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Schritt für Schritt zum „perfekten“ Verhaltenskodex
Der Verhaltenskodex – ein Thema, über das es bereits genügend Artikel, Anleitungen und Vorlagen gibt. Dennoch fi nden sich regelmäßig Verhaltenskodizes, die noch Luft nach oben haben – inhaltlich, formal, grafi sch und rechtlich. Welche „typischen“ Fehler bei der Erstellung von Code of Conducts (CoCs) begangen werden und wie der Weg zum perfekten Verhaltenskodex aussehen könnte – eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.
Von Jacqueline Mlinarcsik
In vielen Fällen bildet die Erstellung eines Verhaltenskodex den Ausgangspunkt für die Compliance-Bemühungen eines Unternehmens. Beim Aufsetzen eines solchen Schriftstücks beschäftigen sich die zuständigen Personen meist zum ersten Mal mit den fundamentalen Fragen eines Compliance-Management-Systems: Was sind unsere Compliance-Ziele und wie passen sie zu unseren Unternehmenszielen? Welche Bereiche wollen und sollen wir in unserem Unternehmen regeln? Welche Regelungen sind essenziell für eine gute interne und externe Zusammenarbeit? Wer soll als Ansprechpartner für
Compliance genannt werden? Welche Folgen haben Compliance
Verstöße? Der Verhaltenskodex kann somit als einer der ersten Schlüsselpunkte für die Einführung von Compliance sowie einzelner Compliancemaßnahmen in einem Unternehmen gesehen werden. Daher stellt sich zurecht die Frage, wie ein guter Verhaltenskodex eigentlich aussehen sollte.
„Ist doch eh klar“ – oder doch nicht?
Von vielen Unternehmen wird die Bedeutung des Verhaltenskodex verkannt. Dient er für eine Großzahl an Unternehmen zur Präsentation der Unternehmenswerte sowie der unternehmensinternen Bestrebungen nach außen hin, wird oftmals übersehen, dass ein (guter) CoC viel mehr als nur diese eine Funktion erfüllt.
Ein guter CoC gibt externen Personen, aber auch neu eintretenden Mitarbeitern, ein erstes Gefühl für die Ausrichtung, die Einstellungen sowie die Werte eines Unternehmens. Was im ersten Moment banal klingen mag, hat insbesondere in Zeiten, in denen Arbeitnehmer ihre potenziellen Arbeitgeber verstärkt auch auf Grund sozialer und gesellschaftlicher Aspekte auswählen (Stichwort Generation Y/Z), und Geschäftspartner und Investoren auf Grund der hohen Anzahl an Möglichkeiten ihre Partner sehr sorgsam wählen, einen umso höheren Stellenwert. Der Verhaltenskodex ist für ein Unternehmen wie der erste Eindruck bei einem persönlichen Gespräch: Ist dieser negativ, so wird es schwer werden, das Gegenüber im Weiteren vom Gegenteil zu überzeugen. Der CoC vermittelt den anderen Personen somit einen ersten Eindruck von der Werteverbundenheit, der Regelkonformität sowie dem Umgang mit Geschäftspartnern des Unternehmens. Nutzen Sie ihn also!
Weiters ist ein Verhaltenskodex auch eines der ersten Dokumente, in denen sich – insbesondere international vertretene Unternehmen – mit der Frage auseinandersetzen müssen, welche Werte und Verhaltensrichtlinien für eine gute Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern und mit den Geschäftspartnern essenziell sind. Insbesondere aufgrund von unterschiedlichen Kulturen, Religionen oder gesellschaftlichen Einstellungen ist es in vielen Fällen eine Herausforderung, bei dieser Frage einen gemeinsamen Nenner zu fi nden. Bei der Formulierung der einzelnen Verhaltensrichtlinien muss auf diese kulturelle Diversität besonderes Augenmerk gelegt werden. Themen wie Antidiskriminierung und Gleichbehandlung sollen nicht nur als Grundsätze verbrieft werden – die Formulierung und Festsetzung entsprechender Rahmenbedingungen und Anordnungen sollte es ermöglichen, dass diese essenziellen Werte auch gelebt werden.
Auch rechtlich darf die Bedeutung eines Verhaltenskodex nicht unterschätzt werden. Der CoC ist in den meisten Fällen als verbindliche interne Verhaltensanweisung oder Richtlinie ausgestaltet. In Arbeitsverträgen fi ndet sich regelmäßig der Passus, dass Verstöße gegen interne Richtlinien (teilweise wird auch explizit von Verstößen gegen den Verhaltenskodex gesprochen) arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, die von einer Abmahnung bis hin zu Kündigung oder Entlassung reichen können. Insbesondere in Fällen von diskriminierenden, sexistischen oder ausländerfeindlichen Aussagen oder Handlungen (egal ob direkt oder über einen Social-Media-Kanal) dient der Verstoß gegen den Verhaltenskodex oft als Auffangtatbestand für die Aussprache einer Kündigung oder Entlassung. Daher kann der Verhaltenskodex insbesondere auch dafür genützt werden, Themenbereiche zu regeln, die rechtlich nur partiell oder unzureichend geregelt sind. Dies stellt weiters auch einen wertvollen Beitrag von Unternehmen zu ihren gesellschaftlichen Verpfl ichtungen dar. Insbesondere der Umgang in sozialen Medien sollte nicht nur in einer eigenen Richtlinie geregelt, sondern auch innerhalb des CoC eines Unternehmens angesprochen werden. Dadurch wird der Stellenwert des korrekten Verhaltens in diesen Medien auf eine höhere Ebene gehoben – und ein verstärktes Bewusstsein bei allen Betroffenen geschaffen.
Weiters stellt die falsche Behauptung, zu den Unterzeichnern eines Verhaltens
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Abbildung 1: CoC und UWG – Good to know
kodex zu gehören, einen Tatbestand der schwarzen Liste gemäß der EU-Richtlinie gegen unlauteren Wettbewerb dar, die in Österreich und in Deutschland jeweils im UWG umgesetzt worden ist (vgl Abbilung 1).
Viele Unternehmen fügen Verträgen mit Geschäftspartnern oder Lieferanten ihren Verhaltenskodex an und vereinbaren, dass die Einhaltung dieses CoC Bestandteil des Vertrags wird und jeder Verstoß zu einer Kündigung der Geschäftsbeziehung führen kann. Insbesondere im Hinblick auf CSR-Verpfl ichtungen oder die Durchführung von Audits beim Lieferanten spielt der CoC eine wichtige Rolle – umso mehr, wenn bei diesem kein eigenständiger CoC vorhanden ist. In solchen Fällen sollten Unternehmen umso mehr darauf achten, welche Bereiche wie und auch wie detailliert innerhalb des Verhaltenskodex geregelt werden.
Ausschreibungspfl ichtige Unternehmen fügen den Verhaltenskodex auch ihren Ausschreibungsunterlagen bei – inkl Passus, dass bei Verstoß gegen diesen der Bewerber ausgeschieden bzw das Vertragsverhältnis aufgelöst werden kann. Derartige Unternehmen sollten daher ebenfalls ein besonderes Augenmerk auf die Ausformulierung ihres Verhaltenskodex legen.
Die Länge macht’s – oder doch nicht?
Wenn man sich die diversen Verhaltenskodizes von Unternehmen unterschiedlicher Sparten und Branchen ansieht, so erkennt man vor allem eines: CoCs reichen von einer prägnanten Darstellung auf zwei Seiten bis hin zu langen Beschreibungen mit bis zu 50 oder 60 Seiten. Nun kann keine Pauschalseitenzahl genannt werden, die den perfekten Verhaltenskodex ausmacht. Allerdings hängt die Länge von der Branche und dem Spezialisierungsgrad eines Unternehmens ab: So fi nden sich bei Unternehmen in der Pharma- und Medizinbranche regelmäßig äußerst ausführliche und lange Verhaltenskodizes. Dies ist zum einen der starken Regulierung dieser Branchen geschuldet, zum anderen aber auch dem sensiblen Geschäftsgegenstand dieser Sektoren und dem intensiven Kontakt mit Amtsträgern. So vorbildlich die Bestrebung der Unternehmen auch ist, die Bedeutung von Compliance und die genauen Anknüpfungspunkte und Regelungen im Umgang mit Kunden, Patienten, Amtsträgern usw transparent und verständlich darzustellen, darf man auch nie vergessen, dass der Verhaltenskodex als Leitfaden und Überblick für externe und interne Personen dienen soll. Ein Dokument mit mehr als 30 Seiten werden wohl nur die wenigsten (auch noch so motivierten) Mitarbeiter und interessierten Stakeholder genau durchlesen. Insbesondere kann bei derart langen Verhaltenskodizes überlegt werden, ob die Regelung einiger Bereiche und Prozesse nicht besser in eine interne Richtlinie oder Verhaltensanweisung passen würde.
Allerdings sollte ein Verhaltenskodex auch nicht zu kurz sein. Ein Kodex, der es schafft, alle relevanten Bereiche und Informationen auf ein bis zwei Seiten darzustellen, wird wohl die Ausnahme bleiben und wenn, dann nur bei kleinen, sehr spezialisierten Unternehmen möglich sein. Auch hier stellt sich die Frage: Welchen Eindruck vermittelt ein Unternehmen nach außen, das alle Compliance-relevanten Bereiche und Wertvorstellungen auf einer Seite zusammenfassen kann? Mittlere bis größere Unternehmen werden mit der Erörterung der „typischen“ Themenfelder eines Verhaltenskodex (Anti-Korruption, Umgang mit Geschäftspartnern, Kartellrecht, AntiDiskriminierung, Arbeitssicherheit, Umgang mit Firmeneigentum, Datenschutz etc) mehrere Seiten füllen. Je nach Branche, Größe und Art des Unternehmens sollte ein Verhaltenskodex sich daher auf etwa fünf bis 15 Seiten erstrecken. Insbesondere dürfen Sie nicht außer Acht lassen, dass Ihr CoC nicht nur aus reinem Text bestehen sollte – auch die grafi sche Aufbereitung ist ein wesentliches Element eines Verhaltenskodex, wie weiter unten noch thematisiert werden wird.
Tone from the Top
Ein guter Verhaltenskodex muss auf alle Fälle mit einleitenden Worten der Geschäftsführung beginnen. Natürlich, auch diese Tatsache alleine macht keinen perfekten CoC aus, allerdings wird
dadurch die Bedeutung von Compliance innerhalb des Unternehmens hervorgehoben. Je persönlicher diese Eingangsworte sind, und je stärker der Konnex von Compliance zu dem Geschäftsbereich hervorkommt, desto erfolgreicher wird ein Unternehmen den Lesern seine Botschaft vermitteln können. In der Regel ist die Aussage des CEO das Erste, was der Leser liest – dies muss ihn ansprechen und eine gewisse Authentizität vermitteln. Da die Einleitung durch den CEO bei CoCs mittlerweile nicht nur eine Symbolwirkung hat, sondern bereits zum „State of the Art“ zählt, fällt ein solch fehlendes Statement auf alle Fälle negativ auf.
Die Marketingabteilung – Ihre Geheimwaffe!
Ein Verhaltenskodex sollte nicht nur inhaltlich, sondern auch vom äußeren Erscheinungsbild her ansprechend sein. Auch wenn man ein Buch nie nach seinem Umschlag bewerten sollte – die grafi sche Aufmachung eines CoC spielt (unterbewusst) bei der Bewertung durch die Leser immer mit. Auch hier wieder die rhetorische Frage: Was soll sich ein Leser denken, wenn ein Unternehmen für den CoC lediglich ein „langweiliges“ WordFile verwendet? Dies soll keinesfalls bedeuten, dass Sie aus Ihrem CoC eine Werbebroschüre machen sollten. Allerdings stellt eine ansprechende und auf die Corporate Identity des Unternehmens abgestimmte grafi sche Aufmachung dieses Dokumentes einen weiteren Schritt zum perfekten Verhaltenskodex dar!
Vom Wort zur Sprache
Ein CoC muss von Anfang bis Ende gut durchdacht sein. Nicht nur inhaltlich und grafi sch muss er ansprechend, korrekt und umfassend sein, sondern auch die Wort- und Sprachwahl ist hierbei von oft unterschätzter Bedeutung. Ein CoC sollte die Mitarbeiter eines Unternehmens anSPRECHEN. Diese Ansprache besteht aus zwei Dimensionen: Zum einen aus der Wortwahl, also wie der CoC tatsächlich ausformuliert ist, zum anderen aus der Sprache, in der der CoC veröffentlicht bzw zur Verfügung gestellt wird.
Zu Ersterem: Ein Verhaltenskodex sollte allen Lesern immer einen guten und schnellen Überblick über den jeweiligen Themenbereich gewähren und als Leitfaden für korrektes Verhalten dienen. Hierfür ist es unabdingbar, dass er eindeutige, bekannte Begriffe benutzt und dadurch leicht verständlich ist. Jeder Mitarbeiter, unabhängig von seiner berufl ichen Tätigkeit, seiner Ausbildung oder seiner nach Jahren bemessenen Zugehörigkeit zu einem Unternehmen, muss beim ersten Mal verstehen können, was der Text aussagt und wie er selbst sich korrekt verhalten kann. Durch bewusste „WIR-Botschaften“ dient der Verhaltenskodex außerdem zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls in einem Unternehmen – und führt nebenbei auch dazu, dass sich Mitarbeiter persönlich stärker in die Pfl icht genommen fühlen.
Die zweite Dimension bildet die Frage nach der Sprache, in der der CoC veröffentlicht wird. Auch wenn die Unternehmenssprache Deutsch oder Englisch ist, gibt es gute Gründe, den Verhaltenskodex in weitere Sprachen zu übersetzen. So wird die Bedeutung der Einhaltung des CoC durch eine Übersetzung in weitere Sprachen hervorgestrichen. Denn so fl ießend die Mitarbeiter die Unternehmenssprache auch sprechen mögen – jedes Dokument ist für den einzelnen Mitarbeiter ansprechender, wenn es in der eigenen Muttersprache zur Verfügung gestellt wird. Und das Ziel des CoC besteht ja darin, die Mitarbeiter anzusprechen und sie verständlich durch bestimmte Themenbereiche zu leiten.
Bleiben Sie nicht stehen!
Ihr Unternehmen entwickelt sich beständig weiter und beschäftigt sich regelmäßig mit neuen Entwicklungen, Technologien und Ansätzen? Nutzen Sie das auch für Ihren Verhaltenskodex und lassen Sie diesen sich ebenfalls mitentwickeln! Im Laufe der Jahre wird es immer wieder Themen geben, mit denen sich ein Unternehmen intensiver oder weniger intensiv beschäftigt. Bedeutende Entwicklungen und Trends werden allerdings bleiben und damit zu einer Weiterentwicklung innerhalb des Unternehmens führen. Diese Weiterentwicklung sollten Sie allerdings auch in Ihrem Verhaltenskodex festhalten und diesen entsprechend aktualisieren bzw adaptieren. Zeigen Sie den Lesern, dass Ihr Verhaltenskodex ein dynamisches Dokument ist und sich – wie das gesamte Unternehmen – weiterentwickelt.
Seien Sie innovativ!
Sie sind bei der Erstellung und Ausgestaltung Ihres Verhaltenskodex absolut frei und können Ihrer Kreativität daher freien Lauf lassen. Sofern es für Ihre Unternehmenskultur passend ist, könnten Sie darüber nachdenken, die Inhalte des CoC zusätzlich als Video anzubieten. Auch Podcasts, kleine faltbare Taschenbücher oder Wandkalender wären als weitere Optionen denkbar. Derartige Formate eignen sich meistens sehr gut als „Add-on“ zur klassischen Broschüre. Allerdings müssen Sie auch hierbei darauf achten, dass das gewählte Format zu Ihrem Unternehmen und Ihrer Ausrichtung passt.
© privat
Die Autorin MMag. Jacqueline Mlinarcsik ist bei KPMG Advisory GmbH im Bereich Compliance und Sustainability tätig. Ihre Schwerpunkte liegen auf den Themen Anti-Korruption, Kartellrecht und Vergaberecht sowie der Erstellung und Implementierung von E-Learnings zur Compliance-Sensibilisierung.