Johannes Selle: Newsletter „Brief aus Berlin“ vom 4. Februar 2013

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Johannes Selle Mitglied des Deutschen Bundestages

Inhalte 1) 2) 3) 4) 5) 6)

Tag des Gedenkens Mehr Geld für’s Ehrenamt Deutschland trägt Verantwortung in Afghanistan Gespräch mit Bill Gates Sudan Staatsbesuch des Ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi

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Tag des Gedenkens

Am 27. Januar 1945 befreiten Einheiten der Roten Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das sprichwörtlich für das millionenfache Morden wurde. Seit 1996 wird der 27. Januar als Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus begangen. Bundespräsident Herzog hatte ihn zumGedenktag erhoben, um „eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken“.

Aktuelles

Der Januar ist von symbolischer Bedeutung für den Nationalsozialismus. Am 30. Januar im Jahre 1933 wurde Adolf Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg als Reichskanzler vereidigt und mit der Bildung einer Koalitionsregierung des Nationalen Zusammenschlusses, in welcher die Nationalsozialisten in der Minderzahl waren, beauftragt. Zehn Jahre später am 31. Januar 1943 wurde die Wehrmacht vor Stalingrad geschlagen. In der größten Schlacht des Zweiten Weltkrieges begann das Ende der Nazis, 250 000 tote deutsche Soldaten, 6000 Überlebende.

Im Plenarsaal des Deutschen Bundestages kommen Zeitzeugen zu Wort, bundesweit gilt Trauerbeflaggung am Tag selbst. Im Freistaat Thüringen fand die feierliche Veranstaltung am 27. Januar im Kinosaal der Gedenkstätte Buchenwald statt. Die Gedenkrede hielt Ivan Ivanji. Anschließend wurden Kränze auf dem Appellplatz niedergelegt. Gastrednerin der diesjährigen Gedenkveranstaltung im Deutschen Bundestag war Inge Deutschkron. Sie wurde im August 1922 in Finsterwalde geboren und wuchs in Berlin auf. Ihre Familie und sie selbst wurden seit 1933 als Juden und aus politischen Gründen benachteiligt und verfolgt. Krieg und Völkermord überlebte sie, weil couragierte Menschen – die stillen Helden – ihr und ihrer Mutter Unterschlupf gewährten in Berlin. Sie berichtete aus dem Blickwin04. Februar 2013

Johannes Selle, MdB Platz der Republik 1 11011 Berlin Büro: Wilhelmstraße 65 Telefon: +49 30 227-70064 Fax: +49 30 227-76190 johannes.selle@bundestag.de Mitglied im Ausschuss Kultur und Medien Mitglied im Ausschuss Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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kel eines jungen, säkularen Mädchens, das nicht wusste, was Juden sind und nicht verstand, warum man plötzlich gelb markiert werden musste, keine Haustiere mehr halten durfte und nur zwischen 16 und 17 Uhr einkaufen durfte. Nach dem Krieg führte sie ihr Weg über das Studium in England 1956 nach Bonn. Ab 1958 war sie Deutschland-Korrespondentin der israelischen Zeitung Ma'ariv. Von 1972 bis 1987 arbeitete sie als Journalistin in Tel Aviv. Vielen Menschen in Deutschland ist sie als Autorin bekannt, eines ihrer bekanntesten Bücher heißt „Ich trug den gelben Stern“. Sie lebt seit 2001 wieder in Berlin. Im Plenarsaal des Reichstages war die Musik des Berliner Synagogalchores besonders ergreifend. Am Nachmittag desselben Tages beeindruckte das Gedenken der Opfer der Euthanasieverbrechen. Eine Urenkelin erforschte das Schicksal ihrer Urgroßmutter und das Schweigen der Familie. Mit einer Kranzniederlegung im Tiergarten, dem Ort, an dem die Vernichtung begann, wurde der 300 000 Ermordeten gedacht.

Lesung aus dem literarischen Fundus der Sammlung Prinzhorn (Theater RambaZamba) bei der Gedenkfeier für die Opfer der Euthanasieverbrechen.

Am Abend wurde im Deutschen Historischen Museum die Ausstellung „Zerstörte Vielfalt 1933 – 1938“ eröffnet. 04. Februar 2013

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Mehr Geld für‘s Ehrenamt

Im Ehrenamt muss weniger versteuert werden. In dieser Woche haben wir beschlossen, die Übungsleiterpauschale um 300 auf 2.400 Euro und die Ehrenamtspauschale um 220 auf nunmehr 720 Euro zu erhöhen. Einkünfte bis zu dieser Höhe sind jetzt steuerfrei. Die Haftung von Vereinsmitgliedern wurde beschränkt. Das ehrenamtliche Engagement hat jede Anerkennung verdient. Unser schönes Land wäre ohne diesen Dienst nicht denkbar. 3)

Deutschland trägt Verantwortung in Afghanistan

Der Bundestag hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, FDP und SPD das Afghanistanmandat verlängert. Deutschland beteiligt sich bereits seit Dezember 2001 an der ISAF (International Security Assistance Force). Das Land darf nicht wieder in die Zeit der Taliban-Herrschaft zurückfallen, in der die Menschenrechte massiv verletzt wurden und das Land am Hindukusch Operationsbasis des internationalen Terrorismus war. Die Mandatsverlängerung ist auch deswegen wichtig, weil nach dem Willen der NATO im Jahr 2014 die Sicherheitsverantwortung vollständig in die Hände der afghanischen Sicherheitskräfte übergeben werden soll. Der ISAF-Einsatz zeigt Erfolge: Laut Fortschrittsbericht der Bundesregierung hat sich die Sicherheitslage in Afghanistan verbessert – auch durch die hervorragende Arbeit der Bundeswehr im Regionalkommando Nord. Der Norden wird bereits vollständig von afghanischen Kräften gesichert. Die Streitkräfte werden verringert auf bis zu 3300 Mann und werden2014 vereinbarungsgemäß keinen Kampfauftrag mehr haben. 4)

Gespräch mit Bill Gates

Die Mitglieder des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatten Gelegenheit, mit Bill Gates in Gespräch zu kommen. Gates kam als Repräsentant der von ihm gegründeten Bill & Melinda Gates-Stiftung. Gates betonte, dass der Bekämpfung von Hunger und Polio in den Entwicklungsländern große Bedeutung zukomme. Entwicklungshilfeminister Niebel, der sich ebenfalls mit Gates traf, kündigte an zusammen mit der Gates-Stiftung je 20 Mio Euro für die weltweite Ernährungssicherung auszugeben und je 20 Mio Euro für die Bekämpfung der Kinderlähmung in Nigeria. Das Gespräch mit Gates war für uns, die Entwicklungshilfepolitiker, sehr aufschlussreich. Gates erzählte uns von seinen Projekten im 04. Februar 2013

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Kampf gegen die Armut und gegen die Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose etc. Entwicklungshilfeminister Niebel, der sich ebenfalls mit Gates traf, kündigte an zusammen mit der Gates-Stiftung je 20 Mio Euro für die weltweite Ernährungssicherung auszugeben und je 20 Mio Euro für die Bekämpfung der Kinderlähmung in Nigeria. 5)

Sudan

Für den 29. Januar hatte das Auswärtige Amt zu einer trilateralen Wirtschaftskonferenz mit Vertretern aus dem Sudan, dem Südsudan und Deutschland eingeladen. Der deutsche Außenminister Westerwelle begrüßte die Gegenspieler: "Ohne wirtschaftliche Entwicklung gibt es keine Sicherheit, und ohne Sicherheit gibt es keine wirtschaftliche Entwicklung". Veranstalter der Konferenz waren der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft und der Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry. Mit der Konferenz soll der durch die Afrikanische Union vermittelte Friedensprozess zwischen Sudan und Südsudan unterstützt werden. Die Veranstaltung war mit über 300 Besuchern (darunter 160 deutsche Unternehmen) schon dadurch ein Erfolg. Es ist zu wünschen, dass Sudan und Südsudan über die neu entstandene Grenze von 2011 wieder zur Zusammenarbeit finden. Aussenminister Westerwelle sagte in seiner Eröffnungsrede, dass neben dem politischen Dialog wirtschaftlicher Fortschritt entscheidend sei, denn Frieden habe auch immer viel mit wirtschaftlicher Entwicklung und Vernetzung zu tun. Zudem seien Armut und Not häufig der Nährboden für Extremismus. Am Rande der Konferenz traf ich mit dem sudanesischen Außenminister Ali Karti zusammen. Ich erläuterte ihm, dass eine Schule in Khartum, die von sudanesischen und südsudanesischen Kindern besucht worden war und von Deutschland mitfinanziert wurde, genau dem Anliegen unserer trilateralen Veranstaltung entspricht. Die Schule wurde von Sicherheitskräften unter fadenscheinigen Gründen geschlossen. Ich bat Herrn Karti, sich für die Wiedereröffnung dieser Schule als Beitrag der Völkerverständigung einzusetzen. Das versprach er mir. Auf die Reaktion darf man gespannt sein.

(v.l.n.r.) Außenminister Guido Westerwelle MdB, Außenminister des Sudan Dr. Ali Karti, Botschafterin des Südsudan I.E. Frau Sitona Abdalla Osman. 04. Februar 2013

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Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi

Am Mittwoch war der ägyptische Präsident Mohamed Mursi zu einem Staatsbesuch nach Berlin gekommen, um bei der Bundeskanzlerin Merkel für den Schuldenerlass von 250 Mio. Euro zu werben. Am Nachmittag trafen die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses und des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung den Präsidenten. Mursi gehört zu den Muslimbrüdern, die zwar die Mehrheit demokratisch errungen haben, von denen aber befürchtet wird, dass sie die Macht für eine stärkere Islamisierung missbrauchen. Unter anderem war die Konrad Adenauer Stiftung angeklagt worden und konnte ihre Arbeit nicht fortsetzen. 2010, als er noch nicht Präsident war, hatte er Zionisten als „Blutsauger“, „Kriegstreiber“, „Nachkommen von Affen und Schweinen" bezeichnet. Kann ein solcher Präsident des größten arabischen Landes für Stabilität und Frieden glaubwürdig einstehen? Entsprechend kritisch waren die Fragen. Mursi antwortete, dass er als gläubiger Muslim alle Propheten zu achten habe und zählte Moses, Abraham und Jesus auf, der im Koran als Prophet geehrt wird.

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Er wolle den Einsatz von Flugzeugen und Panzern gegen unbewaffnete Frauen und Kinder kritisieren. Richtig überzeugen konnte er uns nicht, dass Ägypten mit schnellen Schritten einer guten Zukunft entgegengeht.

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