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Kinder haben ein Bedürfnis nach Ritualen Sonia Mutschlechner, Silvia Boncilli, Ruth Hirschberger
Kohler-Spiegel, Helga (2008): Kindern im Glauben Heimat geben. Eltern und Erzieherinnen als Wegbegleiter. In: Hugoth, Matthias; Benedix, Monika (Hrsg.): Religion im Kindergarten. Begleitung und Unterstützung für Erzieherinnen. München: Kösel.
Lechner, Martin; Schwer, Martin (Hrsg.) (2009): Werkbuch religionssensible Erziehungshilfe. Religionssensible Erziehung in den Diensten und Einrichtungen der Erziehungshilfen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Berlin: Pro Business.
Schied, Werner Hans (2000). Lebensarmut contra Lebensangst. Rituale in religiöser Erziehung aus psychologischer Sicht. In: Biesinger, Albert; Bendel, Herbert (Hrsg.): Gottesbeziehung in der Familie. Familienkatechetische Orientierungen von der Kindertaufe bis ins Jugendalter. Ostfildern: Schwabenverlag.
Kurzbiographie des Autors: Dr. Andreas Stehle, Doktor der Theologie und Diplompädagoge, war wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Interkulturelle und interreligiöse Bildung in Kindertagesstätten“. Seit September 2013 unterrichtet er als Studienrat angehende Erzieherinnen und Erzieher an einer Fachschule für Sozialpädagogik.
Kinder haben ein Bedürfnis nach Ritualen
Sonia Mutschlechner, Silvia Boncilli, Ruth Hirschberger
Was ein Ritual ausmacht, ist das immer wiederkehrende Prinzip. Rituale begleiten Menschen in Übergangsphasen des Lebens und helfen ihnen, die Anforderungen des Alltags zu meistern. So sind Rituale insbesondere für Kinder von Bedeutung, gerade in Situationen vielfältiger Veränderung. Es
müssen nicht die großen Dinge sein; kleine, in den Alltag integrierte Rituale sorgen für Stabilität. Denn etwas stetig Wiederkehrendes sorgt für Vertrautheit und Geborgenheit. Ein guter Start in den Tag ist wichtig. Raphael beginnt seinen Tag im Kindergarten immer so: Jeden Morgen, nachdem er uns Pädagoginnen begrüßt und sich umgesehen hat, wer von den Kindern schon im Kindergarten ist, beginnt er seinen Tag mit folgender Arbeit: Er holt sich Blätter, Klebstoff
und Schere und setzt sich damit an einen ruhigen Platz. Konzentriert beginnt er zu schneiden und zu kleben, zu tüfteln und zu experimentieren. Er ist ganz bei sich, organisiert selbst, was er braucht und arbeitet, bis er genug hat. Dann wendet er sich den Kindern und all dem zu, was der Kindergartenalltag für ihn bereithält. Gerade Abschieds- und Begrüßungsrituale erzeugen eine positive und stärkende Wirkung. Im „Verabschiedungsritual“ von Lena kommt genau dieser Aspekt zum Ausdruck. Lena kommt mit ihrer Mutter in den Kindergarten. Nachdem sie uns auf ihre Weise begrüßt hat, läuft sie wieder zu ihrer Mutter zurück und gibt ihr einen Kuss. Dann muss Mami warten bis Lena am Fenster ist und sich auf der Fensterbank hingesetzt hat; erst dann darf sie gehen. Da gibt es sogar ein Fernrohr, mit dem die Kinder gerne das Geschehen auf der Straße verfolgen. Lena winkt ihrer Mutter nach. Anschließend beginnt ihr nächster Schritt in den Kindergartenalltag. Sie wendet sich vom Fenster ab und den Kindern zu und beginnt ihr Tun. Dieses Ritual wiederholt sich jeden Tag. Es ist wichtig für Lena und ihre Mutter sowie für das Gelingen des beginnenden Tages. Ganz individuell ist auch dieses Abschiedsritual zwischen Tochter und Vater: In der Garderobe angekommen, werden Schuhe, Jacken usw. an ihren Platz gestellt/gehängt und die Hausschuhe angezogen. Dann klettert das Mädchen an seinem Vater hoch und gibt ihm den Abschiedskuss. Mit einem akrobatischen Purzelbaum landet das Mädchen wieder wohlbehalten am Boden, beide lachen zufrieden und jeder geht seinen Weg: Das Kind in die Welt des Kindergartens, der Vater in seine Berufswelt. Rituale bieten allen Beteiligten Halt und Stabilität. Rituale erzeugen ein starkes Wir-Gefühl, sind den individuellen Bedürfnissen der Kinder angepasst; sie müssen mitwachsen und werden sich auch mit der Zeit verändern.