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«Die Zeit der Ballenberg-Bauern ist längst vorbei» Martin Keller Der Chef des Agrarkonzerns Fenaco über das Bauernsterben, die steigenden Rohstoffpreise, die Versorgungssicherheit – und den Cervelat. Interview: BEnita Vogel, Pascal Ihle und Bruno Arnold (fotos)
Ihr Lieblingsgericht ist Cervelat mit Brot. Ist Ihnen der Appetit auf die Nationalwurst inzwischen vergangen? Martin Keller: Nein, überhaupt nicht. Ich habe mir sogar während der «Kassen sturz»-Sendung einen Cervelat aus dem Kühlschrank geholt. Das können wir kaum glauben. Dass die Hälfte der untersuchten Würste mehr Keime enthält als erlaubt und gar Fäkalbakterien gefunden wurden, ist ein Schock für alle Schweizer und sicher auch für Sie. Keller: Die Testergebnisse sind ernst zu nehmen. Es ist wichtig, dass Schweizer Lebensmittel sicher sind und die Qualität stimmt. Aber die allgemeine Keimzahl, die gefunden wurde, sagt nichts über gesund heitliche Risiken aus. Mich hätte es alar miert, wenn Krankheitserreger in der Wurst gefunden worden wären. Aber das war nicht der Fall. Fenaco-Detailhändler Volg hatte ebenfalls Würste mit zu hoher Keimzahl im Angebot. Welches sind die Konsequenzen? Keller: Der Test ist zu relativieren. Die Re sultate waren unterschiedlich. Eine Wurst schnitt sehr gut ab, eine andere weniger. Kunden waren zu keiner Zeit gesundheit lich gefährdet. Unser Produzent, die Ernst Sutter AG, ebenfalls ein Fenaco-Betrieb, hat bereits Massnahmen eingeleitet, um die Keimzahl weiter zu reduzieren. Geht das überhaupt noch? Mit dem steigenden Preisdruck bei den Lebensmitteln sinkt die Qualität. Kein Wunder, fliegen immer häufiger Lebensmittelskandale auf. Keller: In diesem Fall hatte das nichts da mit zu tun. Aber wenn wir Verhältnisse wie in Deutschland anstreben, wo das Fleisch halb so teuer ist wie in der Schweiz, be fürchte ich, dass die Qualitätssicherung tatsächlich zu kurz kommt. Das darf nicht passieren. Wir wollen die Konsumenten überzeugen, dass sie mit den teureren Schweizer Produkten echte Qualitätspro dukte und damit einen Mehrwert kaufen. Am Preisdruck sind die Bauern selber schuld. Sie produzieren auf Teufel komm raus. Bei Milch und Schweinefleisch gibt es eine Überproduktion. Keller: In diesen zwei Bereichen gibt es eine Mehrproduktion, das stimmt. Aber über den ganzen Sektor gesehen, wird nicht zu viel produziert. Im Gegenteil, ich mache mir langsam Sorgen um unseren Selbstversorgungsgrad. In Kalorien gemes sen, kann die Schweizer Landwirtschaft die Bevölkerung nur noch jeden zweiten Tag ernähren. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei gut 50 Prozent. Da müssen wir aufpassen.
Keller: Die gut 50 Prozent, die wir bisher hatten, sind das absolute Minimum. Neus te Zahlen zeigen aber, dass der Selbstver sorgungsgrad unseres Landes weiter sinkt. Dies weil die Futtermittelimporte gestie gen sind und sich Tendenzen zur Exten sivierung der Schweizer Landwirtschaft jetzt auch auf die Produktivität auswirken. Dann halten Sie nichts von der Landwirtschaftspolitik 2014 bis 2017? Der Bundesrat will Qualität statt Quantität fördern. Keller: Doch, ich halte viel davon. Es ist der Versuch, eine Kontinuität zur bishe rigen Agrarpolitik sicherzustellen, das ist gut. Denn in den letzten zehn Jahren konnte eine gute Balance zwischen Öko logie und Produktivität gehalten werden. Ich fürchte aber, dass jetzt das Pendel zu stark Richtung Ökologisierung schlägt, weil die Agrarpolitik 2014 bis 2017 ent wickelt wurde, ohne genügend auf die in ternationale Entwicklung zu schauen. Das
«Wir werden prüfen, ob ein Landi-Format im nahe liegenden Ausland funktionieren kann.» sollte überdacht werden. In den letzten zehn Jahren hat bereits eine deutliche preisliche Annäherung an die umliegen den vier Nachbarländer stattgefunden, und sie wird weitergehen. Die Rahmen bedingungen müssen aber so ausgestaltet sein, dass die Schweizer Landwirtschaft bei ihrem Landeanflug keinen Strömungs abriss erleidet. Aber mit Ökologie und besserer Qualität lassen sich die teureren Schweizer Produkte auch vermarkten. Keller: Wir müssen uns international nicht verstecken, wenn es um Gewässerschutz, um Sorgfalt im Umgang mit fruchtbarem Boden, um Luftreinhaltungsverordnun gen und um das Tierwohl geht. Im Gegen teil, wir haben Auflagen, die sehr streng sind – und das ist gut so. Aber wenn wir jetzt noch einen Schritt weiter gehen, ris kieren wir, die Bauern in der Effizienz steigerung zu bremsen und damit noch abhängiger vom Weltmarkt zu werden. Wollen Sie den Schweizer Agrarmarkt noch stärker abschotten? Keller: Nein. Das hat nichts damit zu tun. Weltweit besinnt sich jedes Land auf eine
eigene, nationale Agrarpolitik und pflegt einen gesunden Egoismus. Deshalb sind die Verhandlungen der Welthandelsorga nisation WTO zur weiteren Liberalisierung der Landwirtschaft gescheitert. Sie meinen am neuen Protektionismus der Länder. Keller: Am gesunden Egoismus, die natio nalen Interessen im Hinblick auf die Ver knappung der Ressourcen zu sichern. Das ist die logische Verhaltensweise auch von Ländern wie China, Brasilien, Russland und Indien. Unter solchen Bedingungen sind Marktöffnungen im Agrarbereich sehr sorgfältig zu prüfen. Das sagen Sie natürlich aus unternehmerischem Eigeninteresse. Fenaco profitiert von einem abgeschotteten Agrarmarkt. Keller: Ob das für uns sinnvoll ist, spielt keine Rolle, da wir uns als Unternehmen den politischen Rahmenbedingungen rasch anpassen. Ich spreche hier vielmehr für die Schweizer Landwirte. Sie sind die Eigentümer der Fenaco. Unser Ziel ist es, sie bei der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Unternehmen zu unterstützen. Die allgemeine Verknappung des Agrarlandes, die Rohstoffspekulation, die jetzige Dürre und die nationalen Interessen haben es so weit kommen lassen. Wie spürt Fenaco den steigenden Protektionismus der Länder? Keller: Die rekordhohen Preise, die wir für Futtermittel auf dem Weltmarkt bezahlen müssen, zwingen Fenaco, die höheren Preise auf die Bauern zu überwälzen. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem beispielsweise Schweinemäster selbst unter einem nie da gewesenen Preisdruck leiden. Das ist ein Dilemma. Einerseits vertreten Sie die Interessen der Bauern, anderseits schaden Sie ihnen. Keller: Kurzfristig müssen wir Preiserhö hungen durchführen, das stimmt. Aber langfristig prüfen wir, ob wir mehr Futter mittel in der Schweiz produzieren sollen und wie wir uns im Ausland Sojaernten sichern können, wie dies China auch tut. Sie wollen Ackerland im Ausland kaufen? Keller: Wir schauen tatsächlich über die Grenzen und suchen Partner, um Ernten zu sichern. Eine Variante ist aber auch, in der Schweiz selbst Soja anzubauen. Bei den hohen Weltmarktpreisen wären wir heute wettbewerbsfähig. Auch gibt es Pläne, Pflichtlager für Notsituationen a nzulegen. Und es fragt sich, i nwieweit wir wieder tie rische Eiweisse als Schlachtabfälle für die Fütterung einsetzen können. Das ist zwar seit der BSE-Krise in den 1990er-Jahren verboten, wäre aber wirtschaftlich sinn
Teurere Rohstoffe und Preisdruck haben in den letzten Jahren den Strukturwandel in der Schweizer Landwirtschaft beschleunigt. Das Bauernsterben schadet Fenaco als Unternehmen. Es verliert laufend Lieferanten, die zugleich auch Ihre Kunden sind. Machen Sie sich keine Sorgen, dass Ihnen die Umsätze wegbrechen? Keller: Wir haben zwar immer weniger Genossenschaften und Bauern, die Mit glied bei uns sind. Auch dieses Jahr haben sich wieder etliche Landi zu grösseren, wirtschaftlicheren Einheiten zusammen geschlossen. Aber die Betriebe, die über leben, wachsen. Sie werden grösser und spezialisieren sich. Ein Ende dieser Ent wicklung ist nicht abzusehen. Für Sie als Fenaco-Chef bringt die Bereinigung Vorteile. Es gibt weniger Leute, die Ihnen ins Geschäft reinreden. Zurzeit zählen Sie 262 Landi-Genossenschaften und 46000 Bauern als Mitglieder. Keller: Nein, das ist nicht so. Ich freue mich, wenn möglichst viele Bauern mit reden. Mich kann jeder anrufen und sagen, wenn ihm etwas nicht gefällt. Es kommt vor, dass sich Mitglieder kritisch äussern. An Kritik dürfte es nicht mangeln, schon nur die Grösse des Unternehmens Fenaco gibt Anlass dafür.
«Eine Variante ist aber auch, in der Schweiz selbst Soja anzupflanzen.»
Bruno Arnold
Muss es wirklich das Ziel der Schweiz sein, möglichst viele Agrargüter zu produzieren? Andere Länder sind wesentlich produktiver und haben komparative Kostenvorteile. Keller: Angesichts der Verknappung der weltweiten Nahrungsmittelversorgung muss es ein Ziel sein, eine produktive Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Die Preishausse, die wir bei Soja und Mais er leben, schockiert die gesamte Welt. Grund dafür sind eine wachsende Weltbevölke rung, eine stagnierende Agrarfläche und eine stagnierende Produktivität. Jedes Land hat eine nationale Agrarpolitik zur Sicherung der nationalen Interessen. Welcher Selbstversorgungsgrad wäre für die Schweiz ideal?
voll. So könnten wir die ständig steigen den Rohstoffpreise etwas abfedern.
Fenaco-Chef Keller, «Handelszeitung»-Redaktoren Vogel und Ihle (von links): «Ich freue mich, wenn möglichst viele Bauern mitreden.»
Keller: Kritik an unserer Grösse bekomme ich von Bauern tatsächlich gelegentlich zu hören. Wenn ich aber frage, was der Nachteil für die Landwirte ist, bleiben die Argumente weitgehend aus. Je grösser und schlagkräftiger wir sind, desto besser können wir den Selbsthilfeauftrag der Bauern erfüllen. Wir können zum Beispiel für unsere Bauern auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger einkaufen. Ich nehme den Vorwurf der Grösse aber sehr ernst, weil wir nicht wollen, dass das Gefühl ent steht, Fenaco sei zu weit vom Landwirt weg. Aber heikel ist, dass der Bauer Fenacos Kunde und Lieferant zugleich ist. Je mächtiger und grösser Fenaco ist, desto stärker hat sie die Landwirte im Griff. Sie sind Ihnen voll und ganz ausgeliefert. Keller: Das Modell, das wir heute pflegen, ist vor 150 Jahren von den Bauern selber geschaffen worden. Sie haben sich damals zusammengeschlossen, um ihre Nachfrage und ihr Angebot zu bündeln. Wir machen heute nach wie vor den gleichen Job. Es wäre nachteilig, wenn wir uns plötzlich nicht mehr als Genossenschaft verhalten würden. Aber dafür haben wir die Verwal tung. Sie besteht aus 18 Mitgliedern, 12 davon sind Bauern. Die Verwaltung sieht alle Kennzahlen bis zu jeder Tochterge sellschaft hinunter, alle Investitionen, die wir tätigen, bis zum kleinsten PC legen wir alles offen. Ich bin für volle Transparenz. Aber es ist kein Geheimnis, dass Fenaco früher die Bauern mit Knebelverträgen dazu verknurrte, Dünger und Futtermittel bei Fenaco zu kaufen, wenn sie ihre Rüebli oder Kartoffeln dort abliefern wollten. Keller: Was früher war, weiss ich nicht. Solche Verträge existieren nicht. Meine Grundhaltung ist, wir müssen unsere Kunden mit unseren Leistungen überzeu gen, indem wir ihnen beispielsweise das beste Düngerangebot machen können. Alles andere wäre nicht richtig. Existieren solche Abmachungen auch nicht mehr informell? Die soziale Kontrolle ist ja sehr gross. Fenaco-Berater sind regelmässig auf Bauernhöfen. Keller: Sie dürfen die Schweizer Landwirte nicht unterschätzen. Die Bauern sind selbstbewusst und haben ihre wirtschaftli chen Interessen zu verteidigen. Sie halten
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Bruno Arnold
handelszeitung | Nr. 36 | 6. September 2012
Manager Keller: «Ich bin ein sportlicher Mensch und setze auf Leistungen.»
unseren Aussendienst auf Trab, was Konditionen und Rabattsysteme anbelangt. Sie erwarten gute Leistungen. Wir müssen konkurrenzfähig sein. Sie sehen keinen Interessenkonflikt, dass Lieferanten gleichzeitig Kunden sind? Keller: Im Gegenteil. Als Genossenschaft engagieren wir uns für unsere Mitglieder und setzen die Bauern nicht unter Druck. Das ist nicht unser Geschäftsmodell. Ich kann nicht ausschliessen, dass einer von unseren 8700 Mitarbeitern im Markt draussen irgendwann mal einen solchen Satz sagt. Ich will aber klarmachen, dass das nicht in meinem und nicht im Sinn der Selbsthilfeorganisation ist. Fenaco hätte sich nicht so entwickelt, wenn wir uns nicht korrekt verhalten hätten.
der mensch Name: Martin Keller Funktion: Fenaco-Chef Alter: 42 Wohnort: Nidau BE Familie: Verheiratet, zwei Kinder Ausbildung: Dr. sc. nat., Dipl. Ing. Agronom ETH Zürich Karriere: 1998 bis 2002: Produktionsleiter Saatzuchtgenossenschaft Düdingen 2002 bis 2010: Diverse Kaderjobs bei der deutschen KWS Saat 2010 bis 2012: Departementsleiter Landesprodukte Fenaco in Bern Seit 2012: Vorsitzender der Geschäftsleitung Fenaco
Sie haben mehr als 80 Tochtergesellschaften und 40 Marken im Portfolio. Ist dieses komplexe Unternehmen überhaupt führbar oder planen Sie als neuer Chef eine Verschlankung? Keller: Ich habe vor zwei Jahren bei Fenaco das Departement Landesprodukte übernommen. Hier habe ich tatsächlich den Früchte- und Gemüsebereich stark um gebaut. Wir übernahmen Familienunternehmen, wollten diese besser integrieren. Das haben wir auch getan, weil der Markt preislich stark unter Druck war. In den letzten fünf Jahren erneuerten wir hier die Infrastruktur für über 100 Millionen Franken. Wenn ich die Fenaco als Ganzes anschaue, sind wir erfolgreich unterwegs. Ich sehe keinen Grund, Strukturen zu verändern.
Das Unternehmen Fenaco ist das Gemeinschaftsunternehmen der Schweizer Bauern. Die Genossenschaft wurde 1993 gegründet und besteht aus 262 Landi und 46000 Bauern. Letztes Jahr setzte sie mit 8700 Mitarbeitenden 5,5 Milliarden Franken um. Zu Fenaco gehören über 80 Firmen in den Bereichen Detail- und Agrarhandel, Nahrungsmittel sowie Brenn- und Treibstoffe. Die bekanntesten Marken sind Detailhändler Volg, Futtermittelhersteller Ufa, Fruchtsaftproduzent Ramseier oder die Tankstellenkette Agrola.
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Wie können Sie 80 Tochterfirmen führen? Keller: Wir geben ihnen starke unternehmerische Freiheiten. Führen können wir sie über die Investitionen und die Kennzahlen, die sie monatlich abliefern, sowie über die Besetzung von Kaderpositionen und deren interne Schulung. Das sind für mich die wichtigen Hebel. Wir haben gute Mitarbeiter, die in einem Netzwerk arbeiten können. Sie haben ein kooperatives, offenes Verhältnis zueinander. Bei der Tochterfirma Ernst Sutter AG wurde kürzlich der Chef von seinem Bruder abgelöst, und auch er rutschte in die F enaco-Geschäftsleitung nach.
Keller: Das ist eine Nachfolgeregelung im Sinn der Kontinuität. Reto Sutter wurde Chef des Departementes Fleisch der Fenaco als Nachfolger seines Bruders Ernst Sutter. Beide kamen mit der Übernahme der Firma Ernst Sutter vor knapp zehn Jahren in die Fenaco-Gruppe. Selbstverständ lich haben wir hohe Massstäbe angelegt, wie sie üblich sind, um eine Führungsperson auf dieser Ebene zu besetzen. Dies riecht nach Vetternwirtschaft. Keller: Nein, überhaupt nicht. Dafür haben wir alle eine zu grosse Verantwortung. Für mich ist diese Nachfolgelösung ein Zeichen der gelungenen Integration. Die Unternehmen können weiterhin nahe im Markt agieren und fühlen sich der Fenaco zugehörig. Werden Sie die Akquisitionsstrategie Ihres Vorgängers weiterführen? Keller: Ich bin ein Freund von organischem Wachstum, schliesse Akquisitionen aber nicht aus. Der Mix war bisher gesund. Wir sind in den letzten Jahren im Schnitt 1 bis 2 Prozent pro Jahr gewachsen. Dieses kontinuierliche Wachstum sehe ich auch weiterhin. In welchen Bereichen sehen Sie die grössten Wachstumschancen? Keller: Der Agrarsektor wird stagnieren oder nur leicht wachsen, auch die Lebensmittelindustrie wird sich eher flach ent wickeln, momentan haben wir hier sogar eher eine rückläufige Umsatztendenz wegen des Preisdrucks. Signifikante Wachstumschancen sehe ich in den nächsten fünf bis zehn Jahren im Detailhandel mit unseren Formaten Volg, TopShop und Landi. Zudem gibt es Chancen im Ener giebereich. Dazu haben wir das Projekt Energie Plus lanciert. Der Bauernkonzern wird zum Energie anbieter? Keller: Das sind wir schon seit langem. Mit Agrola verfügen wir über das zweitdichteste Tankstellennetz der Schweiz und bieten unter dieser Marke auch Heizöl und Holzpellets an. Nun gehen unsere Überlegungen weiter. Im Moment haben wir verschiedene Pilotprojekte mit Pho tovoltaikanlagen. Mit jeder von ihnen können wir mehrere hundert Haushalte mit Strom versorgen. Daneben sind wir
an zwei Biogasanlagen beteiligt. Ein nächstes Projekt ist im Bereich Wärme aus Holz geplant. Auch die Idee, aus Agrarabfällen Energie herzustellen, schauen wir uns an. Mit Landi oder Volg könnten Sie ins Ausland gehen, um dort zu wachsen. Keller: Langfristig ist es wichtig, dass wir die internationalen Kompetenzen ent wickeln. Wir werden prüfen, ob ein Landi-Format im nahe liegenden Ausland funktionieren kann. Wir können uns vorstellen, internationale Kooperationen, welche wir heute schon haben, zu verstärken. Wir b eschaffen aus der Schweiz heraus Haus- und Gartenartikel für in ternationale Landwirtschaftsgenossenschaften, welche bei Intercoop zusammengeschlossen sind. Wir möchten noch mehr Genossenschaften bewegen, über uns einzukaufen. Wie viel Umsatz wollen Sie künftig im Ausland generieren? Keller: Konkrete Zielvorgaben sind in diesem Zusammenhang nicht mein Ansatz. Ich habe acht Jahre international gearbeitet und in verschiedenen Ländern Tochtergesellschaften aufgebaut. Es braucht enorm viel Zeit, bis man in der Lage ist, vernünftig und nachhaltig im Ausland ein Geschäft zu führen. Wir haben in den nächsten zehn Jahren noch Wachstums potenzial in der Schweiz. Danach könnten Auslandgeschäftsfelder ein Thema sein. Jetzt schon konkrete Ziele vorzugeben, wäre zu früh. Geschäfte mit Ausländern sind Sie ja gewohnt. Dem deutschen Discounter Aldi liefern Sie Premium-Fleisch unter der Marke Nature Suisse. Das wird Ihren eigenen Detailhändlern Volg und Landi nicht gefallen haben. Keller: Ich bin ein sportlicher Mensch und setze auf Leistungen. Das sehen meine Geschäftsleitungskollegen ebenso. Wir sind hier alle in einem Wettbewerb. Sprich, wenn Aldi Swiss-Premium-Fleisch von Fenaco billiger verkauft als Volg, muss Volg selbst handeln. Keller: Nature Suisse ist kein Billigfleisch. Das ist ein Wertschöpfungsprojekt. Bei Nature Suisse im Aldi kann man das Fleisch via Smartphone bis auf den Hof
zurückverfolgen. Beim Fleisch im Volg ist das noch nicht möglich. Es ist ein Ansporn für Volg, solche innovativen Ideen auch einzuführen. Mit Ihrer Art zu führen heizen Sie den Wettbewerb unter den Bauern weiter an. Keller: Ich denke leistungsorientiert, habe aber eine kooperative Haltung. Wo stehen die Bauern in 20 Jahren in der Schweiz? Keller: Wenn wir sehen, wie die Nachfrage nach Lebensmitteln weltweit wächst, die Agrarfläche aber nicht, bin ich überzeugt, dass die Bedeutung einer produzierenden Schweizer Landwirtschaft wieder steigen wird. Die Zeit der Ballenberg-Bauern ist längst vorbei. Allein schon durch die steigenden Weltmarktpreise wird sich die Wettbewerbsfähigkeit der gut ausgebil deten Schweizer Bauern erhöhen. Das Unternehmertum in der Landwirtschaft wird weiter zunehmen. Ich hoffe, es wird auch in 20 Jahren noch vor allem bäuer liche Familienbetriebe geben. anzeige