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FRAUEN ALS LEADER

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KLARTEXT

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Souverän und erfolgreich: Frauen als Leader

FRAUEN BRINGEN MIT IHREM WUNSCH NACH MEHR FLEXIBILITÄT UND EINER GUTEN VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF NEUEN SCHWUNG UND MEHR VIELFALT IN DIE BETRIEBLICHE KARRIEREFÖRDERUNG.

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Nur jede fünfte Unternehmerperson im Südtiroler Handwerk ist eine Frau. Die Tendenz ist seit 2010 leider nur leicht steigend – und das auch nur in einigen Berufen. Das geht aus der aktuellen Handwerksstudie des Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO) hervor. Die Frage nach dem warum stellen sich die wenigsten. Die Situation scheint so akzeptiert und nicht genau durchleuchtet zu werden. Frauen haben allerdings riesiges Potenzial in Führungspositionen, wobei besonders das Handwerk dafür sehr gute Konditionen bietet.

ES IST NOCH KEINE CHEFIN VOM HIMMEL GEFALLEN

Die junge Generation von gut ausgebildeten Frauen startet heutzutage mit neuen Perspektiven in eine moderne, digitale Handwerkswelt. Top qualifizierte Frauen finden in Zeiten des Fachkräftemangels gute Möglichkeiten zur Entwicklung der eigenen Karriere. Und sie sollten sich keines Falls mit niedrigen Stellen zufriedengeben, wenn sie die Chance auf eine Spitzenposition haben. Es ist schließlich noch nie ein Meister beziehungsweise eine Meisterin vom Himmel gefallen: Dieses Sprichwort trifft es auf den Punkt. Keiner wird als Leader geboren. Die meisten rutschen häufig einfach in die Verantwortung hinein und lernen die neuen Aufgaben zu händeln. Ob jemand dieser Rolle gerecht wird oder nicht, entscheidet oft auch die Persönlichkeit. Frauen haben bei diesem Punkt gegenüber Männern oft große Vorteile, die ihnen gar nicht bewusst sind.

FRAUEN HABEN GROSSES POTENZIAL

Bei einem Argument punkten Frauen besonders: Der Bereitschaft, sich selbst immer wieder zu reflektieren und daran persönlich zu wachsen. Die Wahrnehmung der eigenen Verhaltens- sowie Denkmuster ist sehr wichtig, um die persönlichen Schwächen zu erkennen und die Stärken zu fördern. Auch entwickeln Unternehmerinnen so mehr Verständnis für andere. Eine weitere Stärke ist, dass Frauen weniger hierarchisch denken als Männer. Heutzutage verlieren viele Betriebe so oder so hierarchische Strukturen. Besonders im Handwerk ist dies der Fall. Es geht um Team-Work und um das, was der Betrieb gemeinsam schaffen kann. Frauen sind sehr gut im kollegialen Denken und Agieren. Auch müssen sie sich nicht immer ständig als Chef behaupten. Zugleich spielt ihnen die Empathie dabei in die Karten. Frauen sind tendenziell besser in der Lage, sich in die Rolle der Mitarbeiter zu versetzen. Aus diesem Grund können sie ihr Team einfacher motivieren und Konflikte frühzeitig abwehren. Darüber hinaus können sie die Stärken der Mitarbeiter besser einschätzen und diese wesentlich erfolgreicher einsetzen und fördern. Das ist ebenso ein entscheidendes Argument, das im Handwerkssektor keines Falls unterschätzt werden darf. Besonders in den praktischen Berufen gibt es zahlreiche Aufgabenbereiche – egal wie klein der Betrieb auch ist. Umso effizienter ist es, den richtigen Mitarbeiter für den richtigen Bereich einzusetzen. Die Redaktion hat mit zwei weiblichen Führungskräften gesprochen.

DAGMAR KRAPF Tischlerei Innenarchitektur Krapf

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Sie leiten seit einigen Jahren den Familienbetrieb. War es anfangs in der Position als Geschäftsführerin schwierig?

Ich hatte das Glück, dass mich mein Vater bereits 2013 neben ihn zur Gesellschafterin ernannte. So hatte ich einige Jahre Zeit, um mich an die neuen Aufgaben und die Verantwortung zu gewöhnen. Das war für mich sehr hilfreich, da ich meinen Vater immer fragen konnte. Seit 2021 leite ich den Betrieb allein. Anfangs ergaben sich dann doch trotz langer Übergangszeit einige Herausforderungen. Diese konnte ich aber alle nach und nach lösen. Viele Kunden sind sehr positiv überrascht und profitieren vor allem von meiner Ausbildung als Architektin. Ich habe ein anderes Wissen und Herangehensweise an Projekte. Mit der Tatsache, dass ich eine Frau bin, haben die Kunden keine Probleme. Davon sollte man in der heutigen Zeit auch ausgehen. Aber ich muss trotzdem gestehen, dass ich in meiner Karriere mit zwei Personen diesbezüglich Schwierigkeiten hatte. Oder sie mit mir als Frau?

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Können Sie Familie und Job in dieser Position gut vereinbaren?

Ja, Organisation ist alles. Ich versuche, weder den einen noch den anderen Bereich zu vernachlässigen und das gelingt mir meistens recht gut. Die vergangenen Monate während der Pandemie waren schon eine größere Herausforderung. Da sind wir oft an die Grenzen gekommen. Männer haben es, besonders wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, einfacher. Welche Organisations-Talente Frauen sind und was sie in den 24 Stunden eines Tages alles unterkriegen, sollte viel mehr geschätzt werden!

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Was gefällt Ihnen an der Stelle als Geschäftsführerin? Was sind ihre Stärken?

Mir gefällt es, dass ich täglich neuen Herausforderungen entgegentreten kann. Mich macht es einfach glücklich, wenn diese dann gelöst sind. Ebenso freut es mich, wenn wir Kunden mit unseren Ideen und Arbeiten begeistern können. Eine meiner Stärken als Chefin ist sicherlich die soziale Kompetenz. Ich habe ein offenes Ohr für alle und jeder kann mit seinen Anliegen zu mir kommen. Das schätzen die Mitarbeiter sehr und ich kann mich im Gegenzug mit einem starken Team glücklich schätzen. Auch bin ich sehr ausgeglichen und habe sehr gute organisatorische Fähigkeiten. Mit meinen Ideen, die sicherlich nicht immer einfach umzusetzen sind, motiviere ich zudem die neun Mitarbeiter gemeinsam mit mir eine Lösung zu finden. So arbeiten wir super als Team zusammen.

MARTINA ZERBINI Zerbini Ponteggi

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Wie haben Sie es an die Spitze Ihres Unternehmens geschafft?

Sagen wir mal so: Als ich jünger war, habe ich immer praktische Berufe dem Studium vorgezogen. Ich sprach mit meinem Vater darüber und er beschloss, mir eine Chance im Handwerk zu geben, obwohl ich noch sehr jung war. Deshalb habe ich mit 17 Jahren angefangen, in der Verwaltung zu arbeiten. Die ersten Jahre waren natürlich eine Lernkurve, aber nach ein paar Jahren hatte ich die Möglichkeit, an der Spitze des Familienunternehmens zu stehen. Es ist ein anspruchsvoller Job mit viel Verantwortung, aber ich mache ihn mit größtem Engagement und Leidenschaft. Ich habe meinen Weg gefunden, und ich muss meinem Vater dafür danken, dass er an mich geglaubt hat.

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Glauben Sie, dass Frauen in Zukunft noch mehr Platz in der Baubranche haben werden?

Mein Sektor ist traditionell männerdominiert, aber Frauen haben gezeigt, dass sie die gleichen Fähigkeiten haben wie Männer. Derzeit sind Frauen im Baugewerbe noch in der Minderheit, aber ihre Zahl und Qualität nimmt zu. Auf persönlicher Ebene muss ich zugeben, dass es manchmal einige Schwierigkeiten gab, aber wenn es einem Menschen gelingt, sich zu etablieren, gewinnt er an Wert und wird respektiert. Am Anfang muss man schwitzen, aber dann öffnen sich die Türen und es wird leichter. Wir brauchen einfach mehr Mut!

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Was sind Ihrer Meinung nach die Stärken einer Frau an der Spitze eines Unternehmens?

Ich möchte nicht voreingenommen klingen, aber ich glaube aufrichtig, dass es mehrere gibt. Zunächst bin ich überzeugt, dass wir sensibler für die Bedürfnisse unserer Kunden und die Anforderungen unserer Mitarbeiter sind als Männer. Wir wissen wahrscheinlich, wie wir den Bedürfnissen beider Seiten gerecht werden können. Gleichzeitig sind Frauen vielleicht etwas unternehmungslustiger als Männer: Wenn ich zum Beispiel an eine geschäftliche Investition oder ein Projekt denke oder daran, an einem Wettbewerb teilzunehmen, haben wir mehr Mut, es zu wagen, und oft sind die Ergebnisse am Ende sichtbar. Auch das Zeitmanagement ist eine Stärke der Frauen. Sie sind sehr gut darin, es auf die richtige Weise zu nutzen und können auch unter Druck optimal arbeiten.

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