrauchte «High-Tech»-Maschinen.
Elektrische Antriebe Mit der serienmässigen Erzeugung und Nutzung elektrischer Energie in landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Maschinen beginnt eine neue Ära in der Landtechnik. Mit der «E-Premium»-Baureihe führt 18
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE John Deere als erster Anbieter ein elektrisches Leistungsnetz bei Traktoren ein. Damit wird nicht nur der Antrieb permanent laufender Aggregate wie Lüfter, Klimaanlage, Wasserpumpe ermöglicht, sondern auch der elektrische Antrieb von Anbaugeräten. Solche Anbaugeräte bieten entscheidende Vorteile, wie zum Beispiel bisher unerreichten Bedienkomfort, besondere Umwelt- und Ressourcenschonung durch reduzierten Kraftstoffverbrauch und hervorragende Düngerverteilung sowie hohe Bedienund Arbeitssicherheit. Elektrische Antriebe sind unempfindlich gegen Hitze, Kälte und Verschmutzung. Sie erreichen eine hohe Lebensdauer, sind verschleissarm (ausser Lagern keine berührenden Teile), ge-
Die Satellitennavigation macht es möglich: Automatisierung von Arbeitsprozessen und teilschlagspezifische, zentimetergenaue Bewirtschaftung.
Überdurchschnittliche Dienstleistungen weiter gefragt Mit der Zunahme der Weltbevölkerung und dem ansteigenden Wohlstand in gewissen Schwellenländern mit dem Trend zur höherwertigen Ernährung wird die Landwirtschaft künftig intensiver, da die Anbaufläche pro Person abnimmt. Dieser globale Trend gilt an sich auch für die Schweiz. Die Qualität der Landtechnik wird vom jetzt schon hohen Niveau weiter ansteigen, so verbessern sich die Flächenleistungen und je Arbeitsgang wird künftig mehr erledigt werden. Die Energieeffizienz von Traktoren und Erntemaschinen wird ebenso ein Thema sein wie der Einbezug von Alternativenergien oder elektrischen Antrieben. Mit der Leistungssteigerung der Trägerfahrzeuge wird sich auch jene der Anbaugeräte verbessern, die Verluste werden weiter minimiert und die Applikation von Dünger und Pflanzenschutzmittel wird exakter und feiner dosiert erfolgen. Obwohl es in der Schweiz nie eine Grossflächen-Landwirtschaft geben wird, hat die Agrarwirtschaft bei uns gute Chancen. Die Behörden werden aber gefordert sein, eine für unser Land angepasste Agrarpolitik zu verfolgen, da der Selbstversorgungsgrad eine grössere Bedeutung einnehmen wird.
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Was die Landtechnik in der Schweiz betrifft, so verfügen wir heute über einen hohen Stand bei Wartung und Pflege der Maschinen. Es gibt viele gut qualifizierte Landmaschinenhändler, deren Gesamtzahl ist aber zu hoch, denn die Anforderungen an einen Verkaufspunkt nehmen laufend zu (Infrastruktur, finanzielle Absicherung oder Marketing). Da werden künftig vor allem die kleinen Händler nicht mehr mithalten können. Für die internationalen Hersteller von Landtechnik wird der Schweizer Markt immer eine Bedeutung haben, selbst wenn wir nicht zu den ersten Abnehmern von gross dimensionierter Landtechnik gehören. Aber bei uns werden viele technische Details nötig und nachgefragt, bevor sie in anderen Ländern überhaupt zu einem Thema werden (z.B. Umweltoder Tierschutznormen, Emissionen). Auch beim Vertrieb wird die Schweiz oft als Testmarkt «eingesetzt». Zudem darf man nicht vergessen, dass es auch anderswo klein strukturierte Landwirtschaften gibt. Die grossen Hersteller sind also stets gefordert, entsprechende Maschinen anbieten zu können.
Die Schweizer Preise für Agrartechnik haben sich bereits jetzt jenen im Ausland angeglichen. Der Schweizer Landwirt wird aber auch in Zukunft höhere Anforderungen an die Dienstleistungen stellen (Lieferbereitschaft, Ersatzgeräte, Vorführmaschinen). Die noch verbliebenen Landtechnikhersteller in der Schweiz können sich behaupten, wenn es ihnen gelingt, in ihrer Nische qualitativ hoch stehende Produkte zu Weltmarktpreisen zu produzieren. Die Schweiz darf stolz sein, eine solche Landwirtschaft mit gepflegten und kultivierten Flächen zu haben. Dies sollte es unserer Regierung und Bevölkerung auch in Zukunft wert sein, öffentliche Gelder dafür einzusetzen. Jürg Minger, Präsident Schweizerischer Landmaschinen-Verband (SLV).
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50 JAHRE UFA-REVUE LANDTECHNIK räuscharm und umweltfreundlich. Elektrische Energie lässt sich leicht erzeugen, verteilen, speichern und sehr verlustarm regeln und umwandeln. Es lassen sich drei Antriebsaufgaben unterscheiden: • Der Geräteantrieb, der heute zumeist über die Zapfwelle erfolgt, sowie Arbeitsorgane von Selbstfahrern erfordern die Antriebsleistung meist bei einer festen Drehzahl oder über einen eingeschränkten Drehzahlbereich. Um die Leistung über diesen Drehzahlbereich konstant zu halten, ist ein Ansteigen des Drehmomentes mit fallender Drehzahl erforderlich («Drehmomentanstieg»). • Bei Fahrzeug-Hilfsaggregaten, wie zum Beispiel Pumpen und Lüfter, steigt die erforderliche Leistung überproportional mit der Drehzahl. Das höchste Drehmoment und die höchste Leistung muss bei Maximaldrehzahl aufgebracht werden. • Der Fahrantrieb benötigt konstante Leistung über einen sehr weiten Drehzahlbereich. Bei Traktoren beträgt dieser Konstantleistungsbereich in der Regel mehr als 1 zu 10. Diese Antriebsaufgabe wird heute über
Mit steigenden Preisen für fossile Kraftstoffe gewinnen alternative Energien und neue Motorkonzepte an Bedeutung.
schaltbare oder stufenlose Getriebe gelöst. Die Technologie ist heute verfügbar. Die Massenanwendung von elektromechanischen Hybridsystemen im PKW wird zu einem erheblichen Kostenrückgang führen und damit die Technologie auch für die Landtechnik bezahlbar machen.
Steigerung der Energieeffizienz/ Erneuerbare Energien Mit steigenden Preisen für fossile Kraftstoffe gewinnt der effiziente Kraftstoffeinsatz zunehmende Bedeutung. Von der Bodenbearbeitung bis hin zur Ernte gibt es vielfältige Möglichkeiten der Einsparung von Kraftstoff, sei es durch maschinenspezifische Entwicklungen (zum Beispiel elektronisches Motor- und Getriebemanagement) oder durch Kombination von Arbeitsgängen oder Verzicht auf bestimmte Massnahmen (zum Beispiel Pflugverzicht). Darüber hinaus ist die Energieeffizienz auch ein wichtiges Kriterium zur Bewertung der Biokraftstoffproduktion. Berechnungen zeigen, dass eine Ganzpflanzennutzung von Energiepflanzen mit folgender Biomethanproduktion im Vergleich zur Bio-
diesel- oder Bioethanolproduktion eine höhere Energieeffizienz aufweist. Aus diesem Grund wird besonders die Gaserzeugung und -nutzung (Strom, Wärme, Kraftstoff) aus verschiedenen Biomassen der Land- und Forstwirtschaft im Fokus von Forschung und Entwicklung stehen. Gerade die Nutzung biogener Gase bietet die grosse Chance über eine Einspeisung in das Erdgasnetz von den positiven Entwicklungen aller Nutzungspfade (Strom, Wärme, Kälte, Kraftstoff) biogener Energieträger profitieren zu können. Abgesehen von einer Ressourcen schonenden Biomasseproduktion (Energie- und Wassereffizienz, Ökobilanz) und -bereitstellung (Logistik, Aufbereitung, Lagerung) bestehen auch im Bereich der Konversionstechnologien noch erhebliche Optimierungspotenziale. Insgesamt ergeben sich neue Perspektiven für agrarische Ressourcen. Die Trends der Entwicklung sprechen eher für eine Verbesserung der Wettbewerbsposition der Bioenergien gegenüber fossilen Energieträgern. Es bestehen noch erhebliche Reserven in der Verbesserung der Produktion, Logistik, Verarbeitung und des Marketings in sämtlichen Verfahren der Biomasseproduktion. Festzuhalten bleibt aber, dass sich die neuen Märkte für Bioenergie nicht ohne Gestaltung günstiger politischer Rahmenbedingungen für Investoren entwickeln, es sei denn, der Weltmarktpreis für Rohöl bleibt dauerhaft über 80 US $/Barrel. 䡵
Bild: Same Deutz-Fahr
Autor Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karlheinz Köller ist Professor an der Universität Hohenheim (Stuttgart) und leitet innerhalb des Instituts für Agrartechnik das Fachgebiet Verfahrenstechnik in der Pflanzenproduktion.
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Potenzial nutzen BEVORSTEHENDE VERÄNDERUNGEN wie zunehmende Globalisierung, Klimawandel, Ressourcenknappheit und eine stetig wachsende Weltbevölkerung führen zur Frage, wie die Landwirtschaft diese Herausforderungen meistern kann und ob technologische Fortschritte nicht besser genutzt werden könnten. Die Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften liefert dazu interessante Gedankenanstösse.
Alain Gaume
Peter Althaus
Lange Zeit waren zuerst Überproduktion und später fallende Produzentenpreise die dominierenden Themen der Landwirtschaft in der Schweiz und in anderen westlichen Ländern. Diese Tatsache sowie die steigenden Umweltbelastungen aus der Landwirtschaft führten zur Agrarreform in den 80er Jahren, die eine Ökologisierung der Schweizer Landwirtschaft zum Ziel hatte. Parallel zur Verschiebung der
agrarpolitischen Ziele wurden die Forschungsgelder für die Landwirtschaft kontinuierlich abgebaut.
Für Zukunft gewappnet? Zwei Jahrzehnte nach Beginn der Agrarreform ist die Multifunktionalität in der Bundesverfassung verbürgt und durch ein intensives Regel- und Gesetzeswerk inklusive Direktzahlungen reglementiert. Die Schweizer Landwirtschaft un-
terliegt jedoch nach wie vor starken Einflüssen aus Umwelt und Gesellschaft. Deshalb hat die Schweizerische Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften (SGPW) in einer umfassenden Studie eine Vision für den Schweizer Pflanzenbau im Jahre 2050 entworfen. Ziel dieser weit blickenden Arbeit war es, Bereiche der wissenschaftlichen Forschung zu identifizieren, die dem Schweizer Pflanzenbau in den kom-
Nadine Degen
Die Betriebe werden in Zukunft wohl grösser. Vielseitig werden sie aber bleiben. Bild: agrarfoto.com
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE menden Jahrzehnten zum Erfolg verhelfen könnten. Mit dem Jahr 2050 wählte die SGPW absichtlich einen weiten Zeithorizont. Einerseits ermöglichte dies, sich bei der Erarbeitung der Vision von der Gegenwart zu lösen und sich mit klar veränderten und teilweise unbekannten Rahmenbedingungen zu befassen. Andererseits sind insbesondere Pflanzenzüchter gezwungen, in langen Zeitintervallen zu denken, dauert doch die Entwicklung einer neuen Getreidesorte 12 bis 15 und die Züchtung einer neuen Apfelsorte gar bis zu 20 Jahre.
Rahmenbedingungen 2050 Um eine Vision zu formulieren, bedarf es primär einer sauberen Analyse. Diese besteht unter anderem darin, dass man sich Gedanken macht, wie sich das Umfeld des Pflanzenbaus im Jahre 2050 präsentieren könnte. Selbstverständlich können Extremereignisse diese Annahmen vollständig verändern. Es muss deshalb an dieser Stelle explizit betont
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werden, dass die Prognosen auf dem heutigen Wissensstand beruhen.
durch zusätzliche Flächen in höheren Lagen kompensiert werden.
Klimaerwärmung und Bodenknappheit Das Klima ist eine ent-
Steigende Nachfrage Es ist davon
scheidende Komponente für den Pflanzenbau. Experten gehen davon aus, dass sich die Durchschnittstemperaturen erhöhen werden. Dies hat unter anderem zur Folge, dass die Schneegrenze um rund 400 m steigen wird. Die Niederschlagsmengen im Sommer gehen zurück und es ist im Allgemeinen mit mehr Extremereignissen zu rechnen (Grafik). Dies kann zu verschärften und neuen Problemen im Ackerbau führen, auf der anderen Seite können sich aber die Anbaubedingungen für gewisse Kulturen auch verbessern. Der Boden als Produktionsfaktor wird in der Schweiz weiterhin knapper. Dies insbesondere auf Grund des Siedlungsdrucks, aber auch auf Grund von Übernutzungen bestimmter Böden (beispielsweise Moorböden). Dieser Bodenverlust kann nur ungenügend
auszugehen, dass sich die Märkte öffnen werden. Es muss deshalb mit einem Preisniveau gerechnet werden, das dem zukünftigen Weltmarktpreis entspricht. Es wird vermutet, dass dieser gegenüber heute in einem eher bescheidenen Rahmen, aber kontinuierlich ansteigen wird. Dank gewissen im Ausland anerkannten Produktionsstandards wie Bio Suisse oder IP-Suisse oder der Herkunftsbezeichnung AOC können bestimmte Spezialitäten zu einem besseren Preis abgesetzt werden. Allgemein ist zu erwarten, dass sich der Anbau von Energiepflanzen weiterhin erhöhen wird, da sich gewisse Ressourcen erschöpfen werden. Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung an, so dass die Nachfrage nach Nahrungsmittel ansteigen wird. Zudem ändern sich bei steigendem Wohlstand in den Schwellenländern die Ernährungsgewohnheiten,
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Neue Möglichkeiten für Spezialkulturen in den Berggebieten. Bild: ACW
wodurch der weltweite Bedarf nach Fleisch und Milch weiter zunehmen wird. Trotzdem kann das Angebot die Nachfrage auch in Zukunft befriedigen, dank dem Einsatz moderner Technologie und züchterischem Fortschritt. Ein
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Teil des globalen Flächenschwundes (Verwüstung, Überbauung) kann dank der Erschliessung neuer Flächen in höheren Breiten (Kanada, Sibirien) wettgemacht werden. Zu guter Letzt muss auch noch bemerkt werden, dass die Be-
völkerung die Landschaft als Freizeitund Naherholungsgebiet nutzen möchte. Gleichzeitig ist es auch ihr Bedürfnis, eine gewisse Garantie bezüglich Nahrungsmittelsicherheit – sowohl qualitativ als auch quantitativ – zu haben.
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE Extremszenarien Zur Erstellung einer Vision für den gesamten Schweizer Pflanzenbau wurde von vier verschiedenen Szenarien ausgegangen: Diese wurden bewusst extrem formuliert und gingen von einem reinen Bioland Schweiz über eine hoch technologisierte Landwirtschaftsindustrie bis zur Idee der Touristiklandschaft. Beim Vergleich die-
Forschungs- und Entwicklungsbedarf Früherkennung • Entwicklung von Früherkennungssystemen, welche die neuen Herausforderungen für den Pflanzenbau prognostizieren.
grösseren Betrieben ausgeübt. Diese Betriebe zeichnen sich durch ein professionelles Management aus, das die Nachhaltigkeit als oberstes Ziel hält. Die Betriebe sind spezialisiert, aber betreiben wie heute mehrere Produktionsrichtungen. Dies ist wichtig, um das Risiko von Totalschäden durch klimatische Extremereignisse abzufedern.
ser Szenarien mit den oben geschilderten Rahmenbedingungen wurde festgestellt, dass kein einzelnes System angesichts der anzunehmenden Bedingungen einen zukunftsfähigen Pflanzenbau garantieren könnte. Vielmehr resultierte, dass sich eine Mischung all dieser Landwirtschaftsbilder den Herausforderungen am besten stellen würde. So konnte nun die Vision Pflanzenbau 2050 formuliert werden:
Vermehrt im Berggebiet Pflanzenbau wird im Jahr 2050 nicht nur im Talgebiet, sondern vermehrt auch im Berggebiet ausgeübt. Die klimatische Entwicklung deutet auf in Zukunft verbesserte pflanzenbauliche Bedingungen in höheren Regionen hin. So ist es
Vielseitige Betriebe Der im Jahr 2050 international konkurrenzfähige, produktionsorientierte und innovative Pflanzenbau wird in der Schweiz auf, verglichen mit heute, weniger, aber
Neue Forschungsschwerpunkte
Grafik: Zunahme von Extremereignissen
• Entwicklung von Anbaumethoden zur Minimierung der Bodenerosion sowie des Schadstoffeintrags und zur Optimierung der Düngung.
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Häufigkeit
• Entwicklung neuer Sorten mit verbesserten Resistenzen sowie erhöhter Wasser- und Nährstoffeffizienz.
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• Entwicklung neuer Strategien im Pflanzenschutz.
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• Entwicklung neuer Technologien für umweltschonende und ressourceneffiziente Produktionsverfahren. Transfer neuer Technologien verbessern • Technologietransfer zwischen Forschung, Entwicklung und Praxis verstärken. • Kommunikation und Transparenz zwischen allen Beteiligten fördern.
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• Aufzeigen der besseren Produktionsmöglichkeiten in den Berggebieten.
Messungen 1961–1990
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Temperatur (°C) Hitzesommer 2003 im Vergleich zu den mittleren Sommertemperaturen von 1961–1990 und den Prognosen für 2071–2100. (Schär et al., © 2004, Macmillan Publishers Ltd: Nature)
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE die Kombination von Ackerbau und Tierhaltung sowie der überbetriebliche Einsatz von organischen Düngern.
Mehr Marketing und innovative Technik Nicht nur der Verkauf von
Ein wettbewerbsfähiger und zukunftsorienterter Pflanzenbau braucht eine ver-stärkte Förderung der Zusammenarbeit und des Wissensaustauschs Bild: ACW zwischen Forschung, Entwicklung und Praxis.
durchaus denkbar, dass den Konsumenten in naher Zukunft vermehrt Bergobst angeboten wird. Der Berglandwirtschaft bietet sich hier ein neuer Produktionszweig an, der durchaus interessant sein könnte. Im Talgebiet wiederum ist es denkbar, dass auf grösseren Flächen Kulturen angebaut werden, die durch technische Entwicklung spezifische Inhaltsstoffe enthalten, die eine höhere
Wertschöpfung versprechen. Eine überbetriebliche Kooperation wird die einzige Möglichkeit sein, die Kosten entscheidend zu senken. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit wird wesentlich über die Zukunft des Pflanzenbaus in der Schweiz entscheiden. Besonderes Augenmerk wird im Talgebiet der abnehmenden Bodenfruchtbarkeit zu schenken sein. Lösungsansätze sind hier
Nahrungsmitteln auf nationalen und internationalen Märkten bedarf eines professionellen Marketings. Auch die übrigen durch den Pflanzenbau produzierten Güter wie Energie oder die gepflegte Landschaft können und sollen vermarktet werden. Angesichts der sich ändernden Rahmenbedingungen darf die Schweizer Landwirtschaft ihre Augen nicht verschliessen vor neuen technologischen Entwicklungen. So können etwa innovative Lösungen im Bereich des Pflanzenmaterials, Anbaumethoden oder Vermarktung dem Pflanzenbau reelle Chancen einräumen, vorausgesetzt, sie werden unter dem Oberziel der Nachhaltigkeit eingesetzt.
Fazit: Grosser Forschungsbedarf Ein qualitativ und quantitativ hochwertiger Pflanzenbau für die Zukunft kann nur ermöglicht werden, wenn rechtzeitig die entsprechenden Massnahmen ergriffen werden. Auf Grund der zu erwartenden Veränderungen der
Hilfsstoffhandel und Abnehmer bereiten sich vor Aufgrund des steigenden Nahrungsmittelbedarfs für Mensch und Tier sowie der Engpässe bei Energieträgern wird der produktive Pflanzenbau in der Schweiz auch künftig bedeutend sein. Die Diskussion rund um den Klimawandel sorgt dafür, dass ökologische und agronomische Anforderungen hoch bleiben. Die Angleichung der Schweizer an die europäischen Normen (Beispiel Chemie-, Pflanzenschutzmittel-Verordnung, Sortenanerkennung) geht wohl weiter. Von der Dünger-, Saatgut- und Pflanzenschutzindustrie werden grosse Anstrengungen unternommen, um auf der einen Seite die Nachfrage decken zu können und auf der anderen Seite die ökologischen Profile ihrer Produkte weiter zu verbessern. Bei den Zulieferern lässt sich
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schon seit Längerem eine steigende Konzentration feststellen. Um in der kleinen Schweiz die Versorgung mit Hilfsstoffen zu guten Bedingungen zu sichern, bedarf es einer starken Organisation, die über die Grenzen hinaussieht. Die fenaco – als genossenschaftlich organisiertes Unternehmen in der Hand der Landwirte – nimmt hier eine wichtige Position ein. Sie wird ihr Ziel, den Landwirten gute und günstige Hilfsstoffe zur Verfügung zu stellen – an die künftigen Rahmenbedingungen angepasst – weiter engagiert in die Tat umsetzen. Zudem fördert die fenaco den Absatz der qualitativ hoch stehenden Erzeugnisse aus dem Schweizer Pflanzenbau. Um sich laufend auf die neuesten Kundenbedürfnisse ausrichten zu können, werden die Fachbereiche der fenaco weiterhin den engen Kontakt zur Industrie,
zum Handel und zu den Verarbeitern suchen, ihre Produkte entsprechend optimieren und so die lokale Produktion fördern. Diese Kontakte innerhalb eines Unternehmens sind eine besondere Stärke der fenaco. In der Vergangenheit wurden auf diese Weise wichtige Innovationen wie beispielsweise der HOLL-Raps oder die Entscheidungshilfe für die Sortenwahl beim Mais (Bewertung der Energieherkunft nach Stärke und Fasern) geschaffen. Sie dienen der Landwirtschaft und werden sich weiter etablieren. Zur Unterstützung des gezielten Einsatzes des Saatguts und der Hilfsstoffe und um den hohen Qualitätsanforderungen gerecht zu werden, wird die Pflanzenbau-Beratung der fenaco auch künftig ein kompetenter Ansprechpartner bleiben. Werner Kuert, fenaco Geschäftsleitungsmitglied, Leiter Departement Pflanzenbau.
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Bild: BASF
Rahmenbedingungen wurde in dieser Studie der Handlungsbedarf an Forschung und Entwicklung für die kommenden Jahre aufgezeigt (Kasten). All-
gemein muss der Früherkennung von Veränderungen und der Entwicklung neuer, innovativer Technologien, Produkte, Verfahren und Vermarktungs-
Ackerbau schon früher fortschrittlich Bereits vor 50 Jahren wurde der Schweizer Ackerbau als fortschrittlich beurteilt, während die Viehwirtschaft, die damals im Durchschnitt rund die Hälfte des Landwirtschaftlichen Einkommens ausmachte, als «Stiefkind» galt. Schon damals wurde dazu aufgerufen, sich des Potenzials im Futterbau bewusst zu sein und die Wiesen sorgfältig zu pflegen. Um im Luzerneanbau höhere Erträge zu ermöglichen, stellte die ETH Zürich neu KnöllchenbakterienImpfkulturen zur Verfügung. Ein anderes Thema war der teilweise sehr geringe Mineralstoffgehalt im Wiesengras. Dieser müsse durch eine ausreichende Düngung mit Thomasmehl und Kali erhöht werden, hiess es. Mais wurde nördlich der Alpen noch keiner angebaut. Erst die Hybridzucht machte es ab 1960 möglich, Sorten zu züchten, die in den Schweizer Breitengraden voll abreifen konnten. In den Saat-
menge-Empfehlungen beim Getreide wurde noch unterschieden zwischen Maschinen- und Handsaat. Das meist diskutierte Thema an Obstbautagungen waren die Vorteile von Halbund Niederstammbäumen, die sich einfacher pflegen lassen und einen höheren Obstertrag liefern als Hochstammbäume.
vor 50 Jahren
Die Entwicklung neuer Stratiegien im Pflanzenschutz wird ein wichtiger Forschungsschwerpunkt bleiben.
strategien Beachtung geschenkt werden. Es braucht eine verstärkte Förderung der Zusammenarbeit und des Wissensaustauschs zwischen Forschung, Entwicklung und Praxis. Um diese Aufgaben zu erfüllen, benötigen Forschung und Entwicklung des landwirtschaftlichen Pflanzenbaus eine deutlich höhere finanzielle Unterstützung und eine verstärkte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. 䡵
Autoren Alain Gaume, Peter Althaus, Nadine Degen, Schweizerische Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften (SGPW). Weiter wirkten an diesem Beitrag Roland Kölliker, Andreas Hund, Michael Winzeler und Arthur Einsele, ebenfalls SGPW, mit. Umfassender Schlussbericht Der umfassende Schlussbericht «Vision Pflanzenbau 2050» der SGPW kann unter www.sgpw.scnatweb.ch eingesehen werden.
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Fortschritt wird anhalten SZENARIEN FÜR DIE TIERZUCHT Wie sich die Tierhaltung in Zukunft entwickelt, hängt von vielen Faktoren wie neuen technischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, Agrarpolitik, Ressourcenverfügbarkeit sowie der Marktentwicklung ab. Bestimmt wird der Kunde auch in Zukunft der König bleiben. Das bedeutet, dass die Nutztierproduktion letztlich den Ansprüchen der Konsumenten gerecht werden muss.
Christine Flury
Stefan Rieder
Vorhersagen für die Zukunft lassen einem oft direkt ins Fettnäpfchen treten. Es kommt doch alles ganz anders als man denkt. Blicke in die Zukunft beinhalten viele Unbekannten und sind nicht zuletzt auch durch den Blickwinkel der jeweiligen Autoren geprägt. Nichtsdestotrotz ist der Blick in die Zukunft unabdingbar. Er bildet die Grundlage für planerische Aktivitäten, auch im Bereich der Tierzucht. Im folgenden Beitrag werden, basierend auf aktuellen Entwicklungen, Auswirkungen auf die zukünftige Tierproduktion, respektive die Tierzucht in der Schweiz skizziert. Bei den diskutierten Aspekten handelt es sich um Entwicklungen, die sich aufgrund des heutigen Wissensstands abzeichnen. Im ersten Abschnitt werden diese Entwicklungen kurz beschrieben. Nachfolgend werden die zu erwartenden Auswirkungen auf den Sektor Tierproduktion und auch auf die Tierzuchtlandschaft in der Schweiz diskutiert. Die Leserschaft ist eingeladen, sich mit den Schreibenden Gedanken zu machen und zu prüfen, wie weit die Überlegungen der Autoren mit der eigenen Vision der schweizerischen Tierzucht übereinstimmen.
tenzial für die landwirtschaftliche Praxis enthalten. Aktuell handelt es sich bei der Tierzucht, und der Landwirtschaft insgesamt, in vielen Ländern um hoch reglementierte, geschützte Sektoren. Durch Mittel der öffentlichen Hand werden diverse Akti-
vitäten der Landwirte/Tierzüchter und deren Organisationen von Gesetzes wegen unterstützt. Fossile Energieträger sind endlich und man geht davon aus, dass diese mittelbis längerfristig teurer und knapper werden, wenn nicht gar zur Neige gehen.
Rahmenbedingungen Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass der technische Fortschritt und der naturwissenschaftliche Erkenntnisgewinn weiter anhalten werden. Dies beeinflusst die Tierproduktion wie auch die Tierzuchtwissenschaften. Es werden Entwicklungen in den Bereichen der statistischen und molekularen Genetik, der Zuchtplanung, der Reproduktionsbiologie und der Medizin erwartet. Diese werden direktes Umsetzungspo34
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE An neuen Energieträgern wird gearbeitet. Diverse menschliche Tätigkeiten und die Natur selbst produzieren Externalitäten, die sich negativ auf die Umwelt auswirken. Die Kaufkraft und damit die Möglichkeit zum Konsum von tierischen Lebensmitteln nehmen in vielen Ländern der Welt zu. Global steigt die Nachfrage nach tierischen Produkten massiv an.
Genauere und schnellere Selektion In den letzten 15 Jahren waren die Tierzuchtwissenschaften geprägt von der Entschlüsselung des Erbgutes bei Mensch und Tier. Heute steht diese Information für die wichtigsten landwirtschaftlichen Nutztiere öffentlich zur Verfügung. Hunderttausende von Erbgutunterschieden (Marker) zwischen Tieren einer Art wurden aufgedeckt. Zehntausende genetische
Marker lassen sich heute kommerziell an jedem beliebigen Tier ablesen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten zur Schätzung des genetischen Potenzials in den Nutztierpopulationen. Das Stichwort lautet «genomische Selektion». Ergebnisse aus der Wissenschaft zeigen, dass die Genauigkeiten der genomischen Zuchtwerte selbst für Tiere ohne Eigenoder gar Nachkommenleistung sehr hoch sind. Die Auswirkungen auf bestehende Zuchtprogramme könnten gravierend sein. Anhand genomischer Zuchtwerte können Tiere bereits kurz nach der Geburt selektiert werden. Dies führt zu einer drastischen Verkürzung des Generationenintervalls und macht die zeit- und kostenaufwändige Nachkommenprüfung überflüssig. Zudem wird eine deutlich genauere Selektion auf dem mütterlichen Pfad möglich.
Spermasexing für Schweine? Neben den Errungenschaften auf dem Gebiet der Nutztiergenetik sind insbesondere Fortschritte im Bereich der Reproduktion für die praktische Tierzucht relevant. Die Möglichkeit, Spermien geschlechtsspezifisch zu sortieren und in genügender Menge und Qualität auf den Markt zu bringen, ist heute beim Rindvieh Realität. Gezielt können für die Mast männliche und für die Milchproduktion weibliche Tiere erzeugt werden. Rinderrassen, deren männliche Tiere kaum einen Marktwert haben, werden vermutlich bald davon profitieren. Man stelle sich vor, derselbe Ansatz liesse sich beim Schwein in die Praxis umsetzen, die Diskussionen um Ebergeruch und Ferkelkastration wären wohl bald beendet.
Medizinproduktion Der Markt verlangt oft einheitliche und identische
Schöne Kühe werden auch künftig gefragt sein. An den Rahmenbedingungen für die Tierzucht könnte sich Bild: holstein.ch aber einiges ändern.
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50 JAHRE UFA-REVUE NUTZTIERE tung kommt. Solche Substanzen könnte man einerseits für medizinische Anwendungen beim Menschen nutzen («gene pharming» – zum Beispiel Blutgerinnungsfaktoren) oder die pharmakologische Wirkung käme direkt dem Tier zu Gute. So wurden beispielsweise kürzlich in den USA transgene Kühe erzeugt, die im Euter Antibiotika gegen Staphylococcus aureus ausschütten und sich so quasi mit körpereigenen Medikamenten selber schützen.
Genetische Vielfalt bleibt wichtig Der direktere Zugriff zur geneti-
Zuchtwerte lassen sich dereinst direkt aus Labordaten bestimmen. Bild: agrarfoto.com
Produkte. Sollte die Klonierung von Tieren effizienter und kostengünstiger werden, würde diese Reproduktionstechnik vermutlich ebenfalls breiter zum Einsatz kommen. Weiter ist in den kommenden Jahren sicher mit Fort-
schritten im Bereich der Gentechnologie zu rechnen. Es ist bereits Realität, dass das Erbgut von Nutztieren gentechnisch so verändert werden kann, dass eine nutzbare Substanz direkt in der Milch oder im Blut zur Ausschüt-
schen Information bewirkt, dass die Tiere bedingt durch die erwähnten Techniken vermehrt «nur» noch die «wenigen» gewünschten Gene haben. Dies führt schneller als bisher zu einer Abnahme der genetischen Variation innerhalb der, für die Ernährungssicherheit relevanten, Nutztierpopulationen. Vielfalt ist und bleibt jedoch eine Grundvoraussetzung für die Tierzucht und letztlich auch für die Anpassungsfähigkeit von Nutztierpopulationen an neue Kundenbedürfnisse und sich verändernde Umwelten. Die Frage nach der genetischen Diversität der Nutz-
Eingeschlagenen Kurs konsequent weiterverfolgen Die Schweizer Landwirtschaft lebt in hohem Ausmass von der Tierhaltung. Das wird auch in Zukunft so bleiben, denn unsere kleinräumigen Strukturen und die topografischen Verhältnisse erfordern eine hohe Wertschöpfung auf wenig Fläche. Wenn mit steigender Weltbevölkerung die Nahrungsversorgung schwieriger wird und die Lebens- und Futtermittelpreise steigen, dann wird es umso wichtiger, eine nachhaltige, ressourcenschonende Produktion in der Nähe zu haben. Hier haben wir unsere Stärken: Das nachhaltige Schweizer Rindvieh-Fütterungskonzept, unser hohes Tierschutzniveau und unser ökologisches Bewusstsein sind im internationalen Vergleich fortschrittlich und zukunftsgerichtet und werden an Stellenwert gewinnen. Der Respekt vor Natur und Umwelt wird zunehmen und jedes Land hat ein legitimes Interesse an einer minimalen, sicheren Selbstversorgung. Die fenaco hat sich immer für eine erfolgreiche Tierhaltung engagiert und hat
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die Zeichen der Zeit erkannt. Mit unseren Produktionsprogrammen haben wir die Tierhalter unterstützt und ihnen neue Produktionschancen erschlossen. So waren wir mit «Agri Natura» die Pioniere in der Labelproduktion, mit Expanderfutter haben wir punkto Sicherheit und Hygiene neue Massstäbe gesetzt und mit unseren Verkaufskanälen haben wir neue Märkte erschlossen. Mit ständiger Rationalisierung und Innovation haben wir die Produktionskosten gesenkt und mit dem europaweit modernsten Mischfutterwerk Biblis haben wir die Effizienz nochmals erhöht und stellen sicher, dass die Schweizer Ackerprodukte sinnvoll veredelt werden können. Wir wollen den eingeschlagenen Weg auch in Zukunft weitergehen und mit den Schweizer Tierhaltern eine konkurrenzfähige Produktion mit einer möglichst hohen Wertschöpfung in der Schweiz erhalten. Unsere bisherigen Grundsätze der Nachhaltigkeit, Sicherheit und Rückverfolgbarkeit werden in Zukunft noch
wichtiger. Hier haben wir mit unserer Schweizer Produktion Vorteile, die über Marketingversprechen hinausgehen und echten Mehrwert bedeuten. Die fenaco setzt sich mit aller Kraft dafür ein, dass die Tierhalter mit diesen Stärken auch bei offeneren Märkten bestehen werden. Mit dem Wachstum der Betriebe und der Spezialisierung steigt der Bedarf an Beratungsleistungen. Mit unseren innovativen Konzepten im Rindvieh(uhs, W-FOS) und Schweinebereich (UFA 2000, AFP) bieten wir zukunftsgerichtete Dienstleistungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit beim Tierhalter. Die fenaco wird auch in den nächsten 50 Jahren alles tun, um die wirtschaftlichen Verhältnisse der Tierhalter bestmöglich zu fördern und so auch dem Schweizer Ackerund Getreidebau den Absatz zu sichern. Eugen Brühlmeier, fennaco Geschäftsleitungsmitglied, Leiter Division 2 (Tierproduktion, Pflanzenbau, Agrartechnik).
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50 JAHRE UFA-REVUE NUTZTIERE tierrassen und deren Erhalt wird somit wohl längerfristig an Bedeutung gewinnen.
Frage der Akzeptanz Die Arbeit mit lebenden Tieren behält eine emotionale Seite, nicht nur beim Tierhalter, sondern auch bei den Endnutzern und Konsumenten. Damit bleiben für den Bereich technische Entwicklungen in der Schweiz Fragen offen, was die Akzeptanz und die Umsetzbarkeit der neuen Möglichkeiten anbelangt. Eine der Herausforderungen der Zukunft ist die sinnvolle, ethisch verantwortbare Nutzung genetischer Informationen und deren Einbau in die klassischen Zuchtprogramme. Preisdruck hinterlässt Spuren Im Zeitalter der Globalisierung wird die Welt einerseits kleiner, andererseits
werden Unterschiede grösser und es gibt Gewinner und Verlierer. Internationale Gremien arbeiten an einer weitgehenden Liberalisierung der Märkte inklusive der Agrarmärkte. Öffnung und Preisdruck werden in der Schweizer Tierproduktion Spuren hinterlassen. Sollte die Liberalisierung der Märkte mit einer generellen Deregulierung der Landwirtschaft einhergehen, ist in der Schweiz mit grösseren Umwälzungen zu rechnen. Der Produktionsfaktor Boden ist knapp und derzeit weitgehend dem freien Markt entzogen (Raumentwicklungsgesetzgebung, Bäuerliches Bodenrecht u.a.). Sollte sich dies ändern, könnte der Landwirtschaft in der kleinen Schweiz der Boden buchstäblich unter den Füssen weggezogen werden. Mit ihrer multifunktionellen Ausrichtung leistet die Schweizer Tierproduktion einen Beitrag an öffentliche Güter
(beispielsweise Natur- und Tierschutz, Landschaftspflege, Biodiversität, Nachhaltigkeit etc.). Diese Dienste werden mit öffentlichen Mitteln entschädigt. Direkte Beiträge an die Tierzucht über alle beitragsberechtigten Nutztierarten gibt es zurzeit im Umfang von knapp 40 Millionen Franken pro Jahr. Damit werden aktuell unter anderem das Herdebuchwesen, die Leistungsprüfungen und das Halten von Zuchttieren unterstützt. Kürzungen haben im zunehmend härteren Kostenumfeld der Landwirte vermutlich einen Rückgang der Herdebuchpopulationen und damit der eigentlichen Selektionsbasis der Zuchtorganisationen zur Folge. Aufgrund der aktuellen Strukturen werden sich Kürzungen vermutlich stärker auf die Sektoren Rind, Pferd und Kleinwiederkäuer auswirken als beispielsweise auf den Geflügel- und Schweinesektor.
Massnahmen, um die Ammoniakemissionen zu senken, werden immer mehr zum Standard.
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Ressourcenknappheit Die zu er-
Bedeutung des Stallklimas entdeckt «Die Schlachtkörperqualität in der Schweinemast hängt nicht nur von den Erbanlagen und der Nahrung, sondern auch vom Stallklima ab», steht in der UFA+SEG-Rundschau vom September 1958. Es waren die «umwälzenden» Erkenntnisse, die aus dänischen und englischen Versuchen herausgingen und aufzeigten, weshalb Mastschweine von 105–110 kg Gewicht im Sommer qualitativ erstklassig ausfielen, während im Winter trotz gleicher Fütterung und Haltung bereits bei Lebendgewichten von 95–100 kg zu viel Fett vorhanden war. In der Rindviehhaltung ging es darum, die Leistungsfähigkeit der Kühe via Zucht und Fütterung zu erhöhen. «Unwirtschaftliche Tiere werden zu lange gehalten», hiess es. Um die Viehwirtschaft vielseitiger zu gestalten, wurde dazu aufgerufen, vermehrt Qualitätsmastvieh zu erzeugen. 1957 wurden noch 4256 Stück Gross- und Kleinvieh von der Maulund Klauenseuche befallen. Von der Schweinepest waren 205 Ställe mit 5634 Tieren betroffen. Über tuberkulosefreie Tiere wurde ein absolutes Weideverbot verhängt, damit sie nicht angesteckt werden konnten. Beinah saniert war die Seuche Abortus Bang.
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vor 50 Jahren
wartende Energieressourcen-Knappheit ist ein Dauerthema in der Tagespresse. Was geschieht in der Tierzucht, wenn der Zugang zu fossilen Brennstoffen versiegt? Klar, im Moment nutzt der Schweizer Landwirt im Stall primär die Energie aus der Steckdose. Aber was geschieht mit dem Futterbau, wenn Diesel nicht mehr zugänglich ist? Und wie entwickelt sich der Strommarkt? Kann oder soll die Landwirtschaft sogar einen Beitrag zur Überbrückung der Energieknappheit leisten (Biogasanlagen, Erzeugung von Solarstrom)? Welcher oder
Tierfreundliche Haltungssysteme bleiben aktuell.
welche Energieträger decken den zukünftigen Bedarf? Wer hat welchen Zugang zu welchem Preis? Fördert das Ende des fossilen Zeitalters eine Bündelung der Kräfte oder führt sie im Gegenteil zu dezentralen, kleinen Strukturen?
Handlungsbedarf bezüglich Emissionen Neben der zunehmenden Ressourcenknappheit ist auch davon auszugehen, dass Emissionen aus der Landwirtschaft weiter unter Beschuss geraten werden. In einer Publikation der FAO (Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen) aus dem Jahre 2006 wurden der Einfluss des Tierpro-
Bild: agrarfoto.com
duktionssektors auf die Umwelt quantifiziert und Handlungsachsen aufgezeigt. Die Tierproduktion hat sich als einer der grössten Verursacher wichtiger Umweltprobleme wie Erosion, Klimawandel, Luftverschmutzung, Wasserknappheit, Wasserverschmutzung und Abnahme der Artenvielfalt erwiesen. Der Handlungsbedarf hinsichtlich landwirtschaftlicher Emissionen wird stark zunehmen. In einer globalisierten Wirtschaft gilt es neben lokalen und nationalen sicher auch internationale Massnahmen anzustreben. Der ganze Sektor ist gefordert, Lösungen zu suchen und Alternativen zu prüfen. 11 2008 · UFA-REVUE
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steigerte Nachfrage nach tierischen Produkten aufgrund des Bevölkerungswachstums und der gesteigerten Nachfrage in Entwicklungsländern wird auch die schweizerische Tierproduktion betreffen. Von der FAO wird in der Zeitspanne von 2002 bis 2030 eine Zunahme des Fleischkonsums in Entwicklungsländern von 140 Millionen Tonnen auf 250 Millionen Tonnen erwartet. Hinzu kommt eine Steigerung des Fleischkonsums von 100 Millionen Tonnen auf 120 Millionen Tonnen in entwickelten Ländern. Auch für den Milchkonsum sind ähnlich starke Zunahmen in der Nachfrage prognostiziert. Die gesteigerte Nachfrage nach tierischen Produkten, unter dem Umstand der immer knapper werdenden Ressourcen und dem zunehmenden Druck, ökologischer zu produzieren, wird als eine der grössten Herausforderungen für die Tierproduktion der nächsten 50 Jahre angesehen.
Schlussfolgerungen Wissenschaftliche und technologische Fortschritte werden die Tierproduktion und die Tierzucht weiter vorantreiben. Der verbesserte Zugang zur genetischen Information und neue Reproduktionstechnologien werden die traditionellen Zuchtprogramme nachhaltig verändern (beispielsweise Aufgaben, Besitzverhältnisse, Rechte etc.). Für die langfristige Sicherung des Zuchtfortschritts muss die genetische Vielfalt innerhalb und zwischen
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50 JAHRE UFA-REVUE JUBILÄUMSAUSGABE Rassenpopulationen im Auge behalten werden. Neben medizinisch nutzbaren Entwicklungen ist die zukünftige Bedeutung der Gentechnologie im Bereich der Ernährungswirtschaft schwierig zu beurteilen. Umsetzungen dürften neben finanziellen und technischen Einschränkungen stark von der Akzeptanz der jeweiligen Konsumentenschaft abhängig sein. Die Klonierung kann im Bereich der reinen Vermehrung so-
gen ist davon auszugehen, dass auch im Rinder-, Pferde- und Kleinwiederkäuerbereich eine weitere Konzentration stattfinden wird. Marktmächte werden gebündelt, hohe Entwicklungs- und Züchtungskosten werden durch hohe globale Marktanteile ausgeglichen. Es sind aber auch Strömungen in die andere Richtung denkbar: der Weg zurück zur Nischenproduktion oder Subsistenzwirtschaft, in der vielleicht so-
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wie der Vermarktung von Einzeltieren eine gewisse Bedeutung erhalten. Auch hier spielt letztlich die Frage der Kosten und der länderspezifischen Akzeptanz eine Rolle. Veränderte Rahmenbedingungen wie Marktöffnung, Ressourcenknappheit, zunehmende Umweltbelastung und die gesteigerte Nachfrage nach tierischen Produkten werden den Tierproduktionssektor in den kommenden Jahren fordern. Eine extreme Herangehensweise an solche Veränderungen wäre die durch weitere technische Fortschritte bedingte Loslösung der Tierhaltung von der Nahrungsmittelproduktion. Käse und Fleisch wären dann nicht mehr landwirtschaftliche Produkte, sondern synthetisch erstellte Nahrungsmittel aus einem Lebensmittellabor. Solch futuristisch anmutenden Lösungen sind selbstverständlich kritisch zu prüfen. Durch die technischen Fortschritte, aber auch die skizzierten Veränderungen in den RahmenbedingunUFA-REVUE · 11 2008
gar der tierische Zug wieder relevant wird. Die Geschichte zeigt, dass Entwicklungen oft nicht linear, sondern netzwerkartig, manchmal in kleineren, manchmal in grösseren Schritten, vor sich gehen. Gewichtungen verschieben sich. Wie weit die diskutierten Punkte in der Zukunft relevant sind, wird sich weisen. Schlussendlich dürften viele Formen der Tierproduktion da und dort überleben und zu finden sein – auch in der Schweiz. Denn Diversität schafft letztlich Stabilität und dadurch Nachhaltigkeit. 䡵
Autoren Dr. Christine Flury und Dr. Stefan Rieder sind Dozenten für Tiergenetik und Pferdewissenschaften an der Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft (SHL) in Zollikofen (BE). Neben dem Unterrichten betreuen sie verschiedene Projekte im Bereich der Nutztierwissenschaften. www.shl.bfh.ch
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Die weltweite Nachfrage nach tierischen Produkten steigt mit dem zunehmenden Wohlstand in den Schwellenländern.
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