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Schuld
Rodion Raskolnikow, ein scheinbar gewöhnlicher junger Mensch, fasst eines Abends einen aussergewöhnlichen Entschluss und ermordet eine alte Pfand leiherin. Festgehalten vom Gedanken an seine Tat und den Erinnerungen an den Moment der Tat, verfällt er in einen ungeheuren Fiebertraum, der ihn in einen Strudel von Rechtfertigungen und Überzeugungen zu Fragen nach Moral und Gerechtigkeit reisst und ihn die Realitätsebenen nicht mehr unterscheiden lässt. Gefangen in seinem Wahn – und in der Luzerner Inszenierung auch in einem Apartment – ist er ständig umgeben von Menschen, die ihm nahetreten und Fragen aufwerfen. Die Regisseure Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper zeigen Raskolnikows Fiebertraum ebenso als physisches wie auch als emotionales Theatererlebnis, in dem Raskolnikows Umgang mit der Tat verzerrt und überzeichnet dargestellt wird. Dostojewski schreibt 1866 «Schuld und Sühne», seinen ersten grossen Roman über den 26-jährigen Raskolnikow, als Fortsetzungsroman für den «Russischen Landboten» und landet damit von der ersten Ausgabe an einen beachtlichen Publikumserfolg. Von nun an ist Dostojewski in der Welt – und mit ihm sein Protagonist Raskolnikow, bis heute. An der nach Dostojewski benannten Metrostation «Dostojewskaja» in Moskau sind die zentralen Szenen all seiner Romane abgebildet, darunter auch das sich einbrennende Bild aus «Schuld und Sühne»: Raskolnikow mit der geschwungenen Axt, die auf sein Mordopfer zielt. Dostojewski hat es geschafft, die menschliche Seele und das menschliche Leiden so fein und messerscharf in seinen Romanen einzufangen, dass man sich dem Sog der Krise und des Leidens als Leser kaum entziehen kann. In Swetlana Geiers gefeierter Neuübersetzung von 1994, die unter dem Titel «Verbrechen und Strafe» erschienen ist, erscheint der Roman geradezu verblüffend heutig und emotional. Tiit Ojasoo und Ene-Liis Semper bringen Dostojewskis Roman auf zwei Bühnen des LT und nehmen damit zwei sehr unterschiedliche Perspektiven auf den bekannten Stoff ein: Während «Schuld» der Hauptfigur Raskolnikow folgt, setzt «Sühne» den Fokus auf eine Nebenfigur und erzählt die Geschichte von Katerina Iwanowna, einer um Gerechtigkeit kämpfenden Frau.
Bühne ← T SCHULD
Ein gesellschaftliches Poem von Ene-Liis Semper und Tiit Ojasoo nach F. M. Dostojewski in der Übersetzung von Swetlana Geier, die den Titel «Verbrechen und Strafe» trägt Premiere: 30. Januar 2019 Dauer: ca 3 Stunden mit Pause Rechte an der Übersetzung von Swetlana Geier: Fjodor Dostojewskij, «Verbrechen und Strafe». S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1994.
RASKOLNIKOW Lukas Darnstädt PORFIRIJ André Willmund RASUMICHIN Jakob Leo Stark
BÜHNENBILD ASSISTENZ Vanessa Gerotto
MARMELADOW Yves Wüthrich
KOSTÜMASSISTENZ Medea Karnowski
SONJA Sofia Elena Borsani PFANDLEIHERIN / MUTTER Wiebke Kayser LISAWETA / DUNJA Mira Rojzman SWIDRIGAJLOW Christian Baus
GEFÖRDERT DURCH PRO HELVETIA, SCHWEIZER KULTURSTIFTUNG UND DIE LANDIS & GYR STIFTUNG
MIKOLKA Julian-Nico Tzschentke
DANKE AN CARLA SCHWÖBEL-BRAUN
AUSSTATTUNG Ene-Liis Semper & Tiit Ojasoo
DANKE UNSEREM HAUPTSPONSOR BUCHERER AG
REGIEASSISTENZ UND ABENDSPIELLEITUNG Julia Herrgesell
INSZENIERUNG Tiit Ojasoo & Ene-Liis Semper
MUSIK Jakob Juhkam LICHT- UND VIDEODESIGN Petri Tuhkanen DRAMATURGIE Sandra Küpper, Gábor Thury INSPIZIENZ Yasmine Erni-Lardrot
TECHNISCHER STAB
Technischer Direktor: Peter Klemm, Technischer Leiter: Julius Hahn, Produktionsassistentin: Marielle Studer, Produktionsleiter: Roland Glück, Bühnenmeister: Markus Bisang, Riki Jerjen, Chefrequisiteurin: Melanie Dahmer, Re quisite: Nicole Küttel, Noemi Hunkeler, Leiter Beleuchtungsab teilung: David HedingerWohnlich, Leiterin Ton- und Videoabteilung: Rebecca Stofer, Tontechniker: Gerárd Gisler, Videotechniker: Franz-Christian Schaden, Leiter Probenbühnen: Thomas Künzel, Transporte: Ido van Oostveen, Hamzi Gashi, Chef maskenbildnerin: Lena Mandler, Leiterin Kostümabteilung: Ulrike Scheiderer, Gewandmeisterin Damen: Hanni Rüttimann, Gewandmeisterin Herren: Andrea Pillen, Kos tümmalerin: Camilla Villforth, Leiterin Ankleidedienst: Monika Malagoli, Fundusverwalterin: Rhea Willimann,
IMPRESSUM
«Menschen mit einem neuen Gedanken, sogar solche Menschen, die auch nur die geringste Fähigkeit besitzen, etwas Neues zu sagen, werden selten geboren, sogar auffallend selten.»
Textnachweise: Alle Texte sind Originalbeiträge für diesen Programmzettel.
→ Raskolnikow
Werkstättenleiter: Marco Brehme, Leiterin Malersaal: Brigitte Schlunegger, Schlosser: Nicola Mazza, Leiter Schreinerei: Tobias Papst, Tapezierer: Alfred Thoma, Leiter Statisterie: Sergio Arfini
Herausgeber: Luzerner Theater Theaterstrasse 2 6003 Luzern www.luzernertheater.ch Spielzeit 18/19 Intendant: Benedikt von Peter Verwaltungsdirektor: Adrian Balmer Künstlerische Leitung Schauspiel: Sandra Küpper Redaktion: Sandra Küpper Foto: Ingo Höhn Gestaltung: Studio Feixen Druck: Engelberger Druck AG Diese Drucksache ist nachhaltig und klimaneutral produziert nach den Richtlinien von FSC und ClimatePartner.
TIIT OJASOO & ENE-LIIS SEMPER
Tiit Ojasoo, geboren 1977, studierte auf der Estnischen Akademie für Musik und Theater, bevor er als Regisseur zunächst am Estnischen Drama Theater arbeitete. Ene-Liis Semper, geboren 1969, studierte an der Estonian Academy of Arts und ist bildende Künstlerin. Ihre Schwerpunkte liegen vor allem im Bereich Contemporary Video und Performance. 2004 gründeten beide gemeinsam das «Teater NO99 » in Tallinn, das sie bis Ende 2018 leiteten. Das Oeuvre des Regie-Duos ist beeindruckend vielfältig und nicht in wenige Worte zu fassen: Sie kreieren grosse visuelle Statements, die nahe an der bildenden Kunst liegen, oder ein auffallend körperliches Schauspiel, das sich immer aus der Präsenz der physischen Gegenwart der Spieler speist. Sie haben nicht nur die grossen Dramatiker wie Shakespeare, Koltès oder Albee auf die Bühne gebracht, sondern vor allem auch eigene Stoffe erfunden, in denen sie sich direkt und intensiv mit unserer Zeit auseinandersetzen und mit aller Energie an der Beschreibung unserer Gegenwart arbeiten. Ihre Inszenierungen sind spielerisch, sinnlich, kraftvoll, opulent und klug. Ihre bekanntesten Arbeiten sind u. a.: «Unified Estonia», die theatrale Gründung einer Partei, mit der sie so viele potentielle Wähler und Wählerinnen erreichten, dass sie auch tatsächlich in die Politik hätten wechseln können. «The Rise and Fall of Estonia», ein im Theaterraum live gespielt und live gedrehter Film, mit dem sie die estnische Vergangenheit unter russischen Einflüssen und die Befreiung
davon aufgegriffen haben. Oder «Savisaar», eine im Versmass gedichtete grosse Tragödie, die im Titel auf den Namen des Tallinner Bürgermeisters verweist. Ihre gleichzeitig genre-sprengenden und politischfeinsinnigen Inszenierungen setzen seit Jahren immer wieder überraschende künstlerische Akzente, die weit über Estland hinaus wahrgenommen und zu zahlreichen internationalen Theaterfestivals eingeladen werden. Obwohl ihre Arbeiten oft lokal angebunden sind, handeln sie immer von grösseren gesellschaftlichen Zusammenhängen. Im Dezember 2017 ist ihr Werk mit dem Europäischen Theaterpreis ausgezeichnet worden, dem «Oscar» für europäische Theaterschaffende, der ausschliesslich an Künstlerinnen und Künstler geht, deren Arbeiten neue ästhetische und inhaltliche Statements im gegenwärtigen Theater gesetzt haben. In den letzten Jahren haben sie mehr und mehr auch im Ausland inszeniert, am Thalia Theater in Hamburg brachten sie gemeinsam mit Sandra Küpper als Dramaturgin mehrere Arbeiten auf die Bühne. Zuletzt haben sie in diesem Zusammenhang «Die Stunde da wir nichts voneinander wussten» von Peter Handke, eine viel beachtete Inszenierung, die u.a. auch bei den Wiener Festwochen und beim Hollandfestival in Amsterdam zu sehen war, sowie die Musikperformance «Hänsel und Gretel» zusammen mit dem Musiker Till Lindemann («Rammstein») realisiert.