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Die Zukunft im After-Sales
Die Erwartungen der Kunden
Kunden sind bereits weitgehend digital und haben viele Unternehmen in ihren Kommunikations- und Konsumverhalten längst abgehängt. Schon vor der Pandemie war ein Großteil der Menschen in Deutschland dazu bereit, auch Fahrzeuge – Gebraucht- oder Neuwagen – via Internet zu kaufen. Das zeigt die Studie »Online Car Sales 2020«, die die Management- und IT-Beratung MHP gemeinsam mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) erstellt hat. Befragt wurden dafür im Zeitraum Herbst 2019 bis März sowie Mai 2020 Kunden und Händlern zur Digitalisierung entlang der gesamten Customer Journey – also von der Information und Beratung über die Probefahrt bis zur Entscheidung, zum Kauf und zur Auslieferung. Bei den Händlern sieht das in Summe anders aus. Wie schon bei der Studie vor zwei Jahren sind sie eher zögerlich und nehmen die Digitalisierung oft eher als Bedrohung wahr. Der hohen Bereitschaft zum Online-Verkaufsabschluss auf Kundenseite steht weiterhin nur ein dürftiges Angebot auf Händler- bzw. Herstellerseite gegenüber.*
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Fragt man Autohändler nach ihrem eigenen Konsumverhalten, antworten fast alle Mitarbeiter »Natürlich kaufe ich online ein. Es ist bequem, einfach und gerade jetzt kann ich nicht in Geschäfte gehen.« Doch wie sieht das Einkaufserlebnis im Kfz-Betrieb aus?
Wir alle genießen es, in Ruhe auf der Couch zu surfen und zu shoppen. Wir wollen unsere Zeit nicht mit unnötigen Terminanfragen oder Warteschlangen vergeuden und nutzen die vielen Vorteile, die die Digitalisierung und unser Smartphone uns bieten.
Von Autohaus-Kunden hingegen wird erwartet, dass sie alle diese Vorteile, die sie bereits von anderen Unternehmen kennen, ignorieren und die altgedienten (klassischen Prozesse) absolvieren, um dann
nach einigen Wochen oder Monaten stolze Besitzer eines neuen Fahrzeugs zu sein, einen Servicetermin zu bekommen oder zum ungeliebten Räderwechsel zu erscheinen.
Die Kontaktaufnahme durch den Kunden findet heute im Großteil der Fälle noch telefonisch oder persönlich im Betrieb statt. Diese klassischen Arten der Kontaktaufnahme konnten in den letzten Jahren jedoch nicht wesentlich optimiert werden: Wartemusik in der Telefonschleife, gestresste Servicemitarbieter oder ein externes Call Center, dessen Mitarbeiter Kundenfragen nicht zufriedenstellend beantworten können, prägen leider oft das Kundenerlebnis.
Falls der Kunde doch digital den Kontakt mit dem Händler sucht, hat er dann meistens nur wenige Optionen zur Auswahl. Oftmals erfolgt dann der Erstkontakt über standardisierte Kontaktformulare auf der Händlerwebseite. Dieser Prozess ist langsam, unproduktiv und für den Kunden meist mit vielen weiteren E-Mails und Nachfragen verbunden. Besonders erschreckend sind die langen Reaktionszeiten der Kfz-Betriebe. Laut einer Incovis-Studie gab etwa jeder vierte Händler an, während der offiziellen Öffnungszeiten für den Kunden »häufig nicht greifbar« zu sein. Vereinzelt blieben die Kundenanfragen sogar gänzlich unbeantwortet. Über 40 Prozent der in der Studie befragten Handelsbetriebe gaben ihre durchschnittliche Reaktionszeit bei gut neun Stunden an. 29 Prozent der Händler brauchten für die Beantwortung von E-Mail-Anfragen sogar länger als 24 Stunden!*
In anderen Branchen sind die Omnichannel-Kommunikation und Digitalisierung weiter fortgeschritten und Kunden nehmen die Vorteile gerne an. So werden Begehrlichkeiten der Kunden geweckt, die es beim Autokauf ebenfalls zu erfüllen gilt.
Desgleichen ist der After-Sales betroffen, der mit einer ansteigenden Modellpallette an Fahrzeugen, verschiedensten Service-, Finanzierungs- und Wartungskonzepten sowie mit immer mehr Informationen und Daten aus den Fahrzeugen sowie der Hersteller konfrontiert wird. Der Kundenservice wird immer komplexer und in Zukuft noch herausfordernder, wobei nicht mehr das gekaufte Fahrzeug, sondern der Kunde im Mittelpunkt aller Aktivitäten steht.
Die meisten Werkstätten nutzen heute noch überwiegend analoge Prozesse und haben starre Abläufe, die oft nicht auf die notwendigen und geforderten Kundenbedürfnisse ausgelegt sind.
Der gesamte Serviceprozess wird sich künftig viel stärker an den individuellen Bedürfnissen der Kunden orientieren müssen. Nicht ein Prozess für alle, sondern für alle der genau passende Prozess – das ist die aktuelle Herausforderung für den After-Sales.
Eine Omnichannel-Betreuung des Kunden über verschiedene (größtenteils digitale) Kanäle hinweg wird so immer wichtiger. Um einen ganzheitlichen und profitablen Kundenservice entlang der Customer Journey zu gewährleisten, muss eine Vielzahl neuer Touchpoints mit einbezogen werden. Dabei dürfen die klassischen Kanäle nicht vergessen werden. Auch weniger digital affine Kunden werden in Zukunft ihre Fahrzeuge zur Inspektion bringen oder LED-Leuchten nachrüsten wollen. Traditionelle Offline-Kanäle und -Prozesse müssen daher beibehalten und mit den neuen digitalen Kanälen verbunden werden, um allen Kundengruppen gerecht zu werden und die verschiedenen Kundenbedürfnisse zu befriedigen.
Serviceimpuls & Suche
Identifikation bzw. Notwendigkeit eines Services Terminvereinbarung
Kontakt & Auftragserteilung
Suche nach dem passenden Kfz-Betrieb
Um die ideale Kundenreise (Customer Journey) zu gestalten, müssen die notwendigen Elemente definiert, identifiziert und organisiert werden. Dazu gehören insbesondere auch die Touchpoints (Kontaktpunkte) und die Channels (Kanäle).
Fahrzeugübergabe
Annahme, Diagnose & Service
Informationen über Service & Fertigstellung
Dokumentation & Übergabe Rechnungslegung & Nachbetreuung
Insbesondere im Service-Bereich ist es in der Praxis normal, dass ein Kunde mehrere Kommunikationskanäle nutzen muss, um ein Problem zu lösen. Das beginnt oft mit einem Kontaktformular auf einer Webseite, bewegt sich dann zu einem Anruf, einer E-Mail, SMS oder einem Chat und endet mit dem Besuch im Kfz-Betrieb. Es ist also wichtig, dass die Kanäle, die der Betrieb anbietet, dem Kunden ein nahtloses Erlebnis bieten.