Landestourismusentwicklungskonzept 2030+
Exkurs 3.3 SÜDTIROLS TOURISMUS AKTIV GEGEN DIE KLIMAKRISE Tourismus ist zugleich Mitverursacher und Leidtragender des Klimawandels. Daher muss sich auch der Tourismus mit Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung auseinandersetzen. Schätzungen zufolge ist der Tourismus in Südtirol für ca. 3 Prozent der Verkehrsemissionen, für ca. 5 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen, verursacht durch Beherbergungsbetriebe, sowie für 4 Prozent des gesamten Verbrauchs an elektrischer Energie, der insbesondere auf die Skigebiete zurückzuführen ist, verantwortlich (Zebisch u. a., 2018, S. 32). Laut einer Studie sind auf Südtirols Straßen ca. 4.3 Millionen Autos pro Jahr aufgrund touristischer Aufenthalte oder Tagesausflüge unterwegs (Scuttari et al., 2013). Aufgrund des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur und der ausbleibenden Schneefälle kommt der Tourismus, insbesondere der Wintertourismus, immer stärker in Bedrängnis. Extreme Wetterereignisse oder die steigende Lawinengefahr stellen auch den Tourismus vor große Herausforderungen. Daher sind neben Klimaschutzmaßnahmen auch Klimaanpassungsmaßnahmen notwendig, bei denen proaktiv mögliche Risiken identifiziert und bestmöglich minimiert werden. So können beispielsweise Verkehrsemissionen durch Klimaschutzmaßnahmen reduziert werden, indem die An- und Abreise sowie die Mobilität vor Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln forciert und Pässe zum Teil für den Individualverkehr nach Notwendigkeit und Möglichkeiten gesperrt werden (Zebisch et al., 2018, S. 11). Nicht nur im Transportsektor, auch in anderen Bereichen der Tourismuswirtschaft gibt es Aktivitäten, Produkte und Dienstleistungen, die angepasst werden müssen, um den Herausforderungen und Gefahren des Klimawandels angemessen zu begegnen. Schneemangel, Verlust der biologischen Vielfalt, Auswirkungen auf das Kulturerbe und historische Attraktionen in Destinationen, aber auch steigende Versicherungskosten, Sicherheitsbedenken oder Wasserknappheit sind nur einige Phänomene, die präventionsorientierte Anpassungspolitiken auf Destinationsebene erfordern. Doch sind Klimaanpassungsmaßnahmen nicht nur Herausforderungen, sondern vielmehr auch eine Chance für den Tourismus. So können Angebote für den Sommertourismus erweitert und neue Angebote für die Nebensaisonen
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geschaffen werden (Zebisch et al., 2018, S. 12). Ein Beispiel dafür ist der Radtourismus, der in Kombination mit bestehenden Aufstiegsanlagen weiterentwickelt werden kann. Die steigenden Temperaturen im Sommer locken immer mehr Touristen in die Berge (Zebisch et al., 2018, S. 92). Der Tourism Climate Index, der Auskunft darüber gibt, ob die Temperaturen weiterhin Tourismus und touristische Aktivitäten zulassen, prognostiziert auch für das Jahr 2080 noch komfortable Werte für Südtirol, insbesondere in den höheren Lagen (Zebisch et al., 2018, S. 93). Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass sich die aktuellen Tourismussaisonen ändern und die (kühleren) Nebensaisonen an Attraktivität gewinnen werden. Südtirols Tourismuspolitik erkennt die Notwendigkeit und Dringlichkeit im Klimaschutz und in der Klimaanpassung. Erste wichtige Schritte in der Messung der Nachhaltigkeit im Tourismus wurden mit der Ansiedlung der Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus in Südtirol (STOST) unternommen. Des Weiteren unterstützt Südtirol „die globale Verpflichtung, die Emissionen bis 2030 zu halbieren und bis 2050 die Netto-Null zu erreichen“ (UNWTO, 2021). Die Tourismusbranche soll daher ihr Handeln konsequent an den neuesten wissenschaftlichen Empfehlungen ausrichten, um sicherzustellen, dass die Klimastrategie mit einem Anstieg von nicht mehr als 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau bis 2100 umgesetzt wird (UNWTO, 2021). Die UNWTO-Ziele gelten als Referenzpunkt für die Tourismusbranche. Eine proaktive Auseinandersetzung mit der Klimakrise verlangt allerdings noch strengere Maßnahmen und kürzere Umsetzungszeiten. In diesem Sinne ist die Aktualisierung des schon bestehenden branchenübergreifenden Klimaplans Südtirol von hoher Wichtigkeit. Eine wichtige Maßnahme dabei ist die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien an der Gesamtenergie auf 80 Prozent bis 2030 sowie auf 90 Prozent bis 2050. Dies soll durch die stärkere Diversifizierung der erneuerbaren Energiequellen, den Ausbau der Photovoltaikanlagen auf 400 Megawatt, die Optimierung bestehender Fernwärmewerke sowie die Verdichtung bestehender Fernwärmenetze und durch eine effizientere Gestaltung der Versorgung erreicht werden. In diesem Zusammenhang plant die Landesverwaltung 24 Gebäude im Landesbesitz – von Bürogebäuden bis hin zu Schulen – an das Fernwärmenetz anzuschließen, was zu einer Energieeinsparung von rund 15 Prozent gegenüber 2019 führen würde.