Master
Architecture and Structure Energy Material
Head of Master Course
Peter Althaus
Design Studios
Céline Bessire
Luca Deon
Ludovica Molo
Annika Seifert
Felix Wettstein
Matthias Winter
Modules
Alberto Alessi
Marcel Bächtiger
Heike Biechteler
Oliver Dufner
Adam Jasper
Caroline Ting
further Professors, Lecturers and Guests
Johannes Käferstein
Niklaus Graber
Markus Koschenz
Thomas Kohlhammer
Lothar Schmitt
Davide Spina
Assistants
Alice Busani
Anthony Frank
Shehrie Islamaj
João Moreira
Karin Ohashi
Die Stadt Berlin, und die Zeit um den Mauerfall stehen im Zentrum der gemeinsamen Betrachtung und Zusammenarbeit vom Fokus Architektur & Struktur und der Vertiefungsarbeit. Das Ende der 80er Jahre mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 ist ein Wendepunkt von geopolitischer Bedeutung und löste für die Stadt Berlin eine grundlegende Stadtentwicklung und -transformation nach sich. Zwischen zwei gegenüberstehenden Doktrinen setzte sich ein dritter Modus der Stadttransformation durch, die die Zwischenräume der beiden institutionellen Systeme ausnutzte, und seine politischen, kulturellen und physischen Leerstellen besetzte. Der Checkpoint Charlie, einer dieser emblematischen Orte im Bereich der ehemaligen Mauer und doch städtebaulich noch nicht belastet, ist Anlass und Aufgabe im Fokus Architektur und Struktur. Ein laufendes Verfahren, dass mit einem Bildungs- und Erinnerungsort die Baulücken am Checkpoint schliessen will, wird kritisch hinterfragt. Die Leere soll dabei als Potenzial verstanden werden. Vielmehr müssen Szenarien entwickelt werden, wie an diesem Ort wieder urbanes Leben entstehen soll. Von städtebauliche Überlegungen in grösserem Massstab, zum Umgang mit der Leere werden spezifische Beiträge entwickelt.
Zusammen mit dem Vertiefungsmodul führt die Seminarreise im Frühlingsemester 2023 nach Berlin. Die Reise bietet den idealen Kontext für eine intensive und inspirierende Auseinandersetzung in Theorie und Entwurf.
Der Klimawandel hat unsere Städte erreicht. Die Frage, wie wir mit Hitze umgehen, ist aus der Architektur- und Stadtplanung nicht mehr wegzudenken. In der Auseinandersetzung mit städtebaulichen Typologien untersucht der Fokus Architektur & Energie den Einfluss auf das Mikroklima und geht architektonischen Massnahmen nach, der Überhitzung von Stadträumen entgegenzuwirken. Auf dem Gebiet der Stadt Luzern in Ruopigen entstand in den achtziger Jahren ein Quartierszentrum mit einer grossmasstäblichen Wohnüberbauung basierend auf dem Gestaltungsplan von Dolf Schnebli. Auf Anfrage der Stadt Luzern gilt es hier auf einem freien Areal städtebauliche Antworten auf den unmittelbaren Kontext und die klimaangepasste Siedlungsbauweise zu finden. Mit der von der HSLU entwickelten Quartierklimamodellierungs-App erarbeiten die Studierenden in Grup-
pen städtebauliche Szenarien, die sie auf ihr Klimaverhalten hin untersuchen und adaptiert einzeln in den Gebäudemassstab fortführen.
Der Fokus Architektur & Material wird im Frühlingssemester 23 vom Lehrteam Céline Bessire und Matthias Winter betreut. Im Moment in dem die binäre Opposition zwischen Innen und Aussen ihre Kraft zugunsten komplexer Beziehungen verloren hat, öffnet uns das Phänomen der Parallaxe eine räumliche und theoretische Lücke im architektonischen Denken: Anstelle des bauphysikalischen Schichtenaufbaus im Nanobereich tritt Raum selbst. An der Schnittstelle zwischen Figur und Grund entsteht ein dritter, liminaler Raum, welcher sich aus einer Vielzahl von Schwellen-, Zwischenräumen und Passagen zusammensetzt, die wiederum im Wechselspiel zwischen innen und aussen, öffentlich und privat die gebauten Grenzen zu verwischen beginnen. Jenseits der bestehenden Parzellierungen und Baugesetze versuchen wir die Beziehung zwischen dem Haus und der Stadt, Architektur und Landschaft neu zu denken, um neue Räume der Gemeinschaft und Koexistenz zu schaffen. Ort der gemeinsamen Betrachtungen ist das Gebiet im Westen der Stadt Luzern. Mittels unterschiedlicher Medien ergründen wir diesen heterogenen Schwellenraum zwischen Gütsch und Reuss und überführen ihn über materialisierte architektonische Interventionen in einen parallaktischen Möglichkeitsraum.
Zusätzlich zu diesen drei Projektmodulen, von denen die Studierenden eines auswählen, werden fünf umfangreiche Module im Regelsemester entlang des Berufsbildes angeboten. Sie bedingen notwendige Vertiefungen in die eigentliche Materie und fragen verschiedene Kompetenzen zwischen fachlichen, methodischen und sozialen Fähigkeiten ab. Ein interdisziplinäres Lehrteam führt durch die unterschiedlichen Module.
The city of Berlin and the period around the fall of the Berlin Wall are the focus of the joint observation and cooperation between Focus Architecture & Structure and the in-depth study. The end of the 1980s with the fall of the Berlin Wall in 1989 is a turning point of geopolitical significance and triggered a fundamental urban development and transformation for the city of Berlin. Between two opposing doctrines, a third form of urban transformation asserted itself, exploiting the interstices of the two institutional systems and occupying its political, cultural and physical voids. Checkpoint Charlie, one of these emblematic places in the area of the former Wall and thus not yet encumbered in terms of urban development, is the occasion and task in the focus on architecture and structure. An ongoing process that aims to close the gaps between buildings at the Checkpoint with a place of education and remembrance is critically questioned. The emptiness is to be understood as potential. Rather, scenarios must be developed as to how urban life is to emerge again on this site. Specific contributions will be developed from urban planning considerations on a larger scale to dealing with the emptiness.
Together with the in-depth module, the Study Trip will lead to Berlin in the spring semester 2023. The trip offers the ideal context for an intensive and inspiring examination of theory and design.
Climate change has reached our cities. The question of how we deal with heat has become an integral part of architectural and urban planning. In its examination of urban typologies, the Focus Architecture & Energy investigates the influence on the microclimate and explores architectural measures to counteract the overheating of urban spaces. On the territory of the city of Lucerne in Ruopigen, a neighbourhood centre with a large-scale residential development was built in the 1980s on the basis of Dolf Schnebli‘s design plan. At the request of the city of Lucerne, urban planning responses to the immediate context and climate-adapted housing development must be found here on a vacant site. Using the neighbourhood climate modelling app developed by the HSLU, the students work in groups to develop urban planning scenarios, which they examine in terms of their climate behaviour and individually adapt to the building scale.
The focus Architecture & Material is taught in the spring semester 23 by the lecturer team Céline Bessire and Matthias Winter. At the moment when the binary opposing of inside and outside has lost its power in favour of complex relationships, the phenomenon of parallax opens up a spatial and theoretical gap in architectural thinking: space itself takes the place of the physical construction of layers on the nanoscale. At the interface between figure and ground, a third, liminal space emerges, which is composed of a multitude of threshold, intermediate spaces and passages, which in turn begin to blur the built boundaries in the interplay between inside and outside, public and private. Beyond the existing parcelling and building laws, we try to rethink the relationship between the house and the city, architecture and landscape, in order to create new spaces of community and coexistence. The site of our mutual reflections is the area in the west of the city of Lucerne. Using different media, we fathom this heterogeneous threshold space between Gütsch and Reuss and transform it into a parallactic space of possibility through materialised architectural interventions.
In addition to these three project modules, of which the students choose one, five comprehensive modules are offered in the regular semester along the professional profile. They require the necessary in-depth knowledge of the actual subject matter and ask for various competences between technical, methodical and social skills. An interdisciplinary teaching team guides students through the various modules.
Veranstaltungen Events
Donnerstag
Atelier F400
Thursdays
Atelier F400
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
12 ECTS
Marked project work
12 ECTS
The City is Wilder Than You Think
Checkpoint Charlie between memory and future
Im Film Der Himmel über Berlin von Wim Wenders1 kann der Holocaust Überlebende in Begleitung des Engels Cassius den Potsdamer Platz nicht finden. Die Szene spielt im Niemandsland der Mauer; genau am von der Geschichte ausgelöschten Ort des historischen Platzes. Der alte Mann sucht in der Leere nach Spuren seiner ihm bekannten Stadt, aber die Zerstörung ist zu gross, die räumliche Veränderung zu stark, und die Lücke der Erinnerung lässt sich nicht mehr schliessen. Den neuen, nach dem Fall der Mauer in den 90er-Jahren entstandenen Potsdamer Platz würde der alte Mann wohl ebenso wenig erkennen.
Kaum eine europäische Stadt wurde in ihrer jüngeren Geschichte radikaler umgestaltet als Berlin. Und dies mehrmals, wobei die Zerstörung durch die Alliierten am Ende des zweiten Weltkriegs, die Teilung der Stadt in
2 h ans s timmann (1941), 1991-1996
s enatsba U dire Ktor von b erlin e r
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t U ellen s tädteba U , die sich am historischen s tadtgr U ndriss U nd b a U ty P ologie orientiert
3 iba , i nternationale b a U a U sstell U ng 1987. e ine
iba - n e U ba U U nd eine iba - a ltba U sollten sich ZU r s tadterne U er U ng in b erlin mit den
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der Nachkriegszeit und der Fall der Mauer als einschneidende Ereignisse hervorzuheben sind.
K ollho FF , a rth U r o vas K a and P eter
r iemann , T H e C i T y in TH e C i T y : b erlin ; A G reen A r CH ipel AG o , ed . F lorian h ert W ec K and s ébastien m arot , trans s ébastien m arot (Z U rich , 2013).
In diesem Semester gehen wir eine Zusammenarbeit mit dem Vertiefungsmodul ein. Die Stadt Berlin, und die Zeit um den Mauerfall stehen dabei im Zentrum der Betrachtung. Das Ende der 80er Jahre ist ein Wendepunkt. Aus historischer Perspektive führte der Mauerfall letztlich zum Zerfall der Sowjetunion und damit zum Ende des Kalten Kriegs. Städtebaulich und architektonisch führte die Wende zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei sich diametral gegenüberstehenden Haltungen. Die eine orientiert sich am Steinernen Berlin der Vorkriegszeit und führte zur Kritischen Rekonstruktion im Sinne des damaligen Senatsbaudirektors Hans Stimmann2. Die andere knüpft an die experimentellen Erfahrungen der IBA3 in West-Berlin an. Grosse Teile von Stimmanns Steinernen Berlin wurden tatsächlich gebaut. Rem Koolhaas sind die grundsätzlichen Überlegungen zur Gegenposition in der städtebaulichen Debatte zu verdanken. Er bezieht sich dabei auf das bereits 1977 verfasste Manifest Die Stadt in der Stadt – Berlin: ein grünes Archipel4. Oswald Mathias Ungers und seine Kollegen von der Cornell University legten damals die ersten Konzepte und Denkmodelle zur schrumpfenden Stadt vor. Im Gegensatz zur Rekonstruktion der europäischen Stadt entwickelten sie die Figur einer polyzentrischen Stadtlandschaft. Parallel zu diesen beiden institutionellen Modellen der Stadtentwicklung setzte sich jedoch ein dritter Modus der Stadttransformation durch, der auf inkrementellen und empirischen Pro-
zessen beruht, die die Zwischenräume eines Systems ausnutzen, das eine Neuordnung und Neudefinition erfährt, und seine politischen, kulturellen und physischen Leerstellen besetzen5.
Wir werden uns mit einem emblematischen Ort im Bereich der ehemaligen Mauer beschäftigen, dem Checkpoint Charlie. Erstaunlicherweise sind gerade an dieser zentralen Stelle der Innenstadt einige Grundstücke leergeblieben.
Die Leere soll als Potenzial verstanden werden. Philipp Oswalt beschreibt diese als im Herzen der Metropole liegende Orte der Wildnis und des Unbekannten der modernen Zivilisation:
«Es sind die Stätten, wo der Mensch seiner Sehnsucht nach Entdeckung, nach dem Heraustreten aus der alltäglichen Welt nachkommen kann. Die Leere ist ambivalent. Sie ist ein Raum der Erinnerung und zugleich ein Ort des Zukünftigen. Die Leere ist instabil und temporär, ein Zustand des Nicht-mehr und Noch-nicht. Sie ist das Gegenstück zur Dauerhaftigkeit und Abgeschlossenheit des gebauten Raums. In ihrer Unvollständigkeit ist sie offen, ein Möglichkeitsraum ohne Struktur, Form und Richtung. Wo nichts ist, ist alles vorstellbar».6
Es geht uns entsprechend um die kritische Auseinandersetzung mit einem historisch bedeutenden Ort im Stadtgefüge. Spuren und Erinnerung spielen dabei genauso eine Rolle, wie die Suche nach Identität und Sinn für die Stadt der Zukunft. Introduction
In the film Wings of Desire by Wim Wenders7, the Holocaust survivor being accompanied by the angel Cassius cannot find Potsdamer Platz. The scene takes place in the no-man’s-land of the Berlin Wall, precisely on the site of the historical square that has been erased by history. The old man is searching in the void for traces of the city that he knew, but the destruction is too great, the spatial changes too stark and the gaps in his memory can no longer be bridged. The new Potsdamer Platz built in the 1990s after the Fall of the Berlin Wall would be just as unrecognisable to the old man.
Hardly any European city has been more radically transformed in its recent history than Berlin. And it has happened several times – the crucial events to be emphasized are the destruction by the Allied forces at the end
8 h ans s timmann (1941), s enate b U ilding d irector o F b erlin F rom 1991 to 1996. a t that time he conceived , among other things , the ‘P lanW er K i nnenstadt ’ ( i nner c ity P lanning P roject ) and strongly advocated context U al U rban P lanning oriented aro U nd the historical layo U t o F the city and architect U ral ty P ology 9 iba , i nternational a rchitect U re e xhibition 1987. t W o
P roject gro UP s W ere
F ormed - iba - n e Uba U ( iba n e W b U ildings ) and ibaa ltba U ( iba o ld b U ildings ) W ere intended to address the themes o F ‘K ritische r e K onstr UK tion ’ ( c ritical r econstr U ction ) and ‘ b eh U tsame s tadterne U er U ng ’ ( c are FU l U rban r ene Wal ).
10
o s Wald m athias U ngers , r em K oolhaas , h ans K ollho FF , a rth U r o vas K a and P eter r iemann , T H e C i T y in TH e C i T y : b erlin ; A G reen A r CH ipel AG o , ed . F lorian h ert W ec K and s ébastien m arot , trans s ébastien m arot (Z U rich , 2013).
11
n icola r U ssi , b AC k -
G roun D : Il progetto del vuoto (Macerata, 2019), chap. ‘Colonizzare il vuoto’, pp. 81–106.
12
P hili PP o s Walt , b erlin – b erlin : City without Form; Strategies for a Different Architecture (Berlin, 2000), p.70
of World War II, the division of the city in the post-war era and the period around the fall of the Berlin Wall.
This semester, we will be collaborating with the in-depth module. The focus of scrutiny is the city of Berlin and the era around the fall of the wall. The end of the 1980s was a turning point. From a historical perspective, the fall of the Berlin Wall ultimately led to the collapse of the Soviet Union and hence to the end of the Cold War. In urban planning and architecture, the fall of Communism led to a conflict between two diametrically opposed stances. The one was oriented around the ‘stony’ Berlin of the pre-war era and led to critical reconstruction in the sense of Hans Stimmann, then the Senate Building Director for Berlin8. The other built on experiences from the experiments of the IBA in West Berlin9. Large parts of Stimmann’s ‘stony’ Berlin were actually built. We are indebted to Rem Koolhaas for fundamental reflections on the opposite position in the urban planning debate. He referred to the manifesto The City in the City: Berlin; A Green Archipelago, which had been written in 197710. At that time, Oswald Mathias Ungers and his colleagues from Cornell University presented the first concepts and models for the shrinking city. In contrast to the reconstruction of the European city, they developed the figure of a polycentric urban landscape. In parallel with these two institutional models for urban development, however, they advanced a third mode of urban transformation based on incremental and empirical processes that employ the interstices filling the political, cultural and physical voids of a system that is experiencing reordering and redefinition.11
We will be working with an emblematic site near where the wall once stood: Checkpoint Charlie. Astonishingly, several plots have remained vacant in this central point in the inner city.
The void should be understood as a potential. Philipp Oswalt has described these places in the heart of the metropolis as the wilderness and unknown of modern civilisation:
‘They are places where people can satisfy their desires for discovery, for stepping out of the everyday world. The void is ambiguous. It is a space of memory and at the same time a place of the future. The void is unstable and temporary, a state of the no-longer and the not-yet. It is the counterpart to the durability and self-containedness of built space. It is open in its incompleteness, a space of possibilities with no structure, form, or direction. Where nothing is, everything can be imagined.’12
Accordingly, we seek to engage critically with a historically important place in the fabric of the city. Traces and memory play just as much a role as the search for the identity and meaning of the city of the future.West Berlin as a constellation of urban fragments (Oswald Mathias Ungers, Rem Koolhaas, Pieter Riemann, Hans Kollhoff and Arthur Ovaska, The City in the CityBerlin: A Green Archipelago , 1977
2: Fortification (1650-1740);
The four walls of Berlin in the centre of the city (1: medieval city wall;
(1737-1860),
Berliner Mauer The Berlin Wall
«Other shock: It is not East Berlin that is imprisoned, but the West, the ‚open society‘. In my imagination, stupidly, the wall was a simple, majestic north-south divide, a clean philosophical demarcation; a neat, modern Wailing Wall. I now realize that it encircles the city, paradoxically making it ‚free‘»13
Die Berliner Mauer war während der Teilung Deutschlands ein Grenzbefestigungsssystem der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), das mehr als 28 Jahre vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989, bestand, und die DDR von West-Berlin hermetisch abriegeln sollte. Sie trennte nicht nur die Verbindungen im Gebiet Gross-Berlins zwischen dem Ostteil („Hauptstadt der DDR“) und dem Westteil der Stadt, sondern umschloss alle drei Sektoren des Westteils vollständig und unterbrach damit auch seine Verbindungen zum sonstigen Umland, das um DDR-Bezirk Potsdam lag. Sie war Bestandteil und zugleich Symbol des Konflikts im Kalten Krieg zwischen den von den Vereinigten Staaten dominierten Westmächten und dem sogenannten Ostblock unter der Führung der Sowjetunion. Die Mauer fiel am Abend des 9.Novembers 1989 im Zuge der politischen Wende. Dies geschah unter dem wachsenden Druck der mehr Freiheit fordernden DDRBevölkerung. Der Mauerfall ebnete den Weg. Der innerhalb eines Jahres zum Zusammenbruch der SED-Diktatur, zur Auflösung der DDR und letztlich der Sowjetunion und gleichzeitig zur staatlichen Einheit Deutschlands führte.14
When Germany was divided, the Berlin Wall was a system for securing the border of the German Democratic Republic (GDR); it stood for more than twentyeight years, from 13 August 1961 to 9 November 1989, having been intended as a hermetic seal between the GDR and West Berlin. It not only severed connections within Greater Berlin between the eastern part (the ‘capital of the GDR’) and the western part of the city but also completely surrounded all three sectors of the western part of the city and thus cut it off from the surrounding area in the GDR district of Potsdam. It was both a component and symbol of the conflict of the Cold War between the Western powers dominated by the United States and the so-called Eastern Bloc led by the Soviet Union.
The Berlin Wall fell on the evening 9 November 1989 as part of a political turn. It happened under growing pressure from the people of the GDR, who were demanding more freedom. The Berlin Wall paved the way. Within a year, the SED (Sozialistische Einheitspartei, Socialist Unity Party) had collapsed, the GDR was dissolved, followed by the Soviet Union, and at the same time the German state was reunified.15
Jean Nouvel, The Meeting Line , proposal to convert the no man’s land along the Berlin Wall into a sequence of public spaces in 1990 (contribution to the exhibition Berlin Tomorrow: Ideas for the Heart of a Big City , German Architecture Museum, Frankfurt, 1990-91)
Checkpoint Charlie Checkpoint Charlie
In der Eröffnungsszene des Martin Ritt Films Der Spion der aus Kälte kam sehen wir Richard Burton als Spion Alec Leamas am Checkpoint Charlie. Die Szene macht deutlich, warum genau dieser emblematische Ort als Sinnbild für den Eisernen Vorhang gewählt wurde.
Der Checkpoint Charlie war einer der Grenzübergänge durch die Berliner Mauer. Er verband in der Friedrichstrasse zwischen Zimmerstrasse und Kochstrasse (beim gleichnamigen U-Bahnhof) den sowjetischen mit dem amerikanischen Sektor und damit den Ost-Berliner Bezirk Mitte mit dem West-Berliner Bezirk Kreuzberg. Der Kontrollpunkt wurde im August/September 1961 infolge des Mauerbaus von den West-Alliierten eingerichtet, um den Angehörigen ihres Militärpersonals weiterhin das Überschreiten der Sektorengrenze zu ermöglichen, wobei sie registriert und belehrt wurden.
Checkpoint Charlie war einer der drei durch die Amerikaner genutzten alliierten Kontrollpunkte, die ihn nach dem dritten Buchstaben im Alphabet, „C“ gemäss dem internationalen Buchstabieralphabet „Charlie“ nannten.
Unmittelbar an der Grenzmauer wurde auf West-Berliner Seite eine Aussichtsplattform errichtet, von der aus der Todesstreifen und die Grenzübergangsstelle auf Ost-Berliner Seite einsehbar waren. Noch vor der deutschen Wiedervereinigung wurde der Kontrollpunkt 1990 abgebaut.
Der Checkpoint Charlie war nicht nur Schauplatz von Spionagefilmen, sondern spektakulärer Fluchten aus dem damaligen Ost-Berlin. Zahlreiche Flüchtlinge wurden dabei getötet.
Das Gelände des ehemaligen Checkpoint Charlie zählt heute zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Berlins.16
In the opening scene of Martin Ritt’s film The Spy Who Came in from the Cold, we see Richard Burton as the spy Alec Leamas at Checkpoint Charlie. The scene makes it clear why this emblematic site was chosen as the symbol for the Iron Curtain.
The Checkpoint Charlie was one of three border crossing points at the Berlin Wall. Located on Friedrichstrasse between Zimmerstrasse and Kochstrasse (next to the subway station of that name), it connected the Soviet sector to the American sector and hence the East Berlin district Mitte with the West Berlin district Kreuzberg. The control point was set up by the Western allies in August and September 1961 in response to the building of the wall, so that military personnel could continue to cross the sector border after being registered and instructed.
Checkpoint Charlie was one of the three Allied control points used by the Americans, and they named it ‘Charlie’ after the third letter in the alphabet, ‘C’, in accordance with the international spelling alphabet.
An observation platform was built on the West Berlin side right next to the border wall, from which one could view the so-called Todesstreifen (death strip) and the border crossing point on the East Berlin side. The control point was dismantled in 1990, prior to German reunification.
Checkpoint Charlie was the site not only of spy films but also of spectacular escapes from what was then East Berlin. Numerous refugees were killed in the act.
The former grounds of Checkpoint Charlie are now among the most famous tourist attractions in Berlin.17
«The relationship between the absence of use, of activity, and the sense of freedom, of expectancy, is fundamental to understanding the evocative potential of the city’s terrains vagues. Void, absence, yet also promise, the space of the possible, of expectation.
Unincorporated margins, interior islands void of activity, oversights, these areas are simply un-inhabited, un-safe, un-productive. In short, they are foreign to the urban system, mentally exterior in the physical interior of the city, its negative image, as much a critique as a possible alternative.»18
Ingnasi de Solà-Morales beschreibt die Faszination von leeren urbanen Räumen und prägt dafür den Begriff Terrain Vague, um die Poetik solcher Räume zu beschreiben. Die Leere wird auch in der zeitgenössischen Fotografie immer wieder thematisiert, so zum Beispiel bei Thomas Ruff, Thomas Struth oder Gabriele Basilico. In diesen scheinbar verlassenen Räumen scheint die Erinnerung an die Vergangenheit präsenter als die Gegenwart. Ihre Existenz und Präsenz entziehen sich den ökonomischen und funktionalen Regeln der Stadt.
In Zeiten wo Dichte und Verdichtung als Maxime der Stadtentwicklung gesetzt scheinen, sind wir überzeugt, dass gerade in Berlin die Leere und der Verzicht zum Vokabular des Städtebaus gehören. Zuviel wurde zugebaut, rekonstruiert und vervollständigt.
Ingnasi de Solà-Morales has described the fascination of vacant urban spaces and coined the term ‘terrain vague’ for them to express the poetry of such spaces. The void is also a frequent theme in contemporary photography, as in the work of Thomas Ruff, Thomas Struth and Gabriele Basilico, for example. In these seemingly abandoned spaces, the memory of the past seems stronger than the present. Its existence and presence are not subject to the economic and functional rules of the city.
In times when density and increasing density seem to be maxims of urban development, we are convinced that voids and abstention are part of the vocabulary of urban planning, especially in Berlin. Too much is being overbuilt, reconstructed and augmented.
Für die freistehenden Grundstücke am Checkpoint Charlie hat die Stadt Berlin ein Dialogverfahren ausgeschrieben.
Auszug aus den Ausschreibungsunterlagen:
„Das Areal am ehemaligen Grenzübergang Checkpoint Charlie wird vor allem durch seine markanten Brandwände und Freiflächen geprägt. Die nach dem Fall der Mauer entlang der Friedrichstraße geplante Blockrandschließung konnte nicht vollständig realisiert werden. Daher befinden sich heute in der historischen Stadtstruktur der Friedrichstadt brachliegende Grundstücke beidseits der Friedrichstraße. Der Bebauungsplan setzt westlich einen öffentlichen Stadtplatz und östlich eine Gemeinbedarfsfläche zur Realisierung eines Bildungs- und Erinnerungsortes zur Geschichte des Checkpoint Charlie fest, um so der historischen und erinnerungskulturellen Bedeutung des Ortes Rechnung zu tragen. Was Berlin fehlt, ist ein Ort im Zentrum der Stadt, an dem sich die Konfrontation der Weltmächte dokumentieren lässt. Für den Bereich am Checkpoint Charlie wird deshalb vorgeschlagen, einen Ort der Dokumentation zu schaffen, der den Grenzübergang an der Friedrichstraße und die Berliner Mauer in ihren weltpolitischen Bezügen darstellt. Im Dialogverfahren soll untersucht werden, was erforderlich ist, um dauerhaft eine qualitativ hochwertige und dem historischen Ort angemessene Gestaltung für den Bildungs- und Erinnerungsort umsetzen zu können.“19
Die Resultate des Dialogverfahrens werden uns zur Verfügung stehen. Sie sollen jedoch kritisch hinterfragt werden.
Area of intervention, intact iurban structure before the World War II (survey from 1922)
Mauerverlauf 1989/ heutige Situation
Area of intervention, current situation with Berlin Wall sumperimposed (yellow)
Maßstab: 1:5000
Area of intervention, current situation
Erstellt am:12.01.2023
Im Hinblick auf den strukturellen und kommerziellen Niedergang des zentralen Stadtgebiets um den Potsdammer Platz und die Friedrichstrasse20 kann sich die Stadt der Zukunft kaum auf Erinnerung und Bildung verlassen. Vielmehr müssen Szenarien entwickelt werden, wie an diesem Ort wieder urbanes Leben entstehen soll.
The City of Berlin published an invitation to a dialogue on the vacant plots on Checkpoint Charlie.
An excerpt from the invitation:
„The grounds at the former border crossing Checkpoint Charlie are distinguished above all by their striking exposed firewalls and vacant lots. The completion of the block perimeter structure along Friedrichstrasse that had been planned after the fall of the Berlin Wall could not be fully implemented. As a result, there are vacant plots in the historical structure of the city on both sides of Friedrichstrasse today. The site plan proposes a public urban square on the western side and an area for communal use on the eastern side for an educational and memorial site on the history of Checkpoint Charlie, to do justice to the site’s importance in history and to the culture of memory. It has thus been proposed that the area at Checkpoint Charlie became a documentation centre to present the international political context of the border crossing on Friedrichstrasse and of the Berlin Wall. The dialogue process is intended to study what will be necessary to realise an enduring, high-quality design for an educational and memorial site that does justice to this historical location.“21
We will have the results of this dialogue process. They should, however, be examined critically.
With regard to the structural and commercial decline of the central part of the city around Potsdamer Platz and Friedrichstrasse22, the city of the future can scarcely rely on memory and education. It is necessary to develop scenarios to bring urban life back to this place.
Struktur Structure
‘To create architecture is to express representational aspects of the real world, such as nature, history, tradition and society, in a spatial structure, which is an abstract concept, composed by clear, transparent logic.’ 23
Wir interessieren uns für relevante Problemstellungen der Zivilgesellschaft und schärfen das Bewusstsein und die Verantwortung der Studierenden für unsere Umwelt.
Der Begriff Struktur begleitet uns auf allen Ebenen der Architektur und über den gesamten Entwurfsprozess. Struktur steht für Ordnung und das Rationale in der Architektur. Mittels strukturierten Denkens und Entwerfens entwickeln wir Strategien, um komplexe Problemstellungen zu verstehen, zu bearbeiten und zu bewältigen.
Wir motivieren die Studierenden ihren eigenen Weg zu gehen und ihre persönlichen architektonischen Interessen zu hinterfragen, um eine individuelle und konsistente Haltung als ArchitektIn zu entwickeln und diese zu festigen.
We are interested in relevant problems facing civil society and in raising the students’ awareness of and responsibility for our environment. Notions of structure are our companions at all levels of architecture and throughout the entire design process. Structure stands for order and rationality in architecture. By means of structured thinking and design, we develop strategies to understand, process and master complex problems. We motivate students to go their own way and to question their personal architectural interests in order to develop and consolidate an individual and consistent attitude as an architect.
Tragstruktur Load-bearing structure
Grundlagenwissenschaften, wie beispielsweise Mathematik oder Systemtheorie, bezeichnen Struktur als die Art der Zusammensetzung eines Systems aus Elementen und die Menge der Relationen resp. Operationen, welche die Elemente miteinander verknüpfen. Gemäss dieser Definition können innerhalb eines architektonischen Systems zahlreiche Strukturen festgestellt werden, z.B. Raumstruktur, Erschliessungsstruktur, Infrastruktur, Tragstruktur, Stadtstruktur oder Materialstruktur.
Die Tragstruktur im speziellen ist demnach das ideelle Gerüst, welches Konzept und Regelwerk über den Aufbau eines Tragwerks und das Zusammenwirken seiner Elemente umfasst. In diesem Kurs wollen wir unter anderem tragstrukturelle Konzepte entwickeln und diese in Tragwerke umsetzen. Das Tragwerk des Entwurfsprojekts soll dabei nicht als etwas behandelt werden das erledigt ist, sobald es technisch funktioniert, sondern die Tragstruktur und das dazu gehörende Tragwerk sollen kontinuierlich und zusammen mit der architektonischen Idee und den anderen Aspekten des Entwurfsprozesses entwickelt werden. Das Potential des tragstrukturellen Konzepts im Entwurf zeigt die Tatsache, dass das Tragwerk eine nicht austauschbare Notwendigkeit und der langlebigste Teil eines Gebäudes ist. Wenn demnach das Konzept der Tragstruktur kohärent mit der architektonischen Idee ist, kann diese dauerhaft im Bauwerk verankert werden.
Zur Diskussion der tragstrukturellen Konzepte und deren Umsetzung in ein technisch funktionierendes Tragwerk essenziell. Darum wird das Modul durch Thomas Kohlhammer begleitet.
Basic sciences such as mathematics and system theory define structure as a kind of composition of a system of elements and the set of relations or operations that tie the elements together. According to this definition, numerous structures can be identified within an architectonic system: spatial structure, the structure of access, infrastructure, load-bearing structure, urban structure and the structure of materials.
The load-bearing structure in particular is the framework of ideas that comprises the concept and the rules by means of the construction of a support and the interaction of its elements. In this course we want, among other things, to develop concepts for load-bearing structures and implement them in supports. The supporting structure of the design project should not be treated as something that is finished as soon as it functions technically; rather, the bearing structure and the associated support should be continually developed together with the architectonic idea and the other aspects of the design process. The potential of the concept for the bearing structure in the design makes it clear that the supporting structure is not an unalterable necessity and the part of the building with the longest useful life. Accordingly, if the concept of the bearing structure is coherent with the architectonic idea, the latter can be anchored in the structure in an enduring way.
It is essential to discuss the concepts for the bearing structure and how they can be realised in a technically functional support. For that reason, Thomas Kohlhammer will be a constant presence in the course.
Semesterstruktur Semester Structure
Das Semester wird in einzelne Arbeitsschritte gegliedert, die als Kapitel zusammen eine Erzählung bilden.
Wir beginnen in Gruppenarbeiten mit städtebaulichen Überlegungen in grösserem Massstab, formulieren Strategien zum Umgang mit der Leere und entwickeln dann individuel spezifische Beiträge zur gestellten Aufgabe.
Semesterarbeit
Die Semesterarbeit ist gegliedert in Zwischenkritik, Pin-ups und Tischkritiken und wird begleitet durch fachliche Inputs.
Anforderung an die Schlussabgabe für Pläne und Modelle
- Struktur der Stadt 1:1‘000 / 1:500
- Struktur der Räume 1:200 / 1:100
- Struktur der tragenden Elemente und Konstruktion 1:50 / 1:20
Die Projektpräsentationen ist freigestellt, wobei dem Narrativ eine grosse Bedeutung zukommt. Physische Modelle in verschiedenen Massstäben sind Konstanten des Entwurfsprozess und dienen dazu Raum- und Tragstruktur dreidimensional zu entwickeln.
Studienreise
Zusammen mit dem Vertiefungsmodul organisieren wir eine Seminarreise nach Berlin. Die Reise bietet Gelegenheit die Stadt Berlin und den Ort der Semesteraufgabe kennenzulernen. Gleichzeitig bietet die Reise den idealen Kontext für eine intensive und inspirierende Auseinandersetzung mit Theorie und Entwurf.
The semester is divided into individual steps that as chapters combine to form a narrative.
We begin with group projects reflecting on urban planning on a larger scale, formulate strategies for approaching the void and then develop individual, specific contributions to the assigned task.
The Work of the Semester
The work of the semester is divided between the interim critique, pin-up reviews and desk critiques and is supported by expert input.
Requirements for the final submission of plans and models
- Structure of the city 1:1,000 / 1:500
- Structure of the spaces 1:200 / 1:100
- Structure of the bearing elements and construction 1:50 / 1:20
The project presentations are open, but the narrative is very important. Physical models on different scales are constants of the design process and make it easier to develop the spatial and load-bearing structure in three dimensions.
Study Trip
Together with the in-depth module, we are organising a Study Trip to Berlin. The trip offers an opportunity to get to know the city of Berlin and the site of the semester’s task. At the same time, the trip provides the ideal context for an intense and inspiring engagement with theory and design.
Veranstaltungen Events
Donnerstag
Fokus–Veranstaltungen: Foyer Mäder Saal
Tischkritiken: Atelier F400
Thursdays
Focus – Events: Foyer Mäder Saal
Table crit: Atelier F400
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
12 ECTS
Marked project work
12 ECTS
Cool City Coping with Urban Heat
Einführung
Der Klimawandel hat unsere Städte erreicht. Die Frage, wie wir mit Hitze umgehen, ist aus der Architektur- und Stadtplanung nicht mehr wegzudenken. Wie gross ist der Einfluss städtebaulicher Typologien auf das Mikroklima? Wie vermeiden wir die Überhitzung von Stadträumen? Welche Rolle spielen Kältereservoirs und Luftströmung? Wie verhandeln wir komplexe städtebauliche Themen wie Frei- und Grünraum, Topographie, Setzung, Geschichte und Morphologie oder räumliche Hierachien von Öffentlichkeit und Privatheit mit der drängenden zusätzlichen Aufgabe des Stadtklimas? Kurz, wie beeinflusst das Thema der Energie die traditionellen Formen des Städtebaus und wie gelingt schliesslich der Schritt vom städtebaulichen Masstab zur Architektur?
Auf Anfrage der Stadt Luzern beschäftigen wir uns mit dem Quartier Ruopigen, das eine Besonderheit im Stadtgefüge darstellt: Als Antwort
auf den rasanten Bevölkerungswachstum wurden hier in den 1980er grossmasstäbliche Wohnüberbauung und ein neues Quartierszentrum erstellt, die auf dem Gestaltungsplan des Zürcher Architekten Dolf Schnebli basierten. Obwohl der Plan nur unvollständig umgesetzt wurde, ist eine spätmodernistische Siedlungstypologie entstanden, die für die Stadt einzigartig ist und heute aus der Zeit gefallen wirkt. Die Stadt stellt uns nun die sehr aktuelle Frage, wie mit dem grossen noch unbebauten Teil des Areals im Kontext der ungewöhnlichen Nachbarschaft und des sich erwärmenden Klimas umgegangen werden kann.
Die Entwurfsarbeit im Semester wird in zwei Teile gegliedert: In einer ersten Phase erarbeiten die Studierenden in Kleingruppen mögliche städtebauliche Szenarien, die sie auf ihr Klimaverhalten hin untersuchen. Dazu dient eine an der HSLU entwickelte, wegweisende App, die Architektinnen erlaubt, während des Entwerfens die klimatischen Auswirkungen im 3D-Modell quasi in Echtzeit zu simulieren. In der zweiten Phase des Semesters setzen die Studierenden ihre Entwurfsarbeit individuell und im Gebäudemassstab fort. Im Vordergrund stehen dabei die Themen von Fassade und Typologie, die sie aus dem klimatisch-adaptierten städtebaulichen Szenario ableiten. Neue Erkenntnisse und Änderungen hier werden wiederum im Stadtmassstab überprüft. Auch die wichtige Frage der Programmierung von Stadtraum, die sich zwischen Gebäude und Stadtgefüge abspielt, wird so fortlaufend im Kollektiv der Gruppen diskutiert.
Climate change has reached our cities. The question of how we deal with heat has become an integral part of architectural and urban planning. How great is the influence of urban typologies on the microclimate? How do we avoid overheating of urban spaces? What role do cold reservoirs and air flow play? How do we negotiate complex urban design issues such as open and green space, topography, setting, history and morphology or spatial hierarchies of public and private with the pressing additional task of the urban climate? In short, how does the topic of energy influence our traditional understanding of urban design and how do we make the transition from urban scale to architecture?
In cooperation with the city of Lucerne, we are looking at the Ruopigen neighbourhood, which is a singular ocurrence in Lucerne‘s urban fabric: In response to the rapid population growth, large-scale housing developments and a new neighbourhood centre were built here in the 1980s, based on Zurich-based architect Dolf Schnebli‘s design plan. Although the plan was only partially implemented, a late modernist housing typology was created that is unique for the city and seems strangely out of time, today. The city is now asking us the very topical question of how to deal with the large, still undeveloped part of the site in the context of this unusual neighbour.
The design work in the semester is divided into two parts: In the first phase, students work in small groups to develop possible urban scenarios, which they examine in terms of their climate behaviour. This is done using a new app developed at the HSLU, which allows architects to simulate climatic effects virtually in a 3D model in real time during their design process. In the second phase of the semester, the students continue their design work individually and in an architectural scale. The focus here is on the topics of façade and typology, which evolve from the urban planning scenario. New findings and changes here are again reviewed in the urban scale. At the same time, the important question of programming urban space, which occurs between building and urban fabric, is continuously discussed in the group collective.
Klima- und Stadtplanung
Klimawandel - eine unbequeme Tatsache
Der Klimawandel ist real, hier und jetzt, und fordert uns global wie lokal. Auch die Schweiz ist davon nicht ausgenommen. Seine Auswirkungen betreffen zunehmend alle Bereiche von Natur, Gesellschaft und Wirtschaft. Hauptverantwortlich für diese Entwicklung ist der Ausstoss von Treibhausgasen seit vorindustrieller Zeit. Während es im globalen Mittel seit Beginn der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts rund 1 °C wärmer geworden ist, sind es in der Schweiz im selben Zeitraum gegen 2 °C.1 Für die Schweiz ergeben sich eine zunehmende Hitzebelastung, längere Phasen von Trockenheit, mehr Starkniederschläge und veränderte Lebensräume für Flora und Fauna.2 Der wachsende Güter- und Personenverkehr und das Heizen von Gebäuden führen zu einem grossen Verbrauch an fossilen Energieträgern.
1 s ee K anton l UZ ern ( PU blisher )
2021: Planungsbericht des Regierungsrates an den Kantonsrat B 87 – Klima- und Energiepolitik 2021 des Kantons Luzern, S. 160
2 s ee b U ndesamt F ür m eteorologie U nd K limatologie m eteo s ch W ei Z nccs ( PU blisher )
2021: Klimawandel im Kanton Luzern –Was geschah bisher und was erwartet uns in Zukunft? (version 1.0) National Centre for Climate Services, Zurich, p. 2.
Klima- und Energiepolitik
Für den Klimaschutz sind rasche und nachhaltige Lösungen gefordert. Prioritär gilt es die Treibhausgas-Emissionen bis spätestens 2050 weltweit auf null reduzieren zu können.3 Anderseits bedarf es Massnahmen für die Anpassung an die Klimaerwärmung, insbesondere in urbanen Gebieten kommt der Klima- und Stadtplanung eine bedeutende raumplanerische und gestalterische Bedeutung zu. Auf dieser Doppelstrategie haben Bund, sowie Kantone und Städte in jüngster Zeit neue Klima- und Energiestrategien erarbeitet, welche auch die Raumplanung betreffen.4
Klimakarten und Simulationsmodelle
Im Rahmen der Energie- und Klimastrategie wurden von der Stadt und vom Kanton Klimakarten (Klimaanalyse- und Planungshinweiskarten) erstellt. Die auf Modellergebnissen basierenden Klimakarten geben Aufschluss über die klimatische Situation und sind online5 abrufbar. Die Klimakarten und Simulationsmodelle sind eine zentrale Planungsgrundlage für eine hitzeangepasste Siedlungsentwicklung.6
10:00 a.m. morning sun, at summer equinox, June 21
Summer Monsoon winds from prevailing wind direction from southwest winds ad a wind speed of 2 m/s
4/5-room Model ‘A’ composite block
13,9,4 and 25,4 storeys
Bukit Batok (1980s)
4-room New Generation slab block ground fl. void deck + 12 storeys
Seen from the SSE
3-room New Generation slab blocks ground fl. void deck + 12 storeys
Bukit Batok (1980s)
Seen from the SSE
10:00 a.m. morning sun, at summer equinox, June 21
10:00 a.m. morning sun, at summer equinox, June 21
Summer Monsoon winds from prevailing wind direction from southwest winds ad a wind speed of 2 m/s
4/5-room Model ‘A’ composite block
13,9,4 and 25,4 storeys
Summer Monsoon winds from prevailing wind direction from southwest winds ad a wind speed of 2 m/s
4-room New Generation slab block ground fl. void deck + 12 storeys
3-room New Generation slab blocks ground fl. void deck + 12 storeys
4/5-room Model ‘A’ composite block
13,9,4 and 25,4 storeys
4-room New Generation slab block ground fl. void deck + 12 storeys
3-room New Generation slab blocks ground fl. void deck + 12 storeys
Punggol (2000s)
Seen from SSE
10:00 a.m. morning sun, at summer equinox, June 21
Punggol (2000s)
Seen from SSE
Summer Monsoon winds from prevailing wind direction from southwest winds ad a wind speed of 2 m/s
5-room hybrid point-slab blocks ground floor void dect + 16 storeys
6 storey multistorey carparks
10:00 a.m. morning sun, at summer equinox, June 21
Summer Monsoon winds from prevailing wind direction from southwest winds ad a wind speed of 2 m/s
5-room hybrid point-slab blocks ground floor void dect + 16 storeys
Klima und Stadtplanung
Punggol (2000s)
6 storey multistorey carparks
Seen from SSE
10:00 a.m. morning sun, at summer equinox, June 21
Summer Monsoon winds from prevailing wind direction from southwest winds ad a wind speed of 2 m/s
5-room hybrid point-slab blocks ground floor void dect + 16 storeys
6 storey multistorey carparks
3 s ee s tadt l UZ ern ( PU blisher ) 2022: ‘Die Klima- und Energiestrategie der Stadt Luzern in Kürze’ (The Climate and Energy Strategy of the City of Lucerne in brief), 4 pages.
4 s ee s tadt l UZ ern ( PU blisher ) b + a 22/2021: ‘Klimaund Energiestrategie Stadt Luzern’, 246 pages +
s ee b UW d K anton l UZ ern 2023, m assnahmen - U nd
U mset ZU ngs P lan U ng
K lima U nd e nergie 2022–2026, 173 Pages
Mit voranschreitender Klimaveränderung werden heisse Tage und Nächte in Zukunft immer häufiger und extremer. Ohne konsequenten Klimaschutz verdreifacht sich die Anzahl der jährlichen Hitzetage für Luzern bis 2060 auf mindestens 22 Hitzetage (2022: 16 Tage).7 Am grössten ist die Hitzebelastung in den bevölkerungsreichen Gebieten in tiefen Lagen. Insbesondere in dicht besiedelten und stark versiegelten Innenstädten können die Temperaturen unangenehm hoch werden. Denn in den Städten und Gemeinden werden die Temperaturen noch durch lokale Effekte erhöht: Hitzestau und «Wärmeinsel–Effekt» im Siedlungsraum sind Folgen von dichter Bebauung mit eingeschränkter Windzirkulation, fehlende Beschattung im Freiraum, fehlende Grünflächen, die Absorption der einfallenden Sonnenstrahlung durch die vielen versiegelten Flächen, die Abwärme von Industrie, Gebäuden und Verkehr, etc. Tagsüber heizen sich Siedlungen stärker auf und nachts kühlen sie deutlich langsamer ab als das Umland.8
Ani Vihervaara, Sascha Roesler Singapore: Evolution of New Towns 103
Dagegen sind niedrige Lufttemperaturen auf Gewässern, in Höhenlagen und in Wäldern (i.b. tagsüber) zu finden. Allgemein können kühlere Flächen die angrenzenden Flächen mit kühlerer Luft versorgen. Die kühlende Wirkung nimmt mit zunehmender Distanz aber rasch ab. Je dichter die Gebäude stehen, desto schneller verliert sich der kühlende Effekt.9
Ani Vihervaara, Sascha Roesler
Singapore: Evolution of New Towns 103
Um dem Klimawandel zu begegnen hat die Stadt Luzern im Jahre 2020 eine Klimaanpassungsstrategie erarbeitet, welche Massnahmen gegen die Hitzebelastung umfasst.10 Auf städtebaulicher, architektonischer und landschaftsgestalterischer Ebene sind für die Klima- und Stadtplanung untengenannte Ziele & Massnahmen von Bedeutung, damit sich die Stadt im Sommer nicht zu stark erhitzt.11
Ani Vihervaara, Sascha Roesler Singapore: Evolution of New Towns
Ziel ist es, dass trotz verdichteter Bauweise die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt erhöht wird.
5 c limate ma P s 2021, c anton o F l U cerne : https:// www.geo.lu.ch/map/
6 s ee b UW d K anton l UZ ern , 2022, l eseanleit U ng K lima K arten , rev . 1, P . 2.
7 s ee s tadt l UZ ern
2021: Klimaanpassung Stadt Luzern, AK_2021_03_26_
Hitzetage_T_Nachmittag_pdf
8 s ee b UW d K anton l UZ ern , 2022: Leseanleitung Klimakarten, rev. 1, p. 2.
9 s ee s tadt l UZ ern
2021: Klimaanpassung Stadt Luzern, AK_2021_03_26_
Hitzetage_T_Morgen_pdf
Volumen
Insbesondere bei Arealentwicklungen sollen stadtklimatische Aspekte mitberücksichtigt werden, da grössere Bauvolumen sich negativ auf das Stadtklima auswirken können. Die Grösse und Setzung der Gebäudekörper haben einen grossen Einfluss auf das Mikroklima.
Durchlüftung
Der Planung und Umsetzung der Durchlüftung des Stadtkörpers soll genügend Beachtung geschenkt werden. Mit einer funktionierenden Frischluftzirkulationssystem können der Hitzeinseleffekt reduziert und die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt verbessert werden. Ein solches System besteht aus ausreichend Kaltluftentstehungsflächen (auch innerstädtische Grün- und Freiräume) und aus Durchlüftungskorridoren, welche die kühle Luft in die Siedlung leiten.
Oberflächen
Der Materialwahl und Farbgebung von Oberflächen mit geringer Wärmeabsorption, insbesondere in der Wahl von hellen Flächen soll eine besondere Beachtung gegeben werden. Oberflächen fördern, die Wasser aufnehmen, speichern und verzögert wieder abgeben sollen: Mit dem Schwammstadt-Prinzip wird anfallendes Regenwasser lokal über die Fläche (Dächer, Fassaden, versickerungsfähige Bodenbeläge, Grünflächen, Feuchtgebiete usw.) aufgenommen und zwischengespeichert, statt es zu kanalisieren und abzuleiten. Dadurch wird das Risiko von Überflutungen bei Starkniederschlagsereignissen reduziert, das Stadtklima verbessert und die Wasserverfügbarkeit für Stadtbäume und städtische Grünflächen erhöht.
Freiraum
Die Stadt grüner gestalten und die Biodiversität in der Stadt sichern. Begrünung, Beschattung, Zugang zu Wasser, Entsiegelung, naturnahe Materialisierung von Oberflächen im öffentlichen und privaten Raum.
Climate and Urban Planning
Climate Change – an inconvenient truth
Climate change is real, is here and is now, and challenges us globally as well as locally. Switzerland is not exempt from this either. Its effects are increasingly impacting all areas of nature, society and the economy. The main cause of this development is the emission of greenhouse gases since pre-industrial times. While the global average has become about 1 °C warmer since the beginning of industrialisation in the mid-nineteenthth century, in Switzerland it has become about 2 °C warmer in the same period.1 For Switzerland, this means increasing heat stress, longer periods of drought, heavier precipitation and changing habitats for flora and fauna.2 Increasing transport of goods and people and heating buildings lead to a high consumption of fossil fuels.
Climate and energy policy
Climate protection demands rapid and sustainable solutions. The prime objective is to be able to reduce greenhouse gas emissions to zero worldwide by 2050 at the latest.3 On the other hand, measures are needed to adapt to global warming. In urban areas in particular, climate and urban planning play an important role in spatial planning and design. Based on this dual strategy, the federal government, cantons and cities have recently developed new climate and energy strategies that also have implications for spatial planning.4
Climate maps and simulation models
As part of the energy and climate strategy, climate maps (climate analysis and planning information maps) were produced by the city and the canton. The climate maps based on model results provide information on the climatic situation and can be accessed online.5 The climate maps and simulation models are a central planning basis for heat-adapted housing development.6
Sponge City: How we deal with surface water in our cities affects not only the urban microclimate.
Source: Sponge city design principles. Rainer Cai for the Global Harbor Shanghai, 2021. See: Chapman Taylor
10 o bjectives : See Stadt Luzern, Klimanpassung, https:// www.stadtluzern. ch/dienstleistungeninformation/25993, Jan. 2023.
11 m eas U res , see s tadt l UZ ern : B+A 10/2020, Klimaanpassungsstrategie der Stadt Luzern – Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel (Klimaadaption), p. 26 – 27.
Climate and urban planning
As climate change gains ground, hot days and nights will be more frequent and more extreme in the future. Without consistent climate protection, the number of annual heatwave days for Lucerne will triple to at least twenty-two heatwave days by 2060 (2022: 16 days).7 The heat load is greatest in densely populated areas at low altitudes. Especially in densely populated and heavily built-up inner-city areas, temperatures can become uncomfortably high. This is because local effects in cities and towns increase temperatures further; heat accumulation and the ‘heat island effect’ in housing areas are consequences of high-density development with restricted wind circulation, lack of shade in open spaces, lack of green spaces, absorption of incident solar radiation by the many sealed surfaces, waste heat from industry, buildings and traffic, etc. During the day buildings get hotter and cool down much more slowly at night than in the surrounding area.8
In contrast, low air temperatures are found on water bodies, at high altitudes and in forests (especially during the day). In general, cooler areas can supply the adjacent areas with cooler air. However, the cooling effect decreases rapidly as the distance increases. The more densely built the area, the more quickly the cooling effect is lost.9
In order to counter climate change, the City of Lucerne developed a climate adaptation strategy in 2020, which includes measures against heat stress.10 At the level of urban planning, architectural and landscape design, the objectives and measures listed below are important for climate and urban planning so that the city does not heat up too much in summer.11 The aim is to increase the quality of life and the quality of residence in the city despite high-density construction.
Volumes
Insbesondere bei Arealentwicklungen sollen stadtklimatische Aspekte mitberücksichtigt werden, da grössere Bauvolumen sich negativ auf das Stadtklima auswirken können. Die Grösse und Setzung der Gebäudekörper haben einen grossen Einfluss auf das Mikroklima.
Air circulation
Sufficient attention should be paid to the planning and implementation the air circulation within urban space. With a functioning fresh air circulation system, the heat island effect can be reduced and the quality of life and residence in the city can be improved. Such a system consists of sufficient cold air generation areas (also inner-city green and open spaces) and of ventilation corridors that guide the cool air into housing areas.
Surfaces
Special attention shall be given to choosing materials and colours of surfaces with low heat absorption, choosing especially surfaces with light colours. Also to promoting surfaces that absorb water, store it and release it again with a delay. With the sponge city principle, surfaces temporarily and locally absorb and store rainwater surplus (roofs, façades, infiltrative pavements, green spaces, wetlands, etc.) instead of funnelling it and draining it away. This reduces the risk of flooding during heavy precipitation events, improves the urban climate and increases water availability for urban trees and urban green spaces.
Open space
Making the city greener and ensuring biodiversity in the city. More green spaces, shade, access to water, less pavements, surfaces in public and private spaces covered by near-natural materials.
Ruopigen und Vorderruopigen
12 t oday , the district o F l itta U comP rises a P o PU lation o F 17000.
13 s ee r U o P igen K om P lett , in : Karton : Architektur im Alltag der Zentralschweiz, Heft 5, 2006, Büchi Cla, p. 6–7.
14 s ee W er K , b a U en + W ohnen 77/1990: Ein Stadtfragment: Bebauungsplan und Zentrumsüberbauung, Ruopigen, Littau LU (1962–1987), p. 26–31.
15 e ven tho U gh ( only ) abo U t 1,500 F lats W ere b U ilt bet W een 1963 and 2005, everything Was realised exce P t F or the ch U rch centre , the hotel and the indoor s W imming P ool
Wettbewerb Überbauung Ruopigen
Die Verdoppelung der Einwohnerzahl in den Jahren 1950 bis 1963 veranlasste die Gemeinde Littau zur Einleitung einer Ortsplanung. Ausgehend von einer Bevölkerungsprognose für Littau von 35’000 Einwohnern12 im Jahre 2000 plante die Gemeinde auf dem noch kaum überbauten Areal von Ruopigen – zwischen den Dorfzentren Reussbühl und Littau Dorf – eine mittlere Stadt als neues Gemeindezentrum. Auf dem Areal sollten auf einer Fläche von 530‘000 m2, Wohnungen für etwa 9000 Einwohner, ein Verwaltungszentrum für die Gemeinde, Schulbauten, Kirchen, eine Friedhofsanlage, ein Alterszentrum und ein Einkaufszentrum geplant werden.13
Das Projekt von Dolf Schnebli und Partner gewann 1963 den Ideenwettbewerb für die Überbauung Ruopigen. Das Projekt zeichnet eine Erschliessungsstruktur aus, welche Fahr- und Fussgängerverkehr in zwei Netze trennt und sich durch gegenseitige Verzahnung in Beziehung setzt, wobei die Wohnbauten sich an den Schnittstellen situieren. Im Wettbewerbsprojekt unterteilt eine verlaufende Durchgangsstrasse die Überbauung Ruopigen in eine östliche und westliche Siedlungsstruktur, wobei die Zentrumsüberbauung sich mittig über der Durchgangsstrasse befindet. Dolf Schnebli nahm die Topografie zum Anlass im Zentrum eine grosszügige verkehrsfreie Plattform über der Durchgangsstrasse und der zentralen Parkgarage zu platzieren. Im Beitrag von 1963 umschliessen zwei Ringstrassen die Überbauung, von wo aus radial kleine Strassenäste die Wohnquartiere jeweils erschliessen, demgegenüber die Wegnetze vom Zentrum erfolgen. «Die Überbauung Ruopigen wiederspiegelt als eine der damals wenigen Neustadtplanungen die wechselvolle Geschichte städtebaulich-architektonischer Leitgedanken der Nachkriegsmoderne.»(wbw) In seiner Siedlungs- und Erschliessungsstruktur folgt die Überbauung Ruopigen den Prinzipien des organischen
b. Principle of development, application to the Situation of Ruopigen, 1963. Werk, Bauen + Wohnen 77/1990
r. The Ruopigen planning project, General plan. Competition, 1963. Werk, Bauen + Wohnen 77/1990
16 Z entr U msüberba UU ng , in a rchite K t U rbibliothe K j U lian P a U chard , 2019. htt P s : //www. architekturbibliothek.ch/bauwerk/ zentrumsueberbauung/ Jan. 2023
17 F or the F ree s Pace conce P t F or the r U o P igen develo P ment , see : Anthos. Zeitschrift für Landschaftsarchitektur 11/1972: Grünplanung für die Überbauung Ruopigen bei Littau/LU. p. 10–14.
18 F or FU rther
reading , see a rchitect U re l ibrary t amara g retener (2019): Primarschulhaus Ruopigen. https://www.architekturbibliothek.ch/ bauwerk/primarschulhaus-ruopigen/ Jan. 2023
Städtebaus (z.B. in Hans Bernhard Reichow Sennestadt) einer «gegliederten und aufgelockerten Stadt» (siehe wbw), während in der programmatischen Hierarchie von Zentrum und Siedlung modernistische Elemente der funktionalistischen Stadt erkennbar sind. Das Projekt Schneblis galt schweizweit als visionär und wurde an der Expo 64 ausgestellt.14
Gestaltungsplan und Realisierung
Der von Dolf Schnebli, Tobias Ammann und Partner 1972 ausgearbeitete Gestaltungsplan wurde in seinem Planungsperimeter wesentlich reduziert, da unter anderem der Kanton Luzern ein grosses Areal östlich für die Kantonsschule erworben hatte. Demnach entspricht die Überbauung Ruopigen mehr einem grossen Neubauquartier mit Zentrumsfunktionen.15
Ruopigen und Vorderruopigen
Die Zentrumsüberbauung wurde von 1983 bis 1987 realisiert. Äusserte sich der Wettbewerbsentwurf im zentral gelegenen Ruopigenplatz durch eine skulpturale Wirkung von Kuben und Höfen mit mäandrierenden Raumfolgen, wurde während der Ausarbeitung das Zentrum gestrafft. Im Zentrumsbereich bespielt ein offener Platz mit Arkaden und Läden die Zentrumsbauten, von wo Fusswege zur Schule, Altersheim und Gemeindeverwaltung anknüpfen. Der wohl markanteste Bau, ein in Ost-West Richtung verlaufender Querriegel, beschliesst die Zentrumsüberbauung im Süden. Die geplante Durchfahrtstrasse endet hier abrupt. Der Geschosswohnungsbau ist über eine gläserne Einkaufspassage mit seinem nördlichen Nachbarn, einem Reiterbau, verbunden.16
Im Süden und im Westen liegen die weiteren Wohnüberbauungen. In ihrer zeilenförmigen repetitiven Anordnung und ihren klar begrenzten Aussenräumen, zeugen die Wohnquartiere gegenüber dem Wettbewerbsprojekt, von einer pragmatischeren Bebauungsform mit höherer Dichte.17 Dennoch akzentuieren die zur Ringstrasse hin abschliessenden Punkthäuser eine Volumenstaffelung. Inmitten der westlichen Siedlungsstruktur liegt die von Dolf Schnebli und Partner 1974-76 bereits errichtete Primarschule Ruopigen, welche ihrerseits durch unterschiedliche Hof- und Raumsituationen überzeugt.18
Ein abwechslungsreiches Spiel mit Formen und Materialien prägt den Wohnkomplex des Wohnparks Ruopigen, mit dem die Architekten Scheitlin-Syfrig+Partner aus Luzern die kompakte Wohnanlage inmitten von Grün im Luzerner Vorort Littau auflockern und beleben.1990-1993 Wohnhäuser am Ruopigenplatz, 20022004 Wohnblock aus Backstein und 2005 Wohngebäude Ruopigenhöhepark. 2002-2004 wurde die Überbauung Ruopigen mit dem Verwaltungsbau an der Ruopigenstrasse. Von Peter Tüfer (TGS Architekten) vorläufig abgeschlossen.
Vorderruopigen
Die Stadt Luzern ist Eigentümerin des Grundstücks Vorderruopigen (Prz. Nr. 1507). Das mehrheitlich unbebaute aber zwischengenutzte Gebiet liegt im Perimeter der Überbauung Ruopigen und grenzt im Südwesten an das Zentrum. Die Stadt Luzern beabsichtigt auf dem Grundstück (ca. 38’775 m2) gemeinnützigen Wohnungsbau zu realisieren. Die von der Stadt Luzern in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie wurde vom Team ‘Yellow Z, SKK und Atelier 5 und TEAMverkehr.zug’ als Basis für die weitere Planung empfohlen.19 Die Machbarkeitsstudie bietet die Chance, die städtebauliche Konzeption für die Bebauung des Ruopigenplateaus von Dolf Schnebli aus dem Jahr 1963 aufzugreifen und weiterzuentwickeln.20
Competition for the Ruopigen development
The number of inhabitants doubled between 1950 and 1963, prompting the municipality of Littau to initiate a local planning process. Based on a population forecast for Littau of 35,000 residents12 in the year 2000, the municipality planned a medium-sized town as a new community centre on the Ruopigen site – between the centres of Reussbühl and Littau Dorf – which had hardly been built over. On an area of 530,000 m2 , dwellings for about 9,000 inhabitants, an administrative centre for the municipality, school buildings, churches, a cemetery, a centre for the elderly and a shopping centre were to be planned.13
The project by Dolf Schnebli and Partners won the 1963 ideas competition for the Ruopigen development. The project is characterised by a circulation system that separates vehicular and pedestrian traffic into two networks and interrelates them through mutual interlocking, with the residential buildings situated at the interfaces. In the competition project, a main thoroughfare divides the Ruopigen development into an eastern and western settlement structure, with the centre development located centrally above the thoroughfare. Dolf Schnebli took the topography as an opportunity to create a generous traffic-free platform in the centre above the thoroughfare and the central parking garage. In the 1963 contribution,
19 s ee t eam y ello W Z, s KK U nd a telier 5 U nd team ver K ehr ZU g : Präsentation – Machbarkeitsstudie Vorderruopigen und Staffelntäli Stadtbaukommission 21.01.21
20 s ee s tadt l UZ ern , d ienstabteil U ng i mmobilien , d ominic c h U rch (2019): Freiwillige Offertanfrage für die Erarbeitung einer städtebaulichen Machbarkeitsstudie: Vorderruopigen.
two ring roads enclose the development, from where small radial street branches provide access to the residential quarters, whereas the road networks lead from the centre. „The Ruopigen development is one of the few new town planning projects at the time that reflects the eventful history of urban planning and architectural concepts of post-war modernism“ (wbw). Hans Bernhard Reichow Sennestadt) of a „structured and loosened city“ (see wbw), while modernist elements of the functionalist city are recognisable in the programmatic hierarchy of centre and settlement. Schnebli‘s project was considered visionary throughout Switzerland and was exhibited at Expo 64.14
Design plan and realisation
The design plan developed by Dolf Schnebli, Tobias Ammann and Partners in 1972 was significantly curtailed in its planning perimeter because, among other changes, the Canton of Lucerne had acquired a large area to the east for the cantonal school. As a result, the Ruopigen development more closely resembles a new large district with centre functions.15
The development of the centre was realised from 1983 to 1987. While the competition design in the centre of Ruopigenplatz was characterised by a sculptural effect of cube-like structures and courtyards with meandering spatial sequences, the centre was tightened up during the development phase. In the central area, an open square with arcades and shops serves the central buildings, from where pedestrian paths lead to the school, old people‘s home and municipal administration. Probably the most distinctive building, an east-west oriented transverse block, completes the centre development in the south. The planned thoroughfare ends sharply here. The multi-storey residential building is connected to its northern neighbour, an equestrian building, over a glass shopping arcade.16
The other residential buildings are located to the south and west. With their repetitive linear arrangement and clearly defined exterior spaces, the residential quarters are pragmatic and denser than the competition project.17 Nonetheless, the punctuated blocks facing the Ringstrasse accentuate a staggered volume. In the middle of the western settlement structure is the Ruopigen primary school, already built by Dolf Schnebli und Partner in 1974-76, which is itself convincing with its various courtyard and spatial situations.18
A diverse interplay of forms and materials characterises the housing complex of the Ruopigen residential park, with which the architects Scheitlin-Syfrig+Partner from Lucerne have eased and enlivened the compact residential complex in the midst of parkland in the Lucerne suburb of Littau. 1990-1993 residential buildings on Ruopigenplatz, 2002-2004 brick residential block and 2005 residential building Ruopigenhöhepark. 2002-2004 the Ruopigen superstructure was completed with the administrative building on Ruopigenstrasse. by Peter Tüfer (TGS Architekten) was completed for the present.
Vorderruopigen
The City of Lucerne is the owner of the Vorderruopigen property ( plot no. 1507). The mostly undeveloped but temporarily used area lies within the perimeter of the Ruopigen development and borders the city centre to the southwest. The City of Lucerne intends to build non-profit housing on the property (approx. 38,775 m2). The feasibility study commissioned by the City of Lucerne was recommended by the team ‚Yellow Z, SKK and Atelier 5 and TEAMverkehr.zug‘ as a basis for further planning. The feasibility study gives the opportunity to adopt and further develop the urban planning concept for the development of the Ruopigen plateau by Dolf Schnebli from 1963.
Semesterstruktur und Aufgabenstellung
Phase 1: Städtebauliche Setzung
1. Korrelation zwischen Städtebau und Mikroklima
Im FS23 gehen wir der Frage nach, wie klimatische Faktoren die gängigen, städtebaulichen Muster ergänzen und beeinflussen. Wir untersuchen, wie sich unterschiedliche Parameter auf das Mikroklima der Umgebung auswirken. Volumetrie, Oberflächenstruktur und Vegetation bilden dabei die primären Faktoren. Weitere klimarelevante Parameter und Kriterien gilt es im Verlauf des Semesters herauszufinden und in Architektur und Städtebau umzusetzen. Als Areal dient das Grundstück Vorderruopigen der Stadt Luzern mit dem Angebot von gemeinschaftlichem Wohnraum.
2. Simulation von fünf städtebaulichen Szenarien Aufgrund von fünf modellhaften, städtebaulichen Grundmustern gehen wir in der ersten Semesterhälfte in Gruppenarbeiten folgenden Fragen nach:
Wie korrelieren die unterschiedlichen Parameter unter- und miteinander und wie wirken sie sich auf das Klima der nahen und fernen Umgebung aus?
Was sind zusätzliche Parameter für das Mikroklima und wie hoch ist deren städtebauliche Relevanz?
Was sind allgemein gültige und was sind spezifische Folgerungen aus den Simulationen?
Wie verhält und verändert sich das Klima bei hohen und niedrigen Gebäudevolumen?
Was ist eine sinnvolle Etappierung, welche sich aus den Erkenntnissen der Simulationen ergibt?
Wie beeinflusst die Masse der Gebäude das Mikroklima (Leichtbau / Massivbau)? …
3. Klimatische und städtebauliche Adaption Aufgrund der klimatischen Simulationen werden die gegebenen Szenarien gemäss den gewonnenen Erkenntnissen adaptiert. Parallel dazu gilt es, die veränderten Grundmuster auch anhand von städtebaulichen Kriterien zu überprüfen und zu adaptieren.
Modellhafte städtebauliche Szenarien:
Szenario A: Zeilenbauten N-S, O-W
Szenario B: Punkthäuser
Szenario C: Blockränder (mit Hof)
Szenario D: Grossvolumen (ohne Hof)
Szenario E: Grossformen (Mäander)
Phase 2: Architektonische Umsetzung
4. Prototypische erste Skizze eines Innenraumes: Protosketch in Einzelarbeit Wähle ein Gebäude aus deinem adaptierten Szenario aus. Übertrage die bisherigen Erkenntnisse auf dessen Fassade. Versetze dich in das Innere deines Gebäudes und schaue von innen heraus durch die Fassade in den Aussenraum. Wie korreliert das Mikroklima mit deinem Innenraum? Wie verändern die Erkenntnisse der Simulationen deine Aussen- und Innenfassade, wie reagiert dein Innenraum darauf? Erstelle davon ein Bild im Format A1. Diese erste, prototypische Skizze nennen wir Protosketch, welche im Verlauf des Semesters gemäss deiner Projektentwicklung laufend angepasst wird.
5. Individuelle Projektarbeit Ausgehend von deinem Proto-Sketch, den Erkenntnissen aus den Gruppenarbeiten, den klimatischen Simulationen und in der Wechselbeziehung zu den Nachbargebäuden, erarbeite ein Projektvorschlag von deinem gewählten Gebäude im Massstab 1:200.
Instrument: Volumetric genotypes adapting to wind patterns. Krautheim, Pasel, Pfeiffer, Schultz-Granberg. DOM Publishers, 2014
City and WindClimate as an Architectural
Simulating wind effects on San Francisco: Since the late 1960s the College of Environmental Design has operated an Environmental Simulation Laboratory. Peter Bosselman. UC Berkeley Environmental Simulation Laboratory. Source: Roessler, Kobi, Siteger. KLIMA POLIS Vol. 1 City, Climate, and Architecture www.exhibits.ced.berkeley.edu
Semester structure and design task
Phase 1: Urban design setting
1. Correlation between urban design and microclimate
In FS23, we explore how climatic factors complement and impact conventional urban design patterns. We investigate how different parameters affect the microclimate of the surrounding area. Volumes, surface structure and vegetation are the primary factors. Other climate-relevant parameters and criteria are to be determined over the course of the semester and taken into consideration in architecture and urban development. The area in question is the Vorderruopigen site of the City of Lucerne, offering communal living space.
2. Simulation of five urban development scenarios
Based on five models of basic urban development patterns, we will pursue the following questions in group work during the first half of the semester: How do the different parameters correlate among and with each other and how do they impact the climate of the near and distant surroundings? What are additional parameters for the microclimate and what is their relevance for urban development?
What generally valid and what specific conclusions can be drawn from the simulations?
How does the climate behave and change with tall and flat building volumes?
What is a viable staging that results from the findings of the simulations? How does the mass of the buildings influence the microclimate (lightweight / solid construction)?
3. Climatic and urban development adaptation
Based on the climatic simulations, the given scenarios are adapted according to the findings. At the same time, the changed basic patterns must be checked and adapted according to urban planning criteria.
Model urban planning scenarios:
Scenario A: Row buildings N–S, E–W
Scenario B: Apartment buildings
Scenario C: Residential block (with courtyard)
Szenario D: Large volumes (without courtyard)
Szenario E: Large forms (meandering)
Phase 2: Architectural implementation
4. Prototypical first sketch of an interior: Protosketch in individual work
Select a building from your adapted scenario. Transfer the previous findings to its façade. Put yourself inside your building and look from the inside through the façade to the outside. How does the microclimate correlate with your interior? How do the findings of the simulations change your exterior and interior façade, and how does your interior react to them? Create an image of this in A1 format. We call this first, prototypical sketch a protosketch, which will be continuously adapted over the course of the semester corresponding to your project development.
5. Individuelle Projektarbeit
Based on your prototype sketch, the findings from the group work, the climatic simulations and in relation to the neighbouring buildings, develop a project proposal of your chosen building on a scale of 1:200.
Relation between inside and facade:
Loeliger Strub. Wohnüberbauung Moos-Cham Teilgebiet 2, Cham. 2019.
City and WindClimate as an Architectural Instrumen. Krautheim, Pasel, Pfeiffer, Schultz-Granberg. DOM Publishers, 2014
„If there is to be a ‚new urbanism‘ it will not be based on the twin fantasies of order and omnipotence; it will be the staging of uncertainty; it will no longer be concerned with the arrangement of more or less permanent objects but with the irrigation of territories with potential; it will no longer aim for stable configurations but for the creation of enabling fields that accommodate processes that refuse to be crystallized into definitive form; it will no longer be about meticulous definition, the imposition of limits, but about the expanding notions, denying boundaries, not about separating and identifying entities, but about discovering unnameable hybrids; it will no longer be obsessed with the city but with the manipulation of infrastructures and diversification, shortcuts and redistributions - the reinvention of psychological space.“
Veranstaltungen Events
Donnerstag
Atelier F400
Thursdays
Atelier F400
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
12 ECTS
Marked project work
12 ECTS
Schliessen Sie ein Auge und betrachten Sie mit dem anderen, offenen Auge den Screen, der den soeben gelesenen Text darstellt. Das geöffnete Auge wird jetzt geschlossen, das geschlossene gleichzeitig geöffnet; der Screen verschiebt sich scheinbar um einige Zentimeter - hin und her, hin und her - was an seinem Verhältnis zum Hintergrund festzumachen ist. Das ist Parallaxe.
Als Parallaxe (altgriech.: παράλλαξις parállaxis Veränderung, Hin- und Herbewegen) wird also die scheinbare Verschiebung resp. Veränderung eines Objektes durch das Einnehmen verschiedener Positionen der beobachtenden Person beschrieben. Das Überführen dieses Phänomens, welches lediglich eine Verlagerung der eigenen Wahrnehmung zu sein scheint, in die Wirklichkeit selbst, enthüllt die Inkonsistenz der Welt. In den Objekten und im uns umgebenden Raum materialisieren sich inhärente Antagonismen: einmal erscheinen die Objekte so, einmal so, und die ultimative Wahrheit gibt es nicht.
Der kritische Blick auf einen Ort aber macht die tatsächlichen Hegemonien sichtbar: Architektur erscheint als Simulation, als Täuschung, als letzte glatte Oberfläche und austauschbares Bühnenbild einer vollständig globalisierten Welt. Doch einmal im Be-
wusstsein angelangt, eröffnet die parallaktische Verschiebung eine Lücke, ein möglicher Zwischenraum und wir können uns das Phänomen der Parallaxe als entwerferische Strategie zunutze machen: Der Shift vom Wahrnehmungsphänomen in räumliche Eigenschaft eröffnet die Möglichkeit, unsere Alltagsräume aufzubrechen, zu verweben und vielfältig zugänglich zu machen. Die Mehrdeutigkeit, welche den Räumen der Gegenwart innewohnt wird zur Chance, und die Ambivalenz zum Potential. Denn der parallaktische Raum ist verflochten, es ist der Raum der Beziehungen; ohne Deutungshoheit und als Räume des latenten Aushandelns, des latenten Konflikts, sind parallaktische Räume inklusiv und wirklich demokratisch. Die Architektur muss ihr Refugium der vermeintlichen Sicherheit des abgeschlossenen Objekts verlassen, und aus dem vitalen Elend unserer Kulissen entsteigt der Elan Vital: Heterogenität, Abenteuer, das Vertrauen ins Ungewisse und die Koexistenz von Differenzen.
Über die im Folgenden dargestellten Einstiegspunkte nähern wir uns im Fokus Architektur & Material diesem fluktuierenden Beziehungs-Raum an, ergründen ihn mittels unterschiedlicher Medien und überführen ihn schlussendlich in materialisierte architektonische Interventionen. So versuchen wir die Beziehung zwischen dem Haus und der Stadt, Innen und Aussen, Architektur und Landschaft neu zu denken, um zwischen den bestehenden Grenzziehungen Räume der Gemeinschaft und Koexistenz zu schaffen.
Introduction: The Parallax Shift
Close one eye, and with the other, open eye view the screen displaying the text you are reading. Now close the open eye and simultaneously open the closed one: the screen appears to shift several centimetres – back and forth, back and forth – as is evident from its relationship to the background. That is parallax.
The term ‘parallax’ (ancient Greek: παράλλαξις parállaxis change, alternation) thus describes the apparent shift or change of an object when the observer adopts different positions. Applying this phenomenon, which seems to be merely a shifting of one’s own perception, to reality itself reveals the inconsistency of the world. Inherent antagonisms are materialised in objects and the space around us: sometimes the objects seem like this, sometimes like that, and there is no ultimate truth.
The critical gaze at a place makes actual hegemonies visible: architecture appears to be a simulation, an illusion, the final smooth surface and interchangeable stage set of a completely globalised world. Once we become conscious of it, however, the parallax shift opens up a gap, a possible space in between, and we can make use of the phenomenon of the parallax as a design strategy: the multiple meanings inherent in the spaces of the present become an opportunity, ambiguity becomes a potential. Because parallactic space is interwoven; it is the space of relationships; without interpretive authority and as spaces of latent negotiation, of latent conflict, parallactic spaces are inclusive and truly democratic. Architecture has to leave its refuge of the self-contained object, and out of the vital impotence of our urban backdrops the vital impetus will rise: heterogeneity, adventure, faith in the uncertain and the co-existence of differences.
By way of the entry points described in what follows, in the Architecture & Material module we approach this fluctuating space of relationships and explore it by means of various media. Ultimately we translate it into materialised architectonic interventions which rethink the relationship between the House and the City, Inside and Outside, Architecture and Landscape, in order to create spaces of community and co- existence between and beyond existing limits.
Die Auflösung von Figur und Grund, oder: Die Innenwelt der Aussenwelt der Innenwelt
The Dissolution of Figure and Ground, or: The Inner World of the Outer World of the Inner World
„The interior with its cool shiny tiles and the severe windows in the background, has an outside temperature which contrasts with the warm glow of the exterior facade in the sunlight. The open front door without a doorstep makes a smooth transition between the living quarters and the street with its carpet-like surface. The roles of the inside and outside appear to be reversed, creating a spatially cohesive ensemble which expresses, above all, accessibility.“ 1
Bereits 1969 hat Peter Handke in seinem Buch ‚Die Innenwelt der Aussenwelt der Innenwelt‘ erkannt, dass unser Inneres direkt und untrennbar mit unserem Aussen verwoben ist. Die alte Dichotomie zwischen res extensa (das materielle Aussen) und res cogitans (das geistige Innere) sind keine unabhängigen Bereiche. Gleiches muss auch für die Räume gelten, die wir beleben und durchschreiten. Das Verlangen unserer Gesellschaft nach immer mehr kontrolliertem und standardisiertem Komfort jedoch, führt weiterhin zu einem Zementieren dieser Gegenpole und zu komplizierten Schichtenaufbauten: Die Gebäudehülle trennt das Innen vom Aussen, die Dampfbremse gewährleistet die Luftdichtigkeit der Fassade und stellt die Hochleistungsfähigkeit der Dämmung sicher, gleichzeitig verhindert die Anwendung von Pestiziden Schimmelwachstum an der Fassade.
Es scheint als versuchten wir mit allen Mitteln, das Aussen von unseren schützenden Refugien fern zu halten. Die Mentalität der Moderne und ihre Techniken der Kontrolle haben jedoch ihr Limit erreicht. Denn spätestens jetzt holt uns das unheimliche Aussen wieder ein: Durch die gestiegene Kohlendioxidkonzentration in der Luft wurde der ganze Planet zum Innenraum. Es gibt keine frische Luft mehr, denn mittlerweile ist die Kohlendioxidkonzentration in der Luft auf 416 ppm gestiegen. Das ist 15% höher als noch vor 25 Jahren (361ppm) und entspricht der Differenz zwischen dem was wir damals als „Frischluft“ und „Innenraumluft“ bezeichneten.
Im Moment also, in dem die binäre Opposition zwischen Innen und Aussen ihre Kraft zugunsten komplexer Beziehungen verloren hat öffnet sich eine räumliche und theoretische Lücke im architektonischen Denken, welche sich als produktiv erweisen könnte in Zeiten der Krise. Anstelle der bauphysikalischen Schichtung im Nanobereich, welche sich in einer kontaminationsfreien Trennung zwischen Innen und Aussen erschöpft, tritt Raum selbst. Die Manipulation der Schnittstelle zwischen Figur und Grund lässt zwischen den schwarzen und weissen Flächen in Nollis Plan einen dritten, liminalen Raum entstehen, welcher sich aus einer Vielzahl von Schwellen-, Zwischenräumen und Passagen zusammensetzt, die wiederum im Wechselspiel zwischen innen und aussen, öffentlich und privat die gebauten Grenzen zu verwischen beginnen. Hier hält die Stadt Einzug in das Haus und der häusliche Raum dehnt sich aus in den städtischen. In diesem Dazwischen-Sein werden Gemeinschaft und Koexistenz neu verhandelt.
As early as 1969, Peter Handke recognised in his book ‘Die Innenwelt der Aussenwelt der Innenwelt’ (The Inner World of the Outer World of the Inner World) that our inside is directly and inseparably interwoven with our outside. The old dichotomy between the res extensa (the material outside) and the res cogitans (the mental inside) does not describe independent areas. The same thing now has to apply to the spaces we inhabit and walk through.
Our society’s desire for increasingly controlled and standardised comfort, however, is leading to a cementing of these opposite poles and to complicated, layered structures: the building shell separates the inside from the outside; the airtightness of the façade serves as a vapour retarder and ensures that the insulation is effective, while the pesticide-applied plaster prevents mould growth on the façade. It seems we use every means possible to keep the outside away from our protective refuges.
DThe mentality of the modern age and its techniques of control have, however, reached their limit. By now at the very latest, the uncanny outside has brought us back in: the increased concentration of carbon dioxide in the air has turned the entire planet into an interior. There is no longer any fresh air, since the concentration of carbon dioxide has in the meantime risen to 416 ppm. That is 15% higher than just 25 years ago (361 ppm) and corresponds to the difference between what we used to call ‘fresh air’ and ‘indoor air’.
At the moment at which the binary opposition between inside and outside has lost is force to more complex relationships, a spatial and theoretical gap in architectonic thinking opens up that could prove productive in times of crisis. Space itself is taking the place of stratification on the nanoscale of building physics that is limited to a contamination-free separation of inside and outside. The manipulation of the intersection of figure and ground causes a third, liminal space to emerge between the black and the white areas of Nolli’s map that is composed of a large number of thresholds, in-between spaces and arcades, which in turn begin to blur the built boundaries in the interplay between inside and outside, public and private. Here the city permeates the house and the domestic expands into the urban space. In this state of spatial ambivalence and in-between-ness community and co-existence are renegotiated.
Hybridität und Koexistenz
Hybridity and Co-existence
Obwohl Architektur in erster Linie trennt - das Zeichnen einer Linie kommt stets einer Grenzziehung die Raum ein- oder ausschliesst gleich - propagieren wir eine Architektur die versucht, Grenzen räumlich zu unterwandern und als Schnittstelle Räume verbindet und erweitert. Das Auflösen und Verwischen von Grenzen ist nicht gleichbedeutend mit der Absenz von Material und Substanz; also kein rein subtraktiver Prozess. Vielmehr kann das Dazwischen als Überlagerung verschiedener Ordnungen und Systeme verstanden werden: Als Raum, in welchem sich zwei Welten begegnen und durchdringen, verdichten sich hier die Ereignisse. Im Sinne der Transparenz, der gleichzeitigen Wahrnehmung unterschiedlicher Raumordnungen, eröffnet der hybride Raum unterschiedliche Lesarten und eine Vielzahl von Beziehungen. Ambivalenz wird zum Potential.
„Transparency implies more than an optical characteristic, it implies a broader spatial order. Transparency means a simultaneous perception of different spatial locations. Space not only recedes but fluctuates in a continuous activity. The position of the transparent figures has equivocal meaning as one sees each figure now as the closer now as the further one.“
„The space that was restored to the street is an integral part of the architecture, partly because of the specific location on a corner, and partly because of the materials that were employed (same kind of tiles on the floor as in the rest of the building, and the glass awning). It is therefore equivocal: private yet public.“ 3
Although architecture primarily separates – drawing lines is always like drawing a border that includes or excludes space – we are advocating an architecture that tries to undermine borders spatially and as an interface connects and extends spaces. Dissolving and blurring boundaries is not the same as the absence of material and substance; it is not a purely subtractive process. Rather, the in-between can be understood as a superimposition of different orders and systems: as space in which two worlds meet and interpenetrate, the events are densified. In the sense of transparency, of the simultaneous perception of different spatial orders, hybrid space opens up different readings and a number of relationships. Ambiguity becomes potential.
Schwelle, Sequenz und Rite de Passage Threshold, Sequence and Rite de Passage
Der parallaktische Raum ist per Definition ein Raum im Übergang und trägt damit Bewegung als Eigenschaft inne. Als Schwelle zwischen hier und dort, dem Hin- und Herbewegen zwischen den Zuständen, und zwischen physischer Wirklichkeit und Imagination, ist der parallaktische Raum ein Möglichkeitsraum. Die Schwelle ist der Schlüssel zum Übergang und zur Verbindung widersprüchlicher Gebietsansprüche, und, als Ort mit eigener Berechtigung, erzeugt sie die Bedingungen für das Zusammentreffen und den Dialog zwischen unterschiedlichen Bereichen verschiedener Ordnungen. Sie beeinflusst die Bewegung zwischen zwei Räumen, und mit der Art und Weise wie sich Übergänge verschliessen oder öffnen, bestimmt die Schwelle wie wir von einem Ort zum anderen gelangen. Die Schwelle verkettet unterschiedliche Räume zur Sequenz. Mit dem Durchschreiten des Übergangsraumes verändert sich der wahrgenommene Raum latent, und mit ihm die schreitende Person. Als Behälter und Beschützerin im ungeschützten, weil undefinierten Zustand der Übergangs, kommt der Schwelle Verantwortung zu: Sie ist derjenige Moment oder der Ritus, durch den ein Individuum entweder in die Gemeinschaft integriert oder aus ihr ausgeschlossen wird. So hat die Schwelle transformatives Potential und trägt die Möglichkeiten persönlicher und sozialer Wandlung in sich.
„A logical sucession of nuclei bound together by relation of solidarity: the sequence opens when one of its terms has no solitary antecedent and closes when another of its terms has no consequences.“ 4
Parallactic space is by definition a space in transition had thus movement is an inherent quality of it. As a threshold between here and there, between states and between physical reality and imagination, parallax space is a space of possibility. The threshold is the key to transition and connection of divergent territorial claims and, as a place in its own right, it creates the conditions for the meeting and dialogue between areas of different orders (cf. Hertzberger, p. 32). The threshold influences the movement between two spaces, and with the way the transitions close or open, the threshold determines how we get from one place to another.
As people walk through this space of transition, the way they perceive space changes latently, and with it the person walking. As a container and protector in the unprotected (because undefined) state of transition, the threshold bears responsibility. It is this very moment or rite through which an individual is either being integrated or excluded from a community. Hence, the threshold has transformative potential and bears the possibility for personal and societal change.
Vom Territorium zum Terrain, von der Oberfläche zum (Unter)Grund
From Territory to Terrain, from Surface to (Under)Ground
Das Denken innerhalb scheinbar unumstösslicher Parzellengrenzen - befeuert durch die Baugesetze mit ihren Grenzabständen und durch das marktförmige Begehren, Komplexität zu vermeiden - hat schlussendlich zur Desintegration der einzelnen Baukörper geführt. Die grössere Autonomie der einzelnen Häuser hat deren gegenseitige Wechselwirkung gleichermassen verringert. So stehen sie (die Häuser) nun, frei von Zusammenhang und weit auseinander, wie zufällig verstreute Steinblöcke (Megalithen) auf ihren Parzellen; der Raum dazwischen zu gross, um miteinander in Beziehung zu treten und zu kleinmasstäblich und fragmentiert, um eine programmatische Bespielung zu erlauben. Doch die Architektur der Stadt liegt zwischen ihren Häusern, und so operieren wir jenseits der Parzellengrenzen.
Wenn wir Architektur jenseits dieser Grenzen und jenseits der Objekte denken, müssen wir unseren Blick auch auf den Raum unter unseren Füssen richten und Vorschläge erarbeiten, wie die Architektur des Bodens die Stadt bereichern und erhalten kann. Über einen Drittel der Flächen in unseren Städten sind versiegelt; Überhitzung und Flutung bei extremen Wetterbedingungen sind mittlerweile die Norm. Doch der Boden ist keine Oberfläche. Die Ökologie hat aufgezeigt, dass der Reichtum des Lebens oberhalb bestimmt wird durch die Komplexität und den Reichtum im Boden unterhalb. Die Stadt benötigt offene Böden und dichte Grünräume, um sowohl das menschliche wie auch das nicht-menschliche Leben zu unterstützen. So wie wir die Trennung zwischen innen und aussen, öffentlich und privat als horizontalen Vektor in Frage stellen, versuchen wir, die Trennung zwischen Luft, Wasser und Erde aufzuheben und Räume zu entwerfen, in denen das Unterhalb direkt mit dem was über der Oberfläche geschieht in Beziehung steht.
Thinking within the seemingly inviolable lines of a parcel of land – defined by building codes with their setback requirements and by the market-driven desire to avoid complexity – has ultimately led to the disintegration of individual building volumes. The larger autonomy of individual buildings has reduced their reciprocal interaction to the same degree. As a result, they (the buildings) are now standing on their plots, free of context and far apart, like randomly placed blocks of stone (megaliths); the space between them is too large for them to relate to one another and too small-scale and fragmented to permit programmatic use of them. Nevertheless, the architecture of the city lies between its buildings, and so we operate beyond the boundaries of the plots.
If we think of architecture beyond objects, we also have to direct our gaze at the space beneath our feet and work out proposals how the architecture of the ground can enrich and preserve the city. More than a third of the areas in our cities are sealed; overheating and flooding under extreme weather conditions have come the norm. But the ground is no surface. Ecology has shown that the diversity of life above is determined by the complexity and variety in the ground. The city needs exposed grounds and dense green spaces to support both human and non-human life.
Just as we question the separation of inside and outside, public and private as a horizontal vector, we are trying to eliminate the separation of air, water and earth and to design spaces in which the underneath is directly related to what is happening on the surface.
Anagram vs. Programm / Exaptation vs. Adaption
Anagram vs. Programme / Exaptation vs. Adaptation
Raum ist nicht absolut. Raum ist kein passives, indifferentes Milieu, sondern ein aktives Element, welches gewollt oder unterbewusst transformiert und manipuliert werden kann; dies nicht nur um Ereignisse und Bedeutung herzustellen, sondern auch um sozialen und politischen Wandel zu befeuern.
Dem geordneten, kontrollierten und immer exklusiver gewordenen Stadtraum versuchen wir Räume entgegenzustellen - Gegenräume - welche sich jenseits bestehender Grenzziehungen und Besitzverhältnisse in die Stadt schieben, aus der Baumasse subtrahiert oder lediglich zugänglich gemacht werden. Diese neuen Möglichkeitsräume entziehen sich der gängigen Zuweisung von diesseits und jenseits. Die dabei entstandenen Verbindungen überlagern und unterwandern bestehende Raumordnungen und verbinden als subversive Infrastruktur den häuslichen Raum mit dem städtischen. Diese räumlich inkonsistenten, hybriden Räume, welche zwischen positiv und negativ, zwischen voll und leer oszillieren, stellen Konflikträume dar, welche sich einer klaren räumlichen und funktionalen Zuweisung entziehen und daher stets neu verhandelt werden müssen.
Wir sind nicht daran interessiert festzulegen was diese Räume sind, sondern vielmehr gespannt darauf herauszufinden was sie leisten und in sich aufnehmen können, welche Verbindungen sie ermöglichen und welche räumlichen Zusammenhänge sich durch diese Gegenräume eröffnen.
Programmatisch sind diese nicht abgeschlossenen Räume Konvergenzen von Anagrammen, welche eine Vielzahl von Anordnungen und Bespielungen erlauben, ohne den Raum dabei physisch zu verändern. Raum soll hier Möglichkeiten provozieren anstatt Lösungen. Der ambivalente Zwischenraum ist der wahre Raum utopischen Denkens. Seine funktionale Leere eröffnet die Möglichkeit der Exaptation; anstatt sich selbst an den Raum adaptieren zu müssen, eignet er sich zur Zweckentfremdung, Aneignung und Besetzung.
„Events ‚take place‘. And again. And again.“ 5
Space is not absolute. Space is not a passive, indifferent milieu but rather an active element that can be transformed and manipulated intentionally or subconsciously, not only in order to create events and meaning but also to fuel social and political change.
We try to counter the ordered, controlled and increasingly exclusive urban space with counter-spaces that operate beyond existing boundaries, which are slid in between property lines, subtracted from existing building volumes or merely made accessible. These new spaces of possibility elude the usual attribution of on this side and beyond. The resulting connections overlap and infiltrate existing spatial orders and as subversive infrastructure connect domestic and urban space. These spatially inconsistent, hybrid spaces that oscillate between positive and negative, between full and empty represent areas of conflict that cannot be clearly categorised spatially or functionally and therefore have to be constantly renegotiated.
We are not interested in pinning down what these spaces are but rather curious to find out what they can achieve and assimilate, what connections they permit and what spatial connections these counter-spaces open up.
Programmatically, these open spaces are convergences of anagrams that permit a large number of orderings and uses without physically changing the space. Here space is intended to provoke possibilities rather than solutions. Ambiguous in-between space is the true space of utopian thinking. Its functional void opens up the possibility of exaptation; rather than having to adapt to the space, it is suited to repurposing, appropriation and occupation.
Ort, Fragestellung, Methode Site, Question, Method
Der Ort unserer Betrachtungen ist das Gebiet im Westen der Stadt Luzern entlang der Baselstrasse, Lädelistrasse, Dammstrasse, Meyerstrasse, Sentimattstrasse und Gütschstrasse. Als komplexer städtischer Raum ist der Perimeter ausufernd und als Gebiet ohne klare Grenzen zu verstehen. Im Übergang von dichter Kernstadt und den daran anschliessenden, mit der Stadt verwachsenen Siedlungsgebieten Emmen und Littau, liegt der Betrachtungsperimeter auch zwischen den landschaftlichen Elementen der Gütsch und der Reuss mit ihren Brücken. Als Schwellenraum trägt er selbst Heterogenität in sich. Er ist geprägt von Brüchen; Bauten aus unterschiedlichen Zeiten mit unterschiedlicher Körnung, programmatisch divers, durchzogen von Verkehrsachsen, topografisch und infrastrukturell komplex; Stützmauern, Unterführungen, Parkhäuser, alte Industrien, Gewerbe und Wohnen, das Funiculaire. Das Potenzial eines parallaktischen, antagonistischen Raumes ist immanent.
Ausgehend von der gebauten Umwelt, betrachten wir Materialien von Innen- und Aussenräumen wertungsfrei, um deren Leistungsfähigkeit jenseits ihrer tradierten sozio-kulturellen, atmosphärischen und funktionalen Zuschreibungen untersuchen zu können.
Über ein Spektrum verschiedener Medien versuchen wir den Ort in seiner Komplexität zu erfassen. Die spekulative Betrachtung des Bestehenden ist dann der Ausgangspunkt, um jenen mittels Interventionen zu manipulieren und als parallaktischen Raum zu potenzieren. Die Intervention selbst ist dabei stets prothetisch: Sie kann nicht für sich selbst stehen, sondern existiert nur in Verwebung mit dem Bestand. Wir entwerfen keine Häuser, sondern Beziehungen und Verbindungen. In der Auflösung der Dichotomie von Objekt und Zwischenraum, Haus und Strasse eröffnet sich ein dritter, fluktuierender Raum, derjenige der Überlagerung, zugehörig zu beiden Polen gleichermassen. Das Innere kehrt sich nach Aussen und gleichermassen wird das Aussen als Stadtinnenraum erlebbar. Diese dritten Räume sind stets kollektiv, sie schaffen Verbindungen, Raumsequenzen, Abkürzungen und Umwege. Das dauerhaftere Programm und die ephemere Performance sind dabei Strategien, um das Potenzial des parallaktischen Raumes in seinen unterschiedlichen Zeitlichkeiten zu testen.
Architektur verstehen wir als nicht-autonome Disziplin; im besten Sinne ist sie Aussenseiterin in den verschiedenen Welten und vermag jene in Raum zu transponieren. Entsprechend fliessen im Modul Theorie und Praxis zusammen. Über den geteilten Perimeter stehen die individuellen Entwürfe in nahem Austausch untereinander, steigern kontinuierlich die wechselseitigen Abhängigkeiten und zeichnen entsprechend auf gemeinsamer Karte. Die ausgreifende, hybride Karte führt uns über die Möglichkeiten des Plans als abstrakte Vereinfachung hinaus, um komplexe Umwelten erfassen und darstellen zu können.
Das Semester ist abgestützt auf eine gemeinsame Bibliothek mit digitalem und physischem Bild- und Textmaterial, und rhythmisiert sich über eine anfängliche, sich später wiederholende Dérive, kollektive Entwurfsdiskussionen im Plenum, das gemeinsame Lesen, Schauen und Diskutieren einer Auswahl von Texten und Filmen, und über konzentrierte Tischgespräche. In enger Zusammenarbeit mit Soziolog*innen, Stadtplaner*innen, Fotograf*innen, Anthropolog*innen, Landschaftsarchitekt*innen und Sound Architekt*innen verdichtet sich der parallaktische Raum über unterschiedliche Perspektiven. Raum, Intervention, Programm, Ort und Material werden gemeinsam verhandelt und materialisieren sich polyphon in Modell, Zeichnung, Ton, Bild, Text und Film.
The site of our observations is the area in the western part of the city of Lucerne along Baselstrasse, Lädelistrasse, Dammstrasse, Meyerstrasse, Sentimattstrasse and Gütschstrasse. As a complex urban space, the perimeter should be thought of as overflowing, as a place without clear boundaries. In the transition from the dense core of the city to the adjoining settlements of Emmen and Littau, which have grown with the city, the perimeter of our observations lies between the rural elements of the Gütsch Hill and the Reuss River with its bridges. As a threshold space, it is inherently heterogeneous. It is marked by rifts; buildings from different times with different grain, programmatically diverse, passed through by traffic axes, topographically and infrastructurally complex; retaining walls, underpasses, car parks, old industries, commercial and residential, the funicular. The potential to be a parallactic, antagonistic space is immanent.
Starting out from the built world, we objectively examine materials of interiors and exteriors in order to study their effectiveness independently of their traditional sociocultural, atmospheric and functional attributions.
Employing a spectrum of media, we try to grasp the place in all its complexity. Speculative observation of the existing is then the point of departure for manipulating it through interventions and increasing its potential as parallactic space. The intervention itself is always prosthetic: it cannot stand for itself but exists only when woven into the extant fabric. We will not design houses, but rather relationships and connections. By dissolving the dichotomy of object in in-between space, building and street, a third, fluctuating space opens up, namely, that of overlapping, of belonging to both poles equally. The inside turns outward, and likewise the outside can also be experienced as an urban interior (Gordon Matta Clark, Conical Intersect, 1975). These third spaces are always collective; they create connections, sequences of spaces, shortcuts and detours (arcades in Paris, sequences of spaces and abbreviations). The longer-lasting programme and the ephemeral performance are strategies to test the potential of parallactic space in its various temporalities.
We understand architecture as a non-autonomous discipline; in the best sense, it is an outsider in different worlds and is able to transpose them into space. Accordingly, theory and practice flow together in this module. On the shared perimeter the individual designs remain in close interchange, the mutual dependencies continuously increase as we are drawing on a common map. The expansive, hybrid map leads us beyond the possibilities of the plan as an abstract representation so that we can grasp and depict complex environments.
The semester is based on a shared library of digital and physical visual and textual materials and gets its rhythm from an initial dérive that is later repeated, collective design discussions in the plenary session, by jointly reading, seeing and discussing a selection of texts and films and concentrated desk discussions. In close collaboration with sociologists, urban planners, photographers, anthropologists, landscape architects and sound architects, the parallactic space is condensed through different perspectives. Space, intervention, programme, place and material are negotiated together and materialised polyphonically in the model, drawing, sound, image and film.
Sprache Language
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Benotete Projektarbeiten
21 ECTS
Marked project work
21 ECTS
Keeping what‘s good –
The Former Gelatin Factory in Winterthur
Information Events
Site visit: Wed 22 February 2023, 9.15 further information will follow
Midterm-Review in Muttenz: Wed 5 April 2023
Pin-Up in Horw: Wed 17 Mai 2023
Final submission for plans & models: Fri 16 June 2023, 09.00
Final-Review in Muttenz: Wed 21 June 2023
Final Submission
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Ausgangslage
Winterthur ist die sechstgrösste Stadt der Schweiz und die zweitgrösste des Kantons Zürich. Nur 15 Kilometer südwestlich des Flughafens Zürich gelegen, bewältigt der Bahnhof als Knotenpunkt die fünfthöchste Passagierfrequenz der Schweiz. Die Bevölkerungszahl Winterthurs hat sich seit den 1950er-Jahren auf rund 120›000 im Jahr 2021 verdoppelt und wächst weiter an.
Südlich des Bahnhofs Winterthur Grüze befindet sich das gleichnamige Quartier, eines der wichtigsten Entwicklungsgebiete der Stadt, das bis heute stark durch seine Industrie und sein Gewerbe geprägt ist. Grüze und den unmittelbar angrenzenden Quartieren im Norden der Gleise wird in den kommenden Jahrzehnten ein grosser Wandel vorhergesagt. Es ist davon auszugehen, dass sich das Quartier um den Bahnhof bis ins Jahr 2030 zu einem zweiten Zentrum entwickeln wird. Östlich der Seenerstrasse sind bereits heute grosse Veränderungen sichtbar, zu denen auch der Volkspark Eulachpark mit den angrenzenden grossen Wohnbauten auf dem ehemaligen Industrieareal der Sulzer AG gehören. Aber auch die sich in Planung befindende Querung Grüze, eine grosse Busbrücke, welche den Bahnhof Grüze zur zentralen ÖV-Drehscheibe für den östlichen Teil der Stadt werden lässt, deutet auf die hohe Bedeutung des Quartiers für die Entwicklung Winterthurs hin.
Im offiziellen Stadtentwicklungskonzept Winterthur 2040 gibt sich die Stadt eine räumliche Entwicklungsperspek-
tive, in der das Wachstum auf das ‹urbane Rückgrat› von Töss bis nach Oberwinterthur gelenkt wird. Das Gebiet Grüze Plus wird darin als einer von sechs Schwerpunkträumen definiert, welcher von strategischer Bedeutung für die Entwicklung Winterthurs ist. Die Perspektive für dieses Gebiet baut vor allem auf den vorhandenen Strukturen und Qualitäten auf und verliert dabei die Entwicklungen in den Übergangsbereichen zu den angrenzenden Quartieren nicht aus den Augen. Der öffentliche Gestaltungsplan Umfeld Grüze fixiert schliesslich die Rahmenbedingungen für die Entwicklung des Bahnhofs Grüze zum künftig zweitwichtigsten Bahnhof Winterthurs. Über den gesamten Gestaltungsplanperimeter ist eine Nutzungsdurchmischung von Arbeiten (Gewerbe, Dienstleistung, Verkauf) und Wohnen vorgesehen. Diesem angekündigten und tatsächlichen Entwicklungsdruck und der damit verbundenen Bedeutung für die Entwicklung der gesamten Stadt ist auch die ehemalige Gelatinefabrik und das Areal auf dem sie steht ausgesetzt.
Initial Situation
Winterthur is the sixth-largest city in Switzerland and the second-largest in the Canton of Zurich. Located just 15 kilometres south-west of Zurich Air-port, the train station is a hub that has the fifth-highest passenger frequency in Switzerland. Winterthur’s population has doubled since the 1950s to around 120,000 in 2021 and continues to grow.
South of the ‘Winterthur Grüze‘ train station lies the eponymous district, one of the most important areas for development in the city, one that still has industrial and commercial character. Grüze and the immediately adjoining areas north of the tracks are expected to transform greatly in the coming decades. It is reasonable to assume that the district around the train station will evolve into a second centre by 2030. Big changes are already evident east of Seenerstrasse, including the public ‘Eulachpark‘ and the adjacent large-scale apartment complex on the former industrial site of Sulzer AG. But the planned ‘Querung Grüze’ (Grüze Crossing), a large bridge for buses that will turn the Grüze train station into the central hub of public transport for the eastern part of the city, is also a sign of the district’s importance to the development of Winterthur.
In the official urban-planning concept ‘Winterthur 2040’, the city offers a perspective on regional planning in which growth will be focused on the ‘urban backbone’ from Töss to Oberwinterthur. It defines the ‘Grüze Plus’ area as one of six areas of focus that are of strategic importance to Winter-thur’s development. The perspective for this area above all builds on existing structure and qualities without losing sight of developments in the transitional areas with adjacent districts. Finally, the public design plan ‘Umfeld Grüze’ (Grüze Environs) establishes the basic conditions for the future development of the Grüze station into Winterthur’s second most important train station. The entire perimeter of the design plan will have mixed use for work (commercial, services, sales) and housing. The former gelatin fac-tory and its grounds are also subject to this proclaimed and genuine pressure to develop and the associated importance of developing the city as a whole.
Aufgabe Assignment
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entsteht um den Bahnhof Grüze ein Industriequartier. Den Anfang macht 1874 die Gelatinefabrik, in der Knochen und Schlachtabfälle gekocht wurden, um daraus das Grundmaterial für Leim, Nahrungsmittel und später für Filme zu gewinnen. Mit dem Hochkamin, der kleinen Fabrikanten-Villa und den heute nicht mehr existierenden Arbeiterhäusern südlich der St. Gallerstrasse bildete die Fabrik am Eulachufer ein für die Entwicklung des Quartiers bedeutendes Ensemble. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde in der Grüze Gelatine hergestellt, bevor die Produktion aufgrund stark veränderter makroökonomischer Rahmenbedingungen eingestellt werden musste. Die erfolgreichen ersten Jahrzehnte endeten bereits mit dem 1. Weltkrieg. Danach wurde bis in die 1970er-Jahre durch stetige Anpassungen und Erneuerungen der Produktion und der Gebäude der Betrieb aufrechterhalten. Das Konglomerat der einzelnen Gebäudeteile aus den verschiedenen Phasen der Gelantinefabrik zeugt von diesem Prozess und ist in seiner heterogen gewachsenen Struktur ein typisches Beispiel für eine Industriearchitektur, die ihre Wurzeln bereits im 19. Jahrhundert hat. Das Areal der ehemaligen Gelatinefabrik befindet sich folgerichtig im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung. Das Ensemble an der St. Gallerstrasse, bestehend aus Pförtnerhaus, Teilen der Sichtbacksteinfassade der angrenzenden Bauten, Ausgiesshalle und Hochkamin, wird dabei lediglich für eine Unterschutzstellung empfohlen.
Da die Schutzwürdigkeit der bestehenden Objekte die baulichen Strukturen also noch nicht gesetzlich zementiert, bietet sich die ehemalige Gelatinefabrik an, um an einer neuralgischen Stelle im Stadtkörper Winterthurs im Sinne von ‹keeping what’s good› über Erhalt, Teilerhalt und Bauteilwiederverwendung nachzudenken und diese Überlegungen vor dem Hintergrund nachhaltiger innerstädtischer Verdichtungen auf den Prüfstein zu legen.
Ziel der Master-Thesis sind städtebaulich und architektonisch wertvolle Beiträge für ein zukünftiges urbanes und grünes Arbeiten und Wohnen. Während
der ersten zunächst städtebaulichen Überlegungen soll vor allem das Verhältnis zwischen Neu- und Bestandsbau eruiert werden. Im Sinne einer nachhaltigen innerstädtischen, autoarmen Verdichtung an einem sehr wichtigen Knoten für den öffentlichen Verkehr ist dabei eine substantielle Erhöhung der Ausnützung zwingend. Der sich daraus ergebende Konflikt im Umgang mit dem Bestand zwingt zur eigenen Positionierung.
Auf der Basis des Gestaltungsplans Umfeld Grüze, der für die Master-Thesis lediglich eine Empfehlung darstellt, soll eine hohe Nutzungsdurchmischung von Arbeiten und Wohnen von je 50% angestrebt werden. Besonderes Augenmerk gilt dabei folglich den öffentlichen Bereichen im Erdgeschoss und dem Verhältnis von öffentlich zu privat. Die erfolgreiche Anbindung an die angrenzenden Quartiere und die Einbindung der zukünftigen Haltestelle Grüze Nord ins Fuss-, Velo- und Freiraumnetz sind dabei zentraler Teil der Aufgabe. Aber auch die Verbesserung des Stadtklimas im Quartier ist für die Stadt Winterthur ein grosses Anliegen. Die Grüze ist ein Bereich mit einem Mangel an klimaangepassten kühlenden und entlastenden Freiräumen und gilt somit als Suchraum für neue Grünflächen. Aber wie sind Verschattung und Entsiegelung möglich, ohne den noch heute deutlich spürbaren Industriecharakter des ehemaligen Werkgeländes zu verlieren? Welche Rolle kann dabei die Eulach spielen?
Die Gelatinefabrik Winterthur scheint viele der grundsätzlichen Fragestellungen unserer Arbeit in sich zu vereinen. Zentral ist neben der Einbindung in einen bereits sehr heterogenen aber starken städtischen Kontext vor allem die Frage der Vereinbarkeit von Wohnen und Arbeiten. Muss eine Familienwohnung über einem innerstädtischen Handwerksbetrieb heute wieder möglich sein?
Towards the end of the nineteenth century, an industrial district developed around the Grüze train station. It began when the gelatin factory in 1874, where bones and scraps from slaughtering were boiled to obtain a raw material for glue, foodstuffs and later film stock. With the smokestack, the small villa for the factory owner and the no-longer-extant workers’ housing south of St. Galler-Strasse and
the factory on the banks of the Eulach represent an important ensemble for developing the district. Gelatin was produced in Grüze until the second half of the twentieth century. The successful early decades ended with World War I. From then until the 1970s, there were constant adjustments and innovations to the production and the buildings to keep it in operation. The conglomerate of individual buildings from different phases of the gelatin factory reflects this process, and its heterogeneous, organic structure makes it a typical exam-ple of a type of industrial architecture that has its roots in the nineteenth century. The grounds of the former gelatin factory are rightly listed in the Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung (Inventory of Swiss Heritage Sites). The ensemble on St. Galler-Strasse consisting of the gatekeeper’s house, part of an exposed-brick façade of the adjoining buildings, the moulding hall and the smokestack were merely recommended for a lower level of protection.
Because the existing buildings are not yet protected by law, the former gelatin factory provides occasion to reflect on preservation, partial preservation or reuse of building parts in Winterthur’s urban corpus in the spirit of ‘keeping what’s good’ and to put these reflections to the test against the backdrop of sustainable efforts to increase density in the centre of the city.
The goal of the Master’s thesis is to make valuable contributions to the urban planning and architecture for a forward-looking, urban and green approach to work and housing. The first reflections, initially on urban plan-ning, should discuss above all the relationship between new and existing buildings. In the spirit of sustainability, increasing density in a very im-portant hub in the centre of the city, while minimising the need for cars, makes it necessary to increase use substantially. The resulting conflict in dealing with the existing fabric necessitates taking a position of one’s own.
Based on the ‘Umfeld Grüze’ design plan, which is merely a recommenda-tion as a topic for the Master’s thesis, a good mix of use with 50% dedicat-ed to work, 50% to housing should be the goal. Consequently, particular attention should be paid to the public areas on the ground floor and the ratio of public to private. Successfully connecting to the adjoining districts and integrating the future Grüze Nord stop into the network of pedestrian, bicycle and green space is a central part of the assignment. But improving the urban climate in the district is another important concern for the City of Winterthur. Grüze lacks open spaces for cooling and lowering the burden on the climate, so new green spaces must be sought. But how can shade be increased and sealing decreased without losing the still clearly evident industrial character of the former factory grounds? What role can the Eu-lach River play here?
The gelatin factory Winterthur seems to unite many of the basic issues of our work. In addition to integration into an already very heterogeneous but very urban context, one central question is how housing and workplaces can be reconciled. Will it be necessary again today to have an apartment for a family above a craft business in the centre of the city?
eine gebaute Erzählung. Sie wurde schon als „narrative Architektur“ bezeichnet, auch als „Milieuschilderung“; die Architekten selbst sprechen von „szenischem Entwerfen“. „Neapel“ nennen sie die neu gebildete Gasse, über die Balkone kragen, Petersburg“ eine gelblich verputzte Front mit monumenLoggien, die wie Portale die ersten beiden Geschosse durchstoßen. Das ungleiche Ensemble in der nicht gerade nettesten Gegend von Winterthur setzt im Kopf des Betrachters Vielzahl an Bildern frei. Auf diejenigen in den Köpfen der Architekten muss man allerdings erst mal kommen: „Günter Behnisch – frühe sechziger Jahre“ oder „Kaserne aus der amerikanisch besetzten Zone“, so umschreiben sie die von ihnen lustvoll komponierte Tristesse, die Szenerien voller Melancholie, Banalität und Alltag.
Eine solche Art der Heimatsuche ist in der jüngeren Schweizer Architektur nicht unbekannt: Miroslav Šik gebar seiner „Analogen Architektur“ Mitte der achtziger Jahre bleischwere Alternative zu Modernismus und süßlicher Postmoderne. Heute, da Šiks damalige Meisterschüler (unter anderem Valerio Olgiati, Christian Kerez, Quintus Miller und Maranta) abstrakte Betongebilde bauen, nennt er seine -Lehre „Altneue Baukunst“ und meint damit eine popu-
Farbtönen und hochformatigen Fenstern. Hier denkt man an die Stahl- oder Betonskelette alter Industriebauten, aber auch an den armen Wohnungsbau der Nachkriegszeit. Die mit Backstein verkleideten Bauteile – der südliche Riegel und der straßenseitige Kopf des mittleren – sind irgendwas dazwischen, sie sind „alt-altneu“: Erst auf den dritten Blick sind sie als Neubauten erkennbar. Mit ihren tektonisch gegliederten Ziegelflächen, den großen Fenstern und dem rational nicht
Die Wohnungen in den vier Zeilen haben zwischen 2,5 und 6,5 Zimmern und sind jeweils mit einem besonderen Charakteristikum ausgestattet, etwa mit einer doppelt hohen Loggia oder einem Eingang über die Dachterrasse.
Übersichtsplan und Schnitt linke Seite im Maßstab 1:1000, Wohnungsgrundrisse im Maßstab 1:333
Annex, der bis zur Grundstücksgrenze vorspringt, oder weniger Rekonstruktionen dessen, was hier Die Betonplatten der Balkone wirken wie nachangefügt. ist „neu“ an der „Lokomotive“? Das Innere. wie man vielleicht erwarten würde, sondern 120 mit nicht weniger als 25 Typen, einige von ihnen dass man sie nach den Regeln der Immobilieneigentlich als schwer vermietbar bezeichnen müsste ist der Fall). Die Architekten analysierten Vorder unterschiedlichen Lagen und Baukörpertiedeklinierten lehrbuchartig die möglichen Antworten mächtigen mittleren Riegel besitzen die im Erdgeliegenden Maisonettes einen zweigeschossigen Benicht an der Fassade, sondern im Gebäudeinneren Wohnungen darüber bildet diese Mitte eine einWohnhalle und erinnert – nicht nur mit Details Gitterornament des Industrieparketts oder den Flügroßbürgerliche Wohnungen. Derselbe Riegel zur Agnesstrasse hin von je zwei Wohnungen in Längsrichtung geteilt – eine weitere Möglich-
keit, der inneren Enge des Miniquartiers zu entkommen. Die sehr viel schmaleren Riegel an der Gießereihalle erreichen dies mit den erwähnten „Loggia-Portalen“ und dem ebenso reizvollen wie irritierenden Blick in die leere Halle. Darüber liegen Triplex-Wohnungen, deren enge, gestapelte Welt durch den Genuss extremer Weite gesteigert wird: Man betritt sie im obersten Geschoss, von der Dachterrasse aus. Andere Wohnungen profitieren von Vorgärten, großen Balkonen am Siedlungsrand oder von der ansteigenden Raumhöhe unter den Satteldächern.
Leichthändig ist den Architekten diese Bandbreite von Wohnungstypen gelungen, und zwar deshalb, weil sie sich aus dem eigenen Fundus an Entwürfen bedienen konnten, teils über zwanzig Jahre alt und selten umgesetzt. Ihr Vorgehen ist eine unorthodoxe Suche nach Wohnlichkeit wie auch eine –mehr und mehr von jüngeren Kollegen adaptierte – Gegenstrategie zum Schweizer Detailfetischismus: Die Architekten bauen ihre Häuser zusammen mit Generalunternehmern und verschieben die Aufmerksamkeit weg vom (oftmals lausig ausgeführten) Detail hin auf den Bilderreichtum der Architektur und auf die Opulenz der Räume.
Opening Event
Tuesday, 21 February 2023, 13.00
C 401
Additional events
See the calendar for the Master’s In- Depth Study
Final Submission
Electronically as a pdf:
Tue 13 June 2023, 9.00 Ilias
Physically: at the Final Critique Thesis Project / Thesis Book
3 bound copies, layout according to guideline
Language
German / Englisch
Assessment
9 ECTS
Mit dem Thesisbuch verfassen die Studierenden zum Schluss Ihres Studiums an der HSLU T&A eine schriftliche Arbeit die ihr theoretisches Interesse wie auch ihre Haltung als entwerfende Architekten und Architektinnen belegt. Dies geschieht mittels einer fundiert entwickelten These welche auf der Basis einer Befragung und Anwendung vorhandener Theorien und Recherche fusst. Durch die Verbindung von theoretischem Fundament und eigener entwerferischer Praxis entstehen Überlagerungen und Erkenntnisse, die eine Reflexion über das eigene Handeln ermöglichen.
Die Grundlage für die Aufgabe bilden die in den Vertiefungsarbeiten des Masterkurses erlernten Methoden und das dabei erworbene historische und theoretische Wissen. Die Argumentation erfolgt auf nachvollziehbare Art und Weise und soll den im Projekt entwickelten Gedankengang mit bereits vorhandenem Wissen unterlegen.
Das Thesisbuch unterscheidet sich vom Prozessbuch indem es eine These mit dem eigenen Entwurf verwebt. Neben der Erläuterung des architektonischen Projektes tragen Aussagen zu den Themen Material, Struktur und Energie zu einer vertieften Beschäftigung mit diesen Themen bei. Das Thesisbuch stellt in Ergänzung zur Projektabgabe ein eigenständiges Gefäss dar und synthetisiert das nutzbar gemachte theoretische Wissen mit der im Studium erworbenen entwerferischen Kompetenz.
With their thesis book, the students are writing the conclusion of their studies at the HSLU T&A: a writtten work that demonstrates their theoretical interests as well as their stance as designing architects. This is done by means of a well substantiated and developed thesis on the basis of a questionnaire and the application of existing theories and research. Combining the theoretical foundation and the student’s own design practice results in intersections and insights that enable the students to reflect on their own actions.
The assignment is based on the methods learned in-depth studies of the master’s course and the historical and theoretical knowledge acquired from them. The argumentation proceeds in an intelligible way and should use existing knowledge to substantiate the line of thought laid out in the project.
The thesis book differs from the process book in that it interweaves a thesis with an original design. In addition to explaining the architectural project, statements on the themes, materials, structure, and energy contribute to a deeper engagement with these themes. The thesis book represents an autonomous repository and synthesises the theoretical knowledge that has been made useful with the design competence acquired during studies.
Module Modules
In-depth Study
Brennpunkt Berlin um 1989 – Zwischen Rekonstruktion und Dekonstruktion
Focal Point Berlin around 1989 – Between Reconstruction and Deconstruction
Berlin um 1989 – Zwischen Rekonstruktion und Dekonstruktion
Das Interesse, möglichen Paradigmenwechseln in der Architekturgeschichte auf den Grund zu gehen, bildet auch in diesem Semester die Basis unserer Recherche. Das Wendejahr 1989, das im Fall der Berliner Mauer sein emblematisches Bild gefunden hat, mag zuerst einmal ein geopolitisches Ereignis darstellen. Allerdings sind die mit dem Zusammenbruch des Ostblocks sich bahnbrechende Globalisierung und Ideen wie diejenige vom «Ende der Geschichte» (Francis Fukuyama) oder vom «Ende der grossen Erzählungen» (Jean-François Lyotard) auch von breiterer kultureller Bedeutung und finden auf mehr oder weniger direktem Weg ihren Niederschlag in der Praxis und der Theorie der Architektur.
Dass just das Jahr 1989 auch die Erfindung des «World Wide Web» markiert, mag ein historischer Zufall sein, weist aber auf die Parallelität und
die enge Verknüpfung von Globalisierung und Digitalisierung hin, wobei letztere von anhaltender und nicht zu unterschätzender Relevanz für die Architekturproduktion sind. Die unterschiedlichen Strömungen, die den internationalen Architekturdiskurs der 1980er und 1990er Jahre bestimmen – Postmoderne, Dekonstruktivismus, Parametrisches Design, aber auch das Aufkommen von «Star-Architekten» und «signature architecture» –, können so als Vorahnungen und Nachwehen der Zeitenwende von 1989 betrachtet und untersucht werden.
Berlin around 1989 - Between Reconstruction and Deconstruction
This year, interest in getting to the bottom of possible paradigm shifts in architectural history once again constitutes the basis of our research. The political turn of 1989, which found its symbolic image in the breaching of the Berlin Wall, might, on the one hand, represent a geopolitical event. However, globalisation and ideas such as that of the ‘end of history’ (Francis Fukuyama) or the ‘end of the grand narratives’ (Jean-François Lyotard), which were emerging with the collapse of the Eastern bloc, also acquired a broader cultural significance and found their expression in the practice and theory of architecture in a more or less direct way.
The fact that the year 1989 also marks the invention of the World Wide Web may be a historical coincidence, but it points to the parallel development of and close connection between globalisation and digitalisation, the latter being enduringly relevant to architectural production in a way that must not be underestimated. The various movements that determined the international architectural discourse of the 1980s and 1990s – postmodernism, deconstructivism, parametric design, as well as the emergence of ‘star architects’ and ‘signature architecture’ – can thus be seen and examined as premonitions and aftermaths of the fall of the Eastern bloc in 1989.
Foto: lvan Nemec 1987, städtebauliche Axonometrie‘ 1982
Photo: lvan Nemec 1987, urban axonometry 1982
linke Seite: Hans Kollhoff, Wohnbebauung am Luisenplatz,1982-1987,
Bilder
Images, left side: Hans Kollhoff, residential development on Luisenplatz,1982-1987,
Photography © Thomas Gade (l.u.)
Photography © Thomas Gade (l.b.)
rechte Seite: Berliner Mauer, 25.08.1990. Kreuzberg Mitte, Berlin.
Bild u.
Image below, right side: Berlin Wall, 25.08.1990. Kreuzberg Mitte, Berlin.
Berlin around 1989 Berlin around 1989
Bedingungen der Architektur in einer geteilten Stadt Nach unseren Untersuchungen im letzten Semester zur Schweizer Architektur der 1980er und 1990er Jahre blicken wir nun nach Berlin, dem Ort wo die beschriebenen politischen Veränderungen unmittelbar nach dem Mauerfall von1989 eine grundlegende Stadtentwicklung und -transformation nach sich zogen. Um die Phänomene besser einordnen zu können, gilt es sich die Entwicklungen seit Ende des 2. Weltkriegs zu vergegenwärtigen. Aufgrund der politischen Polbindung zwischen den Westmächten und der Sowjetunion kam es 1949 zur Teilung Deutschlands in Westdeutschland und in die Deutsche Demokratische Republik. Dies war gleichbedeutend mit der Separation von West- und Ostberlin, welche als `Frontstädte` Ausdruck der jeweiligen städtebaulichen Doktrin darstellten. Die im August 1961 fertiggestellte Berliner Mauer, welche mitten durch die Stadt verlief, stellte dazu das bauliche Manifest dar.
Diesen politischen Umständen ist auch geschuldet, dass Deutschland nur eine sehr kurze Phase der gemeinsamen Planung des Wiederaufbaus nach dem 2. Weltkrieg kannte. Nach der Teilung wurden beidseits der Mauer politische und ideologische Debatten über Stadtplanungs- und Entwicklungsfragen geführt. Während man sich in der DDR vor allem mit dringenden Fragen der Baueffizienz und sozialistischen Planungsansätzen beschäftigte, wurden in Westdeutschland Diskussionen über angemessenen Wiederaufbau, Stadtrekonstruktion und Stadterneuerung geführt. Nach der Wiedervereinigung kamen so in Berlin nicht nur zwei Stadtfragmente zusammen, die sich 40 Jahre lang in grundlegend unterschiedlichen politischen Systemen weiterentwickelt hatten und deren Nahtstelle als radikale Zäsur mitten durch die Stadt verlief.
Architectural Conditions in a Divided City
After our research in the last semester on Swiss architecture of the 1980s and 1990s, we are now looking at Berlin, the place where the described political changes immediately after the fall of the Berlin Wall in 1989 led to essential urban development and transformation. To better understand the phenomena, it is important to consider the developments after the end of the Second World War. As a consequence of the political polarisation between the Western powers and the Soviet Union, Germany was divided into West Germany and the German Democratic Republic in 1949. This was synonymous with the division into West and East Berlin, which as ‘front-line cities’ represented the expression of the respective urban development doctrines. The Berlin Wall, which ran through the middle of the city after its completion in August 1961, was the architectural manifesto for this.
These political circumstances also gave Germany only a very short phase of joint planning for reconstruction after World War II. After the division, political and ideological debates on urban planning and development issues took place on both sides of the Wall. While in the GDR one was mainly concerned with urgent questions of building efficiency and socialist planning approaches, in West Germany there were discussions about appropriate reconstruction, urban reconstruction and urban renewal. Reunification therefore not only brought the two halves of Berlin together that had developed over 40 years under fundamentally different political systems and whose borderline posed a radical cut through the middle of the city.
Wohnnanlage mit Kreuzberg-Tower, Internationale Bauausstellung Berlin 1987, IBA ’87, Besselstraße, Berlin. Arch. John HejdukPhoto Gunnar Klack 2015 Residential complex with Kreuzberg Tower, International Building Exhibition Berlin 1987, IBA ‚87, Besselstraße, Berlin. Arch. John HejdukPhoto Gunnar Klack 2015
Josef Paul Kleihues, Sieben Essentials zum Rahmenplan für die Neubaugebiete der Internationalen Bauausstellung Berlin. Oben der damalige Ist-Zustand, unten die vorgeschlagene Gestaltung.
In: Bauwelt 72 [1981], S. 1589-1595, hier S. 1590f.
Josef Paul Kleihues, Seven Essentials for the Framework Plan for the New Building Areas of the Berlin International Building Exhibition. Above the actual state at the time, below the proposed design.
Kleihuesʼ Rahmenplan – oben der damalige Ist-Zustand, unten die vorgeschlagene Gestaltung. Durch Blockrandbebauung rehabilitierte die IBA historische Straßenverläufe und erfand in Mauernähe auch einige neu.
(aus: Josef Paul Kleihues, Sieben Essentials zum Rahmenplan für die Neubaugebiete der Internationalen Bauausstellung Berlin, in: Bauwelt 72 [1981], S. 1589-1595, hier S. 1590f.)
Solche Tabula-rasa-Planungen des modernen Funktionalismus waren vorbei, und auch das Erbe des Architekten Hans Scharoun (1893–1972) galt nun als höchst ambivalent. Dessen von Solitären besetztes, leblos wirkendes Kulturforum erschien in seiner
Rekonstruktion Reconstruction
Rekonstruktion als Mittel öffentlicher Akzeptanz
Eine der bedeutendsten städtebaulichen Debatten jener Jahre beschäftigte Berlin sowohl vor als auch nach der Wiedervereinigung: In welcher Art sollten die zerstörten Teile der Stadt wieder aufgebaut werden? Bereits die Internationalen Bauausstellung (IBA) von 1987 in West-Berlin war in zwei Projektteile aufgeteilt. Die Unterscheidung in IBA-Neubau und IBA-Altbau weist auf die bereits geführten Diskurse zwischen den beteiligten Akteuren hin. Der als Planungsdirektor für die Arbeitsgruppe IBA-Neubau zuständige Josef Paul Kleihues prägte den Begriff der „Kritischen Rekonstruktion“, die als planerisches Instrument für die künftige Stadtentwicklung und Stadtplanung gesehen werden kann. In Kleihues’ Rahmenplan für die Demonstrationsgebiete der IBA-Neu von 1984 fand dieses Werkzeug seine formale Ausführung. Das «kritische» Element der Rekonstruktion sollte auf den angemessenen Umgang mit dem urbanen Bestand auf städtebaulicher Ebene und den Einbezug kultur- und ortsgeschichtlicher Charakteristika hinweisen, verbunden mit einer Abkehr von den längst überwundenen Planungsidealen der Moderne. Die realisierten Projekte der IBA 1987 zeigten demzufolge einen breiten Fächer postmoderner Ansätze, was nicht zuletzt auf deren Ausstellungscharakter und die Internationalität zurückzuführen ist. Als „Schaufenster des Westens“ konnte West-Berlin die wichtigsten Vertreter der damaligen Architekturszene – von John Hejduk über Charles Moore bis Alvaro Siza – versammeln.
Nach der Wende wurde die Debatte zum Wiederaufbau Berlins massgeblich durch Hans Stimmann orchestriert, welcher ab 1991 als Senatsbaudirektor die Art und Weise des Stadtumbaus mitbestimmte. Seine Haltung war geprägt von den Idealen der Europäischen Stadt mit Ihren steinernen Fassaden, dem was Vittorio Magnago Lampugnani, als «die neue Einfachheit» umschrieb. Die Planungen und Bauten setzten dabei auf bewährte morphologische und architektursprachliche Muster und sollten als Orte der Erinnerung Wunden, welche die Zerstörung des Kriegs und die zügellose Bautätigkeit der Spätmoderne aufgerissen hatten, schliessen. Die Neubebauung von Teilen des Potsdamer Platzes, der Rekonstruktion von Pariser und Leipziger Platzes aber auch viele Bauten in Friedrichstadt welche nach der Wende entstanden, zeugen von dieser Haltung.
Ortsansässige Architekten wie Hans Kollhoff, Jürgen Sawade und Josef Paul Kleihues profitierten nach der Wende vom Bauboom und prägten mit ihren Bauten das sich verändernde Stadtbild. Architekturpublizisten wie Dieter HofmannAxthelm kritisierten sie deswegen und nannten ihre Bauten eine «Provokation des Gestrigen». Dieser erbittert geführte Kampf um die Deutungshoheit einer angemessenen Architektursprache wurde bereits kurz nach der Wiedervereinigung auch öffentlich als «Berliner Architekturstreit» geführt. Die Grundzüge der Polemik rissen bis heute nie ganz ab und wurden bei der Debatte zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses oder die Rekonstruktion der Bauakademie von Friedrich Schinkel von Anhängern beiden Seiter immer wieder genährt.
Reconstruction as a Means of Gaining Public Acceptance
One of the most important urban planning debates at the time occupied Berlin both before and after reunification – in what way should the destroyed parts of the city be rebuilt? The Internationale Bauausstellung (IBA) or International Architecture Exhibition in West Berlin in 1987 was already divided into two project parts. The distinction between the IBA-Neubau (IBA New Building) and IBAAltbau (IBA Old Building) refers to the discourses that had taken place between the actors involved. Josef Paul Kleihues, the planning director responsible for the IBA New Building working group, coined the term ‘critical reconstruction’, which can be seen as a planning tool for future urban development and urban planning. This tool found its formal implementation in the framework plan that Kleihues presented for the demonstration areas of the 1984 IBA New Building. The ‘critical’ element of reconstruction was intended to highlight the appropriate handling of the urban stock on an urban planning level and the inclusion of cultural and local historical characteristics in combination with discarding the long-overcome planning ideals of modernism. Consequently, the projects realised at IBA 1987 showed a broad range of postmodern approaches, which was not least due to their exhibition character and internationality. West Berlin, as the ‘showcase of the West’, was able to gather the most important representatives of the architectural scene of the time – from John Hejduk to Charles Moore and Álvaro Siza.
After the political turn in 1989, the debate on the reconstruction of Berlin was largely orchestrated by Hans Stimmann, who, as Senate Building Director from 1991, helped to determine the way in which the city was rebuilt. His attitude was shaped by the ideals of the European city with its stone facades, what Vittorio Magnago Lampugnani described as ‘the New Simplicity’. The plans and buildings were based on proven morphological and architectural patterns and, as places of memory, were intended to close the wounds torn open by the destruction of the war and the rampant building activity of late modernism. The redevelopment of parts of Potsdamer Platz, the reconstruction of Pariser Platz and Leipziger Platz as well as many buildings in Friedrichstadt constructed after the fall of the Wall bear witness to this way of thinking.
Local architects such as Hans Kollhoff, Jürgen Sawade and Josef Paul Kleihues profited from the building boom after reunification and their buildings shaped the changing cityscape. Architectural journalists such as Dieter Hofmann-Axthelm criticised them for this and called their buildings ‘antediluvian provocations’. Shortly after reunification, this bitterly fought battle for the interpretative sovereignty of an appropriate architectural language was also carried out on the public stage as the ‘Berlin architectural dispute’. The basic features of the controversy never completely subsided to this day and have been fuelled repeatedly by supporters on both sides of the debate on the reconstruction of the Berlin Palace or Friedrich Schinkel’s Bauakademie.
Dekonstruktion Deconstruction
Dekonstruktivismus: Lektüren der Stadt Trotz der verschiedenen Wiederaufbau-Projekte unmittelbar nach dem Mauerfall blieben die geschichtlichen Wunden im Stadtkörper noch bis zur Jahrtausendwende gut sichtbar. Als eine vom Krieg versehrte und geteilte Stadt rückte Berlin bereits in den 1980er Jahren in den Fokus der sogenannten dekonstruktivistischen Architektur – einer avantgardistischen Strömung, die sich im Gefolge zeitgenössischer Philosophien für die Mehrdeutigkeit und Mehrfachlesbarkeit von Städten und Orten interessierte und diese Lektüre in architektonische Entwürfe zu übersetzen versuchte. Kennzeichnend für diese Projekte war die Idee des «Palimpsests», was im ursprünglichen Wortsinn ein mehrfach überschriebenes Schriftstück bezeichnet: Dem dekonstruktivistischen Ansatz ging es weniger um eine Rückkehr zur intakten Stadt, sondern um die Sichtbarmachung der Brüche und Leerstellen, die im städtischen Terrain verborgen lagen.
Das Haus am Checkpoint Charlie (1986) von Peter Eisenman und das Jüdische Museum (1999) von Daniel Libeskind sind zwei typische Vertreter der dekonstruktivistischen Architektur. Während Eisenmans Bau seine Form aus der geometrischen Überlagerung von örtlichem Strassenraster und globalem MercatorRaster gewann und zudem auf Höhe und Verlauf der gegenüberliegenden Mauer Bezug nahm, entwickelte Libeskind die Zick-Zack-förmige Volumetrie des Jüdischen Museums aus einem Netzwerk von Linien, die wiederum auf verschiedene Orte verschwundenen jüdischen Lebens in Berlin verwiesen.
Da solcherart Lektüren nolens volens in eine wiedererkennbare architektonische Formensprache mündeten, konnte die dekonstruktivistische Architektur auch als rein formales Phänomen aufgefasst werden. In diese Richtung deutete die gleichnamige Ausstellung von 1988 am Museum of Modern Art (MoMA) in New York, die neben Projekten von Eisenman und Libeskind auch solche von Zaha Hadid, Bernard Tschumi oder Frank Gehry zeigte und diese einem gemeinsamen architektonischen Interesse zuordnete: der Subversion der tradierten Werte von Harmonie, Stabilität und Ordnung und stattdessen der Suche nach dem Reiz des geometrisch Imperfekten und Rätselhaften.
Als sicher kann gelten, dass die Vertreter des Dekonstruktivismus just in den Jahren um 1989 von eher schwer verständlichen Avantgardisten der Architektur zu ihren globalen Stars wurden. Vielleicht lässt sich auch dies als Zeichen der Zeitenwende lesen: In der sprichwörtlichen Sorglosigkeit der 1990er Jahren konnte aus der Analyse gewaltgeprägter Stadtgeschichte plötzlich eine weltweit vermarktbare «signature architecture» werden.
Deconstructivism: Readings of the City
Despite the various reconstruction projects immediately after the fall of the Wall, the historical wounds in the urban structure remained clearly visible until the turn of the millennium. As a war-ravaged and divided city, Berlin became the focus of so-called deconstructivist architecture as early as the 1980s – an avantgarde movement that, in the wake of contemporary philosophies, was interested in the ambiguity and multiple interpretations of cities and places and attempted to translate these into architectural designs. The idea of the ‘palimpsest’ was a characteristic feature of these projects. In the original sense of the word, it refers to a piece of writing that has been overwritten several times. The deconstructivist approach was more concerned with making the fractures and voids visible that lay hidden in the urban terrain than with reinstating an intact city. The House at Checkpoint Charlie (1986) by Peter Eisenman and the Jewish Museum (1999) by Daniel Libeskind are two typical representatives of deconstructivist architecture. While Eisenman’s building found its shape in the geometric superimposition of the local street grid and the global Mercator Grid and additionally referred to the height and course of the wall opposite, Libeskind developed the zigzag-shaped volume of the Jewish Museum from a network of lines that, in turn, referred to various places of vanished Jewish life in Berlin.
Because such readings inevitably lead to a recognisable formal architectural language, deconstructivist architecture can also be understood as a purely formal phenomenon. The exhibition Deconstructivist Architecture at the Museum of Modern Art (MoMA) in New York in 1988 pointed in this direction. Alongside projects by Eisenman and Libeskind, it also showed projects by Zaha Hadid, Bernard Tschumi and Frank Gehry, recognising in them a common architectural interest – the subversion of the traditional values of harmony, stability and order, and replacing them with the search for the appeal of the geometrically imperfect and enigmatic.
It can be regarded as certain that it was precisely in the years around 1989 that the representatives of deconstructivism went from being considered as rather abstruse avant-gardists of architecture to becoming its global stars. Perhaps this can also be read as a sign of the turning point – the analysis of urban history marked by violence could, in the proverbial carelessness of the 1990s, suddenly become a globally marketable ‘signature architecture’.
Semesterstruktur Semester Structure
Aufbau des Semesters: Von der Wissensvermittlung und Recherche zum eigenen Text Aus diesen Gründen interessiert uns das gewählte Thema weniger als abgeschlossene historische Epoche, sondern als Entwicklungsschritt in der architektonischen Theorie und Praxis, dessen Folgen bis in die aktuelle Architekturdiskussion hineinreichen. Die kritische Auseinandersetzung mit Texten und Bauwerken, die um das Wendejahr 1989 entstanden sind, erlaubt uns nicht nur ein tieferes Verständnis für die Bedingungen und Voraussetzungen, sondern auch die Erarbeitung einer eigenen Haltung gegenüber den damaligen Positionen: Welche Themen sind noch immer relevant, welche Prämissen haben sich im Gegenzug verändert?
Das Semester gliedern wir in drei Abschnitte: Zunächst erarbeiten wir uns mittels Lektüre und gemeinsamer Diskussionen von Texten verschiedener Autoren und Inputreferaten einen Überblick sowie ein Vokabular, um das Thema zu verstehen, einzugrenzen, und für unsere eigene Argumentation nutzbar zu machen. Dieses Wissen dient als Grundlage für die eigenständige schriftliche Auseinandersetzung mit einem selbst gewählten Aspekt zum Thema, das in Form eines Vortrages präsentiert wird. In der dritten Phase werden die formulierten Thesen weiter verfeinert, als umfangreiche Textarbeit in eine verbindliche schriftliche Form gebracht und als kurzer Vortrag dem Plenum von Student:innen und Expert:innen präsentiert.
Semester Structure: Communicating Knowledge and Research for Your Own Text
For these reasons, our interest in the chosen topic is not so much to see it as a concluded historical epoch and rather as a developmental step in architectural theory and practice, the consequences of which extend into the current architectural debate. The critical study of texts and buildings that were constructed around the fall of the Eastern bloc in 1989 allows us, on the one hand, to gain a deeper understanding of the conditions and prerequisites while also, on the other, to develop our own views on the approaches of that period in time, so we can ask ourselves, which of those issues are still relevant and which premises have changed?
The semester is divided into three sections: The first comprises studying and discussing texts by various authors and input presentations to gain an overall picture and develop a vocabulary for understanding the topic, narrowing it down and making it productive for our own argumentation. This knowledge provides the basis for an independent written study of a self-selected aspect of the topic, which will be presented in the form of a lecture. In the third phase, the theses papers are further honed, put into a definitive written form as comprehensive papers and presented as short lectures to the plenum of students and experts.
Veranstaltungen Events
Dienstags ab 09.00, ganztags, Raum C 401
Tuesdays from 09.00, all day Room C 401
Startveranstaltung
Di 21.02.2023, 09:00 – 17:00 Uhr
Ende Kontaktstudium Di 30.05.2023
Schlussabgabe Di 13.06.2023
Schlusskritik mit Gästen Mo 19.06.2023 / Di 20.06.2023
Opening event
Tuesday, 21 Feb. 2023, 09:00–17:00
End of contact study:
Tuesday, 30 May 2023
Submission deadline:
Tuesday, 13 June 2023
Final critique with guests: Mon 19 June / Tue 20 June 2023
Sprachen Languages
Deutsch / Englisch
German / English
Bewertung Assessment
Vertiefungsarbeit, A4 hochkant,
3 Exemplare gebunden mit .docx, .indd und .pdf Ablage auf ILIAS
6 ETCS
In-depth project, A4 portrait, 3 bound copies, .docx, .indd and .pdf submitted to ILIAS
6 ECTS
Form Form
Das Modul dient der Vermittlung wissenschaftlicher Arbeitsmethoden und des konzentrierten Denkens und Schreibens. Es bietet die Möglichkeit, das eigene Handeln als entwerfende Architekt:innen schriftlich zu reflektieren. Ziel ist es, eine eigenständige themenrelevante Vertiefungsarbeit zu verfassen.
This module teaches scientific working methods and concentrated thinking and writing. It offers the opportunity to reflect in writing on one’s own actions as a designing architect. The aim is to write an independent in-depth thesis relevant to the topic.
Libraries as Institutions for the Commons
6 Fridays from 9.15-17.00 F-Niche
Fr, 3.3.23
The Future of Libraries
Zentralbibliothek Zurich
Rudolf Mumenthaler, Director of the University Library Zurich
Fr, 10.3.23
From Alexandria to Minority Report. Performative Archiving in the Era of Digital Cultures
Imanuel Schipper, Dramaturge
Fr, 17.3.23
How to Read Books (TBC)
Anja Nora Schultess, Writer
Kantonsbibliothek Liestal
Fr, 31.3.23
Typologies
Gregory Grämiger, Architect
Fr, 28.4.23
Social Infrastructures and Practices of the Commons
Philippe Koch, Urbanist, ZHAW Winterthur. Speicherbibliothek Büron
Fr, 5.5.23
Self-study
Fr, 12.5.23
Round Table Discussion, NN
‘[A] core goal of public policy should be to facilitate the development of institutions that bring out the best in humans. (Ostrom and Ostrom 2014: 197)’
From: Derek Wall, Elinor Ostrom’s Rules for Radicals. Apple Books.
The Keynote Lectures are a workshop-based, discursive laboratory, reflecting on contemporary societal and spatial matters.
By including experts from various backgrounds and disciplines, the course aims to illuminate one topic from different vantage points.
This semester’s workshop cycle will continue to focus on the questions of how we can live together as a society in the future and how we can find alternative forms of common ground.
Reflecting on the library, we will examine how the typologies of this public institution, which is among the oldest in the world, embody not only a place of knowledge but also a public meeting point, until now free and without any fees, can develop in the future.
With the example of the Zentralbibliothek in Zurich, which is focusing mainly on the humanities, we will furthermore analyse how libraries are structured, organised, designed and programmed as indispensable places for the society as such.
In a second step we will develop future scenarios that not only consider the challenges libraries are facing at the moment, such as the digitisation and the apparent need to curate quality knowledge and information, but also understand libraries as essential and potential role models that represent an integral public entity for the common good.
Assessment
Regular attendence is required
„Library Ghost“ Scene from Ghostbusters. 1984. By Ivan Reitman (© Download 23.1.23around Building Cultures and Culture of Buildings
In January 2018 the European Ministers of Culture adopted the Davos Declaration calling for a high-quality Baukultur to improve the ‘well-being of all’. In 2021 the Swiss Federal Office of Culture defined the Davos Baukultur Quality System, an instrument enabling the assessment of Baukultur qualities of places with the help of the eight criteria: Governance, Functionality, Environment, Economy, Diversity, Context, Sense of Place and Beauty. In January 2023 a new conference in Davos addresses the role of the building and real estate industry in considering Baukultur as a common good. This semester we work and reflect on Baukultur. The module provides a historical and theoretical overview and identifies definitions of building cultures and their role. Building cultures are not only assessed according to their architectural output, but also analysed and understood within their social, economic and environmental context. What substantive consistency should characterise an architecture of a historical period and a physical and immaterial context? How is architecture produced? What are its roots? What should it do? Analogies and contradictions between theories, ideologies and knowledge, as well as points of contact and contrast with other disciplines are discussed and deepened in order to bring them simultaneously in conjunction with multiple levels of knowledge. Architecture languages are thus experienced as part of a general cultural discourse. This course encourages students to actively investigate the specificities of different cultures, positions and tools as necessary components of a conscious architectural attitude. Architectural results are alive and not concluded once and for all but available and renewable. By definition, architecture is never finished. The same is true for reasons, convictions and hopes that go beyond this.
Exile and Reconstruction
Events
Mondays 09.30 - 12.00
C403
Profile
Lectures, readings, essay
Language English Assessment 3 ECTS
What it is like to live and work in the ruins of the 20th century
This class, which could easily have had the working title „what fresh hell is this?,“ is about postwar reconstruction across Europe. It is also, paradoxically, a study of Swiss architecture.
Although Switzerland was spared the destruction of both world wars, it provided the setting for much of the planning of the reconstruction of the postwar order. Swiss architects and engineers, most famously Max Bill, played a disproportionate role in the Wiederaufbau. This was not merely a function of merit: it was the result of a well documented process within which neutrality was also a means of generating arbitrage trade in raw material, services and information. Switzerland was, in a sense, both a place of exile for refugees, and also a place of go-betweens, hustlers, spies and agents.
With reference in particular to Stanislaus von Moos’ Erste Hilfe, and Tony Judt’s classic, Postwar, we will attempt to use history to provide a user‘s guide for the future. What could reconstruction architecture look like in the coming decade? Who will be the protagonists: star architects, collectives, or the affected people themselves? Where will the capital and resources come from? And what will result? Without seeking to moralise or foreclose debate, we will attempt to make the questions of exile and reconstruction richer and deeper and weirder.
RE-BUILD COMMON SPACES !
COMUNE DI BLENIO
COMUNE DI ACQUAROSSA
Summer School 26.8. - 2.9.2023
Language
English
Assessment Marked project work
3 ECTS
Participant Bachelor and Master students (Italian language skills are an advantage)
Fee CHF 550.-
Workshop, lectures, accommodation, meal plan, transportation of the one-day study trip (*please note this information is tentative and subject to change according to the specific situation*)
Sponsorship Scheitlin Syfrig Architekten
Contact summerschool@4567.ch
COMMON SPACES! VALLE DI BLENIO
Summer School Ticino is an annual workshop in the late summer that brings together students from multiple disciplines. The 8th Summer School Ticino will continue to take place in the Blenio Valley - the valley of the sun - a place that has great architectural fabric and naturalistic charm, but that in recent times has had difficulties related to depopulation, a common problem many mountain regions are struggling with. By realising and analysing the problem, our goal is to develop projects in different locations to reactivate the common spaces for the local people and tourists. We want to work with the people, with the existing material and with the landscape, to understand and integrate the many facets and realities of spatial development into a comprehensive and coherent approach. The sites work on different scales and each of them follow a different time-line of realization. Planning a sustainable regional development for this area must take into account a variety of facets. An integrative and therefore interdisciplinary approach is needed to address not only architectural, but also social and economic aspects.
International Students
Introductory Lectures
Events
Wed, 08.03.23, from 09.00 - 12.00
F-Niche
Architecture principles of statics (40min)
09.00 - 09.40 Anthony Frank
Architectural principles of building physics (30min)
09.45 - 10.15 João Moreira
Model making and model photography + Model photography & image composition (60min)
10.30 - 11.30 Shehrie Islamaj
Plan representation and layout (30min)
11.30 - 12.00 Karin Ohashi
Language
English
Lecturers Anthony Frank, João Moreira, Shehrie Islamaj
Workshop Lectures
For our international students who are new in the masters program - and for anyone else interested - we offer this opportunitiy to get to know some of the architectural and graphical basics that will be required in the masters course.
The team of assistants will introduce you to some of the standards that are needed later on in the course. Each of the assistants will then be your contact concerning the presented topic during the whole semester.
This semester the five inputs will be hold in two morning lectures and will consist of the following parts:
- Introductory lecture as a theoretical basis for common understanding
- Hands-on examples of former semester works, visits of concerned facilities and introductions of responsible people
- Discussion of the presented theory and the sighted examples and facilities
- Literature recommendations
We highly recommend these courses to all our incoming students not only in order to get familiar with our requirements, but also as an opportunity to get to know other students and our facilities.