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WER ÜBERNIMMT?

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DIE BETRIEBSÜBERGABE WIRD FRÜHER ODER SPÄTER JEDEN BETRIEB BESCHÄFTIGEN. EINIGE BEISPIELE AUS DEM SÜDTIROLER HANDWERK ZEIGEN, DASS ZEIT WIRKLICH GOLD WERT IST!

Den eigenen Sohn oder die eigene Tochter als Chef bzw. Chefi n? Viele tun sich mit diesem Gedanken anfangs etwas schwer. Jedoch ist es wichti g, die Entscheidung der Betriebsübergabe sehr gut durchzudenken und sich für den Prozess genügend Zeit einzuplanen. Der jüngeren Generati on sollten Perspekti ven geboten und Möglichkeiten eingerichtet werden, neue Ideen umzusetzen. Ebenso hat sich die schritt weise Einarbeitung bisher bewiesen. Die Betriebsübergabe vollzieht sich in verschiedenen Phasen, die im Allgemeinen die gesamte Unternehmensstruktur einbeziehen. Experten empfehlen, neben der stufenweisen Übergabe kompetente Berater hinzuzuziehen.

BESONDERS WICHTIGE PUNKTE

Jeder Prozess der Unternehmensnachfolge sollte drei Hauptanforderungen erfüllen: > Die Konti nuität des Unternehmens durch eine neue Führung sicherzustellen, die eine gute

Unternehmensführung gewährleistet und positi ve Ergebnisse erzielt > Gewährleistung einer gerechten Vermögensverteilung unter den Erben, wobei nicht nur der Wert des Unternehmens, sondern auch andere Vermögenswerte berücksichti gt werden sollten > das Risiko von Streiti gkeiten zwischen Familienmitgliedern der neuen Generati on so gut wie möglich zu verringern

EINE MÖGLICHE LÖSUNG: „PATTO DI FAMIGLIA“

Der „patt o di famiglia“ ist im Arti kel 768-bis des Zivilgesetzbuchs geregelt, einer Besti mmung, die 2006 eingeführt wurde, um den Generati onswechsel in Familienunternehmen zu erleichtern, indem das traditi onelle Verbot von Erbschaft spakten (d.h. Vereinbarungen, mit denen Rechte an Vermögenswerten, die von einer noch nicht eingetretenen Erbfolge betroff en sind, zugewiesen oder verweigert werden) abgeschwächt wurde. Kurz gesagt handelt es sich um einen Vertrag, mit dem der Unternehmer das Unternehmen oder seine Anteile ganz oder teilweise auf einen oder mehrere Nachkommen überträgt. Der Familienpakt muss durch eine öff entliche Urkunde (d.h. durch einen Notar) geschlossen werden, wobei der Ehegatt e des Inhabers und alle Personen, die im Falle des Eintritt s der Erbfolge zu diesem Zeitpunkt legiti miert wären, anwesend sein müssen. Der Familienpakt ermöglicht es also, mit Zusti mmung aller Familienmitglieder das Unternehmen oder die Unternehmensanteile auf den oder die ausgewählten Nachkommen zu übertragen, wobei die Familienmitglieder, die von Rechts wegen Anspruch auf einen Anteil am künft igen Erbe haben, fi nanziell entlastet werden, so dass die Auswirkungen der Erbfolge planmäßig vorweggenommen werden, die Stellung der verschiedenen Erben ausgeglichen wird und das Entstehen von Streiti gkeiten und Rechtsstreiti gkeiten vermieden wird.

ERBSCHAFTSPLANUNG DURCH UNTERNEHMENSSTATUTEN

Die Nachfolgeplanung kann auch durch gesetzliche Besti mmungen, d.h. durch entsprechende Regelungen in der Unternehmenssatzung, eff ekti ver umgesetzt werden. In der Tat können geeignete Klauseln in den Gesellschaft svertrag aufgenommen werden (auch in möglicher Kombinati on mit anderen Rechtsinstrumenten), um verschiedene Bedürfnisse des Unternehmers im Zusammenhang mit dem Generati onswechsel zu befriedigen, die es ihm ermöglichen, seine Beteiligung an den anderen überlebenden Gesellschaft ern zu erhöhen oder dafür zu sorgen, dass seine Erben den Status von Gesellschaft ern erhalten, oder auch um den Eintritt von Außenstehenden in die Unternehmensstruktur zu kontrollieren. In jedem Fall ist die erbrechtliche Situati on genau zu klären.

FAZIT: GENÜGEND ZEIT IST DIE BESTE VORAUSSETZUNG

Die Unternehmensnachfolge sollte früh genug geplant werden, um genügend Zeit zu haben alle Aspekte genau zu regeln. Neben den erbrechtlichen Aspekten müssen auch die Bereiche der Arbeitssicherheit und vor allem steuerrechtliche Aspekte geregelt werden. Es empfi ehlt sich in jedem Fall eine professionelle Beratung hinzuzuziehen, die diesen Übergang begleitet.

BEISPIELE AUS DEM SÜDTIROLER HANDWERK Wie Übergaben bisher gehandhabt wurden

Als junger Chef von Erfahrung zu Erfahrung selbstbewusster

Gut organisiert ist halbgewonnen

Sie haben seit 1. Jänner den Betrieb Ihres Vaters übernommen. Was ist das für ein Gefühl?

Ja, seit 2022 ist die Übernahmen offiziell. Ich habe aber bereits vor etwa drei, vier Jahren die Aufgaben übernommen. Da hat mein Vater begonnen, mir immer mehr Aufgaben zu übergeben. Anfangs war vieles neu und einige Situationen sicherlich auch ungewohnt. In den vergangenen Jahren bin ich dann immer besser in die Rolle hineingewachsen. Jetzt fühle ich mich wohl und bin mir mit Entscheidungen auch sicher. Natürlich bin ich sehr froh, dass ich meinen Vater bei Zweifel immer fragen kann. Das erleichtert vieles!

Welche Herausforderungen kommen auf einen jungen Chef zu?

Alles kann man nicht wissen. Deshalb muss ich sicher öfter bei unserem Steuerberater sowie beim Berater der Bank anrufen und nachfragen. Die wirkliche Herausforderung ist es aber die Komfortzone zu verlassen. Wenn alle denselben Weg einschlagen, muss man als Geschäftsführer den Mut haben, in die andere Richtung zu gehen. Nur so entsteht ein Betrieb, der wirtschaftlich gut arbeitet und wettbewerbsfähig ist.

Haben Sie solche Entscheidungen bereits alleine getroffen?

Kleinere Entscheidungen habe ich bereits mehrere alleine gefällt. Wie zum Beispiel eine neue Webseite. Bei den großen Entscheidungen bin ich sehr froh, dass ich diese mit meinem Vater gemeinsam treffen kann. Dabei geht es schließlich oft um große Investitionen. Mein Vater führt den Betrieb schließlich seit er Mitte 20 ist und kann mit seinen vielen Erfahrungen Situationen noch besser einschätzen. Mit gefällt aber sehr, dass er meine Ideen und Anliegen gleich ernst nimmt wie seine.

Sie haben kürzlich Ihren Nachnamen von Walzl in Volgger geändert. Hat dies mit der Betriebsübernahme zu tun?

Einerseits ja, andererseits nein. Viele Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner haben mich immer mit Volgger angesprochen, da sie meinen Vater kennen. Auch die Leute im Dorf nennen mich schon seit Jahren so. Unser Familienbetrieb heißt Schuhwelt Volgger und ich möchte damit auch dementsprechend in Verbindung gebracht werden. Die Betriebsübernahme war sozusagen ein guter Anlass.

SIMON VOLGGER

Orthopädieschuhmacher (Volgger 1957)

JOHANNA FALSER

Maschinenbaumechanikerin und Werkzeugmacherin (Falser KG)

Wie wichtig ist eine gut organisierte Betriebsübergabe aus Ihrer Sicht?

Eine Betriebsübergabe sollte schon im Vorfeld intern gut durchdacht und abgesprochen sein, auch muss man sich die nötige Zeit dafür nehmen. Der Übergeber muss überzeugt sein, übergeben zu wollen. Um Unstimmigkeiten auszuräumen, empfehle ich eine sanfte Übergangsphase über mehrere Jahre. Der Übernehmer hingegen muss sich der Tragweite der zu übernehmenden Verantwortung, des Unternehmerrisikos etc. bewusst sein und gewillt sein das Unternehmen zukunftsorientiert und mit vollem Einsatz weiterzuführen. Die Erfolgsfaktoren sind dabei das gegenseitige Vertrauen zwischen Übergeber und Nachfolger, der Übergabewille des Übergebers und vor allem die Qualifikation des Nachfolgers. Ebenso ist es unerlässlich im Vorfeld auch sein privates Umfeld auf diese Situation hinweisen und sich die Zustimmung und Unterstützung holen.

„10 Jahre für die Übergabe sind genau richtig“

Herr Schwärzer, Sie haben Ihren Betrieb im Frühjahr an Ihre Tochter übergeben. Mit erst 55 Jahren ist dies eine recht frühe Übergabe. Wie kam es dazu?

Genau, meine 31-jährige Tochter Margit ist seit diesem Jahr die Geschäftsführerin des Betriebes. Nein, das ist keines Falls zu früh! Ich bin der Meinung, dass man damit nicht zu lange warten sollte. So schafft man für die Jungen mehr Perspektiven und sie haben ausreichend Zeit in die Rolle hineinzuwachsen. Ich bin schließlich noch im Betrieb tätig und stehe ihr jederzeit mit einem Rat zur Seite – wenn sie danach fragt!

Wann haben Sie sich entschieden, den Betrieb zu übergeben?

Die Übergabe war ein langer Prozess, der rund zehn Jahre gedauert hat. Ich muss aber sagen, dass es die Zeit braucht und ich es keines Falls bereue, es so gemacht zu haben. Ich habe drei Töchter, zwei von ihnen sind im Betrieb tätig und haben beide die Lehre sowie den Meister gemacht. Ich persönlich bin der Meinung, dass es besser ist einem Kind den Betrieb zu übergeben. Zu oft habe ich schon Streitereien zwischen Geschwistern mitbekommen. Aus diesem Grund haben wir uns einen professionellen Berater geholt und die Aufteilung mit meinen Töchtern gemeinsam entschieden. Mir war wichtig, dass mit der Entscheidung alle zufrieden sind.

Wie war es, als Sie den Betrieb übernommen haben?

Ich musste mit 34 Jahren den Betrieb quasi von einem auf den anderen Tag übernehmen. Als mein Vater starb blieb mir nichts anderes übrig, als in das kalte Wasser zu springen. Ich hätte seinen Rat noch in so vielen Situationen gebraucht. Ich habe mich dann durchgeboxt und sicherlich auch viele Fehler gemacht. Fehler, die ich selbst ausbaden und ebenso finanziell wiedergutmachen musste. Diese Erfahrung ist sicherlich auch der Grund, warum ich den Betrieb so früh übergeben wollte. Ich finde, dass es für mich und meine Tochter einfach der beste Weg war.

JOSEF SCHWÄRZER

Schmied und Schlosser (Schwärzer GmbH)

Ihr Sohn hat vor Jahren die Betriebsanteile Ihres Mannes übernommen. Welche Herausforderungen gab es bei der Übergabe?

Mein Sohn hat vor rund zehn Jahren die Betriebsanteile seines Vaters übernommen, nachdem er bereits sechs Jahre im Betrieb tätig war und berufsbegleitend zwei Meisterkurse abgeschlossen hatte. Er übernahm von da an den technischen Teil, Kundenakquise und Produktion. Es gab relativ wenig Herausforderungen, weil dieser Part einem Mitarbeiter unterlag und keine Schwierigkeiten entstanden, diese zu übernehmen. Eine klare Trennung der Zuständigkeitsbereiche und eine Kommunikation auf Augenhöhe sind fundamental, wenn man mit den Familienangehörigen zusammenarbeitet.

Hat sich Ihr Sohn anfangs mit den neuen Aufgaben und der großen Verantwortung schwergetan?

Natürlich musste er erst richtig hineinwachsen und Erfahrung sammeln, was ja normal ist. Er hat seinen Part zielstrebig und innovativ verfolgt und so konnte wir gemeinsam das Unternehmen den Anforderungen der heutigen Zeit bestens anpassen. Der Erfolg gibt uns recht.

War schon immer klar, dass Ihr Sohn den Betrieb eines Tages übernehmen wird?

Immer will ich nicht sagen, wir ließen beiden Söhnen die freie Entscheidung der Berufswahl, aber letztendlich haben sich beide für diesen Beruf und das Unternehmen entschieden. Der ältere in der Führungsposition, der Jüngere in der Produktion.

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