how to form a design movement – Unbehagen und Gestaltung

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4 Feier am Staatlichen Bauhaus, Datum unbekannt

3 Stewart Brand (Whole Earth Catalog), USA, ca. 1972

2 Julia & Lisa (EnDevenir), Berlin, 2013

1 John Cage (Fluxus), USA, 1992


5 Feier am Staatlichen Bauhaus zum Thema Neue Sachlichkeit, Dessau, 1926



how to form a Design Movement Unbehagen & Gestaltung gestern, heute und morgen Katalog anl채sslich der gleichnamigen Ausstellung des IIBM herausgegeben von Lisa Hoffmann/ EnDevenir S14 Verlag Bauhaus Universit채t Weimar

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Inhalt


/ 9 Vorrede

Was ist eine Designbewegung?

Wie entsteht eine Designbewegung?

/ 10 Merkmale ausgewählter Designbewegungen im 19.-21. Jahrhundert 18 Die Designbewegung – ein Definitionsversuch 23 Wolfgang Sattler im Interview über die Designgruppe „rastlos“ 26 EnDevenir im Interview, Teil I: Die Bewegung / 34 Phase 1: Formulierung 36 Das Unbehagen 38 Stimmen einer Generation: EnDevenir 42 Der Moment 44 Das Manifest: Das Gestalter-Manifest, das gestaltete Manifest Das Manifest der Gegenwart Timeline: Gestalter-Manifeste 57 EnDevenir im Interview, Teil II: Das Manifest / 64 Phase 2: Umsetzung Das Objekt 66 Das Objekt als Manifest 72 EnDevenir: der Stuhl 74 der Raum 76 Alltag und Objekt die Lampe die Kleidung das Geschirr 82 Das Gruppenfoto das historische Gruppenfoto 86 EnDevenir: das Gruppenfoto 88 EnDevenir: Hier entsteht eine Designbewegung / 92 Phase 3: Auflösung 94 Die Ausstellung 95 EnDevenir im Interview, Teil III: Die Ausstellung 98 Die Nachfolge

Die Designbewegung gestern, heute und morgen

/ 104 Zeitgeist, Politik und Designbewegungen

Anhang

/ 112 Bildverzeichnis 114 Auswahlbibliographie 116 Impressum 117 Dank / 7



* https://www.uni-weimar.de/de/gestaltung/studium/produkt-design/nachhaltige-produktkulturen-ma/

“... Design wird dann eine relevante Zukunft haben, wenn es den Designerinnen und Designern immer wieder gelingt, sich der Umklammerung durch Form, Technologie, Markt, Mode und Werbung zu entziehen und selbstbewusst provokante Positionen zu beziehen.” * Eben diese provokanten Positionen nehmen Designbewegungen ein. Sie prägen die Designgeschichte als Diskurs zwischen Farben, Formen und Symbolen. Gestaltung findet innerhalb der Bewegung in politischen Dimensionen statt. Sowohl Gebrauchsgüter als auch Konzeptobjekte treffen Aussagen und stecken einen physischen wie gedanklichen Raum ab. Sie sind als Kritiker des Zeitgeistes zugleich deren Spiegel. Dabei spekulieren sie auf und schaffen das Kommende. Doch was genau macht eigentlich eine Designbewegung aus? Welche Form gibt sie sich selbst und ihren Anliegen? Und wie äußern sich Designbewegungen heute?

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Name / Arts and Crafts Zeit / / ca. 1850-1914 Zentrum / / Großbritannien prominente VertreterInnen / William Morris (1834–1896), Walter Crane (1845–1915), John Ruskin (1819–1900), Charles Robert Ashbee (1863–1942) Gruppen / / Morris, Marshall, Faulkner & Co. („The Firm“), Arts and Crafts Exhibition Society,

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Morris & Co, Art Workers Guild Themen / / das Handwerk & alte Techniken („zurück zu den Wurzeln“), Materialgerechtigkeit, Qualität, Schönheit, Ehrlichkeit, Nützlichkeit, Sozialverträglichkeit Merkmale & Mittel / Organisation in mittelalterlichem Gildensystem, stilisierte Motive, von der Natur inspiriertes Ornament, klar strukturierte Formen, natürliche Materialien Kontext / / Viktorianisches Zeitalter, Industrialisierung, Früh-Kapitalismus, maschinelle Massenproduktion, „vulgäre“ Ornamentierung Disziplinen / Architektur, Mode, Design, Malerei, Literatur Ereignisse & Medien / Zeitschrift „The Studio“ Bsp. Programmschrift / William Morris: „The Arts and Crafts of Today“, 1989 Stuhl (Bsp.) / Sessel für Morris, Marshall, Faulkner und Co., ca. 1866

Italienischer Futurismus / 1909- 1944 / Italien / Filippo Tommaso Marinetti (1876–1944), Antonio Sant’Elia (1888–1916), Giacomo Balla (1871–1958), Fortunato Depero (1892–1960) / Aufbruch, Dynamik, Schnelligkeit, Verehrung moderner Industrie und Technologie, die Gründung einer neuen Kultur, Jugend, Gewalt, der Krieg, die Zukunft, das Neue / Bereitschaft zur gewalttätigen Umsetzung von Zielen im Alleingang, radikale Respektlosigkeit vor der Vergangenheit, das Fehlen jeglicher sozialer Bezüge, provokativer Tabubruch, Aggressivität, simultane Darstellung zeitlicher Abläufe, neuartige Materialien, Bewegung, Collage, Montage

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/ Propaganda für den Ersten Weltkrieg, Oktoberrevolution wird begrüßt, 1923 geht Futuristische Politische Partei in Mussolinis faschistischer Partei auf / Malerei, Plastik, Theater, Musik, Literatur, Architektur, Mode, Kunstgewerbe / ab 1910 „Serate futuriste“ (Futuristische Abende), ab 1911 futuristische Wanderausstellung

Konstruktivismus, Suprematismus (Russische Avantgarde) / 1915-1930er / Russland / El Lissitzky (1890–1941), Alexandr Rodchenko (1891–1956), Vladimir Tatlin (1885–1953), Varvara Stepanova (1894–1958), Kazimir Malevich (1878–1935) / Unovis, Karo-Bube, LEF (Linke Front der Künste) / Konstruktivismus: neue, nach Funktion und Material ausgerichtete Gestaltungsprinzipien für alle Bereiche der (angewandten) Kunst, das Verhältnis von Körper und Raum; Suprematismus: völlige Befreiung vom Gegenstand als Ausdruck der reinen Empfindung / Anwendung neuester technischer Entwicklungen in der Kunst, einfach-geometische Formen, dynamische Komposition, kinetische Elemente, neue Materialien (Glas, Stahl, Plastik), minimaler Raum / 1918-20 russischer Bürgerkrieg, Urbanisierung, Technisierung, Kommunismus, neue Formensprache für politische Propaganda – künstlerische und politische Revolution gehen erst einher, später als „dekadenter Formalismus“ verunglimpft / Malerei, Plastik, Architektur, Grafik, Theater, Design, Fotografie / 1915/16 Ausstellung „0.10“ / „Tatlin-Stuhl“, 1927 / Kazimir Malevich: „Suprematistisches Manifest“, 1916

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De Stijl / 1917-1931 / Leiden, Niederlande / Theo van Doesburg (1883–1931), Piet Mondrian (1872–1944), Jan Wils (1891–1972), Gerrit Rietveld (1888–1964), Robert van ’t Hoff (1887–1979), Jakob Johannes Pieter Oud (1890– 1963), Georges Vantongerloo (1886–1965), Vilmos Huszar (1889–1960), Bart Van der Leck (1876–1958) / Abwendung von den traditionellen Darstellungsformen der Kunst, Definition einer auf alle Bereiche der Gestaltung anwendbaren Ästhetik / Primär- und Nichtfarben (Farbblöcke), Abstraktion, Geometrie, Variation elementarer Prinzipien: vertikal-senkrecht, groß-klein, hell-dunkel, Linien / Ordnung und Struktur in Reaktion auf den Ersten Weltkrieg / Malerei, Design, Architektur, Theorie, Poesie / 1917-1928 monatlich (mit Unterbrechungen) Kunstzeitschrift „De Stijl“ / Theo van Doesburg: „Manifest I“, 1918 / „Rot-Blauer Stuhl“, 1919 / nicht bekannt / „Wenn die Ausdrucksmittel von allen Eigentümlichkeiten befreit sind, stehen sie in Beziehung mit dem eigentlichen Ziel der Kunst: eine universelle Sprache zu schaffen.“ – Theo van Doesburg1 1 in Dietmar Elger: „Abstrakte Kunst“, Taschen Verlag, 2008

Surrealismus / ab 1921 / Paris, Frankreich – Le bureau central de recherches surréalistes („Büro für surrealistische Forschungen“) / André Breton (1996–1966), René Magritte (1898–1967), Joan Miro (1893–1983), René Crevel (1900–1935), Salvadore Dalí (1904–1989, später ausgeschlossen), Man Ray(1890–1976), Meret Oppenheim (1913–1985) / das Unbewusste, der Traum, der Humor, das Bizarre, Fremde, Andersartige, die Revolte, der Aufstand / Verfremdung und Assemblage von Alltagsgegenständen, found object, Dekontextualisierung, Écriture automatique, Ready-made, Objet trouvé / Sigmund Freuds Psychoanalyse / Malerei, Skulptur, Gestaltung von Objekten und Gebäuden, Literatur, Theater, Philosophie, Fotografie / „la révolution surréaliste“, Zeitschrift, 12 Ausgaben / André Breton: „Manifest des Surrealismus, 1924

Staatliches Bauhaus / 1919-1933 / Weimar, Dessau, Berlin / Walter Gropius (1883–1969), Marcel Breuer (1902–1971), Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969), Marianne Brandt (1893–1983), Oskar Schlemmer (1888–1943), Lázló MoholyNagy (1895–1946), Johannes Itten (1888–1967)

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/ bis 1923 „expressionistische Phase“: Zusammenführung von Kunst & Handwerk, Architektur als Gesamtkunstwerk, später zunehmend funktionalistische Ausrichtung (Industriedesign): Entwicklung einer neuen Formensprache im Kontext der Industrie, soziales Design, Gestaltung der Zukunft / anfangs expressionistische Tendenzen, Experimente, später Sachlichkeit, Rationalität, Funktionalismus (klare Formen und Farben, Geometrie) / Aufbruch-Stimmung nach dem Ersten Weltkrieg, Weimarer Republik, Inflation, Spannungen zwischen politisch rechten und linken Gruppierungen / Design, Architekur, Theater, Fotografie, Grafik, Malerei, Skulptur / 5

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Gruppenfoto nicht bekannt / In eigenen Worten „Im Handwerk liegt die wahre / Wurzel der Kunst.“ – Walter Crane

/ Filippo Tommaso Marinetti: „Manifest des Futurismus“, 1909 / Giacomo Balla zugeschriebener Stuhl aus Walnussholz & Ulmenfurnier, circa 1909-1916 / zahlreiche, z. Bsp. Russolo, Carrà, Marinetti, Boccioni und Severini vor Le Figaro, Paris, 9. Februar 1912 / „… ein aufheulendes Auto (...) ist schöner als die Nike von Samothrake“ – F.T. Marinetti: Futuristisches Gründungsmanifest, 1909

/ nicht bekannt / „Es ist notwendig, dem alten künstlerischen Denken eine neue Form – die Materialkultur – gegenüberzustellen.“ – Vladimir Tatlin, 1930


Zeitschrift „bauhaus“, Flugblatt „der austausch“, Bauhaus-Mappen, Bauhaus-Bücher, Plakate, Info-Broschüren, Bauhaus-Feste, Wanderausstellung, ... / Walter Gropius: „Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses“, 1919 / „Wassily“, 1925/26 / zahlreiche Gruppenfotografien, unzählige Alltagsfotos / „Der Künstler ist eine Steigerung des Handwerkers.“ – Walter Gropius „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ – Hannes Meyer1

/ „Leda“, 1935-37 / zahlreiche Gruppenfotografien, welche z.T. als Werke konzipiert wurden / „Der Surrealismus ist kein neues oder einfacheres Ausdrucksmittel, oder gar eine Metaphysik der Poesie; er ist ein Mittel zur totalen Befreiung des Geistes und all dessen, was ihm ähnelt.“ – Büro für surrealistische Forschungen: Erklärung vom 27. Januar 19251 1 in Heribert Becker (Hrsg.): „Es brennt! Pamphlete der Surrealisten“, Edition Nautilus, 1998

1 http://bauhaus-online.de/ atlas/personen/hannes-meyer

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1 Walter Crane: Ticket der Arts and Crafts Exhibition Society, 1890 2 Giacomo Balla: „Trelsì. . . . Trelnò“, 1914 3 Kazimir Malevich: „Das schwarze Quadrat“, 1915 4 Oskar Schlemmer: Bauhaus Logo, 1922 5 Illustration aus der ersten Ausgabe „La Révolution surréaliste“, 1924 6 Theo van Doesburg: „Rhythm of a Russian Dance“, 1918

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Name / HfG Ulm Zeit / / 1953-1968 Zentrum/ / Ulm, Deutschland prominente VertreterInnen Inge Scholl (1917–1998), Otl Aicher (1922–1991), Max Bill (1908–1994), Hans Gugelot (1920–1965), Walter Zeischegg (1983–1917), Horst Rittel (1930–1990), Tomás Maldonado (*1922) Gruppen/ / nicht bekannt Themen / / Lehre, Entwicklung und Forschung im Bereich der Gestaltung industrieller Erzeugnisse, Verbindung von Gestaltung & Wissenschaft, Gestaltung von Systemen, Bewusstsein gesellschaftspolitischer Verantwortung Merkmale & Mittel / Befreiung der Gegenstände von allem „Überflüssigen“, z.T. konsequente Kleinschreibung, Interdisziplinarität, Gebrauchstüchtigkeit, Dauerhaftigkeit, ästhetische Schlichtheit Kontext / / Nachkriegs-Deutschland, Wiederaufbau, Wirtschaftsaufschwung, Wunderjahre, Spannungen zwischen West/Ost Disziplinen / Produktgestaltung, Visuelle Kommunikation, Bauen, Information und Film Ereignisse & Medien / Zeitschrift der Hochschule für Gestaltung Bsp. Programmschrift / Max Bill: „Die gute Form“, 1957 Stuhl / / Ulmer Hocker, 1954 Gruppenfoto / das Gruppenfoto als Klassenfoto, Alltagsfotografien zur Vermittlung des Schulkonzeptes, z. Bsp. Diaserie „Leben an der HfG“ /

Situationistische Internationale (SI) / 1957-1972 / Paris, Frankreich, auch in: Amsterdam, London, Italien, Deutschland, Schweden / Michèle Bernstein (*1932), Guy Debord (1931–1994), Asger Jorn (1914–1973), Raoul Vaneigem (*1934), Attila Kotányi (1924– 2003), Constant Nieuwenhuys (1920–2005) / Lettrist International, MIBI, Golden Fleet, Gruppe SPUR, CMDO (Conseil pour le Maintien des Occupations), London Psychogeographical Association / Klassenkampf, der öffentliche Raum, die Überführung der Kunst ins Leben, der Alltag, die Vereinnahmung künstlerischer Strategien für kapitalistisch-spektakuläre Interessen / Dérive (zielloses Driften im städtischen Raum, das provozierende Konstruieren von Situationen, die einen direkten politischen Effekt auslösen; Détournement, Psychogeographie, Collage, Gründung von Gruppen / Studentenrevolte Mai 68 / Film, politische Aktion, Grafik, Literatur, experimentelle Stadtforschung, Architektur 1

/ Filmscreenings & Aktionen, aber keine Ausstellungen (denn: Ausstellung bedeutet, die Kunst vom Leben zu trennen)

Fluxus / 1961

/ New York, Wiesbaden, Köln, Wuppertal, Düsseldorf, Paris, Nizza, Amsterdam / George Maciunas (1931–1978), Joseph Beus (1921–1986), John Cage (1912–1992), George Brecht (1926–2008), Nam June Paik (1932–2006), Mary Bauermeister (*1934), Robert Filiou (1926–1987), Alison Knowles (*1933), Yoko Ono (*1933), Ben Vautier (*1935) / Aktionskunst, Bewegung unter Künstlern gegen elitäre Hochkunst, Schaffung neuer kollektive Lebensformen / Humor, Einbindung des Publikums, Reduktion, Wiederholung, Improvisation, Zufall, Anleitungen, Performances, Gesten und Aktionen aus dem Alltäglichen / Reaktion auf eine stilisierte, intellektuelle Hochkultur („to ‘purge the world of bourgeois sickness, “intellectual”, professional and commercialized culture …“) / Musik, Malerei, Literatur, Happening, Performance / Fluxkonzerte, Fluxkit, Fluxfestivals (“Aktionen”), Fluxusnewspaper, Fluxyearbox u.v.m. / George Maciunas: „Fluxus Manifesto“, 1963 / „Three Chair Evenets“, 1961

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Radical Design / 1963-74 / Florenz, Italien / Ettore Sottsass Jr.(19172007), Andrea Branzi (*1938), Allessandro Mendini (*1931), Michele de Lucchi (*1951), Ugo La Pietra (*1936), Gaetano Pesce (*1939), Cini Boeri (*1924), Marco Piva (*1952), Gianni Pettena (*1940)

/ Archizoom (1966-78), UFO, Superstudio (1966-82), Global Tools, Gruppo Strum (1963), STUDIODADA (1977-88) / experimentelles und radikalisiertes Design, Kritik an der Konsumgesellschaft, sozialpolitisches Bewusstsein, gegen „Bel design“ als Statussymbol, Objekte als Repräsentanten einer Theorie, Utopie & Dystopie des technischen Fortschritts, die Beziehung zwischen Artefakten und der menschlichen Existenz / Hypothesen, Vorschläge, Pläne, Möglichkeiten, Experimente, Details, Performances, Collagen / post-faschistisches Italien, Italiens Entwicklung zur Konsumgesellschaft, funktionalistische Strömungen, Doktrin der Moderne (kein Ornament!) / Design, Grafik, Architektur, Aktion / Zeitschriften „Casabella“, „Domus“, „Modo“

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Ökologische Gestaltung1 / 1968er, 70er / Offenbach, Deutschland; USA / Jochen Gros (*1944), Victor Papanek (1923–1998), Steward Brand (*1938) / Des-In (1974), Whole Earth Catalog (1968-72), Drop City (1965-frühe 1970er) / Umwelt- und Sozialverträglichkeit, Fokus auf lokale soziale und materielle Resourcen, soziale Netzwerke, Partizipation & Austausch / schonender Umgang mit Ressourcen, Sparsamkeit, Recycling, unbehandelte Naturmaterialien, Form stark von der lokalen Kultur und Materialien beeinflusst, DIY, Autarkie / „Die Grenzen des Wachstums“, Ölkrise, Studentenrevolte, alternativer Lebensstil und politisches Engagement in den Neuen Sozialen Bewegungen (Friedensbewegung, Women‘s liberation movement, Umweltbewegung, Schwulen- und Lesbenbewegung) / Design, Architektur, Politik, Lebensformen, alternative Konsumpraxen / Victor Papanek: „Design for the real world“ 1 Genau genommen gibt es keine geschlossene Ökologische Designbewegung. Sehr wohl existierte damals aber international eine Umweltbewegung, welche auch von Gestaltern geprägt wurde. Designer agierten innerhalb dieser grün-alternativen Bewegung als spezialisierte Aktivisten. Die einzelnen Gruppen waren lose verbunden. Sie werden hier als Designbewegung angeführt – unter anderem wegen ihrer signifikanten Objekte und Ideen, welche maßgeblich den gegenwärtigen Fokus der Designer auf Nachhaltigkeit geprägt haben.

Neues Deutsches Design / 1980er / Berlin, BRD / Andreas Brandolini (*1951), Volker Albus (*1949), Heiko Bartels (1947–2014), Christian Borngräber (1945–1992), Peter Gente (1936–2014), Claudia Schneider-Esleben (*1949) / Stiletto, Ginbande, Gruppe Kunstflug, Möbel Perdu, Pentagon, Bellefast, Berlinetta, Cocktail, rastlos / Abwendung vom Funktionalismus und von den vorherrschenden Regeln des Industriedesigns, Autorendesign, Anwendung künstlerischer Strategien (Ausstellung in Galerien etc.) – Aufsprengung der Grenzen zwischen Kunst und Produktgestaltung / Experimente, Aleatorik, Unfertigkeit, Humor, Kombination ungewöhnlicher Materialien & Formen, „Ästhetik der Collage und der Brüche“, Ready-Mades, ironischer Prunk, Neobarock & Kitsch, Kunsthandwerkliches / rastlos: „For sale?“, 1982 / „Consumer´s Rest“, 1988 / zahlreiche Gruppenfotografien, fotografische Dokumentation des Alltagslebens / „Viel Design für viele“ – Kunstflug

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In eigenen Worten / Otl Aicher : „ein auf technik und wissenschaft abgestütztes modell des design, der desi gner nicht mehr als übergeordneter künstler, sondern gleichwertiger partner im entscheidungsprozess der industriellen produktion“1 1 http://www.hfg-ulm. de/714.html

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/ Guy Debord: „Die Gesellschaft des Spektakels“, 1967 / kein Stuhl / zahlreiche Gruppenfotografien, Schnappschüsse / „La beauté est dans la rue.“ „Sous les pavés, la plage.“ „Ne travaillez jamais!“ „Abolition des musées!“ – Sprüche aus dem Umfeld der Situationistischen Internationalen

/ nicht bekannt / „Das Leben ist ein Kunstwerk, und das Kunstwerk ist Leben.“ – Emmett Williams1 1 http://www.zeit.de/ kultur/kunst/2012-09/fluxus-50-jahre


/ Superstudio: „Superarchitettura“, 1966 / „Mies“, 1969 / zahlreiche Gruppenfotografien, Fotografie zur Dokumentation von Aktionen und als Mittel / „The real revolution in radical architecture is the revolution of kitsch: mass cultural consumption,pop art, an industrial-commercial language. There is the idea of radicalizing the industrial component of modern architecture to the extreme.“ – Andrea Branzi1

/ „Reifensofa“, 1975 / nicht bekannt / „Access to Tools“ „Stay hungry. Stay foolish.“2 „Jute statt Plastik“3 2 Slogans auf dem Titel des Whole Earth Catalog, http://www. wholeearth.com/index.php 3 Aufdruck auf dem Jutebeutel

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1 http://www.medienkunstnetz.de/works/no-stop-city/images/3/

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1 Giuseppe Pinot Gallizio: „ABOLITION DU TRAVAIL ALIENE“, 1963 2 Joseph Beuys: „10 Fluxus West Postcards“ (Detail), 1959-1981 3 Superstudio: „Supersurface“, 1970 4 Einladung zum Karneval an der Hfg, 1961 5 Detail vom Titelblatt des Whole Earth Catalog, 1968 6 Ausstellungsplakat zu: „gefuehlscollagen – wohnen von sinnen“, 1986

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ung Die g e w e nb Desig uch s r e v s – ition n i f e ein D Die Designbewegung ist eine spezielle Form der sozialen Bewegung. Letztere hat das generelle Ziel, eine gesellschaftliche Veränderung zu beschleunigen, zu verhindern oder umzukehren.1 Eine Designbewegung versucht, dieses Ziel mit den Mitteln der Gestaltung herbeizuführen. Sie basiert auf einer umfassenden Philosophie, deren Kommunikation oder Umsetzung angestrebt wird. Es geht ihr darum, Vorschläge zu machen, zu überzeugen, zu reflektieren oder zu warnen. Definiert eine Designbewegung sich selbst? Eine Bewegung bestimmt zu Beginn ihre eigenen Regeln. Sie setzt sich ihren Rahmen selbst, innerhalb dessen sie sich frei entfalten kann. Es geht ihr um eine klare Abgrenzung von den als unzulänglich erachteten Verhältnissen, um eine Verortung im Kontext der eigenen Zeit und Gesellschaft. Durch eine starke Aussage – Ablehnung, Befürwortung und Hinterfragung – wird Position bezogen. Diese Selbstdefinition wird in einem Manifest oder einer Programmschrift festgehalten und kann durch Überarbeitungen derselben revidiert und entwickelt werden. 2 Das Medium des Manifests ist vielfältig. Das Manifest nimmt nicht nur die Form von Texten, sondern auch Bildern oder Objekten an, was am Beispiel des Stuhls gut nachvollziehbar ist (siehe Seite 70). In einer Designbewegung ist das Design selbst eine Sprache, welche Gedanken greifbar macht. Im Gegensatz zu Designströmungen, welche oftmals im historischen Rückblick als solche erkannt werden, kann eine Designbewegung nicht im Nachhinein zu einer solchen erklärt werden.3 Sie kann nur durch ihre Akteure selbst erfasst, erklärt und definiert beziehungsweise mittels der gestalteten Objekte dargestellt werden. Nur eine Bewegung, welche sich selbst als eine solche begreift, ist auch eine Bewegung.4 Sie formuliert eine Identität. Auf das Critical Design 5, welches durch Dunne & Raby 1999 definiert wurde, treffen zum Beispiel durchaus viele Merkmale einer Bewegung zu, jedoch sehen sich die Akteure selbst ausdrücklich nicht als solche an – und können deshalb auch nicht zu einer Bewegung gemacht werden.6 Ist sich eine Designbewegung ihrer selbst bewusst? Eine Designbewegung ist eine Strömung, welche sich ihrer Existenz als Strömung bewusst ist beziehungsweise eine solche sein möchte. Dabei geht es vor allem um 18

Integrität. Eine Designbewegung ist untrennbar mit dem Handeln der Akteure verbunden. Man ist nicht in einer Bewegung, man ist eine Bewegung. Es wird aus Überzeugung oder Begeisterung agiert. Das eigene Leben wird zum Objekt der Gestaltung im Sinne der Philosophie der Bewegung. Es wird mit dem eigenen Umfeld experimentiert. Eine Designbewegung zeichnet sich durch bewusste, aber auch zu Bewusstsein führende Handlungen aus. Die Mitglieder einer Designbewegung handeln und gestalten nach den von ihnen selbst definierten Grundsätzen, welche dadurch in den Alltag überführt werden. Sehr oft leben und arbeiten sie gemeinsam. Tomás Maldonado, Direktor der HfG Ulm, fasste diesen gemeinschaftlichen Charakter 1964 so zusammen: »Die HfG ist nicht nur eine Schule, an der man eine bestimmte Fachausbildung erhält; die HfG ist vielmehr eine Gemeinschaft, deren Mitglieder dieselben Intentionen teilen: der menschlichen Umwelt Struktur und Gehalt zu verleihen«.7 Ist eine Designbewegung das Abbild einer Generation 8 ? Die Mitglieder einer Designbewegung gehören zumeist derselben Generation an. Das Phänomen der Bewegung scheint gekoppelt an eine Lebensphase des Stürmen und Drängens. Anhand der Geburtsdaten wird ersichtlich, dass die Beteiligten einer Bewegung zum Zeitpunkt ihrer Gründung zumeist in einem Alter von Anfang zwanzig bis Mitte dreißig sind. In einigen Fällen, wie zum Beispiel bei den Futuristen oder den Fluxus-Mitgliedern, lässt sich auch zwischen verschiedenen Generationen unterscheiden. Dies ist der Fall, wenn die Bewegung lange genug existiert, um Nachwuchs zu bekommen. Nicht alleine mit seinem Anliegen zu sein, sondern dieses zu teilen, hilft, die Dringlichkeit und Wichtigkeit desselben zu erkennen. Die gemeinsame Problematik generiert einen Zusammenhalt und funktioniert als Katalysator für eine aktive Auseinandersetzung. Dabei treten dringende Bedürfnisse und Fragen der Gegenwart zutage: Die Akteure thematisieren jene Problematik, welche sie intuitiv aus ihrer Umgebung aufgenommen haben. Eine Designbewegung ist somit charakterisiert durch ein bestimmtes Milieu, eine bestimmte Haltung. Sie reflektiert diesen Zeitgeist und versucht, die eigenen Ideen zu etablieren.9 Die Zielgruppe ist also die eigene Gestalter-Generation, welche sich selbst befreien möchte von den überholten Anschauungen der Altvorderen, sich ihren eigenen Platz in der Welt sucht und diesem eine ihr entsprechende Form gibt. Anders als bei sozialen Bewegungen sind dafür keine Massen vonnöten: Die Designbewegung spricht durch ihre Objekte und sendet diese als Botschafter in die Welt. 10 Eine Designbewegung kann durch Gestaltung bewegen und begeistern. 11


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Gruppiert sich eine Designbewegung um eine Thematik? Im Kontext der Problematik, um die sich eine Designbewegung gruppiert, kristallisieren sich oft spezifische Themen heraus. Diese werden exemplarisch zum Mittelpunkt der Diskussion. Die Arts and Crafts Bewegung beispielsweise erkor das Handwerk zu ihrem zentralen Anliegen, der Futurismus pries das Neue und Schnelle und der Surrealismus beschäftigte sich mit dem Unterbewussten. Am Bauhaus wurde unter anderem verstärkt auf das Soziale in der Gestaltung geachtet und die Ökologische Designbewegung beschäftigte sich mit der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit. Die Thematik steht immer im Zusammenhang mit dem persönlichen Anliegen, welches die Mitglieder als Bewegung zusammenbrachte, mit einem persönlichen Unbehagen, welches auf Probleme in der Gesellschaft hindeutet: Etwa die Erfahrung einer rücksichtslosen, kapitalistisch orientierten Gesellschaft, eines dogmatischen Funktionalismus, einer bedrohlichen Umweltverschmutzung oder einer oberflächlichen Konsumgesellschaft.

Gestaltung des öffentlichen Lebens gerichtetes Handeln” 12, welches sich über die Gestaltung von Objekten als Botschafter realisiert: Anliegen werden als Form artikuliert, Gegenstände verkörpern gemeinsame Ideale und Ziele. Es ist eine Politik, die sich im Alltäglichen manifestiert – durch die Gestaltung unserer unmittelbaren Umwelt. Gesetze und Regeln manifestieren sich in physischen Gegenständen und Bildern. Die politische Botschaft wird durch Publikationen, Ausstellungen und Produkte verbreitet. Die Designer der Periode des Radical Design im Italien der 1960er Jahre nutzten zum Beispiel die Zeitschrift „Domus“ als ihr Kommunikationsorgan – welche bis heute eine Instanz darstellt. Auch viele sogenannte „Designklassiker“ wurden als Teil der Programme von Designbewegungen entworfen und sind zu beliebten Gebrauchsobjekten und Alltagsgegenständen geworden, wie zum Beispiel der Stahlclubsessel „Wassily“ von Marcel Breuer aus dem Jahr 1925/26. Viele Gegenstände haben die nachfolgenden Stile nachhaltig geprägt (Beispiele dazu finden sich ab Seite 98).

Ist eine Designbewegung diszplinübergreifend? Bei einer Designbewegung kommen Menschen aus verschiedenen Professionen zusammen, welche das gleiche Unbehagen teilen: Theoretiker, Gestalterinnen, Künstler, Politikerinnen, Literaten, Musikerinnen… Oftmals sind die Akteure einer Bewegung in verschiedenen Disziplinen aktiv. So war William Morris als eine zentrale Figur der Arts and Crafts Bewegung Unternehmer, Politiker, Kunsthandwerker und Literat. Am Bauhaus kamen Maler, Architekten, Designer, Szenografen und Grafiker zusammen. De Stijl umfasste Literatur, Malerei und Grafik, Architektur und Design. Die Grenze zwischen den Disziplinen verwischt innerhalb der Bewegung. Dies wird am Beispiel des Neuen Deutschen Designs deutlich: Design-Objekte wurden in Galerien ausgestellt und näherten sich Kunst-Objekten an. Die Vielzahl an Anwendungen und Konnotationen macht gerade den Reichtum und die gesellschaftliche Relevanz einer Designbewegung aus. Es wird ein breites Themenspektrum auf viele verschiedene Arten angesprochen, wodurch viele Menschen mit verschiedenen sozialen und professionellen Hintergründen erreicht werden können. Der Austausch und die Kooperation befähigt die Mitglieder zu einem gewissen Weitblick und multiperspektivischen Denkansätzen.

Ist eine Designbewegungen radikal? Auch innerhalb der Designbewegung wird politisch gehandelt. 13 Es agieren verschiedene Instanzen. Unterschiedliche Gruppen und Meinungen erlauben es, die Bewegung in einem Spektrum zwischen Radikalität und Revision voranzutreiben und immer wieder neu zu definieren. Die Bewegung entsteht durch Spannung und Gegensätze – sowohl physisch 14 als auch im übertragenen Sinne. Eine radikale Position bedeutet, sich ganz und gar für oder gegen etwas auszusprechen und die Extreme der Zeit ausfindig zu machen.

Hat eine Designbewegung eine politische Dimension? Die Akteure einer Bewegung wollen aktiv etwas ändern und ihre Ansichten publik machen. Objekte werden ebenso zu Akteuren wie die Aktivisten selbst. Eine Designbewegung betreibt also Aktivismus mit der Gestaltung, durch die Gestaltung. Sie ist “auf die

Ist eine Designbewegung reflektierend? Im Diskurs zwischen den verschiedenen gestalterischen und philosophischen Ansätzen wird die Disziplin selbst zum Thema. Designbewegungen halten so die Debatte über das Fachgebiet „Design“ am Leben. Sie definieren den Begriff immer wieder neu, indem sie ihn erweitern und einschränken. Besonders heute, wo der Begriff des Design in alle Richtungen expandiert, ist es von Interesse, über das Phänomen der Designbewegung nachzudenken. Eine Designbewegung reflektiert aber auch ihr Umfeld. Sie ist ein Spiegel ihrer Zeit und entwirft zugleich den Zeitgeist der Zukunft, indem sie Forderungen stellt und innerhalb der Entwürfe Möglichkeiten aufweist, welche vom Status Quo abweichen. Der Ausblick auf diese Möglichkeiten gestaltet das Kommende. So hat die Thematisierung der Nachhaltigkeit durch die Ökologische Designbewegung maßgeblich die Politik und die Gestaltung mit beeinflusst, und das Anliegen der Nachhaltigkeit hat sich gesamtgesellschaftlich etabliert. Der durch Designbewegungen erzeugte Perspek-


tivwechsel stößt eine Diskussion an. Dies ist am Schlagabtausch zwischen den Designbewegungen erkennbar: Sie beeinflussen sich gegenseitig, wechseln einander ab, widersprechen sich und entwerfen so ein komplexes, vielschichtiges Bild der Aufgaben des Gestalters. Statuiert eine Designbewegung Exempel? Die Objekte unterstützen dabei die Argumente. Mit Gegenständen werden Aussagen getroffen. Vielmals ist der Nutzen eines Gegenstandes die Verkörperung eines Gedankens als Kommunikationsmittel. Die entfremdeten Gegenstände der Surrealisten riefen zu einer Neubetrachtung des Alltäglichen auf und forderten in einer rationalisierenden Gesellschaft Aufmerksamkeit für das Unterbewusste. Im Gegensatz dazu stellten sich die Produkte, welche an der HfG in Ulm entworfen wurden, in den Dienst einer wirtschaftlich aufstrebenden Gesellschaft im Nachbeben eines katastrophalen Krieges. Die Bewegung resultiert aus dem jeweiligen sozialen Kontext, welchen sie in Objekten verarbeitet. Die Gestaltung der Umwelt wird so zur Gestaltung von gesellschaftlichen Strukturen, Themen und Tendenzen. Hat eine Designbewegung einen Überzeugungswillen? Auffällig ist das universitäre Umfeld der Designbewegungen. Entweder entstanden sie im Kontext einer Bildungseinrichtung oder sie schufen sich ihre eigene akademische Basis. Das Staatliche Bauhaus und die HfG Ulm waren als Schulen bekannt für ihre neuartigen Lehrmethoden und als Zentren einer innovativen Gestaltung weltweit beachtet. Die Arts and Crafts Bewegung brachte 1886 die „Central School of Arts and Crafts“ hervor. Als Theo van Doesburg als Bauhaus-Meister zurückgewiesen wurde, installierte sich der Begründer von De Stijl nicht unweit des Bauhauses, um dort interessierte Studenten über die Ideen des Konstruktivismus, Dadaismus und von De Stijl zu unterrichten. Des-In wiederum war eine studentische Arbeitsgruppe, welche in den 1970er Jahren als Vertreter des Alternativdesigns der Hochschule Offenbach entsprungen war. Auch das Radical Design entstand im Umfeld der Hochschule in Florenz. Viele Vertreter dieser Designbewegungen wurden auch als Professoren berufen – unter anderem der Initiator des Suprematismus, Kazimir Malevich, und viele Akteure des Neuen Deutschen Designs. Zudem wurden die Anliegen dieser Bewegungen der Öffentlichkeit präsentiert. In Wanderausstellungen informierte das Bauhaus die Bevölkerung über dessen Entwicklung, ebenso wie der Futurismus. Auch die vielen Publikationen, welche im Kontext der Bewegungen herausgegeben wurden, zeugen davon, dass der Anspruch besteht, Ansichten und Wissen zu vermitteln.

Ist eine Designbewegung nichts von alledem? Können wir nach dem bisher Dargestellten wirklich definieren, was eine Designbewegung ist? Nein, das können wir nicht. Denn eine solche Definition bleibt jenen Akteuren überlassen, welche eine Designbewegung ausmachen. Eine Bewegung ist flüchtig, ein sich ständig transformierendes Gebilde, welches sich immer wieder neu selbst definiert. Man kann für die Vergangenheit feststellen, was eine Designbewegung war. Was sie ist und sein wird, ist jedoch offen. Die verschiedenen Designbewegungen, welche in diesem Buch vorgestellt und untersucht werden, hatten alle ihre eigene Auffassung davon, was es bedeutet, eine Designbewegung zu sein. Aus diesem Grund wird im Folgenden auch keine generelle Definition der Designbewegung vorgenommen, vielmehr wird versucht, sich dem Phänomen von vielen Seiten anzunähern. Die hier präsentierten Thesen können anhand der gestalteten Objekte der Designbewegungen überprüft werden. Es ist auffällig, dass fast alle der hier untersuchten Bewegungen Manifeste, Manifest-Objekte, Gruppenfotografien, Publikationen, Ausstellungen und Alltags-Objekte hervorgebracht haben. Was können diese Spuren uns mitteilen? In einer vergleichenden Sammlung können vielerlei Gemeinsamkeiten und ebenso regelbestätigende Ausnahmen festgestellt werden. Im Kontext des Gewesenen soll versucht werden, das Gegenwärtige zu erfassen. Wie hat sich die Designbewegung bis zum heutigen Tag verändert? Als Abbild einer Generation reflektieren Designbewegungen deutlich den Zeitgeist – und weisen über ihn hinaus auf das Kommende. Die folgende Untersuchung konzentriert sich auf dreizehn verschiedene Bewegungen, welche alle maßgeblich den Gestaltungsbegriff geprägt haben oder noch auf dem Weg dahin sind, diesen zu prägen. Sie werden nebeneinander und durcheinander präsentiert, denn heute bedienen wir uns bei ihnen allen gleichermaßen – ob bewusst oder unterbewusst. Dabei darf nicht vergessen werden, dass im Nachhinein vieles klarer erscheint, als zu seiner Entstehungszeit. Man darf nicht davon ausgehen, dass alles, was in den und durch die Designbewegungen geschah, von Anfang an so zielgerichtet und selbstverständlich war, wie es heute teilweise erscheint. In einer Bewegung zu sein bedeutet auch, zu suchen, zu experimentieren, sich zu irren. Viele historische Begebenheiten werden nachträglich stilisiert und erscheinen als Ikonen – welche im Zusammenhang des Gegenwärtigen verfälscht, angepasst und zurechtgerückt werden. 15 Es geht nicht darum, die Designbewegungen zu kategorisieren und einer nachträglichen Logik zu unterstellen. Vielmehr geht es darum, im Vergleich 21


Schlüsse zu ziehen über unsere eigene Zeit. Somit ist die Ausstellung eine Analyse des Vergangenen – für die Gegenwart. Es soll keine Historie geschrieben, sondern Geschichten erzählt werden. Von Menschen, die nicht einverstanden waren, von Menschen, die etwas ändern wollten, von Menschen, die unsere Welt mitgestaltet haben – und die uns vielleicht sehr ähnlich waren.

1 Thomas Kern: Soziale Bewegungen. Ursachen, Wirkungen, Mechanismen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008, S. 13 2 André Beton geht im Manifest des Surrealismus sogar so weit, diese Definition auch als solche auszuformlieren: „Ich definiere es also ein für allemal: SURREALISMUS, Substantiv, m., reiner, psychischer Automatismus, durch welchen man (...) den wirklichen Ablauf des Denkens auszudrücken sucht. (...)“ 3 Dies erklärt unter anderem die radikale Ablehnung der Bezeichnung „Situationismus“ durch die Mitglieder der Situationistsischen Internationalen als Ausdruck einer starren Ideologie, welchen sie als Begriff ihrernGegnern zuschrieben. 4 siehe Lucius Burckhardt: ...in unseren Köpfen, 1978, in: Design ist unsichtbar, Martin Schmitz Verlag, 2012, S. 161 5 „Critical Design uses speculative design proposals to challenge narrow assumptions, preconceptions and givens about the role products play in everyday life.“, http://www.dunneandraby.co.uk/ content/bydandr/13/0 6 „Is it a movement? No. It‘s not really a field that can be neatly defined. It‘s more about values and an attitude, a way of looking at design and imagining its possibilities beyond the narrow definitions of what is presented through media and in the shops.“ - http://www. dunneandraby.co.uk/content/bydandr/13/0 / 7 Tomás Maldonado »Eröffnungsrede des Rektors der HfG«, http://hfg-archiv.ulm.de/die_hfg_ulm/geschichte.html 8 „Abbild einer Generation“ bedeutet in der modernen, heterogenen Gesellschaft: das Abbild einer bestimmten Gruppe innerhalb einer Generation. Diese enspricht hier zumeist einer westlichen, gebildeten Mittelklasse. 9 So verstand Oskar Schlemmer seine Bauhausbühne als „Zeitbild“. siehe dazu: „Oskar Schlemmer: Theaterarbeiten“ 10 F. T. Marinetti verwendet in seinem Futuristischen Manifest zum Beispiel das Wort „Wir“, obwohl er es alleine konzipiert hat 11 F. T. Marinetti „Futuristisches Manifest“ 12 http://www.duden.de/rechtschreibung/Politik 13 Dafür spricht die bei einigen Bewegungen gängige Praxis, Mitglieder auszuschließen. Auch interne Konflikte werden strategisch-politisch ausgetragen. Siehe dazu Patrick Rössler (Hg.): bauhaus-kommunikation. Innovative Strategien im Umgang mit Medien, interner und externer Öffentlichkeit, Gebr. mann Verlag, Berlin, 2009, S. 66ff. 14 siehe Physik: Teilchen, Pole – anziehen, abstoßen 15 https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichtsrevisionismus

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“Wir waren on fire!” – Interview mit Wolfgang Sattler über die Gruppe „rastlos“

Wolfgang Sattler (*1956) studierte Industriedesign an der Hochschule für Gestaltung/ FH Schwäbisch Gmünd. Von 1983-90 war er als Designer und Berater bei Olivetti in Mailand tätig. Gleichzeitig hatte er Lehraufträge an der Hochschule der Künste Berlin. Seit 1993 ist er Professor für Produktdesign an der Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen als Teil der Gruppe „rastlos“.

Erzählen Sie doch mal von ihrer Designbewegung. ´82 war das erste Treffen einer losen Gruppe junger europäischer Designer unter der Federführung Gregor Eichingers & Christian Knechtls. Das waren zwei junge österreichische Architekten, die sich mit Bepi Maggiori und Marco Zanuso Jr. aus Mailand getroffen haben. Das war außerhalb Wiens im Burgenland, an der ungarischen Grenze, in einem Rasthof, der sinnigerweise „Rastlos“ hieß. - deshalb nannte sich die Gruppe so. Es wurde eine einzige Frage gestellt, nämlich: For sale? Also: wollen wir das alles in kommerziellen Dimensionen entwickeln? Was wollen wir als junge Entwerfer? Diese Frage wurde sehr sehr vital diskutiert. Es waren viele heute bekannte Designer unter uns, welche damals das erste mal in Erscheinung traten. Mit dabei war z. Bsp. Jasper Morrison und Massimo Iosa Ghini, und Peter

Gente mit Heidi Paris, die zusammen den Merve Verlag gegründet haben. Mit Andreas Brandolini und mir gab es deutsche Vertreter. Das war eine Zusammenführung aller innovativen Kräfte, die es zu diesem Thema in Europa gab. Die Grundidee eines Aufbruchs hat uns vereinigt. Was war denn der Auslöser für das Treffen? Wir wollten eine breitere Öffentlichkeit erreichen – und vielleicht auch schlichtweg berühmt werden. (lacht) Wir wollten nach oben, in die erste Reihe! Als europäische Avantgardegruppe haben wir Kataloge produziert und Texte gemacht. In unserem Manifest von 1982 sind vielleicht fünfzig, sechzig junge europäische Designer mit ihren Arbeiten aufgelistet. Davon gingen sehr viele Initiativen aus. Worum ging es Ihnen denn? Für uns war das Thema „rastlos“ eine sehr authentische und belebte Realität. Wir wollten die Welt verändern! Wir wollten ein anderes Design! Wie denn „anders“? Na, besser! Damals war alles geprägt von skandinavischen Möbeln, gutem alten deutschen Industriedesign und den schwerblütigen Denkweisen des Funktionalismus. Wir wollten einen Aufbruch! Wir waren auf dem Trip, dass die nächste Generation das übernehmen muss. Und zwar mit Freiräumen 23


einen gewissen Nachholbedarf seitens der Firmen, welcher aber schnell auch inflationär gedeckt wurde. Dann war es auch ganz schnell wieder vorbei. Diese postmoderne Gestaltung und speziell das Neue Deutsche Design hatte auch nur einen Sommer. Aber immerhin! Sehen Sie heute dennoch Impulse von damals weiterentwickelt? Damals war eine große Entwicklung schon in Anfängen sichtbar, die Digitalisierung. Eichinger oder Knechtl – das „oder“ war programmatisch – hatten die ersten leistungsfähigen Macs, damals für sechzig, siebzigtausend Mark. Mit der ersten verfügbaren Software haben wir Kataloge gemacht. Das erscheint jetzt normal, so ein Layout macht man heute an einem Nachmittag. Damals begann der digitale Hype. Wir haben versucht, eine Art Spitze zu sein – und wir haben über Jahre nicht locker gelassen. Nur dann passiert das, was im Leben immer passiert: Wo die Menschen sind, da ist auch Streit... Interessant ist es, zu sehen, was aus allen geworden ist und vor allem welche wesentlichen Dinge für jeden Einzelnen in diesem Moment passiert sind. Vor allem ist ein Netzwerk entstanden – eine sehr vitale, internationale Austauschplattform. Wir waren in Mailand, in Wien, in Berlin. Wir hatten immerhin noch eine europäische Sicht. Wir haben gewusst wen es in Europa gibt. Heute weiß man das nicht mehr. Es sind zu viele.

für ein anderes Denken. Wir haben auf völlig neue Konzepte und Interaktionsformen gesetzt. In unseren Entwürfen spürt man den Zeitgeist und die Aufbruchstimmung. Man sieht die Wucht und die Kraft dahinter. Die Initiative und die inhaltliche Frage ging auf Lucius Burckhardts „Design ist unsichtbar“ zurück. Das war der Beginn der Debatte um die Postmoderne. Die 80er waren in Italien geprägt von einigen Avantgardegruppen (z. Bsp. „Memphis“ – Anm. d. R.) und in Berlin vom Neuen Deutschen Design.

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Waren die Gestaltungsvorschläge denn wirklich ernst gemeint? Aus heutiger Zeit betrachtet wirken die postmodernen Entwürfe doch recht überspitzt... Uns war es bitterer Ernst! Wir wollten ganz klar in die Produktion! Und das hat auch geklappt. Wir hatten eine erweiterte Sicht auf das Design, auf Farben, Formen und Materialen, es ging um völlig neue Lebens-Formen. Die wurden dann auch sukzessive umgesetzt, wurden zum Alltag. Damals gab es auch

Wie war denn allgemein die Stimmung? Wir hatten eine extrem flache Hierarchie. Es gab ein paar Achsen der Macher und einen losen Verbund von Leuten, die mit denen vernetzt waren. Die Stimmung war immer sehr sehr konstruktiv, auf eine kritische Reflexion konzentriert – und auf Produktion. Wir haben unsere Treffen ganz genau dokumentiert, mit vielen Bildern, vielen Texten. Es wurde auch direkt gearbeitet, da gab es dann Zeichnungen und Ideen, die auch sofort umgesetzt und dadurch sichtbar wurden. Ist denn eine Bewegung an einen bestimmten Moment im Leben gebunden? An einen jugendlichen Überschwang? An eine gewisse Lebensphase ist es auf jeden Fall gekoppelt. Man sollte so eine gewisse jugendliche Dynamik nicht unterschätzen. Als diese Gruppe junger Designer waren wir in all diesen europäischen Großstädten ein bisschen so was wie eine Rockband. Wir waren on stage, da hat man hingeguckt! Da waren Objekte, da war Musik, da war Dekor. Die


von uns erschaffene Welt war in ihrer Umfänglichkeit eine Wucht! Eine Zeit lang war jeder Abend ein Abenteuer. Man war als Gang unterwegs. Das ist vielleicht auch das, was einen so trägt in gewissen Jahren. Ich glaube, wenn man das nie erlebt hat, dann fängt man nicht Feuer für so einen Beruf, für so eine Welt, für die Gestaltung. Wir waren damals on fire! Wir haben gesprüht vor Ideen. Wir haben Diskurse geführt, wir waren politisch und systemkritisch. Wer das Ganze in die intellektuelle Turbine eingearbeitet hat war der Merve Verlag. Wir haben uns zum Teil bei Merve in der Crellestraße in Berlin getroffen, dort auch eine ganz andere Welt der Auseinandersetzung kennengelernt – Philosophen, Medienleute, Wissenschaftler, Vertreter des französischen Poststrukturalismus, alles Leute, welche aus einer sehr intellektuellen Sicht die damalige politische und gesellschaftliche Situation reflektiert haben. Und wie haben Sie das als Designer gemacht? Wir haben Objekte und Räume entworfen und vor allem: gebaut, gebaut, gebaut. Unsere Objekte haben Sichtbarkeit erzeugt. Als Lehrbeauftragte in Berlin haben wir mit unseren Studenten Themen bearbeitet wie: „Neue Küchen braucht das Land!“. Die eingeladenen Küchenhersteller waren mehr als irritiert, was da entstand. Wir haben pragmatisch und dynamisch Themen der Alltagskultur aufgegriffen, um diese komplett neu zu denken. Funktioniert es heute noch, sich zu treffen, etwas zu bewegen, Aufmerksamkeit zu bekommen? Ich denke es geht gar nicht anders! In der Anonymität digitaler Netzwerke wird es nicht funktionieren. Menschen müssen sich treffen. Es gibt gewisse Orte, wo so etwas passiert. Und gewisse Gründe, warum gewisse Leute an gewissen Orten aktiv werden. All diese Bewegungen der letzten Zeit, die ganzen Maker und Hacker: die könnten doch alle zuhause in ihrem Zimmerchen sitzen und sich vernetzten – aber nein, selbst der Chaos Computer Club trifft sich mit 3000 Leuten in einer Halle. Man muss sich riechen und anfassen können, man muss sich reiben. Man muss sich in der ganzen Dimension menschlicher Emotion austauschen. Ich glaube, das wird sich auch nie ändern. Ich kann nur dazu ermutigen, mit ein paar Leuten etwas in die Wege zu leiten, sei die Zelle auch noch so klein. Und ich glaube, es muss ein gewisser Druck da sein. Wir hatten alle nicht viel Geld. Es waren alle ohne Netz und doppelten Boden unterwegs. Beim ersten

Treffen haben wir eine Ausstellung gemacht, aber diese hatte gar kein Publikum. Denn es wusste ja niemand Bescheid. Das war in diesem Rasthof. Überliefert sind nur Fotos. Da kamen Rocker aus Wien und eine Bauchtanztruppe und dann ging da eine unglaubliche Party ab! Die war aber nicht geplant oder an irgendjemand gerichtet, sondern das hat sich ergeben. Ich glaube diese Dynamik ist das, was man einen „explodierenden Zeitgeist“ nennen könnte. An irgendeiner Stelle kommt es zum Kochen. Das passiert an vielen Stellen der Welt. Heute und morgen und immer wieder. Und man darf sich nicht fürchten davor. Manchmal ist unsere Furcht der größte Feind. Wünschen Sie sich als Professor mehr Widerstand von den Studenten? Mehr Rebellion? Ja! Vor allem mehr Wut und mehr inspirierte Unruhe! Es ist alles viel zu situiert. In der aktuellen Situation haben wir guten Grund, mit vielen Dingen unzufrieden zu sein. Dieser ganze Wohlstandsteppich, diese Zivilisationshaut, die ist dünner als wir gemeinhin glauben. Für das, was an gesellschaftlichen Auseinandersetzungen bevorsteht, müssen wir uns fit machen. Die Möglichkeiten, welche ein Studium bietet, werden viel zu vorsichtig ausgelotet. Die Grenzen einer solchen Institution müssen viel mehr ausgetestet werden. Schraubt eure eigenen Anforderungen hoch! Fragt euch: Was geht hier eigentlich? Es liegt an den Einzelnen. Man ist auch immer Kind seiner Zeit. Ich glaube, es ist alles in einem unglaublichen Wohlstandskokon eingepackt. Viel zu viele Leute glauben, für sie könnte das noch so klappen mit den Karrieren und den Erwerbsbiographien. Aber ich glaube, wir stehen vor einer ziemlich großen Zäsur. Gibt es das Berufsbild denn überhaupt noch, auf das wir hier hinarbeiten? Da müsstet ihr viel mehr die Behäbigkeit des Apparates hinterfragen, die Eckpfeiler anrempeln und sagen: He! Was bringt ihr uns denn da bei? Was sind das denn für Themen? Es gilt, provokant zu agieren!


Name / EnDevenir Zeit / / *2015 (ongoing) Zentrum / / Weimar, Berlin, Toulouse VertreterInnen / Lisa Says (*1991), Marjorie Potiron (*1991), Sara Philine Conen, Marine Bourlois (*1992), Steven Whiteley, Joel Polak (*1989), Kris Sullivan Gruppen / LaboratoireS, Roofsurfing, Gesellschaft für Aquatische Promenadologie, collectif Temoin Themen / / Bewusstsein über eigene Verantwortung, Hilflosigkeit, Ratlosigkeit, Tatendrang, Nischen, Begegnungen, Nachhaltigkeit, Leistungsgesellschaft, der Alltag, die Flucht, Potemkin, die Absurdität Merkmale & Mittel / Experimente, Zufälle, Allegorien, Unfertiges, Narration, Collage, Verfremdung, Dekontextualisierung, Mise en Abyme, Objet trouvé, performative Installation, Video, Illustration, Objekte Kontext / / Nachbeben 9/11, Terrorpanik, Überwachung, Glaubenskriege, alles kontrollierender Finanzkapitalismus, Flüchtlingswelle, Pegida, Fukushima, Klimawandel Disziplinen / Produktgestaltung, Theater, Film, Literatur, Musik, Fotografie, Literatur, Kunst Bsp. Programmschrift / „Le Manifeste EnDevenir“, 2015 Stuhl / / „Franz, Max, Klaus, Hannah, Lucius, Roland, Witold, Guy & Patti“, Entwurf von Lisa Hoffmann, alter Küchenstuhl aus lackiertem Holz und Säge, 2015 Gruppenfoto / Gruppenfoto 2.0 In eigenen Worten / „Aktion – Reaktion? Transformation!“

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“Wir werden niemals fertig, und das ist gut so.” – EnDevenir im Interview, Teil I: Die Bewegung

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EnDevenir ist als Designbewegung der Gegenwart in der Ausstellung vertreten. Mitglieder der Bewegung haben die vorliegende Publikation konzipiert und gestaltet. Im Katalog präsentieren und kommentieren EnDevenir eigene Arbeiten. Im Interview beantworten die Initiatorinnen der Bewegung, Marjorie Potiron (MP) und Lisa Says (LS) Fragen über das Selbstverständnis einer Bewegung in der heutigen Zeit.

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Marjorie Potiron und Lisa Says haben 2013 LaboratoireS gegründet, eine Plattform für experimentelle Zusamenarbeit. Als Initiatorinnen der Designbewegung EnDevenir haben sie deren Manifest verfasst. Was bedeutet “EnDevenir”? MP: Der Name ist abgeleitet aus dem französischen „en devenir“ – und bedeutet soviel wie: Im Werden begriffen sein. Im Sinne Heraklits (Pánta rhei – Alles fließt - Anm. d. R.) wird die permanente Veränderung, also die Bewegung als solche zum zentralen Thema der Bewegung. Seht ihr euch selbst als Bewegung? MP: Nicht im Sinne einer Avantgarde-Bewegung, eher als konstante Revolution im Kleinen, Alltäglichen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht der Prozess, nicht das Ergebnis. Wir werden also eine Bewegung, sind aber keine. Dies erlaubt uns eine Projektion von Möglichkeiten und trotz der Langsamkeit tatsächlicher Ereignisse können wir Ergebnisse erahnen. Es gibt uns einen Halt, über die Zukunft und all ihre Möglichkeiten nachzudenken, denn wir erkennen, dass wir alles tun können, was wir wollen! Alles ist offen. LS: EnDevenir ist eine Bewegung, die sich selbst zum Gegenstand hat und sich ständig selbst neu erfindet.


Die Form der Bewegung ist also eine Methode? LS: Ganz genau! Eine Methode der Motivation, eine Sicht auf die Dinge. Wie sagte jemand doch gleich? Design ist im Verein am schönsten! – oder so ähnlich. Genau darum geht es. Wir zweifeln alle viel, aber gemeinsam verzweifeln wir nicht so schnell. Die Form einer Bewegung hilft uns, unseren Platz in der Welt zu finden und Probleme eingehend zu betrachten. Welche Probleme habt ihr denn? LS: Viele! Vor allem haben wir Probleme damit, unsere Probleme genau zu benennen. Das klassische Feindbild existiert ja nicht mehr. Wir wenden uns nicht explizit gegen etwas oder jemanden – alles ist so schrecklich ambivalent. Die frühen Bewegungen haben das pragmatischer gesehen: Es gab klare Linien. Man hat das Ornament verteufelt und die Funktion gelobt. Oder andersherum. Auch unsere Eltern sind noch in Systemen aufgewachsen, die jeweils klar auf einer Seite standen: Es gab den Westen und den Osten, und eine Mauer dazwischen. Heute gibt es nur schleierhafte Begriffe, gegen die wir uns wenden: Den Kapitalismus, die Ausbeutung, die Überwachung... Insofern ist die Bewegung für uns ein Mittel, einen Standpunkt auszumachen, uns selbst die Welt zu ordnen und Handlungsfelder zu erschließen. Wir wollen herausfinden, was dieses mulmige Gefühl auslöst, und wie wir dagegen vorgehen können. Habt ihr vielleicht trotzdem Vorbilder? Gibt es eine Designbewegung, mit der ihr euch identifizieren könnt? MP: Mhh.. Uns beeinflusst sehr das kritische, spekulative Design um Fiona Raby und Anthony Dunne. Aber die wollen ja nicht als Bewegung gesehen werden. Ansonsten sind wir in unserer Arbeit den Radicals und den Situationisten verbunden. Und Mama Fluxus und Papa Dada. Wie verhaltet ihr euch zur Radikalität? Seid ihr radikal? LS: Wenn Radikalität das ist, was sich entgegen den allgemeinen Habitus wendet, gegen die bestehende Ordnung, dann auf jeden Fall. EnDevenir findet seine Radikalität im Fordern von Aufmerksamkeit. Die Fähigkeit zur Konzentration ist eine seltene Kunst. Wir selbst haben oft genug damit zu kämpfen. Unser Umfeld ist geprägt von Deadlines, Erwartungen und oft hausgemachtem Stress. Überhaupt: “Deadline” – was für ein brutales Wort! Und alle rennen nur irgendwelchen Dingen nach und müssen sich dann eine “Me-Time” gönnen – was für ein Quatsch! Unsere Projekte plädieren dafür, öfter mal anzuhalten, sich umzusehen und sich des eigenen Daseins in all seiner Fragilität und Absurdität zu vergewissern.

Uns helfen meditative Aktivitäten – in tatsächlichen Übungen der Meditation, aber vor allem im Alltag: Unter der Dusche, bei Konzerten, beim Tanzen, Laufen, Wäschewaschen, Zugfahren, Wolkenschauen... In den kleinen Dingen, am Wegesrand. Du erwähnst sehr oft den Alltag. Welchen Stellenwert hat das Alltägliche für eure Arbeit? MP: Im Alltag finden wir unseren Sinn. Es geht um eine Achtsamkeit im Umgang mit Menschen und Dingen. Darin entdecken wir unsere poésie quotidienne, die Poesie des Alltäglichen. LS: Wir warten nicht auf Höhepunkte. Wir haben keine Lust, an der Kreation des allgemeinen Spektakels mitzuwirken. Wir finden unser Theater im Alltäglichen, Unscheinbaren. Es kommt uns auf Details an, auf Dinge, die wir tatsächlich spüren und beeinflussen können. Und dann denken wir über den großen Kontext nach. Zum Beispiel? LS: Es geht um den Graswurzelgedanken. Wenn jeder etwas ändert, dann ändert sich viel. Ich hoffe, es gibt so etwas wie eine Schwarmintelligenz, und ich hoffe, wir tippeln gemeinsam in die richtige Richtung… Es ist eine suchende Handlung. Wir konzipieren nichts als eine Problemlösung, sondern als Vorschläge, die Fragen an die Betrachter und Nutzer richten. Wir nennen unsere Objekte “offene Objekte” – offen für eine Interpretation, eine Modifikation. Sie können immer neu-gemacht, neu-gesehen, neu-gedacht werden, sie sind nie vollendet. Inwiefern? MP: Es geht darum, immer eine Multiperspektivität zu bewahren. So vieles in unserer Gesellschaft wird auf präsentable Oberflächen reduziert. Die sind überall! Wir weigern uns, wir wollen nichts vermarkten. LS: Heute herrscht ein Druck, sein Produkt und sich selbst als Produkt zu inszenieren. Man ist also eigentlich sehr unsicher, muss sich aber dennoch präsentieren. Darauf haben wir keine Lust. Wir machen Fehler, wie alle anderen auch. Wir wissen auch nichts besser. Aber wir haben Vorschläge. In der Politik sollten sie sich auch mal trauen, einfach zu sagen: Wir sind nicht sicher, ob es funktionieren wird, aber wir haben einen Vorschlag. Es geht um eine gewisse Ehrlichkeit. Um eine Akzeptanz der menschlichen Eigenschaft, Fehler zu machen, zu straucheln.


Nicht nur im übertragenen Sinne? LS: Wir sind einfach nie alle am selben Ort! Wir schwirren alle umher, als kleine, sich bewegende Punkte auf viel zu großen Landkarten. Das hat eine gewisse Schönheit, macht aber oft auch traurig. Man kommt einfach nie ganz wo an. Oder man ist mit den Gedanken ganz woanders, einfach weil man immer mit allen verbunden ist. Diese „Netzwerkgesellschaft“ ist irgendwie auch ein Spinnennetz, in dem man sich leicht verfangen kann... Ich habe auch das Gefühl, dass viele meiner Generation sehr unsicher sind.

Löst das nicht eine gewisse Frustration aus? MP: Natürlich. Aber schnelle, oberflächliche Antworten können viel gefährlicher sein als die Offenheit einer Frage. Das bringt mich zurück zur Radikalität: Wir sind radikal in unserer Nicht-Radikalität. Nichts ist jemals definitiv, alles bleibt immer offen. Es gibt immer irgendwo ein Schlupfloch. Das ist irgendwie auch ein Zeichen unserer Zeit… Wir wollen alle spontan sein, legen uns selten fest. Das bringt eine große Komplexität mit sich, das kann sehr anstrengend sein. Vor allem auch verwirrend. Wäre es dann nicht besser, sich festzulegen? MP: Nein, ich glaube nicht. Es ist zwar anstrengend, aber es bedeutet auch, unabhängig zu sein, kritisch und nicht festgefahren. Es ist besser als ein dogmatischer Glaube. Es wird einem doch ständig überall erzählt, was man tun und lassen sollte, was richtig und was falsch ist. Sei es von Religionen oder in der Schule oder durch die Nachbarn oder die eigenen Eltern. Davon lassen wir uns nicht einschränken. Wir lassen uns nicht zurechtweisen. Wir müssen nur lernen, uns darin zurecht zu finden. Ist das nicht eine klassische Phase jugendlicher Trotzigkeit? LS: (lacht) Nicht ganz. Wir sind vorsichtig. Wir lehnen ja nicht alles kategorisch ab und ersetzen es durch unsere eigenen Dogmen. Wir versuchen, der Komplexität des Lebens gerecht zu werden – bei vollem Bewusstsein, dass dies nicht möglich ist! Wir sammeln, vergleichen, analysieren, hinterfragen selbst noch die Hinterfragung. Und die Betrachtung ist niemals abgeschlossen! Unser Standpunkt ist – nicht nur im übertragenen Sinne! – nomadisch. 30

Was denkst du, weshalb? MP: Wir haben zum Beispiel Zugang zu unheimlich viel Wissen – dem wir niemals gewachsen sein werden. Das erzeugt einen permanenten Vergleich mit allen anderen, mit denen, die gerade da sind, und denen, die schon vor uns da waren. Es gibt und gab irgendwie schon alles Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, unbedingt Neues schaffen zu wollen. LS: Die Dinge scheinen sich zyklisch zu wiederholen... Was heute als große Innovation gefeiert wird, das gab es vor dreißig Jahren vielleicht selbstverständlicherweise überall! MP: So wie Gemüsegärten im Hinterhof! LS: Oder Läden ohne Verpackungen. Ist das nicht deprimierend? LS: Nein, denn im Endeffekt ist ja immer alles auch irgendwie neu, weil jeder Moment einzigartig ist und jeder Mensch die Dinge auf seine eigene Art und Weise interpretiert und ausführt. MP: Die Dinge sind ambivalent, das müssen wir akzeptieren. Ist das ein Zeichen unserer Zeit, Ambivalenz? LS: Klar. Unsere Generation ist mit einem krassen Überfluss konfrontiert – der dazu führt, dass gleichzeitig auch nichts genug ist. Die verknüpften Zugänge zu all dem Wissen verhindern zum Beispiel eine eingehende Auseinandersetzung. Im Informationszeitalter herrscht eine gewisse Durchdringungsarmut. MP: Neben einem Überfluss an Informationen herrscht auch ein Überfluss an Dingen. Wir wollen nicht noch mehr Kram in die Welt schmeißen. Das, was wir letztendlich aber doch veröffentlichen, fordert dafür aber umso mehr Aufmerksamkeit. Der Betrachter kann es nicht verstehen, wenn er sich nicht darauf einlässt. Unsere Arbeiten brauchen Zeit und erfordern eine aktive Auseinandersetzung. Das macht sie generell eher schwer zugänglich.


Ist das ein Problem? LS: Wir vermuten, dass wir nicht viele Menschen erreichen werden. Aber das ist doch nicht so schlimm. Wir bedienen eine Nische. Welteroberungspläne sind irgendwie auch nicht mehr zeitgemäß. Also wollt ihr gar nicht so viel erreichen? MP: Wie gesagt, wir sind uns unserer Nichtigkeit bewusst. Das heißt nicht, dass wir nicht auch große Pläne hätten! Aber es geht gar nicht darum, diese unbedingt zu erreichen. Aber Träume sind wichtig. LS: Die Ansprüche sind generell einfach viel zu hoch: Ein Designprodukt zum Beispiel soll alles gleichzeitig sein: nachhaltig und innovativ und ein Erlebnis und überhaupt, am besten noch partizipativ und lokal produziert und dann soll man auch noch davon leben können. Der Anspruchskatalog der Leistungsgesellschaft sollte dringend verfeuert werden. MP: Aber das kommt nicht nur von Außen. Wir stehen uns mit unseren eigenen Ansprüchen oft selbst im Weg. Dabei gibt es genug zu tun! Aber alles wirkt so immens… Das alles kann einen so schnell erdrücken – im “Privaten” wie im “Professionnellen” Wir haben doch alle Freiheiten, uns stehen alle Wege offen. Wir haben die Wahl. Aber sind wir wirklich frei? Oft führt das auch einfach nur zu einer Regungslosigkeit – weil man gar nicht mehr entscheiden kann, wohin man will.

LS: Manchmal wissen wir auch nicht genau, warum wir etwas tun – aber meistens finden wir es später heraus. Unser gesamter Diskurs baut darauf auf, zwischen der Theorie und der Aktion zu wechseln. Die beiden nähren sich gegenseitig. Die Recherche und der Prozess sind immer ein Teil von unserer Arbeit, mit der wir niemals zu einem Ende kommen. Alles sind nur Etappen. MP: Man könnte es auch ein „ernstes Spiel“ nennen, in Bezug auf die Situationisten! LS: Oder, um es mit Lucius Burckhardt zu sagen: “Und außerdem macht es Spaß.” Die Ausstellung und der vorliegende Katalog wurden von EnDevenir begleitend kuratiert und konzeptuell gestaltet. 2015 veröffentlichte die Gruppe ihr Manifest in Form eines Theaterstücks und Postkarten. Sie fordern Achtsamkeit, Offenheit und Zeit. EnDevenir richten sich gegen eine, in eigenen Worten “Effizienz der Autobahnen und Supermärkte”, die “Oberflächlichkeit der Werbeflächen und Kunstpelze” und den “Dogmatismus der Börsenmakler und Ländergrenzen”. (Teil II des Interviews auf Seite – 57)

Und wie arbeitet ihr? MP: Wir nennen unsere Arbeit „activisme positive“ – das bedeutet, dass wir es vorziehen zu Handeln, entgegen der Angst, Fehler zu machen oder nicht gut genug zu sein! Der Versuch zählt für uns, nicht das Ergebnis.

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2 Henry van de Velde in seinem Atelier in der Kunstgewerbeschule Weimar

1 Marjorie Potiron (EnDevenir) im LaboratoireS, Toulouse, 2013


4 Superstudio (Radical Design) im Studio, Italien

3 Unterricht an der HfG in Ulm, nicht datiert

5 AndrĂŠ Breton photografiert von Man Ray (Surrealismus), Frankreich, 1930


Phase I: Formulierung Unbehagen (Ursache) Zusammentreffen (Momente) Name (Identität) Manifest (Dokumentation) Proklamation (Ă–ffentlichkeit)


I.I die Bewusstwerdung Einer Designbewegung liegt ein UNBEHAGEN zugrunde. Das Anliegen einer Bewegung ist es, dieses zu er-fassen, zu betrachten, publik zu machen und (wenn möglich) Lösungsansätze vorzuschlagen. Zumeist bringt ein ganz bestimmtes Ereignis dieses Unbehagen zum Vorschein. Dieses Ereignis löst die Initiative aus, welche eine langfristige Auseinandersetzung einleitet. Oft sind dies die MOMENTE (Ort und Zeit) des Aufeinandertreffens Gleichgesinnter, welche sich im Anschluss organisieren – als Keimzelle der späteren Designbewegung. II.I die AUSSAGE Eine Bewegung benennt sich selbst. Der NAME steht symbolisch für bestimmte Grundsätze und Ziele, welche in einem Positionspapier – dem MANIFEST – festgehalten werden. Die Gründung einer Designbewegung ist gekoppelt an eine PROKLAMATION, welche als Schritt in die Öffentlichkeit eine Publikation, eine Konferenz, eine Gründung o.ä. sein kann. Alle Mitglieder der Bewegung handeln im Anschluss im Sinne der gemeinsamen Idee.


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Stimm

Sara: Man kann heute nicht mehr davon ausgehen, dass irgendetwas gut ist. Alle Dinge unseres täglichen Lebens müssen ständig hinterfragt werden. Man muss sich mit allem auseinandersetzen. Ich versuche, alles bewusst zu machen. Natürlich weiß ich, woher mein Shampoo kommt, dass da der afrikanische, wildgesammelte Honig drin ist. Ich komme mir auch manchmal ganz verrückt vor. In der Winterzeit hatte ich Besuch und hier waren Kerzen an. Und ich musste ständig daran denken, dass diese Kerzen aus Paraffin sind, einem Erdölprodukt... – also selbst das Anzünden einer Kerze ist fatal. Das ist alles so groß. Lisa: Manchmal habe ich Angst, über der ganzen Reflexion aufzuhören zu leben... nicht mehr fähig zu sein sich zu bewegen... Sara: So ist es im Grunde aber auch. Bei manchen Sachen weiß ich, dass sie okay sind, und bei manchen kann ich gar nicht erst anfangen, das zu hinterfragen, ich muss sie hinnehmen wie sie sind. Zum Beispiel die Tortenböden für die Erdbeertörtchen. Beim französischen Bäcker frage ich auch nicht, wo er sein Mehl her hat. Das ist so ein bisschen, wie wenn ich zum Essen bei der Oma eingeladen bin und ich weiß dass sie das nicht weiß mit dem Biofleisch, aber einfach eine ganz 38

Sara Philine Conen ist Textildesignerin. Sie entwirft poetische Accessoires, welche aus nachhaltigen Textilien produziert werden. Nach einem Studium in Amsterdam lebt sie heute in Berlin.

tolle Köchin ist. In dem Moment habe ich mehr Respekt vor der Oma als vor der Kuh... Man muss selbst so ein komisches Wertesystem aufstellen, um nicht verrückt zu werden... Wenn einem daran liegt so durchs Leben zu gehen, dass man nichts beschädigt.. Lisa: Es ist so schwierig als Designer nicht einfach durchzudrehen und trotz allem den Spaß an der Sache zu behalten... Du sagst zwar immer, dass du viel zu lange brauchst für deine Sachen, aber dafür sind sie wirklich gut. Und wirklich slow! Allein dass deine Sachen jetzt nach drei Jahren noch funktionieren zeigt ja, dass sie noch relevant sind und keine Trenderscheinung. Sara: Ich bin so geschädigt dadurch, für alle Dinge so viel Zeit zu brauchen. Ich schenke so vielen Dingen Aufmerksamkeit, wodurch alles noch langsamer wird. Es ist etwas, was einfach nicht akzeptiert ist: Langsam sein. In Gesprächen sagen mir Freunde aber auch, dass das eine Qualität ist: Beständigkeit. Ich verfolge ja wirklich die ganze Zeit etwas. Manche Dinge brauchen eben lange, aber dann ist die Zeit auch reif!

Marjorie Potiron kommt aus Nantes und lebt derzeit in Toulouse, wo sie soeben ihr Diplom im Fach Design erhalten hat. I am not

I am

old perfect afraid a movie star particularly funny an Artist a Designer a Philosopher a Doctor heterosexual homosexual bisexual ready to give up

23 a woman optimistic ordinary quite serious an Artist enDevenir a Designer enDevenir a Philosopher enDevenir free free free a feminist

When I was a kid, my parents used to buy my sisters and me disposable cameras when we were going on holidays. Every time we were about to press the button was a very special moment. Indeed, we had to be sure there was no back light, that the people in front of the camera were not moving, and that nothing was about to ruin the very special mo-


ment of that unique picture. Then came the long expectation before the pictures were developed and finally, the moment of grace when we could open the package to discover all the photographs we took and remember the memories attached to them. I was quite pessimistic when I first heard about digital photography. I thought this would definitely be the end of what made photographs so special to me.

rounded by those strange objects we call selfie sticks. I started to feel angry and my parents asked me why. So I started to explain. In my view, selfie sticks mark the end of all the beauty in the History of photography. Their existence is the meaning of a much bigger problem. People are getting so narcissistic they don‘t even want to watch buildings, landscapes, or their friends on the photographs they take. The only thing they

care about when they travel is to bring good garments, so they can look fabulous on every picture they‘ll take. Then, they share those pictures with their friends, so everybody can be aware of their experiences and it makes it more real and tasteful. I can‘t help thinking humanity is destroying the essence of photography with such inventions and I am not eager to find out what will be the next one.

And I was right. I didn‘t find any pleasure yet in taking digital photographs. Over time, it became a precious tool for work but I‘m still buying disposable cameras when I travel somewhere and I‘m not ready to give that up. The last trip I had was in Madrid for a weekend, with my family. And as I was walking in the streets, discovering the parks and the beautiful buildings, I could feel something was wrong. However, this thing I was not able to identify was making me very sad. It was in the middle of the Parque del Retiro that I realized what it was. We were sur-

Joel Polak kommt aus Dresden. Er hat Jura in Jena, Berlin und Barcelona studiert und ist bei den kritischen Juristen aktiv.

#grundstimmung Individualismus. Jeder muss sich als Individuum hervorstellen und nicht nur eine Fähigkeit besitzen. Sonst steht man nicht gut da – viele werden aber auch abgehängt... Jeder studiert, einfach weil man eben studieren muss. Jeder versucht sich künstlerisch auszuleben. Das bringt Probleme auf vielen Ebenen mit sich. Es kann nicht jeder sein eigenes Ding machen. Wir sind zu viele dafür, dass jeder sein eigenes Auto fährt, seine eigene Wohnung hat, seine eigene Familie... wir müssen zurück ins Kollektiv! #typischfürunsereZeit ... Übermaß. Man kann überall hin. Alles sein. Man kann sich alles kaufen. Der Überschuss an

Informationen und Möglichkeiten lässt viele die Realität verkennen... Overkill. Ein Symptom ist, dass Leute nicht wählen gehen und sich nicht für Politik interessieren. Vielleicht gibt es ein Gefühl der Unzufriedenheit, aber man hat keine wirkliche Lust sich zu engagieren, weil man genug andere Dinge zu tun hat: Auf seinem Smartphone herumzutippen, sein Bachelorstudium zu schaffen, den Nebenjob nicht zu verlieren. Aber umso schlechter es der Bevölkerung geht, desto schneller geht es auch los. In Spanien hatte ich schon das Gefühl einer aufgeladenen, linkeren Grundstimmung, da geht es schneller mal ab als hier, weil die Leute viel ärmer sind und sich nicht alles kaufen und nicht so viel ablenken können.


#grundprobleme Wir müssen eine Verteilungsfrage lösen. Alle wissen, dass mal darüber geredet werden muss, aber keiner macht es. Wo soll das ganze Essen herkommen, die seltenen Erden, das Erdöl? Das schwebt als Thema die ganze Zeit über uns, aber wir bemerken es nur daran, dass ganz viele Flüchtlinge herkommen. Das nehmen die meisten Leute noch gar nicht so wahr, wie krass es bald werden wird. Da kommt noch einiges auf uns zu. Jeden Tag sterben an die fünfzig Menschen auf dem Mittelmeer, einfach nur weil sie irgendwo anders hinkommen wollen, wo es Geld und Essen und Übermaß gibt... #wastun Man kann nichts machen, was in dem jetzigen System funktionieren würde. Wir müssten uns so sehr von unserem Lebensstandard verabschieden. Dies ist neben dem Klimawandel die entscheidendste Frage, woran sich eine Zivilisation messen kann. Alle fühlen doch irgendetwas, eine Unzufriedenheit, aber die Leute denken nicht darüber nach, was man machen könnte. Sie finden sich damit ab. Normalerweise würde es wenigstens eine Revolte geben, oder eine Massenbewegung. Es macht mir Sorge, dass die meisten Leute sich kaum noch interessieren, sondern sich einfach nur ablenken. Viele denken so lange darüber nach, ob, wann und wie sie Kinder haben sollten. Das wird zerdacht, die Menschen haben Angst, vor allem in jenen Ländern, welche als hochentwickelt gelten. Dabei ist das das Natürlichste auf der Welt! Es geht wahrscheinlich um den Stress, jemanden in eine Gesellschaft zu setzen, die man selbst nicht mehr versteht. …

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Steven Whiteley ist Komponist und Sound Artist. Er spielt in verschiedenen Bands. Zudem setzt er sich mit Meditation auseinander. To the question how I feel about this world, I would say it‘s quite a wonderful world we have, when seen with complete clarity. Being human is such a miracle, but we tend to create an enormous amounts of ghosts and phantoms, deluding ourselves from what it means to be truly human. It can be said that this is a role of the artist, to express a human experience. A human experience can be defined as literally everything and anything: thoughts, sensations, actions, volitions, cognitions etc.. human experience is our reality, it is our totality, it is an inescapable inherence to our being (there is nothing that we can do, know, or conceive of that falls outside of human experience…) It is often talked about, spoken, written about these moments of profound clarity after one engages with a ‘moving,’ or ‘convincing’ artwork. The way in which such moments are described have striking similarities to those of divine intervention, or spiritual awakening. I interpret such moments as acts of reaching the depths of our person-hood, of what it means to have a human life. We are swimming in the waters of human experience and such moments can give the opportuni-

ty to deepen our awareness of the very waters in which we swim. Thus, the position of the artist is essentially driven by the practice of sincerity (one can even sincerely express insincerity). Our time (from a Western artist speaking of their experience of a Western art scene) I think, is fraught with confusion, excitement, interrogation into what is one’s proximity to reality, and seemingly ADD (hyperactivity, short attention span) tendencies. The human experience, for many, has come to be redefined by a new platform, a new dimension of reality, which is behind a screen. “The digital age.” Much of the confusion and reflection artists seem to be investigating have to do with experiences people have in grappling with this new world. What I find to be a danger has to do with what I mentioned above, such ‘ADD’ tendencies. The internet can influence one’s reality to be one that lacks presence, that is, one that has access to many different kinds of information, many different kinds of connections, influences, inspirations without allowing any of them to reach real depth. In other words, it becomes easy to know a little about a lot of things rather than a lot about a little. Moreover, it creates a mind that is in 100 different places at once. (Hence all-over-the-place Prog-Rock, Math-Rock, remix, mash-up culture etc.) To me the question arises, how do we deal with this boundless new dimension of reality responsibly? I think we are on the brink of a whole new world of redefinitions within the art making. It is inspiring, frightening, and exciting, but most of all, it is just human nature. We must never forget that and carry on, practicing sincerity, questioning the world while finding perfect composure in an answer-less chaos that is our reality.


Lisa Hoffmann wird Designerin. Nach Stationen in Amsterdam, Dresden und Toulouse lebt sie derzeit in Weimar.

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Der ent Mom


(die richtigen Leute zur richtigen Zeit am richtigen Ort)


1853 John Ruskin: „L‘éloge du gothique“

Das ifest n a M 1855 Gustave Courbet: „Realist Manifesto“

1877 William Morris: „Les arts mineurs“

1883 William Morris: „The Ideal Book“

1886

Jean Moréas: „Symbolistisches Manifest“

1889

William Morris: „The Arts and Crafts of Today“

1899

Henry Van de Velde: „Allgemeine Bemerkungen zu einer Synthese der Kunst“

1903

Henry van de Velde: „Programme“

1906

Hans Poelzig: „Fermetation in architecture“

1907

Henry van de Velde: „Credo“

1908

Adolf Loos: „Ornament und Verbrechen“

1909

Filippo Tommaso Marinetti: „Manifest des Futurismus“

Das Gestalter-Manifest – das gestaltete Manifest Das Manifest als Rahmen Als Manifestation wird das Sichtbarwerden oder Sich-Offenbaren von Dingen aller Art bezeichnet1, die vorher gestaltlos oder nicht existent waren. Es ist die Bewegung selbst, welche im Manifest sichtbar wird. Sie gibt sich eine Form. Als „öffentlich dargelegtes Programm“ 2 ist das Manifest eine Geste, die den Willen zur Gestaltung der Umwelt ausdrückt – zur Gestaltung der eigenen Realität. Die lange Liste an Manifesten bezeugt, dass das Manifest als Phänomen die Geschichte der Gestaltung begleitet – beziehungsweise sogar dazu beigetragen hat, die Disziplinen als solche herauszubilden. Das Bewusstwerden der eigenen Profession und die Herausbildung ihrer Spezifika ist anhand vieler Manifeste nachzuvollziehen. Anschaulich wird die dynamische Diskussion mit Manifesten zwischen Designbewegungen zum Beispiel anhand der Schrift „Contre le fonctionnalisme“. Deren Verfasser Asger Jorn trug sie im Jahr 1954 auf einem Industriedesign-Kongress vor. In seiner Schrift spricht er sich gegen den ästhetischen Rationalismus aus. Damit wendet er sich konkret gegen den Gestaltungsansatz der 1953 gegründeten HfG in Ulm. Mit deren Rektor Max Bill tauschte sich Asger Jorn in einem Briefwechsel aus und fand in ihm einen konkreten Gegner. Mit der Gründung des MIBI („Mouvement international pour un Bauhaus imaginiste“) wollte Jorn die künstlerisch-experimentelle Tradition des Bauhauses betonen. Denn diesen Aspekt sah er in der funktionalistisch ausgerichteten Ulmer Schule vernachlässigt.3 Die Texte sind als Momente der Verortung zu begreifen, als Akte der Identitätsbildung. Zugleich haben Manifeste die Funktion,

einen selbst gewählten Rahmen zu setzen, in welchem die Gestaltung und das Handeln stattfindet. Auf diese Weise wird die Bewegung als eigenständig abgrenzt. Das Manifest als Gestaltung Mit der Veröffentlichung des ersten Futuristischen Manifests im Jahr 1909 entwickelte sich das Manifest zum literarischen Genre.4 Das Gestalter-Manifest ist mittlerweile zu einer eigenen Werkform geworden, welches nicht nur als Handlungsrahmen für das Schaffen dient, sondern als eigenes Werk gesehen werden kann. Im Falle des Futuristischen Manifests wird nicht nur ein Text gestaltet, sondern mit diesem auch ein Ereignis: Mit der Veröffentlichung auf der Titelseite der Tageszeitung Le Figaro generierte die bewusst provokante Schrift eine große Aufmerksamkeit und markiert den Moment der Gründung der Bewegung. Das wird auch durch die starken Formulierungen erreicht: Auf einer Liste von elf Punkten, welche mit „Wir wollen“, „Wir erklären“ oder „Wir werden“ eingeleitet werden. Es gibt ein klares „für“ und „gegen“. Die Botschaft wird auf sprachlicher Ebene gestaltet: „Von Italien aus schleudern wir unser Manifest voll mitreißender und zündender Heftigkeit in die Welt“ heißt es da. Der abstrakte Begriff des „Futurismus“ bekommt dadurch eine Gestalt, welche vom Leser intuitiv erfasst werden kann. Ebenso deutliche Ansagen werden im ersten Manifest De Stijls gemacht: In neun Punkten werden die Anliegen knapp und klar erklärt. Während Marinetti jedoch fast pompös wettert, halten sich die Verfasser des De Stijl-Manifests zurück, ihre Ausdrucksweise ist auf das Nötigste reduziert – ebenso wie ihr Design. Auflistungen charakterisieren auch das Bauhaus-Manifest.


3 Manifest & Programm des Staalichen Bauhauses, 1919

1 das Futuristische Manifest, erschienen in Le Figaro am 20. Februar 1909

2 Ausgabe des Surrealistischen Manifests, 1924

6 Manifest von De Stijl, 1918

4 Die gute Form, 1957 5 das Manifest der Zero-Bewegung, 1963

9 Ausgabe des Whole Earth Catalog aus dem Herbst 1968

10 das first things first Manifest, verรถffentlicht 1964

7 Fluxus Manifesto, 1963 8 Manifest von Superstudio, 1966

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1910

Umberto Boccio u.a.: „Manifesto of the Futurist Painters“

Es wird nüchtern und strukturiert aufgezählt, was, wie und mit welchem Ziel gelehrt werden soll.

Umberto Boccio u.a.: „Futurist Painting: Technical Manifesto“

Ganz anders die Ausdrucksweise im ersten Manifest des Surrealismus: Gemäß der Orientierung am Unbewussten ist die Sprache lyrisch, die Sätze sind lang und verschachtelt. André Breton, der Verfasser, nutzt viele Adjektive, Metaphern und Beispiele. Die Subjektivität des Textes wird betont durch Ausdrücke wie „meines Erachtens“ oder „ich bedauere“, welche auf den Verfasser direkt hinweisen. Meistens unterzeichnen die (Co-) Autoren das Manifest am Ende. Auch die Erwähnung von Ort und Datum unterstreichen den Dokument-Charakter und die Seriosität des Manifests.

Takamura Kotaro: „A Green Sun“ F.T. Marinetti: „Against Traditionalist Venice“ Frank Llloyd Wright: „Organic Architecture“

1911

Hermann Muthesius: „Aims of the Werkbund“

1912 Henry Van deVelde: „Amo“

So vielfältig wie die Forderungen einer Bewegungen sind also auch die Formen der Manifeste. Das Ausdrucksspektrum ist weit gefächert. Es reicht von poetisch-ausschweifender Literatur zu nüchternen Listen, von Anweisungen zu Fragen, beinhaltet pathetische Reden ebenso wie Punkteprogramme, wenn-dann-Logik und freie Assoziationsketten. Ein Manifest kann verständlich sein oder mythisch, zaghaft bis brutal, ausschweifend oder direkt. Die Sprache geht einher mit der Botschaft, die Gestaltung entspricht den Forderungen und ist damit deren erste Anwendung.

Guillaume Appollinaire: „On the Subject in Modern Painting“ Valentine de Saint-Point: „Manifesto of Futurist Women“ Wassily Kandisnky, Franz Marc: Vorwort des „Der Blaue Reiter Almanach“ Albert Gleizes, Jean Metzinger: „Cubist Manifesto“,

1913 Luigi Russolo: „The Art of Noise“

Valentine de Saint-Point: „Futurist Manifesto of Lust“

Repair Manifesto Platform21’s

1. Make your products live longer! Repairing means taking the opportunity to give your product a second life. Don’t ditch it, stitch it! Don’t end it, mend it! Repairing is not anti-consumption. It is anti- needlessly throwing things away. 2. Things should be designed so that they can be repaired. Product designers: Make your products repairable. Share clear, understandable information about DIY repairs. Consumers: Buy things you know can be repaired, or else find out why they don’t exist. Be critical and inquisitive. 3. Repair is not replacement. Replacement is throwing away the broken bit. This is NOT the kind of repair that we’re talking about. 4. What doesn’t kill it makes it stronger. Every time we repair something, we add to its potential, its history, its soul and its inherent beauty.

Mikhail Larionov, Natalya Goncharova: „Rayonists and Futurists: A Manifesto“

5. Repairing is a creative challenge. Making repairs is good for the imagination. Using new techniques, tools and materials ushers in possibility rather than dead ends. 6. Repair survives fashion. Repair is not about styling or trends. There are no due-dates for repairable items. 7. To repair is to discover. As you fix objects, you’ll learn amazing things about how they actually work. Or don’t work. 8. Repair – even in good times! If you think this manifesto has to do with the recession, forget it. This isn’t about money, it’s about a mentality. 9. Repaired things are unique. Even fakes become originals when you repair them. 10. Repairing is about independence. Don’t be a slave to technology – be its master. If it’s broken, fix it and make it better. And if you’re a master, empower others. 11. You can repair anything, even a plastic bag. But we’d recommend getting a bag that will last longer, and then repairing it if necessary.

Stop Recycling. Start Repairing.

Guillaume Apollinaire: „L´antitradision futuriste“

www.platform21.nl

Die Manifeste sind also selbst Objekte der Gestaltung und manifestieren in ihrer Form ihren eigenen Inhalt. Das Manifest ist an sich ein Manifest-Objekt, das Objekt einer ersten Handlung nach den Weisungen des Manifests: “For the real point is that the theory [...] is the practice [...]. To talk about art becomes equivalent to making it.”5 Das Design-Manifest realisiert sich im Idealfall also selbst über die Gestalt des Dokuments, dessen Duktus und Publikationsart. Das Manifest ist somit immer Medium.6 So ist in den Manifesten der Text gleichbedeutend mit der Grafik. Letztere ist nicht nur eine Illustration, sondern Teil der Aussage. Das „Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar“ trägt als Titelblatt den Holzschnitt „Kathedrale der Zukunft“ von Lyonel Feininger. Er symbolisiert die Anliegen, welche im Text formuliert werden: Die Kathedrale steht für den Bau als Gesamtkunstwerk, wie er in Gropius Text gefordert wird.7 Auch das Manifest der Zero-Bewegung8 verbindet Grafik und Bild. In Georges Maciunas „Fluxmanifesto on Fluxamusement“ vom Februar 1963 kommuniziert die besondere Typografie in Kombination mit dem Abdruck vorgefundener Bilder das Konzept von Fluxus, dass alles zum Werk und jeder zum Künstler werden kann. Das erste Manifest der Fluxusbewegung war


daher auch handgeschrieben. Dies stand im Kontrast zu den stilistisch industriellen, maschinellen Typen der Manifeste des Funktionalismus – wie etwa dem De Stijls oder Max Bills Publikation „Die gute Form“. In der Postmoderne wurden die Manifeste experimenteller. Sie gingen über die schriftliche Form hinaus: Das Superarchitettura Manifest von Superstudio wurde zum Beispiel im Rahmen einer Ausstellung präsentiert, die selbst Teil des Manifestes war. Heute ist die Erscheinungsform des Manifests sehr heterogen. Viele orientieren sich an den Klischeebildern, welche man mit einem Manifest assoziiert: Eine Liste mit Aussagen und Forderungen. Das „RepairManifesto“ kann als solches genannt werden. Auch typographisch orientiert es sich an einer Erklärung – man könnte sie sich ebenso gut an eine Tür genagelt vorstellen wie Luthers 95 Thesen. Das Manifest der Critical Designer Dunne & Raby hingegen ist eine vergleichende Auflistung, welche ihr „critical“ Design dem „affirmative“ Design gegenüberstellt. Und das „Yes is more“ Manifest hat die Form eines Comics. Das Manifest als Edition Heute setzen sich viele Grafiker mit der Gestaltung von Manifest-Texten auseinander. Es finden sich beispielsweise zahlreiche Interpretationen der „10 Thesen zur guten Gestaltung“ von Dieter Rams, oftmals als Plakate. In limitierten Editionen besonderer Druckwerke werden alte Programmschriften neu aufgelegt und interpretiert: Etwa in „Manifestos“, einem Buchprojekt von Maathijs van Leeuwen aus dem Jahr 2014.9 Die limitierte Edition wird interessant, wenn Texte hauptsächlich über das Internet verbreitet werden. Das Designstudio Metahaven stellt sein Manifest „White Night Before A Manifesto“ online zum Download unter einer creative commons Lizenz zur Verfügung, es ist aber auch als illustrierte Offset-Print-Version bei Onomatopee erschienen.10 Ähnlich verfahren die Mitglieder des Achitecture Think Tank WAI: Ihre Manifeste sind online zugänglich, aber auch im WAIzine und sogenannten „Paper Manifestos“ abgedruckt.

Manifeste der Gegenwart Die lange Liste der Manifeste der Gegenwart beweist: Das Manifest hat Hochkonjunktur. Es scheint als gäbe es sie in allen Formen und Farben, zu allen Themen und jedem Anlass. Auch das thematische Interesse am Manifest ist groß. Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich mit dem Manifest – ob als grafische Aufarbeitung oder wissenschaftliche Untersuchung. Woher kommt diese Aufmerksamkeit? Will man in Zeiten des Flüchtigen an etwas festhalten? Wohin spült uns diese Manifest-Flut? In seinem „Kompositionistischen Manifest“ schreibt Bruno Latour: „Die Nuance, die ich darlegen möchte, besteht zwischen Fortschritt und fortschrittlich. Es ist als müssten wir uns von einer Idee unausweichlichen Fortschritts wegbewegen zu einer Idee fortschrittlichen, zaghaften und vorsorglichen Fortschreitens. Es ist immer noch eine Bewegung. Es geht immer noch voran. Aber die Grundhaltung ist völlig verschieden. Und da es scheinbar unmöglich ist, ein Manifest zu entwerfen, ohne es mit einem Wort zu benennen, das in -ismus endet (Kommunismus, Futurismus, Surrealismus, Situationismus, usw.), habe ich das Wort Kompositionismus gewählt.“ Raffiniert bringt er damit mehrere Aspekte des Manifests auf den Punkt. Indem er auf die große Geste der modernen Bewegung, ein Manifest zu schreiben, hinweist11, klingt zugleich die Leichtfertigkeit der heutigen inflationären Verwendung des Begriffs „Manifest“ an. Corporate Manifest In der Tat hat das Manifest als Geste stark an Wirkkraft verloren: Jeder schreibt sich heute eben mal schnell ein kleines Manifest, sei es anlässlich einer Konferenz, einer Firmengründung oder als private Gedächtnisstütze. Im Internet sind all die Pamphleten, „mission statements“ u.a. schnell und unkompliziert veröffentlicht. Das Manifest ist zu einem Bestandteil der Corporate Identity geworden. Viele Designer, Architektinnen und Planerinnen nutzen das Format, um sich zu präsentie-

11 das „Repair Manifesto“ 12 „A Manifesto (a/b)“ von Dunne & Raby, 2009 13 Bruce Mau: „Incomplete Manifesto for Growth“

14 Margaret Thatcher trifft Katharine Hamnett, die eines ihrer T-Shirts mit politischem Slogan tägt 15 das Manifest als Teil einer Btanding Strategie von Pauerr für das Designstudio Nankin

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Carlo Carrà: „The Painting of Sounds, Noises and Smells“ Giacoma Balla: „Futurist manifesto of Men‘s Clothing“

1914 „Blast Manifesto“

Mina Loy: „Aphorisms on Futurism“ Ricciotto Canudo: „Cerebrist Art“ F.T: Marinetti, C.R.W. Nevinson: „The Futurist Manifesto Against English Art“ Wyndham Lewis u.a.: „Manifesto“ Wyndham Lewis u.a.: „Our Vortex“ Hermann Muthesius, Van de Velde: „10 Thesen und Antithesen“ (Werkbund) Antonio Sant´Elia, F.T. Marinetti: „Manifesto of Futurist Architecture“ F.T. Marinetti u.a.: „Futurist Synthesis of the War“ Mina Loy: „Feminist Manifesto“

1915

Kasimir Malwitsch: „From Cubism to Suprematism“ - Manifesto Carlo Carrà: „Warpainting“ Vladimir Mayakovsky: „A Drop of Tar“

1916

Kasimir Malevich: „Suprematistisches

ren und Alleinstellungsmerkmale hervorzuheben – wie etwa die Architektur-Agentur „Something Fantastic“, deren „Manifesto by three young architects on worlds, people, cities and houses“ bei Ruby Press erschienen ist. Der Wai Think Tank strukturiert seine theoretische Arbeit um spekulative Architektur und nutzt auch die Form des Manifests, um Ideen zu kommunizieren. Vivienne Westwood formulierte ein Manifest, um ihrer Organisation climaterevolution.co.uk Gehör zu verschaffen. Im „Manifestoproject“12 werden Gestalter-Manifeste an sich zum Thema einer Wanderausstellung nebst einer Publikation. Darin heißt es: „Whilst some of these statements are very well known, others have been prepared exclusively for the project: some are programmatic pieces of writing, some are detailed work manuals, all are passionate tributes to graphic design, creativity and the design culture.“ Das „Utrecht Manifest“13 ist den sozialen Aspekten des Designs gewidmet. Das Manifest ist hier eine Methode: Es dient als urbanistisches Werkzeug der Diskussion. Das versuchen auch „the design gym“, die ein partizipatives Design-Manifest entworfen haben. Sie stellen die Frage: „What’s your Design Manifesto?“. Der Besucher ihrer Website kann ein Formular ausfüllen. Indem er/sie das Wort „design“ und „manifesto“ mit eigenen Worten beschreibt und fünf Manifestpunkte aufstellt, wird ein persönliches Manifest beigetragen.14 Die Form des Manifests ist längst auch von der Massenkultur vereinnahmt worden. So wird es von Unternehmen und Marken zur Identitätsbildung benutzt. Das „Brand manifest“ oder „Brandifest“ ist fester Bestandteil der Marketingstrategien geworden: „Most of us probably don’t intend to launch a full-scale ‘movement,’ but this genre of writing may inspire you to reconsider the literary content of

your creative work and its public representation.“ Die Brandagentur Minimoko haben sogar eine Art Manifest über das Verfassen von Manifesten als Marketingwerkzeug verfasst. Darin heißt es unter anderem: „In the age of plenty, standing out is more important than ever. Building a brand is your only way to get there.“ Und auch zur Selbstvermarktung im privaten Bereich findet das Manifest in der Statement-Kultur der Blogs, Twitterpages und Instagram-Seiten seine Anwendung. In einem Video-Tutorial auf youtube wird erklärt, wie man sein eigenes Manifest verfassen kann: „Writing your own Manifesto is a fun, easy creative process. It can help you set goals – in your business or personal life; gain clarity and focus; or help you get inspired. You can use your Manifesto on your website, Facebook or LinkedIn profile, or print it out to motivate you every day.“15 Das Manifest scheint immer mehr zu einem persönlichen Notizzettel zu werden, der einen an die eigenen Einstellungen und Vorhaben erinnern soll. Dies beeinflusst auch die einzelnen Punkte der als „Manifest“ betitelten Listen. Sie sind Phrasen, die „Lebensweisheiten“ aufnehmen und damit alles oder nichts bedeuten können. Die Formulierung der Manifeste als Slogans erinnert oft an Werbesprüche – und als solche werden sie auch genutzt. Sloganism Das Statement ist zur Modeerscheinung geworden: Die „Statement-Tasche“, „Statement-Kette“ und nicht zuletzt das „Statement-Shirt“ geistern seit einigen Jahren durch die Magazine. Was genau damit gemeint ist, bleibt unklar. Offensichtlich gehört es zum guten Ton, eine Meinung zu äußern. Auf T-Shirts präsentierte Hooklines sind noch relativ verständlich, wofür aber genau die Taschen, Ketten und sonstigen Accessoires stehen sollen, bleibt


10 the Maptia Manifesto 11 Statement-Aktivismus India needs feminism because... 12 Statement als Plakat

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7 das Open Design Manifesto der D School 8 Graffiti 9 Slogan an Hauswand

4 das Done Manifesto als Plakat 5 Interpretation eines Zitats von William Morris 6 Zitat aus „Slaughterhouse 5“ als Plakat

1 Interpretation eines Zitats als Plakat 2 Plakat vom Mai 1968, Urheber unbekannt 3 Aussage als Bild


Manifesto“ Hugo Ball: „Dada Manifesto“

1917

Olga Rozanova: „Cubism, Futurism, Suprematism“

1918 Vladimir Mayakovsky u.a.: „Manifesto of the Flying Federation of Futurists“ Tristan Tzara: „Dada Manifesto“ Richard Huelsenbeck, u.a.: „Dadaistisches Manifest (Der Dadaismus im Leben und in der Kunst)“ Amédée Ozenfant, Charles-Ésouard Jeanneret: „Purism“ Bruno Taut: „A programme for architecture“

1919

Walter Gropius: „Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses“ Aleksandr Rodchenko u.a.: „Manifesto of Suprematists and Non-Objective Painters“ Richard Huelsenbeck, raoul Hausmann: „What is Dadaism and what does it want in Germany?“ Leberecht Migge: „The Green Manifesto“ „Work Council for ARt: Under the wing of a great architecture“ Gropius/Taut/Behne: „New ideas on architecture“

unverständlich. Während die Modedesignerin Katherine Hamnett mit ihren T-Shirt-Slogans in den Achtziger Jahren tatsächlich noch politisch relevanten Aktionismus betrieb, nahm die Aussagekraft der Prints zunehmend ab. Bis zuletzt Karl Lagerfeld seine Modenschau für Chanel als „manif“ (=Demonstration) inszeniert hat und mit Sprüchen wie „Make fashion not war“ jeglichen ernst gemeinten Protest diffamiert. In der Flut der Aussagen kann man sich kaum mehr zurecht finden. Daher wird einer einfachen, schnellen Verständlichkeit viel Wert beigemessen. Längere Texte sind dieser Effizienz nicht mehr angemessen. In der von Latour angesprochenen Remix-Kultur werden auch alte Weisheiten zu neuem Leben erweckt: Fremde Aussagen werden zum eigenen Grundsatz erklärt. Aphorismen, Zitate und Sprüche werden werden neu kombiniert und interpretiert, vielfach aber auch aus dem Kontext gerissen. Oft geschieht dies in Kombination mit Bildern: Das Visuelle ist von großer Bedeutung. Heute spielen Manifeste vielfach auch mit dem Bildgrund. Sei es eine Häuserwand oder ein Notizzettel wie beim Open Design Manifesto der Stanford D School. Viele Texte werden heute in einer Umgebung abgebildet, etwa gemeinsam mit dem Verfasser. Farbige Abbildungen fanden sich früher eher selten, wohl um der besseren Reproduzierbarkeit willen. Heute, wo viele Manifeste in digitaler Form verbreitet werden, hat sich das geändert. Aber auch Printobjekte werden zum Teil aufwendig hergestellt. Vivienne Westwoods „Active Resistance Manifest“ erscheint mit vielen verschiedenen Einbänden.

Die Form der WortWolke16 hat sich auch für das Gestaltungsmanifest etabliert. Die Dokumente haben oft einen sehr poetischen Charakter. Die Flüchtigkeit einer Wolke bestimmt aber auch das Medium an sich: Das im Netz publizierte Manifest kann jederzeit modifiziert werden, und irgendwann verschwindet es ja doch wieder in der Datenflut. Zudem ähneln sich dank der Copy/ Paste-Attitüde viele der durch das Netz geisternden Manifeste stark in Form und Aussage. Die Frage, ob es sich überhaupt noch um Manifeste handelt, steht im Raum. Was machen, was macht diese Dokumente „manifest“? Denn die Art und der Ort der Publikation wird ebenso wichtig wie der Inhalt. Die im Internet veröffentlichten „Manifeste“ kommen in ihrer Form und Sprache daher wohl dem Charakter eines Manifests nach, sind aber nur bedingt als solche einzustufen. Da sie jederzeit wieder verschwinden, sich transformieren können, sind sie eben nur ein punktueller Kommentar. Posts werden als virtuelle Poster ebenso schnell überklebt wie jene in den Straßen. Das Mikro-Manifest Vielleicht ist die Außenwirkung eines Manifests aber gar nicht mehr das Entscheidende – sondern die persönliche Bedeutung für den Verfasser. Wenig intentionalen Schriften gelingt es heute, große Wellen zu schlagen. Die Reichweite ist generell als eher gering einzustufen. Dafür dienen sie als individuelle, bewusste Positionierung, eine Reflexion der eigenen Wünsche, Werte und Ängste. Das Manifest wird zu einem Privatereignis, zu einem individuellen Anker. Die Veröffentlichung desselben ist vielleicht nicht mehr als ein symbolischer


Moment, vergleichbar mit einer liebgewonnenen, guten alten Tradition. Vielleicht ist das Manifest auch als Resolution reizvoll. Denn daran erkennt man es auch: An dem bewussten, reflektierten Handeln des Verfassers, an seiner Integrität. Es ist eben keine Verkaufsstrategie, sondern ein nicht konsumierbares Dokument, welches Werte definiert. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Manifest endgültig zur Ausdrucksform geworden ist, zum eigenen Genre. Das moderne avantgardistische Manifest hatte einen universellen Anspruch: Die gesamte Kultur sollte umgestaltet werden. Heute sind Manifeste individuell und spezifisch. Sie werden für einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Ereignis oder ein bestimmtes Thema verfasst. Ein Manifest spricht heute nicht mehr unbedingt Massen an, sie sind Mikro-Manifeste, die ihre Wirkung in der Diversität finden. Dabei sind sie offen für Neuinterpretationen und Modifikationen. Die positiven Aspekte dieser Entwicklung klingen in Latours Rede an: Die Brutalität und der Dogmatismus des frühen avantgardistischen Manifests wurden abgelöst von Vorschlägen. Das Manifest ist nicht länger radikal. Es hat sich – ebenso wie die Forderungen und Themen der Avantgarden – etabliert. Leichtfertigkeit ist so auch: Leichtigkeit. Dunne & Raby zum Beispiel betiteln ihr Manifest „A Manifesto“ - der indefinite Artikel nimmt dem Wort Manifest seine Bedeutungsschwere.

1 http://www.duden.de/rechtschreibung/Manifestation 2 http://www.duden.de/rechtschreibung/Manifest 3 siehe: Alexandra Midal: „Design, l´Anthologie“, Cité du Design, 2013, Seite 169 4 siehe Friedrich Wilhelm Malsch: Künstlermanifeste. Studien zu einem Aspekt moderner Kunst am Beispiel des italienischen Futurismus, VDG, Weimar, 1997, S. 242 5 Marjorie Perloff: „The Futurist Moment: Avant-Garde, Avant Guerre, and the Language of Rupture“, University Of Chicago Press, 1986, S.90 6 siehe Beatriz Colomina: „Manifesto Architecture. The Ghost of Mies“, Sternberg Press, 2014 7 http://www.bauhaus.de/de/ das_bauhaus/44_idee/ 8 Düsseldorfer Künstlergruppe der „Stunde Null“, 1958 von Heinz Mack und Otto Piene gegründet 9 http://www.matthijsvanleeuwen. com/books/manifestos 10 http://frontdeskapparatus.com/ files/015.pdf. 11 ...auch wenn der „Situationismus“ explizit niemals ein -Ismus war! 12 http://www.manifestoproject.it 13 http://www.utrechtmanifest.nl 14 http://www.thedesigngym.com/ design-manifestos/ 15 https://www.youtube.com/ watch?v=7bBLnk-f3wQ 16 Eine Zusammenstellung an Schlagworten, welche mit Programmen, welche im Internet frei zugänglich sind, generiert werden können. Zum Beispiel: http://www. wordle.net

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Erich Mendelsohn: „The problem of new architecture“

1923

El Lissitzky: „Topology of Typography“

„ABC demands the dictatorship of the machine“

1920

László Moholy-Nagy: „The New Typography“

Hannes Meyer: „Building“

Le Corbusier: „Toward an Architecture“

1929

Naum Gabo, Antoine Pevsner: „Realistic Manifesto“ (Constructivism) Bruno Taut: „Down with Seriousism!“ Francis Picabia: „Dada Manifesto“ Francis Picabia: „Dada Cannibalistic Manifesto“ Tristan Tzara u.a.: „Twenty-Three Manifestos of the Dada Movement“

Theo van Doesburg u.a.: „Manifesto Prole Art“ Tomoshoi Murayama u.a.: „Mavo manifesto“ David Alfaro Siqueiros u.a.: „Manifesto of the Union of Mexican Workers, Technicians, Painters and Sculptors“

Le Corbusier: „Towards a new architecture: guiding principles“

1924

1921

André Breton: „Manifest des Surrealimsus“

Liubov Popova: „On Organizing Anew“ Tristan Tzara u.a.: „Dada Excites Everything“ Manuel Maples Arce: „A Strident Prescription“

1922 Taller de Grafica Popular: „Manifesto of the Painter´s Union“ Dziga Vertov: „WE: Variant of a Manifesto“ Theo van Doesburg u.a.: „Manifesto I of De Stijl“ Vincente Huidobro: „We Must Create“ Alexandr Rochenko: „Manifesto of the Constructivist Group“

1920-25 Amedee Ozenfant & Le Corbusier: „Après le cubism“ (Purist Manifesto)

The Red Group: „Manifesto“

1926

José Carlos Mariátegui: „Art, revolution and Decadence“

André Breton: „Zweites Surrealistisches Manifest“ El Lissitzky: „Ideological superstructure“

1930

F.T. Marinetti, Fillìa: „Manifesto of Futurist Cuisine“ Otto G. Carlsund, Theo van Doesburg, Jean Hélion, Marcel Wantz, Léon Arthur Tutundjian: „Base de la peinture concrète“ - Art Concret Ludwig Mies van der Rohe: „The new era“

1931

Frank Llloyd Wright: „Yound architecture“

1926/27 1932 Gruppo7: „Manifest des italienischen Rationalismus“

1927

Kasimir Malewitsch: „Die gegenstandslose Welt“

1928

Salvador Dalí u.a.: „Yellow Manifesto“ Oswald de Andrade: „Cannibalist Manifesto“ Erich Medelsohn, Bernhard Hoetger: „Synthesis -World Architecture“ CIAM: „La Sarraz Declaration“

John Reed Club of New York: „Draft Manifesto“ Hugo Häring: „The house as an organic structure“ R. Buckminster Fuller: „Universal Architecture“

1933

Mario Sironi: „Manifesto of Mural Painting“ CIAM: „Charter of Athens“

1936

Károly (Charles) Sirató u.a.: „Dimensionist Manifesto“

1938

André Breton, Diego Rivera, Leon Trotsky: „Towards a Free Revolutionary Art“

1942

Jean (Hans) Arp: „Concrete Art“

1943

Walter Gropius, Martin Wagner: „A programme for city reconstruction“

1946 Lucio Fontana: „White Manifesto“

Edgar Bayley u.a.: „Inventionist Manifesto“

1947

„A post-war appeal: fundamental demands“ Frederick Kiesler: „Magical Architecture“

1948

les Automatistes: „Refus Globale“ Voltolino Fontani: „Manifesto of Eaismo“ Constant Nieuwenhuys: „Manifesto“ Barnett Newman: „The Sublime is Now“

1949 René Iché: „Sculptors‘ first manifesto“ Henry van de Velde: „Forms“

1950

Ludwig Mies van der Rohe: „Technology and architecture“

1951

Salvador Dali: „Mystical Manifesto“


Enrico Baj: „Manifesto pittura nucleare“

Constant, Debord: „Situationist definitions“

„Zero der neue Idealismus“

1952

1960

Ken Garland & 20 weitere Designer, Photographen und Studenten: „First Things First“

l‘Institut d‘Esthétique industrielle: „The industrial Aesthetics Charter“ „Les Spatialistes Manifesto“ Michel Tapié: „Un Art Autre“ (art informel movement)

1953

Jaques Viénot: „Proposition d´une doctrine de l‘esthétique industrielle“

1954

Asger Jorn: „Contre le fonctionalisme“ Jaqus Fillon: „New games!“

1955

Victor Vasarely: „Notes for a Manifesto“

1956

Jirô Yoshihara: „Gutai Manifesto“ - Gutai group

1957

Max Bill: „Die gute Form“ Guy Debord: „Report on the Construction of Situations“ Asger Jorn: „Notes on the Formation of the Imaginist Bauhaus“ Konrad Wachsmann: „Seven theses“

1958 Gruppe SPUR Manifesto

Hundertwasser: „Mould Manifesto against rationalism in architecture“

William Katavolos: „Organics“

1959

Guy Debord: „On the Passage of a Few Persons Through a Rather Brief Unity of Time“ (Film) Gustav Metzger: „Auto-Destructive Art Manifesto“ Jean Tinguely: „For Static“ Ferreira Gullar: „Neo-Concrete Manifesto“ Giuseppe Pinot-Gallizio: „Manifesto of Industrial Painting: For a unitary applied art“

1964

Stanley Brown: „A Short Manifesto“ Derek Jarman: „Manifesto“

1965

GIAP (Groupe International d‘Architecture Prospective): „Le Manifeste“ - Yona Friedman, Walter Jonas, Paul Maymont, Georges Patrix, Michel Ragon, Ionel Schein,Nicolas Schöffer

George Maciunas: „Fluxus Manifesto“ Wolf Vostell: „Manifesto“ Stan Brakhage: „Metaphors on Vision“

Paul Neogu: „Palpable Art Manifesto“

1970

Gilbert and George: „What our art means“

Yves Klein: „The Chelsea Hotel Manifesto“ Superstudio: „Superarchitettura I Claes Oldenburg: „I Am For An Art … „

1963

Mierle Laderman Ukeles: „Maintenance Art Manifesto“

1966

1961

Rafael Mantanez Ortiz: „Destructivism: A Manifesto“

Gilbert and George: „The Laws of Sculptors“

„WAR Manifestos“

Robert Venturi: „Non-Straightforward Architecture: A Gentle Manifesto“

1962

Steward Brand: „The Whole Earth Catalog“ Buckminster Fuller: „Operation Manual for Spaceship Earth“

„AfriCobra Manifesto“

Bruno Munari: „Design as Art“

Georg Baselitz: „Pandemonic Manifesto I, 2nd version“

1969

Yvonne Rainer: „No Manifesto“

1960

Guy Debord: „Situationist Manifesto“

della superinduzione al consumo, del supermarket, del superman e della benzina super”

1967

Guy Debord: „La société du spectacle“

1971

Albe Steiner: „La coscienza del designer“ Victor Papaneck: „Design for the real world“ Superstudio: „12 cautionary tales for Christmas”

1972

Germano Celant: „Architecture radicale“ Valie Export: „Women´s Art: A Manifesto“

Germano Celant: „Arte Povera: Notes for a Guerilla War“ Abraham A. Moles: 1973 „Functionalism in Crisis“ Horst Rittel, Melvin Webber: „Dilemmas Valerie Solanas: in a General theory of „SCUM Manifesto“ planning“ Superstudio: Superarchitettura II - “La superarchitettura é l’architettura della superproduzione, del superconsumo,

1974

„Collectif d´Art Sociologique manifesto“


Douglas Davis: „Manifesto“

1975 „Body Art Manifesto“ Paul Hartal: „A Manifestato on Lyrical Conceptualism“ Maroin Dib u.a.: „Manifesto of the Arab Surrealist Movement“

1978 Atlante Secondo Lenin „Crude Art Manifesto“ Rem Koolhaas: „Delirious New York: A Retroactive Manifesto for Manhattan“

1979

Ahmedabad Declaration on Industrial Design for Development

1980

Lucius Burckhardt: „Design ist unsichtbar“ Coop Himmelb(l)au: „Architecture must Blaze“

1982

„GNU manifesto“

1992

Georg Baselitz: „Painters‘ Equipment“

William McDonough, Michael Braungart: „The Hannover Principles“

1986

1993

“Conscientious Hacking”

1987 Design memorandum. Dall‘etica del progretto dell‘etica

„The Neoist Manifestos“

1987

Dieter Rams: „10 Thesen zur guten Gestaltung“

1989

„Carta del progetto grafico“ - Giovanni Anceschi, Giovanni Baule, Gelsomino D’Ambrosio, Pino Grimaldi, Giancarlo Iliprandi, Giovanni Lussu, Alberto Marangoni, Gianfranco Torri „Post Porn Modernist Manifesto“

Dieter Rams: „10 Thesen zur guten Gestaltung“ Lebbeus Woods: „Manifesto“

1995

Lars von Trier, Thomas Winterberg: „Dogme 95 Manifesto“ Dieter Rams: „10 Thesen zur guten Gestaltung“

1996

„Viewer‘s Declaration of Independence“ John Perry Barlow: „A Declaration of the Independence of Cyberspace“ Michel Betancourt: „The ______________ Manifesto“

R.B. Kitaj: „First Diasporist Manifesto“

Charles Jencks: „13 Propositions of Post-Modern Architecture“

1990

1997

2000

Bruce Sterling: „The Manifesto of January 3, 2000“ „First Things First Manifesto 2000“ (update) Bruce Mau: „Incomplete Manifesto for Growth“ „Icograda design Education Manifesto“ „The Conscious Art Manifesto“ Miltos Maneta: „Neen manifesto“ Takashi Murakami: „The Super Flat Manifesto“ Billly Childish, Charles Thomson: „Remodernist Manifesto“

2001

AIAP: „Diseno etica e comunicazione“ Noah Scalin: „Designers Against Monoculture“ „Socialist Designer‘s Manifesto“ (aufbauend auf Dogme 95)

„Manifesto for Agile Software Development“ „Extropic Art Manifesto“ „Neomodernism Mani„International Associfesto“ ation of Astronomical 1998 Artists Manifesto“ „Manifesto of Visionary „Ne pas plier statement“ 1991 Art“ rastlos: „For sale?“ Kathleen Hanna: „The „People‘s CommunicatiSusie Ramsay, Rafael Riot Grrrl Manifesto“ on charter“ Lozano-Hemmer: „OK 1983 „A Cyberfeminist Art Manifesto“ „The Free Software 1999 manifesto for the 21st announcement“ Billy Childish, Charles „Thinkism Manifesto“ Century“ Thomson: „Stuckist manifesto“ 1984 Pierre Bernard: „The So2002 „Cheap Art Manifesto“ cial Role of the Graphic „First Declaration of Kerry Mitchell : „Fractal Designer“ the St. Moritz Design Art Manifesto“ Summit“ 1985 „The Munich Design Donna J. Haraway: Werner Herzog: Charter“ Conceptual Devices: „A Cyborg manifesto“ „Minnesota Declaration“ „Triangular Design ManiStewart Home: „Smile Manifestos“

„A Scandinavian Design Council Manifesto on Nature, Ecology and Human Needs for the Future“

„Group Hangman“


festo“ Christopher Fiddes: “Movement for Classical Renewal Manifesto” „The Resurrection of Beauty: a manifesto for the future of art 2002-10“ Dieter Rams: „10 Thesen zur guten Gestaltung“ (update)

2003

John Perry Barlow: „The Economy of Ideas“

„Owner‘s Manifesto“ – The Maker‘s Bill of Rights Lee Scrivner: „How to Write an Avant-Garde Manifesto (a Manifesto)“ Karim Rashid: „Karimanifesto“ “Free Font Manifesto”

2007

Allan Chochinov: „1000 Words: A Manifesto for Sustainability in Design“

„The Designer‘s Di2004 lemma“ - „Designer‘s „The Free Culture ManiAccord“ festo“ „Um Manifesto Anti-De„Eco-Art Manifesto“ sign“ „Symbiotic Art Mani„Versatilist Manifesto“ festo“ Vivienne Westwood: „Humanitarian art ma„Active Resistance to nifesto“ Propaganda“ „WEI manifesto“ “Guerilla Gardening – A Manualfesto” Beate Engelhorn, Georg Ansas Otto, Christian R.B. Kitaj: „Second DiasGänshirt: porist Manifesto“ „Manifestmaschine“

2005

Ulla Engenström: „Draft Craft Manifesto: On Making and Consuming Things“

2008

Yvonne Rainer: „A Manifesto Reconsidered“

„The Remodernist Film Manifesto“ “The Maker´s Bill of „The Superstroke Art Rights” Movement Manifesto“ „Derivative Works Art Metahaven: Manifesto“ „White Night Before A Manifesto“ „Manifesto of Aruša Theatre“ „Kyoto Design Declaration“ by members of Cumulus (International 2006 Association of Universi„The Public Role of the ties and Colleges of Art, Graphic Designer“ Design and Media) Ellen Lupton: „Free Font Patrik Schumacher: „PaManifesto“ rametricism as Style –

Parametricist Manifesto“ „Not in our Name, Marke Hamburg!“ „Conditional Design Manifesto“ „This is NOT Manifesto – towards an alternative „Project H Design (Anti) design practice“ Manifesto: A Call To Action For Humanitarian “RIP! A Remix Manifesto” (Product) Design“ (film) „The Digital Humanities Austin Williams u.a.: Manifesto 2.0“ „Manifesto: Towards a New Humanism in ArchiBjarke Ingels: „Yes Is tecture“ More: An Archicomic on Architectural Evolution“ „WAI Manifesto“

2009

Platform 21: „The Repair Manifesto“

2010

„The Role of Design in the 21st Century - Danish Designers Manifesto: A Vision for the Future of Danish Design“

Edgeworth Johnstone, Shelley Li u.a.: „The Founding, Manifesto and Rules of the The Other „Anti-Design Festival Manifesto“ Muswell Hill Stuckists“ „The Cult of Done “The Linchpin Manifesto” Manifesto“ Adam Nash, Justin Miltos Manetas: „Pirate Clemens, Christopher Manifesto“ (design by Dodds: “Manifesto of experimental jetset) Virtual Art“ (Australian Center of Virtual Art) „The Digital Humanities manifesto 2.0“ Blair Enns: „The Win Wi thout Pitching Manifesto“ Michael Erard: „A Short manifesto on Warren Berger: „The the Future of Attention“ Glimmer Manifesto“ Manuel Lima: „ „Big Potatoes: The Information Visualization London Manifesto for Manifesto“ Innovation“ Umair Haque: „The Awesomeness Manifesto“ „Internet Manifesto How journalism works today. Seventeen declarations.“ „Charter of Innovation, Creativity and Access to Knowledge“, assembled at the Barcelona Culture Forum for citizen‘s and artist‘s Human Rights in the digital age

Mitch Goldstein: „A Design Education Manifesto“ „LeNS Project Manifesto“ ifixit: “Self-repair Manifesto” Diana Balmori: „A Landscape Manifesto“

2011

„Post Typographic Ma-


nifesto“ „Icograda Design Education Manifesto, 2011“ „No Chair design Challenge“ „Open Architecture Manifesto“ „Transgressive Expressionist Art TEA Party Manifesto“

2012

„Towards A Minimal Model For Publishing & Design for the modern tablet, mobile and web“ Jeffrey Zeldman: „Web Design Manifesto 2012“ „Draft Manifesto for an Open Internet of Things“ „Certifying Responsible Design manifesto“ „Subcompact Publishing Manifesto“

2013

Dunne & Raby: „Speculative Everything“ Paul Jarvis: „A manifesto for creative professionals“ - on professional ethics

2014 „First Things First“ Crafts Council: „An Education Manifesto“

2015

„Le Manifeste EnDevenir“ . . .

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„Ein Manifest muss vielleicht gar nicht so viele Leute erreichen.“ – EnDevenir im Interview, Teil II: Das Manifest



Warum habt ihr denn das Bedürfnis gehabt, ein Manifest zu verfassen? LS: Das hat sich auf sehr natürliche Art und Weise so ergeben. Wir haben schon einige Texte verfasst, die dem Duktus eines Manifests sehr nahe kamen – allerdings eher in einer humorvollen Art und Weise, als ironischer Kommentar mit einem wahren Kern. Das erste Manifest war, glaube ich, das von „Roofsurfing“. Es ging darum, auf Dächer zu klettern und die Welt von oben zu betrachten. Später haben wir für unsere Gruppe, LaboratoireS, ein Manifest geschrieben. Wir haben gemerkt, wie hilfreich es ist, seine Ansichten als Richtlinien zu verfassen, auf die man sich immer wieder berufen kann. Das war der Moment, in dem unsere Arbeit sehr abstrakt wurde und wir uns immer umständlicher erklären mussten. So konnten wir einfach immer auf das Manifest verweisen, das hat meistens sehr gut funktioniert! Und wieso jetzt ein weiteres Manifest? MP: Das erste war nur für uns als Gruppe gedacht, es bezog sich nur auf unsere eigene Art und Weise, zu gestalten. Später haben wir EnDevenir ins Leben gerufen, als einen Vorschlag für alle. Mit unserem Manifest wollen wir aber niemanden überzeugen. Es ist vielmehr der Versuch, einem subjektiven Empfinden Form zu verleihen. Was war denn der Auslöser dafür? LS: Wir hatten immer wieder ähnliche Diskussionen mit all unseren Freunden. Es ging um Politik und um unsere Ängste und ein Gefühl der Ohnmacht. Wir hatten alle die gleiche Empfindung von Lähmung. Wir wollten etwas tun, wussten aber nie, was man konkret machen könnte. MP: Ich glaube, Manifeste helfen vor allem, zu kommunizieren. Mit all jenen, welche das Problem gar nicht wahrnehmen und deshalb auch nicht verstehen können, weshalb man bestimmte Dinge tut und sagt. Es gibt so viel Missverständnis. Wir wollten uns verständlich machen... und gleichzeitig auch selbst verstehen, was uns denn konkret so stört.

Hat das Manifest dabei geholfen, es herauszufinden? LS: Schon, ja. Es ist natürlich ein Prozess, welcher nie abgeschlossen sein wird, aber jetzt ist vieles klarer. Vielleicht ist das auch viel eher der Grund, heute ein Manifest zu verfassen: Um sich selbst bestimmter Dinge bewusst zu werden, und um immer wieder darauf zurück kommen zu können. Ein Manifest muss vielleicht auch gar nicht so viele Leute erreichen. Wir wollen absolut keine Massenbewegung auslösen. Wir wollen ja niemandem etwas vorgeben, sondern dass die Leute selbst denken. Und überhaupt: Masse, Leistung, das sind zentrale Themen, welche wir für uns als Probleme unserer Zeit detektiert haben. Und eines Nachts saßen wir dann beisammen, in einem Theater, und hatten das dringende Bedürfnis, all das auszudrücken und deutlich zu machen. Vielleicht spielt das Manifest deshalb auch in einem Theater. Es spielt ja nicht nur in einem Theater, es ist auch ein Theaterstück. Warum denn? MP: Es ist die sanfte Variante von Radikalität. Besonnen. Wir sind uns allzusehr bewusst, dass wir nicht alles wissen, dass wir Fehler machen – genau das ist ja auch eine der Grundaussagen unseres Manifests. Wie aber sollten wir ein Manifest schreiben, wenn wir so sehr an uns zweifeln? LS: In Manifesten wird ja sehr oft etwas konkretes gefordert oder kritisiert. Unsere Bewegung steht aber für eine Offenheit und sieht alles aus mehreren Perspektiven. Deshalb korrespondiert die Form eines Theaterstücks sehr gut mit seiner Aussage! Ein Theaterstück ist ja auch nie gleich, jede Aufführung ist einzigartig. Die Diskussion zwischen den Protagonisten erlaubt uns eine Multiperspektivität. Es ist die Rückführung der Philosophie in ihre ursprüngliche Form. Wer sind denn die Personen? MP: Es gibt ein kleines, etwas altkluges Mädchen, einen sehr lyrischen, verträumten Künstler und den Aktivisten, welcher eigentlich ganz gute Ideen hat, 59


von vorn los: Die Protagonisten finden sich ihrem eigenen Stück ausgesetzt und sehen die soeben erzählte Geschichte als Theaterstück... Und danach treffen sich, wie am Anfang, drei Personen. Sie diskutieren und eine neue Geschichte wird erzählt, neue Blickpunkte werden erörtert... Das Stück ist ein Loop, in dem jeder Umlauf anders ist. Damit lassen wir uns und allen die Freiheit, alles zu ändern, alles zu revidieren.

aber immer mit dem Kopf durch die Wand will. Sie verkörpern verschiedene Aspekte von uns selbst. Die eigene Meinung durch fiktive Personen auszudrücken ist besonders für unser Manifest hilfreich: Wir möchte nichts behaupten und auch für niemanden Regeln aufstellen. Aber wenn das Theaterfiguren machen, dann geschieht das auf einer anderen Ebene. Wir wollen nicht auf einen Standpunkt beharren oder Regeln aufstellen, sondern Fragen aufzeigen. LS: Wir wollen zur Komplexität stehen und nichts vereinfachen. Dabei sind unsere Gedanken oft verworren und zerstreuen sich in alle Richtungen. Also sind sie oft unverständlich, aber die Form eines Dialogs kommt dem entgegen. Es war beim Schreiben ein bisschen so, als würden wir mit uns selbst diskutieren. Da ist all dieses Halbwissen über Wissenschaft und Kunst und Design und Philosophie... Wir sind wirklich Kinder unserer Zeit. Wir haben alles durcheinandergewürfelt und uns kurzerhand unsere eigene Philosophie geschrieben, die unser Tun erklärt und begründet! Insofern ist das eine Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt, aber es funktioniert! Hat sich dieser Gedanke auch auf das Stück ausgewirkt? LS: Ja, inhaltlich, aber auch formal. Das Stück ist klassisch streng gegliedert in fünf Akten. Das hilft, die Gedanken zu organisieren. MP: Aber am Ende des Stückes löst sich die Form durch ein Mise en Abyme auf, denn es geht es 60

Ihr habt aber nicht nur ein Theaterstück geschrieben, sondern auch Postkarten gestaltet. Was hat es damit auf sich? MP: Die Postkarten fassen die Aussagen übersichtlich zusammen und verweisen auf das Theaterstück. Sie konnten aber erst nach dem Theaterstück entstehen, weil wir uns dann viel klarer über alles waren. LS: Es gibt also mehrere Etappen, und wir möchten gern alle zeigen, denn der Prozess ist uns sehr wichtig. Wir wollen die Fassaden niederreißen und einen tieferen und noch tieferen Zugang ermöglichen. Stehen dem nicht die dogmatischen Slogans, welche auf den Karten prangen, im Weg? „Wir sind (nicht) ...“ - das ist doch eine starke, unflexible Behauptung. MP: Slogans charakterisieren unsere Zeit. Es ist schwer, Aufmerksamkeit zu generieren. Es gibt so einen krassen Informationsüberfluss. Komplexe Zusammenhänge sind eher abschreckend. Wir mussten einen Weg finden, um eine Neugier zu kreieren, die den Betrachter unter die Oberfläche zu begleitet. Dafür steht das Sternchen hinter dem Spruch: Es geht noch weiter, es gibt noch Kleingedrucktes. LS: Bild und Slogan stehen in einem Spannungsverhältnis. Der Betrachter erlebt einen Moment der Verwunderung – welcher ihn vielleicht motiviert, sich eingehender damit zu beschäftigen: Die Karte wird umgedreht, das Kleingedruckte gelesen. Kann ein Theaterstück das nicht auch? LS: Es war uns wichtig, etwas zu kreieren, was auch außerhalb eines kulturellen Rahmens wie dem Thea-


ter oder einer Ausstellung funktioniert und wahrhaft im Alltag verankert ist. Und was könnte banaler sein als eine Postkarte? In Zeiten der elektronischen Kommunikation haben sie aber dennoch etwas

nur in die Wohnung hängt. Sie können individuell angeeignet werden. So wird man auch Teil der Bewegung, indem man sich mit ihr – oder Teilaspekten – identifiziert. MP: Der Betrachter wird vor die Frage gestellt: Trifft die Aussage auf mich zu? Stimme ich zu? Es wird ihm eben jene Positionierung abverlangt, welche eine Designbewegung charakterisiert. Und was kommt als nächstes? LS: Mal sehen... Wir wollen stärker alle möglichen Menschen einbeziehen und ihre Ansichten berücksichtigen. Wir wollen mit allen möglichen Menschen kooperieren! Vielleicht wäre es auch sinnvoll, eine Plattform zu kreieren – in physischer oder digitaler Form.

Rührendes und sind fast schon zum Statement geworden: Da setzt sich jemand hin und schreibt mit seiner Hand auf Papier an einen bestimmten Menschen, erzählt von dem Ort, wo er gerade ist, verschickt ein Stück seiner Realität. Ist das nicht wunderschön? MP: Die Darstellung des Manifest als unscheinbare Geste in Form einer Postkarte realisiert unsere Forderung nach dem politisch-poetischen Akt, welcher im Alltäglichen verankert ist. Die Motive sind zudem Schnappschüsse aus dem Alltag. Wir stellen damit zwar die Absurdität unserer Gesellschaft dar, vergessen aber nicht, dies mit einem humorvollen Augenzwinkern zu tun. Denn „Wir haben Spaß!“. LS: Es geht uns darum, Geschichten zu erzählen. Außerdem erleichtern wir uns und unserem Publikum so den Zugang zu komplexen Überlegungen. Wir sprechen viele schwere Themen an, ohne eine gewisse Leichtigkeit zu verlieren!

Dem Katalog liegen zwanzig Postkarten bei.

Wird das Manifest nicht ein wenig zerpflückt, wenn es in einzelnen Postkarten präsentiert wird? LS: Das ist so gewollt. Die Bewegung soll ja gerade offen und im Entstehen sein. Es können die einzelnen Statements unabhängig voneinander angenommen werden. Ihr Kontext ändert sich stetig, mit dem Anlass und der Nachricht dessen, der sie verschickt, oder der Intention der Person, die sie sich einfach 61


3 Marianne Brandt, Selbstportrait f端r das Bauhausfest zum Thema Metall, 1929

2 Jean Hans Arp (Dada) mit Nabelmonokel, 1926

1 Student mit Papierarbeiten aus dem Unterricht von Josef Albers, HfG Ulm, Deutschland, 1955


6 Marjorie Potiron mit Gipsmaske (EnDevenir), Weimar, 2015

5 AndrĂŠ Breton fotografiert von Man Ray (Surrealismus), Frankreich, 1930

4 Salvador DalĂ­, Exposition Internationale du Surrealisme, 1938


Phase II: Umsetzung Lebensweise (Alltag) Exempel (Manifest-Objekte) Realisierung (Entw端rfe) Diskussion (Gruppenfotos) Institution (Kommunikation)


II.II die GESTALT Die Bewegung existiert nur so lange, wie die Mitglieder sich nach den von ihnen aufgestellten Regeln verhalten: Alternativen zum Bestehenden werden entwickelt, im eigenen ALLTAG experimentell erprobt und zur allgemeinen Etablierung vorgeschlagen. Die Erkenntnisse werden in MANIFEST-OBJEKTEN verdeutlicht und beispielhaft zusammengefasst. Die Botschaften werden in ENTWÜFEN von Objekten, Collagen, Manifesten, Kleidung und Architektur realisiert. II.II der ZUGANG Die Ideen werden der Allgemeinheit zugänglich gemacht: Als Produkte, in Galerien, Universitäten und Publikationen. Schließlich etabliert sich die Designbewegung als oder innerhalb einer INSTITUTION. Eine DISKUSSION der zentralen Anliegen äußert sich in Neugründungen, Updates des Manifests und personellen Veränderungen.


Gerrit Rietveld: „Rot-Blauer Stuhl“, Holz, Entwurf 1919, Herstellung 1923


Das Objekt als Manifest

„Manifest“ – dieser Begriff leitet sich von dem lateinischen Wort „manifestus“ ab, was soviel bedeutet wie „sichtbar gemacht“. Im Wortstamm inbegriffen ist auch die „Hand“ („manus“)1. Ein Manifest macht also etwas handgreiflich. Dieser Akt der Formgebung wird in Manifest-Objekten deutlich. Sie geben Aussagen eine dreidimensionale Form und machen sie so tatsächlich be-greif-bar. Ein Gedanke wird in ein Objekt übersetzt oder als Objekt entwickelt. Die Funktion besteht darin, einen Standpunkt zu verdeutlichen. Der „demonstrative Akt”2 politischen Handelns ist damit das Objekt. Auf dieses kann sich berufen werden als eine Art Totem – es steht symbolisch für die Designbewegung. Ein solches Manifest-Objekt ist „Fountain“ von Marcel Duchamp.3 Die Erhebung eines Alltagsdinges zum Werk macht den Gegenstand zur Aussage, welcher bis heute die Kontroverse um den Kunstbegriff anregt. Über ein alltägliches Objekt, ein Massenprodukt, wird ein komplexer Diskurs geführt. Die Dekontextualisierung des Gegenstandes und bewusste Platzierung des Urinals als Ausstellungsobjekt transformieren das Produkt in ein Manifest-Objekt.4 Der Ready-Made-Gedanke findet sich auch im „Coupe Dada“ von Sophie Taeu-

ber-Arp wider. Allerdings wird hier eine industrielle Form imitiert, das gedrehte und lackierte Holzstück mutet an wie ein Pokal oder eine Dose. Die Skulptur bezieht sich auf die Dynamik zwischen Objekt und Aussage, Kunst und Funktionalität. Die Ästhetik reflektiert die moderne Produktgestaltung. Damit greift der „Coupe Dada“ stilistisch den Kreationen des Bauhauses vor.5 Obwohl die Form eine Funktion vermuten lässt, ist das Objekt keinem konkreten Nutzen zuzuführen. Die Parodie ist eine typische Vorgehensweise der Dadaisten. Heute wird diese Vorgehensweise im Critical Design angewandt: Objekte werden hergestellt, um etwas auszusagen, zu verdeutlichen, kritisch zu hinterfragen. Das Interesse liegt in einem hypothetischen Gebrauchswert. Die „Huggable Atomic Mushrooms“ von Dunne und Raby sind beispielhaft für diese Herangehensweise. Als Kissen in Form eines Atompilzes sollen sie den Betrachter, also den potenziellen Nutzer, zum Nachdenken anregen. Die Einbettung eines Symbols der totalen Zerstörung in etwas Alltäglichem wie dem Kissen symbolisiert den Prozess der Gewöhnung an so etwas Unglaubliches wie die Existenz von Atombomben. Somit fangen Dunne & Raby einen komplexen philosophisch-ge-

sellschaftlichen Zusammenhang in einem Objekt ein. Gerade die Banalität des Gegentandes macht es zum provokativen Statement. Die Diskussionsfähigkeit ist eine der grundlegenden Eigenschaften eines Manifest-Objektes. Dies trifft auch auf Walther Zeischeggs Stapel-Aschenbecher zu. Zeischegg lehrte an der HfG in Ulm, an welcher funktionalistisch gedacht wurde. „Das Kernmotiv der Gestaltung (...) bestand darin, die Form aus dem Gebrauch, und, in radikaler konzeptioneller Verkürzung aus der „Funktion“ hervorgehen zu lassen“6, schreibt der Designtheoretiker Jörg Petruschat. Auch eine von Zeischegg entwickelte Form wurde einem konkreten Zweck zugeführt: Als Aschenbecher wurde sie massenhaft produziert. Ursprünglich entwickelte Zeischegg die Form aber als Studie, ohne eine konkrete Anwendung vorzusehen. Petruschat kommentiert: „Mich hat das beeindruckt, auch, weil ich mich gefragt habe, wie Zeischegg es mit dieser Position in jenem Ulmer Umfeld aushielt (...)“.7 Die unbedingte Funktionalisierung einer Form ist typisch für den Geist jener Bewegung, widerspricht aber der Intention seines Gestalters. Das Objekt verkörpert also einen Diskurs. Ist es aber ein Manifest-Objekt? Eher nicht: Denn es wurde nicht als 67


2 Superstudio: „Quaderna“, Schichtholz mit innenliegender Wabenkonstruktion, kunststoffbeschichtete Oberflächen, produziert von Zanotta, 1970

1 Walther Zeischegg: Stapel-Aschenbecher für die Firma „Helit“, aus Melamin, 1967

3 Marcel Duchamp: „Fontaine“, Urinal aus Porzellan, 1917 8 Ettore Sottsass Jr.: „Superbox“, Holz und Plastiklaminat, 1966

4 „Jute statt Plastik“, Tasche aus Jutestoff, vertrieben von Gepa, ab 1978

5 Alessandro Mendini: „Lassù (Up There)“, performance, 1975

7 Sophie Taeuber-Arp: „Coupe Dada“, gedrehtes und lackiertes Holz, 1916

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6 Dunne & Raby / Michael Anastassiades: „Atomic Mushroom“, Priscilla, 37 Kilotons, Nevada, 1957, reflektierender Stoff, Polyesterfüllung, 2004-05


Verdeutlichung eines Anliegens entworfen. Ebenso ist der Atompilz von Dunne & Raby ein Objekt, das zwar etwas manifest macht, aber dennoch kein Manifest-Objekt. Ein Manifest-Objekt muss als ein solches konzipiert werden – im Kontext einer bestimmten Design-Philosophie stellt es die typischen Merkmale derselben dar. Dies muss nicht unbedingt im Rahmen einer Designbewegung geschehen, wie am Beispiel der „Fontaine“ deutlich wird. Die Herstellung von Manifest-Objekten ist eine Technik an sich. Das Manifest-Objekt existiert außerhalb der Designbewegung, jedoch bringt jede Designbewegung Manifest-Objekte hervor. Wie im Artikel „Das Gestalter-Manifest, das gestaltete Manifest“ erläutert, ist ein erstes solches Manifest-Objekt das Manifest selbst. Des weiteren verdeutlichen sich die Anliegen der Designbewegung in Entwürfen. Beatriz Colomina schreibt in „Manifesto Architecture“: „Design is part of the manifesto. Not just in the sense of its graphics and layout. An architectural project can be an integral part of a manifesto – part of the argument, rather than an illustration.“8 In den Designbewegungen der Moderne wurde dies vor allem stilistisch umgesetzt. Es herrscht eine „enge Verbindung zwischen dem Manifest und der ästhetischen Praxis“.9 Mittels des Designs sollte eine gesellschaftliche Veränderung direkt herbeigeführt werden. In den postmodernen Designbewegungen wurde der Entwurf von expliziten Manifest-Objekten eine zentrale Vorgehensweise. Der Entwurf wurde zum Mittel eines Denkens durch Objekte. Der Gegenstand wurde „als darstellendes Medium verschiedenster Botschaften“10 begriffen. Die Gedankenexperimen-

te Superstudios drückten sich in Bildern aus, in Collagen, Skizzen und Objekten, welche über das Illustrative hinaus selbst zur Bedeutung werden. So kommentiert Adolfo Natalini von Superstudio fünfzehn Jahre nach dem Entwurf seines „Quaderna“-Tisches aus dem Jahr 1970/71: „Es ist das einzig gute Stück, das `Superstudio´gemacht hat. Selbstverständlich ist es nicht als Möbelstück gut, sondern eher eine Art Manifest gegen die Möbel jener Zeit.“11 Dessen Funktion ist also eine Aussage, welche physisch erfahrbar wird. Ettore Sottsass bemerkt: Design „is a way of discussing society, politics, eroticism, food and even design. At the end, it is a way of building up a possible figurative utopia or metaphor about life“12 Seine „Superboxes“ erinnern formal an eine Säule oder ein Denkmal. In der Mitte des Raumes positioniert, wird dem Gegenstand eine zentrale Rolle eingeräumt. Die Boxes stellen eine Mischung fernöstlicher Spiritualität und westlicher Populärkultur dar und verkörpern die Idee eines „meta-closet“, welche über die Funktion eines Kleiderschrankes hinausgeht und als „nomadisches Objekt“ seine Funktion mit dem Gebrauchskontext ändert. „It is a totem, which is common and irrational at the same time and simultaneously possesses a strong material and immaterial quality“. Als dialektische Objekte kritisieren die „Superboxes“ den Materialismus der Konsumkultur, stellen ihn aber auch dar.13 Die Form wird als Sprache verwendet, man kann in ihr lesen. Noch deutlicher zeigt sich dies am Beispiel des Jutebeutels. Das signifikante Manifest-Objekt der Ökologischen Bewegung der siebziger Jahre integriert die „Lektüre“ seiner Botschaft konkret: Die Forderung „Jute statt Plastik“ prangt auf dem

Objekt, welches in seiner Materialität und fairen Herstellungsweise diese Forderung umsetzt.14 Der Gegenstand ist mehrdimensional: Als Forderung, Umsetzung der Forderung und gebrauchsfähiges Alltagsobjekt. »Die Tasche stand für eine andere Lebensart«, sagt Gerd Nickoleit, der den Jutebeutel mit der Firma Gepa in Deutschland vertrieb. »Man brachte zum Ausdruck: Ich schone die Umwelt, und ich tue etwas für die Ärmsten. (...) Durch Jute ist der faire Handel zu einer Bewegung geworden«.15 Beispielhaft für die Übersetzung eines Manifests in ein Objekt ist der „Rot-Blaue Stuhl“ von Gerrit Rietveld, in dem konsequent De Stijl umgesetzt wird. Die strenge Geometrie horizontaler und vertikaler Ebenen ist typisch für die Bewegung. Der Stuhl scheint die Umsetzung eines Gemäldes Mondrians in Form eines Möbels zu sein. Im ersten De Stijl-Manifest von 1918 wird das Universale als Ideal betont.16 Die einfache Konstruktion aus Schnittholzstücken in Standardmaßen begünstigt eine Massenproduktion. „Rietveld and his colleagues in the De Stijl art and architecture movement sought to create a utopia based on a harmonic human-made order, which they believed could renew Europe after the devastating turmoil of World War I. New forms, in their view, were essential to this rebuilding.“17 Der Stuhl verkörpert diese Forderung nach Struktur und stellt ein Beispiel für eine solche „neue Form“ dar. 1919 veröffentlichte Rietveld eine Abbildung dieses Stuhls in der Zeitschrift „De Stijl“. Der Gegenstand wurde damit als für die Bewegung repräsentativ präsentiert. Alessandro Mendinis brennender Stuhl ist als plakativ-provokante Performance ein Manifest-Anti-Objekt. Das zeremonielle Verbrennen

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Der Stuhl

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Stühle: v.r.n.l.: 1 Arts & Crafts – Sessel mit verstellbarer Rückenlehne, Entwurf von Philip Speakman Webb Bezugsstoff von William Morris für Morris, Marshall, Faulkner & Co., London, ca. 1866 2 Futurismus – Stuhl, Giacomo Balla zugeschrieben, Walnussholz & Ulmenfurnier, circa 1909-1916 3 Konstruktivismus – Stuhl entworfen von Vladimir Tatlin, verchromter Stahl, Lederbezug, 1927 4 De Stijl – „Zig Zag“ Stuhl von Gerrit Rietveld, Ulmenholz, Entwurf 1932-34, Produktion von 1935 bis ca.1955 durch Metz & Co., Amsterdam 5 Staatliches Bauhaus – „Wassily“ von Marcel Breuer, gebogenes Stahlrohr und Leinwand, Entwurf 1925/26 6 Surrealismus – „Leda“ von Salvador Dalí, Stuhl/Skulptur, polierter Messingguss, lackiert, 1935-1937 7 HfG Ulm – „Ulmer Hocker“, Entwurf von Max Bill 1954, Ausführung ab 1961 durch Züricher Wohnhilfe, Holz 8 Radical Design – „Mies“ von Archizoom Associati, verchromter Stahl, Gummi, Kissen, Lampe, Kabel mit Stecker, Entwurf 1969, Hersteller: Poltronova s.r.l. 9 Alternativ-Design – „Reifensofa“ von Des-In, abgefahrene Autoreifen & Jutestoff, 1975 10 Neues Deutsches Design – „Consumer‘s Rest“ von Stiletto, lackierter Stahl und Plastik, 1988 11 EnDevenir – „Franz, Max, Klaus, Hannah, Lucius, Roland, Witold, Guy & Patti“, Entwurf von Lisa Hoffmann, alter Küchenstuhl aus lackiertem Holz und Säge, 2015

eines eigenen Entwurfs entspricht einem Neustart, einer radikalen Selbstkritik. Das Foto des brennenden Stuhles erschien auf dem Titelblatt des Casa Bella Magazins. Dies verdeutlicht einen wichtigen Aspekt postmodernen Denkens. Es geht nicht mehr nur um das Objekt an sich, sondern darüber hinaus um Performanz und Vermittlung.18 „Überhaupt verändert die diskussionsfreudige Zeit das Sitzen. Nicht mehr Entspannen im Ruhesessel oder konzentrationsfördernde Einengung mittels Armlehnen sind gefragt, sondern Sitze, die Gestikulation nicht hindern, robust sich dem Körper anpassen und leicht zu transportieren sind.“19 Wie sehen die Dinge also aus, welche im Zuge eines Programms gestaltet wurden? Was können  sie? Was unterscheidet sie von herkömmlichen Objekten? In einer Gegenüberstellung von Stühlen, welche im Rahmen von Designbewegungen gestaltet wurden, wird die formal-ästhetische Signifikanz eines Objektes für die Aussage einer Bewegung sichtbar. „Furniture design has a history of using chairs as vehicles for exploring new design philosophies and visions for everday life, whether aesthetic, social, or political“20, bemerken Dunne & Raby, welche im Critical Design selbst Stühle und andere Gebrauchsgegenstände entworfen haben. Es ist auffällig, dass fast jede der hier untersuchten Bewegungen – bis auf die Situationisten – solch ein Sitzmöbel hervorgebracht hat. Alle diese Stühle, welche im Kontext einer Designbewegung entstanden sind, können als Manifest-Objekte gesehen werden: Nämlich als Versuch, die Ideen an einem Gegenstand zu verdeutlichen. Der Stuhl etabliert diese Gedanken im Alltag und generiert einen Zugang außerhalb der intellektuellen Welt.

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siehe Duden: Manifest siehe Duden: Politik Obwohl Marcel Duchamp sich selbst nie ganz in einer Bewegung verortet hat, verdeutlicht „Fountain“ dennoch beispielhaft die Vorgehensweise der Dadaisten und hat als Objekt die nachfolgende Theorie und Gestaltung maßgeblich geprägt. 4 “Mit Duchamp wird der Ausstellungsraum zu einem Erkenntnisort eigener Art - für den Betrachter Anlass zur Refexion des eigenen Sehens. Über den Dingwitz des ready-made führte Duchamp die Möglichkeit der Entfremdung von Objekten im Ausstellungs- und Museumskontext vor und machte damit eine zentrale Aufgabe des Erkenntnisortes Museum deutlich (...).” in: Anke te Heesen, Petra Lutz: Dingwelten - Das Museum als Erkenntnisort, Böhlau Verlag, 2005, S. 12 5 http://www.musees.strasbourg. eu/index.php?page=historique 6 Jörg Petruscht: „Transsemantische Zustaände“, http://www.redesign.cc/ Petruschat/Transsemantische_Zustande.html 7 ebenda 8 Beatriz Colomina: Manifesto Architecture, Sternberg Press, 2014 9 Benedikt Hjarttarson: Visionen des Neuen. Eine diskurshistorische Analyse des frühen avantgardistischen Manifests, Universitätsverlag Winter Heidelberg, S. 64 10 Mathias Listl: Gegenentwürfe zur Moderne, 2014, Böhlau Verlag, Seite 17 11 Wolfgang Schepers (Hrsg.), Peter Schmitt (Hrsg.): Das Jahrhundert des Designs, Anabas Verlag, 2000, S. 164 12 Peter Dormer: What is a Designer? in: Design Since 1945, Thames and Hudson, London 1993, S.10 13 http://www.designartnews. com/news/ettore_sottsass_works_from_stockholm_1969_marres_maastricht/ 14 Auch wenn diese Herstellungsweise retrospektiv vielleicht gar nicht so nachhaltig oder fair war. 15 Jörg Burger: Plastik statt Jute, Zeit online am 08. Juni 2006 (http://www. zeit.de/2006/24/Selbst-schuld-Jutetuete_xml) 16 Theo van Doesburg: Manifest I von De Stijl, 1918, http://de.wikisource.org/ wiki/Manifest_I_von_De_Stijl 17 http://www.moma.org/collection/browse_results.php?object_id=4044 18 http://www.dwell.com/ event-spotlight/article/postmodernism-va-museum 19 Wolfgang Schepers (Hrsg.), Peter Schmitt (Hrsg.): Das Jahrhundert des Designs, Anabas Verlag, 2000, S. 164 20 Anthony Dunne & Fiona Raby: Speculative Everything: Design, Fiction and Social Dreaming, MIT Press, 2013, S.17 2

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„Unser Stuhl ist eigentlich eine Anleitung: Nimm einen Stuhl. Säge die Beine auf unterschiedliche Längen. Geh hinaus. Finde einen Ort, an den er passt. Jeder Stuhl kann verwendet werden. Das Gefühl, einem Stuhl die Beine abzusägen, ist sehr seltsam, fast als würde man einer Person die Gliedmaßen amputieren.

Es ist ein Sakrileg. Der Stuhl hat uns direkt leid getan. Zudem ist er uns beim Herumspazieren ans Herz gewachsen. Es entstanden auch allerlei Konversationen und Zufälle. Wir haben unsere Umgebung mit einem völlig anderen Fokus wahrgenommen. Und wir saßen plötzlich an unerwarteten Orten.

Unser Stuhl ist ein nomadischer Stuhl. Er fordert dazu auf, loszugehen, zu suchen – er ist fast eine Art Anti-Stuhl. Zudem kann er nur in einem bestimmten Kontext existieren, er braucht ein bestimmtes Umfeld, bestimmte Konditionen, um zu funktionieren.“

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Der Raum

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1 Neues Deutsches Design – Andreas Brandolini: „Deutsches Wohnzimmer“, Ensemble für die documenta 8, 1987 2 DeStijl – Innenraumgestaltung der L’Aubette, Strasbourg, 1928, durch Theo van Dœsburg, Hans Arp & Sophie Taeuber-Arp, welche gemeinsam in der Gruppe Abstraction-Création aktiv waren 3 Futurismus – „Sala da pranzo di casa Cimino“, Nachbildung eines futuristsischen Speisezimmers, Entwurf von Gerardo Dottori aus den frühen 1930er Jahren 4 De Stijl – Dr. Hartog´s Empfangszimmer, Maarssen, 1922, Entwurf von Gerrit Rietveld 5 eine Memphis-Sammlung 6 Staatliches Bauhaus – Meisterhaus von Laszlo Moholy-Nagy, Dessau – die Einrichtung der Wohnung hatte die größten Übereinstimmungen mit den innenarchitektonischen Intentionen von Gropius 7 Arts & Crafts – Interieur des Red House von William Morris 8 Konstruktivismus – „Worker‘s Club“, Entwurf von Alexandr Rodchenko, 1925 9 Radical Design – Archizoom: No Stop City

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Objekt und Alltag

„The most important thing about the manifesto is that it is a practice. If you follow it your life will change. In the pursuit of culture you will start to think. If you change your life, you change the world.“ – Vivienne Westwood, Active Resistance Manifesto

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Wie die Grande Dame des Punk hier treffend bemerkt, geht es in einer Designbewegung darum, im eigenen Leben das Manifest umzusetzen. Dabei spielen Alltagsgegenstände eine wichtige Rolle: Sie tangieren uns ständig. Oft haben sie sich seit Jahrhunderten kaum verändert – ein Stuhl ist als Stuhl zu erkennen, eine Teekanne als eine Teekanne ohne langes Überlegen zu identifizieren. Alltagsgegenstände sind beständig und formal leicht zu verändern. Sie sind Dinge, mit denen wir haptisch umgehen und die daher an den menschlichen Körper angepasst sind. Dieser verändert sich nicht plötzlich, er bildet eine Konstante. Dadurch bleiben Gegenstände wie Kleidung, Möbel und Geschirr über einen langen Zeitraum hinweg verständlich – im Gegensatz zum Beispiel zu elektronischen Geräten, welche vor allem bei der heutigen Innovationsspirale schnell nicht mehr nutzbar und manchmal auch kaum noch in ihrer Bestimmung identifizierbar sind. Die Designbewegungen versuchten zudem oft, eine zukunftsweisende Gestaltung umzusetzen, doch besonders die Entwicklung neuer Geräte lässt sich als konkretes

Produkt selten in die Zukunft projizieren. Lazlo Moholy-Nagy schreibt: „jeder mensch ist tonund farben-empfindlich, tast- und raum-sicher usw. das bedeutet, daß ursprünglich ein jeder mensch aller freuden der sinneserlebnisse teilhaftig werden kann (...)“1 Die Verkörperung von Gedanken erlaubt eine auch intuitive Zugänglichkeit. Die konkrete Erfahrung kann dem Verständnis zuträglich sein. Dabei bedeutet das Erscheinungsbild eine Lebensauffassung. Die Gestaltung der unmittelbaren Umgebung und damit der Lebensumstände erlaubt eine Manifestierung eigener Werte und Regeln in physischen Strukturen – als Lebens-Entwurf. In der Moderne wurde die Gestaltung der Umwelt gleichgesetzt mit einer Umformung der politischen Dimensionen und Handlungsweisen. Produkte, Grafik und Architektur sollten im Alltäglichen Veränderungen herbeiführen. Kazimir Malevich schreibt in seinem „Suprematistischen Manifest“: „Die Empfindungen des Sitzens, Stehens oder Laufens sind vor allem plastische Empfindungen, die die Entstehung der entsprechenden Gebrauchsgegenstände veranlassen und auch ihre Gestalt im Wesentlichen bestimmen. Der Stuhl, das Bett, der Tisch sind nicht Zweckmäßigkeiten, sondern die Gestalt plastischer Empfindungen (...).“ Über diese „plastische Empfindung“ sollte die Idee oder Ideologie erfahrbar werden. Die konsequente

Umgestaltung des Lebensraumes im Sinne eines Programms und dessen spezifischen Stils sollte das Umfeld transformieren und so die Forderungen direkt realisieren. In der Moderne wurde also versucht, das gesamte Leben mithilfe einer progressiven Gestaltung zu verändern. Besonders Häuser und Räume als modernes Gesamtkunstwerk spiegeln diese Idee. Henry Van de Velde gestaltete in der „Villa Esche“ in Chemnitz fast alles, von der Architektur über die Möbel, die Kleidung, die Türklinken, dem Teeservice bis hin zur Zigarettenspitze. In ähnlicher Weise wurden auch andere Stile in Form von Gesamtkonzepten durchdekliniert. Der Arts & Crafts Stil wurde in William Morris´ „Red House“ umgesetzt, De Stijl im „Rietveld-Schroeder-Haus“ und die Ideen des Staatlichen Bauhauses im prototypischen „Haus am Horn“. Die Radikalität und die utopische Vision der Designbewegungen spiegelt sich in diesen Räumen und Gebäuden. Auch Bewegungen, welche nicht vordergründig im Design verortet waren, fanden Ausdruck in Entwürfen. Der Geisteswissenschaftler Rudolf Steiner suchte seine Vorstellungen vom ganzheitlichen Menschen mittels der Gestaltung umzusetzen. In der Anthroposophie sollten Kunst, Wissenschaft und Spiritualität eine Verbindung eingehen. Die praktische Anwen-


die e Lamp

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6 8 Futurismus – Tischlampe aus Keramik, circa 1925, Designer unbekannt

7 1 Fluxus – George Brecht: „Three Lamp Events“, Mail Art-Projekt im Rahmen des Yam Festivals 1962, erschienen in „Water Yam“, 1963 2 Bauhaus – Wilhelm Wagenfeld: Tischlampe „BG25 GL“, 1923/24

3 Surrealismus – Salvador Dalí: „Bracelli“ Lampe, „Muletas“ Lampe, „Cajones“ Lampe, 1930er 4 De Stijl – Gerrit Rietveld: Hängelampe, 1920 5 Neues Deutsches Design – Möbel perdu (Michel Feith):

„Tyranno“, 1984 6 Radical Design – Gianfranco Fattini, Livio Castiglioni: „Boalum flexible lamp“, 1969 7 Alternativ-Design – Des-In: Lampenschirm aus ausrangierten Offset-Druckplatten, ca. 1976

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Die ung Kleid

3 Entwurfszeichnung für einen Anzug, Giacomo Balla, 1914

4 Kostüm für das Bauhaus Metallfest

1 „Panciotto futurista di Depero“ Futuristische Weste von Fortunato Depero, 1923

5 Elsa Schiaparelli entwarf diese vom Surrealismus inspirierte Abendrobe

2 David Burliuk mit futuristische Gesichtsbemalung

10 (Mitte) Vladimir Majakovski, russischer Futurist, in typisch bohèmehafter Kleidung, 1910

9 (Mitte) Kostüm von Oskar Schlemmer, Bauhaus, 1920er Jahre

8 Badeanzug von Sonia Delaunay ca. 1928 6 Hilfsmittel zur körperlichen Erfahrung des Environment: Ugo La Pietra, Commutatore, 1970

7 passende Kleidung zu Superstudio´s Tisch „Quaderna“

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dung dieser Reformgedanken drückt sich in der Eigenart der organisch anmutenden Gebäude und Möbel Steiners aus, welche keine rechten Winkel aufweisen. Die Objekte der modernen Designbewegung waren der Versuch, die eigene Utopie greifbar zu machen und im Alltag umzusetzen.2 Schon immer fand die Utopie ihren Ausdruck in Form von Stadtplänen und Architektur als konkreten Abbildern gesellschaftlicher Strukturen.3 Utopie und Dystopie waren auch den italienischen Radicals ein wichtiges Thema. Mit ihren Objekten und Visualisierungen verdeutlichten sie Möglichkeiten und Gefahren. Ihre Experimente fanden, sowohl praktisch als auch gedanklich, im urbanen Raum statt. Es wurde versucht, die eigene Umwelt neu zu erfahren – mit dem Objekt als Hilfsmittel. Ein solches war zum Beispiel der „Commutatore“ von Ugo La Pietra. Die 1970 gebaute Konstruktion erinnert an eine Liege. Sie zielt auf „eine unmittelbare und bewusste Wahrnehmung der wirklichen, am jeweiligen Aufstellungsort vorgefundenen Umwelt“ ab.4 Das Bewusstsein sollte erweitert und eine neue Erlebnisqualität geschaffen werden. Der Alltag wurde durch derartige Aktionen durchbrochen. Sie zeigen das Potential eines Raumes auf und erweitern das Spektrum der Normalität. Auch im Konstruktivismus sollten die Menschen zu einer sinnlichen Wahrnehmung aktiviert werden und dadurch eine Beziehung zur Umwelt aufbauen. Maholy-Nagy betonte jedoch explizit, dass diese Teilhabe aber nicht bedeute, dass jeder ein Gestalter sei.5 Hier findet sich einer der Unterschiede der modernen zu der postmodernen Alltagsauffassung in den Designbewegungen.

Im Gedankengut der Situationistischen Internationalen zeichnet sich ein Umschwung in der Konnotation des Alltäglichen ab. Es wurde „das alltägliche Leben“ zum „einzig wahren Leben“ deklariert. Kunst und Leben wurden auch im Fluxus gleichgesetzt. Es wurde die direkte Partizipation des Betrachters und Nutzers gefordert und unterstützt. Die Partizipation ist auch in Konzepten der Ökologischen Designbewegungen verankert. Selbermachen und Selbstgestalten statt passiver Konsumtion war das Credo.

Heute werden Alltagsobjekte aller Zeiten miteinander kombiniert. Analoge Medien treffen auf moderne Geräte, Ikea-Stühle auf Designerstücke. Beim Entwerfen in kontemporären Designbewegungen wird kein konkreter Stil mehr propagiert. Es geht um die Art und Weise der Herstellung, um Nachhaltigkeit, Partizipation, Materialien, Aussagen.

Joseph Beuys‘ Forderung „Jeder ist ein Künstler“ scheint heute, in Zeiten des kreativen Imperativs umgesetzt zu sein. Das Ausleben gestalterischer Intentionen wird durch den Zugang zu Medien und Technik scheinbar erleichtert. Dabei scheint allerdings der Alltag zum Werk zu werden. Es ist nicht jeder Künstler, sondern alles wird zur Kunst: Alles scheint individuell, alles scheint kreativ, jeder soll ständig am Entwurf teilhaben. Generell ging es den Designbewegungen um die Einbettung der Ideen in die Gesamtkultur, ins Alltägliche. Es wurde eine Lebensweise entworfen – oder mögliche Lebensweisen aufgezeigt. Der konkrete Entwurf ist die Möglichkeit, Ideen zu kommunizieren und Kritik zu äußern. Oder, wie Achille Castiglioni bemerkt: „Da jeder Tag eine neue Realität mit sich bringt, muss man sich dem Design nähern mit der dauernden Gewissheit, dass auch der geringste Gegenstand eine eigene Geschichte zu erzählen hat, kein formales „Aussehen“, sondern eine eigene formale „Eigenschaft“ besitzt.“6

1 Lazlo Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur, Mainz und Berlin (West), 1968, S. 10/11 in: Karin Hirdina: „Pathos der Sachlichkeit“, Damnitz, 1981, S.49 2 siehe z. Bsp. Einleitung in De Stijl 1917-1931: Visions of Utopia, Walker Art Center, 1982 3 siehe Georges Jean: Voyages en Utopie, Gallimard, 1994. 4 Mathias Listl: Gegenentwürfe zur Moderne, 2014, Böhlau Verlag, Seite 252 5 siehe: in: Karin Hirdina: Pathos der Sachlichkeit: Traditionen materialistischer Ästhetik, Dietz Verlag Berlin, 1981 6 Mathias Listl: Gegenentwürfe zur Moderne, 2014, Böhlau Verlag, Seite 176

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Alltag und Ritual: Das Geschirr im Kontext verschiedener Bewegungen:

Das irr Gesch 1

1 Suprematismus – Kazimir Malevich: Teekanne für Teeservice, Porzellan, Entwurf 1923

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2 Bauhaus – Marianne Brandt: „MBTK24SI“, Silber, Entwurf 1924 3 HfG Ulm – Hans Nick Roericht: „TC100“, stapelbares Geschirr, Diplomarbeit, Keramik, 1959 4 Futurismus – Giacomo Balla: Entwurf einer Teekanne für Teeservice, 1916 5 Surrealismus – Meret Oppenheim: „Pelztasse“, 1936

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6 Fluxus – Robert Watts: „Hand With Cigarette, Pea On Placemat“, 1967 7 EnDevenir – Lisa Hoffmann: „La Poésie du quotidien (Nostalgie)“, 2012

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7 „Meine Oma hat mir diese Teekanne vermacht. Irgendwann bekam sie einen Riss und der Tee lief in diesen eigenartigen Mustern aus. Das nahm ich zum Anlass, über Zeit nachzudenken, über das, was bleibt – und über Erinnerung in Form von Objekten. Es war, als würde die Zeit einfach auslaufen und mir sagen, dass manche Dinge einfach vorbei sind. Lange konnte ich mich nicht von der Kanne trennen – obwohl sie nicht länger ihrer Bestimmung nach genutzt werden konnte ...“


Das foto n e p p Gru

Die Dokumentation der eigenen Aktivitäten war allen Designbewegungen ein Anliegen. Dafür sprechen die unzähligen Fotos, welche aus dem Alltag der Protagonisten der einzelnen Designbewegungen erhalten geblieben sind. Die Gruppenfotos markieren als Sonderform wichtige Ereignisse und entscheidende Momente einer Designbewegung. Am Staatlichen Bauhaus wurde zum Beispiel ein Gruppenfoto anlässlich der Eröffnung des neuen Ateliergebäudes in Dessau aufgenommen – endlich hatte das Staatliche Bauhaus ein 2 Die Meister auf dem Dach des Bauhaus-Ateliergebäudes in Dessau, 1926. von links nach rechts: Josef Albers, Hinnerk Scheper, Georg Muche, Laszlo Moholy-Nagy, Herbert Bayer, Joost Schmidt, Walter Gropius, Marcel Breuer, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Lyonel Feininger,Gunta Stolzl, Oskar Schlemmer

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1 Die Futuristen: Russolo, Carrà, Marinetti, Boccioni und Severini vor Le Figaro, Paris, 9. Februar 1912

nach eigenen Paradigmen gestaltetes Gebäude zur Verfügung. Die Situationstistische Internationale dokumentierte jede ihrer Konferenzen mit einer Gruppenaufnahme. Das Gruppenfoto von Global Tools dokumentiert das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Gruppen der Radical-Design Bewegung in Italien, welche in gemeinsamer Initiative ein soziales Netzwerk zur Förderung ihrer alternativen Design-Ideen gründeten. Die Präsentation als Collage kontextualisiert das Bild und verdeutlicht die Arbeitsweise der Radicals. Denn

das Gruppenfoto ist Teil des Werkes einer Designbewegung. Dies wird auch an den zahlreichen Gruppenfotografien der Surrealisten deutlich. Das Gruppenfoto ist ein repräsentatives Objekt, in welchem sich die Designbewegung selbst darstellt und in der Öffentlichkeit zeigt.


3 die Begründer der Situationistischen Internationalen in Cosio d‘Arroscia, Italien, April 1957 von links nach rechts: Guiseppe Pinot Gallizio, Piero Simondo, Elena Verrone, Michele Bernstein, Guy Debord, Asger Jorn und Walter Olmo

4 André Breton: „Je ne vois pas la [femme] cachée dans la forêt“, in: La Révolution surréaliste, Paris, Nr. 12, 15.12.1929 Reihe 1: Maxime Alexandre, Louis Aragon, André Breton, Luis Bunuel, Jean Caupenne. Reihe 2: Salvador Dalí & Paul Éluard. Reihe 3: Max Ernst & Marcel Fourrier. Reihe 4: Camille Goemans & René Magritte. Reihe 5: Paul Nougé, Georges Sadoul, Yves Tanguy, André Thirion, Albert Valentin

5 Heiko Bartels, Hardy Fischer und Harald Hullmann von Kunstflug, einer Gruppe des Neuen Deutschen Designs

6 Klassenfoto auf der Terasse der HfG in Ulm, circa 1955

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7 Global Tools, 12. Januar 1973: in der Supergroup des italienischen Radical Designs versammeln sich unter anderem: Lapo Binazzi und seine Kollegen von UFO, Germano Celant, Ugo la Pietra, Alessandro Mendini, Franco Raggi, Ettore Sottsass Jr, Archizoom Associati, Remo Buti, Riccardo Dalisi, 9999, Gaetano Pesce, Gianni Pettena, Press, Superstudio und Azigguratt

8 Kongress der Konstruktivisten und Dadaisten in Weimar, 25-26 September 1922. von oben nach unten, links nach rechts: Reihe 1: Lucia Moholy, Alfréd Kemény, László Moholy-Nagy. Reihe 2: Lotte Burchartz, El Lissitzky (mit Pfeife und Kappe), Cornelis van Eesteren, Bernhard Sturtzkopf. Reihe 3: Max Burchartz (mit einem Kind auf den Schultern), Harry Scheibe, Theo van Doesburg (mit Papierhut), Hans Vogel, Peter Röhl. Reihe 4: Alexa Röhl (in schwarz ), Nelly van Doesburg, Tristan Tzara, „Nini Smit“ (eigentlich Sophie Taeuber, die Hans Arp am 20. October 1922 heiraten wird), Hans Arp. Reihe 5: Werner Graeff and Hans Richter (auf dem Boden).

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„Unser Gruppenfoto ist eine Collage – wie unsere Zeit. Wir sind auch selten wirklich am gleichen Ort: Steven lebt in Montreal, Marjorie in Toulouse, Lisa in Weimar, und Julia war zum Zeitpunt der Aufnahme gerade in Dresden... Aber manchmal treffen wir aufeinander, für einen kurzen Augenblick gibt es ein Feuerwerk, das noch lange nachleuchtet. Es sind diese Momente, die unsere Bewegung ausmachen. Viele Kooperationen funktionieren über Distanzen hinweg. Die neuen Medien haben für uns trotzdem noch etwas Surreales, darüber unterhalten wir uns öfter. Wir sind ja auch nicht damit aufgewachsen. Wir treffen uns per Skype, schreiben Emails, SMS, chatten, versenden Fotos und Videos. Trotzdem schreiben wir auch immer noch Briefe und Karten und senden Pakete. Das Physische und das Virtuelle ist miteinander verwoben. Es ist spannend, die Grenzen und Möglichkeiten dessen auszutesten. Und man kann damit auch sehr viel Spaß haben.“



Hier entsteht eine

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4 Futuristische Abendgesellschaft mit F.T: Marinetti, 1931

6 Robetr Filiou, George Maciunas, Peter Moore, Daniel Spoerri & Robert Wattes (Fluxus), 1967

5 Lisa, Steven & David (EnDevenir), Prag, 2014

3 Mensa an der HfG Ulm, nicht datiert

2 die Situationisten mit Guy Debord & Michèle Bernstein

1 Superstudio (Radical Design), Picknick in Bellosguardo, 1971


8 Cavart (Radical Design), Progettarso Addosso Seminar, Vicenca, 1975

7 das Umfeld Alexandr Rodchenkos (Russische Avantgarde), Moskau, 1924


Phase III: Aufl รถ s u n Analyse (Ausstellung) Integration (Vereinnahmung) Auflรถsung (Ablรถsung) Nachfolge (Zitat) Erstarrung (Museum)

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II.I der ERFOLG In AUSSTELLUNGEN kann das Schaffen einer Designbewegung analytisch in einem größeren Kontext betrachtet werden. Ist die Designbewegung erfolgreich, dann werden die Anliegen als gesellschaftlich relevant anerkannt. Die Ansätze werden kulturell integriert. Dieser Prozess geht oft mit einer VEREINNAHMUNG einher, bei welcher die ursprünglichen Ideen verfremdet, falsch verstanden oder sogar ihrem ursprünglichen Zweck entgegengesetzt verwendet werden. Nachdem der jeweilige Stil zur Mode geworden ist, gerät er in Vergessenheit oder wird anderweitig weiterentwickelt. Die Designbewegung löst sich auf oder wird ABGELÖST. II.II die FOLGE Nach einiger Zeit wird die Bewegung wiederentdeckt und erneut zum Trend. Als ZITAT wird sie zu neuem Leben erweckt und dient der Inspiration neuer Entwürfe und Strömungen. Schließlich wird sie forschend aufgarbeitet – oftmals anlässlich einer Publikation oder einer Ausstellung im MUSEUM. Dies ist der Moment, in dem die Designbewegung endgültig erstarrt und zur Konvention wird.


ab 1911

futuristische Wanderausstellung

Die ung l l e t s Aus 1915/16

Kunstausstellung 0.10 in Sankt Petersburg (1)

1923

Wanderausstellung „Das Bauhaus“, gestaltet von Hannes Meyer

1938

Retrospective des Bauhauses im MOMA

1 die suprematistische Ausstellung 0.10 mit dem Schwarzen Quadrat von Kazimir Malevich in Petrograd, 1915

Exposition Internationale du Surréalisme, Paris

1942

First Papers of Surrealism, New York (2)

1966

Superarchitettura I

2 Das Staatliche Bauhaus präsentierte 1923 in Weimar auf Druck der damaligen Landesregierung eine Leistungsschau seiner Arbeiten in der inzwischen legendären Bauhaus-Ausstellung.

1967

Superarchitettura II

1972

Italy: The New Domestic Landscape, MOMA

1982

3 Die Ausstellung »First papers of Surrealism« wurde von André Breton und Marcel Duchamp gestaltet. Madison Avenue 451 in New York, 1942

Neues Deutsches Design im Museum für Angewandte Kunst Hamburg

1986

„Wohnen von Sinnen – Gefühlscollagen“, Düsseldorf

2015

EnDevenir: „How to form a Design movement“, Weimar . 94 . .

4 Ausstellung von Arbeiten der Studierenden und Dozenten in der Mensa und Aula der HfG, 1958


„Wir können uns alles vorstellen!“ – EnDevenir im Interview, Teil III: Die Ausstellung


Ihr habt eine Ausstellung kuratiert und einen Katalog gestaltet. Wie unterscheiden sich denn die beiden Medien? MP: Gar nicht! LS: Katalog und Ausstellung sind in diesem Falle ein-und dasselbe.

Wie stehen Katalog und Ausstellung denn in Bezug zu eurer eigenen Arbeit? LS: Sie verwirklichen die Forderungen, welche wir auch in unserem Manifest stellen. Insofern ist der Katalog für unsere Designbewegung als Manifest-Objekt zu sehen.

Wie ist das denn möglich? MP: Die Ausstellung fand im Gedankenraum statt.

Wie denn? LS: Indem wir eben nichts Vorgefertigtes präsentieren, sondern eine offene Formen gestalten. Jeder stellt sich die Ausstellung ja anders vor und jeder zieht individuelle Rückschlüsse aus den Darstellungen. Eben dies war auch unser Anliegen: Wir wollen nichts definieren, sondern Vorschläge machen. MP: Im Katalog liefern wir ja auch keine immerwährende Definition einer Designbewegung. Das würde dem Thema auch nicht gerecht werden. LS: Und wir zielen auf eine aktive Teilnahme des Nutzers ab! Man muss sich auf die Vorstellung einer imaginären Ausstellung einlassen. Es ist ein Gedankenexperiment!

Existiert also gar keine Ausstellung? LS: Doch! Sie existiert – als Möglichkeit, als Vorstellung in unseren Köpfen. Die Ausstellung wird erfahrbar durch die Spuren, welche wir gelegt haben. Und wer weiß – vielleicht wird sie irgendwann ja noch einmal physisch umgesetzt? Wieso habt ihr euch denn trotzdem für das Format einer Ausstellung entschieden – beziehungsweise für einen Ausstellungskatalog? MP: Wir wollten einen Zugang schaffen zu einer komplexen Untersuchung. Im Grunde wollten wir eine wissenschaftliche Arbeit dokumentieren. Diese wird sehr viel lebendiger durch eine konkrete Situation wie die einer Ausstellung. Genau darin liegt auch die gestalterische Leistung in diesem Projekt. Design kann dazu dienen, zu forschen und das erlangte Wissen zu vermitteln. Ist der Katalog also eine Form der Illustration eurer Erkenntnisse? LS: Nicht nur! Der Katalog hat die Untersuchung auch maßgeblich strukturiert und vereinfacht. Wir sind ja noch immer Designer und denken auch als solche. Das sieht man einerseits daran, dass viele Argumente visueller Natur sind. Zum Beispiel die Gegenüberstellung der Stühle, darüber braucht man kaum noch viele Worte verlieren! Genau das ist ja auch das Tolle an einer gut kuratierten Ausstellung: Dass man als Besucher auf eine beiläufige, natürliche Art und Weise selbst zu Erkenntnissen gelangt. Über ein Angebot, eine Sammlung, eine Zusammenstellung. Viele Ausstellungen leben ja gerade davon, dass es wenig Text gibt, aber eine gut strukturierte Folge von Räumen und Ausstellungsstücken eine Geschichte erzählt. MP: Und der Katalog ist das Medium, welches tiefer und genauer auf das Präsentierte eingeht und die Standpunkte der Wissenschaftler darlegt. Der Katalog ist ja oft fast wichtiger als die Ausstellung – zumindest für die Forschung, weil er das ist, was bleibt, auf was man sich zukünftig berufen kann. 96

Wie seid ihr denn vorgegangen? LS: Wir haben uns die Räume vorgestellt und den Aufbau der Ausstellung geplant. Anhand dessen haben wir den Katalog strukturiert und gestaltet. Es ist der Versuch, Realität zu gestalten. Wie macht ihr das denn? MP: Die Frage ist: Können wir etwas wahr werden lassen, einfach indem wir es behaupten und umsetzen? Die Realität ist ja etwas Individuelles: Niemand nimmt ganz genau das gleiche wahr wie jemand anders. Und dann gibt es den Raum der gemeinsamen Realität, die auf Festlegungen und Definitionen beruht. Unsere Realität basiert also zu einem Großteil auf Geschichten und Glauben. Historie funktioniert genauso: Wir wissen von all den Kriegen und Revolutionen, sie formen unsere kulturelle Identität, aber wir waren nicht dabei. Aber es gibt auch Vorschläge, alles neu anzuordnen, was plötzlich völlig neue Interpretationsspielräume öffnet. Das hat André Malraux mit seinem Musée Imaginaire ja unter anderem auch angesprochen. LS: Als Designer formen wir Realität ganz konkret. Formen determinieren uns auf gewisse Art und Weise und tangieren uns unmittelbar. Niemand kann durch Wände laufen. Wie heißt es doch so schön bei den Einstürzenden Neubauten? Architektur ist Geiselnahme! Und ebenso wie wir mit Objekten Tatsachen schaffen, gestalten wir auch unsichtbare Strukturen und Dokumente können Fakten schaffen.


Ist das nicht ein wenig anmaßend? MP: Heute ist doch so vieles nur noch virtuell! Unser gesamtes Finanzsystem basiert auf abstrakten Ideen und Gegenständen, an die alle glauben – genau deswegen funktioniert es aber. Wieso können wir uns dann nicht auch eine Ausstellung denken? LS: Die Frage ist ja auch: Inwieweit sind wir von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen umgeben? Wenn zum Beispiel in den Nachrichten gesagt wird, dass es eine Krise gibt, wird sie dann nicht auch mit durch die Nachricht ausgelöst? MP: Funktioniert eine Designbewegung nicht viellleicht auch ein wenig so? Man stellt sich eigene Regeln auf und handelt und gestaltet nach ihnen – wodurch sie reell werden. Das Auftreten spielt eine wichtige Rolle. Und wenn man nicht allein ist, sondern in einer Gruppe, dann hat man eine völlig andere Außenwirkung. Wir haben das selbst schon erlebt. LS: Ja, wenn wir zu zweit von unserer Designbewegung und unseren Ideen und Plänen erzählen, sind einige sehr schnell begeistert gewesen und wollten sofort mitmachen. Es ist alles eine Frage der Dynamik. Und weil wir auch so viel Spaß dabei haben, ziehen wir Leute schnell mit. Das ist die Macht der Gestaltung! Wie genau ist das denn zu verstehen? LS: Es ist alles eine Frage der Kommunikation. Selbst dieses Interview hier ist komplett ausgedacht – aber es funktioniert. Die Form eines Interviews hilft, auf verschiedene Punkte einzugehen und sich auf eine lockere, subtile Art und Weise zu erklären. MP: Unser Theaterstück funktioniert genau so. Ist das etwa auch nur virtuell? LS: Es existiert ebenso im Gedankenraum wie die Ausstellung. Schon während wir es geschrieben haben, hat uns die Vorstellung der Inszenierung natürlich geholfen. Deshalb sind viele Skizzen und Requisiten entstanden. Die funktionieren ähnlich wie der Ausstellungskatalog als Artefakt, als Spuren von etwas, das niemals geschehen ist. MP: Die Objekte unterstützen die Vorstellungskraft, sie verkörpern unsere Ideen. Genauso wie der Katalog.

ist miteinander verwoben. Wir denken mit den und durch die Objekte. Außerdem bietet es uns die Möglichkeit, unser Tun distanziert zu betrachten. Auch aus einer Zukunftsperspektive. Wir stellen uns die Frage: Wie könnten die Dinge, die wir jetzt initiieren, in Zukunft wirken? Dadurch öffnen sich wieder neue Türen! MP: Außerdem reihen wir uns auf diese Art und Weise selbst in die Geschichte ein. Warum denn? MP: Dieses „Einreihen“ ist für uns eine sehr wichtige Geste. Es wird einem ja selten der Platz geboten, sich so auszuleben, wie man möchte. Vielfach sind unsere Mittel sehr eingeschränkt, also weichen wir eben in den imaginären Raum aus um zu zeigen, was wir können. LS: Wir sind Regisseure ohne Theater, Kuratoren ohne Ausstellung, Designer ohne Produkt. Wir sind eben wirklich: EnDevenir! MP: Und wir haben unsere eigene museale Verstaubung schon einmal vorweg genommen. Und gehen damit auch einer möglichen Vereinnahmung aus dem Weg. Denn entweder wird eine Bewegung wieder vergessen, oder sie landet irgendwann im Museum und wird verklausuliert und institutionalisiert. Und wer weiß, vielleicht haben wir ja auch irgendwann einmal den Erfolg, den wir uns selbst andichten. LS: Wir wollen einen revolutionären Geist beschwören, außerhalb aller Institutionen. In der Fiktion einer Ausstellung finden wir heraus, wie eine Ausstellung funktioniert. Wir bauen unseren eigenen Rahmen – und eben das macht ja auch eine Designbewegung aus. –.

Hat euch die Ausstellung beziehungsweise der Katalog auch dabei geholfen, eure Bewegung zu gestalten? LS: Auf jeden Fall! Die Bewegung bezieht sich auf die Erkenntnisse aus der Ausstellung und die Ausstellung wird kuratiert von der Bewegung. Alles 97


Die folge h c a N

Bewegungen helfen, eine Kultur zu definieren: Indem sie die Limits testen und neu setzen. Auch sie selbst bleiben immer in Bewegung und verorten sich im Prozess stets neu. Die Situationisten demonstrieren das Spektrum, welches eine Designbewegung aufweisen kann: Sie haben keine Objekte gestaltet, sondern stattdessen jede Handlung zur Gestaltung erklärt. Damit haben sie viele nachfolgende Strömungen maßgeblich beeinflusst: Den Punk, die Praktiken des Cultural Hacking oder die experimentellen Strategien im Urbanismus. Hier soll aufgezeigt werden, wie die Stile und Ideen der Designbewegungen die nachfolgende Gestaltung inspiriert haben. An beispielhaften Gegenüberstellungen wird die Neu-Interpretation und Weiterentwicklung sichtbar. 2 „San Luca“ von Achille & Pier Giacomo Castiglioni, circa 1960

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1 „Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum“ (it.: „Forme uniche della continuità nello spazio“) ist eine Skulptur aus dem Jahr 1913 von Umberto Boccioni

Die berühmte futuristische Skulptur von Umberto Boccioni fand einen Widerhall in der Gestalt des San Luca Sessels von Achille & Pier Giacomo Castiglioni.


3 Suprematismus – Kazimir Malevich: „Architekton“, um 1923

Der Wai Think Tank arbeitet mit den utopischen Ideen der vergangenen Designbewegungen als Material: In den Bildern und Collagen werden Theorien verdeutlicht und stilistische Entscheidungen hinterfragt. Wai beziehen sich unter anderem auf die Russische Avantgarde (Suprematismus, Konstruktivimus), zum Beispiel auf Kazimir Malevich´s „Die gegenstandslose Welt“ und die Formensprache des Schwarzen Quadrats.

4 „Suprematist Landscapes“, Wai Think Tank, 2013

5 Des-In: „Reifensofa“, 1975

8 Suzanna Lee: „Bio Ruff Jacket“, 2010

7 „My Bauhaus is better than yours“ von Studenten der Bauhaus-Universität Weimar, 2011

6 Tejo Remy: „chest of drawers“, Droog Studio Work, 1991

Gegenwärtig wird in der Gestaltung besonders auf nachhaltige Designaspekte geachtet. Dabei werden stilistische Elemente wieder verwendet, welche bereits in den siebziger Jahren als Alternativ-Design entwickelt wurden. Der Jutebeutel ist als „Hipster-Beutel“ wieder aufgetaucht: Mit vielfältigen Aufdrucken wird ein Massenartikel zum individuellen Statement. Auch mit Recycling-Materialien wird weiterhin experimentiert. Die Materialforschung hat sich in den vergangenen Jahrzenten auch mit einem Fokus auf nachhaltige Materialien weiterentwickelt. Zum Beispiel hat die Modedesignerin Suzanna Lee in einem Research-Projekt sogenannte „BioCouture“ entwickelt. Aus einem Gemisch aus Zucker und grünem Tee entstehen nahtlose, rein pflanzliche Kleidungsstücke.

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Marten Baas: „Smoke“, 2004, originales Design: Gerrit T. Rietveld’s „Rot-Blauer Stuhl“ aus dem Jahr 1919

Mehr Reminiszenz als Referenz ist das Cover des Albums „De Stijl“ der White Stripes, die in ihrer gesamten Erscheinung als Band einen dem De Stijl ähnlichen Purismus aufweisen. Marten Baas hingegen verfährt mit Designklassikern anders: In seinem Projekt „Smoke“ verbrennt er sie. Darin klingt aucb Alessandro Mendini´s Brand-Performance mit dem „Lassù“ Stuhl aus dem Jahr 1975 an.

3 the White Stripes: „De Stijl“ Album, Konzept des Cover Artworks von den White Stripes, 2000

4 Superstudio: „Supersurface“, um 1969

5 Sportmax Spring/Summer 2013

6 fotografische Neuinterpretation des Quaderna-Tisches von Maurizio Cattelan & Pierpaolo Ferrari in: „Toilet Paper – 1968: Radical Italian Design“

Die italienischen Radicals von Superstudio haben mit ihrem Grid eine Ästhetik geprägt, die derzeit häufig referenziert wird. 100


Der Surrealismus, welcher auf den Symbolismus, Expressionismus und Futurismus zurückgreift, inspiriert bis heute Gestalter.

8 Neues Deutsches Design – „Tyranno“ Leuchte

7 Surrealismus – Salvador Dalí: „Téléphone - Homard“, 1936

9 EnDevenir – LaboratoireS: Detail aus der „Exposition Capsule“, 2014

10 EnDevenir – LaboratoireS: „Lauflachs“, 2014

11 Front für Moooi: „Animal Thing“


1 der Bauhaus-Meister Kandinsky in seinem Garten, undatiert

2 Flo, Anna & Gosia bei der Gem端seernte im Pariser Umland, 2014

3 Kazimir Malevich (Suprematismus) auf dem Weg zum Naturstudium, 1900

4 Schafe an der HfG Ulm, undatiert


6 Nelly Van Doesburg,, Piet Mondrian & Hannah HĂśch (De Stijl, Dada), 1924

5 Konferenz der SI mit Raoul & Therese Vaneigem, Michèle Bernstein, Attila Kotanyi, J.V. Martin, Antwerpen, 1962


Zeitgeist, Politik & Designbewegungen

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Das Phänomen der Designbewegung hat sich im Laufe der Geschichte gewandelt – von einer Avantgarde als umfassendem Stil und Lebenskonzept zu einer Methode der aktiven Kritik hin zu einer offenen Form und Vorgehensweise. Wie in den vorangegangenen Kapiteln erläutert, haben sich dabei vor allem die Beziehung der Protagonisten zum Konzept des Alltags als auch die Einstellungen zur Radikalität geändert, was am Beispiel des Manifests und des Entwurfsstils deutlich wird. Die Veränderung der Designbewegung lässt sich zudem im Kontext des Zeitgeistes und der Politik verstehen.

pius zum Beispiel spricht vom Bau als dem „Endziel“, welcher alles vereint3. In den Manifesten ist ein Fortschrittsgeist deutlich spürbar. Es wird eine Revolution im Sinne eines Programms angestrebt – und damit für möglich erachtet. Die zahlreichen Verknüpfungen zwischen progressiver Gestaltung und Politik belegen dies. William Morris, als zentrale Persönlichkeit der Arts and Crafts-Bewegung, war aktiver Sozialist und strebte eine Realisierung seiner Ideale mithilfe der Gestaltung an. Er gründete unter anderem die „Society for the Protection of Ancient Buildings“ und rief die „Socialist League“ ins Leben, deren Manifest von 1885 Morris´Motive illustrieren. Oft geraten die Aktivisten mit ihren Ansprüchen auch in (innere) Konflikte. William Morris geriet in eine moralische Krise, da seine Firma Morris&Co vor allem Aufträge aus bourgeoisen Kreisen bekam, was seinen sozialistischen Ideen widersprach.

1.0 die Moderne: Dogmatismus und Avantgarde Die Moderne ist geprägt von einem Glauben an den Fortschritt und an das Neue. Die Designbewegungen propagierten jeweils einen umfassenden Stil, eine charakteristische Erscheinungsform für alle Lebensbereiche. Die Umgestaltung derselben sollte als Antwort auf bestimmte gesellschaftliche Tendenzen eine Lösung darstellen. „Soziale Bewegungen gelten insgesamt als wichtige Akteure moderner Gesellschaften, geradezu als Kennzeichen der »Moderne«, weil sie die Fähigkeit einer Gesellschaft ins Zentrum rücken, sich selbst zu produzieren und sozialen Wandel aktiv zu gestalten. Zu sozialen Bewegungen gehört daher definitionsgemäß die Überzeugung, dass gesellschaftliche Verhältnisse bewusst gestaltbar sind. (...) Soziale Bewegungen reklamieren und steigern die Selbstgestaltungsfähigkeit von Gesellschaften.“1 – Dies gilt natürlich auf für die spezielle Form der Designbewegung.

Durch die Integration ins politische Geschehen wurden die Designbewegungen auch zum Spielball der Mächte. Im Kontext der gesellschaftlichen Umstrukturierung während und nach der russischen Oktoberrevolution wurde der Konstruktivismus als vorbildliche Gestaltung für die neue Gesellschaft angesehen und diente propagandistischen Zwecken. „Beflügelt von der revolutionären Aufbruchstimmung im Jahr 1917 wollten sich viele der jungen russischen Künstler an der universalen Umgestaltung der Gesellschaft beteiligen. Die Kunst sollte alle Sinne ansprechen und die neuen Gestaltungsprinzipien sollten für alle Bereiche der Bildenden wie der Angewandten Kunst gelten: Architektur, Skulptur, Buchgestaltung, Typografie, Werbung, Textil- oder Porzellangestaltung.“4 Ein Manifest wurde 1920 sogar mit staatlicher Unterstützung veröffentlicht. Im späteren Stalinismus wurde die Periode der Russischen Avantgarde jedoch denunziert und der Sozialistische Realismus als Kunstform propagiert.

Dabei ist die Designbewegung der Moderne avantgardistisch: Ein Vorstoßtrupp radikaler Idealisten, welche einen Weg zu ihrer Utopie bahnen wollten. Der moderne Dualismus, eine konsequente Unterscheidung zwischen „Neu“ und „Alt“, ist auch in den Designbewegungen zu spüren. Zum Beispiel der Futurismus lehnt konsequent alles Vergangene ab. F.T. Marinetti bezeichnet in seinem „Futuristischen Manifest“ Museen als Friedhöfe und fordert zur Brandstiftung in Bibliotheken auf. Im Manifest I von De Stijl spricht Theo van Doesburg von einem alten und neuen Zeitbewusstsein und definiert die neue Bewegung im Vergleich mit dem Vergangenen.2 Die Zukunft und die Abgrenzung von dem Gewesenen sind zentrale Themen der Moderne. Darin äußert sich auch die Neigung zur Totalität. Gro-

Auch die Bauhäusler mussten sich der politischen Realität stellen: So sind die Ortswechsel der Schule auf politische Unstimmigkeiten zurückzuführen. Die Kunstschule war angewiesen auf die finanzielle Unterstützung und damit auf die ideologische Anerkennung der jeweiligen Regierung. Die Kürzung des Etats kam einer Vertreibung gleich. Zeitweise wurde das Bauhaus sogar von den Vereinigten Staaten im Zuge des Dawes Plans unterstützt. Diese überregionale Anerkennung5 stand im Kontrast zur Resonanz aus der direkten Umgebung, nämlich der Gegenpropaganda rechter Parteien und naserümpfenden Missachtung durch das lokale Spießertum. Das Bauhaus wurde sogar als drohender Schreckensort für unfolgsame Kinder dargestellt: „Wenn du nicht brav bist, kommst du ins Bauhaus“6. Walther


Gropius kommentierte das so: „Das blöde Spießertum in Weimar hat uns den Fehdehandschuh hingeworfen (…). Wir haben den Kampf aufgenommen.“7 Studenten wie Professoren fochten diesen Kampf tagtäglich. Der äußere Druck wirkte als integrierende Kraft. Das gemeinsame Leben und Arbeiten wurde zu einem Statement: Das Auftreten der Bauhäusler vor Ort war bohèmehaft und lebensreformerisch, als „Spießerschreck“ provozierten sie mit für damalige Zeiten moralisch zweifelhaftem Verhalten und auffälliger Kleidung. Das alltägliche Leben wurde zum politischen Akt. Das Bauhaus wird – auch aufgrund der sozialen Ansprüche an das Design – oft als sozialistische Bewegung eingestuft. Ursprünglich hatte Gropius sich anders geäußert: „Jede Partei ist Schmutz, sie erzeugt Haß und wieder Haß. (…) Ich will hier eine unpolitische Gemeinschaft gründen“.8 Tatsächlich politisierte sich die Bewegung aber selbst durch ihr neuartiges Gedankengut, welches im Kontrast zum Lebensstil des Großteils der Bevölkerung stand. Denn die Radikalität der Designbewegungen erzeugt ein Spannungsfeld, das eine unpolitische Haltung unmöglich macht. In ihrer Intensität neigten die Bewegungen oft zum Dogmatismus. Dies konnte schnell in den Fanatismus führen. Der Futurismus beweist dies eindrucksvoll: Ausgehend von einer Einzelperson9 begeisterte er in seiner schnittigen Ablehnung aller verstaubter Tradition und einer provokanten Befürwortung der Moderne – und stand letztendlich im Dienst des italienischen Faschismus. Auch der Surrealismus wies dogmatische Strukturen auf. Klaus Mann schrieb 1942 über seine Begegnung mit dem Surrealismus in Paris Ende der 1920er Jahre: „Das Spaltungserlebnis, die schizophrene Inspiration (...) wurde bei den Surrealisten zum lärmenden Programm, zum aufdringlich plakatierten Slogan. (...) Was freilich den <Meister> selbst – André Breton – betrifft, so blieb mein Verhältnis zu ihm ein kühles und distanziertes. >Führernaturen< stoßen mich eher ab, und Breton ist wohl eine (...). Seine intellektuellen Kapricen und Intuitionen gelten der ihm ergebenen Clique als Offenbarung, als oberstes Gesetz.“ Und, später im Text: „War es ein Programm der Konfusion und des Nihilismus, ein zum Dogma erstarrter Studentenjux? (...) Und so hat man denn alle Clichés der Vergangenheit mit großer revolutionärer Geste über Bord geworfen, um schließlich auf ein neues Cliché hereinzufallen (...).“10

2.0 die postmoderne Metaebene Der zweite Weltkrieg hat die Aufbruchstimmung der modernen Designbewegungen getrübt. Alle Formen einer Bewegung bekamen eine negative Konnotation.11 Denn Krieg und Faschismus haben die negativen Auswirkungen der mitreißenden Kraft des Radikalen deutlich spürbar gemacht. In den postmodernen Bewegungen wurden daher die radikalen Ideen und das Innovationsstreben der Moderne abgelehnt. Über die Zeitdiagnose hinaus sollten verschiedene Alternativen aufgezeigt werden. Es wurde nicht unbedingt eine direkte Realisierung der Vorschläge angestrebt. Die Designbewegung wird damit zum Ausdrucksmittel, zur Methode. Die Entwürfe dienten der Verdeutlichung eines Anliegens und einer kritischen Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse. Dies zeigt sich besonders in den experimentellen Dystopien der italienischen Radicals. Die Struktur der Bewegung hilft, sich zu organisieren und Aufmerksamkeit zu generieren. Im Gegensatz zu den totalitären Prinzipien der Moderne bewahrten die Aktivisten eine Distanz zu ihren Ideen. Lucius Burckhardt drückt es so aus:„Superstudio und diese ganze Bewegung verstehe ich als eine zweite Moderne, die mit der Sprache der Moderne über sich selbst nachdenkt. Das sehe ich nicht als avantgardistische Geste, sondern gewissermaßen wird da die Avantgarde zur Kultur, indem sie in diesen Schulen und Zirkeln intensiv diskutiert wird.“12 Der postmoderne Relativismus fordert eine Offenheit und ein unterstreicht die Gleichberechtigung verschiedener Perspektiven. Oft revidierten sich die Bewegungen selbst. Es gab kein Verharren. Im Sinne der Frankfurter Schule herrschte eine kritische, dialektische Sicht auf die Dinge. Diese Tendenz ist bereits früh im Dadaismus zu spüren, welcher maßgeblich die Vorgehensweisen der Post-Modernen Designbewegungen beeinflusst hat. Im Dadaistischen Manifest reflektiert Tristan Tzara distanziert den dogmatischen Akt des Verfassens eines Manifests: „Um ein Manifest in die Welt zu schleudern muss man wollen: A.B.C., 1,2,3 (...) verbreiten, unterzeichnen, schreien, fluchen, die Prosa in einer Form der absoluten, unwiderlegbaren Evidenz arrangieren, ihr Non-plus-ultra beweisen und behaupten, daß die Neuigkeit dem Leben ähnelt (...).“ Und, an anderer Stelle im Text: „Ich schreibe ein Manifest und ich will nichts, trotzdem sage ich einige Sachen und ich bin aus Prinzip gegen Manifeste, wie ich auch gegen Prinzipien bin (...).“ – Diese Selbsteinschätzung und die Untersuchung von Widersprüchlichkeit wird in der Post-Moderne aufgegriffen und weiterentwickelt. 105


Eine weitere Bewegung markiert den Bruch mit der Moderne: Die Situationistische Internationale (SI). Die Bewegung forderte die Auflösung der Kunst im Alltag. Obwohl sie fast gar keine Objekte hervorgebracht hat, kann sie als gestaltende Bewegung verstanden werden. Die Formgebung erfolgte nicht durch Objekte, sondern die Gesellschaft sollte neue Formen annehmen. Die SI gab neuen Methoden begrifflich Form: Zum Beispiel der „Psychogeographie“, dem „Dérive“ oder dem „Dètournement“, die darauf abzielten, erstarrte Definitionen aufzulösen und Neuinterpretationen zu initiieren. Zudem war der Stil für die Situationisten von entscheidender Bedeutung: Ihre Publikationen zeichneten sich durch eine klare, minimale Formsprache aus. Ihre Sprache war gewählt, die Inszenierungen und Konferenzen elegant gehalten. Als maßgebende Initiatoren der Studentenrevolte im Mai 1968 wurden Aussagen wie „La beauté est dans la rue“ oder „Sous les pavés, la plage“13 zu wirksamen Objekten, welche reale politische Ereignisse und Veränderungen hervorriefen. Dennoch gab es einen Unterschied zwischen der politischen Welt und den Theorien der SI. So verloren sie beispielsweise kein Wort über die Teilung der Welt in zwei Systeme, einfach weil sie generell alle Systeme als falsch betrachteten.14 Derartige Ansichten sind typisch für die Aktivitäten der SI. Die Gruppe befand sich in einem Raum zwischen Totalitarismus und Reflexion: Guy Debord, als treibende Kraft hinter der Bewegung, wird oft als dogmatisch und intolerant beschrieben. Nach dem Vorbild der Surrealisten wurden regelmäßig Mitglieder ausgeschlossen: Die große Anzahl der Abspaltungen und Fusionen unterschiedlicher Gruppen im Umkreis der SI beweist dies anschaulich. Gleichzeitig wurde damit der sozialpolitische Akt der Gründung einer Gruppe und das Verfassens eines Manifestes an sich zum Oeuvre. Der situationistische Dogmatismus war allerdings ausgerichtet auf eine radikale Freiheit, auf eine ständige Kreation von Situationen, gegen ein passives Konsumieren von „Spektakel“. Auch Gedanken, welche sich heute zum Beispiel in der Open Source-Bewegung wiederfinden, wurden von der SI praktiziert: In jeder Ausgabe ihrer Zeitschrift „internationale situationniste“ proklamierten sie auf der Innenseite des Umschlagblattes: „Alle in der SITUATIONISTISCHEN INTERNATIONALE veröffentlichten Texte dürfen frei und auch ohne Herkunftsangabe abgedruckt, übersetzt oder bearbeitet werden.“ Situationistische Strategien leben heute in der Kommunikationsguerilla und der Hacker-Kultur fort.

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Die Fluxusbewegung hatte ähnliche Ziele und Methoden, war aber mehr im Bereich der Kunst angesiedelt. Die Werke realisierten sich vielfach über die aktive Teil-

nahme des Betrachters. Sowohl der Vorgang als auch die Vorgehensweise wurden zum Thema, als Aktionskunst. Events und Handlungen standen im Mittelpunkt, als Anleitungen und Interaktionen und sogenannte „Fluxkonzerte“ oder „Fluxfestivals“. Es ging vor allem auch um das Netzwerk. Die Struktur der Bewegung an sich wurde thematisch untersucht. Sie hilft, sich zu organisieren und Aufmerksamkeit zu generieren. Das Werk, seine Konsequenzen und der Gestalter wurden nicht mehr in die Höhe gehoben, sondern an sich zum Thema gemacht – Einzug der Ironie, der Distanz, der kritischen Selbstreflexion, wie sie bereits im Dadaismus anklang. Dabei wurde die Gestaltung und die Handlung an sich zum politischen Akt erklärt. Die Aktionen standen im Vordergrund, sie generieren Aufmerksamkeit und gestalten den öffentlichen Fokus. Der Aktionismus zielt auch auf den Medieneffekt. Der Stil wird zum Instrument, als Experiment und Provokation. Die Designer waren sich der Defizite ihrer Entwürfe durchaus bewusst. Jochen Gros sagte 1980 anlässlich des „Forum Design“ auf die Aktivitäten von Des-In zurückblickend: „Ein Anfang ist das alles gewesen, ein Anfang, der für die ästhetische Erziehung vielleicht von größerer Bedeutung ist als für den Designer bei dem für ihn lebensnotwendigen Geschäft.“15 So ist das Manifest-Objekt von Des-In, das Reifensofa, spektakulär, aber vielleicht auch nicht ganz ernst gemeint.16 Auch die Knüppelholzkonstruktionen entsprachen nicht unbedingt funktionalen Ansprüchen, sie waren vielmehr Experiment und Statement und verkörperten einen neuen Produktionsstil. Damit aber wirkten sie politisch und prägten den Zeitgeist. Die Grünen zogen 1979 ins Parlament, Wohngemeinschaften etablierten sich als Lebensform, das Wohnen wurde generell offener. Schließlich schreibt Ende der 1980er Jahre Andreas Brandolini, Protagonist des Neuen Deutschen Designs, in seinem „Statement“: „An sich glaube ich (...) nicht mehr an die Notwendigkeit einer Designavantgarde. Das Phänomen der Avantgarde tritt immer immer zyklisch, nach langen Jahren der Etablierung >revolutionärer< Ideologien und deren Verhärtung (...) bis hin in den kleinsten Vorstadtsupermarkt auf den Plan.“17 X.0 bis in die Gegenwart Das wellenförmige Auf- und Ab von Bewegung/Gegenbewegung, Aktion/Reaktion ist nun unterbrochen: Vielmehr fließt alles ineinander. Unterschiedliche Aspekte verschiedener Gestaltungsansätze werden individuell kombiniert. Die kontemporäre Bewegung fordert von ihren Aktivisten keine Unbedingtheit. Ein


unterschiedlich starkes Engagement in verschiedenen Bewegungen ist möglich und schließt sich nicht aus. Die Designbewegung existiert in und kreiert eine Kultur der Zusammenstellung, der Collage, des Remixes. Es wird keine Ganzheitlichkeit angestrebt. Vielmehr werden punktuell Aussagen getroffen, zeit- und ortspezifisch. Die Bewegung existiert in vielfältigen Spielarten: Als Pop-Up-Phänomen, virtuell und analog, professionell organisiert und improvisiert, als künstlerische Ausdrucksform oder Mittel des Marketing, als alternatives Lebenskonzept und als konsumierbarer Lifestyle. Innerhalb der generellen Beschleunigung ist ihr eine gewisse Kurzlebigkeit eigen. Ebenso wie Manifeste tauchen Mikro-Bewegungen auf und verschwinden auch wieder. Dabei werden Nischen entdeckt und bevölkert. Diversität und Unübersichtlichkeit charakterisiert die heutige Designbewegung. Es muss nicht mehr generell-langfristig entschieden werden. Die politische Wahl vollzieht sich in jeder alltäglichen Entscheidung. Der Konsument wird zum Aktivisten stilisiert, welcher mit der Wahl eines Produktes eine Aussage trifft: Fahrrad oder Auto? Bioladen oder Discounter? Wurst oder Tofu? WG oder Einraumwohnung? Das gesellschaftspolitische Engagement hat sich auf punktuelle, lokale Aktivitäten verlagert, während das Interesse an einer großen Reichweite der eigenen Taten scheinbar rückläufig ist, wie der Rückgang in der Wahlbeteiligung und der Aktivität in Verbänden zeigt.18 Dies ist auch in den Designbewegungen zu spüren. Denn mit den neuen Medien hat sich die Organisationsform der Designbewegungen gewandelt. Der Austausch erfolgt nicht mehr direkt, sondern gefiltert. Zusammenkünfte der Aktivisten finden punktuell statt. Wer einer Designbewegung angehört, muss dies nicht zu seinem umfassenden Lebenskonzept erklären. Eine Verbundenheit mit Communities im Virtuellen vermischt sich mit dem Engagement in lokalen Gruppierungen im wirklichen Raum – oftmals vielfach verlinkt. Es steht vor allem der Netzwerkcharakter im Vordergrund.19 Designbewegungen beziehen sich damit nicht mehr ausschließlich auf einen bestimmten Stil, sondern stellen allgemeine Regeln für das Zusammenleben auf. Der Bereich der Gestaltung hat sich ausgeweitet. Denn Design kann auch heißen, Systeme und Strukturen zu generieren.20 Dies sieht man zum Beispiel bei der Open Source-Bewegung, welche nicht explizit auf die Gestaltung von Gegenständen ausgerichtet ist. Es geht vielmehr um eine generelles Prinzip, nämlich mithilfe freier Lizenzen wie „creative commons“ einen Zugang zu gewährleisten. Es geht generell um das nicht-kom-

merzielle, gemeinsame Entwickeln. Unter dem Begriff des „Open design“ hat sich eine spezielle Fokussierung auf Design im Sinne von öffentlichen zugänglichen und individuell modifizierbaren Entwürfen, Plänen und Informationen herausgebildet. Die derzeit scheinbar wirksamsten Manifeste und Regelwerke behandeln den virtuellen Raum, denn genau dort gibt es noch ausreichend Terrain vague, wo Regeln und Gesetze unklar sind oder fehlen. Im Ausloten neuer technologischer Möglichkeiten und dem Testen von Lücken kann dort konkrete Politik betrieben werden. Gefahren können aufgezeigt, ethische Bedenken geäußert werden. Die heutigen Bewegungen agieren international und online. Wer sich einbringen will, kann mitmachen. Die Open design-Bewegung und das Maker Movement basieren auf Co-creation. Im Internet wird das Wissen geteilt, in Hackerspaces und Fablabs wird produziert. Multidisziplinarische Kooperativen, Think Tanks und Workshops strukturieren den Alltag. Auch viele Designbüros funktionieren auf dieser Basis.21 All die Aktivität der Hacker und Blogger, die Communities und die vielen Mikro-Manifeste deuten auf ein Bedürfnis zu Aktivismus hin. Doch der findet nicht nur im Netz statt: Es herrscht eine Tendenz, analoge Medien wie Zines herzustellen. Alte Technologie wird mit der neuen gemixt – analoge Kameras mit Instagram, LPs mit Spotify. Die neue Technik ermöglicht nicht nur eine Auflösung der Gestaltung im Alltag, sondern das Alltägliche wird zum Werk. Ein jeder kann und soll sich kreativ ausleben und gestaltet seine Umwelt nach seinen Vorlieben. Der Fokus kontemporärer Gestaltung auf Partizipationsprojekte, DIY-Ansätze, Initiativen und Co-Produktion verdeutlicht dies. Der Massenkultur steht ein ausgeprägter Individualismus gegenüber, welcher auch die heutige Bewegung prägt. Man verortet sich nicht total in einer speziellen Designbewegung, sondern sucht sich bestimmte Aspekte aus verschiedenen heraus und kreiert so eine eigene Variante. Heute ist die Bewegung eine offene Form. Die Bewegung und das Mikro-Manifest sind alltägliche Strategien geworden, die Welt zu ordnen und sich selbst darin zu verorten. Der kuratorische Akt des Auswählens bedeutet, der eigenen Welt eine Ordnung gegeben. Die Weltanschauung ist individualistisch. Die Manifeste werden zu Angeboten, zu Ratschlägen, zu persönlichen Meinungen. Es werden nicht darum, allgemeingültige Regeln aufzustellen, sondern jeder sucht sich seine eigenen, nach welchen er bestmöglich handelt. Sie beziehen sie sich wiederum auf andere Statements, beinhalten Zitate und Referenzen. Denn mit

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dem Zugang zum allgemeinen Wissen der Welt herrscht eine ständige Präsenz aller Einflüsse und Vorgänger, zwischen welchen man sich positionieren muss. Es herrscht ein Bewusstsein über die vielschichtige Natur aller Sachverhalte und Möglichkeiten. Auf jedes „für“ folgt ein: „Ja, aber“. Vor allem im Designdiskurs scheint eine generelle Unsicherheit zu herrschen – zum Beispiel in der Nachhaltigkeitsdebatte, welche zu einem zentralen Thema der Gestaltung geworden ist. Man hantiert mit verschwommenen Begriffen: „Nachhaltigkeit“ und „Design“ werden durch inflationären Gebrauch ihrer Bedeutung beraubt. Gerade dort ist die Designbewegung hochaktuell: Als definierende Kraft. Es geht nicht länger um einen Vorstoß im Sinne der Avantgarden, sondern um einen Rückzug. Weniger Wachstum, weniger Produktion ist das Credo. Es ist von Wichtigkeit, mit diesen komplexen Themen nicht allein zu sein. Die Designbewegung findet ihre Bedeutung in der Diskussion und dem Zusammenhalt, der gegenseitigen Motivation. Eine Bewegung muss in Bewegung bleiben, sich selbst ständig neu erfinden. Außerdem hilft sie, sich Problemen bewusst zu werden und zu stellen. Es besteht die Möglichkeit, in der Diskussion innerhalb einer Designbewegung den Zeitgeist erfassen. Denn je näher wir an die Gegenwart rücken, desto unschärfer wird unser Bild. Besonders heute ist aber reflektiertes, bedachtes Handeln von entscheidender Wichtigkeit. Es gibt viel zu tun.

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1 Roland Roth & Dieter Rucht: Die sozialen Bewegungen in Deutschlanfd seit 1945, Campus Verlag, 2008, Seite 14 2 Theo van Doesburg: Manifest I von De Stijl in: Wetterleuchten! Künstler-Manifeste des 20. Jahrhundert, Edition Nautilus, 2000, S. 25 3 Walter Gropius: „Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses“ http:// bauhaus-online.de/atlas/das-bauhaus/idee/ manifest

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z. Bsp. auch durch den „Kreis der Freunde des Bauhauses“ 6 http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/ Wenn-du-nicht-brav-bist-kommst-du-ins-Bauhaus-1225383148 7 Brief von Gropius an Osborn vom 16.12.1919, abgedruckt in: Hüter, Bauhaus, S.213, in Patrick Rössler (Hg.): bauhaus-kommunikation. Innovative Strategien im Umgang mit Medien, interner und externer Öffentlichkeit, Gebr. mann Verlag, Berlin, 2009, S. 56 8 Brief von Gropius an Behne vom 31.01.1920, abgedruckt in Hüter, Bauhaus, S. 220f., ebenda, S. 59 9 F.T. Marinetti konzipierte das Manifest des Futurismus allein, spricht darin jedoch von einem „Wir“. 10 Klaus Mann: Der Wendepunkt, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1984, S 233-235

14 Thomas Hecken: Gegenkultur und Avantgarde 1950-1970: Situationisten, Beatniks, 58er, S. 39 15 Volker Albus, Christian Borngräber: Design Bilanz. Neues Deutsches Design der 80er Jahre in Objekten, Bildern, Daten und Texten, DuMont, 1992, S. 14 16 Vgl. Volker Albus, Christian Borngräber: Design Bilanz. Neues Deutsches Design der 80er Jahre in Objekten, Bildern, Daten und Texten, DuMont, 1992, S. 13 17 Andreas Brandolini: Statement, in: Volker Albus, Christian Borngräber: Design Bilanz. Neues Deutsches Design der 80er Jahre in Objekten, Bildern, Daten und Texten, DuMont, 1992, S. 109 18 http://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/politisches-engagement-mehr-einzelne-aktionen-aber-kein-rueckgang 19 http://opendesignnow.org/index. php/visual_index/network-society/ 20 siehe Yana Milev (Hg.): Design Kulturen. Der erweiterte Designbegriff im Entwurfsfeld der Kulturwissenschaft, Wilhelm Fink Verlag, 2013 21 zum Beispiel http://bio.si/en/ about/, http://waithinktank.com, http://nearfuturelaboratory.com

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Lucius Burckhardt im Interview mit Andreas Brandolini: Queerbeet, 1994 in: Lucius Burckhardt: Design ist unsichtbar, Martin Schmitz Verlag, 2012, S. 109 13 Die Zeitschrift „Pflasterstrand“ aus dem Umfeld der Ökologischen Bewegung bezieht sich in ihrer Namenswahl unter anderem auf diesen Spruch.

Moderne Postmoderne Gegenwart Alltag als Gestaltung im Alltag Alltag als Gestaltung Alltag Objekt der Gestaltung dogmatisch selbst-reflektiert nicht festgelegt Radikalität richtig/falsch, alt/neu distanziert revidierend vorgegeben Aussage (Mittel) Komposition (Mix) Stil eindeutig ironisch divers universal individuell umfassend hinterfragend Sloganism Manifest fordernd Manifest als Werk, Mikro-Manifest Werk als Manifest Möglichkeit, Ratschlag total integrativ offen Bewegung gesamtgesellschaftlich subversiv individuell zusammengestellt Nische, integriert

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2 Poor Little Rich Girl (EnDevenir), irgendwo bei Leipzig, 2013

1 die Bauhaus-Band spielt, circa 1928-29


3 Musizierende Situationisten bei der Konferenz von Anvers, 1962

4 Marinetti, Piatti & Russolo mit einer futuristischen Noise-Maschine, 1914

5 Lisa schneidet Kristian die Haare (EnDevenir), 2013

6 Peter Gente (Neues Deutsches Design) lässt sich in Penny Lane´s Frisörsalon die Haare schneiden, 1983


Bildverzeichnis Wenn nicht anders angegeben, sind alle Abbildungen von Lisa Hoffmann. Die Nummerierung erfolgt generell von links nach rechts und oben nach unten. Bildseite 2, 3 1 John Cage birthday party http://davidmacdonaldmusic.com/ wp-content/uploads/2012/09/6a00d83451cb2869e201774483f335970d.jpg 3 Date unknown - Stewart Brand at the LSD conference Bill Young/ Chronicle File Photo, http://www.sfgate.com/news/article/ Summer-of-Love-40-Years-Later-StewartBrand-2559651.php 4 https://www.pinterest.com/ pin/494903446527540937/ 5 attributed to Irene or Herbert Bayer. http:// www.deconcrete.org/2012/05/03/our-play-ourparty-our-work/ Tabelle Seite 10-17 1 http://collections.vam.ac.uk/item/O1024286/ print-walter-crane/ 2 http://exhibitions.guggenheim.org/futurism/ words_in_freedom/#1 3 http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Schwarze_ Quadrat#/media/File:SchwarzesQuadrat.jpeg 4 http://texturality.tumblr.com/ post/50818483996/bauhaus-logo-by-oskar-schlemmer 5 http://www.lettresvolees.fr/eluard/femme_poisson.html 6 http://www.moma.org/collection/browse_results.php?object_id=78948 7 http://www.purselipsquarejaw.org/2004/07/ abolition-of-alienated-work.php 8 http://thestudio.uiowa.edu/fluxus/content/10-fluxus-west-postcards 9 https://moodmoods.wordpress. com/2014/02/26/superstudio-superarchitettura/ 10 http://www.hfg-archiv.ulm.de/english/ the_collections/hfg_collection/documents.html 11 http://www.wholeearth.com/index.php 12 http://www.paradiseuniversity.net/ wordpress/ Interview Seite 24 http://www.heidi-paris.de/design/for-sale-1982/ Bildseite 32,33 2 http://www.bauhausmuseum.com/history/_picts/_weimar/vanderVelde-Atelier.jpg 3 aus der Diaserie: „Leben an der HfG“, nicht datiert Foto: Herbert Kapitzki http://www.hfg-archiv.ulm.de/die_sammlungen/hfg_sammlung/fotografien_fotos.html 4 © zanotta, http://www.shootyourstudio. com/?p=1078 Bildseite 36,37 1 http://pixshark.com/winged-victory-of-samothrace-wallpaper.htm 2 http://itsartdad.com/post/17721168662 3 https://www.smul.sachsen.de/sbs/img/Wald-

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sterben_001.jpg 4 https://lenaloger.files.wordpress. com/2010/05/350px-atompilz_nagasaki.jpg 5 http://www.fotocommunity.de/pc/pc/display/18843271 6 http://upload.wikimedia.org/wikipedia/ commons/6/6a/Bundesarchiv_Bild_175-04413,_ KZ_Auschwitz,_Einfahrt.jpg 7 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Überwachungskameras_Autohof_in_Thüringen_an_A9_03.06.2013_10-07-08.JPG 8 http://www.maler.org/gipsstuck-20112902 9 https://prezi.com/snkipqmy-tmw/die-usa/ 10 http://www.sueddeutsche.de/wissen/massentierhaltung-huehnchen-am-tag-1.1404714 11 http://mrzine.monthlyreview.org/2010/ power140410.html 12 http://www.100-jahre-erster-weltkrieg. eu/uploads/tx_templavoila/Volksbund_ 100JahreErsterWeltkrieg_header01_01.jpg 13 http://www.weimarstraat.nl/weimarkt-category/supermarkt/ 14 http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.15188 71.1358452341/640x360/jagdflieger-ersten-weltkrieg.jpg 15 http://www.ignorancia.org/uploads/images/ autobahn/autobahn-060605.jpg Seite 38-40 1 Bild mit freundlicher Genehmigung von Sara Philine Conen 2 Bild mit freundlicher Genehmigung von Joel Polak Manifeste Seite 45-47 1 https://patertaciturnus.wordpress.com/tag/ ma-vie-sans-interet/ 2 http://streamofsubconscious.tumblr.com/ post/17087733708/participationmystique-surrealism-the-poetry-of 3 http://bauhaus-online.de/en/atlas/das-bauhaus/idee/manifest 4 http://www.printmag.com/design-inspiration/max-bill-and-die-gute-form/ 5 http://de.wikipedia.org/wiki/ZERO 6 http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7c/Manifest_I_of_De_Stijl.JPG 7 http://georgemaciunas.com/cv/manifesto-i/ 8 http://www.cristianotoraldodifrancia.it/ mostre/66-73/66_superarchpistoia/66_superarchpistoiA.htm 9 http://www.spatialagency.net/database/ whole.earth.catalog 10 http://www.designishistory.com/1960/firstthings-first/ 11 http://www.platform21.nl/page/4375/en 12 http://www.dunneandraby.co.uk/content/ projects/476/0 13 14 http://blog.katharinehamnett.com/2014/09/ flashing-back-to-84/ 15 http://blog.ams-designstudio.com/2012/10/ branding-nankin-lab-by-pauerr/ Bildseite 49 1 http://nerdcloud.com/wp-content/ uploads/2012/06/tumblr_m4uvt89Thi1qiqf01o1_5001-500x550.jpg

2 http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9018366v/f1.item.hl.langDE 3 http://mikehoolboom.com/?page_id=10606 4 http://www.brepettis.com/blog/2009/3/3/ the-cult-of-done-manifesto.html 5 http://stylecarrot.com/2013/01/05/saturdaysay-it-william-morris-knows-best/william-morris-quote/ 6 http://bradys100thingstodo.com/2012/12/05/ so-it-goes/ 7 http://dschool.stanford.edu 8 http://mikehoolboom.com/?page_id=10606 9 http://www.arterritory.com/en/blogs_video/ blogs/3437-this_must_be_the_place._graffiti_artist_banksy_in_stockholm/ 10 http://www.99traveltips.com/travel-quotes/15-inspiring-quotes-will-make-want-travel-world/ 11 https://sharathkomarrajudotcom.files.wordpress.com/2014/07/never-asking-for-it.jpg 12 Bildseite 62, 63 1 http://www.hfg-archiv.ulm.de/die_sammlungen/hfg_sammlung/fotografien_fotos.html 2 Jean Hans Arp mit Nabelmonokel, 1926 Stiftung Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, Rolandseck (D) http://www.bta.it/txt/a0/04/ bta00434.html 3 http://www.artnet.com/magazineus/reviews/ davis/davis8-3-06.asp 4 Denise Bellon, http://weimarart.blogspot. com.au/2011/03/hallo-dolly.html 5 http://www.wikiart.org/en/man-ray/ andré-breton-1930 Seite 66 http://www.kooye.de/wp-content/ uploads/2012/11/de-stijl.jpg Manifest-Objekte Seite 68 1 http://auktion.catawiki.de/kavels/253357-helit-walter-zeischegg-vier-retro-aschenbecher-aus-melamin 2 http://www.zanotta.it/Multimedia/Immagini/Prodotto/2600IP02.jpg 3 http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marcel_Duchamp.jpg 4 http://oe1.orf.at/static/uimg/d0/2e/d02e743d14c6358daf170d0de6fadadcd30b4ea4.jpg 5 http://3.bp.blogspot.com/-kEmOPdXaHgs/ TvSlGLeTb1I/AAAAAAAAAIc/IiVcHPfgWAY/s1600/Alessandro_Mendini.jpg 6 http://www.dunneandraby.co.uk/content/ books/66/0 7 http://archives-dada.tumblr.com/ post/15566917829/jean-arp-sophie-taeuber-arpcoupe-dada-1916 8 http://inhalemag.com/superbox-design-acquisitions-stedelijk-museum/ Stühle Seite 70 1 http://de.phaidon.com/agenda/art/ picture-galleries/2011/april/01/charting-a-new-kind-of-beauty-art-and-aesthetic/?idx=4&idx=4 2 https://www.1stdibs.com/furniture/seating/ club-chairs/pair-of-caned-french-colonial-arm-


chairs/id-f_50375/ 3 https://www.1stdibs.com/furniture/seating/ armchairs/set-of-6-vladimir-tatlin-dining-armchairs/id-f_826505/ 4 https://intranet.tudelft.nl//fileadmin/UD/ MenC/Support/Internet/TU_Website/ TU_Delft_Medewerkers/Direct_naar/Nieuws/ Overig/2010/Kwart_3_jul-sept/img/Zigzag_ chair_foto_1.jpg 5 http://www.archistardesign.com/productDetails-545.html 6 http://bdbarcelona.com/en/product/90 7 http://www.herr-auktionen.de/auktionen-termine/nachverkauf/detailansicht/article/ ulmer-hocker/?tx_ttnews%5Bday%5D=01&tx_ ttnews%5Bmonth%5D=01&tx_ttnews%5Byear%5D=1970&cHash=7ce05d9d9da997e7a2bce1450477e5e5 8 http://www.design-museum.de/en/collection/100-masterpieces/detailseiten/mies-archizoom-associati.html 9 http://www.jochen-gros.de/A/Des-In_files/ 11K20Reifensofa.jpg 10 http://artaurea.com/2014/wacky-bizarre-brute/

Kleidung Seite 78 1 http://exhibitions.guggenheim.org/futurism/ futurist_reconstruction_of_the_universe/#3 2 http://www.wikiart.org/en/david-burliuk 3 http://centrefortheaestheticrevolution. blogspot.co.uk/2011/02/giacomo-balla-il-giardino-futurista-and.html 4 https://1000eyesmag.wordpress. com/2014/07/31/digital-bauhaus-does-form-follow-function-images/ 5 http://unelibanaiseaparis.com/wp-content/ uploads/2012/12/Robe-homard.jpg 6 https://martebenicult.wordpress. com/2013/11/27/dialogo-con-ugo-la-pietra/ 7 http://greg.org/archive/superstudio_quaderna_sitin.jpg 8 http://www.artnet.com/magazineus/reviews/ nathan/sonia-delaunay-cooper-hewitt3-24-11_ detail.asp?picnum=4 9 http://thecharnelhouse.org/2013/07/20/theater-buhne/#jp-carousel-10437 10 http://et.wikipedia.org/wiki/Vladimir_Majakovski 10 http://et.wikipedia.org/wiki/Vladimir_Majakovski

Räume Seite 74, 75 1 https://www.goethe.de/de/kul/des/20444530. html 2 http://arttattler.com/architecturemondriandestijl.html 3 http://exhibitions.guggenheim.org/futurism/ futurist_reconstruction_of_the_universe/#5 4 http://www.llahona.com/classics/rietveld/ rietveld02.jpg 5 http://mirror80.com/2011/08/1980s-interior-design-highlights/ 6 http://www.meisterhaeuser.de/de/Haus_Laszlo_Moholy-Nagy.html 7 http://api.ning.com/files/I0wf9LlbGzFMyo7zYFX4Ll3ZJ24Y-hbA7BzkoVmCVuleIK7T2oFbgm03h9zOU40jMNONPYayy1kX9bba06zhJtlIhsCVT9oY/ rodchenko_workersclub.jpg 8 http://www.fannix.co/william-morris-interiors/william-morris-interiors-with-william-morris-red-house-interior/ 9 http://www.megastructure-reloaded.org/ typo3temp/pics/abd785ae69.jpg

Geschirr Seite 80 1 http://forum.xcitefun.net/cool-creative-tea-pot-design-t26738.html 2 http://www.tecnolumen.com/images/ DH_MBTK_24_Si_Teapot.jpg 3 http://www.domusweb.it/content/dam/domusweb/en/design/2012/02/13/the-ulm-school/ big_374183_2528_web_hfg51.jpg 4 http://exhibitions.guggenheim.org/futurism/ futurist_reconstruction_of_the_universe/#1 5 http://www.admagazine.fr/art/diaporama/ quand-le-surralisme-flirte-avec-le-design/415#2 6 Robert Watts. Hand With Cigarette, Pea On Placemat. 1967. Offset on synthetic polymer sheet. The Museum of Modern Art, New York. The Gilbert and Lila Silverman Fluxus Collection Gift. © 2012 Estate of Robert Watts http://www.moma.org/explore/inside_out/2012/08/15/unpacking-fluxus-conversing-around-the-merch-table-with-cory-arcangel

Lampen Seite 77 1 http://en.wikipedia.org/wiki/Water_Yam_ (artist‘s_book) 2 http://www.artdecodesignshop.com/images/ Wagenfeld-Globe-Light-Glass.jpg 3 http://avantgallery.com/shop/product_info. php?cPath=14_25 4 http://www.positiu.com/rietveld.html 5 http://madeofstil.com/entdeckt-die-dino-leuchte-tyranno/ 6 http://media.artemide.it/contents/immagini/ subfamily/boalum_gallery2134365-960x540.jpg 7 http://jochen-gros.de/Jochen_Gros/Des-In. html 8 https://www.1stdibs.com/furniture/lighting/ table-lamps/unique-italian-futurist-table-lamp/ id-f_448192/

Gruppenfotos Seite 84-87 1 http://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Russolo,_Carrà,_Marinetti,_Boccioni_and_Severini_in_front_of_Le_Figaro,_Paris,_9_February_1912.jpg 2 Unbekannter Fotograf, Die Meister auf dem Dach des Bauhaus-Ateliergebäudes in Dessau, zur Eröffnung des Bauhauses 1926 Musée national d‘art moderne, Centre Pompidou, Paris http://bauhaus-online.de/en/atlas/das-bauhaus/lehre/meister 3 http://www.notbored.org/group-shots.html 4 http://www.musee-magritte-museum.be/ Typo3/index.php?id=66 5 http://www.kunstflug-design.de/biografien/ biografie.html 6 http://www.frauen-hfg-ulm.de/englisch/ frameset_1024.html

7 http://monoskop.org/Congress_of_the_Constructivists_and_Dadaists 8 http://www.rolublog.com/2010/02/ the-neurosis-i-sought-to-describe-in-reddesert-is-above-all-a-matter-of-adjusting-there-are-people-who-do-adapt-and-others-whocant-manage-perhaps-because-they-are-tootied-to-ways-of-life/ Bildseite 90, 91 1 https://www.flickr.com/photos/hospi-table/4906846793 2 http://www.theoria.fr/la-section-americaine-de-linternationale-situationniste-des-ecrits-a-lepreuve-1906/ 3 http://www.hfg-archiv.ulm.de/die_sammlungen/hfg_sammlung/fotografien_fotos.html 4 http://filippo-marinetti.tumblr.com 5 Photo mit freundlicher Erlaubnis von Lisa Hoffmann 6 http://hoolawhoop.blogspot.de/2012/09/eatand-sleep.html 7 Foto von Aleksandr Rodchenko, von links nach rechts: Anton Lavinsky, Olga Rodchenko (Alexander Rodchenko‘s Mutter), Alexander Vesnin, Lyubov Popova, Nikolai Sobolev, and Varvara Stepanova photographed http://monoskop.org/Varvara_Stepanova#mediaviewer/File:Lavinsky_Olga_Rodchenko_Vesnin_Popova_Sobolev_Stepanova_Moscow_1924.jpg 8 Cavart, Progettarsi Addosso seminar, held on a disused railway bridge in Colze, Vicenza, September 27, 1975. Courtesy of Archivio Michele De Lucchi Ausstellungen Seite 94 1 http://www.kunstmuseum.li/bilder/1960.pdf 2 http://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Bauhaus-Ausstellung_in_Weimar_787741. html 3 http://www.toutfait.com/online_journal_details.php?postid=47245 4 http://hfg-archiv.ulm.de/die_hfg_ulm/geschichte.html Nachfolge Seite 98, 99 1 http://www.leninimports.com/umberto_boccioni.html 2 http://www.architonic.com/dcsht/san-lucalounge-chair-wright/4106852 3 http://www.tate.org.uk/context-comment/ articles/malevich-five-key-works 4 http://waithinktank.com/Suprematist-Landscapes 5 http://www.jochen-gros.de/A/Des-In_files/ 11K20Reifensofa.jpg 6 http://www.vam.ac.uk/content/articles/i/ inspired-by..2.-winners-2011 7 http://bauhaus-online.de/en/magazin/artikel/ my-bauhaus-is-better-than-yours 8 http://www.treehugger.com/sustainable-fashion/from-a-vat-of-green-tea-grows-gross-butcool-green-fashion-called-biocouture-photos. html Nachfolge Seite 100, 101 1 http://www.kooye.de/wp-content/

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uploads/2012/11/de-stijl.jpg 2 http://www.maartenbaas.com/ Main.asp?Section=Works&Sub=%7BFA27A7AC-E988-4B64-98AE-35350EB00CC4%7D&CurImageGUID=%7BFC73F1DA-5031-463B-B90A-98285C06E4E2%7D 3 https://en.wikipedia.org/wiki/De_Stijl_(album)#/media/File:The_White_Stripes_-_De_ Stijl.jpg 4 https://papierutopia.files.wordpress. com/2013/08/superstudio-supersurface1.jpg 5 http://assets.wallpaper.com/wallpaper/ live/galleryimages/17053437/gallery/Day301_SS13-Sportmax_04.jpg 6 http://aparlor.com/souvenirs/2013/5/4/ quaderna 7 http://www.schirn-magazin.de/mobile/SURREALE_DINGE.html 8 http://madeofstil.com/entdeckt-die-dino-leuchte-tyranno/ 11 http://www.moooi.com/products/horse-lamp Bildseite 102, 103 1 http://art-portrait.livejournal.com/tag/ kandinsky 3 http://monoskop.org/File:Malevich_Kazimir_ On_his_way_to_study_nature_with_his_painting_equipment_1900.jpg 4 http://www.club-off-ulm.de/category/news/ 5 http://awesomepeoplehangingouttogether. tumblr.com/post/44634890684/nelly-van-doesburg-piet-mondrian-and-hannah 6 http://www.notbored.org/group-shots.html Bildseite 110, 111 1 Bauhaus Band Performing, T. Lux Feininger, Gelatin silver print, 4 9/16 x 6 1/16 in. The J. Paul Getty Museum, 85.XP.384.90. Š Estate of T. Lux Feininger - See more at: http:// blogs.getty.edu/iris/all-in-the-family-lyonelfeininger-his-sons-and-photography/#sthash. LnHI6f9e.dpuf 3 http://www.zones-subversives.com/2015/02/ raoul-vaneigem-et-les-situationnistes-2.html 4 http://www.paulj.myzen.co.uk/blog/futurism/?page_id=354 6 Foto von Anno Dittmer, erschienen in: Schrill - bizarr - brachial: Das Neue Deitsche Design der 80er Jahre, S.72 a Bildseite 118, 119 1 http://www.brainpickings.org/2014/01/21/ futurist-cookbook-marinetti/ 2 http://weretheyhot.livejournal.com/59918. html?thread=969230 3 http://renespitz.de/typo3temp/_processed_/ csm_ReneSpitz_HfGUlm_1956_Terrasse1_84282a83c9.jpg 5 https://lowereastblog.wordpress.com/ category/teaching/

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Auswahlbibliographie Wolfgang Schepers, Peter Schmitt (Hrsg.): „Das Jahrhundert des Design“, Anabas Verlag, 2000 Lakshmi Bhaskaran: „Designs of the Times – Using Key Movements and Styles for Contempoary Design“, RotoVision, 2005 Mathias Listl: „Gegenentwürfe zur Moderne: Paradigmenwechsel in Architektur und Design 1945-1975“, Böhlau Köln, 2014 Jean-Louis Gaillemin: „Design contre design : Deux siècles de créations“, RMN, 2007 Alexandra Midal: „Design, l‘Anthologie“, Cite du Design, 2013

Patrick Rössler (Hg.): „bauhaus-kommunikation. Innovative Strategien im Umgang mit Medien, interner und externer Öffentlichkeit“, Gebr. Mann Verlag, Berlin, 2009 Anke te Heesen, Petra Lutz: „Dingwelten: das Museum als Erkenntnisort“, Böhlau Verlag Köln Weimar, 2005 Thomas Hecken: „Gegenkultur und Avantgarde 19501970: Situationisten, Beatniks, 68er“, BoD – Books on Demand, 2006 Anthony Dunne, Fiona Raby: „Speculative Everything: Design, Fiction, and Social Dreaming“, MIT Press, 2014

Beatriz Colomina: „Manifesto Architecture: The Ghost of Mies“, Critical Spatial Practice 3, Sternberg Press, 2014 Benedikt Hjartarson: „Visionen des Neuen: Eine diskurshistorische Analyse des frühen avantgardistischen Manifests“, Universitätsverlag Winter GmbH Heidelberg, 2013 „Wetterleuchten! Künstler-Manifeste des 20. Jahrhunderts“, Edition Nautilus, 2000 Alex Danchev: „100 Artists‘ Manifestos: From the Futurists to the Stuckists“, Penguin UK, 2011 Anke Hennig: „Über die Dinge. Texte der russischen Avantgarde“, Philo Fine Arts, 2010 Heribert Becker: „Es brennt!: Politische Pamphlete der Surrealisten“, Edition Nautilus, 1998 Magnus Ericso, Ramia Mazé (Hrsg.): „DESIGN ACT: Socially and Politically Engaged Design Today – Critical Roles and Emerging Tactics“, Sternberg Press, 2011 Alex Coles, Catharine Rossi: „EP Vol. 1 – The Italian Avant-Garde: 1968-1976“, Sternberg Press, 2013 „Volker Albus, Christian Borngräber: „Design-Bilanz. Neues Deutsches Design der 80er Jahre in Objekten, Bildern, Daten und Texten“, DuMont, 1992 Tobias Hoffmann, Markus Zehentbauer (Hrsg.): „Schrill Bizarr Brachial. Das Neue Deutsche Design der 80er Jahre“, Wienand Verlag, 2014 115


Impressum Umschlagabbildungen: Vorderseite: Lisa Hoffmann, How to form a design movement, 2015 Rückseite: Lisa Hoffmann, How to start a design movement, 2015 Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung „How to form a design movement: Unbehagen und Gestaltung gestern, heute und morgen“ vom 19. April bis 1. August im IIBM Herausgeber: MAPD Gruppe Idee und Konzeption: IIBM und EnDevnir Texte: Lisa Hoffmann Redaktion und Lektorat: die Redaktion und das Lektorat Bildredaktion: Lisa Hoffmann Gestaltung: Design Office with Lisa Says Projektmanagement: LaboratoireS Gesamtherstellung: S14 Verlag, Weimar Druck: SCC / Graphische Betriebe Weimar Auflage: 3 Stück (bis jetzt) Alle Rechte vorbehalten. Veröffentlichung des IIBM 1 Dieser Katalog erscheint mit freundlicher Unterstützung der Gesellschaft für Aquatische Promenadologie und des Vereins für die Erhaltung historischer Artefakte des Künstlers L. Depoissonnière.

Die Arbeit entstand von März bis Juni 2015 als Master-Thesis von Lisa Hoffmann im Rahmen des Master-Programms „Nachhaltige Produktkulturen“ an der Fakultät Gestaltung der Bauhaus Universität Weimar bei Prof. Gerrit Babtist und Gastwiss. Mag. Martina Fineder.

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Dank Wir danken folgenden Institutionen und Personen, die uns durch Leihgaben unterstützt, individuell beraten, finanziell gefördert oder moralisch aufgebaut haben:

Martina Fineder Prof. Gerrit Babtist Johannes Lang Julia Synnatzschke Meike Stübinger Marjorie Potiron Joel Polak Sara Philine Conen Steven Whiteley Katrin & Mike Hoffmann WGS14 (Erik Lippold, Christoph Lorenz, Sofie-Marie Trebschuh, Philipp Böhm-Christl, Jan-Erik Raupach)

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2 André Breton redet mit René Crevel während Salvador Dalí und Paul Eluard zuschauen

1 Marinetti in einem Duell mit dem Journalisten Carlo Chiminelli in Rom, 30. April 1924


5 Bauhaus Studenten im Sommer, undatiert

4 beim Fluff Fest (EnDevenir), Tschechien, 2012

3 Studenten auf der Terasse des Geb채udes der HfG Ulm, 1956


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