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Fo rmen, kritzeln, zeichnen, malen

Formen, kritzeln, zeichnen, malen ...

Von der Freude an der Bewegung zu den ersten Kritzeleien

Die zweijährige Bettina sitzt neben Matthias am Tisch und sieht ihm zu, wie er ein Haus zeichnet. Da schnappt sie sich einen Stift, kritzelt auf sein Blatt und dann weiter voller Freude auf das Tischtuch …

Sich durch Zeichnungen auszudrücken, ist ein uraltes menschliches Bedürfnis. So schufen unsere Vorfahren schon vor ca. 15.000 Jahren die ersten Kunstwerke. Die Bilder waren ein Mittel, Erlebtes und Vorstellungen von der Welt abzubilden und sich zu orientieren. Sobald Kleinkinder sicher stehen und gehen können, werden ihre Hände frei für neue Tätigkeiten. Die größere Kraft und Geschicklichkeit ihrer Hände ermöglicht es ihnen nun, einen Stift zu halten und zu kritzeln. Und so, wie das Kind plappert, bevor es die ersten Wörter sprechen kann, so, wie es krabbelt, bevor es sicher auf

zwei Beinen läuft, so kritzelt es, um dann zu zeichnen und zu malen. Auf diese Weise tritt das Kind mit allen Sinnen in die Welt, findet seinen Platz und eignet sich seine Umwelt an. Das Zeichnen hat für das Kleinkind eine vielseitige Bedeutung. Aus den Kritzeleien sprechen deutlich Daseinsfreude und „Ich-Erlebnis“. Die ersten Striche, die das sitzende Kind auf einem vor ihm liegenden Bogen Papier zieht, sind meist halbkreisförmig, um sein Körperzentrum herum. Der ganze Körper folgt diesen Bewegungen, Kopf und Zunge arbeiten mit. Das Zeichnen ist wie spielerisches Üben. Kleinkinder gehen anfangs meist großzügig mit dem Papier um, das ihnen zur Verfügung steht, manchmal kommt ein einziger Kritzler auf ein Blatt. Und gibt man ihnen Farbe und Pinsel, muss man aufpassen, dass sie das Malen nicht auf allen Gegenständen üben, die in ihrer Nähe sind. Das können Tische und Wände sein, Spielgefährten und auch sie selbst. Sie probieren das neue Material und

die neue Fähigkeit intensiv aus. Allmählich entwickeln sich abgestimmte Bewegungen, die ständig wiederholt werden, bis sie dem Willen des Kindes entsprechen. Aus dem ziellosen Hin und Her wird mit der Zeit ein kreisender Knäuel. Energisch werden häufig viele Punkte hineingesetzt. Die Farben spielen dabei noch keine große Rolle, es geht mehr um die Bewegung, um die Spur, die entsteht. Im Laufe des zweiten und dritten Lebensjahres beginnen viele Kinder, ihre Kritzeleien zu benennen. Die Bedeutung kann sich schnell ändern: So kann dasselbe Gebilde zuerst als Apfel, kurze Zeit später als Tisch, Haus oder Ball bezeichnet werden. Das Kind erfährt durch das Zeichnen sein Umfeld, es zeichnet um seiner selbst Willen. Die stärkste Wirkung übt das Zeichnen daher auf das zeichnende Kind selbst aus.

In jedem Kind steckt ein Künstler.

Picasso

Beim Basteln und Malen brauchen Kinder kaum Anleitung. Sie entwickeln Selbstbewusstsein dadurch, dass sie selbst ausprobieren, selbst etwas schaffen dürfen. Bei manchen Materialien, wie zum Beispiel bei Wasserfarben, benötigen sie größere Kinder oder Erwachsene, die ihnen zeigen, wie man damit umgehen kann.

Durch das freie Kritzeln und Malen entwickelt das Kind Phantasie und Freude am bildnerischen Ausdruck. So kann es sein Umfeld in Bildern darstellen.

Materialien wie Papier, Stifte und Knete sollten dem Kind früh frei zugänglich sein. Allerdings wird es auch nötig sein, ein paar Regeln aufzustellen: Gemalt wird zum Beispiel nur auf dem Papier, nicht an Wänden oder in Büchern.

Kinder sind gerne in Gesellschaft und genießen es auch beim Malen, wenn Erwachsene oder andere Kinder bei ihnen sind und ihnen einfach zuhören, wenn sie über ihr Tun sprechen.

Ihr Kind wird Sie vielleicht auffordern, mit ihm zu malen. Dabei stellt es keine großen Ansprüche an Ihr Maltalent. „Punkt, Punkt, Komma, Strich, fertig ist das Mondgesicht", das reicht völlig aus, um es zufrieden zu stellen. Denn viel wichtiger als das Ergebnis ist der Spaß am gemeinsamen Tun. Vielleicht lassen Sie sich auch von der Freude am Experimentieren von Ihrem Kind anstecken: Mit etwas Papier und Farbe werden Sie selbst zum Künstler oder zur Künstlerin. Und können dann gemeinsam mit dem Kind schauen, wo sie die kleinen Kunstwerke ausstellen möchten.

Neben dem Malen ist auch das Spielen und Formen mit Sand, Ton oder anderen Materialien wichtig für das Kind. Als Erwachsene braucht man Geduld und Gelassenheit, wenn man dem Kind genügend Spielraum geben möchte, seine Kreativität zu entdecken und auszuleben. Manchmal wird es beim Ausprobieren etwas chaotisch zugehen.

Das Kind freut sich, wenn seine Werke interessiert angenommen werden. Dabei spielt der Inhalt der Zeichnungen noch keine wesentliche Rolle – es sollte nicht zu früh nachgefragt werden, was das Kind darstellen wollte. Die Freude am kreativen Ausdruck bleibt dem Kind dann lange erhalten und wird zu einer wertvollen Basis für seine Lebensbewältigung.

Wussten Sie schon, dass …

... sich zwischen dem zweiten und fünften Geburtstag zeigt, ob das Kind Rechtsoder LinkshänderIn ist? Man vermutet, dass ungefähr 10-15 % der Bevölkerung LinkshänderInnen sind. Das Kind sollte nicht zur Rechtshändigkeit gezwungen werden. Sobald erkennbar wird, dass es eine Hand bevorzugt benützt, sollte diese Orientierung akzeptiert und gefördert werden – zum Beispiel, indem der Löffel für den kleinen Linkshänder oder die kleine Linkshänderin auf der linken Seite gedeckt wird. Es gibt inzwischen eine Reihe von Alltagsgegenständen die LinkshänderInnen das Leben erleichtern: von Besteck, Scheren und Kartoffelschälern über Schreibhefte, Lineale und Spitzern bis hin zu Computertastaturen, Gitarren und Uhren. Auf jeden Fall sollte weiterhin auch die Beidseitigkeit gefördert werden, zum Beispiel durch Ballspiele: Sie machen beide Hände geschickter.

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