Tucker in Ham Max burg
Eine Nacht mit dem größten
Frauenhelden der Welt Tucker Max ist ein Arschloch. Behauptet er jedenfalls über sich selbst. Er hat mit mehr Frauen geschlafen, als vernünftig wäre. Und er trinkt mehr, als gut für ihn ist. Meine Kollegin Wiebke Lorenz und ich zogen los, um den selbst ernannten Womanizer zu treffen. Am Ende der Nacht steht fest: So ist das eben mit Arschlöchern – manchmal wirken sie größer, als sie sind …
von Miriam Kaefert (Text) und Martin Kath (Fotos)
Sein Buch „Und in der Hölle mach ich weiter“ (riva Verlag, 18,90 Euro) trägt in der deutschen Übersetzung den Untertitel „Bekenntnisse des größten Frauenhelden der Welt“. Tucker Max ist also unwiderstehlich, unausstehlich – oder beides gleichzeitig. Im schlimmsten Fall ist er weder das eine, noch das andere. Sondern einfach nur ein biertrinkender Langweiler mit Wortdurchfall. Erst einmal die Eckdaten: Tucker Max ist 33 Jahre alt, hat Jura studiert, im Unternehmen seines Vaters gearbeitet, bis er 27 war. Er lebt in Los Angeles, hofft, dass er keine Kinder hat und hat sich in den letzten Monaten um die Verfilmung seines Buches gekümmert – den Film hat er selbst produziert und so darüber die volle Kontrolle. Das ist ihm wichtig. Der Streifen wird ein Knaller, da ist er sich ganz sicher. „I Hope They Serve Beer in Hell“ steht seit drei Jahren auf der Bestsellerliste der New York Times. Tucker beschreibt in seinem Debüt Wodka-Wettsaufen, Brockenkotzen während eines Blowjobs, misslungene Analsexversuche und verrät, wie es ist, sich beim Scheißen einen blasen zu lassen (der Hintern schläft auf der Klobrille ein). Will man das wissen? Na gut, es klingt zwar nicht unwiderstehlich, aber dafür interessant. Das ist doch schon einmal ein Anfang. 2
Mittlerweile ist Tuckers Werk bei uns erschienen – deshalb besucht der Autor Deutschland, das Land des Bieres. Immerhin sein Lieblingsgetränk. Nach 20 Stunden Flug und sechs Stunden Interviewmarathon ist Tucker extra von Berlin nach Hamburg gekommen. Nicht, weil er uns treffen will – sondern, weil wir ihn treffen wollen, der Verlag macht‘s möglich. Wir, das sind die Autorinnen Wiebke Lorenz und meine Wenigkeit, Miriam Kaefert. Wir wollen sehen, was Tucker so drauf hat, sind zu allen Schandtaten bereit und ziemlich gespannt ... Um 22.00 Uhr sitzt Tucker wie bestellt in Hamburg, im Foyer des Hotels „Superbude“. Überpünktlich, er begrüßt uns mit Handschlag. Ein unauffälliger Typ, mittelblond, mittelgroß, mittelhübsch, mittelmäßig angezogen. Auffällig sind nur seine blauen Augen. Sie sind glasig. Leicht gerötet sogar. Zu viel Bier? Massenweise Drogen? Oder hat ihm die harmlos wirkende Rezeptionistin auf seinem Zimmer zur Erschöpfung getrieben? „Ich bin fucking müde“, sagt Tucker. Ein Satz, der nicht ins Vokabular eines Aufreißers passt. Es sei denn, die Rezeptionistin ist ihm wirklich vergangene Nacht aufs Fell gerückt „Es ist der Jetlag“, schiebt der Womanizer hinterher. Der Mann zerstört gerade sein
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„In meinem Buch geht es ums Saufen.“ aufwändig aufgebautes Image. Wir geben ihm noch eine Chance. „Wir werden uns mit dir auf die Reeperbahn betrinken“, sagen wir. „Aber zeig uns erst dein Zimmer.“ Bis eben dachten wir nämlich noch, dort würde die Nacht für eine von uns Hanseaten-Schönheiten heute enden. Jetzt zweifeln wir daran. Tucker verdreht die Augen, stöhnt leise auf, trottet aber brav Richtung Fahrstuhl. Er trägt ein marineblaues Sweatshirt, graue Jogginghose und Sneakers. Nicht gerade das stylishe Ausgeh-Outfit. Sie aus wie ein Amerikaner, nur der Bierbauch fehlt. Im Zimmer 465, das klein, modern und frisch gestrichen ist (in Rot), setzt er sich sofort aufs Bett. Wir schmeißen uns neben ihn, liegen schon mal Probe. Man weiß ja nie wen’s trifft. Er schläft fast ein, die Bierflasche fest umklammert. Wir rufen ein Taxi. Station eins: Empire Riverside Hotel Wir sind im 20. Stock, es ist 23 Uhr und Tucker trinkt Bier Nummer zwei. Durch die Panoramafenster sieht man die Elbe, die Reeperbahn, fast die ganz Stadt. Die Bar gilt in Hamburg als ziemlich stylish. Die Hanseatinnen, die hier 6
Drinks schlürfen, auch. „Das hier könnte überall sein, solche Läden gibt es auf der ganzen Welt“, sagt Tucker. Ob die Frauen in solchen Läden ihn weltweit ignorieren? Seine Aufreißer-Ausstrahlung scheint hier die Leuchtkraft eines Glühwürmchens zu haben. Aber das ist ihm momentan egal. Tucker ist sauer. „Was zur Hölle? Wie kann der Verlag mich als ,Größten Frauenhelden der Welt’ bezeichnen? Meine Kumpels lachen sich tot! Ich bin eine Witzfigur!“ Er ist wirklich empört. Der Untertitel des Buches entstand ohne sein Einverständnis. „In meinem Buch geht es um Saufen. Ja, um Vögeln auch“, sagt Tucker, „aber ich habe doch kein Patentrezept, wie man Frauen klarmacht. Ich könnte nicht weiter davon entfernt sein!“ Ach was. Genau das wollten wir nicht von dir hören, Junge. Freudenhaus Bar, Hein-Hoyer-Straße, Kiez Es ist Mitternacht - wir sind in der Freudenhaus Bar auf dem Kiez. Ein plüschiger Laden, perfekt, um am Tresen zu viel zu trinken. Tucker ordert Bier Nummer vier. „Mein Name ist Tucker Max und ich bin ein Arschloch“, so fängt der Klappentext seines Buches an. Der scheint gerade
„Ja, ums Vögeln auch.“ genauso falsch wie der Untertitel mit dem Frauenhelden. Tucker gibt sich Mühe, nett zu sein. Und er hat noch mit keiner einzigen Frau geflirtet, uns eingeschlossen. Okay, jetzt mal ein bisschen Smalltalk. „Gibt es einen Hollywoodstar, auf den du stehst?“ „Selbstverständlich nicht“, antwortet er leicht angewidert, „alle, aber wirklich alle Schauspielerinnen, die du aus dem Kino kennst, sind oberflächliche, dumme Schlampen! Es gibt keine Ausnahme“, sagt er. „Die schlimmste Schnepfe ist Paris Hilton. Die ist echt krank. Ich glaube, sie hat mit mehr Männern geschlafen als ich mit Frauen. Ich kenne acht. Und ich kenne weder die Frau noch ihre Freunde.“ Paris Hilton – ein Vorbild für Tucker Max? Vielleicht kann er von ihr noch etwas lernen. „Ich gehe nicht mit einer Frau ins Bett, die mehr Sexpartner hatte als ich“, erklärt er, „das finde ich ekelhaft. Ein Aufreißkönig zu sein ist eines der wenigen Privilegien, die man als Mann noch hat.“ Endlich benimmt er sich wie der Macho, für den ihn viele halten. Ein bisschen jedenfalls. Die Zeit ist reif für die Herbertstraße. „Da sitzen Frauen in Schaufenstern?“, Tucker klingt nicht gerade überwältigt. „Ich zahle nicht für Sex“, behauptet er. Und selbst wenn er nicht zahlen müsste:
„Mit Stripperinnen zu schlafen habe ich vor einiger Zeit aufgegeben“, sagt er, bevor er das Tor zur Herberstraße öffnet, „Erst denkst du: Wow, was für ein Körper! Und dann stellst du fest, dass sie als Kind entweder missbraucht oder misshandelt wurde. Eigentlich könnte man beim Kennenlernen schon fragen: „War es dein Vater oder dein Onkel?“ Zwei Minuten später kommt er äußerlich unverändert auf der anderen Seite der Sex-Gasse wieder heraus. Der Tucker aus seinem Buch hätte länger gebraucht. Und er würde jetzt einen bösartigen Spruch bringen. Der Tucker, der vor uns steht, sagt gar nichts. Er hält sich an seinem Bier fest. Wir gehen weiter in Susi’s Showbar. Susi’s Showbar, Große Freiheit Als Tucker den Tabledanceladen betritt, ist von seiner Abneigung gegen Frauen, die sich für Geld ausziehen, nichts mehr zu spüren. Er hat Madeleine entdeckt. Madeleine ist Mitte 20, blond und trägt ein Abendkleid, das man perfekt mit dem Wort offenherzig beschreiben kann. Sie setzt sich neben Tucker, blickt ihm tief in die Augen und sagt: gar nichts. Tucker blickt ihr tief in den Ausschnitt und grinst. 7
„Irgendwann geht es um Qualität, nicht um Quantität.“ Unsicher, nicht lässig. Dann fragt er: „Äh, wie geht’s dir?“ Madeleine: „Gut.“ Tucker: „Ach, gut. Dir geht’s gut? Schön! Geht’s dir gut?“ Madeleine zwinkert irritiert. Tucker wirkt überfordert. Sie will einen Drink. Er drückt sich tiefer in die roten Sofapolster. Tucker Max, der Mann, der in seinem Buch beschreibt, wie er Ex-Freundinnen lautstark und am Kneipentresen demütigt, traut sich nicht, eine Stripperin wegzuschicken. Oder sie anzubaggern. Was von beiden ihm lieber wäre, ist uns nicht recht klar. Madeleine auch nicht. Sie steht auf und geht. Sie hatte sich sowieso nur zu ihm gesetzt, weil wir sie mit dem Aufreißkönig fotografieren wollten. „Süß, die Mädchen hier, was kostet ein Tabledance?“, fragt Tucker betont lässig, als er seine Fassung wieder hat. Den Rest des Abends hält er sich trotzdem ausschließlich an seinen Bieren Nummer vier und fünf fest. Dabei erzählt er von seiner Ex-Freundin. „Die Trennung von Erin ist erst vier Wochen her“, erzählt er, während Stripperin Mandy auf der Bühne ihre Silikonbrüste knetet. „Erin hat auch Silikontitten. Sie waren echt schön. Ich dachte, ich stehe nicht drauf. Aber 8
als sie diese festen Dinger beim Sex gegen mich gepresst hat, ist mir einer abgegangen. Und sie bleiben straff.“ Seit Erins Abgang gibt es einige einschneidende Änderungen in Tuckers Geschlechtsleben. Die enttäuschende Wahrheit: Es ist offensichtlich eintönig geworden. „Ich hatte in den fünf Monaten mit ihr den besten Sex meines Lebens. Das war wirklich Liebe. Das ändert alles!“ Also keine Analnummern mehr auf dem Sofa? Keine fiesen Abfuhren für Mädchen, die nicht kapieren, dass er sie nur vögeln wollte? „Ich schreibe gerade an einem neuen Buch“, sagt Tucker, „da sind all die Erlebnisse drin, die ich in dem anderen ausgelassen habe.“ Also auch nur olle Kamellen. Und was treibt er momentan so? „Ich bin jetzt 33. Irgendwann geht es um Qualität, nicht um Quantität. Ich denke nicht mehr nur ans Vögeln“, sagt der Mann, der vom eigenen Verlag als „vor Selbstbewusstsein nur so strotzender Womanizer“ beschrieben wird. Tucker Max ist weder unwiderstehlich, noch unausstehlich. Er ist normal. Und das ist ernüchternd, auch nach mehr als fünf Longdrinks. Wir hatten mehr als fünf Longdrinks. Tucker hatte fünf Bier. In fünf Stunden. Zu
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„Mein Geheimnis? Ich scheiß‘ drauf, was andere denken.“
Als wir um drei Uhr dreißig nach der Rechnung fragen, wedelt Tucker mit seiner goldenen Visakarte. „Ich mach das“, sagt er. Auch das noch – wo bitte bleibt das unverschämte Arschloch? Tucker benimmt sich fast wie ein Gentleman. Wir zahlen. Er rülpst und sagt nicht danke. Immerhin. Nacktes Fleisch hat ihn nicht beeindruckt. Fettiges Fleisch schon. „Ich will einen Burger, bevor ich ins Bett gehe“, sagt Tucker. Er kriegt einen Burger. Als er reinbeißt und ihm die Mayonnaise aus den Mundwinkeln läuft, wirkt er glücklicher als je zuvor an diesem Abend. Und er sieht endlich mal aus wie ein Kerl. <<<
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Der Trick mit der Webseite Seine angeblich mehr als 300 Eroberungen hat Tucker seiner Webseite tuckermax.com zu verdanken. Die Seite stellte er 2002 online – nach einer verlorenen Wette mit seinen Kumpels. Auf der Page können sich Frauen um ein Date mit ihm bewerben. Anfangs läuft es eher schleppend, die erste Frau, die sich bewirbt, ist fett. Tucker ist frustriert, geht aber trotzdem mit ihr ins Bett – und demütigt sie anschließend, indem er ihre Sachen aus dem Fenster wirft, als seine Kumpels johlend an der Tür rütteln. Weil er nicht will, dass seine Freunde das Mädchen zu Gesicht bekommen, schickt er sie gleich hinterher. Langsam aber sicher steigert sich der Verkehr auf Tuckers Webseite – und in seinem Bett. Schließlich läuft das Projekt so erfolgreich, dass Tucker seine Karriere als Anwalt abbricht. Und einen Bestseller über seine Sexabenteuer schreibt.
Gestaltung Markus Wustmann
wenig, um zu viel zu sein. Zu viel, um höflich zu bleiben. Wiebke zieht ab nach Hause. Ob betrunken oder gelangweilt, bleibt ihr Geheimnis. Hauptsache, es geht ins Bett.
MK2 Miriam Kaefert Journalistin Mobil 0176 - 61 58 99 94 mk@miriamkaefert.de Martin Kath Fotografie Mobil 0171 - 642 17 17 mk@martinkath.de www.martinkath.de Seilerstraße 20 20359 Hamburg Telefon 040 - 69 64 39 50 Fax o40 - 69 64 64 18
Die Reportage in dieser Form ist ein reines Angebot – also variabel in Länge, Layout und Aufbau. (10.000 Zeichen) Fotos und Text gibt es auch jeweils einzeln und unabhängig voneinander. Weitere Fotos sind vorhanden, Homepage des Fotografen: www.martinkath.de Weitere Textproben/Veröffentlichungen von Miriam Kaefert (Bild, FHM, blond, Frau im Spiegel etc) gern auf Anfrage. Andere Aufträge zu anderen Themen auch gern, auch auf Anfrage!
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