abreißen statt renovieren / renovieren statt abreißen
Renovierungstrategie für Plattenbauten der 1950er und 60er Jahre in Moskau
Masterthesis von Anna Timofeeva Sommersemester 2020
LSA Lehrstuhl für Städtische Architektur
Texte und Entwurfsprojekte: Copyright bei den Autor:innen. Die Referenzabbildungen wurden als Bildzitate den zitierten Publikationen entnommen.
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abreiĂ&#x;en statt renovieren/renovieren statt abreiĂ&#x;en
Anna Timofeeva
abreiĂ&#x;en statt renovieren/renovieren statt abreiĂ&#x;en Renovierungsstrategie fĂźr Plattenbauten der 1950er - 60er Jahre in Moskau
Inhalt 5
Vorwort
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Geschichte der Platten-Wohnnungsbau im Kontext der sowjetischen Politik
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Typologie von Typisierung. Wohnung. Wohnsektion. Wohngebiet
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Konstruktionstypen der Plattenbauten
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Moskau. FĂźnf experimentelle Wohngebiete
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Wohngebiet Kuzminki
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Sanierungstrategien
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Referenzen
112
Literatur
113
Bildnachweis
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Vorwort Mitte der 1950er Jahre begann die Geschichte des Massenwohnungsbaus in der Sowjetunion. Der Wohnungsmangel war ein immerwährendes sowjetisches Problem, das durch Industrialisierung, Landflucht und Kriege angeheizt wurde. Die bereits bestehende Wohnungsnot verschärfte sich nach dem Tod Josef Stalins im März 1953 noch weiter, als Millionen Gefangene aus den Lagern und Zwangsarbeitskolonien der Gulags freigelassen und als Wohnungssuchende in die Städte getrieben wurden. Die meisten Menschen lebten eng in Baracken oder in Gemeinschaftswohnungen, sogenannte „Kommunalkas“, aus dem letzten Jahrhundert. In solchen Wohnungen wurden die Zimmer unter den Familien verteilt, oft lebte eine Familie mit mehreren Personen in einem kleinen Raum, dazu mussten sie sich Küche und Bad mit der ganzen Etage teilen. Als nächster Regierungschef der Sowjetunion versprach Nikita Chruschtschow jeder Familie eine kleine Wohnung. Der Gedanke an eine eigene kleine Wohnung regte die Phantasie der Moskauer vermutlich in der morgendlichen Warteschlange vor der Toilette am meisten an. Während des Baukongresses 1954 beschloss Chruschtschow einen radikalen Richtungswechsel: von neoklassizistischen Prachtbauten mit ihren Ornamenten und hohen Räumen hin zu sparsameren Größen, neuen Materialien und großen, vorgefertigten Platten, die auf der Baustelle montiert werden mussten. Das war die Geburt der Betonplatte. Zwischen 1955 und 1970 bekamen 132 Millionen Menschen ihre neuen, eigenen Wohnungen. Die Ausmaße des Bauvorhabens waren kaum fassbar. Zeitgenössische Fotografien zeigen fast immer Baukräne mit daran hängenden Platten. Die neuen vier- bis fünfstöckigen Wohnhäuser in Plattenbauweise, die in der gesamten Sowjetunion gebaut wurden, wurden bald „Chruschtschowkas“ genannt. Sowjetische Städte verloren mit dem 5
Beginn des Massenbaus ihre Identität. Nun sahen viele Siedlungen gleich aus, unabhängig von ihrer Lage, egal ob es ein kleines Städtchen im Norden am Weißen Meer oder ein Dorf in der kasachischen Steppe; alle bekamen einen urbanen Charakter. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion machte der industrielle Wohnungsbau in einigen Städten bis zu 75 Prozent des gesamten Wohnungsbaus aus. Der andere Teil bestand hauptsächlich aus den Wohngebäuden aus Ziegelsteinen, die auch meist als serielle Typen gebaut wurden. Die Chruschtschowka ist zweifellos eine der am häufigsten errichteten Gebäudetypen der Welt. Allein in Russland wurden während der Sowjetzeit auf diese Weise 290 Millionen Quadratmeter Wohnfläche geschaffen. Heute sind die „Chruschtschowkas“ untrennbare Bestandteile der Stadtlandschaft. Während die niedrigen Decken und kleinen Räumen für manche ein Alptraum sind, gehören sie für viele Russen zu ihrer Identität.
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Wohnungsbau in 1957-2006 Anzahl der Menschen mehr als 10 Mio. 3-10 Mio.
1957-1970
1-3 Mio. 0,5-1 Mio.
vor 1957
0,1-0,5 Mio.
1971-1994
1995-2006
Verteilung und Anzahl der Menschen in Russland, die in den von 1957-2006 gebauten Plattenbauten leben
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Geschichte der Platten-Wohnnungsbau im Kontext der sowjetischen Politik
Stalins Tod im Jahr 1953 führte zum Machtkampf in der Führungspartei der Sowjetunion. Ein potenzieller Nachfolger Stalins Nikita Chruschtschow - galt als Parteifunktionär in der Ukraine und als erfahrener Politiker in Landwirtschaftsfragen. Chruschtschow entdeckte das bisher vergessene Thema der katastrophalen Wohnsituation im Land, das sich weiter zugespitzt hatte. Die verheerenden Kriegsschäden, die endlose Bevölkerungsflucht vom Land und die elitenzentrierte Wohnungspolitik machten es beinahe unmöglich, die Bevölkerung ausreichend zu versorgen. Zu Stalins Zeit gab es bereits erste Projekte zur Rationalisierung des Wohnungsbaus, doch diese betrafen keine Massenbauten. Chruschtschow demonstrierte 1954 mit zwei Aktionen seinen Anspruch auf politische Führung. Im Frühjahr startete der Politiker die „Neuland“Kampagne, um Kasachstan in den zweiten Getreidespeicher (nach der Ukraine) der Sowjetunion zu verwandeln. Die zweite und sehr wichtige Aktion stellte er auf dem Unions-Kongress für Bauwesen Ende 1954 vor. Während der Konferenz kritisierte er die bisherige Baupolitik. Seine Rede hatte zwei Aspekte: die Vorbereitung zur Entstalinisierung und das damit einhergehende Manifest der Nachkriegsarchitektur. Sie hatte einen großen Einfluss auf das Bauen im 20. Jahrhundert, nicht nur im eigenen Land, sondern weltweit. Chruschtschow positionierte sich als Befürworter des industriellen Bauwesens. Er sprach viel darüber, die Gebäudeelemente im Betrieb vorzufertigen und auf der Baustelle als fertige Produkte zu montieren. Moderne Baumethoden könnten neue Technik wie Kräne und neue Materialien wie Beton verwenden und somit traditionelle 10
Ziegelmauerwerke ersetzen. „Wir haben die Verpflichtung, deutlich an Geschwindigkeit zuzulegen, die Qualität zu verbessern und die Kosten zu senken!“ erklärte Chruschtschow. Auf sowjetische Weise begann Chruschtschow dann, führende Architekten zu zerschlagen. Chruschtschow kritisierte Stalins Architektur, die die neue Silhouette Moskaus bildete. Die Baukosten waren aufgrund der Fassadengestaltung hoch, die Flächen wurden nicht rational benutzt – geringe Nutzfläche im Verhältnis zum Volumen.“Wir sind nicht gegen Schönheit. Wir sind nur gegen Überflüssigkeiten!“ resümierte Chruschtschow. Er rief schließlich zu einer klaren Architektursprache auf: gute Proportionen, reine Funktion, ausreichend große Fenster und Türen. In diesem Sinne unterschied sich seine Idee nicht wesentlich von den Baumanifesten der 1920er Jahre. Chruschtschow setzte auf die Arbeit der Arbeitsgruppe von Vitaly Lagutenko und deren erste Erfahrungen mit neuen Technologien. 1947 wurde Lagutenko zum Direktor der Abteilung für Experimentellen Industriebau ernannt, woraufhin er zusammen mit Michail Posokhin und Aschot Mndoyants in Moskau ein H-förmiges Wohngebäude realisierte: ein Skelett aus Stahlbeton ausgefüllt mit großen Platten. Vier Gebäude der gleichen Bauart wurden in der Nähe errichtet und ab 1949 auf experimenteller Weise auch in anderen Orten gebaut. Damals galt es noch als Pilotprojekt, da die Herstellungsmethoden und die Baugeschwindigkeit für eine Massenanwendung nicht geeignet waren. Ein weiterer experimenteller Wohnblock wurde 1951 in Moskau (Pestschanaja pl.) errichtet. Siebengeschossige Häuser wurden in einer Rekordzeit von sechs Monaten fertiggestellt. Der
«Wir sind nicht
gegen Schönheit.
Wir sind nur gegen
Überflüssigkeiten!» 11
Bau der einzelnen Einheiten begann mit einer Verzögerung, um Baumaschinen und Arbeiter nach Fertigstellung der einen Baustelle, sofort auf der nächsten einsetzen zu können. So entstand eine neue Montagemethode. Der Wohnkomfort dieses Bocks entsprach noch immer dem stalinistischen Stil. Im November 1955 erließ Chruschtschow ein Dekret «Über die Beseitigung der Übermäßigkeit im Planen und Bauen» . Auf diese Weise verabschiedete sich die sowjetische Staatsführung von Stalins Architektur und deren Dekorationen. Chruschtschow ging mit dem Eklektizismus der 1930er und 1940er Jahre genauso um, wie Stalin seinerzeit auf politischer Ebene den Konstruktivismus ablehnte. Das Positive an der neuen Architektur war, dass sie sich auf vorgefertigte Industrieprojekte und damit auf die Veränderung der gesamten Bauindustrie konzentrierte. Aktuelle Projekte mussten
Chruschtschowka der Serie K-7, Moskau 14
innerhalb von drei Monaten von den zuständigen Ministerien überprüft und entsprechend korrigiert werden. Überflüssige Fassadendekorationen sollten vermieden, der Flächenverbrauch effizienter genutzt und der Mitteleinsatz optimiert werden. „Ein attraktives Gebäude wirkt nicht durch kostbare Verzierungen, sondern durch die harmonische Verbindung von Funktion, Proportion, Material, Konstruktion und qualitätvoller Ausführung.“ 1 Die Richtlinien für die neue Baupolitik erwiesen sich als erfolgreich. Chruschtschow gelang es, die jährliche Ausführungsquote bei Wohnbauten zu verdoppeln. „Überall im Land schossen Häuser aus dem Boden, die sich in Größe und Konstruktion kaum voneinander unterschieden. Bald schon erhielten die meist fünfgeschossigen Zeilenbauten in Erinnerung an ihren politischen Förderer den Namen Chruschtschowka.“ 2 Witali Lagutenko entwickelte in den 1960er Jahren den innovativen Haustyp 1, 2. Meuser, Philipp: Fachbeitrag: Politik der Platte; moderne-regional.de 15
K-7, der Chruschtschowkas zum Erfolg brachte. Durch die industriell standardisierte Bauweise konnten zwischen 1956 und 1965 rund 108 Millionen Sowjetbürger in neue Wohnungen umziehen. Damit wurde Wohnraum für über dreißig Prozent der Bevölkerung des Landes geschaffen. Das heißt nicht, dass jeder Neubau ein Plattengebäude war, doch mehr als 75 Prozent der Gebäude wurden als Serientyp aus vorgefertigten Elementen hergestellt. Die UdSSR war der einzige Staat, der Bauindustrie auf diese Weise rationalisiert hatte.
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Konstruktionsprinzip der geschosshohen Plattenbauweise fĂźr die Serie K-7
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Typologie von Typisierung. Wohnung. Wohnsektion. Wohngebiet
Als der Mangel an Baugrundstücken in Moskau deutlich wurde, war es notwendig, Serientypen mit mehr Stockwerken zu entwickeln. Bei einer hohen Geschosszahl bestand nun Bedarf an einem Aufzug und neue Anforderungen an die Akustik, welche neue Konstruktionsmethoden und Lösungen für die Grundrissanordnung erforderten. Das bedeutete das Ende von Chruschtschowkas. Trotzdem nahm die Zahl der Plattenbauten von Jahr zu Jahr zu, und die Variation der Typen entwickelte sich in Abhängigkeit von der Geschosszahl sowie den klimatischen Bedingungen. Auch heute wird dem Plattenbau in Russland große Bedeutung beigemessen. Eine Vielzahl von Wohnungen wird aus Plattenelementen gebaut. Dies wird durch die allgemeine finanzielle Lage der Bürger beeinflusst, da solche Wohnungen finanziell erschwinglich sind und die Qualität unter diesen Umständen nicht priorisiert wird. „Der Typus ist die Summe lokaler oder regionaler Übereinkünfte, er ergibt sich daraus, wie eine Stadtgesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Behausung wahrnimmt, vorstellt, nutzt und baut. Ziel bei der Definition eines Typus ist, möglichst viele Gemeinsamkeiten herauszufiltern, die als Archetypen wiederum als Grundlage für einen neuen Entwurf herangezogen werden können.“ 3 Andererseits geht die Typenprojektplanung davon aus, dass Gebäude mit gleichem Nutzungszweck und gleicher Größe mehrmals in identischer Form errichtet werden können. Das ist genau dann möglich, wenn die Anforderungen an die Einrichtung des Gebäudes in Bezug auf Funktion und Leistung standardisierte Anforderungen sind, sie für maximal viele Fälle gelten und wenn die Materialien und Baumethoden gleich sind. Wohnung Die ersten sowjetischen Normen für den Wohnungsbau (russ: Stroitelnye Normy i Prawila, kurz: СНиП, SNiP) wurden 1955 vom 3. Hoffmann-Axthelm, Dieter: Das Berliner Stadthaus. Geschichte und Typologie 1200 bis 2010. Berlin 2011, S.12 20
Ministerrat der UdSSR erstellt. Die SNiP II.B.10-54 legte damit den Grundstein für die von Chruschtschow geforderte Restrukturierung der Bauindustrie zur industriellen Vorfertigung. Die Normen legten verschiedene Angaben fest, wie z.B. die Größe und Fläche der verschiedenen Räume. So betrug das Mindestmaß für die lichte Deckenhöhe 2,5 Meter. Die Mindestgröße der Küche wurde mit 4,5 Quadratmeter angegeben. In der Zeit von 1955 bis 1991 wurde die SNiP für den Wohnungsbau viermal komplett überarbeitet. Jede Änderung bezog sich auf eine Änderung im Wohnungsbau. Der letzte Wohnstandard vor dem Zerfall der Sowjetunion trat am 1. Juli 1986 in Kraft. Im Vergleich zur SNIP II.B.1054, die vor 30 Jahren maßgebend war, hat sich die Mindestfläche der Wohnungen fast verdoppelt. Seit 1986 sollte eine Ein-Zimmer-Wohnung mit einer Gesamtfläche von 36 Quadratmetern (Vgl. 1958: 16 Quadratmeter), eine Vier-Zimmer-Wohnung mit einer Gesamtfläche von 77 Quadratmetern (Vgl. 1958: 40 Quadratmeter) entworfen werden. Bis zur Verbreitung der industriellen Produktion von Bauelementen verwendeten Architekten traditionelle Mauerwerksmethoden oder große Blockstrukturen. Ein charakteristisches Merkmal vom typisierten Gebäude war die Verbindung von zwei oder vier Wohnungen um eine Doppeltreppe mit einer Zwischentreppe in der Mitte. In der Regel wurde das Erdgeschoss durch das erste Treppenhaus verbunden, so dass die Kellerräume natürliches Licht erhielten und die unteren Wohnungen leicht angehoben wurden. Typisch war 21
die Kombination von zwei bis vier Wohnungen um eine zweiläufige Treppe mit einem Zwischenpodest in der Mitte. Das Erdgeschoss war üblicherweise erhöht, damit die Kellerräume durch Tageslicht erhellt wurden. Die Treppe wurde standardisiert und war das Hauptelement bei der Erstellung des Grundrisses. In Gebäuden mit bis zu fünf Stockwerken war kein Aufzug vorgesehen. Die großen Wohnungen hatten Fenster in beide Richtungen. Die Fenster an den Seiten des Sektionsteils waren nicht vorgesehen, da die Sektionen in diesem Fall nicht miteinander kombiniert werden konnten. In den südlichen Regionen gab es auch Varianten, bei denen die Treppe als externes Bauteil angeordnet war. Im Allgemeinen waren die Planungslösungen für fünfstöckige Gebäude zwischen Archangelsk im Norden und Tiflis im Süden, zwischen Minsk im Westen und Chabarowsk im Osten sehr ähnlich: Der Eingangsbereich, die Toilette
Schematische Darstellung einer Sanitär- und Kücheneinheit (1964)
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und das Badezimmer hatten immer die geringsten Flächen. In den Häusern der ersten Gebäudegeneration war die Küche durch einen schmalen Korridor entlang der Sanitärräume zugänglich. Nach den Normen sollte der größte Raum, der als Wohnzimmer vorgesehen war, eine Fläche von mindestens 14 Quadratmetern haben. Ein Schlafzimmer für zwei Personen wurde mit acht Quadratmetern als ausreichend angesehen. Die kleinsten Räume waren in der Regel für Kinder gedacht und - wenn überhaupt vorgesehen - über ein Durchgangswohnzimmer zugänglich. Die Tiefe der einzelnen Sektionen betrug etwa zwölf Meter, was sich aus einer sechs Meter langen Treppe ergab und einer Breite von 14 bis 20 Meter. Die Sanitärzellen und die Küche waren immer an die gleiche Installationsleitung angeschlossen. Die Dimensionen der Räume entsprachen einem Grundmodul von 1,2 Metern und konnten innerhalb dieses Moduls verkleinert oder vergrößert werden. Der erste Serientyp wurde 1961 vom Architekten Lagutenko entworfen und wurde als K-7 bezeichnet. Auf der Basis dieses Typs wurden allein in Moskau in den sechziger Jahren mehr als 64 000 Wohnungen (drei Millionen Quadratmeter Wohnfläche) gebaut. Eine typische Wohnung der Serie K-7 war entweder 30 Quadratmeter (Einzimmerwohnung), 44 Quadratmeter (Zweizimmerwohnung) oder 60 Quadratmeter (Dreizimmerwohnung) groß. Für die Küche wurden niemals mehr als sechs Quadratmeter veranschlagt. Obwohl der Wohnraum nach heutigen Kriterien nicht von höchster Qualität zu sein scheint, erreichte er zu seiner Zeit ein neues Komfortniveau. In Chruschtschowkas sind Zentralheizung, Kaltwasserversorgung und Kanalisation vorgeschrieben. In den meisten Serien ist das Badezimmer mit der Toilette verbunden und eine Badewanne (mitunter Sitzbadewanne) ist ein obligatorischer Teil der Badeinrichtung. Der Prozess der Vergasung von Städten ermöglicht es, die Küchen mit einem Gasherd auszustatten. Die Warmwasserversorgung kann zentralisiert werden, ist aber oft nicht vorhanden. 23
In diesem Fall waren die Wohnungen mit Gassäule ausgerüstet, hauptsächlich in der Küche. Da es keine Vergasung gab, wurden holzbefeuerte Warmwasserbereiter eingesetzt. Die Decken in solchen Häusern waren nicht brennbar, da sie aus Stahlbetonplatten industrieller Produktion bestanden. Sehr häufig befindet sich unter dem Küchenfenster ein spezieller Einbauschrank als Ablage für Lebensmittel. Die Dicke der Wand dieses Schranks beträgt in der Regel die Hälfte der Wandstärke. In einigen Gebäudeserien befindet sich in dieser Wand eine kleine Öffnung, die der Zulüftung dient und für den normalen Betrieb des Gasofens notwendig ist. In der kalten Jahreszeit wurde der Schrank durch einen Kühlschrank ersetzt. Ein weiteres interessantes Detail ist, dass viele Häuser (z.B. Serie 1-447) ein Fenster zwischen Küche und Bad besitzen. Das etwa 40 cm hohe Fenster befindet sich unter der Decke
Hauptvarianten für die städtebauliche Anordnung von Wohnblöcken und Sektionen
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in der Küche gegenüber dem Straßenfenster. Da Stromausfälle während des Baus von Chruschtschowkas nicht ungewöhnlich waren, hatte das Oberlicht den Vorteil, dass eine geringe Lichtmenge durch das Fenster in das Badezimmer eindrang, wodurch die Benutzung von Toilette und Waschbecken dennoch möglich war. Wohnsektion Die Herstellung vorgefertigter Einzelteile und deren Produktion in großen Mengen - die Grundidee des Industriebaus. Dies wirft die Frage auf, ob die Technologie es ermöglicht, eine vielfältige Reihe von Serienprodukten herzustellen. Die kontinuierliche Entwicklung der Wohnbauserien, die dank effizienter Logistik zu vergrößerten Plattendimensionen geführt hat, ging mit einer erhöhten Systemflexibilität einher. „Eine Sektion (russ.: секция, Sekzija) bezeichnet im russischen Verständnis den Teil des Gebäudes, der über ein Treppenhaus erschlossen wird. Pro Sektion gab es mindestens zwei Wohnungen, im Normalfall vier Wohnungen, selten zwölf Wohnungen. Gebäude aus nicht trennbaren Sektionen sind charakteristisch für die erste Generation des industriellen Wohnungsbaus.“ 4 Anfang der 1960er Jahre änderte sich das Prinzip der Kombination von Sektionen zu einem einzigen Haus. Dieses Prinzip wird bis heute verwendet. Ursprünglich waren die Sektionen nur durch 25
eine Zwischenwand voneinander getrennt, nun ist jede Sektion ein strukturell eigenständiger Bau, der als ein einzelnes Gebäude oder in Kombination mit anderen Sektionen als ein Mehrsektionen-Gebäude erscheint. Aus der Perspektive der Stadtplanung bedeutete das einen Paradigmenwechsel, da Stadtplaner und Architekten nun die Formen der Gebäude variieren konnten. Es wurden Zwischenmodule entwickelt, die zusätzlich zu den grundlegenden Typ-Sektionen gekrümmte Formen bilden, um das einzelne Mehrsektions-Haus von der Linearität zu befreien, im Gegensatz zu dem, was bei der ersten Serie üblich war. Es war nun möglich, den Abschnitt nach einem orthogonalen Plan in Form einer Raupe, eines Zickzacks oder sogar eines Kreises zu organisieren und die später kritisierte Monotonie zu vermeiden. Wohngebiet Nie zuvor hatten industrielle Herstellungsmethoden so einen starken Einfluss auf die Stadtentwicklung wie in der Sowjetunion. Alle Aufmerksamkeit in Architektur und Bauwesen war der Wirtschaft und Massenproduktion untergeordnet. Die Stadtplanung beschränkte sich auf die Platzierung der Gebäude im Raum nach den Erfordernissen der Effizienz. In der stalinistischen Architektur wurde der Wohnungsbau noch nach traditionellen Regeln fortgesetzt. Es gab eine Grenze zwischen privatem und öffentlichem Raum, Höfe wurden innerhalb von Superblocks (russ: квартал = Kwartal) gebildet, ein Stadtbild mit Straßenräumen entstand. In der Zeit von Chruschtschow waren industriell gefertigte Plattenbauten in Reihen, meist parallel zueinander, angeordnet, wurden bestenfalls durch freistehende Punktgebäude betont und folgten der Logik von Himmelsrichtung, Topografie und Ökonomie des Montagekrans. Der Superblock wurde durch ein Wohngebiet (russ: микрорайон, 4. Meuser, Philipp: Die Ästhetik der Platte. Wohnungsbau in der Sowjetunion zwischen Stalin und Glasnost, Berlin 2015, S.379 26
Lageplan des Wohngebiets Chimki-Chowrino, Moskau (1966)
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Mikrorajon) als eine einzige Planungseinheit ersetzt. In der Sowjetunion wurde eine neue Wohnanlage als Mikrorajon bezeichnet, die sich in der Regel außerhalb des historischen Stadtkerns befand. Laut SNIP besteht ein sowjetischer Mikrorajon aus Wohngruppen zwischen 10 und 60 Hektar, aber nicht mehr als 80 Hektar. Zu einer Wohngruppe gehörten “gesellschaftliche Einrichtungen, deren Zusammensetzung und Kapazität entsprechend der Struktur und Konzentration der Bevölkerung bestimmt wird und zu denen die Fußgänger-Entfernung 200 Meter nicht überschreiten soll“. Für die Wohngebiete galt auch das Prinzip “Planungsparameter der kurzen Wege“. Die maximale Entfernung zu den Wohnfolgeeinrichtungen durfte 500 Meter nicht überschreiten, die Hauptstraßen sollten die Grenze zwischen zwei Wohngebieten definieren. Auch die Wohndichte war vorgegeben: Die Einwohnerzahl eines Mikrorajons darf für den Berechnungszeitraum 20 000 Einwohner sowie für die erste Ausbaustufe 25.000 Einwohner nicht überschreiten und muss mindestens 10 000 Einwohner betragen.
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Lageplan des Wohngebiets Tschertanowo-Nord, Moskau (1976)
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Konstruktionstypen der Plattenbauten
Typ 1 Konstruktionstyp: Massivbauweise Tragende Elemente: alle Längswände und Treppenhaus Wände: Betonblöcke, Platten Serien: 1-439A (1958-1966), 1-439Я (1958-1966), 1-467 (1959-1969), 1-510 (1957-1968), II-17 (1958-1964) etc. Umbau: flexible Umplanung der Wohnungen im Rahmen des Geschoßes möglich
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Typ 2 Konstruktionstyp: Massivbauweise Tragende Elemente: alle Außenwände, Wände zwischen Wohnungen und Treppenhaus Wände: Platten Serien: 1-447 (Moskau: 1958-1964, andere Städte: bis 1980), 1-511 (1958-1976), 1-515 (1957-1976), 1-405 (1950-1960) etc. Umbau: flexible Umplanung der Wohnungen möglich
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Typ 3 Konstruktionstyp: Massivbauweise Tragende Elemente: alle Querwände, Wände: Platten Serien: 1-464 (1958-1963), II-07 (1958-1961), II-07-09 (1959-1962), II-32 (1959-1965), II-35 (1959-1962) etc. Umbau: sehr begrenzte Umplanung der Wohnungen möglich
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Typ 4 Konstruktionstyp: Skelettbauweise Tragende Elemente: Außenwände, Stützen, Balken Wände: Platten Serien: 1-335 (1958-1966), II-66 (1973-1983) etc. Umbau: Skelettbau-Konstruktion ermöglicht freie Raumgestaltung sowie die Erdgeschosse flexibel zu nutzen.
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Moskau. FĂźnf experimentelle Wohngebiete
Moskau als die Hauptstadt eines Staates mit 293 Millionen Einwohnern (Stand 1991) war nicht nur das politische Zentrum, in dem die Weichen für die Geschicke dieses Staates gestellt wurden, sondern auch der Ort, an dem der Wohnungsbau der UdSSR maßgeblich geprägt wurde. Als Vorzeigeobjekt waren in Moskau ab 1958 in dem auf ehemaligen Kolchosefeldern komplett mit fünfgeschossigen Wohnzeilen in Plattenbauweise realisierten Stadtteil Nowye Tscherjomuschki die ersten Häuser bezugsfertig. In den Folgejahren sollte Nowye Tscherjomuschki zum Vorbild für die gesamte Sowjetunion werden. Überall in den sowjetischen Großstädten wurden nun Bauflächen für Stadterweiterungen ausgewiesen. Der fünfgeschossige Riegel hielt sich bis in die Achtzigerjahre als Bautypus im sowjetischen Wohnungsneubau. Allein in Moskau entstanden 7000 Wohnhäuser dieser Bauart. Moskau mit seinen 12,7 Millionen Einwohnern (2020) ist nicht nur die Hauptstadt und das politische Zentrum, sondern war auch immer schon ein Ort, an dem neue Ideen und Technologien entstanden. Sowohl in der Sowjetunion als auch heute legt Moskau in Russland die Richtung und die Entwicklungsstrategie für den gesamten Staat fest, auch für den Wohnungsbau. Nowyje Tscherjomuschki war das erste experimentelle Wohngebiet, das nach den von Chruschtschow angenommenen neuen Baunormen gebaut wurde. Die ersten Häuser, die auf dem Standort eines ehemaligen Dorfes am Stadtrand von Moskau errichtet wurden, waren 1958 bezugsfertig. Das Gebiet wurde als „ein Laboratorium angesehen, das vielseitige Forschung und das Austesten von Wohnungen neuen Typs ermöglicht“. Das Ziel des Experiments bestand darin, zu untersuchen, wie sich die Organisation einer neuen Lebensumgebung auf die Persönlichkeitsbildung auswirkt. Es gab auch Arbeit mit den Bewohnern - ihnen wurde erklärt, wie man dort richtig lebt, denn oft hatten Menschen, die aus Dörfern kamen, 42
22,1% Fünfgeschossige Wohnblocks der ersten Serientypen, «Chruschtschowka»
28,1% Plattenbau der frühen Serientypen, 9-12 Geschosse
27% Plattenbau der Spätserientypen, 14-22 Geschoße
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keine Erfahrung mit dem städtischen Leben. Es war auch wichtig, eine Geschmacksrichtung zu bilden, die durch Propaganda neuer, wirtschaftlicher und bequemer Dinge geprägt war, sowie Beispiele für die Dekoration der Räumlichkeiten. Um die Organisation des Massenbaus zu erleichtern, wurde während des Experiments ein einziger Gebäudetyp angenommen, der beim Bau des neunten Viertels besonders erfolgreich zu sein schien: ein Haus aus Keramsit-Betonplatten II-05 (Arch. A. Petuschkov). Innerhalb kürzester Zeit wurde ein ganzes Viertel gebaut, das aus großen Wohnblöcken,
Nowyje Tscherjomuschki, 1964 г. Сornell University Library
einer Schule, einem Kindergarten und anderen Objekten besteht. In den folgenden Jahren sollte Nowyje Tscherjomuschki als Vorbild für die gesamte Sowjetunion dienen. In vielen Städten der UdSSR entstanden so viele „Tscherjomuschki“ - junge Stadtviertel nach dem Vorbild Moskaus. Der fünfstöckige Block blieb bis in die 1980er Jahre einer der 44
wichtigsten Gebäudetypen im sowjetischen Wohnungsbau. Allein in Moskau wurden 7.000 Wohngebäude dieses Typus gebaut. Im Jahr 2020 steht die Wohnungsfrage in Russland immer noch im Mittelpunkt. Seit 2017 startete das staatliche Programm «Renovierung» des Wohnungsbaus in Moskau. Sein Hauptziel besteht in der Umsiedlung und dem Abbruch des baufälligen niedergeschossigen Wohnungsbestandes, der zwischen 1957 und 1968 gebaut wurde, sowie die Neubebauung der frei gewordenen Flächen der Gebiete. In Deutschland würde man Projekte dieser Art als Sanierungsmaßnahme bezeichnen – in Russland benutzt man dafür das Wort Renovierung. In Rahmen dieses Programms werden aktuell rund 4500 Plattenbauten abgerissen. Eine Vielzahl der Wohnhäuser, die zumeist fünf Stockwerke haben, sind in einem baufälligen Zustand. Als erste experimentelle Grundstücke der «Renovierung» in Moskau wurden 5 Wohngebiete gewählt: Kuzminki, Golowinski, Zarizyno, Prospekt Vernadskogo, Khoroshevo-Mnevniki. 2017 fand ein
Nowyje Tscherjomuschki, 1964 г. Сornell University Library
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Wettbewerb für diese Standorte statt, bei dem fast alle Teilnehmer die fünfstöckigen Plattengebäude abrissen. Diese fünf Grundstücke dienen als gute Beispiele für neue Lösungen der Fortnutzung fünfstöckiger Gebäude in typisch russischer Bebauung.
Golowinski Khoroshevo-Mnevniki Prospekt Vernadskogo Kuzminki Zarizyno 47
Kuzminki Grundstuckfläche, ha Bebauungsdichte, tausend m2/ha Einwohnerzahl Geschoßflächenzahl, tausend m2 Prozentzahl der Häuser nach Geschosszahl, % • 1-5 Etg., % • 6-12 Etg., % • 13-16 Etg., % • 17 und mehr, %
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109,65 9,3 28 985 914,5 100 64 26 1 9
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Golowinski Grundstuckfläche, ha Bebauungsdichte, tausend m2/ha Einwohnerzahl Geschoßflächenzahl, tausend m2 Prozentzahl der Häuser nach Geschosszahl, % • 1-5 Etg., % • 6-12 Etg., % • 13-16 Etg., % • 17 und mehr, %
50
133,0 7,6 26 982 904,83 100 57 22 16 5
GSEducationalVersion
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Zarizyno Grundstuckfläche, ha Bebauungsdichte, tausend m2/ha Einwohnerzahl Geschoßflächenzahl, tausend m2 Prozentzahl der Häuser nach Geschosszahl, % • 1-5 Etg., % • 6-12 Etg., % • 13-16 Etg., % • 17 und mehr, %
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106,8 7,8 11 190 689,8 100 65 32 1 2
GSEducationalVersion
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Prospekt Vernadskogo Grundstuckfläche, ha Bebauungsdichte, tausend m2/ha Einwohnerzahl Geschoßflächenzahl, tausend m2 Prozentzahl der Häuser nach Geschosszahl, % • 1-5 Etg., % • 6-12 Etg., % • 13-16 Etg., % • 17 und mehr, %
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126,4 10,4 22 129 934,99 100 55 13 15 17
GSEducationalVersion
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Khoroshevo-Mnevniki Grundstuckfläche, ha Bebauungsdichte, tausend m2/ha Einwohnerzahl Geschoßflächenzahl, tausend m2 Prozentzahl der Häuser nach Geschosszahl, % • 1-5 Etg., % • 6-12 Etg., % • 13-16 Etg., % • 17 und mehr, %
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125,9 8,4 26 942 961,89 100 54 27 8 11
GSEducationalVersion
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Wohngebiet Kuzminki
Der Stadtteil Kuzminki gehört zum südöstlichen Verwaltungsbezirk von Moskau. In den Dokumenten wird dieses Gebiet erstmals 1623-1624 erwähnt. Die Territorien werden als Ödland beschrieben, wo sich vor der Zeit der Großen Unruhen die Kuzminskaja Mühle befand, die zum Kloster gehörte. Auf diesen Flächen befanden sich Wälder und Fischgründe. Im 18. Jahrhundert gingen die Gebiete in den Besitz des Fabrikanten Stroganow über, von dem das Familienschloss gebaut wurde, später ging es an Fürst Golitsyn und war bis zur Revolution von 1917 in Privatbesitz. Während dieser Zeit wurde das Schloss stets erneuert und erweitert. Nach der Oktoberrevolution änderte sich das Schicksal des Schlosses allerdings: Erst wurde es zum Militärkrankenhaus. 1918 wurde der Nachlass von Kuzminki auf Beschluss des Rates der Volkskommissare an das Institut für experimentelle Veterinärmedizin übergeben, das aus Petrograd evakuiert wurde. Das Institut befand sich dort bis 2001. Die Gebäude und das Gebiet verfielen in Verwüstung und Verlassenheit, der Park wurde teilweise abgeholzt. In den letzten Jahren wurden das Schloss und die Parks restauriert. Trotz der Tatsache, dass die meisten Gebäude im Schloss neu sind, ist der ursprüngliche Plan des architektonischen Ensembles erhalten geblieben. Ungeachtet der Neuanlage der meisten Ensemble-Gebäude ist die ursprüngliche Struktur des architektonischen Komplexes erhalten geblieben. Es ist eines der größten Schlossensembles des Moskauer Gebiets, in dem sich mehr als 20 Objekte befinden. Im Jahr 1957 entstanden hier die ersten fünfstöckigen Häuser zwischen dem Rjasanskij Prospekt und den Alten Kuzminki. Kuzminki und Tscheremuschki waren die ersten Zentren des Massenaufbaus von Chruschtschowka in Moskau. 1960 wurden die Siedlung Kuzminki und das daran angrenzende Waldgebiet zu einem Teil Moskaus; 1966 wurde die erste U-Bahn-Station auf dem Territorium des Bezirks eröffnet, die Kuzminki hieß. Die zweite U-Bahn-Station - Wolshskaja - wurde 1995 eröffnet. 60
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Der Bezirk zeichnet sich durch eine recht hohe Bevölkerungsdichte von 17.939,63 Einwohnern/km² aus (Platz 26 bei diesem Statistik-Indikator). Die Bevölkerung umfasst 146.208 Einwohner (2020). Im Jahr 2020 gibt es im Bezirk 30 Kindergärten (die Belegungsrate liegt bei 109,9%), 18 Allgemeinbildungseinrichtungen (die Belegungsrate liegt bei 77,7%), 2 Internate, das Moskauer Kadettenkorps, 2 Berufsschulen und 10 Einrichtungen des Gesundheitssektors. Im Bezirk gibt es 24 Sportanlagen. Das Landschaftsbild ist typisch für die Meschtschora-Tiefebene. Es ist eine flache Gegend ohne steile Gefälle und Felsen. Der höchste geodätische Punkt in der Region liegt etwa 140 Meter über dem Meeresspiegel. In den Jahren 1970-1980 wurden auf dem Gebiet 9-, 12-, 16-stöckige Gebäude gebaut, die das Panorama des Gebietes bildeten: ein Wechsel von niedrigen fünfstöckigen Plattenbauten, Schulen u.ä., mit Einschlüssen von vertikalen Objekten. Heute verändert sich der Charakter der Stadtlandschaft durch die Errichtung immer höherer Bauten (über 16 Stockwerke).
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Nutzungen
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ar ulv ij B lzhsk Wo
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Wohnbaufläche Gemischte Baufläche Kultur und Bildung Bildungseinrichtungen Grün- und Freianlagen Verwaltungseinrichtungen Gewerbegebiet GSEducationalVersion
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aja
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Soziale Einrichtungen
15 5 1 3
14
6 2 7
4
8
13
9 10 11
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Bildungseinrichtungen Kultur Gesundheitseinrichtungen
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12
16
Eigentumsformen
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Staatseigentum (Gemeinsames Eigentum) Privateigentum
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Potenzieller Abriss und Erhaltung
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Abriss in absehbarer Zeit Potenzieller Abriss Erhaltung
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Anziehungspunkte
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Anziehungspunkte des Gebietes basieren auf der Datenanalyse von offenen sozialen Netzwerken
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Erschließung
M
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bestehendes Straßenverkehrsnetz geplante Straßen Metro-Haltestelle (U-Bahn)
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M
Sanirungstrategien
Die Plattenbauten sind tief in der Alltagswelt der Menschen integriert und sind zu einem Symbol geworden, sowie zu weiteren erkennbaren Symbolen Russ-lands in der ganzen Welt. Doch die Wahrnehmung der Menschen ist eher negativ und wird mit dem heutigen niedrigen Lebensstandard in Verbindung gebracht. Zu Sowjetzeiten wurden gemeinsame Lebensregeln für das gesamte riesige und multinationale Land entwickelt und umgesetzt. Aber die Moderne erfordert neue Standards für die Lebensqualität, sodass das Hauptaugenmerk darauf liegt, inwiefern die große Anzahl ähnlicher Gebäude im ganzen Land an die neuen Anforderungen angepasst werden kann. Nach Analyse einer am häufigsten gebauten Serie 1-515 kann man folgende gemeinsame Probleme feststellen, die nicht der modernen Lebensqualität entsprechen: - die minimale Anzahl an Wohnungs-Typologien; - fehlende Barrierefreiheit; - kleine Küchen und Badezimmer; - kein Spielraum für individuelle Wünsche und Veränderungen; - nicht energieeffiziente Materialien. Die folgenden Konzeptvorschläge stellen mögliche Lösungen der genannten Probleme dar, die der Entwurfsarbeit als Grundlage gedient haben.
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Bestand, Serie 1-515
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ErschlieĂ&#x;ung (Aufzug)
Aufzug drinnen
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Aufzug drauĂ&#x;en
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Balkone
Anbaubalkone
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Aufgehängte Balkone
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Dach
Aufstockung
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Aufstockung + Terrassen fĂźr die gemeinschaftlische Nutzung
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Erdgeschoß
Private Gärten
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Multifunktionale รถffentliche Nutzung im Erdgeschoร
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Referenzen
Die Cité du Grand Parc Ort: Bordeaux, Frankreich Architekten: Anne Lacaton & Jean-Philippe Vassal with Fréderic Druot and Christophe Hutin architects Wettbewerb: 2011 Fertigstellung: 2016 Programm: 530 umgebaute Wohnungen und 8 neue Wohnungen Fläche: Bestand 44 210 m² + Anbauten 23 500 m²
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Bestand
Entwurf
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Panelak Ort: Rimavka Sobota, Slovakei Architekten: GutGut Projekt: 2007-2008 Fertigstellung: 2009-2014 Fläche: 3775 m2
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Bestand
Entwurf
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Plattenbauumbauten in Halle Ort: Halle (Salle), Deutschland Architekten: Stefan Forster Architekten Fertigstellung: 2010 Programm: Umbau Wohnungen - 125, Rückbau Wohnungen - 81 Fläche: 7 300 m²
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Plattenbauumbauten in Leinefelde Ort: Leinefelde, Deutschland Architekten: Stefan Forster Architekten Wettbewerb: 1996 Fertigstellung: 1999 - 2004 Programm: 7 Häuser Haus 1: Umbau Whg. – 120, Rückbau Whg. – 40 Haus 2 (4 380 m2): Umbau Whg. – 64, Rückbau Whg. – 32 Haus 3 (2 270 m2): Umbau Whg. – 32, Rückbau Whg. – 16 Haus 4 (1 580 m2): Umbau Whg. – 20, Rückbau Whg. – 12 Haus 5 (2 635 m2): Umbau Whg. – 80, Rückbau Whg. – 39 Haus 6 (2 240 m2): Umbau Whg. – 36, Rückbau Whg. – 57 Haus 7 (4 200 m2): Umbau Whg. – 150, Rückbau Whg. – 90
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Rosenhøj Ort: Aarhus, Dänemark Architekten: Effekt Architects Wettbewerb: 2011 Fertigstellung: 2017 Programm: nachhaltige Transformation eines sozialen Wohngebiets Fläche: 200 000 m²
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Literatur Meuser, Philipp: Die Ă„sthetik der Platte. Wohnungsbau in der Sowjetunion zwischen Stalin und Glasnost, Berlin 2015 Meuser, Philipp/Zadorin, Dimitrij, Towards a Typology of Soviet Mass Housing. Prefabrication in der USSR 1955-1991, Berlin 2015. Harris, Steven E.: Communism on Tomorrow Street. Mass Housing and Everyday Life after Stalin, Washington/Baltimore 2012 Snopek, Kuba: Belyaevo Forever. Saving Unremarkable, Moskau 2012 Bylinkin, N.P., Rjabuschin, A.W.: Sowremennaja sowjetskaja architektura 1955-1980gg. (Zeitgenossische sowjetische Architektur 1955-1980), Moskau 1985 Strelka Institut: Arkheologiya periferii (Archeology of the Periphery), Moskau 2013 https://www.moderne-regional.de/fachbeitrag-politik-der-platte/6 https://www.spiegel.de/fotostrecke/moskau-reisst-tausendesowjetische-plattenbauten-ab-fotostrecke-147346.html https://www.dekoder.org/de/gnose/chruschtschowki-plattenbauosterman-chruschtschow https://archsovet.msk.ru/competitions/renovaciya-zhilyh-kvartalovpyatietazhek 112
Bildnachweis S. 7, 43 Grafiken: Strelka Institut: Arkheologiya periferii (Archeology of the Periphery), Moskau 2013 S. 86-91 Fotos: Philippe Ruault Grundrisse: Lacaton & Vassal Architectes S. 84, 92-95 Fotos: Jakub Skokan, Martin TĹŻma (BoysPlayNice) Grundrisse: Gutgut S.96-105 Fotos: Jean Luc Valentin S.106-111 Fotos: EFFEKT Arkitekter
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Konzept, Darstellung, Illustration und Texte Anna Timofeeva arch.anntime@gmail.com Entstanden im Rahmen der Masterarbeit am Lehrstuhl für Städtische Architektur Prof. Dietrich Fink Technische Universität München Arcisstraße 21, 80333 München Besonderen Dank an: Alexandra Bayborodova, Janine Hasselhuhn, Pavel Khriashchikov, Alexey Piven, Ekaterina Vyrodova, Stefan Wischnewski