Leseprobe SWK | Linde Verlag

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Start-up-Förderungsgesetz

Neue Mitarbeiterbeteiligung in Begutachtung

Umgründungen

Aktuelles zu Umgründungen im AbgÄG 2023

Einbringungen und Zurückbehaltung von Grundstücken

Hinweisgebersysteme

Neue Pflichten für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer

Rechtsprechung

VwGH-Judikatur aus April und Mai 2023

98.
5. Juli
Nr. 19
Jahrgang /
2023 /

Energieförderungen für Unternehmen

Aktuelle Neuerungen im Steuerrecht & Förderwesen

z Energiekostenzuschüsse inkl. Energiekostenpauschale

Aktuelle Entwicklungen und was bei der Antragstellung zu beachten ist

Praxistipps und Optimierungsmöglichkeiten

Bilanzierung und steuerliche Behandlung

z Strompreiskompensation (nach dem SAG)

– Welche Unternehmen sind antragsberechtigt und wie sieht die Abwicklung aus?

– Vorteilhaftigkeitsvergleich zwischen SAG versus EKZ

z Weitere Förderungen im Energiebereich für Unternehmen

Impressum

Periodisches Medienwerk: Steuer- und Wirtschaftskartei. Grundlegende Richtung: Ergänzbare Sammlung von Beiträgen zum Steuer-, Sozial- und Wirtschaftsrecht. Erscheint dreimal monatlich, Jahresabonnement (Print) 2023 EUR 429,00, (Print inkl. Online) 2023 EUR 490,30 jeweils inkl. MwSt. zzgl. Versandspesen. Auslandsversandspesen werden separat verrechnet. Unterbleibt die Abbestellung, so läuft das Abonnement automatisch zu den jeweils gültigen Konditionen auf ein Jahr weiter. Abbestellungen sind nur zum Ende eines Jahrganges möglich und müssen bis jeweils spätestens 30. November schriftlich erfolgen. Nachdruck — auch auszugsweise — ist nur mit ausdrücklicher Bewilligung des Verlages gestattet. Es wird darauf verwiesen, dass alle Angaben in dieser Fachzeitschrift trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr erfolgen und eine Haftung des Verlages oder Autors ausgeschlossen ist. Für Publikationen in den Fachzeitschriften des Linde Verlags gelten die AGB für Autorinnen und Autoren (abrufbar unter https://www.lindeverlag.at/agb) sowie die Datenschutzerklärung (abrufbar unter https://www.lindeverlag.at/datenschutz).

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StB Andreas Mitterlehner, MSc, LL.B. ICON Wirtschaftstreuhand GmbH
14.9.2023 15:00–17:00 Webinar lindecampus.at
Katharina Huber, MA ICON Wirtschaftstreuhand GmbH

S TEUER- UND W IRTSCHAFTS K ARTEI

Zeitschrift für das gesamte Steuer- und Wirtschaftsrecht

In diesem Heft

Die neue Start-up-Mitarbeiterbeteiligung (Kufner / Ruhdorfer-Grasl / Ceipek)802

Keine Verlängerung des erhöhten Pendlerpauschales808

Konsultationsvereinbarung mit Belgien betreffend Ansässigkeitsbestätigungen808

Aktuelles zu Umgründungen im AbgÄG 2023 (Titz / Wild)809

Einbringungen und Zurückbehaltung von Grundstücken (Hübner-Schwarzinger)819

Automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten nach § 91 GMSG823

Neue Pflichten für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer im Hinblick auf Hinweisgebersysteme (Glaser)824

Frankreich spürte 120.000 Pools mit Luftbildern auf831

Aktuelle VwGH-Rechtsprechung (Bodis)832

 Fahrberechtigungen und Werkskantine

 Rückstandsausweise

 Grunderwerbsteuer bei Anwachsung

Impressum: Siehe Umschlagseite gegenüber

Inhaltsverzeichnisdienst per E-Mail. Anmeldung unter https://www.lindeverlag.at/newsletter

Redaktion: Dr. Andrei Bodis/Mag. Stefan Menhofer

Dr. Birgit Reiner/Dr. Jürgen Reiner

Mag. Christoph Schlager

Dr. Michael Tumpel

Tel. Redaktion: +43 1 24 630, Fax: DW 751

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SWK-Heft 195. Juli 2023 801

Start-up-Förderungsgesetz

Die neue Start-up-Mitarbeiterbeteiligung

Tagesfragen Neue Begünstigung für die Abgabe von Unternehmensanteilen an Arbeitnehmer junger Unternehmen in Begutachtung

KARIN KUFNER*) / HELGA RUHDORFER-GRASL**) / MATTHIAS CEIPEK***)

Mit dem Start-up-Förderungsgesetz – das als Begutachtungsentwurf vorliegt – wird in §67a EStG ab dem Jahr 2024 eine zusätzliche Möglichkeit der begünstigten Abgabe von Kapitalanteilen der Arbeitgebergesellschaft an Arbeitnehmer geschaffen. Diese nimmt insbesondere auf die spezifischen Probleme von Start-ups Bedacht. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Voraussetzungen und Wirkungen der neuen Steuerbegünstigung für Arbeitnehmer dargestellt.

1.Problemstellung und Ziel der neuen Regelung

Im EStG bestehen derzeit steuerliche Begünstigungen bzw Steuerbefreiungen für Mitarbeiterbeteiligungen bzw Mitarbeiterbeteiligungsstiftungen (§3 Abs1 Z15 litb bisd EStG). Diese Regelungen sind allerdings für Start-ups und junge KMU typischerweise nicht praktikabel. Derartige Unternehmen sind aufgrund mangelnder Liquidität häufig nicht in der Lage, entsprechende Vergütungen für hochqualifizierte Arbeitnehmer in Geld zu leisten. Soll dies durch die Gewährung von Kapitalanteilen ausgeglichen werden, würde die sofortige Besteuerung des geldwerten Vorteils zu einem zusätzlichen Liquiditätsbedarf beim Empfänger führen („Dry-Income“-Problematik).

Darüber hinaus ist es insbesondere in frühen Phasen der Unternehmensentwicklung mit einem überaus hohen Aufwand verbunden, eine Bewertung der abgegebenen Unternehmensanteile durchzuführen, welche für die Berechnung der Lohnsteuer nach derzeitiger Rechtslage jedoch im Zeitpunkt des Zuflusses der Beteiligung notwendig wäre (Bewertungsproblematik).

Diese Problematiken werden im Begutachtungsentwurf des BMF dadurch hintangehalten, dass der Zufluss (und somit die Besteuerung) abweichend von §19 EStG bei Inanspruchnahme der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung typischerweise erst bei Veräußerung der Anteile erfolgt. Wenn seit der erstmaligen Abgabe einer solchen Beteiligung zumindest fünf Jahre vergangen sind und das Dienstverhältnis zumindest drei Jahre angedauert hat, kommt auch eine begünstigende Besteuerung des geldwerten Vorteils zur Anwendung. Diese Regelung soll es österreichischen Start-ups ermöglichen, besonders stark nachgefragte Experten längerfristig an das Unternehmen zu binden.

2.Voraussetzungen der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung

2.1.Voraussetzungen hinsichtlich des Arbeitnehmers

2.1.1.Zuerkennung nach sachlichen Kriterien

Das zB aus §3 Abs1 Z35 EStG für die steuerfreie Mitarbeitergewinnbeteiligung bekannte Gruppenmerkmal kommt in §67a EStG nicht zur Anwendung, dh, die Anteile

*)Mag. Karin Kufner ist Leiterin der Lohnsteuerabteilung des BMF.

**)Mag. Helga Ruhdorfer-Grasl ist stellvertretende Leiterin der Lohnsteuerabteilung des BMF.

***)Mag. Matthias Ceipek, LL.M. ist Referent in der Lohnsteuerabteilung des BMF.

Tagesfragen 802 SWK-Heft 195. Juli 2023

können auch nur einzelnen Arbeitnehmern gewährt werden, ohne dass diese eine Gruppe darstellen müssen. Wird die Mitarbeiterbeteiligung nicht allen Mitarbeitern oder nicht allen im selben Ausmaß angeboten, muss die Unterscheidung allerdings betrieblich begründet und sachlich gerechtfertigt sein. Die sachlichen, betriebsbezogenen Kriterien entsprechen dabei jenen, die für das Gruppenmerkmal in §3 Abs1 EStG anzuwenden sind, wobei aber die besonderen Kompetenzen und Erfahrungen auch eines einzelnen Arbeitnehmers als sachliches, betriebsbezogenes Kriterium angesehen werden können, auch wenn weitere Personen mit demselben Tätigkeitsbereich keine Start-up-Mitarbeiterbeteiligung erhalten. Damit soll einerseits sichergestellt werden, dass hochqualifizierte Experten spezifisch an das Unternehmen gebunden werden und andererseits eine willkürliche Zuerkennung etwa nach Maßstäben persönlicher Vorlieben oder Nahebeziehungen nicht zulässig ist.

2.1.2.Maximale Höhe der Beteiligung

Durch die Start-up-Mitarbeiterbeteiligung sollen neue Arbeitnehmer angeworben und an das Unternehmen gebunden werden, weshalb Personen, die bereits in einem nennenswerten Ausmaß am Unternehmenserfolg in Form von Beteiligungen partizipieren, nicht in den Anwendungsbereich der Regelung fallen. Sofern der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Abgabe der Anteile unmittelbar oder mittelbar eine Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers im Ausmaß von 10% oder mehr hält oder zuvor gehalten hat, kann keine begünstigte Start-up-Mitarbeiterbeteiligung eingeräumt werden. Da als Anteile im Sinne dieser Bestimmung auch Substanzgenussrechte gewährt werden können, ist das Beteiligungsausmaß nicht vom Nominalkapital zu berechnen, sondern vom rechnerischen Wert der Gesamtanteile der Gesellschaft (einschließlich Substanzgenussrechte).

2.2.Voraussetzungen hinsichtlich des Arbeitgebers

2.2.1.Größe des Unternehmens

Es dürfen vom Arbeitgeber-Unternehmen im Wirtschaftsjahr vor der Abgabe der Anteile im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigt worden sein. Die Umsatzerlöse iSd §189a Z5 UGB dürfen zudem maximal 40MioEuro betragen haben. Für die Beurteilung wird auf die unternehmensrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften abgestellt.

Das Arbeitgeber-Unternehmen darf zudem nicht in einen Konzernabschluss einbezogen worden sein, und die Anteile am Kapital oder der Stimmrechte am Unternehmen des Arbeitgebers dürfen maximal zu 25% von Unternehmen gehalten werden, die ihrerseits in einen Konzernabschluss einbezogen sind. Dies soll verhindern, dass bestehende Konzernunternehmen durch die Gründung von Tochtergesellschaften ebenso in den Anwendungsbereich der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung einbezogen werden; gleichzeitig ermöglicht es Start-up-Unternehmen, strategische Partner mit insgesamt bis zu 25% am Unternehmen zu beteiligen.

2.2.2.Neugründung

Eine Start-up-Mitarbeiterbeteiligung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer die Anteile innerhalb von zehn Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres der Gründung des Unternehmens erhält; als Gründung wird – dem §2 Z1 Neugründungs-Förderungsgesetz entsprechend – die Schaffung einer bisher nicht vorhandenen betrieblichen Struktur vorausgesetzt. Besteht ein Unternehmen aus mehreren Betrieben oder Teilbetrieben, wird auf die Gründung des ersten zum Unternehmen gehörenden Betriebs abgestellt.

SWK-Heft 195. Juli 2023 803 Tagesfragen

2.3.Voraussetzungen hinsichtlich der Anteile und ihrer Einräumung

2.3.1.Unentgeltliche Abgabe

Bei Start-up-Mitarbeiterbeteiligungen ist – anders als bei der Mitarbeiterbeteiligung gemäß §3 Abs1 Z15 litb EStG – nur die unentgeltliche Abgabe der Anteile begünstigt, nicht hingegen die verbilligte Abgabe über das Nominale hinaus. Damit wird eine sonst notwendige Bewertung (siehe Pkt1.) der Beteiligung im Zeitpunkt der Abgabe vermieden, und die Abgabe zum Nominale (zB im Rahmen einer Kapitalerhöhung) kann wie eine unentgeltliche Abgabe behandelt werden, um negative Auswirkungen auf schon bestehende Anteile („Verwässerung“) zu verhindern. Die Abgabe muss jedenfalls unmittelbar durch den Arbeitgeber, also die Gesellschaft selbst, erfolgen.

2.3.2.Vinkulierung

Die Verfügungsmöglichkeit des Arbeitnehmers über die Beteiligung muss durch eine Vinkulierung der Anteile eingeschränkt werden. Eine Veräußerung oder Übertragung der Anteile durch den Arbeitnehmer darf nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich sein. Dadurch wird bei der steuerlichen Behandlung der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung wirtschaftlich ein ähnlicher Effekt wie bei Stock-Option-Programmen erzielt. Für den Erhalt der steuerlichen Begünstigung ist es ausreichend, dass die Vinkulierung bis zum tatsächlichen Zufluss besteht; wird das Dienstverhältnis beendet und führt dies zum Zufluss des geldwerten Vorteils, ist aus steuerlicher Sicht keine Vinkulierung mehr erforderlich. Die zivilrechtliche Regelung bleibt davon jedoch a priori unberührt.

2.3.3.Ausdrückliche Vereinbarung

Die Regelung kommt nur zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer diese mittels einer Option zur Start-up-Mitarbeiterbeteiligung explizit in Anspruch nimmt. Die Anwendung der Befreiungen nach §3 Abs1 Z15 litb oderc EStG ist in diesem Fall ausgeschlossen. Die schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers sowie die Höhe der Beteiligung sind zu Dokumentationszwecken in das Lohnkonto aufzunehmen. Ohne Aufnahme der notwendigen Daten in das Lohnkonto kommt die Steuerbegünstigung nicht zur Anwendung.

3.Zuflusstatbestände

Eine wesentliche Begünstigung der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung besteht darin, dass der Zufluss abweichend von §19 EStG nicht bereits bei Abgabe der Beteiligung stattfindet, sondern bei Zutreffen der folgenden Zuflusstatbestände zu späteren, gesetzlich definierten Zeitpunkten.

3.1.Veräußerung der Anteile

Mit dem Zufluss bei Veräußerung der Anteile – in den meisten Fällen an einen Investor –wird der typische Fall eines „Exit“ erfasst. Der geldwerte Vorteil gilt beim Arbeitnehmer als zugeflossen, soweit dieser seine Anteile veräußert; das umfasst die Veräußerung an Dritte wie auch zB die Zurückveräußerung an den Arbeitgeber. Üblicherweise stimmt dabei der Arbeitgeber der Veräußerung der Anteile durch den Arbeitnehmer zu, wodurch die Vinkulierung aufgehoben wird.

3.2.Beendigung des Dienstverhältnisses

Grundsätzlich führt die Beendigung des Dienstverhältnisses zu einer Besteuerung des geldwerten Vorteils im Zeitpunkt der Beendigung. Die Besteuerung kann jedoch hinausgeschoben werden, wenn es sich im Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses um Unternehmenswertanteile gemäß §9 Flexible Kapitalgesellschafts Gesetz (Flex-

Tagesfragen 804 SWK-Heft 195. Juli 2023

KapGG) handelt und durch eine Haftung des Arbeitgebers die spätere Besteuerung sichergestellt wird.

Damit bei Unternehmenswertanteilen der Zufluss im Zeitpunkt der Beendigung vermieden wird, muss bei Beendigung des Dienstverhältnisses am Lohnzettel angegeben werden, dass derartige Anteile abgegeben wurden und keine Besteuerung erfolgt ist. Der Zufluss findet erst statt, sobald einer der weiteren Zuflusstatbestände erfüllt wird.

Wenn es erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses aufgrund der Veräußerung der Anteile oder der Aufhebung der Vinkulierung zum Zufluss kommt, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Zufluss dem Finanzamt Österreich zu melden, damit eine korrekte Versteuerung des Veräußerungserlöses gewährleistet ist. Der Arbeitgeber haftet diesfalls auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses für die korrekte Besteuerung, weil er durch die individuelle Aufzeichnungsverpflichtung der Gesellschafter im Anteilsbuch (gemäß §9 Abs7 FlexKapGG) und die Vinkulierung die für die Versteuerung notwendigen Informationen hat bzw erhält und dementsprechend vertragliche Vereinbarungen treffen kann, um eine korrekte Entrichtung der Steuer sicherzustellen.

Eine Umwandlung von Unternehmenswertanteilen in Geschäftsanteile gemäß §9 Abs9 FlexKapGG stellt keine steuerpflichtige Realisierung dar, daher führt eine solche Umwandlung – auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses – zu keinem Zufluss des geldwerten Vorteils. Der Zufluss erfolgt daher auch in diesen Fällen erst, wenn einer der anderen Zuflusstatbestände eintritt. Auch bei Vorliegen von Unternehmenswertanteilen kann die Versteuerung aber sofort bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber vorgenommen werden.

3.3.Weitere Zuflusstatbestände

3.3.1.Aufhebung der Vinkulierung

Wenn die Vinkulierung zwar aufgehoben wird – etwa auch durch gerichtliche Ersetzung der Zustimmung –, aber im selben Kalenderjahr keine Veräußerung stattfindet, kommt es ebenfalls zu einem Zufluss der Mitarbeiterbeteiligung. Dies gilt auch bei Aufhebung der Vinkulierung, um eine unentgeltliche Übertragung zu ermöglichen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Vinkulierung als grundlegende Voraussetzung für den Besteuerungsaufschub die gesamte Dauer erhalten bleibt und die Administration im Rahmen der Lohnverrechnung durch den Arbeitgeber möglichst einfach ist. Bei Aufhebung der Vinkulierung im Zuge der Beendigung des Dienstverhältnisses kommt die dementsprechende Regelung (Pkt3.2.) zur Anwendung. Wird jedoch die Verschiebung des Zuflusses in Anspruch genommen (weil es sich um Unternehmenswertanteile gemäß §9 FlexKapGG handelt) und erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt eine Aufhebung der Vinkulierung, erfolgt der Zufluss durch Aufhebung der Vinkulierung.

3.3.2.Überschreitung des maximalen Anteils

Personen, die bereits in einem nennenswerten Ausmaß am Unternehmenserfolg teilhaben, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung. Wenn die Beteiligung des Arbeitnehmers am Arbeitgeber-Unternehmen unmittelbar oder mittelbar 10% am Kapital übersteigt, gelten sämtliche – unter die Regelung fallende – Anteile als zugeflossen. Dies vermeidet auch Abgrenzungsschwierigkeiten, die bei Überschreitung der 10%-Grenze entstehen (insbesondere bei einer späteren teilweisen Veräußerung der Anteile).

3.3.3.Wegzug

Zu einem Zufluss kommt es auch dann, wenn Umstände eintreten, die das Besteuerungsrecht der Republik Österreich an der Beteiligung künftig einschränken könnten.

SWK-Heft 195. Juli 2023 805 Tagesfragen

Die Tatsache, dass der Zufluss bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattgefunden hat, ist für die Prüfung der Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich nicht relevant. Kommt es zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts und liegt die ursprüngliche erstmalige Gewährung der Anteile mehr als fünf Jahre zurück, besteht für jenen Teil der Einkünfte, der mit einem festen Satz von 27,5% zu besteuern wäre (siehe Pkt4.2.), im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung die Möglichkeit einer Nichtfestsetzung iSd §27 Abs6 Z1 lita bisd EStG.

3.3.4.Tod oder Liquidation

Schließlich führen auch die Liquidation des Arbeitgeber-Unternehmens sowie der Tod des Arbeitnehmers zu einem Zufluss.

4.Besteuerung der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung

4.1.Bemessung des geldwerten Vorteils

Wenn die Beteiligung veräußert wird, ist der Veräußerungserlös als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, wodurch komplexe Bewertungsfragen in der Mehrzahl der Fälle vermieden werden. Kommt es nach der Veräußerung zB im Rahmen einer sogenannten „Earn-out“-Klausel (wenn also der Kaufpreis in zwei Teilen bezahlt wird, wobei der zweite Teil erst zu entrichten ist, wenn durch das Unternehmen gewisse Ziele erreicht werden) zu einer Anpassung des Veräußerungserlöses, stellt diese Anpassung ein rückwirkendes Ereignis gemäß §295a BAO dar, das im Jahr der Veräußerung zu berücksichtigen ist.

Wird ein anderer Zuflusstatbestand verwirklicht, ist auf den gemeinen Wert der Start-upMitarbeiterbeteiligung im Zuflusszeitpunkt abzustellen; in diesem Fall stellt der gemeine Wert in der Folge die steuerlichen Anschaffungskosten dar.

4.2.Steuersatz

Um eine einheitliche Steuererhebung mittels Lohnsteuerabzugs zu ermöglichen, fließt in die Besteuerung des geldwerten Vorteils auch die Erfassung der seit der Abgabe eingetretenen „Wertsteigerungskomponente“ pauschal ein. Diese wird vereinfachend mit 75% der Bemessungsgrundlage (Veräußerungserlös bzw gemeiner Wert) angesetzt. Für diesen Teil kommt ein fester (Lohn-)Steuersatz von 27,5% zur Anwendung, der der Höhe nach mit dem entsprechenden KESt-Satz übereinstimmt. Soweit beim Lohnsteuerabzug der feste Satz nicht zur Anwendung kommt, erfolgt die steuerliche Erfassung nach §67 Abs10 EStG als sonstiger Bezug nach dem Lohnsteuertarif. Dies betrifft einerseits 25% der Bemessungsgrundlage (jener Teil der Bemessungsgrundlage, der nicht mit einem festen Satz besteuert wird) und andererseits Fälle, in welchen die Fristen (siehe Pkt4.3.) nicht erfüllt sind.

Alineare Gewinnausschüttungen gelten als (tarif)lohnsteuerpflichtige Bezüge iSd §67 Abs10 EStG. Erfolgen alineare Gewinnausschüttungen jedoch nachweislich aufgrund anderer wirtschaftlicher Gründe (zB umgründungssteuerliche Begleitmaßnahmen), ist dies unschädlich.

4.3.Behaltefrist für vergünstigten Steuersatz

Um das Ziel der Bindung an das Unternehmen zu fördern, ist die Anwendung des festen Satzes nur möglich, wenn das Dienstverhältnis zumindest drei Jahre angedauert hat und ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Abgabe von Start-up-Mitarbeiterbeteiligungen an den jeweiligen Arbeitnehmer fünf Jahre vergangen sind. Die fünf Jahre entspre-

Tagesfragen 806 SWK-Heft 195. Juli 2023

chen der Behaltefrist für Mitarbeiterbeteiligungen iSd §3 Abs1 Z15 litb EStG. Die Frist läuft vom Zeitpunkt der erstmaligen Abgabe einer Start-up-Mitarbeiterbeteiligung, wodurch auch in Fällen, in denen Anteile (sukzessive) zugewendet werden, eine einheitliche steuerliche Behand lung der gesamten Start-up-Mitarbeiterbeteiligung stattfinden kann. Es genügt für alle Anteile, wenn die Frist hinsichtlich der ersten gewährten Tranche erfüllt ist.

Erfolgt der Zufluss aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses (siehe Pkt 3.2.), muss nur auf das drei Jahre andauernde Dienstverhältnis abgestellt werden, und der Zeitpunkt der erstmaligen Abgabe ist nicht relevant. In der Praxis wird es daher sinnvoll sein, ein Rückkaufrecht des Arbeitgebers bei Beendigung des Dienstverhältnisses innerhalb der Dreijahresfrist vorzusehen.

Stirbt der Arbeitnehmer, ist die Anwendung des festen Satzes auch dann möglich, wenn die Behaltefrist von fünf Jahren nicht erfüllt wird bzw das Dienstverhältnis nicht mindestens drei Jahre gedauert hat.

4.4.Veranlagung

Grundsätzlich erfolgt die Versteuerung der Einkünfte aus der Start-up-Mitarbeiterbeteiligung durch Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber. Es gibt allerdings Fälle, in denen die Erklärung im Rahmen der Steuerveranlagung zu erfolgen hat:

1.Wenn der geldwerte Vorteil erst nach Beendigung des Dienstverhältnisses zufließt (siehe Pkt3.2.). Das ist der Fall, wenn der ehemalige Arbeitnehmer die Anteile veräußert oder ein anderer Zuflusstatbestand nach Beendigung des Dienstverhältnisses verwirklicht wird.

2.Wenn der Zufluss durch Einschränkung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich stattfindet. Soweit für die „Wertsteigerungskomponente“ (75%) beim Lohnsteuerabzug der feste Steuersatz von 27,5% zur Anwendung kommen würde, ist dieser Steuersatz auch in der Veranlagung maßgeblich. Zudem ist die Regelung für die Steuernichtfestsetzung sinngemäß anzuwenden.

3.Wenn im Jahr des Zuflusses kein oder ein unrichtiger Lohnsteuerabzug erfolgt, hat gemäß §41 Abs1 Z17 EStG eine Pflichtveranlagung stattzufinden.

5.Abgaben- und beitragsrechtliche Behandlung abseits der Einkommensteuer

5.1.Kommunalsteuer und Familienlastenausgleich

Kommunalsteuerpflicht und Dienstgeberbeitragspflicht entstehen erst, wenn ein Zufluss des geldwerten Vorteils gemäß §67a EStG stattfindet. Es ist jedoch nur jener Teil kommunalsteuer- und dienstgebe rbeitragspflichtig, welcher nach dem Tarif gemäß §67 Abs10 EStG zu besteuern ist, nicht jedoch jener Teil des Zuflusses, der dem festen Satz von 27,5% unterliegt. Vor dem Zufluss gemäß §67a Abs3 EStG besteht keine Kommunalsteuer- und Dienstgeberbeitragspflicht, da es sich um keine Bezüge gemäß §25 Abs1 Z1 EStG handelt, solange kein geldwerter Vorteil gemäß §15 Abs2 Z1 EStG zugeflossen ist.

5.2.Sozialversicherung

Im Bereich der Sozialversicherungsbeträge wird ebenfalls eine Begünstigung im §50a ASVG geschaffen. Aufgrund der systemischen Unterschiede zwischen dem Beitragsund Steuerrecht (zB Begrenzung der Beitragspflicht durch die Höchstbeitragsgrundlage kombiniert mit einem System fester Beitragssätze, Aufteilung der Beitragslast auf Dienstgeber und Dienstnehmer) ist eine analoge Regelung nicht möglich.

SWK-Heft 195. Juli 2023 807 Tagesfragen

Beitragsrechtlich findet der Besteuerungsaufschub statt, indem das Entstehen der Beitragspflicht im laufenden Dienstverhältnis bis zur tatsächlichen Veräußerung der Mitarbeiterbeteiligungen oder dem Eintritt anderer Umstände aufgeschoben wird.

Dieser Aufschub beschränkt sich aber jedenfalls auf die Dauer des Dienstverhältnisses. Im Falle einer Veräußerung der Anteile während eines aufrechten Dienstverhältnisses ist die Beitragsgrundlage der Veräußerungserlös. Findet keine Veräußerung im aufrechten Dienstverhältnis statt, dann wird eine fixe Beitragsgrundlage vom 30-Fachen der Höchstbeitragsgrundlage gemäß §45 ASVG (tägliche Höchstbeitragsgrundlage) im Rahmen der Lohnverrechnung herangezogen, um eine komplexe Bewertung des geldwerten Vorteils zu vermeiden. In jedem Fall kommt die allgemeine Beschränkung durch die Höchstbeitragsgrundlage zur Anwendung.

Auf den Punkt gebracht

Ab 2024 können Unternehmen, wenn sie eine gewisse Größe nicht überschreiten und innerhalb der letzten zehn Jahre gegründet wurden, gemäß dem neuen §67a EStG – der derzeit als Begutachtungsentwurf vorliegt – Start-up-Mitarbeiterbeteiligungen an ihre Arbeitnehmer abgeben. Neben weiteren Voraussetzungen muss die Verfügungsmacht des Arbeitnehmers durch eine Vinkulierung der Anteile eingeschränkt werden.

Diese Beteiligung ist auf zweierlei Art steuerlich begünstigt:

• Der Zufluss wird beim Arbeitnehmer aufgeschoben. Die Besteuerung findet typischerweise statt, sobald die Anteile veräußert werden, andernfalls insbesondere bei Beendigung des Dienstverhältnisses oder Auflösung der Vinkulierung.

• Sind seit der erstmaligen Einräumung der Anteile zumindest fünf Jahre vergangen und hat das Dienstverhältnis nicht weniger als drei Jahre angedauert, können 75% des Veräußerungserlöses mit einem festen Satz von 27,5% versteuert werden. Die weiteren 25% sind gemäß §67 Abs10 EStG als sonstiger Bezug mit dem Tarif zu besteuern.

Die Begünstigung ist auch im Bereich der Sozialversicherung und der weiteren Lohnnebenkosten (Kommunalsteuer, Familienlastenausgleich) vorgesehen.

Keine Verlängerung des erhöhten Pendlerpauschales

Die von 1. 5. 2022 bis 30. 6. 2023 befristete Erhöhung von Pendlerpauschale und Pendlereuro wird nicht verlängert (§ 124b Z 395 EStG). Somit müssen in den Personalabrechnungen ab Juli 2023 wieder die alten Werte angesetzt werden.

Konsultationsvereinbarung mit Belgien betreffend Ansässigkeitsbestätigungen

Erlass des BMF vom 21. 6. 2023, 2023-0.451.130, BMF-AV 2023/75.

Die Konsultationsvereinbarung betrifft die Beweisführung für die Ansässigkeit von Personen in Belgien und Österreich iSd Art4 Abkommen zwischen Österreich und Belgien. Sie gilt im Verfahren zur Entlastung an der Quelle bzw zur Rückerstattung von belgischen und österreichischen Quellensteuern nach innerstaatlichem Recht.

Tagesfragen 808 SWK-Heft 195. Juli 2023

Legistik zu Umgründungen

Aktuelles zu Umgründungen im AbgÄG 2023

Tagesfragen

Teil 1 – Die gesetzlichen Neuregelungen für die nationale Umgründungspraxis imÜberblick

ELISABETH TITZ*) / ALEXANDRA WILD**)

Am 14.6.2023 wurde die Regierungsvorlage des AbgÄG 2023 im Ministerrat beschlossen. Diese enthält auch zahlreiche gesetzliche Neuerungen für Umgründungen. Der vorliegende Beitrag geht näher auf die Neuerungen für die nationale (Teil1) sowie internationale (Teil2) Umgründungspraxis ein.

1.Steuerliche Geltung von Rechtsbeziehungen im Rückwirkungszeitraum

1.1. Hintergrund

Bisher sah §18 Abs3 UmgrStG für schuldrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Körperschaft, sofern sich diese auf das eingebrachte Vermögen bezogen und iZm der Beschäftigung, der Kreditgewährung und der Nutzungsüberlassung standen, eine Abweichung von der steuerlichen Rückwirkung vor. Diese Rechtsbeziehungen konnten erst für Zeiträume ab deren vertraglicher Vereinbarung, frühestens jedoch mit Abschluss des Einbringungsvertrags steuerwirksam werden.1) Durch diese Bestimmung sollte verhindert werden, dass sich der Rückwirkungsgrundsatz auf – erst aufgrund des Trennungsprinzips denkbare – rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Körperschaft erstreckt.2) Eine steuerliche Anerkennung dieser rechtsgeschäftlichen Beziehungen für Zeiträume vor Abschluss des Einbringungsvertrags – insbesondere für den Rückwirkungszeitraum – war somit ausgeschlossen.3) Wurden daher bereits im Rückwirkungszeitraum Vergütungen geleistet,4) wie zB Mietentgelte für anlässlich der Einbringung zurückbehaltene und der übernehmenden Körperschaft zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgüter, waren diese steuerlich bisher als verdeckte Ausschüttungen zu qualifizieren.5) Die Regelung gilt kraft Verweises in §34 Abs1 UmgrStG auch für Spaltungen.

Die praktische Anwendung des §18 Abs3 UmgrStG war aus verschiedensten Blickwinkeln problematisch. Bereits die Reichweite von §18 Abs3 UmgrStG wurde im Schrifttum unterschiedlich interpretiert, was eine Rechtsunsicherheit zur Folge hatte: Einerseits wurde dabei vertreten, dass von der Regelung nicht umfasste Rechtsbeziehungen mit

*)Dr. Elisabeth Titz ist stellvertretende Abteilungsleiterin der Abteilung für Einkommen- und Körperschaftsteuer im BMF.

**)Dr. Alexandra Wild ist Mitarbeiterin der Abteilung für Einkommen- und Körperschaftsteuer im BMF.

1)Vgl dazu ausführlich Titz/Wild/Schlager in Wiesner/Hirschler/Mayr, Handbuch der Umgründungen (16.Lfg, 2017) §18 Rz93ff; Furherr in Kofler, UmgrStG12 (2023) §18 Rz101ff.

2)ErlRV 226 BlgNR 18.GP, 27; Titz/Wild/Schlager in Wiesner/Hirschler/Mayr, Handbuch der Umgründungen (16.Lfg, 2017) §18 Rz93.

3)ErlRV 2086 BlgNR 27.GP, 20.

4)Diese stellen in einem ersten Schritt Verrechnungsforderungen der übernehmenden Körperschaft gegenüber dem Anteilsinhaber dar. Sofern auf diese aber in einem zweiten Schritt verzichtet wird, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor (vgl Titz/Wild/Schlager in Wiesner/Hirschler/Mayr, Handbuch der Umgründungen [16.Lfg, 2017] §18 Rz97).

5)ErlRV 2086 BlgNR 27.GP, 20; dies galt nicht für von Zinsen für Verbindlichkeiten aus rückbezogenen vorbehaltenen Entnahmen (§16 Abs5 Z2 UmgrStG) sowie von Entgelten für die Überlassung von zurückbehaltenem Vermögen (§16 Abs5 Z3 und Z4 UmgrStG); diese können nach der derzeitigen Rechtslage mit steuerlicher Wirkung auf den dem Einbringungsstichtag folgenden Tag rückbezogen werden, wenn spätestens am Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags eine Entgeltvereinbarung vorliegt (§18 Abs3 Satz3 UmgrStG).

SWK-Heft 195. Juli 2023 809 Tagesfragen

steuerlicher Wirkung rückbezogen werden können.6) Andererseits wurde aus dem allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsatz, wonach privatrechtliche Vereinbarungen nicht rückwirken können, abgeleitet, dass auch andere (als die ausdrücklich genannten) Rechtsbeziehungen nicht auf den Stichtag rückprojeziert werden können, wenn der Vertragsabschluss (sprich die Entgeltvereinbarung) nach dem Stichtag erfolgt ist.7)

Zudem führte das Rückwirkungsverbot insbesondere bei Spaltungen zu systematischen Verwerfungen, weil bei diesen gesellschaftsrechtlich rückwirkend eine volle Ergebniszurechnung vorgenommen wird.8)

• Beispiel 1

Die X-GmbH hat zwei Teilbetriebe (TB1 und TB2). Zum 31.12.X1 soll TB2 auf die neu gegründete Y-GmbH abgespalten werden. Eine Betriebsliegenschaft, die von beiden Teilbetrieben verwendet wird, geht auf die Y-GmbH über und wird dieser ab 1.1.X2 steuerlich zugerechnet. Der X-GmbH soll – und wird auch unternehmensrechtlich – ab 1.1.X2 ein fremdüblicher Mietzins in Höhe von 100 verrechnet werden.

Nach §34 Abs1 UmgrStG iVm §18 Abs3 UmgrStG kann der Mietzins steuerlich erst für Zeiträume nach dem Tag des Spaltungsbeschlusses steuerwirksam vereinbart werden.9)

1.2.Neuregelung der Rückwirkung von Leistungsbeziehungen gemäß §18 Abs3 UmgrStG

Vor diesem Hintergrund konnte §18 Abs3 UmgrStG nach bisheriger Rechtslage mitunter zu erheblichen Abweichungen zwis chen steuerlichem und unternehmensrechtlichem Gewinn im Rückwirkungszeitraum und – damit einhergehend – zu einem allgemeinen Wertungswiderspruch zwischen (steuerlich anerkannten) innerbetrieblichen Leistungsbeziehungen bis zum Ablauf des Umgründungsstichtages und (steuerlich nicht anerkannten) innerbetrieblichen Leistungsbeziehungen im Rückwirkungszeitraum führen.10)

Auch bei der Einbringung von zum Betriebsvermögen gehörenden gemischt genutzten Liegenschaften führte die bisherige Regelung zu Verwerfungen. Wird eine solche Liegenschaft eingebracht, ist hinsichtlich des vom Einbringenden genutzten und damit außerbetrieblichen Zwecken dienenden Teils eine dem Fremdvergleich standhaltende Vereinbarung abzuschließen; dieser Teil war vor dem Einbringungsstichtag als Privatentnahme steuerlich zu erfassen. Der Nutzungsüberlassungsvertrag konnte jedoch gemäß §18 Abs3 UmgrStG für den Rückwirkungszeitraum nicht steuerwirksam abgeschlossen werden, sondern erst ab dem Einbringungsvertrag.11) Dadurch fehlte es für den Rückwirkungszeitraum an einer steuerlichen Erfassung des Privatanteils.

Diese bestehenden systematischen Verwerfungen sollen durch das AbgÄG 2023 nunmehr beseitigt und damit auch Rechtssicherheit hinsichtlich des Anwendungsbereichs geschaffen werden, indem §18 Abs3 UmgrStG für Umgründungen mit einem Stichtag nach dem 30.6.2023 neu geregelt wird: Künftig soll eine ertragsteuerliche Rückwirkung von im Rückwirkungszeitraum abgeschlossenen Rechtsbeziehungen ausdrücklich zulässig sein. §18 Abs3 Satz1 UmgrStG normiert demnach, dass sämtliche Rechtsbeziehungen des Einbringenden zur übernehmenden Körperschaft bezogen auf das einge-

6) Hügel in Hügel/Mühlehner/Hirschler, UmgrStG (1999) §18 Rz17 und25; Huber in Wundsam/Zöchling/ Huber/Khun, UmgrStG5 (2015) §18 Rz42.

7) Rabel in Helbich/Wiesner/Bruckner, Handbuch der Umgründungen (2010) §18 Rz54; Titz/Wild/Schlager in Wiesner/Hirschler/Mayr, Handbuch der Umgründungen (16.Lfg, 2017) §18 Rz98; ErlRV 226 BlgNR 18.GP, 71.

8) Zöchling, Die steuerliche Behandlung von Rechtsbeziehungen zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Körperschaft im Rückwirkungszeitraum, in Hirschler/Fuhrmann/Bernwieser, Umgründungen & Immobilien, FS Sulz (2022) 259 (265f); Hirschler in Hügel/Mühlehner/Hirschler, UmgrStG, §34 Rz3.

9)Vgl Zöchling in Hirschler/Fuhrmann/Bernwieser, Umgründungen & Immobilien, 259 (265f).

10)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 21.

11)Vgl dazu Rz 694 UmgrStR idF Wartungserlass 2022.

Tagesfragen 810 SWK-Heft 195. Juli 2023

brachte Vermögen mit steuerlicher Wirkung auf den dem Einbringungsstichtag folgenden Tag rückbezogen werden können, wenn spätestens am Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrags nachweislich eine fr emdübliche Entgeltvereinbarung getroffen wurde.

• Fortsetzung Beispiel 1

Nach §34 Abs1 UmgrStG iVm §18 Abs3 UmgrStG idF AbgÄG 2023 kann, sofern eine entsprechende Entgeltvereinbarung zwischen spaltender und übernehmender Körperschaft abgeschlossen wurde, auch die der X-GmbH verrechnete Mietzinszahlung für die Betriebsliegenschaft steuerlich bereits der übernehmenden Y-GmbH zugerechnet werden und bei dieser zu Betriebseinnahmen führen; korrespondierend liegen bei der X-GmbH Betriebsausgaben vor.

§18 Abs3 UmgrStG enthält künftig nur mehr eine Ausnahme, die weiterhin dem Rückwirkungsverbot unterliegt. Rechtsbeziehungen einer einbringenden natürlichen Person zur übernehmenden Körperschaft iZm ihrer eigenen Beschäftigung (dh Entgeltverrechnungen für die Tätigkeit des Einbringenden selbst) können weiterhin erst ab Vertragsabschluss, frühestens jedoch für Zeiträume, die nach dem Abschluss des Einbringungsvertrags beginnen, steuerwirksam vereinbart werden. Dadurch soll ein Abweichen von der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der einbringenden natürlichen Person (GSVGBeiträge des Einbringenden) vermieden werden.12) Für Spaltungen ist diese – auf natürliche Personen beschränkte – Ausnahme naturgemäß nicht anwendbar.

Im Zuge der Regierungsvorlage wurde zudem klarstellend noch der bereits in der bisherigen Regelung enthaltene Satz aufgenommen, wonach die Regelung bei Einbringungen durch Mitunternehmerschaften auch für die Mitunternehmer gilt.

2.Vereinfachung des UmgrStG durch Neuregelung beim Anteilsverzicht

2.1.Hintergrund

Gemäß §19 Abs2 UmgrStG kann in bestimmten Konstellationen anlässlich von Einbringungen auf die Gewährung neuer Anteile an den Einbringenden verzichtet werden, ohne dass dadurch die Anwendungsvoraussetzungen des ArtIII UmgrStG verletzt werden. Dabei spielt in der Praxis insbesondere die Ausnahmeregelung des §19 Abs2 Z5 UmgrStG eine Rolle, die das Unterbleiben der Anteilsgewähr ermöglicht, sofern eine Alleingesellschafterstellung des Einbringenden an der übernehmenden Körperschaft oder eine Übereinstimmung der Beteiligungsverhältnisse an den Einbringenden und an der übernehmenden Körperschaft (Schwesterneinbringung) vorliegt.13)

Allerdings führte die geltende Rechtslage zu praktischen Schwierigkeiten in Konstellationen, in denen mehrere Einbringende im selben Verhältnis am einzubringenden Vermögen und an der übernehmenden Körperschaft beteiligt sind (zB zu je 50%). Diesfalls bietet §19 Abs2 Z5 UmgrStG keine Möglichkeit, auf eine Anteilsgewähr zu verzichten, weil kein Einbringender Alleingesellschafter der übernehmenden Körperschaft ist. Einen Ausweg bot diesfalls nur §19 Abs2 Z2 UmgrStG, wonach auf eine Anteilsgewähr verzichtet werden kann, wenn die Anteilsinhaber der übernehmenden Körperschaft den Einbringenden mit bestehenden Anteilen an der übernehmenden Körperschaft – in beliebig wählbarem Ausmaß – abfinden. Die Anwendung von §19 Abs2 Z2 UmgrStG setzt somit im vorliegenden Fall eine tatsächliche, wechselseitige Abtretung zumindest von Kleinstanteilen durch die Einbringenden voraus („Kreisabtretung“), obwohl die Beteiligungsverhältnisse an der übernehmenden Körperschaft letztlich unverändert bleiben sollen. Dies führte mit Blick auf die Notariatsaktpflicht der GmbH-Anteilsabtretung nicht

12)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 21; vgl dazu schon Zöchling in Hirschler/Fuhrmann/Bernwieser, Umgründungen & Immobilien, 259 (267f).

13)Vgl dazu ausführlich Titz/Wild/Schlager in Wiesner/Hirschler/Mayr, Handbuch der Umgründungen (16.Lfg, 2017) §19 Rz32ff; Furherr in Kofler, UmgrStG12, §19 Rz81ff.

SWK-Heft 195. Juli 2023 811 Tagesfragen

nur zu unnötigen Zusatzkosten, sondern auch zu möglichen Irritationen beim Firmenbuch.14) Gleichzeitig birgt die Notwendigkeit der wechselseitigen Anteilsabtretung einen unnötigen „Fallstrick“, weil bei deren Unterbleiben die gesamte Einbringung nicht mehr unter ArtIII UmgrStG fallen kann. §19 Abs2 UmgrStG erschien daher in derartigen Konstellationen den praktischen Bedürfnissen nicht ausreichend Rechnung zu tragen, dies vor allem auch deshalb, weil es im Zuge derartiger Umgründungen auch nicht zu einer Verschiebung stiller Reserven im eingebrachten Vermögen kommt, sondern jeder Einbringende weiterhin an „seinen“ stillen Reserven beteiligt bleibt.15)

2.2.Neuer Tatbestand des §19 Abs2 Z6 UmgrStG

Das AbgÄG 2023 soll für Umgründungen mit einem Stichtag nach dem 30.6.2023 eine diesbezügliche Vereinfachung für die Umgründungspraxis bringen: §19 Abs2 UmgrStG wurde um einen weiteren Tatbestand ergänzt (Z6), der den Verzicht auf Anteilsgewähr in derartigen Konstellationen (auch ohne gegenseitige Anteilsabtretung) ermöglicht: §19 Abs2 Z6 UmgrStG zufolge kann die Gewährung von neuen Anteilen unterbleiben, wenn alle an der übernehmenden Körperschaft Beteiligten begünstigtes Vermögen iSd §12 Abs2 Z2 oder Z3 UmgrStG – also Mitunternehmer- oder Kapitalanteile16) – einbringen, an dem sie insgesamt im Verhältnis zueinander im selben Beteiligungsausmaß wie an der übernehmenden Körperschaft substanzbeteiligt sind. Der Umstand, dass jeder Einbringende an seinem jeweils einzubringenden Vermögen zu 100% beteiligt ist, soll daher der Möglichkeit des Verzichts auf Anteilsgewähr nicht entgegenstehen („insgesamt im Verhältnis zueinander“); dies halten die Erläuterungen auch ausdrücklich fest. Diese Formulierung, die auf das Beteiligungsverhältnis der einzelnen Einbringenden zueinander abstellt, wurde deshalb gewählt, weil in der Vergangenheit die Anwendung von §19 Abs2 Z5 UmgrStG in der Stammfassung17) auch durch die Rechtsprechung – entgegen den erläuternden Bemerkungen18) – im Falle der Einbringung von Mitunternehmeranteilen bei Beteiligungsidentität an der Mitunternehmerschaft und an der übernehmenden Körperschaft deshalb verneint wurde, weil hinsichtlich der eingebrachten Mitunternehmeranteile Alleineigentum besteht, nicht aber an der übernehmenden Körperschaft.19) Auch das Bestehen einer lediglich mittelbaren Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft steht – wie durch den Wortlaut der Regierungsvorlage nunmehr ausdrücklich bestätigt – der Anwendung von §19 Abs2 Z6 UmgrStG nicht entgegen.

• Beispiel 220

A und B sind zu je 50% an der inländischen X-GmbH und an der inländischen Y-GmbH beteiligt. Zum 31.12.X1 bringen A und B ihre Anteile an der X-GmbH in die Y-GmbH ein. Da die an der übernehmenden Körperschaft Y-GmbH Beteiligten A und B begünstigtes Vermögen einbringen (je einen Kapitalan-

14)Vgl dazu ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 22, sowie mwN Furherr in Kofler, UmgrStG10 (2021) §19 Rz64.

15)Vgl ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 22.

16)(Teil-)Betriebe sind hier nicht genannt, weil im Falle einer Beteiligung von mehreren Beteiligten ohnedies eine Mitunternehmerschaft vorliegt.

17)§19 Abs2 Z5 UmgrStG in der Stammfassung (BGBl 1991/669) lautete: „wenn die unmittelbaren oder mittelbaren Eigentums- oder Beteiligungsverhältnisse am eingebrachten Vermögen der prozentuellen Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft unmittelbar oder mittelbar entsprechen“. Mit dem AbgÄG 2005 wurde die Bestimmung eingeschränkt, indem die Gleichbeteiligung an der einbringenden Personengesellschaft und der übernehmenden Körperschaft von der Verzichtsmöglichkeit ausgeschlossen werden sollte. Dies wurde dadurch begründet, dass sich die Regelung in der Praxis als unzweckmäßig erwiesen hat, oft Fehlbeurteilungen unterlag und ein erhebliches Betriebsprüfungsrisiko bestand (siehe dazu Wiesner/Mayr, Einbringungen nach dem AbgÄG 2005, RdW2006, 363 [371]; ErlRV 1189 BlgNR 22.GP, 20; dazu auch Furherr in Kofler, UmgrStG12, §19 Rz83).

18)ErlRV 226 BlgNR 18. GP, 28.

19)VwGH 22. 4. 2009, 2006/15/0293, mit Verweis auf Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, UmgrStG4 (2007) §19 Rz39. Dazu Hirschler, Unterbleiben der Anteilsgewährung gemäß §19 Abs2 UmgrStG – „Kreisabtretungen“ bei identen Beteiligungsverhältnissen wirklich erforderlich? ÖStZ2013, 354. Vgl dazu ausführlich Furherr in Kofler, UmgrStG12, §19 Rz83.

20)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 22.

Tagesfragen 812 SWK-Heft 195. Juli 2023

teil von 50%), an dem sie insgesamt im Verhältnis zueinander im selben Ausmaß wie an der übernehmenden Y-GmbH substanzbeteiligt sind, kann ge mäß §19 Abs2 Z6 UmgrStG auf die Gewährung von Anteilen verzichtet werden.

Im Zuge der Erstellung der Regierungsvorlage wurde die Regelung auf Anregung im Begutachtungsverfahren auch hinsichtlich der Art der maßgeblichen Beteiligung am begünstigten Vermögen (also am Mitunternehmeranteil oder Kapitalanteil) noch präzisiert: Die Beteiligung am begünstigten Vermögen ist für Zwecke des §19 Abs2 Z6 UmgrStG ausdrücklich als Substanzbeteiligung zu verstehen. Daraus ergibt sich bei der Einbringung von qualifizierten Kapitalanteilen, dass eine etwaige Mitübertragung von Anschaffungsverbindlichkeiten oder von Verbindlichkeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit Einlagen (§12 Abs2 Z3 letzter Satz UmgrStG) nur durch einen Einbringenden oder durch mehrere Einbringende in unterschiedlichem Verhältnis der Anwendbarkeit des §19 Abs2 Z6 UmgrStG nicht entgegensteht. Das bedeutet, dass diese Verbindlichkeiten mitübertragen werden können, weil ihr Vorliegen nichts an der Höhe der Substanzbeteiligung am Anteil verändert. Eine diesbezügliche gesetzliche Präzisierung erschien erforderlich, zumal derartige Verbindlichkeiten gemäß §12 Abs2 Z3 UmgrStG per Definition auch „zum Kapitalanteil zählen“

• Variante Beispiel 221

Im Zuge der Einbringung macht A von der Möglichkeit Gebrauch, das ausschließlich zur Anschaffung seines Kapitalanteils aufgenommene Fremdkapital durch vertragliche Einbeziehung auf die übernehmende Y-GmbH nach Maßgabe von §12 Abs2 Z3 letzter Satz UmgrStG mitzuübertragen. Eine dabei entstehende Äquivalenzverletzung wird durch geeignete Begleitmaßnahmen (zB alineare Gewinnausschüttung) vermieden. Gemäß §19 Abs2 Z6 UmgrStG kann auf die Gewährung von Anteilen verzichtet werden, weil A und B bezogen auf ihre Substanzbeteiligung an der X-GmbH im selben Verhältnis beteiligt sind wie an der übernehmenden Y-GmbH.

Aufgrund der Maßgeblichkeit der Substanzbeteiligung für Zwecke des §19 Abs2 Z6 UmgrStG ergibt sich weiters für die Einbringung von Mitunternehmeranteilen, dass die Einbringenden hinsichtlich der fixen Kapitalkonten im Verhältnis zueinander im selben Beteiligungsausmaß wie an der übernehmenden Körperschaft beteiligt sein müssen. In welchem Verhältnis die variablen Kapitalkonten oder das Ergänzungskapital zueinanderstehen, ist für die Anwendung des §19 Abs2 Z6 UmgrStG hingegen nicht entscheidend, würde andernfalls doch die praktische Anwendung der Regelung in der Regel verunmöglicht werden.22)

• Beispiel 323

A und B sind zu je 50% am fixen Kapital der inländischen AB-KG und zu je 50% an der inländischen BA-GmbH beteiligt. Die Beteiligung am variablen Kapital von A und B weicht von deren Beteiligung am fixen Kapital ab. Zum 31.12.X1 bringen A und B ihre Mitunternehmeranteile an der AB-KG in die BA-GmbH ein. Eine dabei entstehende Äquivalenzverletzung wird durch geeignete Begleitmaßnahmen (zB alineare Gewinnausschüttung) vermieden. Gemäß §19 Abs2 Z6 UmgrStG kann auf die Gewährung von Anteilen verzichtet werden, weil A und B bezogen auf das fixe Kapital an der AB-KG im selben Verhältnis beteiligt sind wie an der übernehmenden BA-GmbH.

Ebenso lässt sich den Erläuterungen zufolge aus dem Abstellen auf eine „Substanzbeteiligung“ ableiten, dass für die (Mit-)Übertragung von Sonderbetriebsvermögen §19 Abs2 Z6 UmgrStG nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn die übertragenden Einbringenden daran im selben Ausmaß beteiligt sind.24) Sonderbetriebsvermögen, das ausschließlich einem der Einbringenden gehört, kann folglich nicht mitübertragen werden,

21)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 22f.

22)Vgl ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 23. Eine gesetzliche Präzisierung erscheint auch deshalb zweckmäßig, weil nach Rz719 UmgrStR der Mitunternehmeranteil neben dem fixen (starren) ua auch den variablen Kapitalanteil sowie Gewinnverrechnungskonten oder ausstehende Einlagen umfasst.

23)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 23.

24)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 23.

SWK-Heft 195. Juli 2023 813 Tagesfragen

wenn von §19 Abs2 Z6 UmgrStG im Zuge der Einbringung Gebrauch gemacht werden soll. Dies ist uE auch schlüssig, weil sich in Konstellationen, in denen das Sonderbetriebsvermögen nur einem Gesellschafter zuzurechnen ist, die Substanzbeteiligung dieses Gesellschafters auch auf die Einkünfte aus seinem Sonderbetriebsvermögen erstreckt und daher dementsprechend größer ist.

• Variante Beispiel 3

Im Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers A befindet sich eine Liegenschaft (Grund und Boden samt Gebäude). Ungeachtet des Umstands, dass A und B bezogen auf das fixe Kapital an der AB-KG im selben Verhältnis beteiligt sind wie an der übernehmenden BA-GmbH, stünde die Mitübertragung des Sonderbetriebsvermögens des A der Anwendung des §19 Abs2 Z6 UmgrStG entgegen. Soll auf die Gewährung von Anteilen im Zuge der Einbringung gemäß §19 Abs2 Z6 UmgrStG verzichtet werden, muss A die im Sonderbetriebsvermögen befindliche Liegenschaft gemäß §16 Abs5 UmgrStG zurückbehalten. Diese Entnahme kann gemäß §6 Z4 EStG idF AbgÄG 2023 zu Buchwerten erfolgen.25)

Die Einbringung durch eine Mitunternehmerschaft (an der die Einbringenden zu gleichen Teilen beteiligt sind) ist vom Anwendungsbereich der Neuregelung nicht erfasst, weil diesfalls die Einbringung nicht durch die dahinterstehenden Mitunternehmer erfolgt.26)

3.Keine Vollrealisierung bei „verunglückten“ Zusammenschlüssen und Vorsorgeverletzungen

3.1.Allgemeines

Nach bisheriger Rechtslage führten sowohl nicht vom Anwendungsbereich des ArtIV UmgrStG erfasste „Zusammenschlüsse“ gemäß §24 Abs7 EStG als auch Zusammenschlüsse, bei denen die Vorsorge gegen die Verschiebung stiller Reserven nicht (ausreichend) erfolgte, gemäß §24 Abs2 UmgrStG zu einer Realisierung der gesamten stillen Reserven (Vollrealisierung).27) Dies wurde im Hinblick auf die bisherige Verwaltungspraxis zur Übertragung von nichtbegünstigtem Vermögen (zB Grundstücke) in eine Personengesellschaft als unsystematisch kritisiert.28) Schon bisher wurde eine Einlage von Privatvermögen in eine Personengesellschaft von der Finanzverwaltung im Sinne der Bilanzbündeltheorie in einen Einlage- und einen Anschaffungsvorgang29) aufgespalten, wodurch es im Ergebnis zu einer anteiligen Veräußerung und einer anteiligen Einlage gekommen ist,30) wobei auch diese Auffassung im Schrifttum – im Lichte der Judikatur des VwGH31) – in Frage gestellt wurde.32)

Der Gesetzgeber nimmt diese Unstimmigkeiten nunmehr im Rahmen des AbgÄG 2023 zum Anlass, ausdrückliche gesetzliche Regelungen sowohl für die Einlage von Privatvermögen und Sonderbetriebsvermögen in das Gesellschaftsvermögen von Personengesellschaften vorzusehen als auch bei „Zusammenschlüssen“ von einer Vollrealisierung abzugehen, wenn diese nicht unter das UmgrStG fallen bzw eine Vorsorgeverletzung

25)Vgl dazu ausführlich ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 6.

26)Anders ausdrücklich noch die Stammfassung des §19 Abs2 Z5 UmgrStG (BGBl 1991/669); vgl dazu auch FN17.

27)Vgl dazu ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 7 und 23; Rz 1341, 1506f, 1343, 1289, 1305, 1320a, 1428 UmgrStR; Hirschler/Sulz/Knesl in Wiesner/Hirschler/Mayr, Handbuch der Umgründungen (17.Lfg, 2018) Einf ArtIV Rz3; anderer Ansicht insbesondere in Bezug auf den verunglückten Zusammenschluss Mühlehner in Hügel/Mühlehner/Hirschler, UmgrStG, §23 Rz6; Walter, Umgründungssteuerrecht 202113 (2021) Rz562.

28)Vgl insbesondere Hübner-Schwarzinger/Six in Kofler, UmgrStG12, §23 Rz122 mwN.

29)Andernfalls bestünde die Gefahr für steuerliche Gestaltungen, indem durch einen Gesellschafter ein Grundstück und durch einen anderen Gesellschafter Bargeld in eine Personengesellschaft eingelegt wird. Durch den Entnahmeanspruch des das Grundstück übertragenden Gesellschafters würde eine wirtschaftliche Veräußerung steuerlich nicht als solche erfasst.

30)Rz 5927a EStR; Rz 1316, 1417 UmgrStR.

31)VwGH 21. 2. 2001, 95/14/0007; 19. 3. 2002, 99/14/0134; 17.2.1988, 87/13/0028; 3.11.1981, 2919, 3154/80; 16.3.1979, 2979/76; 16.6.1970, 0405/68.

32)Vgl dazu insbesondere Reiner/Reiner/Zorn, Dem besonderen Steuersatz unterliegende Grundstücksübertragungen durch Personengesellschaften, in SWK-Redaktion, 10 Jahre ImmoESt, SWK-Spezial (2022) 64f; Jakom/Peyerl, EStG16 (2023) §23 Rz192 mwN.

Tagesfragen 814 SWK-Heft 195. Juli 2023

gemäß UmgrStG vorliegt. Dadurch soll sowohl ein Betrag zur Rechtssicherheit geleistet werden als auch eine steuerliche Gleichbehandlung von wirtschaftlich ähnlichen Vorgängen sichergestellt werden.

3.2.Einlagen in Personengesellschaft im allgemeinen Ertragsteuerrecht (§32 Abs3 EStG)

§32 EStG regelt künftig in einem neuen Abs3 ausdrücklich die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen in das Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft („Einlagen“ in Mitunternehmerschaften oder vermögensverwaltende Personengesellschaften). Dabei wird die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen oder dem Sonderbetriebsvermögen hinsichtlich der eigenen Beteiligungsquote des übertragenden Steuerpflichtigen („Eigenquote“) und der Beteiligungsquoten der anderen Gesellschafter („Fremdquote“) ertragsteuerlich getrennt beurteilt:

• Soweit die übertragenen Wirtschaftsgüter dem Steuerpflichtigen nach Übertragung in das Gesellschaftsvermögen in der Personengesellschaft anteilig nicht mehr zuzurechnen sind („Fremdquote“), liegt in dem Ausmaß, das künftig den anderen Gesellschaftern zuzurechnen ist, eine Veräußerung vor. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen die Übertragung im Rahmen einer Veräußerung erfolgt, als auch in Fällen, in denen die Übertragung im Zuge einer Einlage lediglich das variable Kapitalkonto erhöht33) und somit weder ein unmittelbares Entgelt noch eine Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Zu einem Tausch gemäß §6 Z14 lita EStG und damit ebenso zu einer Veräußerung hinsichtlich der „Fremdquote“ kommt es aber auch, wenn dem übertragenden Steuerpflichtigen für die Wirtschaftsgüter neue oder weitere Gesellschafterrechte (Gesellschaftsanteile) gewährt werden.34) Die spiegelbildliche, anteilige Übertragung des Mitunternehmeranteils der anderen Gesellschafter an den das Privatvermögen übertragenden Steuerpflichtigen richtet sich dabei nach §24 Abs7 EStG.35)

• Soweit die übertragenen Wirtschaftsgüter dem Steuerpflichtigen gemäß §32 Abs2 EStG auch nachfolgend weiterhin zuzurechnen sind („Eigenquote“), führt dies bei Mitunternehmerschaften zu Einlagen gemäß §6 Z5 EStG. Bei Übertragungen auf vermögensverwaltende Personengesellschaften sowie bei Übertragungen aus dem Sonderbetriebsvermögen des jeweiligen Betriebs liegt ein neutraler Vorgang vor, der mangels Zurechnungsänderung zu keiner Realisierung stiller Reserven führt.36) Der Begutachtungsentwurf sprach die Übertragungen von Sonderbetriebsvermögen noch nicht explizit an. Im Lichte der bisherigen Verwaltungspraxis – die im Weiteren unverändert bestehen bleiben soll – wäre eine solche Übertragung bei fremdüblicher entgeltlicher Gestaltung hinsichtlich des gesamten Vorgangs (also auch für den auf den veräußernden und/oder erwerbenden Mitunternehmer entfallenden Teil) als Veräußerung einzustufen gewesen.37) Im Zuge der Begutachtung wurden nun jedoch auch explizit Übertragungen aus dem Sonderbetriebsvermögen in den Anwendungsbereich von §32 Abs3 EStG einbezogen. Ausdrücklich gesetzlich verankert ist die weitere Verpflichtung des Steuerpflichtigen, im Sinne einer ordnungsgemäßen Buchführung bzw Einkünfteermittlung künftig Vorsorge zu treffen, dass es zu keiner endgültigen Verschiebung der Steuerbelastung im Hinblick auf die Eigenquote kommt. Nach den Erläuterungen kann eine solche Verschiebung insbesondere durch Ergänzungsbilanzen oder die Evidenzierung der stillen Reserven samt späterer Zuordnung zum je-

33)Dieses spiegelt einen Entnahmeanspruch wider.

34)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 9.

35)Siehe dazu Pkt 3.3.

36)Daraus folgt auch, dass bei Vorliegen einer 100%igen Substanzbeteiligung jedenfalls kein Tausch vorliegen kann (ErlRV 2086 BlgNR 27.GP, 10).

37)Rz 5929 EStR.

SWK-Heft 195. Juli 2023 815 Tagesfragen

weiligen Steuerpflichtigen verhindert werden.38) Im Zuge der Regierungsvorlage wurde nun ausdrücklich klargestellt, dass die Unterlassung einer Vorsorge keine Vollrealisierung zur Folge hat, sondern lediglich einen Mangel in der Gewinnermittlung darstellen kann.

• Beispiel 4

An der AB-OG sind der Gesellschafter A und der Gesellschafter B zu je 50% beteiligt. A überträgt ein Grundstück aus dem Privatvermögen an die OG; im Gegenzug kommt es lediglich zur Erhöhung seines variablen Kapitalkontos. Nach der Übertragung auf die OG ist das Grundstück dem A nur noch zu 50% zuzurechnen (Eigenquote) und B nunmehr ebenso zu 50% zuzurechnen (Fremdquote). Aus diesem Grund stellt der Vorgang zu 50% eine Veräußerung und zu 50% eine Einlage dar.

3.3.Verunglückte Zusammenschlüsse (§24 Abs7 EStG)

An §32 Abs3 EStG knüpft nunmehr auch §24 Abs7 EStG für gesellschaftsrechtliche Übertragungen von (Teil-)Betrieben oder Mitunternehmeranteilen an, die nicht unter ArtIV UmgrStG fallen. Demnach ist für die Übertragung von (Teil-)Betrieben oder Mitunternehmeranteilen gegen Gewährung von Gesellschafterrechten (verunglückter Zusammenschluss) die allgemeine Bestimmung des §32 Abs3 EStG sinngemäß anzuwenden, wobei die bisherigen Buchwerte fortzuführen sind, soweit das Vermögen dem Übertragenden weiterhin zuzurechnen ist. Dadurch unterbleibt künftig auch bei verunglückten Zusammenschlüssen eine Realisierung jener stillen Reserven, die weiterhin dem Übertragenden zuzurechnen sind („Eigenquote“). Stille Reserven werden künftig nur insoweit realisiert, als das Vermögen dem Übertragenden nachfolgend anteilig nicht mehr zuzurechnen ist („Teilrealisierung“ hinsichtlich der „Fremdquote“). Durch die ausdrückliche Anordnung der Buchwertfortführung für die Eigenquote wird zudem sichergestellt, dass es zu keinen (vorgelagerten) Entnahme- und Einlagevorgängen39) kommt, die allenfalls eine Entnahmebesteuerung zur Folge hätten.

Durch den Verweis auf §32 Abs3 EStG ist weiters sichergestellt, dass auch bei der Übertragung von (Teil-)Betrieben oder Mitunternehmeranteilen eine Vorsorge gegen die Verschiebung stiller Reserven in Bezug auf die Eigenquote zu treffen ist. Jedenfalls können hierzu die Vorsorgemaßnahmen herangezogen werden, die im Rahmen der Auslegung zu §24 Abs2 UmgrStG entwickelt wurden.40)

3.4.Zusammenschlüsse bei (unzureichender) Vorsorge (§24 Abs2 UmgrStG)

Anders als noch der Begutachtungsentwurf sieht die Regierungsvorlage auch für Zusammenschlüsse, bei denen gemäß §24 Abs2 UmgrStG keine (ausreichenden) Vorsorgemaßnahmen gegen die Verschiebung von stillen Reserven getroffen wurden, ebenso nur mehr eine Teilrealisierung hinsichtlich der „Fremdquote“ des übertragenen Vermögens vor. Für diese Zwecke wird künftig nicht mehr der ausdrückliche Teilwertansatz für sämtliche Wirtschaftsgüter als Rechtsfolge in §24 Abs2 UmgrStG angeordnet, sondern ebenso die Anwendung von §27 Abs7 letzter Satz EStG, der wiederum auf die allgemeinen Grundsätze des §32 Abs3 EStG verweist.41) Diese Bestimmung sieht für die Eigenquote jedoch auch im Anwendungsbereich des §24 Abs2 UmgrStG – nunmehr als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Buchführung – eine Verpflichtung zur Vorsorge gegen eine Steuerlastverschiebung vor. Das bedeutet, dass letztlich im Zuge einer ordnungsgemäßen Einkünfteermittlung hinsichtlich der stillen Reserven, die die Eigen-

38)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 10.

39)Dies könnte ansonsten aus der Rechtsfolge des §32 Abs3 EStG abgeleitet werden, die bei Einlagen in eine Mitunternehmerschaft einen Einlagevorgang anordnet. Zudem könnten sich Entnahme- und Einlagevorgänge allenfalls auch aus dem engen Betriebsbegriff ergeben (siehe dazu ausführlich Jakom/ Marschner, EStG16, §4 Rz6).

40)ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 23.

41)Siehe dazu Pkt 3.3.

Tagesfragen 816 SWK-Heft 195. Juli 2023

quote betreffen, eine Vorsorge gegen die Verschiebung von Steuerlasten jedenfalls vorzunehmen ist.

3.5.Überblick über die Rechtsfolgen bei (verunglückten) Zusammenschlüssen

• Beispiel 5

An der BC-KG sind B und C zu je 50% beteiligt. A möchte sich zu einem Drittel an der BC-KG beteiligen und dafür sein Grundstück (Anschaffungskosten 90, gemeiner Wert 120) in die Mitunternehmerschaft (Buchwert 50, gemeiner Wert 140) einlegen. Dies stellt grundsätzlich einen Zusammenschluss gemäß ArtIV UmgrStG dar, weil es ausreichend ist, wenn ein Zusammenschlusspartner begünstigtes Vermögen überträgt.42) Die Einlage von nicht begünstigtem Vermögen (Grundstück) kann zwar ebenfalls rückwirkend erfolgen, ansonsten ist die Bewertung nach allgemeinem Ertragsteuerrecht zu beurteilen: Die Einlage des Grundstücks ist für A nach §32 Abs3 EStG zu beurteilen. Demnach hat A sein Grundstück zu zwei Dritteln an B und C veräußert; dem Veräußerungserlös in Höhe von 80 (2/3 x 120 als Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes) sind 2/3 der Anschaffungskosten (60) gegenüberzustellen. Der Gewinn in Höhe von 20 (80 – 60) führt bei A zu Einkünften aus privater Grundstücksveräußerung. Hinsichtlich seiner Eigenquote (1/3) liegt eine Einlage gemäß §6 Z5 EStG zum Buchwert vor. Für die darauf entfallenden stillen Reserven in Höhe von 10 muss A im Rahmen der Gewinnermittlung Vorsorge treffen, dass diese weiterhin durch ihn zu versteuern sind.

Hinsichtlich der Übertragung des Betriebs der BC-KG ist zu unterscheiden: Werden die Anwendungsvoraussetzungen des ArtIV UmgrStG erfüllt, kann die Übertragung zum Buchwert erfolgen. Dazu ist es Voraussetzung, dass gemäß §24 Abs2 UmgrStG ausreichend Vorsorge gegen eine Verschiebung von stillen Reserven (in Höhe von 30) getroffen wird.43) Wird keine ausreichende Vorsorge getroffen, kommt kraft Verweises in §24 Abs2 UmgrStG die Regelung des §24 Abs7 EStG zur Anwendung. Dies führt zu einer Realisierung der stillen Reserven in der auf A übergehenden Quote in Höhe von 30. Hinsichtlich der bei B und C verbleibenden stillen Reserven in Höhe von 60 ist jedenfalls sicherzustellen, dass diese weiterhin bei B und C besteuert werden. Dieselbe Rechtsfolge würde auch eintreten, wenn der Zusammenschluss aufgrund der Verletzung einer Anwendungsvoraussetzung schon dem Grunde nach nicht unter ArtIV UmgrStG fällt (§24 Abs7 EStG iVm §32 Abs3 EStG).

Die Rechtsfolgen der neuen Regelungen lassen sich überblicksartig wie folgt darstellen:

Fällt der Zusammenschluss unter das UmgrStG?

nein

verunglückter ZS

nein

§ 24 Abs 7 letzter Satz iVm § 32 Abs 3 EStG: Teilrealisierung Fremdquote Vorsorge für Eigenquote

§ 24 Abs 2 UmgrStG Wurde Vorsorge getroffen?

ja ja

§ 24 Abs 2 erster Satz UmgrStG: volle Buchwertfortführung

4.Standardisierte Meldung von Umgründungen mit Umgründungsformular

Das AbgÄG 2023 leistet auch im UmgrStG einen Beitrag zur Modernisierung und Digitalisierung: Die bereits derzeit für den übertragenden als auch übernehmenden Rechtsträger gemäß §43 Abs1 UmgrStG bestehende Anzeigepflicht von Umgründungen innerhalb der Neunmonatsfrist soll für nach dem 31.12.2023 beschlossene oder vertraglich

42)Vgl Rz 1288, 1346 UmgrStR.

43)Vgl dazu grundlegend Rz 1303ff UmgrStR; Walter, Umgründungssteuerrecht 202113, Rz636ff; HübnerSchwarzinger/Six in Kofler, UmgrStG12, §24 Rz131ff.

SWK-Heft 195. Juli 2023 817 Tagesfragen

unterfertigte Umgründungen mit standardisiertem Formular (Umgründungsformular) erfolgen. Die Anzeige durch das Umgründung sformular hat grundsätzlich elektronisch über FinanzOnline zu erfolgen; lediglich, wenn der übertragende oder der übernehmende Rechtsträger im Meldezeitpunkt nicht über eine inländische Steuernummer verfügt, kann die Anzeige mittels Papier-Umgründungsformulars erfolgen. Das AbgÄG 2023 leistet daher einen ersten wesentlichen Beitrag zur standardisierten, einheitlichen und elektronischen Erfassung von Umgründungsvorgängen. Im Umgründungsformular sollen den Erläuterungen zufolge zunächst Angaben zu den wesentlichen Informationen und Daten iZm einer Umgründung erfolgen, wie etwa zur Art der Umgründung, Angaben zur übertragenden/übernehmenden Person, dem übertragenen/übernommenen Vermögen, zum Umgründungsstichtag oder etwa darüber, ob für die angezeigte Umgründung ein Auskunftsbescheid gemäß §118 BAO erging.44)

Eine (in der Regel elektronische) Anzeige mittels Umgründungsformulars ersetzt eine bei Umgründungen mit Finanzamtszuständigkeit nach §13 UmgrStG vorzunehmende Meldung zunächst nicht. Allerdings wurde für die Meldung mit dem AbgÄG 2023 in §13 Abs1 UmgrStG eine Verordnungsermächtigung vorgesehen. Dabei wird der Bundesminister für Finanzen ermächtigt, die Spezifikationen der zu meldenden Daten durch Verordnung näher zu bestimmen. Dabei kann der Bundesminister für Finanzen auch vorsehen, dass künftig eine standardisierte Form der Meldung gemäß §13 UmgrStG in elektronischer Form zu erfolgen hat und diesfalls eine gesonderte Anzeige gemäß §43 Abs1 UmgrStG entfallen kann, wodurch eine doppelte Anzeige- bzw Meldeverpflichtung entfallen kann.45)

Auf den Punkt gebracht

Das AbgÄG 2023 enthält mehrere spannend e Neuerungen, die Erleichterungen und Rechtssicherheit für die Umgründungspraxis bringen sollen:

• In §18 Abs3 UmgrStG wird nunmehr eine flexible Möglichkeit vorgesehen, Rechtsbeziehungen zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Körperschaft, die sich auf das eingebrachte Vermögen beziehen, ausdrücklich auf den Stichtag rückzubeziehen (ausgenommen Rechtsbeziehungen, die die eigene Anstellung des Einbringenden betreffen).

• In §19 Abs2 Z 6 UmgrStG soll eine neue Ausnahme aufgenommen werden: Bei Einbringungen kann danach künftig auf die Gewährung von Anteilen auch dann verzichtet werden, wenn alle an der übernehmenden Körperschaft Beteiligten Vermögen einbringen, an dem sie insgesamt im Verhältnis zueinander im selben Beteiligungsausmaß wie an der übernehmenden Körperschaft substanzbeteiligt sind. Die Mitübertragung von Verbindlichkeiten und das Bestehen abweichender variabler Kapitalkonten sind für die Anwendung unschädlich.

• Verunglückte Zusammenschlüsse (§ 24 Abs 7 EStG) sowie Zusammenschlüsse, bei denen keine ausreichende Vorsorge gegen die Verschiebung von stillen Reserven vorgenommen wird (§ 24 Abs 2 UmgrStG), führen nicht mehr zu einer Vollrealisierung aller stillen Reserven. Aufgedeckt werden nach der Neuregelung nur mehr jene stillen Reserven, die im Zuge der Übertragung auf die anderen Zusammenschlusspartner übergehen (§ 32 Abs 3 EStG).

• Als Beitrag zur Modernisierung und Digitalisierung sind Umgründungen ab 2024 mit einem standardisierten, elektronischen Formular anzuzeigen.

Tagesfragen 818 SWK-Heft 195. Juli 2023
44)Vgl ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 25. 45)Vgl ErlRV 2086 BlgNR 27. GP, 23.

Umgründungen

Einbringungen und Zurückbehaltung von Grundstücken

Steuern Praxisüberlegungen vor und nach dem AbgÄG 2023

PETRA HÜBNER-SCHWARZINGER*)

Kommt das AbgÄG 2023 so, wie in der Regierungsvorlage vorgesehen? Bleiben die Inkrafttretensbestimmungen so, wie derzeit vorgesehen? Was können wir Steuerberater in dieser Vorbereitungszeit, dh für das Jahr 2023, beraterisch andenken?

1.Gesetzliche Bestimmung zur Entnahme eines Grundstücks gemäß §6 Z4 EStG in der derzeitigen Fassung und idF der Regierungsvorlage des AbgÄG 2023

Eine Änderung, die in §6 Z4 EStG vorgesehen wäre, betrifft die Entnahme des Gebäudes, dh der Baulichkeit. In der derzeitigen Rechtslage ist ja nur für Grund und Boden eine Entnahme zum Buchwert vorgesehen. Anders stellt die Entnahme, dh die Überführung des Gebäudes aus dem Betriebs- in das Privatvermögen eines Steuerpflichtigen einen in der Regel steuerpflichtigen Tatbestand dar, da die Entnahme zum Teilwert erfolgt und demnach die Differenz zwischen dem Teilwert und dem Buchwert als Aufdeckung der stillen Reserve der (Immo)ESt zu unterziehen ist.

In §6 Z4 EStG idF der Regierungsvorlage des AbgÄG 2023 ist vorgesehen, die Wortfolge „Grund und Boden“ durch „Grundstücke iSd §30 Abs1 EStG“ zu ersetzen, wodurch auch Gebäude, Baulichkeiten und alle Formen der sich auf das Grundstück beziehenden Rechte von einer Entnahmebewertung mit dem Buchwert umfasst sind.1)

Die Neuregelung soll für Entnahmen nach dem 30.6.2023 gelten.

2.Auswirkung auf Umgründungen

Es ist unschwer zu erkennen, dass diese Änderung auch eine massive Auswirkung auf Umgründungsvorgänge, konkret auf Einbringungen mit Zurückbehaltung gemäß §16 Abs5 Z3 UmgrStG von Liegenschaftsvermögen, hat. Führt eine derartige Zurückbehaltung des Liegenschaftsvermögens (Grund und Boden und Gebäude) aus derzeitiger Sicht zu einer Entnahmebesteuerung hinsichtlich der stillen Reserven im Gebäude, kann diese künftig vermieden werden. Derartige Einbringungsvorgänge werden somit zweckoptimierend wohl zurückgestellt werden, bis die endgültige Fassung des AbgÄG 2023 vorliegt.

Die Anwendbarkeit der Bestimmung wäre zwar aus der Sicht des voraussichtlichen Inkrafttretens des AbgÄG 2023 rückwirkend – §6 Z4 EStG idF AbgÄG 2023 soll für Entnahmen nach dem 30.6.2023 gelten –, führt aber dennoch dazu, dass Umgründungen auf einen Stichtag vor dem 1.7.2023 (!) davon nicht betroffen sind.2) Da es jedoch in gewissen Fällen einen akuten Handlungsbedarf gibt (Haftungseinschränkung für einen Einzelunternehmer; Inanspruchnahme der – nun auch verringerten – KöSt-Besteuerung für das gesamte Kalenderjahr 2023 etc), kann eine Zwischenlösung wie folgt angeboten werden:

*)Mag. Dr. Petra Hübner-Schwarzinger, MSc ist Steuerberaterin, beeidete Sachverständige, zertifizierte Mediatorin, Fachvortragende, Fachautorin und Beraterin mit Schwerpunkt der Kollegenberatung auf dem Gebiet des Umgründungsrechts.

1)Zwar wird in den Materialien auf „leerstehende“ Gebäude verwiesen; dies dient allerdings nach Rücksprache mit dem BMF nur als Erläuterung für die Änderung und ist keine Voraussetzung.

2)Achtung: Entnahmen aus Anlass einer Zurückbehaltung gemäß §16 Abs5 Z3 UmgrStG werden im Wirtschaftsjahr steuerlich erfasst, in dem der Einbringungsstichtag liegt.

SWK-Heft 195. Juli 2023 819 Steuern

2.1.GmbH & Co KG „rein“

Wenn insbesondere (Ent-)Haftungsveränderungen anstehen, könnte aus einem Einzelunternehmen eine GmbH& Co KG gemacht werden. Das Einzelunternehmen wird in eine KG übertragen, und eine GmbH tritt errichtungsbedingt der (neuen) KG als Komplementärin bei. Der bisherige Einzelunternehmer wird zum 100%igen Substanzgesellschafter-Kommanditisten. Im Zuge dessen wird das Liegenschaftsvermögen ins abgabenrechtliche Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten überführt und bleibt somit sein zivilrechtliches Eigentum.

Aus steuerlicher Sicht sollte dieser Vorgang als Zusammenschluss gemäß ArtIV UmgrStG durchgeführt werden, selbst wenn in Rz1390 UmgrStR explizit ausgeführt wird, dass es in einem derartigen Fall hinsichtlich der Betriebsübertragung mangels Verschiebung von stillen Reserven zu keiner ertragsteuerlichen Auswirkung kommt. Zur Überführung des Liegenschaftsvermögens ins Sonderbetriebsvermögen sieht Rz1444 UmgrStR vor, dass dieser Entnahme-Einlage-Vorgang „im Rahmen eines Zusammenschlusses“ steuerneutral erfolgt. Der Finanzierungszusammenhang gemäß §24 Abs1 UmgrStG iVm §16 Abs5 UmgrStG ist zu beachten.

Diese Konstellation führt zur gewünschten Haftungsveränderung für den Einzelunternehmer: Er haftet nämlich künftig als Kommanditist nur mehr beschränkt.3) Ferner wird eine zivil- und damit haftungsmäßige Entflechtung zwischen Betriebsvermögen (KG) und Liegenschaft im zivilrechtlichen Eigentum des (ehemaligen) Einzelunternehmers (= Kommanditisten) vorgenommen.

2.2.GmbH & Co KG mit Substanzbeteiligung der GmbH

Soll auch noch die Thesaurierungsmöglichkeit für Gewinne mit einer vorab bloßen KöStBesteuerung in Anspruch genommen werden, dann könnte nach dem unter Pkt2.1. dargestellten ersten Schritt eine Einbringung eines Teils des Mitunternehmeranteils in die Komplementärin vorgenomme n werden. Der nach Pkt2 .1. 100%ige Gesellschafter bringt einen Teil seines KG-Anteils, der einen steuerlichen Mitunternehmeranteil darstellt, gemäß ArtIII UmgrStG in die Komplementär-GmbH ein.

Die Quote für die Einbringung eines Mitunternehmeranteils ist nicht vorgegeben, dh, von 1% bis 99% wäre alles möglich. Wichtig ist allerdings, dass nicht 100% des Mitunternehmeranteils eingebracht werden, da das Sonderbetriebsvermögen (somit das Liegenschaftsvermögen) nicht Teil der Einbringung sein soll. Dieses soll nicht auf die GmbH übertragen werden, sondern bei der natürlichen Person verbleiben. Da die natürliche Person weiterhin mit einem gewissen Anteil Gesellschafter an der KG bleibt, stellt das Liegenschaftsvermögen weiterhin Sonderbetriebsvermögen, somit Betriebsvermögen, dar, und es kommt zu keiner Entnahme.

Mit diesem Schritt sind somit die Ziele sowohl der Haftungsbeschränkung als auch der zumindest partiellen Thesaurierung erreicht.

Ergänzend ist zu diesem Vorgehen festzuhalten: Es ist möglich, dass die Schritte Pkt2.1. und 2.2. auf ein und denselben rückwirkenden Umgründungsstichtag durchgeführt werden, sofern ein Umgründungsplan gemäß §39 UmgrStG aufgestellt wird.

Sollten die Bestimmungen des AbgÄG 2023 wie in der Regierungsvorlage vorgesehen Rechtskraft erlangen, kann durch die Einbringung des restlichen Mitunternehmeranteils mit Anwachsung des Vermögens der KG bei der GmbH die möglicherweise schon heute angedachte Volleinbringung des Unternehmens erreicht werden.

3)Beachte allerdings §39 UGB zur Nachhaftung!

Steuern 820 SWK-Heft 195. Juli 2023

3.Aspekte für die Durchführung

Ausgehend von einem Einzelunternehmen ist bei Begründung einer Personengesellschaft ein fixes Kapitalkonto einzurichten. Der übersteigende Betrag des Eigenkapitals ist als variables Kapitalkonto einzustellen. Davon bereits abgezogen ist der Buchwert des ins Sonderbetriebsvermögen überführten Liegenschaftsvermögens (und einer allenfalls durch den Finanzierungszusammenhang verbundenen Verbindlichkeit).

Hinsichtlich der Einbringung eines Teils eines Mitunternehmeranteils und der Anwendung der rückwirkenden Maßnahmen gemäß §16 Abs5 UmgrStG wird auf Rz721 UmgrStR verwiesen. Dort wird ausgeführt, dass im Falle eines positiven variablen Kapitalkontos die Maßnahmen gemäß §16 Abs5 Z1, Z2 und Z4 UmgrStG angewendet werden können. Dadurch wird das variable Kapitalkonto ganz oder teilweise zum eingebrachten oder zurückbehaltenen Mitunternehmeranteil des Einbringenden verschoben. Wird ein Mitunternehmeranteil mit einem negativen variablen Kapitalkonto eingebracht, ist dieses negative variable Kapitalkon to (aliquot) auf die übernehm ende Körperschaft zu übertragen. Hinsichtlich der rückwirkenden Maßnahmen steht nur die tatsächliche (bare) Einlage gemäß §16 Abs5 Z1 UmgrStG zur Abdeckung des negativen Kapitalkontos zur Verfügung.

Weist die KG in ihrer nach Pkt2.1. aufgestellten Eröffnungsbilanz ein positives variables Kapitalkonto auf, kann dieses aliquot nach Maßgabe der Anteilsübertragung aufgeteilt werden, dh, es bleibt quotenmäßig der entsprechende Betrag beim verbleibenden Mitunternehmeranteil (somit in der KG zugunsten des Kommanditiste n) zurück, und der Rest wird auf die GmbH übertragen; in der KG wird somit dieser Teil des variablen Kapitalkontos für den neuen Gesellschafter GmbH geführt. Gemäß §16 Abs5 UmgrStG kann allerdings das variable Kapitalkonto auch zur Gänze auf die GmbH übertragen werden; dies stellt im Ausmaß des über die Quote hinausgehenden Betrags eine Maßnahme des §16 Abs5 Z4 UmgrStG (Verschiebetechnik) dar. Gleiches gilt im Falle der Zuordnung des variablen Kapitalkontos über die entsprechende Quote hinaus zum verbleibenden Mitunternehmeranteil der natürlichen Person. Im Falle eines negativen variablen Kapitalkontos ist nur die aliquote Zuordnung vorgesehen.

Für das dem der natürlichen Person verbleibenden Mitunternehmeranteil zugeordnete Sonderbetriebsvermögen kommt es ebenso zur Anwendung der Verschiebetechnik des §16 Abs5 Z4 UmgrStG.

4.Anwendungsbeispiel

Der Einzelunternehmer weist zum 31.12.2022 folgende Schlussbilanz aus:

Schlussbilanz EU

Grundstück1.000,00Eigenkapital4.800,00

diverses Anlagevermögen2.000,00 Verbindlichkeit Bank (zurLiegenschaft)500,00

diverses Umlaufvermögen2.500,00sonstige Verbindlichkeiten200,00

5.500,005.500,00

Hinweis: Es könnte zur Verlagerung eines etwaigen Übergangsgewinns in die Veranlagungsperiode 2023 der Umgründungsstichtag 1.1.2023 gewählt werden. Dazu müsste allerdings eine Schlussbilanz (und die weiteren Bilanzen) auf den 1.1.2023 aufgestellt werden. Das Grundstück samt dazugehöriger Verbindlichkeit soll ins Sonderbetriebsvermögen überführt werden. Die für den Zusammenschluss gemäß ArtIV UmgrStG zur Begründung einer GmbH& Co KG aufzustellende Zusammenschlussbilanz stellt sich wie folgt dar:

SWK-Heft 195. Juli 2023 821 Steuern

Zusammenschlussbilanz

EU

Grundstück–Zusammenschlusskapital = fixes Kapitalkonto100,00

diverses Anlagevermögen2.000,00variables Kapitalkonto4.200,00

diverses Umlaufvermögen2.500,00 Verbindlichkeit Bank (zurLiegenschaft)–sonstige Verbindlichkeiten200,00

4.500,004.500,00

Dieser Zusammenschluss wird als Kapitalkontenzusammenschluss auf Basis eines fixen Kapitalkontos durchgeführt. Das fixe Kapitalkonto, welches in der Zusammenschlussbilanz bereits als Zusammenschlusskapital bezeichnet wird, ist frei zu wählen. Es könnte der Hafteinlage des künftigen Kommanditisten entsprechen. Eine Vorsorgemaßnahme gemäß §24 Abs2 UmgrStG kann entfallen, da es ja nicht zu einer Verschiebung von stillen Reserven kommen kann, da ja die zutretende GmbH reine ArbeitsgesellschafterinKomplementärin wird.

Die Eröffnungsbilanz der KG = Schlussbilanz für die Einbringung lässt sich wie folgt darstellen:

Eröffnungsbilanz KG = Schlussbilanz für Einbringung

Grundstück–fixes Kapitalkonto Kommanditist100,00

diverses Anlagevermögen2.000,00

variables Kapitalkonto Kommanditist4.200,00

diverses Umlaufvermögen2.500,00 Verbindlichkeit Bank (zurLiegenschaft)–sonstige Verbindlichkeiten200,00

4.500,004.500,00

Es soll nun noch die Einbringung eines 75%igen Mitunternehmeranteils erfolgen. Dies wird in der quotalen Darstellung der Kapitalkonten ausgedrückt (siehe: 75% vom fixen und 75% vom variablen Kapitalkonto). In der Einbringungsbilanz ist die Darstellung etwaiger rückwirkender Maßnahmen gemäß §16 Abs5 UmgrStG vorzunehmen. Man entscheidet sich hier, das variable Kapitalkonto nicht einzubringen, sondern als variables Kapitalkonto des Kommanditisten zu behalten. Auf die Darstellung des durch die Verschiebetechnik beim verbleibenden KG-Anteil zurückbehaltenen Sonderbetriebsvermögens wird verzichtet.4)

Einbringungsbilanz des Kommanditisten für einen 75%igen Anteil

Mitunternehmeranteil75,00 fixes Kapitalkonto75,00 variables Kapitalkonto3.150,00 Verschiebung gemäß §16

Abs5 Z4 UmgrStG– 3.150,00

75,0075,00

4)Siehe dazu Hübner-Schwarzinger, Einbringung von Mitunternehmeranteilen: Gesellschafterverrechnungskonten und rückbezogene Maßnahmen, SWK 1/2/2023, 29.

Steuern 822 SWK-Heft 195. Juli 2023

Die Bilanz der KG nach der Einbringung sowie die Sonderbetriebsvermögensbilanz des Kommanditisten haben folgendes Bild:

Bilanz KG nach Einbringung

diverses Anlagevermögen2.000,00fixes Kapitalkonto GmbH75,00

diverses Umlaufvermögen2.500,00variables Kapitalkonto GmbH–

fixes Kapitalkonto Kommanditist25,00

variables Kapitalkonto Kommanditist4.200,00

sonstige Verbindlichkeiten200,00

4.500,004.500,00 Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten

Grundstück1.000,00SBV-Kapital500,00

Verbindlichkeit Bank (zurLiegenschaft)500,00

1.000,001.000,00

Es könnte in der Sonderbetriebsvermögensbilanz auch (spiegelbildlich) die Forderung aus seinem variablen Kapitalkonto gezeigt werden.

Auf den Punkt gebracht

IZm der Entnahme von Grundstücken bringt das AbgÄG 2023 (hoffentlich) eine deutliche Veränderung. Eine Anwendung wäre für Umgründungen mit einem Stichtag ab 1.7.2023 möglich. Um die Zeit bis zum Inkrafttreten zu nutzen, könnten Umgründungen mit Stichtagen vor dem 1.7.2023 zieloptimierend vorgenommen werden: Statt der Einbringung eines gesamten Einzelunternehmens mit Überführung des Liegenschaftsvermögens ins Privatvermögen kann man sich mit der Gründung einer GmbH& Co KG verbunden mit der Übertragung des Liegenschaftsvermögens ins Sonderbetriebsvermögen und der Teileinbringung eines Mitunternehmeranteils behelfen.

Automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten nach §91 GMSG

Info des BMF vom 21. 6. 2023, 2023-0.415.373.

Diese BMF-Info listet alle Staaten und Territorien auf, welche für den Meldezeitraum 2023 zwecks automatischen Austausches von Informationen über Finanzkonten als teilnehmende Staaten nach §91 GMSG gelten, und führt darüber hinaus jene Staaten und Territorien an, für die im Kalenderjahr 2023 Informationen gemäß §4 GMSG an das zuständige Finanzamt übermittelt werden müssen.

Die Info des BMF vom 24. 5. 2022, 2022-0.381.507, wird aufgehoben und durch diese Information ersetzt.

Link zur Info: https://findok.bmf.gv.at/findok?execution=e100000s1&segmentId=f986 ffbd-3c68-46e3-bc1f-942efb1641c7

SWK-Heft 195. Juli 2023 823 Steuern

Whistleblowing

Neue Pflichten für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer im Hinblick auf Hinweisgebersysteme

Wirtschaft Überblick für die Praxis in 12 Schritten

SEVERIN GLASER*)

Die Wirtschaftstreuhandberufe kennen Hinweisgebersysteme und Schutzbestimmungen für Hinweisgeber als Teil ihres Berufsrechts schon seit der Umsetzung der 4. Geldwäsche-RL durch das Wirtschaftstreuhandberufsgesetz 2017 (WTBG 2017) und der auf dessen Grundlage ergangenen Richtlinie über die Geldwäscheprävention bei Ausübung von WT-Berufen (KSW-GWPRL). Seit 25.2.2023 steht zudem das HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG)1) in Kraft,2) das zahlreiche Verpflichtungen auch für Hinweise weit über die Geldwäscheprävention hinaus enthält. Dieser Beitrag bietet einen Überblick zu den neuen Verpflichtungen der Wirtschaftstreuhandberufe und ihr Verhältnis zu den bestehenden Normen im Bereich Whistleblowing.

1.In welchem Verhältnis steht das HSchG zum WTBG und der KSW-GWPRL?

Die Bestimmungen des WTBG (und davon abgeleitet der KSW-GWPRL3)) zu internen und externen Hinweisgebersystemen sowie zu Hinweisgeber- und Beschuldigtenrechten werden nicht ersetzt, sondern gelten (unverändert) weiter. Wo sie anwendbar sind, verdrängen sie die entsprechenden Regelungen des HSchG, das grundsätzlich auch Hinweise über Rechtsverletzungen gegen die 4. Geldwäsche-RL und generell im Bereich der Geldwäscheprävention erfassen würde. Nur insoweit eine „Angelegenheit“ (§4 Abs1 HSchG) nicht durch das WTBG bzw die KSW-GWPRL geregelt ist, kommt eine Anwendbarkeit des HSchG in Betracht. Dies betrifft jedenfalls alle Rechtsakte und Themengebiete, deren Verletzung nicht Gegenstand eines Hinweises nach der KSW-GWPRL sein können (also alle Verstöße, die nicht §§88 bis 99 WTBG betreffen).

Darüber hinaus kann das HSchG aber auch im Bereich der Hinweise zu Verstößen gegen Geldwäschepräventionspflichten immer dort zur Anwendung kommen, wo das WTBG bzw die KSW-GWPRL keinerlei Regelung trifft, zB zu den Rechten bestimmter vom Hinweisgeber zu unterscheidender natürlicher oder juristischer Personen4) oder zur sogenannten Veröffentlichung, also dem öffentlichen Zugänglichmachen des Hinweises.5)

2.Grundlegende Begriffe: Was ist eine Rechtsverletzung, wer ist Hinweisgeber?

1.§3 Abs3, 4 und 5 HSchG umfasst einen weiten Kreis von Rechtsnormen (insbesondere auch EU-Rechtsakte, die nicht unmittelbar gelten: Richtlinien) und Themengebieten (in denen die spezifischen Rechtsnormen also gar nicht näher genannt sind). Als „Rechtsverletzung“ (§5 Z12 HSchG) gilt nicht nur ein Verstoß gegen eine dieser Rechtsnormen selbst, sondern schon ein Verstoß gegen deren „Ziel oder Zweck“, ebenso generell „Missstände und Unregelmäßigkeiten“ in diesen „Bereichen“ sowie darauf bezogene Verschleierungshandlungen, selbst wenn sie nur versucht werden.

*)Univ.-Prof. Dr. Severin Glaser ist Professor für Finanz- und Wirtschaftsstrafrecht am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Universität Innsbruck.

1)BGBl I 2023/6.

2)§28 Abs1 HSchG.

3) Glaser, Unternehmensinterne Hinweisgebersysteme bei Wirtschaftstreuhändern nach dem HSchG und dem WTBG 2017, ZWF 2023, 69 (70).

4)§2 Abs3 HSchG.

5)§14 iVm §5 Z15 HSchG.

Wirtschaft 824 SWK-Heft 195. Juli 2023

Achtung: Im Unterschied dazu beziehen sich die Hinweisgebersysteme nach §100 WTBG nur auf tatsächliche Verstöße gegen die berufsrechtlichen Pflichten nach §§88 bis 99 WTBG (§7 Z1 KSW-GWPRL).

2.Der Begriff „Hinweisgeber“ basiert auf einer Person, die –aufgrund laufender oder früherer beruflicher Verbindungen zu einem Rechtsträger (umfasst auch juristische Personen des Privatrechts, Personengesellschaften und natürliche Personen, also Einzelunternehmer) Informationen über „Rechtsverletzungen“ (im eben dargestellten Sinn) erlangt hat und –in eine der in §2 Abs1 und 2 HSchG aufgelisteten Kategorien fällt: Arbeitnehmer bzw Bediensteter des Rechtsträgers oder dem Rechtsträger überlassene Arbeitskraft, Bewerber um eine Stelle beim Rechtsträger, Praktikant, Volontär oder Auszubildender beim Rechtsträger, selbständig erwerbstätige Person, Mitglied eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Rechtsträgers, Lieferant des Rechtsträgers, Arbeit unter Aufsicht und Leitung eines Auftragnehmers oder Subunternehmers des Rechtsträgers, Anteilseigner des Rechtsträgers.

Eine solche Person wird zum Hinweisgeber, wenn sie einer internen oder externen Stelle einen Hinweis gibt oder einen Hinweis veröffentlicht (§5 Z5 HSchG). Um schutzwürdig zu sein, muss diese Person allerdings zum Zeitpunkt des Hinweises auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände und der ihr zur Verfügung stehenden Informationen hinreichende Gründe dafür annehmen können, dass die von ihr gegebenen Hinweise wahr sind und in den Geltungsbereich des HSchG fallen (§6 Abs1 HSchG).

Kein Hinweisgeber iSd HSchG ist demnach, wer Informationen über Rechtsverletzungen nur aufgrund privater Verbindungen zu einem Rechtsträger oder zwar im Rahmen einer beruflichen Verbindung zu einem Rechtsträger eine solche Information erlangt hat, aber in keine der aufgezählten Kategorien fällt (wer zB in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit Kunde des Rechtsträgers wird).

Achtung: Der Hinweisgeberbegriff nach §7 Z1 KSW-GWPRL ist demgegenüber nicht auf berufliche Verbindungen zu von Hinweisen betroffenen Personen beschränkt, reicht insoweit also deutlich weiter. Ähnlich wie nach §6 Abs1 HSchG sind nur jene Personen erfasst, die Hinweise auf mögliche Verstöße gegen die berufsrechtlichen Pflichten nach §§88 bis 99 WTBG in gutem Glauben und bei begründetem Verdacht abgeben.

3.Welche Regeln des HSchG verpflichten welche Wirtschaftstreuhänder?

1. Alle Wirtschaftstreuhänder werden in Bezug auf die Schutzmaßnahmen für Hinweisgeber verpflichtet: Niemand – also keine natürliche oder juristische Person – darf Vergeltungsmaßnahmen für berechtigte Hinweise setzen (§20 HSchG). Niemand darf Personen an der Hinweisgebung hindern oder durch mutwillige gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren unter Druck setzen (§24 Z1 HSchG).

2.Davon abgesehen werden nur „Unternehmen“ verpflichtet, was iSd §5 Z14 HSchG nur juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften umfasst, nicht jedoch natürliche Personen (also selbständig oder in bloßer Kanzleigemeinschaft mit anderen tätige Wirtschaftstreuhänder; im Unterschied dazu können diese aber nach dem WTBG und KSW-GWPRL durchaus verpflichtet sein, insbesondere ein unternehmensinternes Hinweisgebersystem einzurichten).

3.In Bezug auf Hinweise auf Rechtsverletzungen im eigenen Unternehmen verpflichtet das HSchG Unternehmen mit weniger als 50 Arbeitnehmern bzw Bediensteten nur hinsichtlich Verletzungen der in den Teilen I.B und II des Anhangs der Whistleblower-RL6) genannten Rechtsakte (§3 Abs2 HSchG). Auch sind Unternehmen mit

6)Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 10. 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ABl L 305 vom 26. 11. 2019, S17.

SWK-Heft 195. Juli 2023 825 Wirtschaft

weniger als 50 Arbeitnehmern bzw Bediensteten nach HSchG nicht zur Einrichtung eines internen Hinweisgebersystems verpflichtet (§11 Abs1 HSchG).

Achtung: Das ändert jedoch nichts an der bestehenden Pflicht zur Einrichtung eines unternehmensinternen Hinweisgebersystems für Hinweise auf Verstöße gegen die aus §§88 bis 99 WTBG erwachsenden Geldwäschepräventionspflichten nach §9 Abs1 KSW-GWPRL. Davon sind nur Berufsberechtigte mit keinen oder weniger als zehn Angestellten ausgenommen (§9 Abs2 KSW-GWPRL).

• Beispiel für eine Verpflichtung eines Unternehmens mit weniger als 50 Arbeitnehmern

Den Mitarbeitern des Unternehmens wird bekannt, dass jemand einen Hinweis auf eine mögliche „Rechtsverletzung“ (siehe Pkt 2.1.) der Abschlussprüfungs-RL gegeben hat oder geben möchte. Die Abschlussprüfungs-RL ist ein in Teil II des Anhangs der Whistleblower-RL genannter Rechtsakt. Obwohl das Unternehmen diesbezüglich kein internes Hinweisgebersystem betreiben muss, dürfen die Mitarbeiter den Inhalt des Hinweises oder die Identität des Hinweisgebers nicht bekanntgeben (§7 Abs2 HSchG).

4. Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern bzw Bediensteten werden in Bezug auf Hinweise auf Rechtsverletzungen im eigenen Unternehmen durch das HSchG nicht nur hinsichtlich Verletzungen der in den Teilen I.B und II des Anhangs des HSchG genannten Rechtsakte (§3 Abs2 HSchG) verpflichtet, sondern auch hinsichtlich Hinweisen auf die Verletzung von Vorschriften in den in §3 Abs3 HSchG genannten Bereichen (von öffentlichem Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Geldwäscheprävention, Produkt- und Verkehrssicherheit über Umwelt- und Verbraucherschutz bis hin zu nuklearer Sicherheit, öffentlicher Gesundheit, Datenschutz und Korruptionsdelikten), Hinweisen auf Rechtsverletzungen zum Nachteil der finanziellen Interessen der EU (§3 Abs4 HSchG) sowie auf Verletzung von Binnenmarktvorschriften iSd Art 26 Abs2 AEUV, wettbewerbs- und beihilfenrechtlichen Vorschriften sowie KöSt-relevanten Binnenmarktvorschriften (§3 Abs5 HSchG).

4.Welche Anforderungen sind an ein internes Hinweisgebersystem zu stellen?

1.Im Unternehmen ist entweder eine zuständige „interne Stelle“ als Organisationseinheit oder natürliche Person (§5 Z6 HSchG) festzulegen oder alternativ ein Dritter mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe zu beauftragen (§13 Abs4 HSchG). Diese Aufgabe besteht in der Entgegennahme und Überprüfung von Hinweisen (§5 Z6 HSchG). Die Unternehmensführung bestimmt, ob die Folgemaßnahmen ebenfalls von der internen Stelle oder einer an deren Organisationse inheit wahrgenommen werden (§13 Abs3 HSchG).

2.Die internen Stellen sind finanziell und personell so auszustatten, wie es die Erfüllung ihrer Aufgaben erfordert; ihre Einrichtung muss die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber gewährleisten (§13 Abs1 HSchG).

3.Die Hinweisgebung ist den dafür in Frage kommenden Personen (§2 Abs1 und 2 HSchG) an die interne Stelle zu ermöglichen, und zwar in einer Weise, die dazu anregt, das interne Hinweisgebersystem gegenüber dem externen Hinweisgebersystem bevorzugt einzusetzen (§11 Abs1 HSchG). Es muss im Unternehmen klare Informationen über die Möglichkeit der Hinweisgebung an die interne Stelle und an die externe Stelle geben (§10 Abs1 HSchG). Bei der Entgegennahme und Behandlung von Hinweisen müssen die internen Stellen unparteilich und unvoreingenommen vorgehen, wofür auch „Vorkehrungen“ zu treffen sind (§13 Abs2 HSchG; dabei könnte etwa an eine Weisungsfreiheit gedacht werden).

4.Das System muss technisch und organisatorisch geeignet gemäß Art 25 DSGVO sein (§11 Abs1 HSchG). Es sind spezielle Regelungen zum Datenschutz nach §8 HSchG einzuhalten.

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5.Die Identität der Hinweisgeber, aber auch der durch die von den Hinweisen betroffenen Personen (§7 Abs5 HSchG) ist zu schützen, und zwar auch im Hinblick auf Informationen, aus denen die Identität der Hinweisgeber abgeleitet werden könnte (§7 Abs1 HSchG). Nur im Ausnahmefall kann es zu einer Offenlegung der Hinweisgeberidentität durch Behörden (zB Strafverfolgungsbehörden) kommen, wenn dies im Rahmen des behördlichen Verfahrens unerlässlich und in Abwägung der Gefährdung des Hinweisgebers und der Stichhaltigkeit und Schwere der erhobenen Vorwürfe verhältnismäßig ist (§7 Abs3 HSchG). Im Vorfeld einer solchen Offenlegung muss die Behörde den Hinweisgeber begründet informieren (§7 Abs4 HSchG).

6.Die Hinweise müssen entweder schriftlich oder mündlich (telefonisch oder über ein anderes mündliches Kommunikationsmittel) oder aber auch auf beide Weisen abgegeben werden können (§13 Abs5 HSchG).

7.Der Eingang jedes Hinweises ist zu dokumentieren, und dem Hinweisgeber ist über seinen Hinweis eine Bestätigung auszustellen (außer er möchte keine; §9 Abs1 HSchG). Telefongespräche sind mit Zustimmung des Hinweisgebers aufzuzeichnen oder vollständig zu transkribieren; der Hinweisgeber kann, soweit er nicht anonym bleibt, die Transkription prüfen, berichtigen und unterschreiben (§9 Abs2 HSchG). Dies gilt auch für ein sonst zu erstellendes detailliertes Gesprächsprotokoll (§9 Abs3 HSchG). Auf Wunsch des Hinweisgebers kann es auch zur persönlichen Zusammenkunft kommen (und zwar spätestens 14 Tage, nachdem der Hinweisgeber diesen Wunsch geäußert hat; §13 Abs5 HSchG); das Gespräch ist dann ebenfalls aufzuzeichnen oder zu transkribieren (§9 Abs4 HSchG) oder zu protokollieren (§9 Abs5 HSchG). Alle Aufzeichnungen sind vertraulich zu speichern, und es ist sicherzustellen, dass der Zugang zu ihnen systematisch protokolliert wird und auf jene Personen beschränkt bleibt, die diesen Zugriff zur Bearbeitung des Hinweises benötigen.

8.Hinweisgeber sind berechtigt, im Nachhinein noch Ergänzungen oder Berichtigungen der Hinweise vorzunehmen und darüber auf Wunsch eine Bestätigung zu erhalten (§13 Abs8 HSchG).

9. Offenkundig falsche Hinweise sind jederzeit zurückzuweisen, mit der Mitteilung an den Hinweisgeber, dass derartige Hinweise Schadenersatzansprüche und allenfalls auch gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfolgung nach sich ziehen können (§6 Abs4 HSchG).

10.Nach spätestens drei Monaten hat die interne Stelle dem Hinweisgeber bekanntzugeben, welche Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder werden bzw warum der Hinweis nicht weiterverfolgt wird (§13 Abs9 HSchG). Als Folgemaßnahme kommen etwa die Prüfung der Stichhaltigkeit des Hinweises, interne Nachforschungen oder die Veranlassung eines Verfahrens etwa zur Strafverfolgung oder zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes in Frage (§5 Z3 HSchG).

5.Bis wann ist das interne Hinweisgebersystem einzurichten?

Ab dem jeweiligen Inkrafttreten der entsprechenden Bestimmungen räumt das HSchG eine Übergangsfrist von sechs Monaten ein, innerhalb deren das interne Hinweisgebersystem einzurichten ist (§28 Abs1 HSchG).

1.Für Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten ordnet §28 Abs2 HSchG ausdrücklich an, dass §§11 bis 13 HSchG, also die Verpflichtung zur Einrichtung eines internen Hinweisgebersystems, erst am 17. 12. 2023 in Kraft treten. Die Übergangsfrist für die Einrichtung des internen Hinweisgebersystems endet für diese Unternehmen am 17. 6. 2024

2.Für Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten begann die sechsmonatige Übergangsfrist hingegen bereits mit de m sonstigen Inkrafttreten des HSchG am

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25. 2. 2023 zu laufen, weshalb insoweit ab 25. 8. 2023 ein internes Hinweisgebersystem bestehen muss.

6.Sind parallele Hinweisgebersysteme möglich?

1.Kann das bestehende unternehmensinterne Hinweisgebersystem nach dem WTBG/ der KSW-GWPRL auch als internes Hinweisgebersystem nach dem HSchG genützt werden? Sind zwei interne Hinweisgebersysteme in einem Unternehmen zu betreiben?

Soweit ein System sowohl den Anforderungen des HSchG als auch des WTBG/ der KSW-GWPRL entspricht, spricht nichts gegen eine „doppelte“ Verwendung. Ebenso können jedoch auch zwei verschiedene unternehmensinterne Hinweisgebersysteme nebeneinander betrieben werden, um den teilweise unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden.

2.Wie ist mit Hinweisen umzugehen, die über das „unzuständige“ interne Hinweisgebersystem abgegeben werden?

Wird ein „allgemeiner“ Hinweis iSd HSchG über das „unzuständige“ Hinweisgebersystem nach der KSW-GWPRL abgegeben, ist zwar der Hinweisgeberbegriff nach §7 Z1 KSW-GWPRL nicht erfüllt, es besteht aber nach §7 Abs2 HSchG zumindest die Möglichkeit für die Vertrauensperson (§9 Abs3 KSW-GWPRL) zur Weiterleitung des Hinweises an die „interne Stelle“ iSd HSchG.

Auch im umgekehrten Fall, wenn also ein Hinweis auf einen Verstoß gegen die Geldwäschepräventionspflichten nach §§88 bis 99 WTBG an das „unzuständige“ HSchG-Hinweisgebersystem abgegeben wird, dürfte diese Möglichkeit zur Weiterleitung (an die Vertrauensperson, die in diesem Fall als „interne Stelle“ zu verstehen sein müsste) gelten. Dieser Aspekt ist eine durch die leges speciales WTBG und KSWGWPRL nicht geregelte „Angelegenheit“; deshalb kann das HSchG zur Anwendung gelangen. Eine Pflicht zur Weiterleitung des Hinweises an das zuständige Hinweisgebersystem lässt sich §7 Abs2 HSchG indes nicht entnehmen.

7.Wo besteht das externe Hinweisgebersystem für Wirtschaftstreuhänder?

Wie bisher bleibt das Hinweisgebersystem der KSW für Hinweise auf Verstöße gegen die Geldwäschepräventionspflichten nach §§88 bis 99 WTBG bestehen (§100 Abs1 WTBG). Es gilt nach §15 Abs2 Z8 HSchG insoweit auch als externes Hinweisgebersystem.

Für alle anderen Hinweise (nach dem HSchG) ist das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung die externe Stelle (§15 Abs1 HSchG).

8.In welchem Verhältnis stehen das interne und das externe Hinweisgebersystem zueinander?

Grundsätzlich sollen Hinweisgeber zunächst das interne Hinweisgebersystem nützen, bevor sie sich des externen Hinweisgebersystems bedienen; letzteres soll vor allem verwendet werden, wenn die Nutzung eines internen Hinweisgebersystems nicht möglich ist (insbesondere weil es etwa gar nicht besteht), nicht zweckentsprechend oder zumutbar wäre oder sich bereits als erfolg- oder aussichtslos erwiesen hat (§14 Abs1 HSchG). Dementsprechend sind die internen Hinweisgebersysteme auch in einer Weise einzurichten, die dazu anregt, das interne Hinweisgebersystem gegenüber dem externen Hinweisgebersystem bevorzugt einzusetzen (§11 Abs1 HSchG). Allerdings ist das Gesetz nicht so formuliert, dass es ein Verbot für Hinweisgeber gäbe, das externe Hinweisgebersystem auch in anderen Fällen zu nützen bzw dem internen Hinweisgebersystem vorzuziehen. Auch in diesem Fall würde sich an ihrem Status als Hinweisgeber nichts ändern.

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Achtung: Im Unterschied zu der im HSchG vorgesehenen Reihenfolge zwischen internem und externem Hinweisgebersystem sind die Hinweisgebersysteme im Bereich der Geldwäscheprävention nach dem WTBG bzw der KSW-GWPRL grundsätzlich gleichrangig und können ohne jede Priorität verwendet werden.

9.Was ist eine Veröffentlichung, und in welchem Verhältnis steht sie zur Nutzung der Hinweisgebersysteme?

Unter einer Veröffentlichung versteht das HSchG eine Hinweisgebung durch öffentliches Zugänglichmachen eines Hinweises (§5 Z15 HSchG), also etwa durch Weitergabe an Massenmedien oder Verbreitung im Internet. Auch eine Veröffentlichung ist also eine Form der Hinweisgebung und begründet den geschützten Status eines Hinweisgebers (§14 Abs2 HSchG).

Die Veröffentlichung ist allerdings nur zulässig, wenn eine von drei alternativen Voraussetzungen erfüllt ist (§14 Abs2 HSchG):

1.Zuvor wurde der Hinweis über ein internes oder externes Hinweisgebersystem abgegeben, ohne dass innerhalb der Dreimonatsfrist zur Mitteilung von Folgemaßnahmen geeignete Folgemaßnahmen getroffen worden wären.

2.Der Hinweisgeber hat hinreichende Gründe zur Annahme, dass bei vorheriger Nutzung des externen Hinweisgebersystems entweder Vergeltungsmaßnahmen drohen oder nur geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen die Rechtsverletzung vorgegangen würde, insbesondere eine Unterdrückung oder Vernichtung von Beweismitteln oder Absprachen bzw eine Beteiligung der externen Stelle drohen würde.

3.Der Hinweisgeber hat hinreichende Gründe zur Annahme, dass die Rechtsverletzung eine unmittelbare und offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, etwa bei einer Notsituation oder Gefahr.

Achtung: Das WTBG und die KSW-GWPRL enthalten keine Regelung zu einer Veröffentlichung. Damit ist die Veröffentlichung eine „Angelegenheit“, die iSd §4 Abs1 HSchG nicht durch das WTBG bzw die KSW-GWPRL geregelt ist; insoweit sind die Regelungen des HSchG auch für Hinweise über Verletzungen der §§ 88 bis 99 WTBG anwendbar. Veröffentlichungen solcher Hinweise sind also grundsätzlich auch möglich. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das HSchG die Regelungen der beruflichen Verschwiegenheitspflicht der Wirtschaftstreuhandberufe nicht aufhebt.

10.In welchem Verhältnis steht das HSchG zur beruflichen Verschwiegenheitspflicht?

Das HSchG gilt nicht für Informationen, die von den Verschwiegenheitspflichten der Wirtschaftstreuhandberufe nach §80 WTBG umfasst sind, ebenso wie von vertraglichen Vereinbarungen, die zur Wahrung der Verschwiegenheit mit Beschäftigten oder Hilfspersonal der Wirtschaftstreuhänder getroffen wurden. Soweit diese Pflichten reichen, können die durch sie gebundenen Informationen also nicht über Hinweisgebersysteme weitergegeben oder veröffentlicht werden. Andernfalls begründen sie keinen Status als Hinweisgeber.

11.Vor welchen Repressalien ist der Hinweisgeber bzw sein Umfeld ausdrücklich geschützt?

1.§20 Abs1 HSchG verbietet alle Maßnahmen, die in Vergeltung eines berechtigten Hinweises erfolgen. Die Auflistung verbotener Maßnahmen ist nur beispielhaft, lässt aber einen Schwerpunkt auf (rechtlichen und faktischen) Maßnahmen im Arbeitsverhältnis erkennen: Suspendierung, Kündigung, Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags, Herabstufung, Versagung einer Beförderung, Aufgabenverlagerung, Änderung von Arbeitsort oder -zeit, Entgeltminderung, Versagung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen, negative Leistungs-

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beurteilung, Ausstellung eines schlechten Dienstzeugnisses, Disziplinarmaßnahmen, Rügen oder Sanktionen.

Als Beispiel für Vergeltungsmaßnahmen außerhalb eines Arbeitsverhältnisses nennt §20 Abs1 HSchG auch die vorzeitige Kündigung oder Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen und den Entzug einer Lizenz oder Genehmigung. §20 Abs2 HSchG nennt weitere verbotene Vergeltungsmaßnahmen, die zusätzlich Schadenersatzansprüche nach sich ziehen: Nötigung, Einschüchterung, Mobbing, Ausgrenzung, Diskriminierung, benachteiligende oder ungleiche Behandlung, Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag (soweit der Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen), Schädigung (einschließlich Rufschädigung), insbesondere über soziale Medien, Herbeiführung finanzieller Verluste einschließlich Auftragsoder Einnahmeverluste, Erfassung des Hinweisgebers in einer informellen oder formellen sektor- oder branchenbezogenen schwarzen Liste (damit der Hinweisgeber sektor- oder branchenbezogen keine Beschäftigung mehr findet) oder auch psychiatrische Zuweisung oder sonstige Zuweisung zu ärztlicher Behandlung.

2.Alle diese (und weitere, nicht aufgezählte, aber denkbare) Maßnahmen sind rechtsunwirksam, wenn sie als Vergeltungsmaßnahme für einen berechtigten Hinweis erfolgen. In gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren, in denen ein Hinweisgeber geltend macht, durch eine solche Maßnahme benachteiligt worden zu sein, ist es an der Person, die die Maßnahme gesetzt hat, glaubhaft zu machen, dass Vergeltung kein Motiv dafür war (§23 HSchG). Es liegt also eine Bescheinigungslastumkehr vor.

3.Die Setzung von Vergeltungsmaßnahmen steht unter einer Verwaltungsstrafdrohung nach §24 Z2 HSchG: Zunächst droht eine Geldstrafe von bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall eine solche von bis zu 40.000 Euro. Allerdings sind nicht alle Vergeltungsmaßnahmen derart strafbewehrt, sondern nur die in §20 Abs1 Z1 bis 9 und Abs2 Z1 bis 6 HSchG aufgezählten Vergeltungsmaßnahmen. §20 Abs1 HSchG enthält jedoch nur eine beispielhafte Aufzählung verbotener Vergeltungsmaßnahmen. Jene Vergeltungsmaßnahmen, die sich nicht in der beispielhaften Liste des §20 Abs1 (oder jener des Abs2) HSchG finden, sind demnach zwar rechtsunwirksam iSd §20 HSchG, aber nicht tatbestandsmäßig für die Strafdrohung des §24 HSchG. Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ist die Bezirksverwaltungsbehörde.

4.Nicht nur der Hinweisgeber selbst ist vor den Vergeltungsmaßnahmen nach §20 HSchG geschützt, sondern nach §2 Abs3 HSchG auch sein Umfeld: –natürliche Personen, die den Hinweisgeber bei der Hinweisgebung unterstützen; –natürliche Personen im Umkreis des Hinweisgebers, die, ohne den Hinweisgeber bei der Hinweisgebung zu unterstützen, von nachteiligen Folgen der Hinweisgebung oder Vergeltungsmaßnahmen betroffen sein können;

–juristische Personen, die entweder ganz oder teilweise im Eigentum des Hinweisgebers stehen, für ihn arbeiten oder mit ihm in einem anderweitigen beruflichen Zusammenhang stehen.

Achtung: Da sich das WTBG bzw die KSW-GWPRL diesen Personen „im Umkreis“ des Hinweisgebers nicht widmen, liegt eine „Angelegenheit“ vor, die iSd §4 Abs1 HSchG nicht durch das WTBG bzw die KSW-GWPRL geregelt ist. Insoweit sind die Regelungen des HSchG auch für Hinweise über Verletzungen der §§88 bis 99 WTBG anwendbar.

12.Welche sonstige Rechtsstellung ist mit der Abgabe eines Hinweises verbunden?

Ein Hinweisgeber, der iSd §6 Abs1 HSchG schutzwürdig ist, haftet – selbst wenn der Hinweis doch falsch sein sollte – nicht für tatsächliche oder rechtliche Folgen eines be-

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rechtigten Hinweises (§22 Abs1 HSchG). Dieser Haftungsausschluss erstreckt sich auch auf die sonstigen Personen im Umkreis des Hinweisgebers iSd §2 Abs3 HSchG. Die wissentliche Abgabe eines falschen Hinweises unterliegt hingegen einer Verwaltungsstrafdrohung nach §24 Z4 HSchG (ebenso wie die Vergeltungsmaßnahmen nach §24 Z2 HSchG; siehe Pkt 11.3.): Zunächst droht eine Geldstrafe von bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall eine solche von bis zu 40.000 Euro. Diese Verwaltungsübertretung tritt hinter eine allfällige gerichtliche Strafbarkeit (etwa wegen übler Nachrede oder Verleumdung) zurück.

Auf den Punkt gebracht

Das HSchG bringt für alle Angehörigen der Wirtschaftstreuhandberufe neue Verpflichtungen mit sich, die jedenfalls über die weiter bestehenden Verpflichtungen iZm den Hinweisgebersystemen für Verstöße gegen die Geldwäschepräventionspflichten nach §§88 bis 99 WTBG hinausgehen. Das konkrete Ausmaß der zu ergreifenden Maßnahmen hängt von der Rechtsform ab, in der ein Wirtschaftreuhänder seinen Beruf ausübt, sowie von der Anzahl seiner Arbeitnehmer.

Übt der Wirtschaftstreuhänder den Beruf im Rahmen einer juristischen Person oder Personengesellschaft aus („Unternehmen“)?

• Ja: Über das Verbot von Vergeltungsmaßnahmen und der Verhinderung von Hinweisgebung bzw des „Unter-Druck-Setzens“ von Hinweisgebern hinaus bestehen weitere Verpflichtungen. Die konkrete Reichweite hängt von der Anzahl der Arbeitnehmer ab.

• Nein: Keine Vergeltungsmaßnahmen für berechtigte Hinweise setzen, niemanden an der Hinweisgebung hindern oder durch mutwillige gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren unter Druck setzen.

Hat das Unternehmen höchstens 50 Arbeitnehmer?

• Ja: Es gibt keine Pflicht zur Einrichtung eines internen Hinweisgebersystems nach dem HSchG (unbeschadet der allfälligen Pflicht zur Einrichtung des unternehmensinternen Hinweisgebersystems nach der KSW-GWPRL). Bindung an andere Bestimmungen besteht nur hinsichtlich berechtigter Hinweise auf „Rechtsverletzungen“ der in den Teilen I.B und II des Anhangs des Whistleblower-RL genannten Rechtsakte (zB der Abschlussprüfungs-RL). In diesem Rahmen besteht zB die Pflicht, den potenziellen Hinweisgebern einen einfachen Zugang zu klaren Informationen über die Hinweisgebung an die externe Stelle zu verschaffen. Mitarbeitern, die erfahren, dass jemand einen Hinweis auf eine mögliche „Rechtsverletzung“ gegeben hat oder geben möchte, ist es verboten, den Inhalt des Hinweises oder die Identität des Hinweisgebers bekanntzugeben.

• Nein: Zusätzlich zu allen vorgenannten Pflichten ist ein internes Hinweisgebersystem nach Maßgabe des HSchG einzurichten, und zwar bis 17. 6. 2024, wenn das Unternehmen weniger als 250 Beschäftigte hat, sonst bereits bis 25. 8. 2023.

Frankreich spürte 120.000 Pools mit Luftbildern auf

Mit der Auswertung von Luftbildern haben Frankreichs Finanzbehörden über 120.000 nicht deklarierte Schwimmbäder im Land aufgespürt. Die Betroffenen würden vom Finanzamt angeschrieben und hätten 30Tage Zeit, um dieses unter der Angabe von Größe, Baujahr und anderen Details nachzumelden. Die Finanzbehörden erhofften sich dadurch Zusatzeinnahmen von 40 bis 50MioEuro.

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Aktuelle VwGH-Rechtsprechung

Rechtsprechung

Entscheidungen aus den Monaten April und Mai 2023

ANDREI BODIS*)

Umsatzsteuer

Eigenverbrauch bei Überlassung von Fahrberechtigungen an Dienstnehmer und kein Vorsteuerabzug iZm dem Betrieb einer Werkskantine durch einen Drittunternehmer

Entscheidung: VwGH 19. 4. 2023, Ra 2022/13/0085 (Parteirevision, teilweise Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit).

Normen: §§ 3a Abs 1a, 4 Abs 9, 12 Abs 1 UStG.

Sachverhalt und Verfahren: Eine GmbH, die ein Linienverkehrsunternehmen betreibt, räumte den Dienstnehmern Fahrberechtigungen ein. Den Dienstnehmern wurde weiters in einer von einem Drittunternehmer betriebenen Kantine verbilligtes Essen angeboten. Strittig war, ob im Hinblick auf die Fahrberechtigungen ein Eigenverbrauch gemäß § 3a Abs 1a UStG vorliegt sowie ob hinsichtlich der Kantine (für das an den Drittunternehmer bezahlte Betriebsführungsentgelt) der Vorsteuerabzug zu versagen ist, wie vom Finanzamt angenommen wurde. Das BFG wies die Beschwerde ab und bestätigte die Ansicht des Finanzamtes.

Rechtliche Beurteilung: Zu den Fahrberechtigungen: Ein Umsatz gegen Entgelt setzt voraus, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen empfangenen Gegenleistung besteht. Der unmittelbare Zusammenhang (zwischen Leistung und Gegenleistung) kann sich in den Beziehungen zwischen einem Arbeitgeber und seinem Arbeitnehmer auch durch einen Teil der Barvergütung konkretisieren, auf den Letzterer als Gegenleistung für eine Leistung des Ersteren verzichten muss. Wird hingegen weder eine Zahlung geleistet noch ein Teil der Barvergütung verwendet und auch nicht auf andere Vorteile verzichtet, liegt keine Leistung gegen Entgelt vor.

Eine Leistung iSd § 3a Abs 1a UStG liegt hingegen vor, wenn eine Leistung an den Arbeitnehmer primär zur Deckung eines privaten Bedarfes des Arbeitnehmers dient, also dem Arbeitnehmer in seiner privaten Sphäre ein bedarfsdeckender Nutzen zukommt. Leistungen, die zwar für Arbeitnehmer bestimmt sind, aber dem überwiegenden Interesse des Arbeitgebers dienen oder bei denen dem Arbeitnehmer kein verbrauchsfähiger Nutzen übertragen wird, fallen nicht unter den Leistungstatbestand.

Der EuGH hat im Urteil vom 16. 10. 1997, Fillibeck, C-258/95, ausgeführt, normalerweise sei es Sache des Arbeitnehmers, unter Berücksichtigung seiner Arbeitsstätte den Standort seiner Wohnung, nach dem sich die Länge seines Weges zur Arbeit bemesse, und das geeignete Verkehrsmittel zu wählen. Der Arbeitgeber greife in diese Entscheidungen nicht ein, da der Arbeitnehmer seinerseits verpflichtet sei, während der vereinbarten Zeit an der Arbeitsstätte zu sein. Folglich dienten die den Arbeitnehmern erbrachten Beförderungsleistungen unter normalen Umständen dem privaten Bedarf des Arbeitnehmers. Eine solche Auslegung sei in den Fällen geboten, in denen der Arbeitnehmer – wie gewöhnlich – die Möglichkeit habe, die Strecke zwischen seiner Wohnung und seiner festen Arbeitsstätte mit den üblichen Verkehrsmitteln zurückzulegen. Dagegen könnten unter besonderen Umständen die Erfordernisse des Unternehmens es gebieten, dass der Arbeitgeber selbst die Beförderung der Arbeitnehmer von ihrer Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück sicherstelle. So könne etwa die Tatsache, dass nur der Arbeitgeber ein geeignetes Verkehrsmittel bieten könne, diesen zwingen, die Beförderung seiner Arbeitnehmer zu übernehmen. Der Umstand, dass die Beförderungsleistungen aufgrund eines Tarifver-

Rechtsprechung 832 SWK-Heft 195. Juli 2023 Judikaturüberblick
*)Dr. Andrei Bodis ist Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes.

trages erbracht würden, stelle ein Indiz dafür dar, dass die Beförderung Zwecken diene, die nicht unternehmensfremd seien.

Der Beurteilung des BFG, ein überwiegendes betriebliches Interesse an der Erteilung von uneingeschränkten Fahrberechtigungen (auch) für Fahrten in der Freizeit sei nicht gegeben, ist vom VwGH nicht entgegenzutreten. Es liegen hier schon keine besonderen Umstände vor, die es gebieten würden, dass der Arbeitgeber die Beförderung zur Arbeitsstätte und zurück sicherstellen müsste, da die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte jeweils mit den üblichen (hier überdies öffentlichen) Verkehrsmitteln zurückgelegt werden kann. Umso weniger ist es betrieblich erforderlich, auch Fahrten in der Freizeit zu ermöglichen. Dass diese Nutzung auf einer Betriebsvereinbarung beruht, könnte zwar ein Indiz dafür sein, dass die Beförderung Zwecken dient, die nicht unternehmensfremd sind. Abweichend von dem im EuGH-Urteil Fillibeck zu beurteilenden Sachverhalt wird hier aber – über die Beförderung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinaus – auch die Nutzung in der Freizeit ermöglicht. Auch wenn (wie in der Revision geltend gemacht) bei der „privaten“ Nutzung der Verkehrsmittel allenfalls Probleme oder technische Mängel der Verkehrsmittel erkannt werden können (was zu einer rascheren Behebung dieser Probleme führen könne) und überdies die Verkehrsmittel auch in einem wesentlichen (allenfalls auch übergeordneten) Umfang dienstlich genutzt werden, ist hier der persönliche Vorteil des Arbeitnehmers, diese Verkehrsmittel auch außerhalb einer dienstlichen Notwendigkeit nutzen zu können, keineswegs bloß nebensächlich. Soweit die Fahrberechtigungen unentgeltlich eingeräumt wurden, liegt sohin eine Leistung iSd § 3a Abs 1a Z 2 UStG vor.

Soweit allerdings für bestimmte Zeiträume nur die Möglichkeit bestanden hat, die Fahrberechtigungen für einen monatlichen Preis von 12,50 Euro zu erhalten, kann diese Gegenleistung nicht als bloß symbolisch beurteilt werden. In jenen Zeiträumen lag somit keine unentgeltliche Erbringung von Leistungen iSd § 3a Abs 1a Z 2 UStG vor. Der verbilligte Preis bildete die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer; ein zusätzlicher Eigenverbrauch war hingegen nicht anzunehmen. Die Regelung über den „Normalwert“ (§ 4 Abs 9 UStG) war in jenem Zeitraum noch nicht anwendbar.

Zum Vorsteuerabzug iZm der Kantine: Der VwGH ist im Erkenntnis vom 29. 2. 2012, 2008/13/0068, in einer vergleichbaren Konstellation zum Ergebnis gekommen, dass keine Leistungsbeziehung zwischen dem Kantinenbetreiber und dem Arbeitgeber besteht und daher der Vorsteuerabzug zu Recht verweigert wurde. Selbst dann, wenn im vorliegenden Fall eine derartige Leistungsbeziehung anzunehmen wäre, steht nach der EuGH-Rechtsprechung kein Recht auf Vorsteuerabzug zu.

Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung muss grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Das Recht auf Vorsteuerabzug ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören. Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen dagegen für die Zwecke steuerbefreiter Umsätze oder solcher Umsätze verwendet, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, so kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen.

Es ist normalerweise Sache des Arbeitnehmers, die Art, die genaue Uhrzeit und selbst den Ort für seine Mahlzeiten zu wählen. Der Arbeitgeber greift in diese Entscheidungen nicht ein, da die Verpflichtung des Arbeitnehmers nur darin besteht, sich zu den vereinbarten Uhrzeiten wieder an seinem Arbeitsplatz einzufinden und dort seiner üblichen Arbeit nachzugehen. Daher zielt die Lieferung von Mahlzeiten an Arbeitnehmer grundsätzlich auf die Befriedigung eines privaten Bedarfs und hängt von der persönlichen Entscheidung der Arbeitnehmer ab, in die der Arbeitgeber nicht eingreift. Dienstleistungen, die in der Abgabe von Mahlzeiten an Arbeitnehmer bestehen, befriedigen sohin unter normalen Umständen den privaten Bedarf der Arbeitnehmer. Dagegen können unter besonderen Umständen die Erfordernisse

SWK-Heft 195. Juli 2023 833 Rechtsprechung

des Unternehmens es gebieten, dass der Arbeitgebe r selbst die Bewirtung sicherstellt. Dass im vorliegenden Fall besondere Umstände vorlägen, die es geböten, dass der Arbeitgeber selbst die Bewirtung sicherstelle, wird nicht behauptet. Auch das Beziehen von Leistungen zum Betrieb einer Kantine dient der Abgabe von Mahlzeiten an Arbeitnehmer und somit zur Befriedigung des privaten Bedarfs der Arbeitnehmer. Für den Betrieb der Revisionswerberin, also für die Erbringung der der Steuer unterliegenden Tätigkeit der Revisionswerberin, ist diese Leistung hingegen nicht erforderlich. Damit steht aus den vom Kantinenbetreiber erbrachten Leistungen kein Vorsteuerabzug zu.

Literaturhinweis: Mayr, Umsatzsteuer-Update Juni 2023: Aktuelles auf einen Blick, SWK 17/2023, 740. Verfahrensrecht

Rückstandsausweise gemäß §229 BAO – inhaltliche und formale Voraussetzungen

Entscheidung: VwGH 4. 5. 2023, Ra 2020/16/0114 (Abweisung der Amtsrevision).

Normen: §229 BAO; §§12 bis 17 AbgEO; §§1 Z13, 7 Abs4, 35 EO.

Sachverhalt und Verfahren: Gegenüber der Eigentümerin eines Grundstücks – einer KG – wurden (rechtskräftig) ein Kanalisationsbeitrag (nach dem Steiermärkischen Kanalabgabegesetz) und aufgrund der Nichtentrichtung auch Nebengebühren (Säumniszuschlag, Mahngebühren und Aussetzungszinsen) vorgeschrieben. In der Folge wurde das Grundstück an eine GmbH verkauft. Nach dem Verkauf stellte die Abgabenbehörde gegenüber der neuen Eigentümerin (GmbH) einen Rückstandsausweis gemäß §229 BAO über den noch offenen Kanalisationsbeitrag (samt Nebengebühren) aus und erklärte den Rückstand für vollstreckbar. Nach Ausstellung des Rückstandsausweises wurden die offenen Nebengebühren entrichtet. Das Exekutionsgericht bewilligte die gerichtliche Exekution durch Zwangsversteigerung des Grundstücks aufgrund des gemäß §5 Abs3 Steiermärkisches Kanalabgabengesetz bestehenden gesetzlichen Pfandrechts. Die GmbH stellte bei der Abgabenbehörde einen Antrag auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit gemäß §7 Abs4 EO. Der Antrag wurde abgewiesen.

Das LVwG gab der Beschwerde Folge und führte aus, der Rückstandsausweis sei rechtswidrig, weil der darin angeführte Betrag aufgrund der zwischenzeitlichen Entrichtung der Nebengebühren nicht (mehr) richtig sei.

Rechtliche Beurteilung: Gemäß §7 Abs4 EO sind Anträge auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit für einen der in §1 Z13 EO angeführten Exekutionstitel – zB Rückstandsausweise über direkte Steuern und Gebühren – bei der Titelbehörde (Stelle, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist) anzubringen. Die Prüfung der materiellen Gesetzmäßigkeit und Richtigkeit eines derartigen Rückstandsausweises muss daher stets im Verwaltungsweg erfolgen.

Nach der VwGH-Rechtsprechung ist ein Antrag auf Aufhebung des Rückstandsausweises auch als Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsklausel, die Teil des Rückstandsausweises ist, zu verstehen. Ein Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit eines Rückstandsausweises ist der Sache nach auch die Bestreitung der Richtigkeit des Rückstandsausweises, dessen Teil die Vollstreckbarkeitsklausel ist.

Einwendungen gegen die Richtigkeit des Rückstandsausweises (samt Vollstreckbarkeitsbestätigung) können grundsätzlich nur auf Umstände gestützt werden, die bereits im Zeitpunkt der Ausstellung des Rückstandsausweises eingetreten waren; die Rechtmäßigkeit des Rückstandsausweises ist dementsprechend nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu beurteilen. Dies gilt – jedenfalls im Hinblick auf die Vollstreckung von Abgabenforderungen – für das gerichtliche und abgabenbehördliche Vollstreckungsverfahren gleichermaßen, zumal nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte das Verfahren (und der Instanzenzug), in dem die Rechtmäßigkeit des Rückstandsausweises geprüft wird, nach den für das Titelverfahren geltenden Vorschriften zu führen ist, womit die Prüfung eines gemäß §229 BAO erlassenen Rückstandsausweises auf Grundlage der Bestimmungen der BAO und der AbgEO zu erfolgen hat.

Wenn auch nach der VwGH-Rechtsprechung auf §15 AbgEO gestützte Vorbringen, denen nicht oder nicht voll entsprochen wird, von der Behörde als Einwendungen gegen die Durchführung der Vollstreckung nach §13 AbgEO (entsprechend der „Impugnationsklage“ gemäß §36 EO) in Behandlung zu

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nehmen sind und darüber mit Bescheid abzusprechen ist, bewirkt dies nicht, dass die Bestreitung des Eintritts der Vollstreckbarkeit auch auf Umstände gestützt werden kann, die nach Ausstellung des Rückstandsausweises eingetreten sind. Derartige – nach Ausstellung des Rückstandsausweises eingetretene – Umstände können ausschließlich im Rahmen der in §12 AbgEO geregelten Einwendungen Berücksichtigung finden. Diese Einwendungen richten sich dementsprechend nicht gegen den Exekutionstitel (Rückstandsausweis), der sich aufgrund später eintretender Umstände nicht als nachträglich rechtswidrig erweisen kann, sondern gegen den zu vollstreckenden Abgabenanspruch.

Werden nach Ausfertigung eines Rückstandsausweises die vorgeschriebenen Abgaben getilgt, stellt dies eine den Anspruch aufhebende Tatsache gemäß §12 Abs1 AbgEO dar. Die Einwendung dieser Tatsache steht insoweit der weiteren Vollstreckung entgegen, die in weiterer Folge gemäß §16 AbgEO einzustellen oder – bei teilweiser Tilgung – gemäß §17 AbgEO entsprechend einzuschränken ist. Die Tilgung der Abgabenforderung nach Ausfertigung des Rückstandsausweises bewirkt allerdings nicht dessen Rechtswidrigkeit.

Der verfahrensgegenständliche Rückstandsausweis erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als rechtswidrig. Gemäß §229 BAO hat ein Rückstandsausweis insbesondere Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen sowie den Betrag der Abgabenschuld zu enthalten. Der Rückstandsausweis muss demnach die Person des Verpflichteten sowie die Art und den Umfang der geschuldeten Leistung eindeutig bezeichnen. Die Nennung der Person, die die Leistung zu erbringen hat, und die Art der Leistung müssen – jedenfalls bei Rückstandsausweisen, die auf Leistungsgebote enthaltenden Bescheiden (wie insbesondere Abgabenfestsetzungsbescheide und Haftungsbescheide) beruhen – mit den Leistungsgeboten übereinstimmen.

Die Abgabenbehörde hat der KG – als Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks im Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht – einen Kanalisationsbeitrag vorgeschrieben. Dieser Bescheid liegt dem bekämpften Rückstandsausweis zugrunde. Im Rückstandsausweis wird jedoch die neue Eigentümerin des Grundstücks (GmbH) als Schuldnerin angeführt. Da der Rückstandsausweis und der diesem zugrunde liegende Leistungsbescheid an verschiedene Personen adressiert sind, erweist sich ersterer schon aus diesem Grund als rechtswidrig.

Ob der dargestellte Grundsatz, wonach die im Rückstandsausweis als Schuldner bezeichnete Person mit dem Adressaten des zugrunde liegenden Leistungsbescheides übereinstimmen muss, auch dann anzuwenden ist, wenn – insbesondere iZm grundstücksbezogenen Abgaben, wie vorliegend – ein Abgabenbescheid im Falle eines Eigentumsübergangs dem Erwerber gegenüber unmittelbar Rechtswirkungen entfaltet („In-rem-Wirkung“ oder „dingliche Wirkung“), kann dahingestellt bleiben, weil den Bestimmungen des Steiermärkischen Kanalabgabengesetzes eine derartige Wirkung nicht entnommen werden kann.

Die Bestimmung des §5 Abs3 letzter Satz Kanalabgabengesetz, wonach für den Kanalisationsbeitrag (samt Nebengebühren) auf dem Grundstück ein gesetzliches Pfandrecht haftet, enthält weder eine Regelung für einen Schuldnerwechsel noch für einen Schuldnerbeitritt hinsichtlich der bereits entstandenen Abgabenverbindlichkeit. Die Anordnung einer (bloßen) Pfandhaftung macht einen allfälligen neuen Eigentümer der Liegenschaft nicht zum Abgabenschuldner, sondern beschränkt vielmehr dessen Haftung auf den Pfandgegenstand, somit die Liegenschaft.

Grunderwerbsteuer

Grunderwerbsteuer bei der Anwachsung – Erwerb der Grundstücke von der Gesellschaft

Entscheidung: VwGH 4. 5. 2023, Ro 2020/16/0013 (Abweisung der Parteirevision).

Normen: §§1 Abs1 Z2, 7 Abs1 Z1 GrEStG; §142 UGB.

Sachverhalt und Verfahren: An einer OG war ein Ehepaar zu 95% bzw zu 5% beteiligt. Das Gesellschaftsvermögen bestand ausschließlich aus zwei Eigentumswohnungen sowie einem geringen Bankguthaben. Der Ehemann schenkte seinen 5%igen Anteil an der OG an seine Ehefrau, wodurch es (im

SWK-Heft 195. Juli 2023 835 Rechtsprechung

Jahr 2015) zur Anwachsung gemäß §142 UGB kam. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer mit 3,5% vom gemeinen Wert der erworbenen Grundstücke fest und begründete dies damit, dass bei Anwachsung der Übernehmer die Liegenschaft nicht vom ausscheidenden Gesellschafter erwerbe, sondern von der Gesellschaft selbst.

Das BFG wies die Beschwerde ab und führte aus, die Gesellschafter hätten an den zum Gesellschaftsvermögen gehörenden „Objekten“ keinen Anteil, womit der Erwerb von Liegenschaften im Zuge der Anwachsung nach §142 UGB nicht vom ausscheidenden Gesellschafter erfolge. Die davon abweichende VwGHRechtsprechung sei zum GrEStG 1955 und zum HGB ergangen und nicht mehr einschlägig.

Rechtliche Beurteilung: Der VwGH hat sich mit dieser Fragestellung schon in früheren Entscheidungen befasst und dabei erkannt, dass der Grundstückse rwerb aufgrund der liquidationslosen Übernahme des Unternehmens einer OHG gemäß §142 HGB nicht von der Gesellschaft, sondern unmittelbar vom ausgeschiedenen Gesellschafter erfolge. Die Übernahme durch einen der beiden Gesellschafter bewirke die Beendigung der Gesellschaft, womit der verbliebene Gesellschafter nicht Anteile an der (nicht mehr bestehenden) Gesellschaft erwerbe, sondern Alleineigentum an den bisher zum Gesellschaftsvermögen gehörenden, im „Miteigentum der bisherigen Gesellschaft“ stehenden Sachen unter Wegfall der Gesamthandbindung. Da die Personenhandelsgesellschaft keine juristische Person sei und das Gesellschaftsvermögen, das zwar durch das Gesamthandband den Verf ügungen der einz elnen Gesellschafter entzogen sei, in „deren Miteigentum“ stehe, erwerbe bei Wegfall dieser Gesamthandbindung der verbliebene Gesellschafter den „restlichen Miteigentumsanteil“ nicht von der Gesellschaft, sondern unmittelbar vom ausgeschiedenen Gesellschafter.

Vor dem Hintergrund der mit dem HaRÄG, BGBlI 2005/120, erfolgten umfassenden und ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen zur Rechtsnatur der eingetragenen Personengesellschaften wird diese Rechtsprechung im Anwendungsbereich des GrEStG 1987 nicht mehr aufrechterhalten. Zum Wesen der Gesellschafterstellung bzw des Beteiligungsverhältnisses wird nunmehr herrschend vertreten, die Gesellschaftsanteile seien nicht „sachenrechtliche Anteile am Gesellschaftsvermögen“, sondern jene „gesellschaftsvertraglichen und somit schuldrechtlichen Rechte und Pflichten“, die dem einzelnen Gesellschafter zukommen; die Gesellschafter seien somit „an der Gesellschaft beteiligt, nicht jedoch am Gesellschaftsvermögen“, das „einzig und allein der Gesellschaft“ gehöre.

Gemäß §142 Abs1 UGB erlischt die Gesellschaft ohne Liquidation, wenn nur noch ein Gesellschafter verbleibt. Das (gesamte) Gesellschaftsvermögen geht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf diesen über. Aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Gesamtrechtsnachfolge bedarf es dabei keiner weiteren (besonderen) Übertragungsakte. Da der Übergang des Vermögens ex lege stattfindet, wird damit weiterhin ein Erwerb gemäß §1 Abs1 Z2 GrEStG verwirklicht. Der Erwerb der im Vermögen der Gesellschaft vorhandenen Grundstücke erfolgt dabei im Hinblick auf diese Grundsätze allerdings nicht vom zuletzt ausgeschiedenen Gesellschafter. Die Zugehörigkeit der betroffenen Gesellschafter (des zuletzt ausgeschiedenen und des übernehmenden) zum in §7 Abs1 Z1 und2 GrEStG idF BGBlI 2014/36 angeführten Personenkreis ist daher für die Besteuerung ohne Relevanz. Nichts anderes kann für die mit dem StRefG 2015/16, BGBlI 2015/118, eingeführte Bezugnahme auf den in §26a Abs1 Z1 GGG angeführten Personenkreis (§7 Abs1 Z1 litc GrEStG) gelten.

Zur Rechtsfrage, was als Bemessungsgrundlage in jenen Fällen heranzuziehen sei, in denen ein nur geringer Anteil an einer OG vom vorletzten auf den letzten Gesellschafter unentgeltlich übergeht, erscheint zunächst die Klarstellung notwendig, dass der Erwerbstatbestand gemäß §1 Abs1 Z2 GrEStG nicht mit der Schenkung des Gesellschaftsanteils, sondern mit dem Übergang des Vermögens gemäß §142 Abs1 UGB auf den „letzten Gesellschafter“ verwirklicht wird. Wie bereits ausgeführt, erwirbt dabei der verbleibende Gesellschafter ex lege das gesamte Gesellschaftsvermögen und nicht nur im Ausmaß der Beteiligungsquote des vorletzten Gesellschafters. Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, wonach der verwirklichte Grundstückserwerb im Ausmaß ihres bisherigen 95%igen Anteils an der OG außer Betracht zu bleiben habe, findet in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen daher keine Deckung.

Literaturhinweis: Bodis, VwGH zur Grunderwerbsteuer bei Grundstückserwerben infolge Anwachsung gemäß §142 UGB, SWK18/2023, 773.

Rechtsprechung 836 SWK-Heft 195. Juli 2023

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