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Travel Retail

Warten auf den Re-start

Der Schweizer Travel Retailer Valora probiert derzeit in Deutschland aus, ob sein Shop-Format K Kiosk auch an Tankstellen funktioniert. Wenn ja, würde das dem Unternehmen die Chance bieten, sich breiter aufzustellen – jenseits von Bahnhöfen. Doch auch mit dem bisherigen Geschäftsmodell ist der Konzern ganz gut durch die Krise gekommen. Andere, kleinere Travel Retailer werden es schwerer haben. Trotz ihrer Unterstützung rechnen Bahn und Flughäfen mit einigen Insolvenzen.

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TEXT HANS JÜRGEN KRONE, MARTIN HEIERMANN

Seit Ende vergangenen Jahres testet Valora sein Kiosk-Konzept K-Kiosk hier zu Lande erstmals als Tankstellen-Shop. Seit der zweiten Dezemberhälfte ist das Konzept nach einer so genannten „stillen Eröffnung“ an einer Oktan-Tankstelle in Oldenburg im Praxistest. Auf Nachfrage von Convenience Shop erläuterte das Unternehmen: „Mit dem neuen K Kiosk-Konzept in Oldenburg begegnet Valora jetzt auch an Tankstellen in Deutschland dem wachsenden Bedürfnis unserer mobilen Kunden nach einem abwechslungsreichen Kiosk- und Convenience-Angebot.“

Das Konzept beruhe stark, so teilt Valora mit, auf den in der Schweiz gesammelten Erfahrungen. Dies sei vor allem mit dem Format Avec gewonnene Expertise. Sie wurde an den deutschen Markt angepasst. Jetzt gibt es in Oldenburg auf immerhin 125 Quadratmetern ein breites Food und Getränkesortiment inklusive Spirituosen, Backwaren und einer heißen Theke. Darüber hinaus sind Zigaretten und Tabakwaren, Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Apple Produkte sowie Mobile Equipment und Autozubehör im Angebot. Zum Konzept gehören auch ein Lotto-Angebot, eine DHL-Packstation sowie E-Services. Valora ist Pächterin und Betreiberin der Tankstelle, die acht Mitarbeiter beschäftigt. Doch es wird nicht bei dem Standort Oldenburg bleiben. Der K Kiosk Test an Tankstellen wird ausgeweitet: Im April eröffnet Valora in Kaiserslautern eine weitere Verkaufsstelle an einer Tankstelle unter dem Markennamen K Kiosk, diesmal an einer Station des Mineralölunternehmens Oil.

Foodvenience bleibt

Valora charakterisiert sich trotz aller Tests und Probleme im Corona Jahr 2020, nach wie vor so: „Wir stehen für das Foodvenience-Konzept, vor allem

Der Verkauf geht weiter. Die Frequenz ist deutlich niedriger. im öffentlichen Verkehr.“ Trotz Rückgang im Außenumsatz 2020 der Valora Gruppe um 16,7 Prozent und eines Minus der Nettoumsatzerlöses um 16,4 Prozent gegenüber Vorjahr“, zeigt sich Valora „ überzeugt, dass wir unser Geschäftsmodell nicht anpassen müssen“, sagte CEO Michael Mueller. Bei neuen digitalen Convenience-Lösungen liege der Schwerpunkt auf Automated Stores und Self-Checkout, Loyalty, Delivery, E-Commerce und Prozessverbesserungen. Mitten im ersten Lockdown startete die Pilotphase von avecnow.ch und Ende Januar dieses Jahres wurde mit Avec 24/7 ein Hybrid-Store lanciert. Kurzfristig hofft das Unternehmen, dass die schwierige Phase bald vorüber ist. Man habe über eine Kapitalerhöhung seine finanzielle Situation stabilisieren können, was kleineren Familienunternehmen im Travel Retail so nicht möglich war. Und so böten sich Valora bei einer anstehenden Marktkonsolidierung sogar „Opportunitäten“, hofft Müller. Wichtig sei aber auch das Gespräch mit den Vermietern gewesen – hier zu Lande mit der Deutschen Bahn.

Denn in Deutschland spielt die Deutsche Bahn bei der Bewältigung

„Attraktive Bahnhöfe sind wichtig, damit die Fahrgäste dem System Bahn vertrauen.“

Mit K-Kiosk will die Schweizer Valora künftig auch an deutschen Tankstellen erfolgreich sein.

der Krise eine bedeutende Rolle. Als Vermieter in den Bahnhöfen ist sie Ansprechpartner für Valora und alle anderen Travel Retailer dort. „Durch die Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie ist das Reiseaufkommen auf ein niedriges Niveau zurückgegangen“ weiß Horst Mutsch, Bereichsleiter Vertrieb Commercial DB Station&Service AG . Gegenüber CS stellt er fest, dass sich die Situation, je nach Region, sehr unterschiedlich entwickelt habe: „Wir beobachten die weitere Entwicklung und sind dazu im engen Austausch mit Bund, Ländern, Behörden“. Die größte Herausforderung sei gewesen, jederzeit ansprechbar zu sein und je nach Lage auch zu bleiben. Vor allem das Bemühen, die Mieterkommunikation auf hohem Niveau zu halten, habe im vergangenen Jahr und auch im aktuellen viel Arbeitszeit in Anspruch genommen. Jetzt allerdings erwarten viele Mieter von der DB, dass sie ihren Teil der Last trägt. „Die DB lässt ihre Mieter in den Bahnhöfen mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht allein“, sagt Mutsch dazu. Bereits im Frühjahr 2020 habe man schnell und pragmatisch geholfen und eine Stundung der Mieten für April und Mai sowie zum Teil auch ein Abmindern der Miete angeboten. Davon hätten die Mieter in den Bahnhöfen Gebrauch gemacht. Für Dezember 2020 habe das Unternehmen seinen Mietern zur Schonung ihrer Liquidität, eine Stundung der Dezembermiete bis März 2021 angeboten. Für Januar bis April 2021 halbiere man die Miete „für diejenigen, die Unterstützung brauchen“, erläutert Mutsch die Maßnahmen zur Entlastung.

Öffentlicher Verkehr weiter mit guten Aussichten

Trotz der aktuellen Probleme ist Mutsch auf dem Hintergrund globaler Entwicklungen sicher, dass sich der öffentliche Personennahverkehr weiterhin gut entwickelt: Durch die Klima- und damit notwendige Verkehrswende sei „zu erwarten, dass die Verlagerung vom individuellen hin zum öffentlichen Verkehr deutlich zunehmen wird“, sagt er. Natürlich hänge aber auch die Frequenz an den Bahnhöfen davon ab, wie attraktiv die Innenstädte seien. „Die Bahnhöfe bilden in einem solchen Leitbild einen wichtigen Quartiersbaustein“, fügt er hinzu. Dabei sei die öffentlich Hand aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten, damit Bahnhöfe attraktiv bleiben. „Attraktive Bahnhöfe sind wichtig, damit die Fahrgäste dem System Bahn vertrauen“, so Mutsch. Filialisten und Regionale Partner böten den perfekten Branchen-Mix am Verkehrsstandort Bahnhof. Beide Partner hätten sich „krisenstark“ gezeigt.

Gedanken macht man sich bei der Bahn angesichts des Trends zum Online-Einkauf und zu Liefer-Konzepten, wie die eigenen Mieter ihren Aktionsradius über den Standort Bahnhof hinaus erweitern können. „Etliche Mieter verstärkten das To Go- und Delivery-Geschäft. Manche schafften beispielsweise E-Bikes zum Ausliefern an“ sagt Mutsch. Ein Pilotprojekt zur Abholung laufe derzeit mit der so genannten Hamburg Box. Nutzer bestellen von zu Hause und profitierten von einer zeitlich flexiblen Abholung ihrer Bestellung. Der Service von DB, Hamburger Hochbahn und ParcelLock könne grundsätzlich von allen Paketdiensten, Händlern und Unternehmen genutzt werden. Seit dem Start im März 2020 gebe es mittlerweile 22 Abholstationen an S-, RE- und U-Bahnhöfen und Haltestellen.

Marktaustritte an Flughäfen

Ähnlich den Bahnhöfen stellt sich die Situation an den Aiports dar, beispielsweise am Münchner Flughafen. Die Maßnahmen des Lockdowns gelten und galten in ihrer bayrischen Variante auch an diesem Standort. „Dies hat zur Folge, dass bereits erste Insolvenzen zu verzeichnen sind und leider auch mit weiteren zu rechnen sein wird“, berichtet Markus Preiß, Teamleiter Marketing des Geschäftsbereichs Commercial Activities. Er geht davon aus, dass eine Konsolidierung auf Anbieterseite stattfinden werde. „Und auch Marktaustritte von bisherigen Playern im Travel Retail Bereich wird es geben.“ Durch das geringe Passagieraufkommen sei allerdings das Terminal 1 sowie der so genannte Satellit im Terminal 2 komplett geschlossen.

Um die Situation zu stabilisieren, hat die Flughafengesellschaft ihren Mietern – ähnlich der Bahn – Hilfe angeboten. Diese haben aber auch aktiv um Unterstützung gebeten. „Wir haben sehr faire und partnerschaftliche Lösungen mit unseren Mietern gefunden“, meint Preiß dazu. So sei die Betriebspflicht teilweise ausgesetzt worden und die Vertragsinhalte wurden angepasst. Da der Schwerpunkt der Verkaufseinheiten im nichtöffentlichen Bereich des Airports liegt, bietet derzeit noch kein Mieter Click&Collect an. Click&Meet könne und werde aber offenbar in den nächsten Wochen bei entsprechenden Lockerungen, zum Beispiel im Duty Free-Bereich, eine Rolle spielen.

„Wir sind überzeugt, dass wir unser Geschäftsmodell nicht anpassen müssen.“

MICHAEL MUELLER CEO VALORA

„Präsenz zeigen“

Vier Gastro- und Retail-Einheiten hat die Wöllhaf Gruppe am Flughafen Stuttgart geschlossen. Am Berliner BER werden drei neue eröffnet. Mit der Pandemie-Situation hat das nur bedingt zu tun. Durch eine Familien-Bürgschaft und die Coronahilfen hofft das Unternehmen durch die Krise zu kommen, berichtet Geschäftsführer Jörg Rösemeier.

INTERVIEW MARTIN HEIERMANN

Ende 2020 hat Wöllhaf angekündigt sich von Ebene 4 des Terminal 1 des Stuttgarter Flughafens zurückzuziehen. War die Corona-Krise in diesem Fall Ursache für den Rückzug?

Jörg Rösemeier: Die Entwicklung unserer vier Einheiten dort verschlechterte sich schon seit mehreren Jahren. Die Schließung des großen Buch-und Presseshops, welcher unseren Restaurants vorgelagert ist, führte dazu, dass die Besucherfrequenz auf der Ebene insgesamt stark gesunken ist. Damit ging uns Laufkundschaft verloren. Darüber hinaus eröffnete im Terminal 3 ein weiteres Fastfood-Restaurant. Im näheren Umfeld des Flughafens sind neue Hotels mit Tagungskapazitäten entstanden, die sich auf unser Geschäft auswirkten. Die Kosten, die für uns auf Ebene 4 angefallen sind, können mittel- und langfristig nicht anderweitig erwirtschaftet werden. Die negative Entwicklung, die ich geschildert habe, spitzte sich durch die Corona- Krise dramatisch zu. Wir mussten für die Sicherung des Unternehmens eine Entscheidung treffen, die uns nicht leichtgefallen ist.

Gibt es Pläne, Überlegungen oder schon Beschlüsse, an weiteren Flughäfen zu reduzieren?

Nein, ganz im Gegenteil. Wöllhaf möchte Präsenz zeigen und weiter wachsen. Am neuen Berliner Flughafen werden wir im Terminal T2 drei weitere Gastronomieeinheiten eröffnen, ein W-Café, ein Burger King Restaurant sowie eine Bäckerei. Wir haben in den vergangenen Jahren auch unsere Handelssparte ausgebaut und möchten hier ebenfalls wachsen. Darüber bemühen wir uns aktiv, Standorte außerhalb von Airports zu betreiben.

„Wir bemühen uns aktiv, Standorte außerhalb von Airports zu betreiben.“

JÖRG RÖSEMEIER GESCHÄFTSFÜHRER WÖLLHAF

In welchem Umfang konnten Sie an den verschiedenen Flughäfen bisher wieder öffnen?

2020 sind die Passagierzahlen an allen Airports komplett eingebrochen, wir mussten deshalb den Großteil unserer Gastro- und Retail-Betriebe auf Sicht fahren. Das heißt, dass wir, wo es sich kostendeckend machen ließ, geöffnet hatten und haben. Andere Einheiten sind allerdings seit März 2020 geschlossen. Aktuell sind, bedingt durch die Corona-Krise, bis auf unser „Take Away“ und den Außer-Haus-Verkauf der Berliner Kaffeerösterei am BER alle unsere Betriebe geschlossen. Wir werden aber an einzelnen Standorten zu Ostern wieder öffnen und sobald die Passagierzahlen insgesamt steigen, werden sukzessive weitere Einheiten öffnen und unseren gewohnten Service anbieten.

Haben Sie an manchen Standorten ein Lieferservice oder auch Click & Collect etabliert?

Nein, da wo es machbar ist, betreiben wir Außer-Haus-Verkauf. Aber wenn keine Passagiere am Flughafen sind, macht dies auch nur bedingt Sinn.

Wie lange kann die Wöllhaf Gruppe die derzeitige Pandemie-Situation noch auffangen?

Wir haben das vergangene Jahr genutzt und unsere Kosten aktiv optimiert. Deshalb hoffen wir, dass wir die Krise einigermaßen gut überstehen werden. Wir hoffen nicht, dass weitere Maßnahmen notwendig sind. Durch eine Bürgschaft der Familie Wöllhaf haben wir Zugriff auf eine Kreditlinie. Weiter hoffen wir auf Auszahlungen von Coronahilfen, die wir natürlich beantragt haben. Hier haben sich die Rahmendaten deutlich verbessert – nach deutlichen Protesten vieler mittelständischer Unternehmen wie unserem. In der aktuellen Krise haben wir auf Kündigungen verzichtet und den Mitarbeitern, die sich in Kurzarbeit befanden oder noch befinden, zehn Prozent zusätzlich zu den Transferleistungen bezahlt.

Wie hat sich Ihr Umsatz im vergangenen Jahr entwickelt?

Der Gesamtumsatz der WöllhafGruppe ist um rund drei Viertel zum Vorjahr gesunken.

Welche mittel- und langfristigen Veränderungen erwarten Sie für den Bereich Travel-Retail und die gastronomischen Angebote an den Flughäfen?

Da nicht absehbar ist, wann die Passagierzahlen wieder signifikant steigen, gehe ich davon aus, dass sich die Reihen der Wettbewerber lichten werden und nicht alle diese Krise überstehen. Sie wird sich sicher auch bei der Vielfalt an Konzepten und Angeboten an den Airports bemerkbar machen. Der Trend, hin zu regionalen Konzepten mit individuellen Produkten, so wie wir Ihn forcieren, wird meiner Ansicht nach nicht leiden.

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