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«Man sollte schon früh mit Kindern über Gefühle sprechen»
Werden Kinder bereits von klein auf mit Emotionen konfrontiert, können sie später besser damit umgehen, sagt die Psychologin Sarah Stidwill.
Text: Rahel Schmucki
Ab welchem Alter soll man mit Kindern über Gefühle sprechen? So früh wie möglich. Wenn ein Baby weint, versucht man auch herauszufinden, was ihm fehlt, und fragt etwa «Bist du müde?» oder «Hast du Hunger?». So kann man dem Kind schon früh signalisieren, dass seine Bedürfnisse oder Gefühle wichtig sind und man sie ernst nimmt.
Wie spricht man mit Kindern über ihre Gefühle?
Das kommt auf die Sprachentwicklung der Kinder an. Bei kleinen Kindern kann das schwierig sein. Hier helfen spielerische Hilfsmittel, etwa Gefühlskarten (siehe Box). Je älter das Kind ist, desto eher kann man nach dem Auslöser fragen: «Ist etwas in der Schule passiert?», «Hast du dich mit einer Freundin gestritten?». Wichtig ist, eine sichere Atmosphäre zu schaffen. Zum Beispiel, indem man das Kind beiseite nimmt oder auf einen ruhigen Moment zu zweit wartet –und ihm zeigt, dass man seine Gefühle ernst nimmt.
Wie kann man Kindern vermitteln, dass sie über ihre Gefühle sprechen sollen?
Am wichtigsten ist die Vorbildfunktion. Man sollte über seine eigenen Gefühle sprechen und nicht versuchen, sie vor dem Kind zu verbergen – denn ein Kind merkt, wenn etwas nicht stimmt. So lernt es, dass es nicht schlimm ist, einmal zu weinen oder traurig zu sein. Das Kind sieht so auch, dass es nicht gute und erwünschte oder schlechte und unerwünschte Gefühle gibt.
Klappt das bei allen Kindern gleich gut?
Jedes Kind ist unterschiedlich und zeigt Gefühle anders. Das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Eltern können sich hier ganz auf ihre Intuition verlassen, sie kennen ihr Kind schliesslich am besten.
Müssen Kinder über jedes Gefühl sprechen?
Nein, Kinder dürfen Geheimnisse haben. Aber sie müssen wissen, dass es auch schlechte Geheimnisse gibt, etwa Gewalt, Mobbing oder Missbrauch. Es ist wichtig, dass die Kinder wissen, dass sie solche Geheimnisse verraten dürften.
Wann sollte man sich wegen eines Geheimnisses Sorgen machen? Man sollte das Kind beobachten. Isst es normal? Schläft es gut? Ist es vor der Schule immer nervös, und war das früher nicht der Fall? Sobald man eine Veränderung wahrnimmt, sollte man versuchen, mit ihm darüber zu sprechen.
Gibt es Dinge, die Kinder besser mit jemand anderem besprechen als mit den Eltern?
Es gibt Themen, die ein Kind nicht mit den eigenen Eltern besprechen möchte oder kann. Wenn es dem Kind schlecht geht und es nicht darüber sprechen will, kann man ihm auch eine andere Person zum Zuhören vorschlagen. Bei kleineren Kindern ist das vielleicht die Grossmutter oder ein älteres Geschwister. Bei älteren kann das auch die Lehrperson oder ein Freund sein. MM
Sarah Stidwill ist Psychologin und Programmverantwortliche des Gesundheitsförderprogramms Kebab+, das vom Migros-Kulturprozent unterstützt wird.
Spielerische Hilfsmittel
Emotionskarten: Das Kind kann aus verschiedenen Bildern aussuchen, wie es sich fühlt. Das kann helfen, wenn es sich nicht gut ausdrücken kann.
Zeichnen: Das Kind zeichnet, wie es ihm geht. Danach kann man über die Zeichnung sprechen.
Strategien festhalten: Wenn es dem Kind wieder besser geht, erarbeitet man gemeinsam Strategien für die nächste schwierige Situation, etwa, wenn es traurig, wütend oder eifersüchtig ist. Man kann eine spezielle Spielkiste hervorholen, ein Lied singen oder im Wald eine Runde spazieren gehen.