Vernakuläre Architektur: Historisches Phänomen und Denkmodell

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Masterstudiengang Architektur Essaysammlung Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013

Vernakul채re Architektur: Historisches Ph채nomen und Denkmodell

Masterstudiengang Architektur Essaysammlung Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013

Vernakul채re Architektur: Historisches Ph채nomen und Denkmodell


Vertiefungsarbeit Frühjahrsemester 2013 Luzern, 24.06.2013 Verfasser: Hauri, Daniel Speicherstrasse 24 A 8500 Frauenfeld Masterstudiengang Architektur

Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2014 Dozenten: Dufner, Oliver Technik und Architektur Departement Plagaro Cowee, Natalie Korrektur Orthografie: Dr. Oliver Dufner Modulverantwortung: Stutz, Max

Dozierende: Dr. Oliver Dufner, Prof. Dieter Geissbühler

Abstract Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit dem Phänomen der Ambiguität in der Architektur der Phillip Exeter Library von Louis Kahn. Literarische Basis bildet die fundierte Auseinandersetzung mit Robert Venturis Manifest „Komplexität und Widerspruch in der Architektur“ und


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Inhalt Vorwort

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Herrenhaus - Eine fremde Typologie Fremde (Grundriss) Typologien im traditionellen Umfeld von Schwyz Betschart Philipp

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Vernacular Modernity The walls of Luis Barragan Gamborino Arnold

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gwandet Vergleich des Schmuckes am Aussenbereich der Obwaldner Bauernh채user in Bezug zur Obwaldner Tracht Scheuber Daniel

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Bruch oder Besinnung? Vernakul채re Einfl체sse in der tansanischen Moderne Lucas Sager

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Wand und Verkleidung Learning from Vernacular Wettstein Christof

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Themen체bersicht der weiteren Arbeiten

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Vorwort Es ist unbestritten, dass das entwerferische Handeln von Architekten und Architektinnen neben der eigenen Intuition hauptsächlich durch die Beschäftigung mit dem bereits Vorhandenen, sei dies der Lektüre der gebauten Realität oder die Auseinandersetzung mit theoretischen Texten genährt wird. Dieser Sachverhalt dient zur Erweiterung des Wissens und vor allem dazu das eigene Handeln als Architekt kritisch zu reflektieren und die eigene Haltung zu verorten. Um die beschriebene Mechanik zu erlernen und das Repertoire an theoretischem Wissen zu erweitern, wird im Rahmen des Masterstudiengangs Architektur an der Hochschule Luzern neben der Schulung der entwerferischen Kompetenz der Studierenden ein besonderer Wert auf die Vermittlung von Architekturtheorie gelegt. Dieses Wissen in Form eines Textes zu vertiefen und anzuwenden erlernen die Studierenden im Rahmen der in jedem Semester zu verfassenden Vertiefungsarbeit. Dabei widmen sie sich innerhalb eines definierten Themenfeldes in Form eines essayartigen, wissenschaftsähnlichen Textes einem selbst erarbeiteten Thema. Durch die selbstständige Lektüre und Recherche sowie die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben – um den Titel eines Aufsatzes von Heinrich von Kleist zu paraphrasieren – entsteht Schritt für Schritt ein themenrelevanter Beitrag der für die Studierenden ein Mosaikstein auf dem Weg zu einem breiten Wissen über Architektur und dessen theoretischem Hintergrund darstellt. Um die Verbindlichkeit der Beiträge zu erhöhen wurden die Arbeiten dieses Semesters innerhalb des Themenfeldes `Vernakuläre Architektur: Historisches Phänomen und Denkmodell` situiert. Spätestens seit der Postmodernediskussion ist der Begriff der `vernacular architecture` ein wichtiger Teil der architektonischen Debatte. Ursprünglich aus dem Lateinischen kommend meint der Begriff für die Architektur die Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und Möglichkeiten des jeweiligen örtlichen und kulturellen Kontextes. Uns beschäftigte nicht allein die Bedeutung des Vernakulären aus historischen Sicht – zu nennen sind dabei Aspekte der Bedingungen, der Bildsprache und der Konstruktion – sondern insbesondere auch das Potential welches der Rückgriff auf das Tradierte im Hinblick auf eine qualitätsvolle und kulturell nachhaltig Gestaltung der gebauten Umwelt hat. Dieser Aspekt gewinnt vor allem in einer Zeit an Bedeutung in der die Architektur unter der Einwirkung diametraler Kräfte - wie dem Anspruch an einen Ressourcen schonenden Umgang mit Material bei gleichzeitiger Verfügbarkeit aller Güter – an ihren Aufgaben zu zerschellen droht. 4


Das Semester wurde in drei Abschnitte gegliedert: In einem ersten Teil erarbeiteten wir uns durch die Lektüre und gemeinsame Diskussion von Texten verschiedener Autoren einen Überblick sowie ein Vokabular um das Phänomen des Vernakulären zu verstehen, einzugrenzen, und für unsere eigene Argumentation nutzbar zu machen. Im Anschluss daran wurde dieses Wissen als Grundlage für eine eigenständige Auseinandersetzung mit einem selbst gewählten Aspekt zum Thema genutzt und in Form von Vorträgen präsentiert. In einer dritten Phase wurden die formulierten Thesen weiter verfeinert und als Textarbeit in eine verbindliche Form gebracht. Dies geschah mit der Absicht, dass die Kenntnis und Beschäftigung mit den historischen Bedingungen des Vernakulären die Basis für zukunftsgerichtete Entwurfsstrategien sein kann und deshalb dessen Bedeutung für unsere Tätigkeit als entwerfende Architekten weiter zunehmen wird. Die nun in diesem Reader vorliegenden Textbeiträge – sie stellen aus Platzgründen nur einen Auszug aus den im Kurs erarbeiteten Beiträgen dar – spannen eine Breite an Themen auf und agieren methodisch auf ganz unterschiedliche Weise. Alle Beiträge verbindet ein Interesse daran, das Vernakuläre in der Architektur nicht nur als historisches Phänomen zu verstehen, sondern auch im Hinblick auf seine Aktualität als entwerferisches Werkzeug zu befragen. Wir danken allen Beteiligten für ihr grosses Engagement und ihre wertvollen Beiträge. Oliver Dufner / Dieter Geissbühler Im Februar 2014

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Studierende Michael Baumann / Philipp Betschart / Urban Blass / Helen Busscher / Anna Ernstsone / Patrick Frutig / Arnold Gamborino / Tobias Haefelin / Stefan Keller / Fabienne Maritz / Veronica Melber / Jonathan Meyer / Rahel Niffeler / Christiane Prieth / Carolin Rauch / Marius Rinderknecht / Lucas Sager / Valentino Sandri / Daniel Scheuber / Simon Schneider / Claudio Spielhofer / Peggy Urban / Cora Völlnagel / Jonas Weber / Christof Wettstein Vorträge Benjamin Widmer, Architekt BSA, Bernath Widmer Architekten, Zürich `Handwerk` Hannes Zweifel, Architekt FH, Bern `Vernakuläre Referenzen` Dr. Tim Kammasch, Dozent BFH Burgdorf `Handwerk Schreiben` Pedro Moreira, Architekt Berlin `America – Europa - Afrika` Gastkritiker Schlusskritik Dr. Christoph Wieser, Architekturtheoretiker / dipl. Arch. ETH Gianmarco Jenatsch, Dipl. Arch. ETH SIA, Dozent ZHAW Prof. Hans Peter Bürgi Dipl. Arch. ETH SIA, Fokusverantwortlicher Energie Hochschule Luzern Technik und Architektur Texte Lektüreseminar Seminar 1 `Phänomen und Rezeption` Rudofsky, Bernard (1987). Preface. In: Architecture Without Architects: A Short Introduction to Non-Pedigreed Architecture. New York, UNM Press. Oliver, Paul (2003). Introduction. In: Dwellings: The Vernacular House WorldWide (S.6-19). Phaidon Press. 6


Roesler, Sascha (2013). Einleitung. In: Weltkonstruktion. Der außereuropäische Hausbau und die moderne Architektur - ein Wissensinventar. (S. 11-38) Gebr. Mann Verlag, Berlin. Seminar 2 `Heimat und Region` Sik, Miroslav (1989). Wie man Heimaten baut. Archithese, 1989/6 (S. 14-18) Achleitner, Friedrich (1997). Region, ein Konstrukt?. In: Region, ein Konstrukt? Regionalismus, eine Pleite?: Themen: Gemütlichkeit, Graz, Heimatstil, Landschaft, Mitteleuropa, Nationalromantik, Ortsbild, Regionalromantik, Schweiz, Tourismus, Voralberg, Wien. (S. 101-111). Birkhäuser Verlag, Basel. Seminar 3 `Handwerk und Konstruktion` Loos, Adolf (1898). Die Baumaterialien. In: Warum Architektur keine Kunst ist: Fundamentales über scheinbar Funktionales (S. 34-41). Metroverlag, Wien 2009. Tessenow, Heinrich (1961).Handwerkerarbeit und Fabrikarbeit. In: Geschriebenes: Gedanken eines Baumeisters (S. 52-54). Vieweg & Teubner Verlag, Wiesbaden 1982. Palasmaa, Juhani (2009). The Working Hand. In: The Thinking Hand (Architectural Design Primer) (S. 46-49). Verlag, John Wiley and Sons Ltd., New York City. Pye, David (1968). Three Selections from The Nature and Art of Workmanship (S.17-29). Cambridge University Press, 1968. Seminar 4 `Tradition und Erinnerung` Anderson, Stanford (2002) Erinnerung ohne Denkmäler: Vernakuläre Architektur. In: Das entfernte Dorf: moderne Kunst und ethnischer Artefakt. (Hrsg.) Ákos Moravánszky, Böhlau Verlag Wien, 2002. Adorno, Theodor (1955). Thesen über Tradition. In: Gesammelte Schriften in 20 Bänden: Band 10: Kulturkritik und Gesellschaft. Prismen. Ohne Leitbild. Eingriffe. Stichworte. Anhang. (S. 310-320). Suhrkamp Verlag , Berlin.

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Herrenhaus eine fremde Typologie Fremde (Grundriss)Typologien im traditionellen Umfeld von Schwyz Philipp Betschart

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013/14 Horw, 20.01.2014 Verfasser: Philipp Betschart Tschalun 41 6436 Muotathal Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract – Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entstehung der Grundrisstypologie des Herrenhauses von Rudolf Reding in Schwyz. Es wird den Fragen nachgegangen wie diese Typologie nach Schwyz kam und aus welchen Einflussfaktoren sie entstanden ist. Um das Gebäude besser Verorten zu können, gibt es kurze Einblicke in die Geschichte von Schwyz, die bauliche Entwicklung des Dorfes und in das Leben der Bauherren. In einem zweiten Teil werden dem Haus an der Schmiedgasse Referenzobjekte gegenübergestellt. Namentlich sind diese folgende Objekte: Bessler von Wattingen Haus in Altdorf, der Rittersche Palast in Luzern, der Palazzo Medici Riccardi in Florenz und das Bethlehem Haus in Schwyz. Die Arbeit möchte eine Annäherung zum Objekt schaffen. Dies ist jedoch nur zum Teil gelungen. Einige Punkte bleiben ungeklärt oder können nur mit Mutmassungen beantwortet werden. Die mündlichen Überlieferungen sowie die fehlenden historischen Grundlagen waren dabei die Hauptschwierigkeit.

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Abb. 1. Luftaufnahme des Herrenhauses von Rudolf Reding an der Schmiedgasse in Schwyz, aus Privatarchiv von Nikolaus von Reding

Einleitung Im ländlichen Umfeld von Schwyz prägen einige stattliche Herrenhaussitze das Landschafts- und Dorfbild. Auch in der heutigen Zeit von architektonischer Vielfalt, wirken sie fremd und traditionell nicht verwurzelt, sind jedoch von Schwyz nicht wegzudenken. Die Arbeit untersucht das Herrenhaus von Rudolf von Reding das 16141617 erbaut wurde. Es ist das einzige Schwyzer Herrenhaus mit einem Innenhof. Wie kam diese Grundrissdisposition nach Schwyz? Woher kamen die Einflüsse für die Entstehung des Hauses? War die Biografie der Bauherren ausschlaggebend? Als Erstes wird der Ort mit seiner Geschichte und baulichen Entwicklung betrachtet. Das Verständnis der Verankerung im Kontext bildet die Grundlage für weitergehende Analysen. Die wirtschaftliche und bauliche Entwicklung von Schwyz war zu Beginn des 17. Jahrhunderts stark vom Solddienst in fremden Ländern abhängig. Ein kurzer Einblick umschreibt wie die Schweiz und Schwyz davon geprägt wurde. Rudolf Reding gehörte zu den Familien, die als Militärunternehmer zu Reichtum und Macht gelangen. Durch Reisen kam er in Berührung mit anderen Kulturen. Im Hauptteil der Arbeit wird versucht, mit Hilfe von Gegenüberstellungen verschiedener Grundrisstypologien aus dem traditionellen Umfeld, anderen Herrenhäusern und Bauten aus dem Ausland die Gründe zur Entstehung des Grundrisses zu eruieren.

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Abb. 2. Situationsplan 2013 1:30‘000 Talkessel Schwyz

Begrifferklärung Typologie Allg.: die Lehre vom Typus; wiss. Beschreibung und Einteilung eines Gegenstandsbereichs nach Gruppen von einheitl. Merkmalskomplexen 1 Herrenhaus Bes. bei den ehem. Rittergütern bez. für Gutshaus 2 Gutshaus Beim Landgut das Hauptgebäude mit Wohnungen für den Besitzer und das Gesinde, mit Büro, Wirtschaftsräumen und Gastzimmern. In grösserer Form, bes. bei den ehem. Rittergütern, hiess es Herrenhaus und blieb dann der Familie und der Gutsverwaltung vorbehalten.3

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Brockhaus Enzyklopädie, Band 28, Auflage 21, S.175, F.A. Brockhaus Leipzig Mannheim, 2006

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Brockhaus Enzyklopädie, Band 12, Auflage 21, S.360, F.A. Brockhaus Leipzig Mannheim, 2006

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Brockhaus Enzyklopädie, Band 11, Auflage 21, S.624, F.A. Brockhaus Leipzig Mannheim, 2006

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Betschart, Mühry, Müller, Rickenbacher, Stofer , Siedlungsentwicklung Schwyz, S.5, HSLU, 2008

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Ort Im folgenden Kapitel wird der Ort des zu untersuchenden Hauses näher betrachtet. Es soll gezeigt werden, in welchem Umfeld und in welchem historischen Bezug das Gebäude zum Dorf und Kanton entstanden ist. Die Talbildung der Ortschaft Schwyz ist den geomorphologischen Kräften der Eiszeit zu verdanken. Nach dem Rückzug des Eises erfolgten zahlreiche Rutschungen und Bergstürze. Die Flüsse und Bäche akkumulierten ihr Abtragungsmaterial an den unteren Talhängen und in den Ebenen. Schwyz entstand auf den breitauslaufenden, konvex geformten Schwemmkegelrücken des Tobel- und des Üetenbaches. Diese beiden Schwemmkegel sind durch den kleinen Dorfbach zerschnitten. Die Talebene war lange Zeit ein, durch den See beeinflusstes, Sumpfgebiet. Erst durch die Urbanisierung und den Bau von Überschwemmungsdämmen konnte es für die Landwirtschaft gewonnen werden.4


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Abb. 3. Situation Topografie Seewen, Schwyz, Ibach, Rickenbach Abb. 4. Situation um 1600

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Betschart, Mühry, Müller, Rickenbacher, Stofer, Siedlungsentwicklung Schwyz, S.6, 2008, HSLU

Die Gegend von Schwyz wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts durch die Alemannen besiedelt. Sie prägten mit ihrer Wirtschafts- und Lebensform das Siedlungsgebiet um Schwyz. Der Name „Schwyz“ taucht erstmals in Schriften von 972 n. Chr. als „Suittes“ auf und wird germanisch als „Lichtung“ übersetzt. Bereits um 1200 erlangt Schwyz die politisch totale Freiheit. Der Talkessel von Schwyz war geprägt von Einzelhöfen. Die Bewohner dieser Region gingen mehrheitlich der Landwirtschaft nach. Bereits um 1300 wurde in Schwyz reger Viehhandel betrieben, man handelte zwischen Zürich und Italien via Gotthard.5 Das Dorf Schwyz liegt am abfallenden Fuss der Mythen und schützt es vor starken Winden. Für die Besiedelung und den Aufschwung waren die Wassernähe zum Dorfbach, die Überschwemmungssicherheit und die Lage an der Handelsroute zwischen Nord und Süd weitere, entscheidende Faktoren. Mit der Verbreitung des Christentums und dem Bau von Kirchen entstanden neue Siedlungsgebiete im ganzen Kanton Schwyz.


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Die daraus resultierende Bevölkerungszunahme forderte den Ausbau von Infrastruktur und Anbauproduktion. Die Talgemeinschaft gewann zunehmend an Macht und verwickelte sich in viele Streitereien mit auswärtigen Grundherren, zum Beispiel mit dem Kloster in Einsiedeln. Einen weiteren Aspekt, der auf die Entwicklung und Machtgewinnung von Schwyz Einfluss nahm war die Reisläuferei. Dieser Aspekt wird im Kapitel „Fremde Dienste“ erläutert.6 Ein grosser Einschnitt in die Entwicklung von Schwyz war der Dorfbrand von 1642 in dem 47 Häuser zerstört wurden. Auf dieses Ereignis folgten Richtlinien für Bauten in Holz sowie ein Gestaltungsplan für den Hauptplatz (516 m ü. M). Heute verfügt Schwyz über ca. 14‘700 Einwohner. Trotz der Grösse und der Bedeutung von Schwyz ist der städtische Charakter nur schwer auszumachen. Es bleibt eine Gemeinde mit Dorfcharakter.7

Abb. 5. Situation Dorfbrand 1647 Abb. 6. Situation 2013

6 Dr. Josef Wiget, http://www. sz.ch/xml_1/internet/de/application/d2/d56/d756/f759. cfm, Stand 13.01.14 7 Autor unbekannt, http:// de.wikipedia.org/wiki/ Geschichte_des_Kantons_ Schwyz, Stand 13.1.2014

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Abb. 7. Bild von der Schlacht von Arques bei Dieppe: Glarner Regiment Gallati am 21. September 1589 für Heinrich IV, Basler Kunstmaler Burkhard Mangold 1873-1950

8 Jost Auf der Maur, Söldner für Europa, S.82, Echtzeit Verlag, 2011 9 Jost Auf der Maur, Söldner für Europa, S.29, Echtzeit Verlag, 2011 10 Jost Auf der Maur, Söldner für Europa, S.11, Echtzeit Verlag, 2011 11 Jost Auf der Maur, Söldner für Europa, S.8, Echtzeit Verlag, 2011 12 Markus Bamert, Herrenhäuser in Schwyz , 2012, S.250, Benteli Verlag 13 Markus Bamert, Herrenhäuser in Schwyz , 2012, S.60, Benteli Verlag 14 Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, André Meyer, 1978, S. 358, Birkhäuser Verlag

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Fremde Dienste 71 Feldzüge, 154 Schlachten, 30 Belagerungen im Dienst französischer Könige während 176 Jahren.8 Wie konnte ein traditionelles Bauerndorf, wie Schwyz es war, so viele Grossgrundbesitzer hervorbringen? Zum einen war es der lukrative Handel mit Vieh und sonstigen Gütern und zum andern war ein Grossteil der Familien mit stattlichen Herrenhäusern Militärunternehmer. Der Einfluss dieser Tätigkeit war entscheidend für die politische Entwicklung der Schweiz und Schwyz. Insgesamt haben ca. 1.5 Million Schweizer Söldner während vieler Jahrhunderte im Dienst fremder Mächte gestanden. 9 Um 1500 standen ca. 10 bis 12 Prozent der Schweizer Bevölkerung in fremden Diensten. Die europäischen Monarchen hatten grosses Interesse daran, dass die Schweiz unversehrt bleibt und nicht in Kriegshandlungen verwickelt wird. Vertraglich waren die Söldner berechtigt den fremden Dienst zu quittieren, wenn die Eidgenossenschaft Eigenbedarf an Soldaten hatte. Dies führte zu einem Bekenntnis der Neutralität der Schweiz.10 Dank den rückkehrenden Soldaten und Offiziere erhielt Schwyz neue Einflüsse in Kultur, Wissen, Mentalitäten, Mode und Architektur. Der fremde Dienst führte nicht nur zu Besitz und Ansehen, sondern direkt auch zu politischen Mandaten und entsprechender Macht. 11 Das Kriegshandwerk brachte natürlich auch viele negative Seiten in die Schweiz, beziehungsweise nach Schwyz. Es gab eine Verrohung der Sitten, viele Söldner griffen schneller zur Waffe um Probleme zu lösen. Traumatisierte oder verwundete Soldaten verloren jegliche Lebensgrundlage und konnten nicht mehr auf dem Hof der Familie mitarbeiten. Oft kehrten junge Männer mit Alkohol- oder Spielproblemen zurück und hatten durch ihre Sucht den Sold verprasst.


Auswahl Wie im vorherigen Kapitel beschrieben worden ist, hatte Schwyz eine bewegende Geschichte. Im Zeitraum von 1500 – 1800 entstanden Herrenhäuser mit unterschiedlichen baulichen Vorbildern. Ziel war es ein Gebäude zu finden, das aus der Auswahl der „üblichen“ Herrenhäuser herausragt. Es sollte eine ungewöhnliche Grundrisstypologie haben. Nebenstehend sind vier Beispiele von Grundrissen, die in Schwyz vorzufinden sind. Wie diese Beispiele zeigen, hatten sie verschiedene Einflüsse. Exemplarisch das Steinstöckli Haus von 1579, welches eine Anlehnung an einen mittelalterlichen Wohnturm mit Wendeltreppe hat12 oder die Dreiflügel Anlage des Palais von Weber (Palais Friedberg), welches einem französischen Vorbild entspricht.13 Es gibt in Schwyz mehrere Häuser mit ähnlichen und leicht abgewandelten Grundrissen. Viele Häuser sind über die Jahre umgebaut worden und haben ihre Individualität zum Teil verloren. Durch die Umbauten fand eine Vereinheitlichung mehrere Objekte statt. Das Haus an der Schmiedgasse von Rudolf Reding von 1614-1617 fiel durch seine ungewöhnliche Grundrissdisposition mit Innenhof auf. Es besitzt Referenzen aus der regionalen Tradition, doch taucht die Frage auf: „Woher kommt die Referenz oder Idee des Innenhofes?“ André Mayer hat im Buch der Kunstdenkmälern des Kantons Schwyz folgende Aussage gemacht: „Die ganze Anlage und Disposition des RedingHauses an der Schmiedgasse sind für schwyzerische Verhältnisse einzigartig.“ 14 Fragestellung Das Haus an der Schmiedgasse bildet mit seiner Grundrisstypologie eine Ausnahme in der Reihe der Herrenhäuser in Schwyz. Diese Tatsache wirft einige Fragen auf, welche die vorliegende Arbeit beantworten möchte: - Wie kam diese Grundrisstypologie nach Schwyz? - Aus welchen Einflüssen ist diese Herrenhaustypologie entstanden? - Was waren die grössten Einflussfaktoren? - War die Biografie des Bauherren mit seinem Dienst in fremden Ländern ausschlaggebend oder eher regionale Einflüsse? - Wo haben sich Bautraditionen von Schwyz mit anderen Referenzen vermischt? - Welche Bautypen aus dem Ausland können als Referenz herbeigezogen werden?

Abb. 8. Steinstöckli Haus 1579

Abb. 9. Acherhof Anfang 17.Jh

Abb. 10. Palais Friedberg (Palais Weber) 1738

Abb. 11. Strehlgasse Nr.11 1760

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Abb. 12. Luftaufnahme von Schwyz, Google Maps

15 Gespräch mit Nikolaus von Reding am 20.12.2013 16 Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, André Meyer, 1978, S. 358, Birkhäuser Verlag

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Haus Das Reding-Haus an der Schmiedgasse wurde 1614-1617 von Hauptmann Rudolf Reding gebaut. Die heutigen Luftaufnahmen zeigen das Gebäude mitten im Dorf. Bei der Erstellung war es noch ausserhalb des Dorfzentrums, südlich vom Hauptplatz. Bei der Lage des Gebäudes fällt auf, dass das Grundstück fast bis zum Hauptplatz reichte. Rudolf Reding platzierte das Gebäude jedoch am südlichen Rand. Der Grund dafür lag darin, dass es nicht erlaubt war, ein Gebäude ohne eigenen Wasseranschluss zu errichten. Viele Quellenbesitzer traten nicht gerne ihr Wasser an andere Leute ab. Rudolf Reding konnte eine Vereinbarung mit dem Besitzer der Tschaibrunnenquelle finden, an welcher schon sein Bruder Heinrich das südlich gelegene Grosshus anschliessen konnte. Der Strang dieser Quelle wurde bis zur Schmiedgasse verlängert, hatte aber zur Folge, dass das Wohnhaus wie bereits erwähnt, am südlichen Parzellenrand errichtet werden musste.15 Das leicht abfallenden Terrain des Hanges und die Gartenanlage lassen es heute in der Dorfsilhouette fast verschwinden. Bei der Erstellung war das beachtliche Haus mit den Grundmassen von 25 x 22 m nicht zu übersehen. Das Herrenhaus besitzt die schlichten Formen der späten Renaissance. Der fast quadratische Grundriss ist auf vier Achsen in der Breite und vier in der Tiefe aufgebaut. Die Nordseite ist vier- und die Südseite dreigeschossig.16


Abb. 13. Grundriss Erdgeschoss Reding Haus an der Schmiedgasse Abb. 14. Grundriss Obergeschoss Reding Haus an der Schmiedgasse

Abb. 15. Nordseite ist vier- und die Ostseite dreigeschossig

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Abb. 16. Grundriss EG, mit offner Küche Abb. 17. Querschnitt Innenhof

17 Von Haudegen und Staatsmännern, Josef Wiget und Nikolaus von Reding, 2007, S. 230, Triner AG 18 Gespräch mit Nikolaus von Reding am 20.12.2013 19 Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, André Meyer, 1978, S. 358, Birkhäuser Verlag 20 Markus Bamert, Herrenhäuser in Schwyz , 2012, S.43, Benteli Verlag 21 Gespräch mit Nikolaus von Reding am 20.12.2013 22 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band II, Dr. Linus Birchler, 1930 S.589, Birkhäuser Verlag

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Das Herzstück bildet ein rechteckiger Hof, der dezentral gegen Norden angeordnet ist. Im Erdgeschoss besass er einen offenen Säulenhof, der jetzt aus wärmetechnischen Gründen verglast wurde. Am Anfang wurde das Haus auch von Norden her, über den Hof betreten. Das Eingangsportal war zu dieser Zeit noch doppelt so gross wie heute und wurde zur Anlieferung von Gütern mit dem Rosswagen genutzt.17 Der offene Umgang zur Säulenhalle wurde ebenfalls als Küche verwendet. Die Küche die im Grundrissplan eingezeichnet ist, Abbildung 16, wurde erst in einer späteren Phase eingebaut. Es wurden an der Aussenseite zum Hof Installationen gefunden, die auf eine offene Küche hinweisen.18 In der westlichen und östlichen Korridorhälfte führt jeweils eine einläufige Treppe in die Obergeschosse. Südliche des Mittelganges liegen die Wohnund Repräsentationsräume. Im Erdgeschoss befinden sich der Gartensaal und zwei Zimmer. Dahinter gibt es zwei Zonen mit je zwei Räumen, die in der Mitte vom Innenhof erschlossen werden. In den Obergeschossen ist die gleiche Anordnung identisch. Es gibt in der östlichen Raumschicht zwei Schlafzimmer und in der westlichen das grosse Esszimmer. Gegen Süden sind die Arbeits- und Wohnzimmer ausgerichtet. Als einziger Teil des Hauses ist der Südtrakt unterkellert. Die Kellerräume besitzen rundbogige Gewölbe.19


Der Schnitt durch den Hof zeigt deutlich, dass die repräsentativen Räume gegen das Tal und die untergeordneten Diensträume wie WC-Anlagen gegen den Berg angeordnet sind.20 Das Haus ist symmetrisch aufgebaut und wird vom Keller bis zum 3. Geschoss vertikal getrennt. Es macht den Eindruck, dass das Haus für zwei Parteien geplant wurde. Mündliche Überlieferungen sprechen von einem ledigen Onkel, welcher neben Rudolf Reding auch Bauherr des Herrenhauses war. Die Grösse des Herrenhauses repräsentierte den gesellschaftlichen Rang der jeweiligen Familien. Oft wurde der mögliche Besuch des Königs als Argument für die Grösse und die opulente Ausstattung des Hauses aufgeführt. Der König kam aber trotzdem nie. Ein weitaus einfacherer, jedoch nachvollziehbarer Grund für die Grösse der Häuser war, dass sie als Investitionsobjekt genutzt wurden. Die Soldunternehmerfamilien mussten sehr viel Geld vorinvestieren und schlossen oft Hochrisikogeschäfte ab. Auf die meisten Herrenhäuser wurden deshalb grosse Hypotheken aufgenommen. Das restliche Geld für Transport, Ausrüstung und Verpflegung, wurde meistens von ledigen Verwandten geliehen.21 Um 1798 wurde das Haus zur Plünderung durch die Franzosen, als Kapitulationsbedingung, freigegeben. Die Innenausstattung fiel der Plünderung zum Opfer und wurde mehrheitlich zerstört. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Innenausbau rekonstruiert und mit klassizistischen Elementen ergänzt. 22

Abb. 18. Gartensaal im Erdgeschoss

Abb. 19. Esszimmer im 1. Obergeschoss

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Bauherr und Bauherrin Um die familiären Verhältnisse zu besser zu verstehen wird nachfolgend kurz auf den Lebenslauf des Bauherrn und seiner Frau eingegangen. Rudolf wurde als vierter Sohn von Landamann Rudolf Reding und Elisabeth in der Halden am 2. März 1582 geboren. Es wird vermutet, dass er im berühmten Bethlehem Haus in Schwyz zur Welt kam.23 Über die Jugendjahre gibt es nicht viele Informationen in Erfahrung zu bringen.24 Er soll mit seinen Brüdern am florentinischen Hof gedient haben und dann schon früh in den fremden Kriegsdienst eingetreten sein.25 Rudolf Reding hatte neun Geschwister von denen Ital und Heinrich ebenfalls zwei bedeutende Herrenhäuser in Schwyz erstellt haben. Heinrich hat um 1604 das Grosshus und Ital die Reding Hofstadt um 1609 errichtet. Rudolf heiratete 1599 Magdalena Schmid von Uri. Sie ist die Tochter des Landamannes und kaiserlichen Ritters Jost Schmid, der als reichster Urner seiner Zeit galt. Aus dieser Ehe gingen vier Söhne und zwei Töchtern hervor. 26 Am 21. Januar 1614 marschierte das Regiment Gallati mit Hauptmann Rudolf Reding in Poitiers, Frankreich, ein, wo er zwei Tage später vermutlich an einer Epidemie starb. Seine Frau führte danach alle Geschäfte der Familie weiter und kümmerte sich um den Bau des Hauses.27

Abb. 20. Innenhof mit süddeutschem Fachwerk Abb. 21. Bildnis von Rudolf Reding im Haus der Schmiedgasse

23 Von Haudegen und Staatsmännern, Josef Wiget und Nikolaus von Reding, 2007, S. 15, Triner AG 24 Von Haudegen und Staatsmännern, Josef Wiget und Nikolaus von Reding, 2007, S. 16, Triner AG 25 Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, André Meyer, 1978, S. 359, Birkhäuser Verlag 26 Von Haudegen und Staatsmännern, Josef Wiget und Nikolaus von Reding, 2007, S. 15, Triner AG 27 Von Haudegen und Staatsmännern, Josef Wiget und Nikolaus von Reding, 2007, S. 17, Triner AG

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Abb. 22. Schema Flächenvergleich, Haus Bethlehem

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Typologische Einflüsse In den vorangehenden Kapiteln wurden die Grundlagen für die nachfolgende Analyse beschrieben. Es sollte eine Basis geschaffen werden, die das Gebäude besser verorten lässt. Um den Argumentationen eine Struktur zu geben, wird mit den direkten Referenzen begonnen. Die Karte um 1600 (siehe Seite 7, Abbildung 4) zeigt die kleinteiligen Gebäudekörper, die sich um den Hauptplatz, Dorfbach und entlang der Herren- sowie Schmiedgasse anordnen. Die Herrenhäuser zeichnen sich deutlich durch ihre Dimensionen von den restlichen Häusern ab. Zu dieser Zeit wurden in Schwyz mehrheitlich Holzblockbauten erstellt. Die Wahl des Holzes als Baumaterial war als einheimischer Rohstoff naheliegend und das Wissen für um dessen Verarbeitung war zudem vorhanden. Meistens war der Sockel aus Stein gemauert und diente als Fundament für den darüber liegenden Blockbau. Die Dächer waren ebenfalls mit Holzschindeln belegt und hatten eine eher flache Neigung. All diese Merkmale sind beispielsweise beim Haus Bethlehem aus dem Jahre 1287 zu erkennen.28 Der Grundriss der traditionellen Schwyzer Holzhäuser wird oft mit einer zweiraumtiefen Schicht und einem Stichkorridor gebildet. In den Mehrfamilienhäusern wird der Korridor als Verteil- und Trennschicht genutzt. Die Breite des Korridors hat eine im Verhältnis zu den Zimmern grosse Dimension. Der Grundriss der Schmiedgasse besitzt auch diesen Mittelkorridor, der von Traufe zu Traufe durchlaufenden ist. Es ist offensichtlich, dass die Gestaltungselemente des typischen Schwyzer Bauernhauses Einfluss auf die Gestalt des Herrenhauses hatte. Die Tatsache, dass Rudolf Reding im Bethlehem Haus aufgewachsen ist und somit mit dieser Grundrisstypologie vertraut war, verstärkt diese Annahme. Es gibt einige Hinweise darauf, dass die Grundrisstypologie auch von anderen Herrenhäusern und fremden Typologien, respektive von Bauten aus dem Ausland beeinflusst wurde. Der Fakt, dass Rudolf von seinem Vater als Page an den florentinischen Hof geschickt wurde29, ist dabei sicher nicht ausser Acht zu lassen. Die Palastbauten der Renaissance in Florenz, wie der Palazzo Medici, Strozzi oder Rucellai können als weit entfernte Referenzen betrachtet werden. Ob Rudolf Reding die Bauten gekannt hat, kann nur vermutet werden. Der toskanische Säuleninnenhof des Erdgeschosses, deutet jedoch auf einen italienischen Einfluss hin. Welches Gewicht die florentinische Architektur auf das Gebäude hatte, ist schwer zu eruieren. Der angedeutete, italienische Einfluss steht jedoch im Widerspruch mit der darüber liegenden Sichtfachwerkfassade, welche mehr einer deutschen

Abb. 23. Grosshus, Erbauer Heinrich Reding

Abb. 24. Ital Reding Haus

Abb. 25. Haus Bethlehem

28 Betschart, Mühry, Müller, Rickenbacher, Stofer , Siedlungsentwicklung Schwyz, S.6, HSLU, 2008 29 Kunstdenkmäler des Kanton Schwyz von André Meyer S. 359, 1978, Birkhäuser Verlag

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Abb. 26. Schema Flächenvergleich, Haus Bessler von Wattingen

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Renaissance Fassade entspricht. Die gleiche Kombination von Säulen und Fachwerk findet man im Stammhaus Bessler von Wattingen in Altdorf. Meyer bringt in seinem Band Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz von 1978 (S. 359) noch weitere Referenzbauten zum Bessler Haus in Altdorf an. So werden der Rittersche Palast, das Göldin-Haus und das Am-Rhyn-Haus aus Luzern als mögliche Vorbilder erwähnt. Da sie alle einen renaissancehaften Innenhof besitzen. Herrenhaus Typologie Die wichtigste Referenz für das Schmiedgasse Haus von Rudolf Reding war das Stammhaus von Bessler von Wattingen. Es wurde 1614 von Emanuel Bessler von Wattingen (1569 - 1629) erbaut. Der Vierflügelbau hat eine Breite von ca. 20 Metern und eine Länge von ca. 30 Metern. Die vier Baukörper sind dreigeschossig. Am vorderen und rückseitigen Teil steigt der Dachfirst etwa höher. Die Seitenfronten sind als Giebel ausgebildet und werden so als Haupttrakte hervorgehoben. Die Hauptfront hat sieben straff konzipierte Öffnungsachsen. 1900 wurde der Innenhof um zwei Räume verkleinert und 1962 wurde die Hälfte des Hauses abgebrochen um ein Bürogebäude zu errichten. Auch hier werden der Ritter’sche Palast in Luzern und italienischen Palastbauten als Referenz angegeben.30 Wenn man die beiden Gebäude in einem Schwarzplan gegenüberstellt, wirkt das Bessler Haus kleiner als das Reding Haus, obwohl die Grundfläche vom Bessler Haus mit 600m2 ca. 50 m2 grösser ist, als die des Reding Hauses. Diese Täuschung ist durch die unterschiedlichen Grössen der Innenhöfe zu erklären. Der Hof im Reding Haus ist halb so gross wie der Hof vom Bessler Haus. Beide Höfe stossen mit der Korridorschicht auf einer Seite an die Fassade. Die Raumschichten beider Häuser sind hauptsächlich gegen Südwesten orientiert. Das Bessler Haus besitzt drei Schlafräume die ostwärts ausgerichtet sind und das Reding Haus nur deren zwei. Der Aufbau der Schichten ist bei beiden Häusern gleich. Es gibt massive Aussenwände. Die Zimmerschichten besitzen ebenfalls massive Wände gegen den Korridor und eine Leichtbauriegelkonstruktion gegen den Hof. Der Korridor und der Hof sind im Urner Beispiel nicht symmetrisch angeordnet. Der Hof und die Grundrissstrukturen besitzen nicht die Klarheit des Schmiedgasse Hauses. Der Flur um den Urner Innenhof ist nur dreiseitig geführt und die Erschliessung besitzt keineswegs die Eigenständigkeit der beiden Treppenhäuser des Reding Wohnsitzes.31

30 Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Band I.II, Helmi Gasser, 2004, S.108, GSK Bern 31 Markus Bamert, Herrenhäuser in Schwyz , 2012, S.49, Benteli Verlag

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Abb. 27. Stammhaus Bessler von Wattingen, aufgenommen 1910 in Altdorf Abb. 28. Südfassade, Reding Haus an der Schmiedgasse in Schwyz

Eine Gegenposition nimmt hingegen Markus Bamert, ehemaliger Denkmalpfleger im Kanton Schwyz, ein. Er schreibt im Buch „Herrenhäuser in Schwyz“ (S.49) folgendes: „Das Schmiedgasse-Haus wird immer wieder in Zusammenhang mit dem um 1614 errichteten Stammhaus der Bessler von Wattingen in Altdorf gebracht. Ausserdem werden beide Bauten immer mit italienischen Palastbauten verglichen, dies wegen den Innenhöfen. Italienische Renaissancebauten sind „dachlos“, das heisst die Dachtraufe werden mit Gestaltungselementen wie Balustraden, Figurenreihen oder Dreiecksgiebeln überspielt und negiert. Ihre Metall- oder Ziegeldächer liegen verdeckt als Muldendächer hinter diesen Aufbauten. Auf dem Dach sitzende, dominierende Giebel hingegen sind dort unbekannt. Vergleichbare Elemente finden wir jedoch an deutschen Renaissancebauten.“

32 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band II, Dr. Linus Birchler, 1930, S.588, Birkhäuser Verlag

Um auf das Zitat von Bamert genauer einzugehen, darf man vielleicht einen Aspekt bei der Entwicklung des Reding-Hauses nicht vergessen. Es wird im Buch Kunstdenkmäler des Kanton Schwyz von André Meyer (S. 357) nur beiläufig erwähnt: Rudolf Reding baute das Haus für seine Frau Maria Magdalena Schmid von Uri. Ein weiterer, interessanter Fakt daran ist sicher, dass Rudolf bis zu seinem Tod, Gardehauptmann in Frankreich war und die Vollendung seines Hauses nicht mehr erlebt hatte.

33 Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band II, Dr. Linus Birchler, 1930, S.590, Birkhäuser Verlag

Die Schwester von Rudolfs Frau war mit Emanuel Bessler von Wattingen verheiratet. Wie Nahe sich die beiden Frauen waren ist nicht bekannt. Die beiden Bauten besitzen aber eine grundrisstypologische Ähnlichkeit, wie

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auch schon André Meyer es in seinem Text (S.359) beschreibt. Wie oben aufgeführt bezieht Bamert eine Gegenposition was die Gestalt des Gebäudes betrifft. Doch die Ähnlichkeit im Grundriss ist auffällig. Im Kanton Uri bestand auch kein traditioneller Hintergrund, Herrenhäuser mit Innenhöfen zu bauen und die Verschwägerung ist sicher ein Indiz, dass die Grundrissentwicklung voneinander beeinflusst wurde. Die gleiche Fachwerkskonstruktion im Innenhof des Bessler- und RedingHauses, die Verwandtschaft der Frauen und die gleiche Bauzeit von 1614 lässt Dr. Linus Birchler zum Schluss kommen, dass die zwei Bauten den gleichen Baumeister hatten.32 Diese Vermutung konnte aber bis jetzt mit keinem schriftlichen Dokument belegt werden. Wie stark der Einfluss seiner Frau war, zeigt die von Birchler aufgeführte Aussage, dass die Bauherrin ein Geschoss höher bauen wollte, aber aus Rücksicht zu ihrem Mann es dann unterlassen hat. Auf der Nordseite war die Fassade schon gebaut und wurde auch so belassen.33

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Abb. 29. Schema Flächenvergleich, Ritter‘sche Palast in Luzern

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Im Zusammenhang mit regionalen Einflüssen führen die Kunsthistoriker verschieden Luzerner Herrenhäuser aus dem 16. Jahrhundert auf. Ein viel genanntes Beispiel ist der Ritter’sche Palast. Er ist ein Bauwerk nach dem Schema eines italienischen Adelspalastes. Wenn man bedenkt, wie imposant der Bau im zeitgenössischen Kontext gewesen sein musste, in Anbetracht der Tatsache, dass viele Luzerner Bürgerhäuser noch in Holz erstellt wurden, so kann man annehmen, dass Rudolf Reding mit diesem Renaissancebau in Kontakt kam. Insbesondere durch die Gegebenheit, dass die Familie Reding in Luzern geschäftlichen Tätigkeiten nachging. Ob auch Luzerner Baumeister und Steinmetzen am Bau des Reding Hauses mitbeteiligt waren, ist urkundlich nicht erwiesen.34 Die Grundfigur des ursprünglichen Ritter’schen Palasts hatte eine fast quadratische Form und ist ca. 100m2 grösser als die des Reding Hauses. Um 1841 wurde es im Süden mit einer Halbkreisform erweitert. Der quadratische Innenhof wird umgeben von vier dreigeschossigen Trakten und dem Dach. Die Geschosshöhen von 7 Metern, zu 4.5 Metern und 3.3 Metern nehmen geschossaufsteigend ab, was der Normalfall ist.35 Interessanterweise bricht das Schmiedgasse Haus diese Regel. Das zweite Obergeschoss hat eine grössere Raumhöhe als das erste Obergeschoss. Der Grundriss der zwei Geschosse ist identisch. Vermutlich ist die Raumhöhenzunahme konstruktiv bedingt, damit die Decken und Traufanschlüsse an der Fassade und im Hof kongruent ausgeführt werden konnten. Die Haupterschliessung erfolgt beim Ritter’schen Palast um den Innenhof. Im Erdgeschoss wird zudem noch eine repräsentative Treppe der Haupterschliessung vorgelagert (Schema heller zu sehen), die sich im Obergeschoss zur Zimmerschicht wandelt. Der offene Innenhof hat eine toskanische Säulenordnung mit Rundbogentragwerk. Diese werden in jedem Geschoss wiederholt. Nebst den Säulen sind in den Innenhöfen von Luzern und Schwyz keine weiteren Gemeinsamkeiten zu erkennen. Durch die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Schmiedgasse Haus von Rudolf Reding, ergeben sich weitergehende Fragen: - Wie entstand die Kombination von Fachwerk und toskanischer Säulen? - Woher kamen die Handwerker, welche diesen eigenwilligen Innenhoftyp erstellt haben?

Abb. 30. Fassade Ritter‘sche Palast Abb. 31. Innenhof Ritter‘sche Palast

34 Kunstdenkmäler des Kanton Schwyz, André Meyer, 1978, S.359 -360, Birkhäuser Verlag 35 Pevsner N., Europäische Architektur, 1. Aufl., 1963, S.300, Reutlingen Ensslin & Laiblin KG

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Abb. 32. Schloss Heidelberg, Deutschland

Fremde Typologien Der Betrachtungsperimeter der Einflussfaktoren für die Entstehung des Schmiedgassen Hauses müssen erweitert werden. Das regionale Handwerk und die regionalen Typologien können die eingangs erwähnten Fragen nicht vollständig beantworten. Als Erstes soll noch mal genauer auf den Innenhof eingegangen werden. Aus welchem Grund hat man sich für den Bau eines Innenhofes entschieden? Welche Funktionen musste er übernehmen? Die Hauptaufgabe des Hofes bestand darin, Licht in das tiefe Gebäude zu transportieren. Der Bauherr oder Architekt hätten aber auch über andere Lösungsmöglichkeiten verfügt, wie zum Beispiel das Gebäude kompakter zu gestalten, was eher den bereits bestehenden Herrenhäuser in Schwyz entsprochen hätte und somit der Innenhof hinfällig geworden wäre. Ich interpretiere, dass der Repräsentationscharakter für die Grösse des Hauses entscheidend war. Rudolf stand in Konkurrenz mit seinen zwei Brüdern Heinrich (Grosshus 1604) und Ital (Reding Hofstadt 1609) die beide herrschaftliche Bauten erstellt hatten. Wann in Schwyz die ersten Fachwerkhäuser entstanden sind, kann nicht genau eruiert werden. Die meisten Bauten die dokumentiert sind, wurden bis zu 100 Jahren nach dem Schmiedgasse Haus erbaut. Somit ist der Vergleich eines Schwyz-Fachwerks und dem Reding-Fachwerk schwierig.

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Bamert erwähnte im Buch der „Schwyzer Herrenhäuser“ die deutschen Renaissancebauten, wie das Heidelberger Schloss. Wenn man die markanten Dachaufbauten und ihre geschwungene Form des Schlosses betrachtet, können Parallelen zum Schmiedgasse Dach hergestellt werden. Auch die sanfte Schwingung des Daches entspricht eher einem deutschen als einem französischen Mansardendach.36 Die süddeutschen Fachwerkbauten gleichen dem jeweils eingeschossigen, abgebundenen Fachwerk des Innenhofes. Die Erklärung wie süddeutsche Handwerkskunst nach Schwyz gekommen ist, ist eher vage. Schriftliche Dokumente weisen darauf hin, dass die Enkel von Rudolf einen regen Viehhandel gegen Norden und teilweise gegen Süden betrieben haben um Kapital zu generieren. Ob Rudolf auch schon Viehhandel betrieben hat ist nur eine Vermutung. Durch das Amt des Obervogts und als Gesandter von Schwyz ist er möglicherweise mit deutschen Baumeistern in Kontakt gekommen.37

36 Markus Bamert, Herrenhäuser in Schwyz , 2012, S.49, Benteli Verlag 37 Von Haudegen und Staatsmännern, Josef Wiget und Nikolaus von Reding, 2007, S. 16, Triner AG

Abb. 33. Süddeutsches Fachwerk erbaut um 1615 Abb. 34. Innenhof des Reding Hauses

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Abb. 35. Schema Flächenvergleich, Palazzo Medici Riccardi

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„Der Aufbau der toskanischen Ordnung entspricht in Grundzügen der dorischen Ordnung. Die toskanische Säule hat entgegen der dorischen eine Basis. Im Säulenschaft fehlt die Kannelierung. Das heisst, es sind keine Rillen vorhanden. Das Kapitell ist meistens schlicht und schmucklos.“ 38 Die Einordnung der toskanischen Säulen im Bezugsfeld zur deutschen Renaissance ist schwierig. Die Verknüpfung entspricht einer eklektischen Kombination verschiedener Stile. In den Biografien der Bauherren gibt es viele Beziehungen zu Italien und Savoyen. Zum einen die Pagenzeit in Florenz, das Amt als Gesandter von Schwyz mit regem Kontakt im Tessin und die Beziehungen zu Italien von Magdalenas Vater. Wenn wir einen italienischen Palastbau, wie den Palazzo Medici Riccardi (1444-1484), mit dem Schmiedgasse Grundriss vergleichen, sieht man den massigen Baukörper und im Verhältnis, zur gesamten Fläche, kleinen Hofausschnitt. Der Palazzo ist fast zehnmal so gross wie das Herrenhaus. Der Korridor läuft wie beim Reding Haus um den Hof herum. Sie sind sehr grosszügig bemessen. Die Winkelanordnung der Raumschicht hat mehr Ähnlichkeit mit dem Bessler von Wattingen Haus als mit dem an der Schmidgasse.

Abb. 36. Fassade Palazzo Medici Riccardi in Florenz Abb. 37. Innenhof Palazzo Medici Riccardi in Florenz 38 Autor unbekannt, http:// de.wikipedia.org/wiki/Toskanische_Ordnung, Stand 05.1.2014

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Abb. 38. Westfassade

Konklusion Die Bauten der Gebrüder Reding setzten in Schwyz neue Massstäbe und veränderten die Entwicklung der nachfolgenden Herrenhäuser. Rudolf trat in Konkurrenz mit seinen Brüdern. Sie waren einige Jahre älter als er und erfolgreich in ihren Militärunternehmungen. Wie schon Ital von Heinrich, setzte sich Rudolf noch mal mit seinen Haus von den anderen Bauten ab. Alle drei Häuser haben Einflüsse aus dem süddeutschen Raum, was wiederum zeigt, dass die Verbindungen der Familie Reding in diese Region stark sein mussten. Um nicht wie der kleine Bruder der beiden anderen Häuser zu wirken, wurde ein grosses kompaktes Volumen gewählt, um die nötige Präsenz zu gewährleisten. Der Innenhof ermöglicht eine gute Belichtung des tiefen Grundrisses. Die Idee des Innenhofes ist sicherlich nicht nur funktional bedingt. Durch die schöne Ausarbeitung des Fachwerkes wird er auch zum Repräsentationselement. Rudolf ist bei seinen Reisen im Dienste von Frankreich, als Gesandter und Page in Florenz mit unterschiedlichen Baustilen und –typen in Berührung gekommen. Der viel erwähnte italienische Einfluss ist zwar vorhanden, ist aber nicht als Haupteinflussquelle zu gewichten. Ich interpretiere die italienischen Palazzo’s mehr als Inspiration oder Ur-Typologie, die dann stark auf das Schwyzer Verhältnis reduziert worden sind. Die toskanischen Säulen werden einfach als Gestaltungselement verwendet. Der Bau selber hat viele Details die vom süddeutschen Kulturkreis kommen und die Erscheinung prägen. Den grössten Einfluss beim Bau des Herrenhauses hatte Magdalena, die Frau von Rudolf. Sie war es auch, die das Gebäude ein Geschoss höher erstellen wollte, es dann später aus Rücksicht auf Rudolf doch nicht ausführen liess. Durch den Tod ihres Ehemannes war sie die treibende Kraft und verantwortlich für die Vollendung des Hauses. Es kann davon ausgegangen werden, dass Magdalena Reding-Schmid einen grossen Anteil des Hauses finanziert hat. Zudem war ihre Schwester mit Emanuel Bessler von Wattingen verheiratet, der die gleiche Säulen und Fachwerkskombination in Altdorf erbauen lies. Durch die Tatsache, dass der Baubeginn beider Häuser im Jahr 1614 war, lässt vermuten, dass die Häuser zur gleichen Zeit geplant wurden. Die entstandene Ähnlichkeit lässt auf einen regen Austausch über die Bauvorhaben schliessen. Die Frage ob beim Bessler und Reding Haus der gleiche Baumeister tätig war, würde ich mit ja beantworten. Die Verwandtschaft und die identische Konstruktion des Hofes gewichte ich als die ausschlaggebendsten Argumente.

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Das Interessante an der Entwicklung von Schwyz ist, dass einige wenige Familien durch ihre Tätigkeit als Militärunternehmer das Bild eines Dorfes bis zum heutigen Zeitpunkt prägen und verändert haben. Sie haben es geschafft, trotz der ländlichen Lage, die Politik auf nationaler Ebene massgeblich mitzubestimmen. Durch die Kontakte mit königlichen Häusern flossen neue kulturelle Gepflogenheiten nach Schwyz. Die Damen und Herren des Hauses widmeten sich neuen Künsten, wie des Musizierens oder dem Lernen von Fremdsprachen. Dank dieser Entwicklungen entstanden neue Bedürfnisse für andere Wohnformen. Der Import von Wissen oder Baufachleuten aus anderen Teilen der Schweiz oder sogar Europa brachte eine Weiterentwicklung des örtlichen Handwerks. Die örtlichen Traditionen und Gewohnheiten übten jedoch auch einen grossen Einfluss auf die neuen Bautypen und -typologien aus. Zwei Beispiele dafür sind das Reding Haus, welches einen Mittelkorridor, von Traufe zu Traufe besitzt, der von den Bauernhaustypologien stammt oder das Haus von Anton Ignaz Ceberg, welches eine Anlehnung an einen barocken, italienischen Palazzo ist, jedoch einen ungewöhnlichen und eigens für dieses Haus entwickelten Dachaufbau aufweist. Das Haus von Rudolf Reding und Magdalena Reding-Schmid an der Schmiedgasse kann man auch in die Reihe von Herrenhausbauten nennen, die sich über die Jahre in Schwyz entwickelt haben. Doch ist das Haus von einer Eigenständigkeit und Einzigartigkeit gekennzeichnet. Im Spannungsfeld von ländlichem Handwerk und fremden Einflüssen, entstand eine aussergewöhnliche Grundrisstypologie, die viele Fragen aufwirft. Wie die verschiedenen Quellen bereits zeigten, gingen die Meinungen der verschiedenen Autoren weit auseinander. Es wurde in dieser Arbeit versucht, eine weitere Annäherung zum Objekt zu schaffen und weitere Ansätze zu thematisieren. Was sicher nicht als abschliessende Meinung gelten kann, da es immer noch zu viele ungeklärte Punkte gibt, die grösstenteils historisch nicht belegt werden können. Die Vermutungen und Widersprüche in den Quellen und in dieser Arbeit zeigen auf, dass es auch heutzutage nicht immer möglich ist, die ganze Geschichte darzulegen. Am Schluss möchte ich mich noch bei Nikolaus von Reding für die Besichtigung und die spannenden Gespräche bedanken.

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Literatur- und Quellenverzeichnis - Brockhaus Enzyklopädie, Band 28, Auflage 21, F.A. Brockhaus Leipzig Mannheim, 2006 - Betschart, Mühry, Müller, Rickenbacher, Stofer , Siedlungsentwicklung Schwyz, 2008, HSLU Technik & Architektur - Dr. Josef Wiget, http://www.sz.ch/xml_1/internet/de/application/d2/d56/d756/f759.cfm, Stand 13.01.14 - Autor unbekannt, http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Kantons_Schwyz, Stand 13.1.2014 - Jost Auf der Maur, Söldner für Europa, 2011, Echtzeit Verlag - Markus Bamert, Herrenhäuser in Schwyz , 2012, Benteli Verlag - Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, André Meyer, 1978, Birkhäuser Verlag - Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Band II, Dr. Linus Birchler, 1930, Birkhäuser Verlag - Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Band I.II, Helmi Gasser, 2004, GSK Bern - Von Haudegen und Staatsmännern, Josef Wiget und Nikolaus von Reding, 2007, Triner AG - Pevsner N., Europäische Architektur, 1. Aufl., 1963, Reutlingen Ensslin & Laiblin KG - Peter Murray, Weltgeschichte der Architektur Renaissance, 1989, DVA - Autor unbekannt, http://de.wikipedia.org/wiki/Toskanische_Ordnung, Stand 05.1.2014

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- Abb.1 Bild aus privatem Archiv Nikolaus von Reding - Abb. 2,3,4,5,6 Grundlage: Betschart, Mühry, Müller, Rickenbacher, Stofer , Siedlungsentwicklung Schwyz, 2008, HSLU Technik & Architektur - Abb. 7 Aus: Jost Auf der Maur, Söldner für Europa, 2011, Echtzeit Verlag Bild von der Schlacht von Arques bei Dieppe: Glarner Regiment Gallati am 21. September 1589 für Heinrich IV, Basler Kunstmaler Burkhard Mangold 1873-1950 - Abb. 8,9,10,11,13,14, 16, 17, 21 aus Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, André Meyer, 1978, Birkhäuser Verlag - Abb. 15, 20, 28, 33, 38 Bilder vom Verfasser - Abb. 25 http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f7/Schwyz_Haus_Bethlehem_und_Grosser_Mythen.jpg - Abb. 27 aus Die Kunstdenkmäler des Kantons Uri, Band I.II, Helmi Gasser, 2004, GSK Bern - Abb. 30, 31 aus Pevsner N., Europäische Architektur, 1. Aufl., 1963, Reutlingen Ensslin & Laiblin KG - Abb. 32 http://www.schwetzingen-schlossgarten.de/wp-content/uploads/2010/07/ Schloss-Heidelberg-27.9.11-0022.jpg - Abb. 33 http://img.webme.com/pic/b/badischewanderungen/mosbach_5_n.jpg - Abb. 36, 37 aus Peter Murray, Weltgeschichte der Architektur Renaissance, 1989, DVA

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Vernacular Modernity

The walls of Luis Barragan Arnold Gamborino

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2013 Verfasser: Arnold Gamborino Schulhausstrasse 8, 4800 Zofingen Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geisbühler Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract – The following paper comprehends an analysis about the integration of vernacular elements in a modern architectonic language, taking as study case the work of Luis Barragan. The main part of the study consists on the categorization of the elements present in the architecture of Barragan coming from two different approaches. On the one hand the elements of the modern movement, the simplification of forms and the use of the surface as a compositional element of the space. On the other hand the presence of the vernacular tradition in México. Both parts are analyzed simultaneously in order to achieve a comparison between both as well as a global understanding of the architectural vision. This study intends to demonstrate how the implementation of elements of the vernacular tradition gives modern works a deeper meaning. The work of Barragan acquired a special quality that is difficult to observe in most of modern architecture. It is probably his approach towards the vernacular tradition in México what gives his work its quality. For the investigation, the postulates of Sigfried Gideon about the evolution of the spatial conception which lead the artists of the modern period to go back to simplicity in the use of basic forms, as well as the proximity

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between plastic arts and architecture, are of vital importance as they are the main aspects in the case of Barragan that are observed in his modern approach, but at the same time have a direct relation with the incorporation of the vernacular tradition. A descriptive analysis of the development of architecture in MÊxico, from the pre-Hispanic period to the nineteenth century is helpful to understand the prevalence of these vernacular elements in Mexican tradition that later on would have an influence on Barragan. The analysis observes also the vernacular architecture of Bernhard Rudosfky and Robert Stern describing vernacular as timeless, immutable and native, taking these concepts as guidelines. The built examples of Barragan chosen for the study will be analyzed focusing on the walls as principal elements. It is the surface and the volumetric presence of the walls that create the architectural compositions, where both elements present in the modern and in the vernacular come together to define the architecture of Barragan. Ultimately this paper observes what elements in Barragan’s work are modern and what elements are vernacular and how he combines the two in his one unique way, which could be called a vernacular modernity.

Vernacular Modernity What might we understand as vernacular modernity? Since the beginning of twentieth century architecture somehow presented a lack of well-defined roots and was rather guided by popular tendencies. This led into a superficial, formal architecture without any relation to its context and its cultural heritage. The image of the buildings was of a bigger concern to architects than how the building would relate to its inhabitants. In modern times, the fast development of cities led to the construction and urbanization of areas without taking the time to integrate important cultural elements related to climate, traditions, materials, construction methods, etc. This was the time of the International Style in architecture. The mechanization and standardization in the production process in modern times, had led into a general un-personalization, which had an impact on the way of living. Millions of persons lived in agglomerations to the cities that grew without a center, without a soul to which the people could relate and identify themselves to. Nevertheless, since the second half of the twentieth century, architecture was coming closer to the plastic modern tendencies. The architects of those tendencies focused on elemental forms of the past, to recover the lost value,

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which they believed the first developed cultures achieved in their constructions. They would somehow try to integrate vernacular elements into modern architecture. In this transformation of architecture, the main topic was to reestablish the intimacy of living. A vernacular modernity emerged. Different authors described this tendency: In his text about Critical Regionalism1 ,Kenneth Frampton approaches the problematic of the standardization of architecture. According to him to avoid this kind of “soulless� architecture it is necessary that architecture takes into account the specific needs of the local people. This way buildings would acquire a dialectical expression; they would express identities and needs of the inhabitants rather than just offering them shelter by imposing themselves. If any central principle of Critical Regionalism can be identified, then it surely is the commitment to place rather than just creating space, a principle close to vernacular architecture. The commitment to place, and thus the needs of the regional people, is a motif that is present in many contemporary examples of architecture. A specifically regionalist approach can be observed in Luis Barragan’s work. Barragan was looking for an earthbound architecture, composed of enclosures, fountains, watercourses, color saturation, which correspond with the very traditional elements of Mexican architecture, and the needs for freshness and joy of life of the locals. 1 In general, Critical Regionalism proposes resitance to homogenization of the built enviroment that results from the modernization of product manufacturing and construction techniques. However, Frampton does not embraces the use of vernacular element, nor is he opposed to modern tendencies. His approach is important for this study because of the recognition of the necessity of a new Architecture with the capacity to condensate the artistic potential of a region while reinterpreting cultural influences from outside.

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Nonetheless his work reflects all the postulates of modernism and is different from the traditional Mexican architecture. How did Barragan develop his personal style of vernacular, modern architecture? His expression of the vernacular and the modern can be observed in various elements of his works. Those are: the use of dominant walls, the dialogue between surfaces and texture, the implementation of courtyards, the relation between exterior and interior spaces and his joyful play with color.


The walls of Luis Barragan Luis Barragan came from a rich catholic family living in Guadalajara, Mexico. From his student years, it is well known, that he liked to spend his vacations on the ranch his family owned. In the interview made by Elena Poniatowska, Barragan talks about this time and how it would influence his later work: “Underlying all that I have achieved –such as it is- are the memories of my father’s ranch where I spent my childhood and adolescence. In my work I have always strived to adapt the needs of modern living to the magic of those remote years”. “I spent my youth on horseback, looking at houses that sang over the earth, passing by popular festivals; I remember the play of shadows that always fell over the walls as the late sun was weakening… At Mexican “ranchos” you always see streams of water: you would never have a house or an architectural ensemble without a pond, or a stream or a fragment of an aqueduct.” Between 1925 and 1936, he lived and worked in his hometown. His Architecture during this period is regional and painteresque, marked by the influence of Mexican tradition. An example of this period is the renovation of the Barragan House in Guadalajara. Already in this stage of his work as an architect, he starts to show a tendency towards simplicity, as he relies more on the expression of simple forms and surfaces, rather on exotic ornamentations. The house presented a rich Mexican baroque style, visible on the facade and the ornamentation of the windows and details of the roof. With his intervention, Barragan reduces the decoration to a minimum making the volumes of the house more relevant than the exuberant decoration, a clear gesture coming from the modernist movement. Nevertheless, being Barragan very close to tradition, he decides to use local techniques and color for the finishing of the surfaces giving to this renovation a feeling of tradition, as if it was always meant to be this way. The white walls used to avoid over heating are a symbol of the local development in such arid places in northern México. The reduction in the number of windows is also a reaction to the climate situation and to his concept of privacy present as well in the Mexican tradition. The ornamentation of the house was a reminiscence of the European influence that had no more reason to be that a mere stylistic approach. With his intervention Barragan achieves purity in the form which remind us the modernist tendencies, and at the same time are close to the Mexican tradition in the incorporation of specific elements, that give the house a stronger relation with the context and the history of the place.

Abb. 1. Los Clubes (1972). The image shows one of the main horse-ride roads of the complex. The fact that Barragan included paths for horse riding in an urban development in the city is the result of the strrong influence that vernacular traditions have for him. From The quiet revolution, Federica Zanco, 2001

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Later on, in 1936, he decides to move to Mexico City, starting the second period of his development as architect. This second period concludes in 1947 with the construction of his own house-studio in Tacubaya, a district of Mexico City. Although he already was in touch with modern tendencies, it is during this period when he becomes strongly influenced by the modern European movements, especially from Le Corbusier and de Stijl. This influence is clearly visible in the formal language he has adopted using the surface as main element in his architectural compositions with a total simplification of the form. Nevertheless, the influence of the vernacular tradition is always present with his selection of local materials and construction techniques. In 1947, he wrote a letter to his friends and clients to inform his decision to make a change of direction. Frustrated with the conditions of the time where standardization seemed to be the most popular tendency, Barragan searched for economical as well as profession independence. The third period of his development is the work of a poet, from this period comes the realization of the Capuchinas Chapel in México City. One of his projects where he fully achieved to create a bridge between tradition and modernity. Barragan’s architecture can be interpreted in many ways, but what he has left is the richness of his work and the intuitions that support it. This allows studying, discussing and analyzing fundamental aspects of modern architecture. As Octavio Paz once described his work, it was the art of being modern but not “modernist”, universal because of the intelligent use of our popular tradition.2 The interest of this study is taken on the analysis of his walls, because it is there where his sense of creation, its simplicity and purity can be better explained. As architect, Barragan opposed against the use of moldings or any kind of decoration in order to achieve harmony, as he once indicated, architecture: “…has to be the result of a perfect structural and functional harmony of the whole. Mass, lines, surfaces and spaces are precise elements that have to be preserved in all their simplicity.” 2 Paz, Octavio, México en la Obra de Octavio Paz, México Fondo de Cultura Económica, 1987, p.397.

In another of his notes, he expressed his awareness of the simplicity having a body and possessing materiality: “…corporeity, lady, is sacred because it has a transcendental mission: to represent the spirit.”3

3 Personal archive of the architect Luis Barragan, Fundación de arquitectura Tapatía Luis Barragán.

It is in the wall where his philosophy as an architect acquires expression, where the conjugation of the modern and vernacular becomes evident, and therefore, the main topic for this study.

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Abb. 2. The Barragan House, Chapala, Guadalajara.The image shows the house on which Barragรกn grew up before its renovation. The surfaces are richly decorated. From From The quiet revolution, Federica Zanco, 2001 Abb. 3. The Barragan House after the renovation. Even in early stages of his development, Barragรกn shows his tendency towards simplicity and modernity, by the elimination of the ornamentation in surfaces. From The quiet revolution, Federica Zanco, 2001

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His architecture is often related to a minimalistic approach because of the reduction of the form, however, it is emotivism, more than the minimalism what defines his work. In a strict sense, Barragan wouldn’t be minimalist, because he makes use of elements that are not part of the minimalism, a liberal use of perspective, the visual effect of deepness achieved for example with reflecting surfaces or double fond, thickness of the walls, etc. Emotivism makes use of visual effects to create emotions, minimalism not. Part of this emotion can be attributed to his interpretation of the vernacular tradition. For him the influence of tradition has always been present, as he once explained: “It has been for me reason of permanent inspiration the lessons present in the popular architecture of Mexico: its calk-whitened walls, the stillness of its courtyards and gardens, the color of the streets and the humble elegance of its squares surrounded by portals”.4 His architecture becomes traditional, because tradition has always used the naturally available, and so does he on his work. The use of local techniques and the typology of space organization are elements that Barragan takes from the vernacular tradition and, in a way, what give this sense of emotion to his work. According to Barragan, tradition is what fits to its own time. Being traditional means, to fulfill the expectations of the time, to integrate the contours, the materials, the technical advantages, respecting the needs and habits of local life at the same time. “Tradition is to make the architecture of a time according to the life of a time.” The true traditionalist does not rely on the architecture or style of another time. “True tradition consists on making the architecture contemporary”.

4 Barragan, Luis, Acceptance speech for the Pritzker price, 1980. 5 From the compilation Conversaciones con Luis Barragan, Fundación Tapatía de Arquitectura Luis Barragán, 1962.

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This understanding of tradition gains more strength with the position of Barragan towards functionalism. He finds the tendencies of functionalist architecture a terrible denial to the existentialist meaning of living, particularly that of intimacy. Away from the tendencies of his time, his constructions seem to be demarcated forms, whose limits appear clearly defined, but soon it becomes evident that these limits offer new possibilities. The physical expression of these transformed limits are his walls, which he uses to create intimate atmospheres through the use of traditional color and texture. The critic he makes to the architecture of his time is this: to live is not to put ourselves into a case, no matter how beautiful it is. In


Abb. 4. Courtyard of the Capuchinas Chapel in MĂŠxico City. Notice the contrast created by the shadows of the cross and by the color of the vegetation in relation to the austerity of the wall. In addition, the deterioration of the surface intensifies the contrast between the forms. Abb. 5. Courtyard to heaven, Barragan studio-house, Mexico City. Again there is a composition created by the combination between color, texture, nature and materials. The reduction of the form focuses the attention on the relation between the surfaces.

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living, we discover ourselves, we make ourselves, we reveal ourselves, and this is the principle that sustains the progressive reduction in the interiors. 5 The idea of intimacy for Barragan has a direct relation to the vernacular housing in Mexico, and at the same time, the reduction of forms relates to a modern approach. It would be also appropriate to talk about the work of Barragan as integralist. There is an integration of two different but not entirely opposite worlds. It is complex the way Barragan relates to colors and textures, a quality present in the vernacular tradition trough out the centuries. At the same time, the relation between his volumes is simple, such as the principles of modern plastic tendencies. There is indeed a maximum of sense of simplification with an economy of mediums, but this doesn’t interfere with a notable structural complexity reflected in the expression of his walls. Again the Capuchinas Chapel is a good example for this. Las Capuchinas Chapel, Mexico City 1953 – 1960 Being México a land with a strong religious tradition, and Barragan also being a religious man, this project represented the opportunity to create spaces that reflected this tradition with a modern language. It was an opportunity for him to freely design a spiritual space. In 1953, Barragan received the commission to restore the Convent and built a new chapel for the order of the Franciscans nuns in south México City in 1953. This project incorporates the harmonious control of light and shadow, the spatial expression trough color, the influence of Mexican artistic traditions, the combination of planar surfaces of volumes of a modern language, and the use of local materials to create a religious environment for silence contemplation. The Chapel is simple but full of intimacy and tradition. First a small lobby with low height receives and prepares the visitor to enter into an austere but impressive room. When the main door is opened, the visitor is introduced into a double height space enhanced by a latticework and a golden altar. The use of color creates a contemplative but yet dynamic environment. The thick concrete walls capture and reflect the light in different tones and intensities. The lack of ornamentation focuses the concentration into the golden altar acting as a functional element for the concentration in the Chapel. The position of the window was designed as a strategic point, where it remains hidden from the direct view to avoid glare and excessive brightness

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Abb. 6. Floor plan and images of different spaces in Las Capuchinas. The reduction on the decortation and the form is compensated by the relation between the different elements, between color, surface and light. From www. catalogo.artium.org, pictures: AdriĂĄn GutiĂŠrrez.

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creating thus the mentioned intimacy. The east orientation of this window allows bathing the altar with the morning sun when the main activities take place. In the courtyard a yellow perforated wall acts as a transition element between interior and exterior. From the courtyard, this wall acts as a focal point, emphasized by the black stone fountain. From the other side, the bright yellow of this wall provides a warm and intimate atmosphere on this semi-opened space. In both sides of the space, the wall has a contemplative function and provides a dynamic and modern quality to the spaces. Inside the Chapel, a lateral wall positioned in a hidden angle creates an irregular space where a freestanding cross is positioned. This corner presents a wall–ceiling window that illuminates the space and projects the shadow of the cross into the altar, an element that can be seen as a direct translation of his observations during his time on his father’s ranch. The whole space is harmonized through the relation between the different elements that compose it. With the interaction between different intensities of light and the color and texture of the walls, the space is transformed according to the time of the day, what creates a strong sacral feeling. In many senses, the architectural gestures of Barragan can be considered romantic related to the use of the myth present in the religious tradition. Isaiah Berlin in his book “Raíces del romantiscismo”, explains how romantics find the myth as a mean of expression. Myths have something inexplicable, irrational unreachable. The myth allows to relate to the world without definite it, trying make a definition would put it in a fixed position going against the poetic of space. Myth is related to the sacred because it puts the man in relation to a supernatural world. In the case of Barragan, the myth is complemented with his inclination towards the ritual, which is present in the sacred. For Barragan, only through the myth can the poetic of space be reached. In his speech for the acceptance of the Pritzker price, Barragan states:

6 Berlin, Isaiah, Las raices del romanticismo, Madrid, Taurus, 2000, p. 163. 7 Barragan, Luis, Acceptance speech for the Pritzker price, 1980.

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“Catholic as I am, I have visited with reverence and frequency the monumental convents, heritage from the culture and religiosity of our ancestors, the men of the colony, and I have never stopped to be moved by the feeling of wellbeing and peace that takes control over the spirit while walking these inhabited monasteries, cells and those solitary courtyards. How I wish that in some of my works the impression of these experiences could be recognized, as I tried to do in the Capuchinas Chapel in Tlalpan, Mexico City.”7 The sense of the myth for Barragan becomes clearer as we go through one of his favorite lectures where the Franciscans show Maria their monastery:


“…and after having a sober and quiet sleep, she stood up with lightness and asked them to show her the monastery. And taking her to a hill, they showed her the horizon that could be seen from there: […] Moved from the beauty of the view […] she proclaimed that everyone sits around her and started talking giving words of life: Blessed all of you from the Lord who made heaven and earth, you that received me with love, for me it seems to be with you in God’s Paradise…”8 In this abstract it is not the physical monastery that fascinates Maria but the beautiful sensation of being together and in spiritual contact with God. This means that not abundance of ornaments is necessary for the spiritual to emerge but purity and awareness of the presence of God. This idea Barragan translates in the absence of accessories and therefore focusing towards an interior and pure spiritual search. This passion for simplicity is also a passion for unity. The Capuchinas Chapel represents Barragan’s ideal of plastic integration in architecture. Inspired by the integration of arts and architecture that great religious works in the past had, Barragan attempted to incorporate elements present in plastic arts. Although this position may seem guided by the vernacular approach observed in the Mexican religious tradition, there is also a relation with modernism as this approach between plastic tendencies and architecture was changing the paradigm. Surface as composition element of Space As already stated, Barragan’s architecture is influenced not only by the Mexican vernacular tradition, but also by the modern movement. Developing his work during the modern period, Barragan could not escape the concepts of modernism. From the modern period especially the concepts of cubism influenced his work. The methods of the representation of spatial relations, like the ones present in the cubism, guided the modern spatial conception into a plastic expressivity. Space in the modern time, would be perceived as relative to movement and not as a absolute static perspective, as it has been perceived since the Renaissance. Cubists considered objects to be relative, depending on the observer’s position and therefore represented them at the same time from different angles. During this period architects were facing the task to bring volumes of different sizes and forms in a logic and harmonic composition. With the influence of Cubism, the volume acquired a new meaning; it gains again a dynamic expression. Although this was a new form of expression and

Abb. 7. The simplicity in the composition of Barragan allows to concentrate the attention towards specific elements. In the case of the main Chapell in Las Capuchinas, every elemetn in the composition of the space is placed in order to emphazise the golden altar. The shadow, the light and color of the surfaces direct the attention to the front where the religious services take place. From The quiet revolution, Federica Zanco, 2001

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Sarasola, Luis, San Francisco de Asís, Madrid, EspasaCalpe, 1929, p 130

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perception, it was the result of the reinterpretation and understanding of elements of the past. As Sigfried Gideon (19xx) indicates the evolution of Architecture can be divided in three main periods, talking as common point for this categorization, the spatial conception: The first spatial conception includes the first high civilizations (Egypt, Sumerian, Mayans, etc.) as well as the Greek development. In this phase, plastic images and volume would be placed in the infinite space. The space would be defined by enclosed volumetric elements. It relies on the vibrancy of the volumes and the relations with each other. Abb. 8. Sketches representing the change of perception attributed to the discoveries of Cubism. On top, the closed box and the fixed point of view. In the middle, the descomposition of the angles. In the Bottom, the new possibilities between the relation of surfaces, expresing total liberty and dynamism in the perception of spaces.. From Leggere, scrivere, parlare architettura, Bruno Zevi 1997

9 From, Raum, Zeit, Architektur, Sigfried Gideon, 1992

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The second spatial conception takes place during the roman period and until the 18th century. The inner space becomes priority. The creation of cavities to become interiors comprehends the main explorations that took place during this phase such as the pantheon in Rome or the Haga Sofia cathedral in Turkey. In contrast with the first spatial conception, where the inner space was a secondary, the concern, in the second spatial conception was to model and give meaning to the interiors. The third spatial conception started since the 19th century. It constitutes a transition period. Every form of the past period would be used, mixed and reinterpreted. The importance of volumes in space becomes the main priority as well as in the first spatial conception, but without leaving out the care and development of interior from the second spatial conception. It is in this phase that the understanding of space as a dynamic experience started to transform the perception of architecture, related to the proximity between plastic arts and architecture and where Barragan’s work is located.9 Another parallel between Barragan and the Cubism is observed in comparison of his work with the art and architecture of Theo van Doesburg, who renovated the language of architecture taking as starting point the compositions of cubism in painting. His main contribution is the decomposition of the box which he realizes by the differentiation between the surfaces of walls, floors and ceilings by different colors. The contrast between, white, yellow, blue and red creates a dynamic perception. The new design of van Doesburg consist on the reduction of the architectonic elements into bi-dimensional sections that are independent but not isolated from each other, realizing a dynamic disposition that is no longer delimited to a closed space and that even expands itself towards the exterior. It is evident how these concepts are included in Barragan’s architecture. Most of his spaces are configured with simple volumes and simple surfaces and each part is made independent by the contrasting use of colors. The use of simple geometric


Abb. 9. Theo van Doesburg and Cor van Esteren, Axonometric view of a privater house in 1920. From www.rosswolfe. wordpress.com Abb. 10. Theo van Doesburg, Compositie XXII,1922. From Wikipedia, 2008 Abb. 11. Luis Barragan, terrace of his house studio in Tacubaya. It is noticiable the influence of van Doesburg in Barragรกn, nevertheless, the finishing of surfaces as well as the materials, textures and colors giving the Architecture of Barragan a regionalistic identity, making it different from that of van Doesburg. From www.plataformaarquitectura.cl

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forms and its relation with each other can also be well seen in the case of the Capuchinas Chapel. In the main atrium of the chapel, the reduction of the architectural elements to pure surfaces is evident. The intention is to create a space for the meditation, for the sacred. As mentioned for Barragan this goes hand in hand with simplicity and purity. The absence of ornaments allows focusing on the person and in the interior meditation. Regarding ornamentation Barragan takes his distance to the vernacular, because he consciously avoids the use of ornaments in favor of the modern purity.

Abb. 12. Drawing of a mayan city during the conquest. From The traditional architecture of Mexico, Mariana Yampolsky, 1993 Abb. 13. Drawing of the fassade of a house. Even in modest houses, there is a rich ornamentation of the surfaces.From The traditional architecture of Mexico, Mariana Yampolsky, 1993 Abb. 14. Drawing of Mexico City, after the post conquest period. The tradition in the ornamentation of previous periods evolved and adapted the european styles resulting into a reinterpretation that remained rich in the ornamentation. From The traditional architecture of Mexico, Mariana Yampolsky, 1993

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Since the pre-Hispanic period in MÊxico, ornamentation was an important part in the configuration of spaces. The surfaces of the walls were always kept impeccable. Whenever a part of the building lost it’s coating, it was immediately whitewashed and plastered again. Interior rooms were very clean, polished, carpeted and tapestried with walls of cotton and feathers in many colors, in some cases, the walls were decorated with vivid murals. This tradition prevailed after the Conquest, since Indian hands built most of the new buildings. Most monasteries in the New World were similar to those in the Old world in plan and in general design, but the ornamental detail was strongly influenced by the Indian traditions. It is a Mexican tradition to incorporate traditional patterns and ornaments into new influences. Barragan translates this tradition in his own modern way: Provincial towns, with their richly decorated walls were a never-ending source of inspiration:


“My roots are in Mexico; I had the good fortune to live in the countryside, in small villages… When I use a strong color like red or purple, it is because my mind has suddenly been illuminated by the memory of some Mexican festival, some stall in some market, the brilliance of a fruit, a watermelon or a wooden horse… In Mexico people invent colors: In Patzcuaro there are pinks and reds; Huejotzingo has also marvelous colors – indigo blue, plaster white – this is a timeless architecture which will never outlive its period because it has no period…”10 It is fair to say that Barragan’s approach towards vernacular is mostly seen in the implementation of color and texture in the surfaces of the walls. In the modern tendencies, there is no room for unnecessary ornamentation, and Barragan being a modernist understood and adopted this way of thinking, but without detaching entirely from tradition. He reinterpreted and adapted the vernacular tradition to fit in the postulates of modernity. Nonetheless he included other traditional elements of Mexican architecture in his work, so the courtyard.

10 From the compilation Conversaciones con Luis Barragan, Fundación Tapatía de Arquitectura Luis Barragan, 1962.

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11 Mariana Yampolsky explains in his introduction to the development of the traditional architecture in Mexico, how the use of the courtyard is present before the arrival of the conquerors. In ancient constructions, the indians were already solving the problem of bringing light and air into buildings by the integration of inner courtyards. Later with the arrival of the conquerors and the indluences that they brought from the arabic tradition, this tradition continued to developed and adapt with the indian traditions. Becaue of this, and for the efficiency of this solution, the courtyard still has a great importance in Mexican construction today.

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The Courtyard In Mexican architectural tradition, the courtyard has always played a significant role. 11 This space allows to provide a private open atmosphere apart from the outside world, an oasis that brings into the interior rooms air, light and contact with nature; not only that, but it also is considered the main room of the house, where social activities take place. In pre-Hispanic times, temples, palaces and grand houses were built mostly in two levels by the skilled masons who incorporated interior courtyards filled with colorful flowers and vegetation. The big scale of the constructions resulted in the use of courtyards as an optimal solution to illuminate and ventilate the inner space; a concept that relates also to the climate as the implementation and use of water and vegetation creates a cooler atmosphere reducing the high temperatures that are found in most of Mexico. In ancient MĂŠxico as well as in many other cultures such as the Arab or Japanese, the courtyard acted as a transition space between interior and exterior. Another important aspect from the use of courtyards was also thought as the main access to the building. One cannot enter directly to the buildings but only through the courtyard. The main access is connected always to one of the courtyards, besides providing ventilation, light and the connection with nature, they also function as transition space between public and private between interior and exterior. The tradition of the implementation of courtyards appears in many buildings of the architectural development of Mexico. In the countryside, the main edification that best exemplifies the use and function of courtyards is the Hacienda, which is a big scale structure organized and connected by two or more courtyards. These constructions possessed large cultivation fields, barns, and a residence and in some cases even a church or monastery with a cemetery. The rich descendants of the Spanish conquest mostly owned these places, and they acted as distribution centers for most of the goods used by nearby villages. With the time and the changes in history, especially the revolution period, the function of the Hacienda began to lose its position in the control of production and trade. In modern times, these places are mostly used as private residences and in some cases rehabilitated to work as hotels or museums. Barragan grew up in one of these Haciendas, in northern Guadalajara Barragan included also a courtyard in the Las Capuchinas Chapel. The main access is directly connected to a courtyard, a reminder of the influence brought by the Spanish from the Arab culture. In Arabia the courtyard has a spiritual symbolism, as it is perceived as a place for the illumination where the noise and the disturbance of the exterior life are left behind. This


Abb. 15. Axonometry of a typical Hacienda in Mexico. There is the main construction where the residence is located, organized around different courtyards. The rest of the areas are conected to this main structure by larger courtyards that also have independent access from the outside. In many cases, the Hacienda presents secondary constructions that are placed outside the main structure, such as vigilance houses, pools and gardens. From The traditional architecture of Mexico, Mariana Yampolsky, 1993 Abb. 16. Images of a typical Hacienda. Its is very interesting how contrated the spaces can be in such place. There is a combination of the elegance of a town residence with the hard work lifestyle of the countryside. From The traditional architecture of Mexico, Mariana Yampolsky, 1993

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Abb. 17. Image of the courtyard of Las Capuchinas. The yellow wall gives dynamism and expression to this space, contrasting with the simple finishing of the rest of the surfaces. From The quiet revolution, Federica Zanco, 2001

Abb. 18. Image of the white cross in the courtyard of Las Capuchinas. Notice the contrast achieved by the simplification of the surfaces and thecontrast of the white walls with the brilliancy of the Bugambilea. From www. worldarchitecturemap. org

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influence is visible in the relations between the spaces of the chapel. For instance the main vestibule connected to the street, consist of a darker quiet room that has the function of preparing the visitor and the transition from the exterior life into the interior life of the chapel. Then, the visitors enter into the bright courtyard, into the private inner space of the chapel. The transition from darkness into light is realized by the architectural control of the atmospheres of each room. The influence of vernacular tradition is clear in the way the spaces relate to each other. Nevertheless, the use of simple forms and the lack of ornamentation indicate the modern tendencies. The furniture, ceilings and floors are also left in the simplest form possible. There is no sign of the traditional exuberance found in most of the monasteries in Mexico. This does not mean that the spaces have a lack of expression, on the contrary. The reduction of the ornamentation to the surfaces, allows to focus on architectural elements that compose the space. This reduction in the ornament finds a different approach in the courtyard. The four white walls create a very calm atmosphere that is interrupted by the vegetation and the use of water. Instead of exotic molders or paintings, Barragan uses nature as decoration element, reinterpreting and not losing the connection to the tradition of ornamentation. The floor is covered by local stone plates of the region left in its natural color that contrast with the walls. The nature of the material and the production of the plates make each piece unique, creating a mosaic of different tones, making a more sober and natural decoration. On one side a yellow wall is the most attractive element of the courtyard. The function of this wall is not only decorative but fills the courtyard with dynamism as it is placed next to a door that connects the courtyard through a corridor with the interior rooms. In the bottom of this yellow wall, a black cubic fountain is placed. The fountain is made of a darker type of stone similar to that used on the floor. The design was thought to leave a cavity in the top of the fountain that fills up slowly until it reaches the sides and slowly flows over the lateral surfaces. This produces a quiet sound of falling water that emphasizes the meditation atmosphere appropriate for this place. As already explained, in the modern period the dynamism of the space was one of the main concerns. In “Las Capuchinas“, the yellow wall generates this dynamic of the space. Being placed in this strategic position, it attracts the attention toward the entrance, the fountain and the wall. Depending on how the visitor is moving, the texture and aspect of this wall changes and with it the perception of the space. On the side of the courtyard it receives direct illumination from the sun, making it the most brilliant element. Because of the thickness of the wall, the light does not enter directly into the corridor; the yellow color of the wall is reflected into the white walls


creating a warm and soft illumination that generates a sense of serenity. This wall and the implications of his use, is mostly a result of Barragan’s understanding of the modern composition elements, however there is also a link with the vernacular tradition. Being the only colored and patterned element in both rooms, contrasting strongly with the sober aspect of the rest of the elements, the wall acts in a way as an ornamentation element for both rooms. It is no more the baroque ornamentation to which Barragan was very familiarized, but an architectonic element that with a defined pattern and color decorates and gives life to the spaces. A new interpretation of an old tradition adapted to modernity. Looking at the walls of the main Chapel, the influence of the modern period becomes more evident. In the modern period, the planes that before had no impression and were just used as limits of space began to be used as elements of artistic compositions both in painting and in architecture. There is a new discovery in the interrelations between permeable elements and the tensions between them that are achieved with the use of different types of structural expressions, such as color and texture. It is in the surfaces of planes, where form, color and texture are in constant exchange with each other.12 Las Capuchinas main Chapel presents the use of the wall surfaces both as constructive and as composition elements. In Barragan’s compositions, one or two walls are colored while the rest are left white. This creates a contrast and a dialogue between them that is complemented by the careful disposition of the illumination. In the case of the Chapel, there are two orange walls that receive light, from a large window kept away from the sight. The orange wall that is placed frontally towards the window receives the light directly becoming the most brilliant element of the Chapel, followed by the golden atrium with his own brightness. Because of its disposition, the second orange wall is stroke by a faded illumination. As the surface gets closer to the window, the color becomes brilliant and the texture almost disappears, on the other hand, as it gets far away from the illumination source, the texture gains more and more expression, as the shadows become highly contrasted. These two walls complemented by the third white wall that hides the window creates a harmonic composition of the space achieving a balance and setting a quiet spiritual atmosphere that is focused and achieved only by the correct manipulation of surfaces. In Mexican tradition, the use of ornamentation was made to attract the attention into specific elements of the space. Barragan’s Chapel continues with this tradition, but not by the use of exuberant paintings or ornaments, but by the correct disposition of planes and surfaces and the relations and interactions with each other.

Abb. 19. Views of the yellow wall in Las Capuchinas. The images show both sides of this wall. On the exterior it enters in dialogue with the black fountain, constrating with the stillness of the space. On the inside, due to the reflection of the sunlight, the space transforms and aquires a warm atmosphere. From www.worldarchitecturemap.org

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Abb. 20. Images of the main Chapel in Las Capuchinas. The images show the relation between the different elements that structurate the space. Light, texture, color and surface enter in harmony giving at the space a strong spiritual atmosphere that changes according to the time of the day. From The quiet revolution, Federica Zanco, 2001

12 Sigfried Gideon explains how the methods of painting and constrution during the 20th Century started to find several points in common. The main aspect was the new interpretation of the plane as the main structural component, both in graphic compositions and in buildings. In the construction, the plane started to be used as a new way to solve structural problems and not just as a division element of spaces; it aquired a major relevance becoming part of the structure of a building. In painting it was the plane what gave order an expression to the compositions becoming also the most relevant element. From From, Raum, Zeit, Architektur, Sigfried Gideon, 1992

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Relation Between indoors and outdoors Barragan manifested since early stages of his development an interest for the garden. This took a major relevance after his second trip to Europe, in which he enters in contact with the work of Ferdinand Bac as he brought back with him several books from this author. What inspired him were not the illustrations of the book, but his way to describe and contemplate Architecture. He expresses his fascination and the importance of the garden in his Architecture: “[…] this joy for gardens was a way of liberation of many traditional elements because in the garden, the imagination can be developed and that helps to forget about the academism in architecture. One forgets about academism while making a garden, there is more freedom, it creates a magic ambient, and this is what allows the architect that design gardens to say that the imagination can be used here, and then comes the part to know how to use the imagination without devaluating the atmosphere that makes a construction, that represents a special quality. This is the way how a residence can be thought of. If you let it grow, it can become a park, and you can create atmospheres that help to live comfortably and that function as well for the porpoise they were created in an emotive and peaceful way.”13 The spaces and gardens of Barragan are associated to the free use of imagination and to the rupture of rules, going against academism, and at the same time, adapting to the ambient. This is a very specific characteristic of his method that relates directly to the vernacular. As explained by Paul Oliver in his book Dwellings14 the vernacular does not depend on the interest of architects or academics, nor does it requires their endorsement to survive, in this sense, the interpretation of the garden in Barragan translates exactly to this description of the vernacular. Ferdinand Bac is one of the major figures that influenced Barragan. Bac presented a vision of gardens that combined the elements of the Persian tradition and the Greek tradition, where the contemplation of nature plays an important role. This combination of two worlds is where Barragan will identify himself. Because of his origins, Barragan was used to the living of the Hacienda, a place that was a conjunction between two worlds: a rural and urban place. It is in these places where come together the hard working life of the countryside and the elegance of the urban way of living. Another point in common between Barragan and Bac is the sense of intimacy. On the contrary to what is normally understood, for Bac, the garden, which is an exterior space, was a place of intimacy. It is not only a place to bring nature inside a construction, but an interior paradise. This concept is also present in the modern tendencies, especially in the development of Le Corbusier. In the

Abb. 21. Images of the living room and the facade of the Barragan housestudio. Despite the fact that the house is located in an urban context, the use of courtyards helps to create a dialogue between interior and exterior. An atmosphere is created that has nothing to do with the context outside. From The quiet revolution, Federica Zanco, 2001

13 From the compilation Conversaciones con Luis Barragan, Fundación Tapatía de Arquitectura Luis Barragán, 1962.

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Abb. 22. Facade and floorplan of a typical courtyard house in Michoacan, northern Mexico. The relation between indoor and outdoor, has parallels to the approach of Barragan in his house-studio. The facade of this rural house, is left simple and partially undecorated, in contrast to the interior that is organized around a richly decorated courtyard. From Arquitectura Vernacula de Mexico, Francisco Javier Lopez Morales, 1987

14 From Dwellings: The vernacular house worldwide, Paul Oliver, 1987

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modern period the division between indoor and outdoor was starting to change the paradigm. In the case of Le Corbusier, his works always present new possibilities in the relations between indoor and outdoor. In the Villa Savoie he tried to renew the relation with nature. The main cubic form of the house, separated from the ground, makes a solid element with a terrace surrounded by its four sides that bring an exterior space that belongs to the interior space. Barragan developed the same concept in his own way. In the case of his House studio in Mexico City, Barragan is confronted with a very different situation to that of the Villa Savoie. The house is situated not in the Countryside, but in one of the densest populated regions of Mexico City. The relation between interior and exterior is developed totally towards the interior of the house. As there is no visual relation to the exterior, the outdoor spaces of the house become part of the interior, as in the case of Le Corbusier. Barragan creates a private space away from the noisy life of the outside world. The spatial continuity achieved by this configuration dissolves the boundaries between inside and outside, both depending of each other to achieve harmony. There is a distance from the vernacular in the way Barragan implements the exterior space. If the functional part prevails, that is to bring illumination, ventilation and nature into the interior, the relation between both spaces is certainly different. For instance, in the Hacienda, the exterior space is a place of activity. The main access was located with direct connection to a courtyard; it was the place of circulation as it connects all the interior spaces. In most of the cases, the courtyard is used also as a place for work. In the case of Barragan, the courtyard is a place of contemplation, of tranquility, not to be profaned. In this sense, his approach to the exterior is more related certainly to that of Bac and the modernist movement, however, because of the use of nature in Las Capuchinas, there is a connection with the vernacular tradition, as the monasteries have always the presence of interior courtyards, where the monks could meditate in a space of tranquility and peace. Nevertheless, these spaces remained always as exterior spaces with partially no direct connection to the interior spaces. Barragan as a religious man visited several of this monasteries and recognized the importance of such spaces for the daily life of the monks. Because of this he incorporates such a space in Las Capuchinas but in a different way as it is normally used. The courtyard is not symmetrical, compared to the traditional configuration, and creates dynamism with the incorporation of specific elements that help to dissolve the division between indoor and outdoor. The sensibility of Barragan to incorporate tradition and modernism is achieved in such a simple but at the same time complex space where the boundaries between two worlds are just symbolic, the fluency from one space to another is directed with architecture, remaining independent and at the same time connected.


The use of color A central aspect in the architecture of Barragan is the application of color. In Mexican vernacular tradition, the use of color can be traced back to pre-Hispanic times. Cities such as Tula, Chichen-Itza and Tenochtitlan had polychromatic reliefs and frescoes images of gods and religious symbols in their constructions. After the arrival of the Spanish conquerors this tradition continued to develop. In the new constructions color is often used in fresco-murals as decoration method in churches and Haciendas. In more modest constructions like private homes, color is used as a means of luxury to decorate the poor surfaces of the constructions. The presence of color in the Mexican vernacular tradition is always related with a plastic expression. Murals, paintings, tools and even clothes present in many cases elaborated designs full of color. It is a part of the everyday life in Mexico.15 In the countryside, the Haciendas have also a colorful atmosphere. These constructions were isolated elements founded in a vast landscape. Usually they present an inner courtyard richly decorated with vegetation. Besides from his strong relation to his roots, for Barragan his contact with art had also a deep influence in the use of color in his work, specifically, the case of Jesus Reyes Ferreira (1882-1977), a Mexican painter from whom Barragan learned to understand the artistic possibilities of any object. In his paintings, Jesus Reyes transforms simple, popular objects into pieces of art 16. The return to popular in his work, as well in the work of Barragan, is presented as an option, a transgression that searches to find a place in a dominant esthetic. This is possible in part to the great cultural heritage that both men received and which allowed them to start from the origin, to place themselves outside of the rules, which resulted into a new method of expression. The methods in the painting of Jesus Reyes reinforced the passion of Barragan for the local elements that allowed him to experiment with different textures and colors and also helped him to interpret and understand the concept of Cubism. The cubists didn’t try to look at objects from just a single point of view, but from many simultaneous points. This concept made ordinary objects into pieces of art, that, as already stated, was the main position in the case of Jesus Reyes. The change of perception changed the meaning of the object. This simplification of the object continued to developed until it was reduced into simple colors such as in the case of the paintings of Mondrian or the architectural compositions of Theo van Doesburg. In the case of Barragan the combination and contrast of colors helps to create compositions that rely on the relations between surfaces. The contrast between the colors

Abb. 23. The images show two aspects of the daily life where color is present. On the top, a facade of a house in northern Mexico, on the bottom, the dress of a girl in a rural comunity. From The traditional architecture of Mexico, Mariana Yampolsky, 1993

15 It is difficult to explain the reason why the use of color has always been part of the tradition in Mexico, probably the abundance of vegetation and animals with brilliant colors created this sensibility in the people to decorate and incorporate color not only in the constructions but also in their clothes, jewerly and in almost avery aspect of the daily life.

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Abb. 24. View of the dinning room in the Barragan house-studio, on the wall, Arcangel, Jesus Reyes Ferreira, 1960. From En busca de la simplicidad, Maria Emilia Orendain, 2004. Abb. 25. Jesus Reyes Ferreira, Payaso. From En busca de la simplicidad, Maria Emilia Orendain, 2004. Abb. 26. Jesus Reyes Ferreira, Gallo fondo azul. From En busca de la simplicidad, Maria Emilia Orendain, 2004.

16 The paintings of Jesus Reyes have a clear influence from the concepts of Cubism where ordinary objects are perceived simultaneously from different angels giving a new dynamism; at the same time, he integrates traditional techniques and materials that allow them to relate to the cultural heritage of Mexico. This approach in painting was translated by Barragan into architecture, where the modern language was combined with local techniques and traditions.

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gives a new dimension to the space that changes according to the movement of the viewer, giving the space a dynamic expression. A clear example of this dynamism is observed in the terrace of his house-studio. This space is delimited on its four sides by tall walls that block the view from the neighbor buildings. The surfaces that compose the space are differentiated by the use of colors, heights and volumes that change depending on the point from which it is observed. The height of the walls not only generates a sense of privacy but also directs the attention to the (mostly) blue sky, especially with the two higher volumes located on the terrace. In this space Barragan achieved an extraordinary plastic expression relying on the relation between surfaces. The wall is the only architectonic element in this place and it is the only element needed. To imagine it in another way would mean the loss of its pureness. Once again, Barragan reached integration between modern and vernacular.


Conclusion Ultimately this paper observes what elements in Barragan’s work are modern and what elements are vernacular and how he combines the two in his one unique way, which could be called a vernacular modernity, after having analyzed his posture, it can be concluded that the influence of the vernacular is strong. It is interesting to notice how his approach was never entirely guided by academic postures. Despite his deep understanding and sensibility for the composition of architectonical spaces, in all his statements about the poetic of architecture, Barragan always insisted that he had no aesthetic theoretical position. His methods were more an intuition process rather than a theorization; he once made an observation about the distinction between understanding and intuition: “I feel sure, when seeing a work of architecture or a plastic expression, to have the sense, not to understand, but to feel […] what happens is that someone who doesn’t have a studying background, cannot give a satisfactory answer to a question; I confess to be one of those persons, incapable to answer or explain any idea of my concept of beauty, even when I think I can feel it in many things in life. […] I have learned a lot from conversations whit friends or from conferences, but I haven’t assimilated enough to make my own notes, the way students do nowadays or the way professors do to give concepts that have some interest for the studies, about beauty, poetry, music, etc.” 17 In this sense, the vernacular influence acquires a deeper meaning for Barragan, not being a theorist and stating that his approach to architecture is more intuitive relates strongly to what vernacular means. According to Bernhard Rudolfsky, vernacular architecture does not go through fashion cycles; it is nearly immutable, indeed improvable since it serves it purpose to perfection. Pietro Belluschi defined communal architecture as something produced not by a few intellectuals or specialist but by the spontaneous and continues activity of a whole people with common heritage. Robert Stern describes vernacular as timeless in the very best sense of the word, but it does not develop, as it is native and naive architecture in where there is common agreement of form. For Barragan these elements present in the vernacular were a fundamental part of his creative process. He acknowledges the notions established by the modernistic models in his works, with a method that is deeply related to the vernacular. The use of the vernacular tradition in the case of Barragan has a totally different sense towards any idealization. It is an option, a symbolic transgression that looks to have a place in a dominant esthetic. This is

17 From the compilation Conversaciones con Luis Barragan, Fundación Tapatía de Arquitectura Luis Barragán, 1962.

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possible thanks to the fact that he received an important cultural heritage which provided him with a rich amount of inspiration. Buildings are transmitters of life. They transmit the life of the past into the lives of the future. The lack of architectural self-expression derives into buildings that don’t relate to the context and culture of the place where they are built. The elements of vernacular testify the aspirations and ideals of a group. Its buildings tell the private history of a culture, they speak to the people. Without the influence of the vernacular tradition, the work of Barragan wouldn’t have the same strength of expression that makes it so special and interesting, but most important, contemporary and timeless. The architecture of Luis Barragan is not either vernacular or modern; it represents vernacular modernity, a step forward into the architectonic development. A synthesis of what is needed in a world ruled by standardization and anonymity.

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Literature - Yanez Enrique, Arquitectura popular de Mexico, Instituto Nacional de Bellas Artes, Mexico 1964 - Frampton Kenneth, Towards Critical Regionalism: Six points for an Architecture of resistance, 1981 - Oliver Paul, Dwellings: vernacular house worldwide, Paperback 1987 - Lopez Morales Francisco Javier, Arquitectura Vernacula en Mexico, Trillas, Mexico 1987 - Gideon Sigfried, Raum, Zeit, Architektur, Artemis Verlag, AG, ZĂźrich 1992 - Yampolsky Mariana, The traditional architecture of Mexico, Thames and Hudson, London 1993 - Zevi Bruno, Leggere, scrivere, parlare architettura, Marsilio 1997 - Rudofsky Bernhard, Architecture without architects, 3.Aufl., UNM Press 1998 - Zanco Federica, Luis Barragan: The quiet revolution, Barragan Foundation, Vitra design Museum 2001 - Orendain Maria Emilia, En busca de la simplicidad, Ediciones de la noche, Mexico 2004 - Roesler Sascha, Weltkonstruktion, Gebr. Mann Verlag, Berlin 2013

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gwandet Vergleich des Schmuckes am Aussenbereich der Obwaldner Bauernhäuser in Bezug zur Obwaldner Tracht Daniel Scheuber

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2013

Verfasser: Daniel Scheuber Brünigstrasse 7 6005 Luzern Dozenten: Prof. Dieter Geissbühler Dr. Oliver Dufner

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik und Architektur

Abstract

Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit dem Vergleich des Schmuckes am Aussenbereich der Obwaldner Bauernhäuser mit jenem der Obwaldner Tracht. In einem ersten Teil werden die beiden Bereiche analysiert, Begriffe geklärt und ein Gebäude als Referenzobjekt ausgewählt. Anhand dieses Objektes werden im Hauptteil Vergleiche aufgezeigt. Die Arbeit stellt fest, dass es viele kleine, nicht offensichtliche Verwandtschaften der beiden Bereiche gibt. Dies, obwohl die beiden Themengebiete aus verschiedenen Zeitepochen stammen. Eine grosse Erkenntnis bildet das Verständnis und die persönliche Definition des Begriffes Schmuck.

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Einleitung

Aus einem persönlichen Interesse und der Hoffnung, die Frage nach dem Ursprung und der Bedeutung von Schmuck am Aussenbereich der Obwaldner Bauernhäuser zu klären, wurde dieses Thema gewählt. Das persönliche Vorwissen in diesem Bereich war sehr beschränkt. Um die Epoche der Herstellung dieser Schmuckelemente besser zu verstehen und einen gesellschaftlichen Kontext zu erhalten, wird der Bereich der Architektur mit der traditionellen Bekleidung, genauer der Obwaldner Tracht, verglichen. Das geringe Vorwissen machte es schwer eine These zu stellen oder abzuschätzen, inwiefern sich die beiden Gebiete überschneiden. Der Kanton Obwalden war mit dem Brünigpass ein beliebter Durchgangs- und Übernachtungssort auf der Handelsroute ins Tessin. Dies kann vor allem im Bereich der Mode neue Einflüssen in den Kanton gebracht haben. Im Bereich der Architektur ist es denkbar, dass gewisse Ornamente sich innerhalb des Kantons, aufgrund der gleichen Handwerker, wiederholen. Ob und wie stark die beiden Themen mit den Nachbarskantonen verwandt sind, wird ein spannender Punkt. gwandet

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„gwandet“ ist ein Ausdruck des Obwaldner Dialektes und hat zwei Bedeutungen. Einerseits ist „Gwand“ der Ausdruck für Kleider im Allgemeinen, ist jemand gekleidet ist er im Mundart „gwandet“. Es stellt somit den Bezug zum Trachtenteil dieser Arbeit dar. So heisst noch heute ein Kleiderladen in Sarnen, dem Hauptort von Obwalden, schlicht „Gwand“. Der Ausdruck „gwandet“ findet man im Obwaldner Dialekt auch im Bezug zur Architektur. Ein in Blockbau erstelltes Haus ist „Äs gwandets Huis“.

vergl. Imfeld Karl (2001) Obwaldner Mundart-Wörterbuch S.175

These

Es lässt sich kaum eine direkte Beziehung der beiden Bereiche belegen. Vorstellbar ist, dass sich in beiden Themen Einflüsse von aussen finden. Dies unter der Beachtung des jeweiligen Zeitgeistes. Generell wird nicht erwartet die gleichen Symbole oder Verzierungen an Fassaden, wie auch auf der Tracht zu finden.

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Abb. 1. WĂźrfelfriese, Wohnhaus BĂźel, Sachseln, erbaut 1585

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Obwaldner Bauernhäuser Elemente des Aussenschmuckes

Als Ausgangspunkt für einen späteren Vergleich sind die wichtigsten Elemente des Aussenschmuckes an Obwaldner Bauernhäuser beschrieben. Mit Wichtig ist die Anzahl der Anwendung eines Elementes gemeint. Es fällt auf, dass gleiche Elemente an verschiedenen Fassaden immer wieder auftauchen. Trotz des oft sehr zurückhaltenden Umgangs mit Schmuck innerhalb des Kantons Obwalden, findet man bei genauerer Betrachtung eine viel grössere Anzahl an Schmuckelemente als anfänglich erwartet. Der Punkt Beschriftung und Malerei ist gemäss Peter Omachen, kantonaler Denkmalpfleger von Obwalden, eine eigene Kategorie des Aussenschmuckes. Musste man beim Holz noch Rücksicht auf deren Eigenschaften nehmen, konnten sich die Handwerker auf der glatten Fläche einer Kellermauer viel freier und kreativer bewegen. Diese Gruppe bildet auch den Gegenpol zum Holzhandwerk, das oft die Aufgaben von Konstruktion und Ornament vereint. Die Malerei hat nur ornamentale Aufgaben übernommen.

Eine Zusammenfassung der beschriebenen Punkte und weitere Schmuckelemente finden sich bei Huwyler, Edwin, (1993). Die Bauernhäuser der Kantone Obwalden

Fasen

Das Abfasen, also wegschneiden, oder brechen von exponierten Kanten ist ein sehr altes Handwerk. Erste Fasen finden sich im 14. Jahrhundert. Sie schützt vor Verletzung bei einem Zusammenstossen mit dem Holzbalken. Nebst dem konstruktiven, findet sich auch ein ornamentaler Anspruch. Ohne seine harten und klaren Kanten wirkt der Balken filigraner und dünner. So überrascht es nicht, dass man Fasen sehr oft an den Balken der Eingangstür, dem sogenannten Mantelstud, anbrachte. Fasen sind mit einem Messer oder Hobel sehr einfach zu erstellen. Dies kann einer der Gründe für das frühe Erscheinen dieses Handwerkes sein. In seiner Einfachheit birgt die Fase trotzdem handwerkliche Feinheiten und Unterschiede. An der Längsseite kam oft die normale Fase

Abb. 2. Fasen am Mantelstud, Haus im Feld, Giswil, erbaut 1625

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zum Einsatz. Sie wurde fast nie bis zum Ende des Balkens durchgezogen, sondern mit einer kunstvollen Rundung abgeschlossen. An der Stirne eines Balkens oder Brettes kam die Eierfase zum Einsatz. Nebst der zierenden Form lässt sie das Wasser besser abtropfen und schützt das Holz vor Pilz und Schimmel. Hohlkehlen

Abb. 3. Hohlkehlen. Haus Büel, Sachseln, erbaut 1585

Die Hohlkehle ist in ihrer Erscheinung und zeitlichen Einordnung sehr ähnlich der Fase. Hohlkehlen sind ebenfalls langgestreckte, runde Vertiefungen, jedoch im Gegensatz zur Fase in der Fläche eines Brettes oder Balkens. Sie brechen optisch die Fläche und lassen das Element wiederum leichter und filigraner erscheinen. Der zeitliche Aufwand für die Herstellung ist im Vergleich zur Fase viel grösser. Um eine gleichmässige Tiefe zu erreichen braucht es viel Erfahrung und handwerkliches Geschick. Hohlkehlen wurden oft mit einem Stechbeitel erstellt. Typische Einsatzorte sind Balken und Türpfosten. Stäbchenmotiv

Abb. 4. Stäbchenmotiv, zweiergruppen, gekreuzt zueinander stehend. Abgeschlossen durch eine Dreiergruppe. Wohnhaus Büel, Sachseln, erbaut 1585

An der Unterseite von Balken legte man Stäbchen oder halbkreisförmige Wülste frei. Sie wurden oft zu Zweier- oder Dreiergruppen zusammengefasst. Die Gruppen stehen sich parallel gegeneinander oder sind gekreuzt. Die häufigsten Einsatzorte waren Büge, Balken und Streben. Vereinzelt wurden auch Konsolen so ausgeschmückt. Das Stäbchenmotiv ist sehr zeitaufwändig und erfordert viel Erfahrung. Der gesamte Balken um die Wülste wird weggehobelt und gesägt. Auch hier findet sich nebst dem ornamentalen ein konstruktiver Aspekt, der wiederum darin besteht, das Wasser besser abtropfen zu lassen. Dieser Schmuck trat erstmals in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf. Im 17. Jahrhundert wurde das Stäbchenmotiv dann zum wichtigsten Element an Obwaldner Bauernhäuser. Zierfriese

Wie der Name schon sagt, gehören sie zur Familie der Friese. Auf-

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grund ihrer Lage und Dimensionierung zählen sie zu den auffälligsten Elementen der Fassade. Zierfriese sind oft über die ganze Fassadenbreite unterhalb der Fenster gezogen. Meist wird auf ihnen direkt das Fensterbrett eingelassen. Sie gliedern die Fassade in der Horizontalen und bilden das Gegenstück zur Vertikalität der Fenster und Türumrahmungen. In Obwalden finden sich vor allem zwei Arten von Friese: Rillenfriese, auch Stabfriese genannt, sind ähnlich wie Hohlkehlen runde Vertiefungen. Sie kamen in der Renaissance zur Anwendung. Im Barock verwendete man Konsolenfriese, auch Würfelfriese genannt. Sie bestehen, wie der Name schon sagt, aus kleinen Würfeln die über- und nebeneinander angeordnet sind. Die Ausarbeitung und Grösse dieser Würfel hängt stark vom Können und der Wahl der Werkzeuges des damaligen Handwerker ab. So finden sich im Wallis Würfelfriese, die aufgrund ihrer groben Erscheinung auf die Bearbeitung mit einer Axt schliessen lassen. In der Innerschweiz finden sich oft sehr filigrane Arbeiten die mit Stechbeitel und Säge ausgeführt wurden. Beide Arten der Zierfriese sind aus dem Balken gesägt oder geschnitzt. Dies wurde gemacht, als der Balken noch am Boden lag. Erst der bearbeitete Balken wurde verbaut. Deshalb finden sich auch keine Fehlerhafte Friese an Fassaden. Das erstellen dieses Ornamentes benötigte sehr viel Zeit und Können. Dies mag einer der Gründe sein, weshalb sie oft nur an der Hauptfassade zu finden sind und nicht um das gesamte Gebäude verlaufen.

Abb. 5. Würfelfries. Farbhaus Sachseln, erbaut 1646

Abb. 6. Rillenfries, Haus Büel, Sachseln, erbaut 1585

Sägeformen

Die häufigste und eigentlich einzige Sägeform der Obwaldner Bauernhäuser ist das so genannte „Rössli“. Diese Zierform stellt das Maul eines Pferdes, oder im Dialekt eben „Rössli“, dar. Man findet es an den Balkenenden. Es gibt in Obwalden fast keine Abwandlungen daraus. Im angrenzenden Kanton Nidwalden wurde neben dem Rössli die Form der

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Abb. 7. Rössli. Studihaus, Giswil, erbaut 1460

Tränen und Tropfen wichtig. Das „Rössli“ wurde in Nidwalden durch seitliche Spiralen aufgelockert. Im Berner Oberland findet man viel freiere und rundere Formen. Vereinzelt findet man diese auch in der Obwaldner Gemeinde Lungern, welche direkt an den Kanton Bern grenzt. Nebst dem „Rössli“ finden sich in Obwalden am Ende eines Balkens auch einfache Rundungen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kommen sogenannten Laubsägeformen zur Anwendung. Sie bilden den Versuch des Historismus mittels einer Verblendung an die Ursprungszeit der Verzierungen anzuknüpfen. Malereien, Beschriftung

Abb. 8. Sockelmalerei, Haus im Juch, Giswil, erbaut 1706

Abb. 9. Haus im Feld, Giswil, erbaut 1625

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Nebst den aufgeführten Verzierungen im Holzbau war die Malerei ein wichtiges Gestaltungslement im Aussenbereich. Die Sockelmalerei ist das wichtigste Element. Vor allem die Ecken des Sockels unterhalb der Hauptfassade wurden bemalt. Man kann die Sockelmalerei in zwei Arten unterscheiden. Einerseits die Quadermalerei, sie täuscht die Eckverzahnung der Steine vor, also den darunterliegenden baulichen Ablauf. Die Pilastermalerei weist auf die tragende Funktion der Mauer hin. Beliebteste Elemente waren schwarze Linien und Rauten. Auch die Fenster der oft verputzten Kellerräume wurden durch schwarze Linien und Rahmen hervorgehoben. Malereien wurden oft in den noch nassen Verputz vorgezeichnet. Nebst der Bemalung der Ecken finden sich in Obwalden vereinzelt auch grossflächige Gemälde. Als Beispiel dient das „Haus im Feld“ in Giswil. Es zeigt in der Mitte des Sockels die drei Eidgenossen. Die häufigste Anwendung von Beschriftungen findet man im Bereich des Giebels. Beliebt waren Jahreszahlen, ergänzt mit den Initialen der Zimmerleute und Bauherren. Jahreszahlen wurden nicht nur beim Bau eines Hauses angebracht, sondern bei dessen Renovation erneuert. So kann anhand der Giebel-Beschriftung nicht immer das korrekte Alter des Hauses bestimmt werden. Zudem sind viele Jah-


reszahlen am Giebel der Häuser bei einer späteren Aufstockung verloren gegangen. Erschwerend kommt dazu, dass die Bauherren bei Inschriften sehr viele Rechtschreibfehler gemacht haben. Nebst den Zahlen findet man im Giebel oft religiöse Zeichen, welche in die Schauseite des Gebäudes eingeschnitzt sind. Das bekannteste Beispiel ist die Abkürzung IHS, sie leitet sich von der Transkription der ersten beiden und des letzten Buchstaben des griechischen Namens Jesus ab. (1) Ab dem 19. Jahrhundert begann man Tafeln mit Inschriften an das Giebeldreieck zu nageln und nicht mehr direkt in den Balken zu schnitzen. Erwähnenswert ist, dass im Kanton Obwalden Malerei und Beschriftung, verglichen mit Nachbarskantonen, sehr zurückhaltend eingesetzt wurden.

Abb. 10. Giebel-Beschriftung: Baujahr und Namen der Bauherren. Haus im Juch, Giswil, erbaut 1706

Anzumerken ist, dass Obwalden nie eine stilistische Insel war. Man findet keine klare Abgrenzung der Elemente an der Fassade. Gleiche Schmuckelemente oder zumindest ähnliche Motive findet man immer auch in anderen Urkantonen, vor allem in Nidwalden und Uri. Das liegt an der geografischen Nähe, wie auch am persönlichen Austausch und bereisen dieser Gegenden. Im 15. Jahrhundert gründete Obwalden eine eigene Landesherrschaft und wurde so zu einem grossen Teil unabhängig. 1418 wurde in Sarnen das Rathaus gebaut, um dies zu demonstrieren. Da man aber schnell merkte, dass auch mit anderen Kantonen Handel betreiben werden muss, vor allem für Vieh und Käse, beteiligte man sich seit 1403 an der «ennetbirgischen Politik» Uris. Dabei halfen die Unterwaldner bei der Eroberung der Leventina mit und bereiste dadurch die Schweiz. Allerdings findet man fast keine verwandten Elemente im Berner Oberland, welches rein geografisch sehr nahe bei Obwalden wäre. Dies hängt vermutlich mit der Glaubensverschiedenheit des reformierten Obwalden und protestantischen Bern zusammen.

Geschichtliche Einordnung der verschiedenen Elemente

1 Wikipedia Eintrag, IHS

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Gotik 14. Jh / 15. Jh.

Bescheidene Elemente wie Fasen und Rillen

Renaissance Anfang 15 Jh. bis 1585 Rillenfriese 1550-1650 Erste „Datierungswelle“ der Häuser im Giebeldreieck Zweite Hälfte 15. Jh. Stäbchenmotiv erstmals in Erwähnung Erste Hälfte 16 Jh. Wulst- und Stabverzierungen an Streben und Konsolen Zweite Hälfte 16 Jh. Grundtyp des Bauernhaus bildet sich: schwach geneigtes Dach, ausladende, runde Laubenbögen Ab 1600 „Rössli“ an Balkenköpfen, bleibt bis 19. Jh die wichtigste Sägeform Barock 1673 erstes Konsolenfries 17 Jh. Stäbchenmotiv als wichtigstes Element vornehmer Bauernhäuser Konsolenfries als prägendes Element Ende 17. Jh. Zierfriese verschwinden Rokoko 1770 erste Tränen und Tropfenformen an Konsolen in Nidwalden 1775-1825 Sockelmalerei Mitte 18. Jh. Friese verschwinden, schlichte Architektur Klassizismus Ab Mitte 18 Jh. Farbenfrohe und z.T. sehr aufwändige Fensterumrandungen, hochgieblige Bauweise, vorher nur in Bürgerhausarchitektur be- kannt. Historismus ab 1825 Biedermeier, strenge Formen, klare und nüchterne Gestaltung Zweite Hälfte 19 Jh. Schmucklose, qualitativ schlechte Häuser, prekäre Wirtschaftslage vor allem vorgeblendete Laubsägearbeiten Wohnhaus Sachseln, Büel, 1585

Die Wahl auf dieses Objekt fiel aus verschiedenen Gründen. Huwyler spricht vom: „ungewöhnlich

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Abb. 11. Wohnhaus BĂźel, Sachseln, erbaut 1585

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2 Huwyler, Edwin (1993) Die Bauernhäuser der Kantone Ob- und Nidwalden. S.215 3 Durrer, Robert (1971) Die Kunstdenkmäler des Kantons Unterwalden. S. 515

reich verzierten Büelhaus“ (2). Robert Durrer nennt es sogar „das schönste Sachsler Haus, eines der schönsten alten Obwaldner Häuser“. (3) Das Haus steht am Ortseingang von Sachseln und wurde auf einer sonnigen Terrasse gebaut. Laut Peter Omachen ein idealer Bauplatz. Man findet bei Grabungen im Zuge von Neubauten immer wieder Anzeichen auf ein grosses prähistorisches Grab an dieser Stelle. Schon damals suchte man eine Fläche, weg vom Sumpf des Sees und fand die erste sonnige Ebene im Bereich des Hauses Büel. Bis heute hat sich um dieses Gebäude ein Quartier mit Neubauten entwickelt. Es sticht jedoch nach wie vor durch seine Grösse und den zeitlich bedingten markanten Ausdruck, aus der Neubau-Masse heraus. Geschichte

4 Original: Capitalbuch der Capelen im grossen Theil anno salutis 1760, S.40 Gefunden und zitert aus: Denkmalpfelge in Obwalden S.72. (gl = Gulden) Wert am 12.11.2013 ca. 2400.- falls die Gulden aus Gold waren.

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Die bis heute gut sichtbare und reichhaltige Verzierung im Aussenbereich hat das Bauernhaus einem sehr schonungsvollen Umgang in der Vergangenheit zu verdanken. Erbaut wurde es 1585 wahrscheinlich von Balthasar (Balz) Rohrer. Es wurde angenommen, dass ein Vorgängerbau an dieser Stelle stand. Bei Bauuntersuchen, anlässlich des Umbaus und der Sanierung von 1994, wurden aber keine Hinweise dafür gefunden. Balz Rohrer wurde 1580 Kantonsbaumeister, 1585 Landseckelmeister und 1593 Landvogt zu Baden. 1594 starb er, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Seit dem reichen Erbauer ist die Besitzergeschichte nicht vollständig und nur mit vielen Lücken bekannt. Bekannt ist aber, dass das Haus bereits 1773 in zwei Wohnungen unterteilt wurde. Im Kapitalbuch der Kapelle im Grossteil Giswil findet sich ein entsprechender Eintrag: „Antoni Rorer zuo saxlen ist wegen Herr Caplan muoter sel ab seinem Haus und Garty auf dem biel in halben grossy haus 100 gl“ (4) Diese Hausteilung war jedoch kein wesentlicher Eingriff in die Baustruktur. Nebst der Verdoppelung von Treppenhaus und Ofen wurden die Räume schlicht durch Bretterwände unterteilt.


Ein grösserer Eingriff entstand um 1920. Ein Sturm, so nimmt man an, hat das Dach vom Haus gerissen. Die damaligen Bewohner nutzten diese Gelegenheit, aus einem Bedürfnis nach mehr Platz und bauten ein neues, steileres Dach auf. Dabei wurden die Fusspfetten belassen und ab diesen ein ca. 35° steiles Dach aufgebaut. Diese Steilheit war für die damals üblichen Falzziegel notwendig. Die Neigung des originalen Daches hing ebenfalls stark mit dem Material der Eindeckung zusammen. 1585, zur Zeit des Neubaus, wurde das Dach mit Bretterschindeln eingedeckt und mit Steinen und Holzlatten beschwert. Das Dach konnte also nur so steil gebaut werden, dass die Steine und Latten nicht wegrollen konnten. Dies ergab das für diese Zeit typische, flache „Tätschdach“. 1920 wurden die Giebelwände im damals aktuellen Holzbausystem, dem Blockständer, aufgebaut. Bei dieser „Aufstockung“ verschwand auch die Jahreszahl im Giebel. Noch heute ist dieser Eingriff, durch den Wechsel der Wandkonstruktion und die unterschiedliche Alterung des Holzes, an der Fassade ablesbar.

Abb. 12. Der „neue“ Giebel

1991 kaufte die heutige Besitzerin und Bewohnerin, Eva Morger, das Haus. Sie ist ein direkter Nachkomme der vorgängigen Bewohner und wuchs bereits in diesem Haus auf. Sie entschied sich, das damals seit mehreren Jahren leerstehende Haus zu sanieren und den aktuellen Bedürfnissen anzupassen. 1993 wurde es als Kulturdenkmal von regionaler Bedeutung unter Schutz gestellt. 1994 begannen Imhof Architekten mit dem Umbau und der Sanierung. Lange wurde diskutiert, wie man mit dem Dach verfahren soll. So fanden sich für beide Seiten Stimmen und Argumente, das Dach auf die originale, flachere Steilheit zurückzubauen oder in der neuen Ausführung zu belassen. Eine ausserkantonale Gruppe von Experten kam zum Schluss, das Dach bei seiner neuen, steileren Form zu belassen. Als Begründung führte man an „dass alle bisherigen Eingriffe in das Haus als ein Teil seiner Geschichte zu respektieren sind“. (5)

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5 Vergleiche: Denkmalpflege in Obwalden, (1997) S.76

6 Vergleiche Denkmalpflege in Obwalden, (1997) Exkurs: Zur Restaurierung einer Tapete aus dem 17. Jahrhundert im Haus „Büel“, Sachseln. S.79 ff

Abb. 13. Skizze von Robert Durrer ca. 1900.

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Auch die heute sichtbare Fensteranordnung wurde in verschiedenen Etappen realisiert. Bei der Aufstockung um 1920 verschwanden die ursprünglichen Fensterreihen. Dabei wurden auch Würfelfriese zerschnitten und abgebrochen. Dies sind die schwersten Verluste des ansonsten sehr intakten Hauses. Dass man heute im Wohngeschoss wieder eine Fensterreihe antrifft, ist das Ergebnis der Sanierung von 1994. Bei dieser Sanierung wurde auch ein sehr spektakulärer Tapetenfund gemacht. Da es sich dabei nicht um Aussenschmuck handelt, wird an dieser Stelle auf eine genauere Beschreibung verzichtet. Die ganze, sehr interessante und bedeutende Geschichte kann im Buch „Denkmalpflege in Obwalden“ (1997) nachgelesen werden. (6) Bautyp, Grundriss

Der Bautyp des Haus Büel in Sachseln entspricht nicht dem klassischen Obwaldner Bautyp. Es handelt sich hier um das Gotthard-


haus, bei dem der Holzbau der Wohngeschosse über den steinernen Sockel auskragt. Diesen Bautypen findet man normalerweise in Uri und der Leventina. Dass das Büelhaus in Sachseln keine Ausnahme darstellt, zeigen weitere Häuser dieses Typus im Kanton Obwalden. Beim Gotthardhaus findet man überdies im Grundriss, sehr ähnlich dem Obwaldnerhaus, die drei Zonen Vorderhaus, Mittelgang und Hinterhaus. Das Vorderhaus, der Hauptfassade zugewandt, beinhaltet im Erdgeschoss die Stube und eine Kammer, im Obergeschoss zwei weitere Kammern und die Firstkammer im Dachgeschoss. Der Mittelgang beinhaltet über alle Geschosse, wie der Name schon sagt, eine grossen Gang. Bei der Aufteilung des Hauses 1773 wurde dieser durch eine Bretterwand zweigeteilt. Das Hinterhaus beinhaltet im Wohngeschoss die Küche und ein heizbares Stübli, wiederum zwei Kammern im Obergeschoss und der grosse Rauchabzug der Küche im Dachgeschoss. Wie anhand der vielen Kammern sichtbar wird, wurde das Haus sehr grosszügig angelegt. Denn zur Zeit des Baus war gemäss Peter Omachen nicht die Menge der Verzierung an der Fassade Ausdruck des Reichtums des Erbauers, vielmehr die Grösse des Hauses und dessen Einrichtung. Zudem wird angenommen, dass im Verlauf der Zeit das 10.20 x 11.50m grosse Haus eine Gaststube anbot. Weitere Zeichen für einen reichen Bauherrn war die mit 2.40m, ungewöhnlich grosse Raumhöhe. Im Aussenbereich spricht vor allem die Holzwahl für den Reichtum. So wird normalerweise die erste Balkenlage über dem Mauerwerk, der so genannte Kranz, in Eichenholz ausgeführt. Diese Holzart ist weniger empfindlich gegen Feuchtigkeit, jedoch einiges wertvoller und damit teurer. Auch die Bearbeitung ist aufwändiger, da es sich bei Eichenholz um ein hartes Laubholz handelt. Alle weiteren Schichten werden in Fichte oder Tanne aus dem eigenen Wald gebaut. Beim Haus Büel findet man Eichenholz nicht nur als einlagiger Kranz sondern vierlagig bis auf die Höhe des Fensterbankes. Das gesamte Haus ist mit Ausnahme der Küche unterkellert. Dies

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bildet eine Ausnahme, stellt man sich den immensen Aufwand vor den es benötigt eine solche Fläche in Handarbeit zu untergraben. Der Keller erfüllte verschiedene Aufgaben. Er beinhaltet einen Teil Vorratskeller und einen anderen, höheren Teil. Dieser mit 3.50m ungewöhnlich hohe Raum diente repräsentativen Zwecken. Jedes Jahr am 11. November, dem Martinstag, kamen die Bauern zum Seckelmeister, was der Bauherr Balz Rohrer war, und bezahlten ihre „Steuern“. Um diese Leute zu empfangen wurde ein Kellerraum repräsentativ ausgebildet. In diesem Raum wurden auch Rechtsprechungen oder Ratssitzungen abgehalten. Wenn der König und Kaiser von fremden Ländern kam, um für seine Armee Leute aus Obwalden zu rekrutieren, geschah dies ebenfalls dort. Es gab vereinzelt Fälle, in denen man im Nachhinein das ganze Haus anhebte, um einen höheren Keller zu erreichen. Diese Räume stammen ursprünglich aus Italien. Sie sind dort unter dem Namen „Sala Terrena“ bekannt. Aussenschmuck

Abb. 14. Eselsrücken über der auskragdenden Hauptfassade

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Das Haus Büel wird heute durchs Hinterhaus betreten, also nicht mehr seitens der Hauptfassade. Dies hat primär mit der heutigen Erschliessung innerhalb des Quartiers zu tun. Unüblicherweise findet man an allen vier Seiten Friese und nicht nur, wie bei anderen Bauernhäuser, an der Hauptfassade. Alle elf Konsolen der auskragenden Hauptfassade sind mit Rösslimotiven verziert. Über der Auskragung findet man sogenannten „Eselsrücken“ auch „doppelter Kielbogenfries“ gennant. Diese wurden direkt in den Balken geschnitzt und bilden ein weiteres Element, welches selten in Obwalden anzutreffen ist. Sämtliche Balken der Laubengänge sind mit Stäbchenmotiven verziert. Auffallend ist der mit Hohlkehlen verzierte Mantelstud. Durch seine massive Dicke konnte er im Originalzustand belassen werden. Lediglich die Eingangstür wurde, durch eine den heutigen Anforderun-


gen entsprechenden, ersetzt. Das Thema des Daches wurde bereits behandelt. Erwähnenswert ist, dass die Verzierungen der Pfettenunterzüge mit so genannten Laubsägearbeiten des Historismus verblendet sind. Es ist also anzunehmen, dass man beim Aufbau des neuen Daches, wiederum die damals aktuellen Schmuckelemente anbrachte. Der heute unbemalene Sockel weist laut einer Untersuchung von 1994 verschiedene Putzschichten auf. Er war ursprünglich von feiner Textur und weiss gekalkt. Die zweite und dritte Schicht enthielten Malereien. Es fanden sich Zeichnungen in Rötel und Kreide. Die vierte Schicht, wurde wiederum als weisser Kalkanstrich ausgeführt. Heute ist die Kellerwand weiss geschlämmt. (7) Das Fensterglas war zur Zeit des Erbauens das teuerste Element. Der Kanton Obwalden hat deshalb oft Bauherren die Gläser geschenkt. Diese mussten nicht unbedingt eine wichtige kantonale Funktion besetzen. Im Fall des Haus Büel schenkte der Kanton Balz Rohrer, als Verdienst für seine grosse Arbeit, die Wappenscheiben. Das sind kleine, reich bemalte Scheiben im oberen Teil des Fensters. Je nach gesellschaftlicher Stellung des Bauherren wurde das Wappen und dessen Bemalung differenzierter. So war von aussen am Wohnhaus ablesbar, wie wichtig dessen Bewohner ist. Diese Scheiben fielen im 19. Jahrhundert Sammlern, vor allem aus England, zum Opfer. Heute findet sich in England eine Kirche, deren Fenster ganz in Obwaldner Wappenscheiben ausgekleidet sind.

7 Vergleiche Denkmalpflege in Obwalden, (1997) S.74

Obwaldner Tracht

„Unter Volkstracht versteht man die mit Beharrlichkeit und stolzem Bewusstsein getragene Eigenkleidung einer Gegend oder Gemein-

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Abb. 15. Das sogenannte Mailändertßechli der Sonntagstracht

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schaft, wie Dorf, Tal, Gau, Stammesgebiet. Sie unterscheidet sich also von der rasch wechselnden Mode.“ (8) Hinsichtlich der Tracht kann der Kanton Obwalden, ähnlich wie beim Dialekt, in drei Bereiche unterteilet werden. Das SarneraaTal als grösste Einheit mit den Gemeinden Alpnach, Sarnen, Kerns, Sachseln und Giswil. Lungern unterscheidet sich zwar im Dilaekt, nicht aber der Tracht. Engelberg ist aufgrund seiner Geschichte und der vom Kanton abgetrennten Lage eine Ausnahme. Diese Arbeit beschränkt sich auf die Trachten des Sarneraa-Tales und Lungern. Dieser Bereich stellt die grösste Anzahl an hergestellten und getragenen Trachten dar und repräsentiert somit dieses Thema am besten.

8 P. Dr. Mathis, Burkhard und P. Angehrn, Siegward. (1953) Um Kleid und Tracht. S. 18

Nebst der Unterscheidung zwischen der Männer- und Frauentracht, wird weiter in Sonntags- und Werktagstracht unterschieden. Liest man in Trachtenbüchern, fällt auf, dass alle Elemente der Tracht genauestes beschrieben werden. Diese eigenartig anmutende Präzision wird im Kapitel der Trachtengeschichte erläutert. Frauentracht

Grundsätzlich verwenden alle Trachtenschneiderinnen in Obwalden das gleiche Schnittmuster. Es gibt kleine Unterschiede in der Aus-

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führung, die aber selbst ein Fachmann nicht sieht, ist er nicht in die Geheimnisse der Schneiderinnen eingeweiht. Auch der Stoff sämtlicher Trachten wird am gleichen Ort, dem „Trachtägwand“ einem Laden der Obwaldner Trachten- und VolksliederVereinigung in Sachseln, bezogen. Durch den regen Austausch unter den fünf professionellen Trachtenschneiderinnen wird erreicht, dass die Tracht in ihrem Ausdruck, egal wer sie herstellt, immer gleich ist. Trotz den starken Konventionen und Vorgaben ist jede Tracht ein Einzelstück und wird als massgeschneidertes Kleid auf die Trägerin zugeschnitten. Der Kunde wählt aus einer vorgegebenen Auswahl eine eigene Kombinationen an Farben und Stickmuster. Sonntagstracht

Abb. 16. Sonntagstracht

9 Obwaldner Trachten und Volkslieder-Vereinigung (1995). S. 4

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Spricht man von Sonntagstracht, so ist jene der ledigen Frauen gemeint. Sie wird auch „die Uisgschliffni“ oder „Mäitli-Tracht“ genannt. Die Frauen tragen ein weisses Band, welches in die Haare eingeflochten ist. Ein Filigranpfeil oder Silber-Doppellöffel hält diesen aufwändigen Haarschmuck zusammen. Der karierte Rock besteht aus Halbwollstoff und wird noch heute handgewoben. Er wird hinten mit Stehfältchen angezogen. Dazu findet sich eine genaue Beschreibung wo sich diese befinden müssen. „Die Schürze ist 5-6 cm kürzer als der Rock, wird gezogen, das 2 -2.5 cm breite weisse Schürzenband angenäht und seitlich geschlossen. Das Seidenband, 4-5 cm breit (...) wird über die Schürze auf der rechten Seite mit einer Masche gebunden. Band und Schürze werden vorne unter und hinten über dem Schnabel getragen.“ (9) Das Mieder, eine Art Korsett, ist aus schwarzem Samt und wird mit dem Rock zusammengenäht. Dies ist in der Herstellung der aufwändigste Teil. Die Bearbeitung, speziell das Anbringen der Ösen erfordert sehr viel Geduld und Geschick. Der Samt wird heute wie früher ausserhalb des Kantons eingekauft, denn Samt und Seide waren nie ortstypische Materialien, bringen aber den gewünschten edlen Ausdruck mit sich.


Bei der Sonntagstracht wird ein Halstuch aus Seide, das so genannte „Mailänder-Tüechli“, getragen. Der Name leitet sich von der Stadt Mailand, der ehemaligen Hochburg der Seidenherstellung, ab. Italienisch Händler kamen an der Handelsroute Brünigpass an den Obwaldnern vorbei und verkauften diese Tücher. Heute kann man zwischen einer Vielzahl handbestickter Tücher wählen. Die Ränder werden noch immer in Handarbeit mit Fransen versehen. Auch die feingehäkelten Spitzen, welche die Ärmel abschliessen werden noch heute von Hand gehäkelt. Die Bluse aus Halbleine hat weite Ärmel und bedeckt die Schultern, eine Eigenschaften, die man an allen Trachten findet. Dies kann aus dem Einfluss der Kirche, welche im katholischen Kanton Obwalden eine wichtige Rolle spielt, entstanden sein. „Auch Religion und Sitte fordern, dass das Kleid anständig, züchtig und sittsam sei. Päpste und Bischöfe erheben immer wieder mahnend und warnend ihre Stimme“ (10) Die weisse Voile-Schürze wird mit einem Seidenband seitlich geschlossen. Voile aus dem französischen für „Schleier“ bezeichnet ein transparenter Stoff. Dieser wird aufgrund seines weichen Faltenfalles hauptsächlich für Gardinen und eben Schleier eingesetzt. Die Schürze muss farblich zum Rock und dem Halstuch passen. Weiter kommen Strümpfe, Unterrock und je nach Bedarf eine Handtasche hinzu. Die sogenannten Filethandschuhe werden heute wieder von Hand gehäkelt und finden erneut Einzug in der Tracht. Die Schuhe bestehen aus schwarzem Leder und sind mit einer Metallschnalle versehen. Der Reichtum einer Frau oder dessen Familie konnte nicht direkt an der Tracht abgelesen werden. So trägt die Frau des Landamann die gleiche Tracht, wie jene des einfachen Bauerns.

Abb. 17. Mailändertüechli

Abb. 18. Spitzen am Ärmel

10 P. Dr Mathis, Burkhard und P. Angehrn, Siegward. (1953) Um Kleid und Tracht. S. 19

Trachtenkleid

Das Trachtenkleid ist die Sonntagstracht der verheirateten Frauen. Unter den sechs Obwaldner Trachten ist dies wohl die Edelste. Der

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Abb. 19. Trachtenkleid

erste grosse Unterschied zur Sonntagstracht der ledigen Frauen ist die Haube auf dem Kopf. Sie ist das Zeichen, dass die Frau verheiratet ist. Eine Ableitung daraus ist das Sprichwort „Sie ist unter die Haube gekommen“, wenn eine Frau heiratet. Heute tragen verheiratete Frauen auch die Tracht der ledigen, jedoch immer mit einer Haube auf dem Kopf. Beim Rock stehen zwei Materialien zur Auswahl. Hangewobener Baumwollstoff oder Seide, um einen edleren Ausdruck zu erreichen. Das Oberteil besteht aus dem gleichen Material wie der Rock, die beiden Teile werden am Schluss zusammengenäht. Gleich wie bei der Sonntagstracht ist die Befestigung mittels Stehfältchen. Allgemein kann gesagt werden, dass sich die drei Frauentrachten in ihrem Schnitt und der Bearbeitung von hinten sehr ähnlich sehen. Nebst der Stoffwahl sind verschiedene Farben möglich. Primär werden Rot, Grün oder Blau verwendet. Jede dieser Farben hat noch feine Unterschiede in sich, sodass es bereits fünf verschiedene Rottöne gibt. Dies ermöglicht wiederum eine grosse Vielfalt innerhalb einer Tracht. Der Brustlatz, wird zwischen zwei Stofflagen mit Kunststoffstäbchen verstärkt um den Stoff dem Körper anzupassen. Sie werden mit dem sogenannten Passepoil, Nähte die von aussen sichtbar sind, befestigt. Die vertikalen Nähte betonen, zusätzlich zu ihrer konstruktiven Aufgabe, den Oberkörper der Frau. Die Schürze besteht im Falle der Seidentracht aus Tüll und aus Seide bei der Wolltracht. Sie wird mit verschiedenen, meist floralen Mustern bestickt. Tüll wird auch im Bereich des Halses, in Form von Stehfalten, eingesetzt. Die letzte Lage der Stehfalten besteht nicht aus Tüll sondern Seide. Das ganze wird Tüllschoner genannt. Auch bei dieser Tracht gibt es zusätzlich einen Unterrock aus Baumwolle, Strümpfen, Handtasche und Handschuhe. Werktagstracht / Ausgangstracht

Abb. 20. Tüllschoner

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Sie unterscheidet sich gegenüber der Sonntagstracht und dem Trachtenkleid vorallem durch die Schlichtheit. Auf eine Kopfbedeckung


oder Schmuck wird gänzlich verzichtet. Die Materialien wechseln vom edlen Samt der Sonntagstracht zu Baumwolle und Halbleine. Das Mieder gibt es in drei verschiedenen Farben, die mit dem Rock abgestimmt sind. Zum blauen Rock trägt man ein blaues Mieder mit schwarzem Blendenbesatz. Zum grünen Rock ein grünes Mieder mit braunem Blendenbesatz und zum braunen Rock ein braunes Mieder mit rostfarbenem Blendenbesatz. Der Blendenbesatz besteht aus der Querblende, also dem Element dass die Tracht oben abschliesst, der Längsblende, welches über die Mitte der Brust zieht und den Trägern. Die Bluse besteht aus Baumwolle, sie besticht durch ihre weiten Ärmel und den hochgezogenen Halsausschnitt, der zu Falten zusammengezogen wird. Auch die Schürze ist aus Baumwolle und passt sich farblich der Tracht an. Auch hier werden schwarze Lederschuhe mit einer Metallschnalle getragen.

Abb. 21. Werktagstracht

Männertracht

Im Unterschied zur Frauentracht gibt es bei den Männer keine Unterscheidung in die Tracht der Ledigen und Verheirateten. Auch durch ihrer vergleichsweise schlichte Erscheinung hebt sie sich von der Frauentracht ab. So findet man bei der Trachtenbluse und den beiden Senner gezielt Stickereien am Oberkörper. Der Bereich der Hosen, vergleichbar mit dem Rock oder der Schürze der Frauen, ist sehr einfach und schmucklos gehalten. Auch die Schuhe der Obwaldner Männer sind schmucklos und nicht mit Metallschnallen versehen. Jede Männertracht beinhaltet aber einen Kopfschmuck. Trachtenbluse

Diese Tracht wird heute oft von den verheirateten Männer getragen. Die Bluse und die Hose sind aus braunem Wollstoff. Unter der Bluse trägt man ein weisses musterloses Hemd mit Kragen. Um den Kra-

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Abb. 22. Trachtenbluse

gen eine Krawatte oder einen Knopf. Auch hier ist alles, zum Beispiel die Anzahl Falten am Ärmel, genauestes beschrieben. Im Gegensatz zu Nidwalden ist die Stickerei der Obwaldner Tracht direkt auf den dunkelbraunen Wollstoff der Bluse aufgestickt. Dies wird heute noch in Handarbeit erledigt. Das direkte aufbringen birgt den Nachteil, dass beim Ersetzten der Tracht die Stickerei nicht gelöst werden kann und somit verloren ist. Eine Ausnahme bietet die Schulterpartie. Hier sind die Alpenblumen auf eine sogenannte Achselplatte gestickt, welche gelöst werden kann. Das Muster der Stickerei ist bei allen Trachtenblusen immer das gleiche. Die Schuhe sind, wie bei den Frauen, ebenfalls aus schwarzem Leder, aber ohne Schnallen. Auf dem Kopf trägt man einen schwarzen Tellerhut. Senner

Abb. 23. Senner

Der Senner wird oft von den ledigen oder jungen Männern getragen, ist jedoch nicht explizit einem Zivilstand zugeordnet, oder altersmässig begrenzt. Trotzdem herrscht heute vielfach der Irrtum, es sei die Tracht der ledigen Männer. Der Kittel, so wird das Oberteil genannt, ist aus schwarzem Baumwollsamt. Eingefasst wird er in roter Tresse und mit drei Silberknöpfen zusammen gehalten. Die Tresse, französisch für Zopf, ist ein gewobenes Band, das den Stoff abschliesst und umfasst. Im Gegensatz zur Trachtenbluse ist hier das Muster der Stickereien frei wählbar. Man findet sie auf dem Revers, auf allen Taschen und seitlich. Dafür kommen nur Blumen und Pflanzen zum Einsatz, die es im Kanton Obwalden gibt. Sie werden von Hand aufgestickt. Unter dem Kittel trägt man wiederum ein weisses, schmuckloses Hemd und schwarze Hosen. Um den Hals eine Krawatte oder einen Knopf. Die Kopfbedeckung ist ein schwarzes Käppli aus Samt, ebenfalls mit roter Tresse eingefasst. Zwilchsenner

Der Zwilchsenner wird aus den gleichen Schnittmuster wie der Senner genäht. Er ist ursprünglich eine Nidwaldner Tracht, wird aber auch in Obwalden getragen. In seiner Erscheinung ist er weniger edel als der Obwaldner Senner. Dies beginnt beim Stoff des Kittels. An-

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stelle des edlen Samtes ist der Zwilchsenner aus Zwilch, woher er auch seinen Namen hat. Zwilch ist ein Baumwollstoff. Der Name sagt lediglich aus, wie viele Fäden miteinander verwoben sind. So sind es beim Drillich drei und beim Zwillich zwei Fäden. Aus dem Zwillich wurde im Schweizer Dialekt das verkürzte Wort Zwilch. Diese Fäden ergeben einen sehr strapazierfähigen Stoff. Es verwundert daher nicht, dass auch die Überhosen beim Schwingen aus demselben Material sind. Die Hose des Zwilchsenners besteht aus Halbleinen, das Hemd ist ein blaues Bauern- oder Edelweisshemd. Beide sind ohne Kragen, weshalb auf die Krawatte verzichtet werden kann. Am Zwilchsenner findet man keine Stickereien. Als Kopfbedeckung gibt es ein gehäkeltes oder gestricktes Käppi, welches wieder mit roter Tresse eingefasst ist und einen kleinen Zottel hat. Dieser Zottel und die Tresse machen auch diese Tracht nicht ganz schmucklos. Trachtenmantel

Abb. 24. Das Logo des Jodlerklubs ist eine Stickerei die beim Zwilchsenner sonst nicht vorkommt.

Der Trachtenmantel trägt heute eigentlich niemand mehr. Er wurde bis Ende 2013 auch nicht mehr hergestellt. Im Winter, wenn der Trachtenmantel traditionell zum Einsatz kam, trägt man heute moderne Thermo-Unterwäsche. Auch hier gilt die Devise: Alles ist erlaubt, solange man es nicht sieht und es das Bild der Tracht nicht verändert. Bei Regen sieht man immer mehr, dass die Frauen und Männer moderne Regenjacken tragen, schliesslich will man die wertvolle Tracht schützen. Ab 2014 gibt es vom Eidgenössischen Trachtenverband eine Schnittvorlage für einen neuen Trachtenmantel. Inwiefern dieser in Obwalden zum Einsatz kommt, steht offen. Geschichte der Obwaldner Tracht

Die Obwaldner Tracht ist kein altes, unabänderbares und überliefertes Kleidungsstück. Es hat sich in den letzten Jahrhunderten immer wieder dem Zeitgeist und den neuen Materialien angepasst. Seit den 30er Jahren hat diese Anpassungen jedoch ein momentanes Ende gefunden. „Wohl deshalb, weil die frühere Entwicklung zu einer gern

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(D/F) Runge, Heinrich (1861). Die Schweiz in Original Ansichten. La Suisse vues Pittoresques. ohne Seitenzahl

Abb. 25. Tracht des Kantons Unterwalden 1794

Abb. 26. Tracht des Kantons Unterwalden, um 1800

11 Obwaldner Trachten und Volkslieder-Vereinigung (1995). S. 1 12 Runge, Heinrich (1861). Die Schweiz in Original Ansichten. La Suisse vues Pittoresques. S. 63 ff.

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getragenen und bequemen Tracht mit einer einfachen und doch vornehmen Schönheit geführt hat.“ (11) Die Obwaldner Tracht wurde, so weit zurück verfolgbar, immer wieder denn aktuellen Modetrends angepasst. Über eine frühere Form liest man bei Runge 1861: „Ehemals trugen die Männer in Obwalden schwarze Zwilchröcke, kurze Hosen, eine bis zur Knie reichende Jacke und um den Leib einen breiten Ledergürtel: die Haare waren über der Stirn gescheitelt und im Nacken kreisförmig abgeschnitten, (...) Die weibliche Tracht besteht noch aus einem Korsett und einem wollenen Rock; die Haare werden in Zöpfe geflochten, mit weissen Schnüren seltsam durchzogen und von einer silbernen Nadel, oft in Form eines doppelten Löffels gehalten; sehr selten deckt sie noch der früher allgemein gebräuchliche Schwefelgelbe Hut. Zum Unterschied tragen die verheirateten Frauen ein Häubchen, über welches eine Art Kamm aus Spitzen hervorragt.“ (12) Bereits damals war man sich den Einfluss der Mode und dessen Veränderung auf die Tracht bewusst. „Gegenwärtig sieht man davon fast nichts mehr, die Obwaldner Tracht hat mehr und mehr Eingang gefunden, wird aber von der Mode stark beeinflusst, obwohl sie abgesehen von der Kammhaube, an sich schon einen sehr angenehmen Eindruck macht.“ (12) Dieser Beschrieb kam der Tracht wie wir sie heute sehen schon sehr nahe. Doch erneutes Ändern und Anpassen führte zur so genannten „Alpenröslitracht“. Die Frauen trugen ähnlich dem Senner der Männer eine besticktes Mieder. Den Obwaldner war nicht bewusst, dass sie die Tracht so stark den jeweiligen Modeströmen angepasst haben, dass sie mit der, aus ihrer Sicht richtigen Tracht, 1926 an das erste Trachtenfest der Schweiz in Zürich gingen. Dort trafen sie auf Julie Heierli, welche schon damals als grösste Kennerin der Trachten galt. Sie schrieb ab 1922 einen grossen Band über alle Trachten der Schweiz. Das erste Buch befasste sich mit der Zentralschweiz und dementsprechend wurden die Obwaldner Trachtenleute an diesem


Fest von ihr belehrt, dass sie eine völlig kantonsfremde Tracht tragen. Heierli kam 1926 persönlich nach Obwalden um in alten Bauernhäusern nach Bildern und Stoffen zu suchen und die „alte“ und richtige Tracht zu rekonstruieren. Seither hat die Obwaldnertracht ihre heutige Form. Im Zuge der Forschungen wurde zusätzlich die heutige Werktagstracht der Frauen entworfen. Die Männertrachten, das heisst der Senner und die Trachtenbluse, waren schon vor Heierli in ihrem Schnitt sehr nahe der heutigen Form. Dieser Schnitt wurde ursprünglich, gleich der Frauentracht, von Frankreich übernommen. Bei den Frauen ist es eine Empiretracht, bei den Männern ein so genannter Burgunderschnitt. Die Nidwaldner wollten sich, aufgrund der geschichtlichen Vorkommnisse von 1798, nicht mit Frankreich in Verbindung setzten und entschieden sich für einen spanischen Schnitt. Der Kopfschmuck, vor allem die Zöpfe der Frauen, zogen sich bis heute durch alle Änderungen der Trachten. Jeden Samstag traf man sich zum sogenannten „Einzipfeln“ und trug dann die ganze Woche diesen Haarschmuck bis zum nächsten Samstag. Doch auch diese Konstante drohte um 1920 in Vergessenheit zu geraten. Damals trugen, ganz der Mode entsprechend, nur noch wenige Frauen lange Haare. Zusätzlich zu den modischen Einflüssen fehlte im 19. Jahrhundert das Interesse an der eigenen Tracht und die damit verbundenen Themen gänzlich. Die Leute hatten ein ganz anderes Problem. 1815 brach der Vulkan Tambora in Indonesien aus. Das durch die Eruption ausgeworfenen Material brachte in Europa 1816 einen ungewöhnlich kalten Sommer, der zu schweren Ernteeinbussen und Hungersnöten führte. Dieses Jahr wurde später das „Jahr ohne Sommer“ genannt. Auch nach der Einführung der durch Heierli ausgearbeiteten Tracht um 1930, unterlag diese kurze Zeit später wieder den aktuellen Modetrends. Die Rocklänge wechselte innerhalb kurzer Zeit von sehr kurz zu sehr lang und wieder zurück. Um zu verhindern, dass sich die Tracht weiter verändert, schrieb der Obwaldner Trachtenverein

Abb. 27. Obwaldnertracht 1846.

Abb. 28. Obwaldner Tracht 1932. Die Frau trägt die Alpenröslitracht, der Mann einen Senner, der dem heutigen sehr nahe kommt mit Ausnahme der Krawatte.

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1995 einen Trachtenbeschrieb. Heute ist durch diesen Beschrieb vieles geregelt. Auch der Austausch unter den Trachtenschneiderinnen in Obwalden hilft, eine einheitliche Tracht zu erhalten. Weiter ist durch das „Trachtägwand Obwalden“, das Geschäft für Trachtenstoffe und Zubehör der Obwaldner Trachten- und Volkslieder-Vereinigung vieles vereinheitlicht worden. Beschränkung auf eine Tracht

Im Bereich der Architektur bietet das Wohnhaus Büel ein schönes Exemplar um eine grosse Anzahl verschiedener Schmuckelemente zu sehen und beschreiben. Das Sarneraatal bietet nur sechs verschiedene Trachten. Drei für die Männer und drei für die Frauen. Es findet sich nicht eine Tracht, welche stellvertretend reich verziert wäre. Bei der Beschränkung auf eine Tracht würde man zudem immer entweder die Frauen oder Männer ausklammern. Beim Vergleich der beiden Themengebiete wird deshalb immer auf alle sechs Trachten verwiesen. Auch Irene Bürgi, Trachtenschneiderin aus Lungern, konnte die Frage nach der schönste Tracht nicht abschliessend beantworten. „Es gibt für mich keine Tracht die schöner ist als die andere. Die Tracht muss vor allem zur Trägerin oder dem Träger passen. Eine reife Frau sieht in der Sonntagstracht mit all den Schleifen und Bänder sehr mädchenhaft aus.“ (13)

13 Irene Bürgi, Interview

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Vergleich Aussenschmuck an Obwaldner Wohnhäuser im Bezug zur Obwaldner Trachtengeschichte

Diese Arbeit befasst sich mit dem Schmuck. Sei es der Aussenschmuck an den Wohnhäusern oder jener der Trachten. Durch die Recherche im vorhergehenden Kapitel stellte sich heraus, dass sowohl die Stickereien der Tracht, wie auch die Zierelemente der Architektur, nicht als etwas nachträglich Aufgetragenes angesehen wurden. Dies war meine ursprüngliche Definition von Schmuck. Sie galten in jener Zeit als selbstverständlich. „Man hätte nie etwas ohne Verzierungen gebaut. Das Haus wäre nicht fertig gewesen (...). Das Empfinden, dass Schmuck und Ornamente etwas Zusätzliches und eigentlich Unnützes sind kam erst mit dem „modernen“ Menschen. Flache, einfache Türen wie wir sie heute kennen wurden höchstens im Stall verwendet.“ (14) So müssen also die Stickereien der Tracht und die Friese und Kehlen der Architektur als etwas Selbstverständliches angesehen werden. Erst mit der Moderne und einer neue Auffassung von Architektur änderte sich der Blick auf Ornamente und Verzierungen, sodass sie heute als Schmuck gelten. „Selbst die Nacktheit der äusseren Form galt als Ausgangspunkt eines neuen Stils, folgt man Albert Wegman, Schüler von Heinrich Hübsch in Karlsruhe, dem Autor der Jahrhundertfrage «In welchem Style sollen wir bauen?», der 1839 in Zürich öffentlich für eine Architektur eintrat, die «lediglich auf die einfachen Lehren der Construction, mit Weglassung aller zwecklosen Verzierung» basieren sollte.“ (15) Der Hauptteil befasst sich mit dem Vergleich der beiden Gruppen, wobei durch die oben genannten Erkenntnisse der Vorarbeit zuerst Schmuck aus meiner Sicht definiert wird.

14 Dr. Peter Omachen, Kantonaler Denkmalpfelger Obwalden. Interview

15 Oechslin, Werner: Gottfried Semper und die Moderne. Gedanken zu einer Umwertung des 19. und 20. Jahrhunderts. In NZZ, 25/26 Mai 2002.

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Definition Schmuck

Abb. 29. Halsbätti

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Unter dem Begriff von Schmuck verstehe ich etwas zusätzlich Aufgebrachtes, etwas was zu dieser Zeit ungewöhnlich oder nicht selbstverständlich erschien. Da die Verzierungen der Fassade und Trachten als selbstverständlich angesehen wurden und eine Frage des Zeitgeistes sind, würde ich sie als Ornamente, Verzierungen oder schlicht Schnitzereien und Stickereien bezeichnen. Einen ersten Zusammenhang zwischen der Architektur und den Trachten findet sich deshalb in eigentlichen Schmuck. So wurden im Haus Büel ungewöhnlich viele Reihen aus teurem Eichenholz gebaut, anstelle des üblichen einlagigen Kranz über dem Mauerwerk. Dies machte das bearbeiten und schnitzen der Zierfriese aufwändiger. Die Frauen trugen zum Trachtenkleid ein Halsbätti. Es hat seinen Namen von der optischen Verwandtschaft mit dem Rosenkranz, im Mundart „Bätti“ für beten erhalten. Dabei werden kleine Edelsteine aneinandergereiht. Eine höhere Anzahl der Reihen des Halsbätti stand für mehr Reichtum der Trägerin. Es kann davon ausgegangen werden, dass die damalige Bevölkerung ein breiteres Wissen über die Materialisierung eines Hauses, und auch die Bedeutung des Halsschmuckes der Tracht hatte und dies zu deuten verstand. Weiter wären noch die Wappenscheiben und die Grösse des Hauses zu erwähnen. Sie sind ein von aussen ablesbares Zeichen von Reichtum. Allgemein kann gesagt werden, dass beispielsweise die Äussere Erscheinung der Berner Bauernhäuser sehr reich geschmückt und repräsentativ ist. Jedoch findet sich im Innenbereich fast kein Schmuck. In Obwalden sieht man das Gegenteil. Die Häuser sind im Aussenbereich sehr schlicht und zurückhaltend geschmückt. Jedoch findet sich im Inneren fast jedes Hauses ein schönes Nussbaumbuffet. Diese Umkehrung kommt aus der damaligen Gesellschaft. Zu reiche und mächtige Personen, wurden von der Politik und Gesellschaft abgestraft.


Konventionen

Unter dem Gesichtspunkt der Konventionen findet man eine Gemeinsamkeit der beiden Themen. Im Bereich der Trachtenherstellung ist alles sehr genau beschrieben und festgelegt. So verwenden heute alle Trachtenschneiderinnen des Kantons Obwalden die gleichen Schnittmuster. Dies ergibt zusammen mit der Tatsache, dass der ganze Kanton die Materialien aus dem gleichen Lager bezieht, eine grosse Gemeinsamkeit und Verwandtschaft. Innerhalb dieser starken Regelung gibt es aber eine gewisse Freiheit. Die Farb - und Stoffwahl der Frauentracht und Stickmusterwahl beim Senner lässt eine persönliche Tracht zu. Diese Konventionen und Regeln kommen aus der Angst, dass sich die Trachten verlieren ein Wildwuchs entsteht. Die starken Regeln sehen die heutigen Schneiderinnen nicht nur als Nachteil und Einschränkung. „Da sind klare Vorgaben, und ich kann mich ganz auf die Zusammensetzung der Farben und Designs konzentrieren“ (16) Im Bereich der Architektur findet man diese klaren Regeln auch. Anders als in der Tracht sind sie in der Architektur nicht schriftlich festgehalten. Aber man findet im Bereich der Sägearbeiten fast keine Abweichung innerhalb des Kantons Obwalden. Diese Tatsache gründet sich in der Untersuchung der Hersteller. Es wird vermutet, dass die talentierten Zimmerleute und Schreiner bei einem Bau engagiert wurden, um die Verzierungen zu erstellen. Nicht jeder Zimmermann konnte die aufwändigen Friese und Kehlen schnitzen. Es gab eine Art Spezialisten. So entstand eine Regelmässigkeit durch den gleichen Handwerker. Im Bereich der Trachten weis man von sogenannte „Störschneiderinnen“. Das waren ausgebildete Schneiderinnen, die nach der Ausbildung keine feste Anstellung fanden oder wollten. Sie gingen auf die Wanderschaft und blieben für ein paar Tage in einer Bauernfamilie. Dort nähten und flickten sie die Kleider der Familie. So entstanden unter anderem auch Trachten. Der Lohn dafür war Kost und Logie. In beiden Bereichen waren also Handwerker die ausschlaggebenden Faktoren, wie Ornamente und Verzierung in

16 Zeitschrift Frauenland, Ausgabe 2/2010, Interview mit Irene Bürgi, Trachtenschneidrin in Obwalden

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17 Kultur- und Denkmalpflege in Obwalden, Jahresheft Nr. 6/2011. S. 39ff. Walter Zünd, Malermeister

Erscheinung treten. Eine weiteres ungeschriebenes Gesetzt findet man in der Bemalung eines Hauses. Die Farbe Rot war für das Haus des Landamann bestimmt. Man findet im Kanton Obwalden viele alte Holzhäuser, die nachweisbar ihre Blockwandfassade vor 1800 rot gestrichen hatten. Für jedes dieser Häuser kann nachgewiesen werden, dass sie von einem Landamann gebaut wurden oder einer darin gewohnt hatte. Der Landamann wurde von der Landsgemeinde gewählt und hatte sowohl die Ämter der Gesetzgebung (Legislative), Vollziehung (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) inne. Noch heute, nach der Gewaltentrennung, wird in Obwalden der Vorsitzende der Kantonsregierung, also der Kantonspräsident, Landamann genannt. „Die Mode der rot angestrichenen Landammänner-Häuser scheint von Ritter und Landamman Niklaus Imfeld um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Sarnen eingeführt worden zu sein.(...) Vermutlich wollten sie mit dem roten Fassadenanstrich symbolisch die hohe Gerichtsbarkeit, die sie als Landamänner und Inhaber des Blutbanns ausübten (...) erkennbar machen. “ (17) Auch das Haus Büel war gemäss Durrer Robert in seiner Anfangszeit rot gestrichen. Es gab nirgends ein niedergeschriebenes Gesetz, dass der normale Bürger sein Haus nicht auch rot anmalen darf. Für die damaligen Bauherren schien dies jedoch gar nie eine Möglichkeit zu sein. Auch hier wäre man, ähnlich wie bei einem schmucklosen Haus, von der Gesellschaft auf ein fehlerhaftes Verhalten hingewiesen worden. Es war klar und selbstverständlich auf eine rote Bemalung zu verzichten. Veränderung

Wenn man sich mit Konventionen und Regeln befasst, finden sich immer auch Elemente der Veränderung. Dies ist, wie in der Untersuchung der Geschichte des Haus Büel aufzeigt, keine Erscheinung der Moderne. Ein Haus wurde über Generationen gedacht und gebaut.

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Da schien es normal, dass sich die jeweiligen Bewohner aus dem jeweiligen Bedürfnis heraus gewisse Änderungen vornahmen. Die Unterteilung des Hauses Büel in zwei Wohnungen oder das Aufstocken des Daches sind hier zwei Beispiele. Auch die Tracht war für mehrere Generationen gedacht. Der Einsatz von qualitativ hochstehenenden Materialien ermöglichte dies. Deshalb lassen noch heute junge Frauen die Tracht der Mutter anpassen und abändern. Die heutigen Änderungen im Bereich der Tracht entstehen wieder aus dem Bedürfnis der heutigen Träger. So ist die Innentasche fürs Natel oder den Lippenstift eine logische Fortsetzung dieser geschichtlichen Entwicklung. Der Umgang und das Bewusstsein mit diesen Änderungen hat sich im Laufe der Zeit geändert. Eingriffe waren früher selbstverständlich. Das Haus wurde nicht als schützenswertes, traditionelles Objekt angesehen, da jedes Haus in der Gegend so war. 1906 wurde der Schweizer Heimatschutz gegründet um die letzten alten Objekte und damit unsere eigene Geschichte zu erhalten. Durch die Dezimierung der vorhandenen Häuser dieser Zeit wird auch der heutige Umgang und damit Änderungen daran zu einem wichtigeren Thema. Trotzdem ist es auch heute möglich, ein altes Haus soweit an die aktuellen Bedürfnisse anzupassen, um es bewohnbar zu machen. Nicht nur die heutigen Bedürfnisse bringen Änderungen mit sich, auch die neuen Techniken. In der Trachtenherstellung kann auf einige Formgebende Nähte und Arbeitsschritte verzichtet werden. Als Beispiel wird heute das Innenfutter der Sonntagstracht nicht mehr mit dem Aussenstoff vernäht, sondern verklebt. Das geht schneller, ändert aber weder in der Erscheinung noch der Qualität etwas. Es ist vielmehr ein Abbild der heutigen Zeit, in der die Arbeit schneller erledigt sein muss. Auch im Zuschnitt einer Tracht werden einige Schritte ausgelassen. Früher wurde der Stoff zuerst mit dem Schnittmuster angezeichnet, dann mit Faden abgesteckt, Probe genäht, geändert und dann definitiv genäht. Heute wird nach dem zuschneiden direkt genäht. Die Tracht wird dadurch schöner, da der Stoff nicht

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18 P. Dr. Mathis, Burkhard und P. Angehrn, Siegward. (1953) Um Kleid und Tracht. S. 18

mehr so viele Bearbeitungsschritte mitmachen muss. „Tradition heisst nicht stehen bleiben. Es heisst bewusst und feinfühlig weiterdenken.“ Erläutert Irene Bürgi im Interview. Auch das ansonsten sehr konservative Buch der Pater Mathis, Burkhard und Anghern greift das Thema der Veränderung auf. „Die Volkstracht ist um so wertvoller, je reiner sie aus dem Geist des betreffenden Volkstums erwachsen ist und je mehr sie sich der Wesensart, Beschäftigung und Umgebung der betreffenden Menschen anpasst. Selbstverständlich darf und soll sie sich der Landessitte und der Berufsarbeit harmonisch anpassen.“ (18) Schliesslich bringt auch die Problematik der Materialbeschaffung eine Veränderung im Bereich der Tracht mit sich. Das Band, welches die Schürze der Sonntagstracht schliesst wird nicht mehr in der Schweiz hergestellt. Die Maschine dazu befindet sich heute im Freilichtmuseum Ballenberg. Man suchte und fand ein ähnliches Band in Österreich. Dies ändert natürlich den Ausdruck der ganzen Tracht. Die Stoffe für Rock, Kittel und Bluse werden momentan noch in Obwalden gewoben und ermöglichen eine gewisse Konstanz. Jedoch ist auch diese Zukunft nicht geregelt. Einflüsse durch regionale Symbole und Zeichen

In der These wird davon ausgegangen, dass sich in beiden Bereichen nicht die gleichen Muster oder Symbole finden. Auch das Studium der beiden Geschichten macht klar, dass aufgrund der zeitlichen Verschiebung keine wechselhafte Beeinflussung stattfinden konnte. Es finden sich jedoch in beiden Bereichen Einflüsse, die auf die geografische Lage des Kantons Obwalden und dessen Umwelt schliessen lassen. In der Architektur wurde die bekannteste und am häufigsten angewendete Sägeform „Rössli“ benannt. Dieses Element hat seinen Namen, wie bereits erwähnt, der Ähnlichkeit des Pferdemauls zu verdanken. Die gleiche Herkunft kann in den Friesen mit dem Namen „Eselsrücken“ gefunden werden. Beides sind Nutztiere die der Bauer,

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als Bauherr eines Hauses, kannte und oft auch selber im Stall hatte. Im Bereich der Tracht diente die Natur mit ihren Blumen und Getreide als Inspirationsquelle. Noch heute findet man ausschliesslich Pflanzen als Stickerei der Männertracht, die auch in Obwalden vorkommen. Auch die Ähre, obgleich sie seit Jahren nicht mehr angebaut wird, wurde beibehalten. Äussere Einflüsse / Mode

Nebst den regionalen Einflüssen finden sich auch äussere Einflüsse. Die Änderungen im Bereich der Tracht um 1820 schliessen auch auf die politischen Ereignisse ausserhalb des Kantons, sogar ausserhalb der Schweiz. Die französische Revolution 1789 brachte auch eine Revolution in der Modewelt mit sich. „(...) So ist hier kein Platz mehr für die schwarzseidene Kniehose, die aufwendig bestickte Weste und den prunkvollen Frack, die weissen Strümpfe und silberbeschnallten Schuhe der Aristokraten in Grande Parure. Der königliche Hof unter Ludwig XVI. hat seine politische Bedeutung und Berechtigung verloren und gibt damit auch sein Modediktat ab.“ (19) Der Beschrieb der Mode am Hof von Versailles erinnert stark an das Bild der Obwaldner Tracht vor 1820. Auf jeden Fall war die Mode in Frankreich Vorbild für die Schweiz. „Die Jungen Mädchen tragen jetzt höchstens noch die Haarfrisur (...) Komisch genug sieht es aus, wenn zu diesen Schmuckstücken Kleider nach der neusten Pariser Mode getragen werden. Man hängt noch am Alten und möchte doch gern das neue haben! (...) (20) Regional lässt sich feststellen, dass der Obwaldner Senner sehr nahe dem des Berner Oberlandes ist. Es kann jedoch nicht klar bestummen werden, welcher zuerst auftauchte. Die gegenseitige Beeinflussung ist wie bereits im Kapitel des Aussenschmuckes auch im Bereich der Sägearbeiten sichtbar. So finden sich in den Gemeinden, welche an andere Kantone grenzen, immer auch ausserkantonale Einflüsse. In der Architektur findet man die äusseren Einflüsse weiter in den Epochen. So wurden die Fassaden des Haus

Abb. 30. Obwaldnertracht um 1800

19 Höflein, Ulrike. Vom Umgang mit ländlicher Tracht. S.17 20 Heileri, Julie. (1896). Die Schweizer Trachten vom 17.-19. Jahrhundert nach Originalien. Ohne Seitenzahl

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Büel mit zwei verschieden Friesarten versehen. An der Rückseitigen Fassade finden sich Rillenfriese, die der Bauherr aus der vergangene Epoche der Renaissance wählte. An den drei anderen Fassaden finden sich sehr präzise und aufwändig hergestellte Würfelfriese aus der Zeit der Gotik. Die Mischung der beiden Friese erklärt sich aus der Bauzeit des Hauses. Es wurde in der Übergangszeit zwischen den beiden Epochen erbaut. Religion und Glaube

21 Schweizer Trachten, in Bild und Tradition. (1986) S.30 22 Gierl, Imgard. Trachtenschmuck aus fünf Jahhunderten S. 29

Das Thema der Religion ist zu komplex, um es für einen genaueren Vergleich der beiden Themengebiete einzubeziehen. Zuviel wurde seitens der Kirche in die Tracht interpretiert und sie als Mittel zur Verbreitung der katholischen Ansichten gebraucht. Deshalb wird an dieser Stelle nicht genauer darauf eingegangen. Gleichwohl fällt auf, dass in der Literatur das Thema der Religion und des Glaubens immer wieder angesprochen wird. „Es steht jedenfalls fest, dass das Volk von Unterwalden tief religiös ist. Ärgerlich ist dabei nur, (...) dass kindische und abergläubische Auswüchse die wahre Gottesfurcht verdrängt“ (21) Beim Haus Büel findet man heute noch einen Haselstrauch, der gemäss Bewohner das Unheil vom Haus fernhalten soll. Auch die Eingangstür mit dem eingeschnitzten Stern soll gleiches bewirken. Bei den Trachten liest man von Schmuck mit besonderer Wirkung. „Nicht anders als die kleinen Leute auf den Dörfern schmückte sich die adelige Dame mit zauberkräftigen Steinen, mit Halsbändern aus Blei und Eisen zur Abwehr von Unheil“ (22) Verschmelzung Konstruktiver und Ornamentaler Schmuck Anfänglich war geplant, den Schmuck in zwei Themengruppen zu unterteilen. Einerseits den Konstruktiven Schmuck. Hierzu gehört Schmuck, der aus der konstruktiven Fügung entsteht. Man kann auch sagen, ein zufälliger oder nicht nachträglich zugeführter Schmuck. Spuren der Bearbeitung gehören ebenfalls zu dieser Gruppe. Huwy-

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ler (1993) spricht hierbei von Funktion. Der Ornamentale Schmuck von Huwyler (1993), Zier genannt, wurde nachträglich hinzugefügt. Er dient der reinen Verzierung oder Dekoration und trägt nichts zur Statik oder dem Wetterschutz des jeweiligen Gebäudes bei. Schnell machte sich jedoch bemerkbar, dass es oftmals keine klare Abgrenzung zwischen den beiden Bereichen gibt. An den schlichten Obwaldner Bauernhäuser wurde Schmuck sehr diskret angebracht. So übernehmen Stäbchen an der Unterkante eines auskragenden Balkens nicht nur ornamentale Aufgaben, sondern lassen auch das Wasser besser abtropfen. Das Phänomen beschreibt Huwyler treffend: „Oft stehen Zier und Funktion geschickt miteinander in Verbindung.“ (23) Diese Doppelfunktion lässt sich in vielen weiteren Elementen beobachten. Das gleiche findet sich auch bei Roesler: „In den Konstruktionen des vernakulären Bauens erscheinen das Technologische und das Symbolische noch als eine zusammenhängende, ja untrennbare Geste. Untrennbarkeit von symbolischer und technologischer Dimension ist geradezu Kennzeichen vernakulärer Architektur.“ (24) Im Bereich der Mode ist die Unterscheidung in ornamental und konstruktiv häufig eindeutiger. Die Stickereien sind rein ornamentale Teile. Anders verhält es sich mit der Tresse, dem roten Band, welches den Senner abschliesst. Einerseits gibt diese Naht dem Stoff einen stabilen Abschluss und wirkt gegen das Ausfransen. Andererseits übernimmt das rote Band auch eine schmückende Aufgabe. Am eindeutigsten ist die Verschmelzung der beiden Bereiche beim sogenannten Passepoil. Kunstoffstäbchen werden zwischen zwei Stoffschichten des Brustlatz, dem Oberteil des Trachtenkleides, eingenäht. Diese Stäbchen sorgen für die Form des Brustlatz. Die Nähte, welche die Stäbchen halten werden Passepoil genannt. Es ist einerseits Zier, tönt aber zugleich die Stäbchen darunter an und befestigt diese am Stoff, also auch ein konstruktives Element.

23 Huwyler, Edwin. (1993). Die Bauernhäuder der Kantone Ob- und Nidwalden. S. 214 24 Roesler, Sascha (2013). Weltkonstruktion. S. 251

Abb. 31. Passepoil

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Fazit

Wie in der These vermutet, finden sich keine gleiche Symbole auf der Tracht und in der Architektur. Aufschlussreich war die Befassung mit dem jeweiligen Zeitgeist, was zeigte, dass die äusseren Einflüsse wichtiger waren als vermutet. Im Bereich der Mode finden sich Einflüsse auch ausserhalb der Schweiz. Im Bereich der Architektur, waren es vorallem jene der Nachbarskantone. Die vielseitige Geschichte und starken Konventionen im Bereich der Tracht überraschten. Der Einfluss der Epochen auf das Empfinden und Ausgestalten der Verzierungen an Häuser und Stickereien an Trachten stellte sich als wichtiger als anfangs angenommen heraus. Das Bewusstsein und die Bedeutung von Schmuck änderten sich im Verlauf der Arbeit. Es zeigte sich, dass die ursprüngliche Begeisterung über die reich geschmückten Obwaldner Bauernhäuser ein Irrtum ist. Sie weisen mit der restlichen Schweiz verglichen, sehr wenig Aussenschmuck auf. Die beiden Bereiche wurden bis anhin noch nicht miteinander verglichen, sodass sich sämtliche Interviewpartner nicht direkt einen Vergleich vorstellen konnten. Deshalb scheinen gewisse Vergleiche auf den ersten Blick etwas dünn und gewagt, was aber mit Hilfe vielseitiger Lektüre und den sehr hilfsbereiten und belesenen Interviewpartnern gekräftigt wurde. Herzlichen Dank. Der persönliche Lerneffekt und das Anlegen eines Grundwissen in beiden Bereichen ist der hauptsächliche Gewinn dieser Arbeit. Ausblickend wäre ein Vergleich über die Kantonsgrenze im Bereich der Architektur und der Tracht spannend. Auch der Einbezug des Schmuckes im Innenraum wäre auf Grund jetziger Erkenntnisse interessant.

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17 Abb. 18 Abb. 19 Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22 Abb. 23 Abb. 24 Abb. 25 Abb. 26 Abb. 27 Abb. 28 Abb. 29 Abb. 30 Abb. 31

Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Durrer, Robert (1971) Die Kunstdenkmäler des Kantons Unterwalden, S. 514 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Seraina Duss, 2012 Fotografie Seraina Duss, 2012 Fotografie Seraina Duss, 2012 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Autor, 2013 Fotografie Markus von Rotz, www.schoried.ch Heierli, Judith (1922) S. 17 Schweizer Trachten in Bild und Tradition (1986) S. 31 Heierli, Judith (1922) S. 61 Archiv Regula Odermatt, Älplerchilbi Giswil, Postkarte 1932 Fotografie Markus von Rotz, www.schoried.ch König, Lory, und Andere (1816). Alte Schweizer Trachten. (gedruckt 1924) S.119 Fotografie Seraina Duss, 2012

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Interviewpartner

Irene Bürgi, Lungern Inhaberin Couture-Atelier, Herstellerin vieler Obwaldner Trachten Seraina Duss, Lungern Auszubildende Bekleidungsgestalterin bei Irene Bürgi Dr. Edwin Huwyler, Sarnen Ehem. wissenschaftlicher Leiter des Schweizerischen Freilichtmuseum Ballenberg. Autor des Buches „Die Bauernhäuser der Kantone Obwalden und Nidwalden“ Monika Imhof, Sarnen dipl. Architektin ETH SIA BSA, Mitinhaberin Architekturbüro Imhof Architekten Regula Odermatt, Giswil Betreiberin des „Trachtägwand Obwalden“ Geschäft für Trachtenstoffe und Zubehör, Fachstelle der Obwaldner Trachten- und Volkslieder-Vereinigung. Dr. Peter Omachen, Sarnen

Denkmalpfleger Kanton Obwalden

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Bruch oder Besinnung?

vernakuläre Einflßsse in der tansanischen Moderne Lucas Sager

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Lucas Sager Reiserstrasse 133 4600 Olten Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler

Lucerne University of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern, Technik & Architektur

Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit vernakulären Bautypen Tansanias und deren Beziehung zur postkolonialistischen Moderne Anthony Almeidas. Es wird untersucht, ob und inwiefern Einflüsse vernakulärer Architektur den Entwurf des tansanischen Architekten beeinflusst haben. Mittels einer geschichtlichen Herleitung, werden die vernakulären Bautypen erklärt und anhand von Text, Bildmaterial und Plänen mit dem Wohnhaus des Architekten Anthony Almeida verglichen. Dabei werden die Teilaspekte Konstruktion, Klima und Raumgefüge behandelt und analysiert. Die Untersuchung kommt zum Schluss, dass Beziehungen zwischen den tradierten Bautypologien und der Moderne nicht vorhanden sind. Die postkoloniale Moderne stellt einen Bruch in der architekturgeschichtlichen Entwicklung dar. Eine weiterführende These die besagt, dass Almeidas Architektur, mit dem negieren der Bautradition, die Einigkeit und Freiheit des neu unabhängigen Tansanias unterstütz hatte, müsste weiter vertieft behandelt werden.

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Einleitung The true basis of any serious study of the art of architecture is in those indigenous structures, the humble buildings everywhere. Which is to architecture what folklore is to literature or folk songs are to music and with which architects are seldom concerned. Frank Lloyd Wright, 1910 Mit der heutigen Wahrnehmung der Stadt Dar es Salaam in Tansania, kommt unweigerlich die Frage nach Tradition auf. Das Gebiet am indischen Ozean, nahe der arabischen Halbinsel zeichnet sich seit langer Zeit durch einen regen Austausch unterschiedlichster Kulturen aus. Vom frühen Handel mit arabischen Stämmen bis zur Ausbeutung europäischer Länder bewegte sich viel in diesem aufstrebenden Land. Mit der Unabhängigkeit Tansanias proklamierte der damalige erste Präsident Julius Nyerere eine Art Sozialismus auf Basis afrikanischer Traditionen und Familienstrukturen. Anthony Almeida, ein junger tansanischer Architekt, avancierte zu einem der wichtigsten Autoren postkolonialistischer Architektur in Tansania. Mit über 400 gebauten Objekten, bestimmte er das Auftreten des neuen Staates massgebend. Inwiefern dabei auch die baulichen Traditionen der tansanischen Geschichte in die Architektursprache Almeidas eingeflossen sind, soll in der folgenden Arbeit untersucht werden. Welche Einflüsse vernakulären Bauens haben auf die modernen Entwürfe des tansanischen Architekten Anthony Almeida eingewirkt? Anhand eines Vergleichs zwischen traditionellen tansanischen Behausungen und dem Wohnhaus des Architekten Anthony Almeida soll untersucht werden, welche Faktoren auf den Entwurf seines Wohnhauses einwirkten. Dabei werden die Teilaspekte Konstruktion, Klima und Raumgefüge textlich und anhand von Bildmaterial und Plänen verglichen und ausgewertet. Von der geografischen, klimatischen Verortung, über die Geschichte, sowie Architekturgeschichte als Grundlagen, werden darauf exemplarisch vernakuläre, tansanische Behausungen untersucht. Das Leben und der Zeitgeist von Anthony aufgezeigt und interpretiert. Mit den gewonnen Erkenntnissen wird zum Schluss das eigene Wohnhaus Almeidas analysiert und daraus auf seine Architektursprache zurückgeschlossen.

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Eingrenzung Diese Arbeit befasst sich mit den Einflüssen vernakulärer Architektur in den Entwürfen des tansanischen Architekten Anthony Almeida. Die Untersuchung vernakulärer Bautypen Ostafrikas gestaltet sich als äusserst schwierig. Durch die oftmalige Kurzlebigkeit der Konstruktionen, die schwierige geografische, sowie kulturelle Zugänglichkeit und nicht zu Letzt das kleine Interesse europäischer Siedler und Forscher an den lokalen Baugepflogenheiten gestaltet sich eine vollumfängliche, lückenlose Analyse der Bautypen Ostafrikas als unmöglich. Die untersuchten Bautypen beschränken sich daher auf bestimmte Typologien, welche grundlegend dokumentiert sind, aber nicht an einen geografisch definierten Ort gebunden sind. Die behandelten Typologien sind jeweils nicht als fixer Typus zu verstehen, sondern als Zeitzeugen unter dem Einfluss eines sich ständig wandelnden Kontexts. Anthony Almeida war mit über 400 gebauten Objekten einer der wichtigsten Architekten des Postkolonialismus in Tansania. Er prägte das Auftreten des neuen Staates immens. Sein reiches Schaffen, in einer äusserst spannenden Zeit, macht ihn zu einem der wichtigsten einheimischen Architekten. Weiter ist festzuhalten, dass die gewählten Begriffe in der folgenden Arbeit, trotz ihrer oft verallgemeinernden Erscheinung, keine herablassende, oder gar rassistische Gedanken transportieren wollen. Es ist viel mehr der Versuch, durch Vereinfachung, Ordnung in das vorgefundene Gewirr aus geschichtlichen, sozialen und ethischen Verflechtungen zu bringen.

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Glossar Banda bezeichnet eine einfache rechtwinklige Behausung in Tansania. Die Wände sind aus schlammbedeckten Pfosten gefertigt und tragen ein Giebeldach.1 Bantu ist der Sammelbegriff für über 400 verschiedene Ethnien Süd- und Mittelafrikas, die Bantusprachen sprechen. Es gibt heute über 200 Millionen Bantu. Im Sprachgebrauch wird Bantu häufig als Bezeichnung für Subsahara-Afrikaner verwendet.2 Boma bezeichnet das Verwaltungs- und Regierungsgebäude der ehemaligen deutschen Kolonialherrschern.3 Kisuaheli vom arabischen „sāhil – Küste“ ist die am weitesten verbreitete Verkehrssprache Ostafrikas. Mehr als 80 Millionen Menschen beherrschen Kisuaheli. Die Sprache ist aus der Begegnung afrikanischer Küstenbewohner mit seefahrenden Händlern, meist arabischen Ursprungs entstanden. Auch wenn Kisuaheli grammatikalisch eindeutig zu den Bantusprachen gehört, umfasst sein Wortschatz eine grosse Zahl von arabischen Vokabeln.4 Kitetei bezeichnet eine Weiterentwicklung des Mushonge, einer afrikanischen Urform von Behausung. Eine kreisrunde Wand aus Pfosten und Schlamm stütz dabei ein kegelförmiges Dach.5

1 vgl. Lwamayanga, 2008, S.225 2 vgl. Bantu, 2014, Wikipedia 3 vgl. Hofmann, 2013, S.189 4 vgl. Kiswahili, 2014, Wikipedia 5 vgl. Lwamayanga, 2008, S.226 6 vgl. Lwamayanga, 2008, S.226 7 vgl. Swahili, 2014, Wikipedia 8 vgl. Tanganjika, 2013, Wikipedia 9 vgl. Tansania, 2014, Wikipedia

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Mushonge bezeichnet die Urform einer tansanischen Behausung, wie sie in ganz Tansania vorkommt. Eine kegelförmige Rutenkonstruktion verbindet dabei Wand und Dach zu einem Gebäude.6 Suaheli bezeichnet eine kosmopolitische, aus einer Vielzahl von Städten zusammengesetzte Gesellschaft, deren Handelsaktivitäten die gesamte Küste Ostafrikas jahrhundertelang prägten. Der Begriff Suaheli leitet sich von dem arabischen Wort „saahilii – Küstenbewohner“ ab und wurde erst im 19. Jahrhundert ein ethnologischer Begriff. Dieser Teil der tansanischen Gesellschaft definierte sich selbst durch den Islam, die Sprache, sowie die städtische Kultur.7 Tanganjika ist die Bezeichnung für das Festland von Tansania. Oder für das ehemalige Gebiet von Deutsch-Ostafrika ohne Ruanda und Burundi, welches später unter ein britisches Protektorat gestellt wurde.8 Tansania, amtlich Vereinigte Republik Tansania, ist ein Staat in Ostafrika.9


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Grundlagen Geografie und Klima Tansania liegt im subsaharischen Afrika unterhalb des Äquators an der Küste zum Indischen Ozean. Das Land grenzt an Kenia und Uganda im Norden, Ruanda, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo im Westen und Sambia, Malawi und Mosambik im Süden. Die Fläche von Tansania beträgt rund 950‘000 Quadratkilometer und die Bevölkerungszahl beläuft sich auf zirka 41 Millionen Einwohner. Das Festland besteht aus einer 60 Kilometer breiten Küstenebene und einer Savannenlandschaft im Landesinnern. Die Bevölkerung besteht zu 99 Prozent aus Schwarzafrikanern, darunter sind 95 Prozent vom Bantuvolk abstammend. Diese wiederum gehören über 130 Ethnien an. Seit Jahrhunderten gehören aber auch Menschen mit Vorfahren aus Arabien und seit der Kolonialzeit mit Vorfahren aus Asien und Europa zu den Bewohnern Tansanias. Als Landessprache gilt Kisuaheli, daneben gibt es 130 Bantusprachen, die jeweiligen Stammessprachen. In der Küstenregion wird auch Arabisch gesprochen. Der Norden und die Küstengebiete sind durch die früheren Karawanen grösstenteils islamisch geprägt. Im Inland wurde das Christentum durch Missionare im 19. Jahrhundert stark verbreitet. Jedoch findet man in beiden Hauptreligionen, Islam und Christentum, immer noch weit verbreitet Riten von traditionellen Bantureligionen.10

Abb. 1. Karte Afrika - Tansania - Dar es Salaam, Adjaye, 2011, S.81

10 vgl. Our Nation, 2013, Tanzania Government Portal 11 vgl. Oliver, 1997, S.135

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In Tansania herrscht ein Monsunklima. Pro Jahr kommt es zweimal zu einem Wetterumbruch, bei dem die Temperaturen sinken und es, meist tagsüber, stark regnet. Dieser Wechsel zwischen Regen- und Trockenzeit ist verantwortlich für die typische afrikanische Savannenlandschaft. Die heiss-trocken Phase zeichnet sich durch heisse trockene Tage aber auch angenehme Nachttemperaturen aus. Die Monsunzeit ist die unangenehmste Zeit, da durch die hohe Luftfeuchtigkeit das Leben eher beeinträchtigt wird. Der Regen kann Erleichterung bringen, jedoch sind die Nächte dennoch meist heiss und feucht. Dies begünstigt zudem die Vermehrung von Moskitos. Die dritte Jahreszeit ist die kühl-trockene Zeit. Diese bringt sonnige Tage mit angenehm kühlen Nächten.11


Geschichte Aufgrund dessen, dass Anthony Almeidas Wohnhaus und viele weitere seiner Entwürfe in Dar es Salaam gebaut wurden und sich die geschichtlichen Ereignisse deutlich in der Entwicklung der Stadt abzeichneten, ist es wichtig zu verstehen, wie sich die Stadt entwickelte und zu der pulsierenden Metropole wurde, die sie heute ist. Das Meiste der frühen Geschichte Tansanias ist über die Küstenregion bekannt. Seit dem ersten Jahrhundert nach Christus bestanden Handelsbeziehungen zwischen Arabien und Ostafrika. Im Inland wurde vor allem Ackerbau betrieben. Entlang der Küste erstrecken sich viele Hafenstädte und Dörfer, deren Geschichte viele Jahrhunderte zurückreicht. Diese entstanden und behaupteten sich durch die Fischerei, Landwirtschaft und dem Handel mit lokalen Gütern. Beziehungen zwischen der Küste und dem Hinterland Tansanias bestanden vor allem durch den Austausch unter den verschiedenen Stämmen und mittels der Karawanen, welche mit Sklaven und Elfenbein handelten. Im frühen 19. Jahrhundert drangen erstmals arabische Händler tiefer in das Hinterland ein. Mit dem florierenden Handel entwickelten sich manche Dörfer zu wichtigen Umschlagplätzen. Dar es Salaams Vorgänger war Mzizima welches offen zum Meer lag. Dar es Salaam wurde in einem natürlichen Hafen angelegt und schluckte Erfolgsbedingt seinen Vorgänger. Dieses Aufstreben lag daran, dass mit dem wachsenden Handel im 19. Jahrhundert auch ein offizieller und geschützter Hafen für die grossen Schiffe, zur Verfügung stehen musste. So entwickelte sich Dar es Salaam vom Dorf zur Stadt unter dem Sultan von Sansibar Seyyid Majid in den Jahren um 1860. Strassen wurden gezogen und Häuser errichtet sowie der Hafen ausgebaut. Dieser Aufwand wurde betrieben um die Besiedlung, die Kultivierung des Landes und den Handel zu fördern. Ausländische Kaufmänner wurden animiert sich in Dar es Salaam nieder zu lassen. Im Jahr 1870 starb Sultan Majid und sein Halbbruder Seyyid Barghash übernahm sein Amt. Der neue Sultan wollte jedoch nicht mehr in Dar es Salaam investieren und wandte sich vom Projekt ab. Die Mehrheit der projektierten Bauten wurden abrupt gestoppt und verwilderten zusehends. Trotzdem war ein klarer Aufwind in der Stadt zu spüren und auch ohne offizielle Investitionen florierte die Stadt durch den stetig wachsenden Handel. Dar es Salaam verstand man als Tor zum Festland. Mehrere Strassenprojekte wurden angedacht, jedoch nie vollendet.

Abb. 2. Ansicht Dar es Salaam um 1860, Brennan, Burton, 2007, S.16

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1885 erhob Deutschland Anspruch auf die Ländereien und schloss mit lokalen Stammeshäuptern Freundschafts- und Schutzverträge ab. Sansibar befand sich zu dieser Zeit unter arabischer Herrschaft. Ein Jahr später verhandelte Deutschland mit Grossbritannien und Portugal über die Grenzziehung des Gebietes, Deutsch-Ostafrika war geboren. Unter der Kontrolle der Deutschen und der Ansiedlung verschiedener Deutsch-Ostafrikanischer Handelsgesellschaften, gewann der Standort Dar es Salaam weiter an Bedeutung. Später wurde die Stadt als kommerzielles Zentrum Deutsch Ost-Afrikas ernannt. Es beherbergte die Verwaltung sowie den Haupthafen. Mit dem Hafen entstanden viele Jobs und so wuchs die Stadt, durch die vielen Zuzüge, nicht nur in ihrer Bedeutung, sondern auch in ihrer Ausdehnung. Als 1905 die Eisenbahn von Dar es Salaam an die westliche Grenze fertiggestellt worden war zogen auch viele Afrikaner, auf der Suche nach Arbeit, in die Stadt. Zu beginn des ersten Weltkriegs waren über 330 Steinhäuser im Europäischen Viertel errichtet. Einheimische Zuwanderer siedelten sich meist an den Zufahrtsstrassen an.

Abb. 3. Situationsplan Dar es Salaam 1908, Brennan, Burton, 2007, S.25

Nach dem Ende des ersten Weltkriegs wurde Deutschland die Herrschaft über ihre Kolonien entzogen. 1921 wurde das Gebiet Deutsch-Ostafrika in sogenannte Mandatsgebiete eingeteilt. Unter dem Namen Tanganjika wurde das Festlandterritorium des heutigen Tansanias den Briten übergeben. Mit der Übernahme der Briten von Tanganjika wurde 1949 ein neues städtebauliches Konzept verfolgt, welches alle Stadtteile miteinbezog. Nach dem zweiten Weltkrieg erlebte Dar es Salaam einen Boom.

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A boom period is always expected after a war but Dar es Salaam has perhaps had more than her anticipated measure of new development. The advent of the Groundnut Scheme has naturally attracted a large number of new interests but the sum total is far in excess of those which can be attributed to the scheme itself. Ex-servicemen returning from the war have invested their gratuities in ventures in Tanganyika and large European firms have sought new spheres of development abroad additional to their established centres at home. Consequently Dar es Salaam has become a terminus for many of these post-war adventurers.12 Das Städtebaukonzept befasste sich vor allem mit der Wohnungsknappheit im Zusammenhang mit der Rassenteilung. So waren dichte Gebiete für Afrikaner, mitteldichte für Asiaten und weniger dichte für Europäer vorgesehen. Es wurde auch über eine Versetzung der Hauptstadt nachgedacht. Should we plan for a capital city or will the trend of events dictate the removal of the seat of government to a site more in the centre of things or to a site of more congenial climatic conditions?13 Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs strebte Tansania nach der Unabhängigkeit. Am 09.12.1961 wurde Tanganjika als Monarchie unter britischer Krone in die Unabhängigkeit entlassen. Julius Nyerere wurde erster Staatspräsident Tanganjikas. Am 26.04.1964 vereinten sich Tanganjika und Sansibar zur Vereinigten Republik Tansania. In Arusha wurde 1967 eine Deklaration zur Entwicklung Tansanias verabschiedet. Darin verkündete Staatspräsident Nyerere seine Visionen zur Entwicklung Tansanias. Eine Art Sozialismus auf Basis afrikanischer Traditionen und Familienstrukturen. Die Wirtschaft wurde verstaatlicht und ein Entwicklungsprogramm für ländliche Gebiete sollte einen Aufschwung abgelegener Regionen bewirken. Der Masterplan von 1968 war der erste nach der Unabhängigkeit, welcher Dar es Salaam als Hauptstadt der Nation verstand. Er befasste sich vertieft mit der Wohnsituation der Bewohner, der Wasserversorgung, der Kanalisation, sowie dem öffentlichen Verkehr. Dies war auch unbedingt notwendig, da sich die Bevölkerung seit den 1950er Jahren verfünffacht hatte. Der Plan schlug vor, dass sich die Stadt, vor allem entlang der Küste, entwickeln sollte. Ziel war es, dass sich die Umgebung so wie die Stadt parallel weiterentwickeln können und so ein starkes nationales, wie auch internationales Zentrum entstehen könnte. Diese Pläne wurden jedoch nie umgesetzt und die Stadt wuchs bis heute beinahe unkontrolliert weiter.

Abb. 4. Hafen Dar es Salaam um 1950, Burssens, 2005, S.22 Abb. 5. Zentrumssituation um 1950, Burssens, 2005, S.26 Abb. 6. Afrikanisches Wohnviertel um 1950, Burssens, 2005, S.28 Abb. 7. Strassensituation afrikanisches Wohnviertel um 1950, Burssens, 2005, S.29 12 Gibb, 1949, S.19 13 Gibb, 1949, S.20

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1985 musste Julius Nyerere eingestehen, dass seine sozialistische Vision gescheitert war und trat darauf als Präsident zurück. Seine Nachfolge trat Ali Hassan Mwinyi, der damalige Präsident von Sansibar an. Durch die schlechte Wirtschaftslage suchte Mwinyi den Dialog mit dem internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Um Hilfe zu erhalten musste Tansania Reformen einleiten. Staatliche Einrichtungen mussten privatisiert werden. Darunter auch das Gesundheits- und das Bildungssystem, was fortan nicht mehr kostenlos zugänglich war.

Abb. 8. Momentaufnahmen Dar es Salaam heute, Adjaye, 2011, S.84 - 87

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Auch heute noch wächst die Hafenstadt Dar es Salaam atemberaubend schnell. Das Wachstum der grössten Stadt des Landes ist nicht exakt bezifferbar, Statistiker der UNO rechnen jedoch damit, dass sie im Jahre 2025 von zirka 6 Millionen Menschen bevölkert sein wird. Heute sind es knapp halb so viele. Viele Städte Asiens befinden sich in einer vergleichbaren Situation. Doch während dort die Infrastruktur dem Wachstum angepasst wird, geschieht dies in Tansania kaum. So leiden auch die Einwohner Dar es Salaams unter zahlreichen Defiziten. Immer grösser werdende Staus auf hoffnungslos überfüllten Strassen, ständige Stromausfälle oder eine nur bruchstückhaft vorhandene und völlig überbelastete Kanalisation, sowie mangelnde Wasserversorgung. Die grossen und schnell wachsenden Siedlungen am Stadtrand halten sich an keine städteplanerischen Regelungen, während das historisch wertvolle Zentrum von spekulativer Bautätigkeit völlig überschwemmt wird. Die Neubauten sind mit ihren Glasfassaden und Klimaanlagen für das tropische Klima allerdings ungeeignet und jagen einem Vorbild hinterher, welches seinen Ursprung in den Hochhäusern der Weltwirtschaftszentren hat. Erschreckend schnell verwandelt sich die früher charakteristische Innenstadt in einen hastig gebauten und energiefressenden Abklatsch westlicher Metropolen. Zwar existieren Gesetze und Pläne, um diesen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, doch die meisten Bemühungen scheitern an nationalen und internationalen Partikularinteressen, Korruption, Innovationsfeindlichkeit und Desinteresse. Zudem sind die meisten Einwohner Tansanias damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Daher befinden sich die wenigen Akteure, die etwas bewegen wollen, in einer eher aussichtslosen Situation. 14, 15, 16

Abb. 9. Situationsplan Dar es Salaam heute, Burssens, 2005, S.35

14 vgl. Sutton, 1970 15 vgl. Gibb, 1949, S.4 - 17 16 vgl. Oliver, Crowder, 1981

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Architekturgeschichte Die Architekturgeschichte Tansanias ist bis heute durch Fremdeinflüsse geprägt. Behausungen, deren Typus bis heute überdauert hat, wurden um das Jahr von Christi Geburt in dieser Form erbaut. Einfache Strukturen, als Skelettbauweise, bei denen Ruten zusammengebunden und mit Blättern bedeckt wurden, baten Schutz vor der Witterung. Bereits diese Grundformen veränderten sich, im Austausch unter den Stämmen, stetig. Mit dem Einfluss der arabischen Kultur veränderte sich auch die gebaute Umwelt. Neue Konstruktionsmethoden kamen zur Anwendung. Mit dem Islam traten neue Formen des Zusammenlebens auf. Die traditionelle Lebensweise der Bantuvölker mischte sich mit der arabischen Lebensweise, eine neue Gesellschaft entstand. Die Suaheli Kultur, eine schwarzafrikanisch, städtische, vorwiegend muslimische Kultur.

Abb. 10. Ansichtskarten deutscher Kolonialarchitektur in Dar es Salaam, Hofmann, 2013, S.227 - 240

17 vgl. Burssens, 2005, S.225 - 229 18 vgl. Brennan, Burton, 2007, S13 - 19

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Diese sich über Jahrhunderte entwickelnde Gesellschaft fand mit der Kolonialisierung des Landes ein abruptes Ende. Der Kolonialismus hatte sowohl territorial, städtisch als auch auf die einzelnen Gebäude einen grossen Einfluss. Durch die Kolonialisierung wurden vor allem Strassennetze und Eisenbahnen gebaut, welche die bestehenden, kurzlebigen Handelsrouten ablösten. Auch das Wachstum und die Festigung einzelner Städte wurden durch die Kolonialmächte gefördert, da für den Handel feste Anfahrtspunkte notwendig waren. Die Städte selbst wurden von Europäern für Europäer geplant. Mit der Ansiedlung von Gewerbe, dem Handel und den Eisenbahnstationen gewannen die Städte an Attraktivität und Wichtigkeit. Die Städteplanung sah jedoch auch eine klare Rassentrennung vor, so waren Europäer, Asiaten und Afrikaner segregiert in ihren Wohnquartieren untergebracht. Das erste wichtige Gebäude, welches den auswärtigen Einfluss bezeugte, war der Sultanspalast in Dar es Salaam. Als Deutschland die Herrschaft Tanganjikas übernahm, war der Palast bereits zur Ruine zerfallen. Die neuen Herrscher bezeugten ihre Herrschaft mit einem neuen Denkmal, der Boma. Diese beherbergte die Administration und war das grösste und strategisch am wichtigsten gelegene Gebäude der Stadt. Es befand sich in unmittelbarer Nähe zum Hafen und die Stadt entwickelte sich symbolisch um das Machtzentrum herum weiter. Gegeben durch die geplante Segregation und die finanziellen Mittel zeigte sich die soziale Stellung der Bewohner. Steinhäuser waren nur für Europäer vorgesehen. Grosszügige Grundstücke, mit prachtvollen Häusern inklusive exotischer Gärten zeugten von Macht. Diese Architektur hatte wenig mit den ortsspezifischen Gegebenheiten und Kultur zu tun. Die afrikanische Bevölkerung baute sich weiter einfachste Behausungen in den dafür vorgesehenen Vierteln.17, 18


Mit der angestrebten Unabhängigkeit begann auch in der Architektur die Debatte über neue Ansätze. Tansania suchte eine neue, von den Kolonialmächten und so auch vom Kolonialstil losgelöste, unabhängige Architektursprache. Anthony Almeida ist ein klarer Vertreter der Moderne. In Interviews nennt er wiederholt die Namen Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Alvar Aalto, oder Oscar Niemeyer, als Architekten, die ihn geprägt und inspiriert hätten. Einige dieser Architekten waren auch über längere Zeit nicht in Europa tätig und hatten sich daher mit dem Bauen in tropischen Gebieten auseinandergesetzt. In den 1950er Jahren wurde von der Architektur ein neuer Ansatz gefordert: … a new paradigm in architecture and planning focused on energy and resource conservation […] by consuming less and on the use of appropriate technologies in service of a utopian intention to raise the overall standard of living for the poor at a global scale.19 Dieser Aufruf nach einem globalen Denken und Handeln wurde Massgebend durch die Kolonialzeit geprägt. Viele Architekten der Moderne waren zu dieser Zeit in den Kolonien als Architekten und Stadtplaner tätig und sahen sich mit neuen Problemstellungen konfrontiert. Gängige Konstruktionsweisen, Lebensformen und klimabezogene Prinzipien waren in den oft tropischen Ländern nicht tragfähig. Eine neue Betrachtungsweise war gefordert. Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs und der Aufgabe der Kolonien kehrten viele Akteure wieder in ihre europäische Heimat zurück. Mit ihren gesammelten Eindrücken und Erfahrungen wurde auch in Europa ein Diskurs losgetreten. Gleichzeitig waren auch Architekten für die neu unabhängig gewordenen Staaten im Einsatz. Neue Themen kamen auf, so heisst es in einem Brief an Sigfried Giedion aus dem Jahre 1947: I think, we cannot continue to consider central Europe as the main field of interest for CIAM.20 Ziel dieser Auseinandersetzung war es, neue, dem Klima und der Kultur, angepasste Wohnformen zu finden. Die Beschäftigung mit der Tropenarchitektur hat also bereits während der Kolonialzeit begonnen und setzte sich nun mit dem Ende der Kolonialherrschaft Europas weiter. Hatte sich die Architektur während der Kolonialzeit vor allem mit Themen wie Klima und Hygiene befasst, kam nun das Thema der sozialen Verträglichkeit als entscheidende Komponente dazu. Dabei wurde tropische Architektur als Konzept und nicht als Formensprache verstanden.21, 22

19 Baweja, 2008, S.135 20 Mumford, 2000, S.185 21 vgl. Folkers, 2010, S.11 - 18 22 vgl. Kothe, 2009

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Analyse Bantubehausungen Die Zuweisung, beziehungsweise Unterteilung der einzelnen tansanischen Behausungen in ihre Vielzahl von Typen, gestaltet sich aufgrund regionaler, sprachlicher, politischer und religiöser Unterschiede als sehr umfangreich. Diese Arbeit begrenzt sich daher auf die, für Tansania typischen, Grundtypologien. Die früheren Bantubehausungen lassen sich in die Untertypologien Mushonge, Kitetei und Banda gliedern. Diese drei Typen sind genügend dokumentiert und sind beinahe überall in Tansania anzutreffen.

Abb. 11. Karte vernakulärer Typologien Tansanias, Lwamayanga, 2008, S.59

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Mushonge Die ursprüngliche Behausung ist kegelförmig und wird durch die zu einem Spitz zulaufende Anordnung von Ruten gebildet. Die Wände bestehen aus einem System zusammengebundener, flexibler Schilfpfosten. Diese sind am oberen Ende und am Boden so befestigt, dass die Anordnung der Wandkonstruktion sogleich die Dachkonstruktion bildet. Die Form ergibt sich aus der Konstruktion. Dieses Grundgerüst wird dann mit mehreren Schichten von geflochtenen Palmblättern bedeckt. Diese Mehrschichtigkeit ergibt eine Diffusionsoffene, jedoch wasserdichte Schicht. So kann die tagsüber anfallende Hitze entweichen, ohne sich im Innenraum zu stauen. Zusammen mit der Ausrichtung des Eingangs zur Windrichtung ergibt dies eine beachtliche Luftzirkulation. Weiter hat dieser Typ den Vorteil, dass er sehr wenig Speichermasse besitzt. Durch die hohen Tages- und Nachttemperaturen wäre eine Nachtauskühlung nicht wirksam. Der Boden im Innenraum wird mittels Kuhmist, Asche und Lehm verfestigt. Diese Schicht schützt die Bewohner vor aufsteigender Feuchtigkeit und hält so den Innenraum trocken. Der überspannte Innenraum wird durch Holzpfeiler abgestützt. Diese Pfeiler dienen wiederum als Befestigungspunkte um gewobene Matten, je nach Raumbedarf, befestigen zu können. Die zwiebelförmige Ausformulierung des Übergangs zwischen Erdreich und Wandkonstruktion hat mehrere Vorteile. Durch die Runde Form können sich die Bewohner bequem an die Wand setzten, zum andern tropft anfallendes Regenwasser einfach an der überhängenden Stelle ab und dringt nicht in den Innenraum ein. Diese Konstruktionsweise mit lokalen Materialien ist erstaunlich langlebig. Jedoch besteht die Gefahr durch Vermoderung oder Termitenbefall. Auch Buschfeuern und Brandstiftung hat die leichte Konstruktion wenig entgegen zu setzen.

Abb. 12. Aussenansicht Mushonge, Lwamayanga, 2008, S.64 Abb. 13. Prinzipskizzen Mushonge, Lwamayanga, 2008, S.60

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In einer Gemeinschaft wirken die Muschonge von Aussen alle relativ gleich. Die Unterscheidung des sozialen Ranges zeigt sich durch die Grösse und den Eingangsbereich der einzelnen Behausungen. Je nach Status im Dorfgefüge erhällt das Mushonge einen vorgelagertem Terrassenbereich. Dieser ermöglicht es die Vorgänge in der Gemeinschaft zu überblicken und zu kontrollieren. Die grösste Unterschiedung des sozialen Ranges geschieht aber weitgehend im Innenraum. Die Ausgestaltung, Anordnung der Räume, die Wahl der Materialien und die Verarbeitung lassen auf den Rang innerhalb der Gesellschaft schliessen. So sind gewisse Hölzer nur für hochrangige Mitglieder vorgesehen. Prinzipiell gilt, je höher der Status innerhalb der Gemeinschaft, desto grösser und aufwändiger die Behausung. Eine Dorfgemeinschaft setzt sich aus Lebensgemeinschaften zusammen. Diese Lebensform ist traditionell verwurzelt und ergibt sich aus dem Familiengefüge. Die Grösse einer solchen Gemeinschaft wird durch die Anzahl Ehefrauen und Söhne bestimmt. Der Älteste einer Familliengemeinschaft wohnt mit seiner ersten Ehefrau im grössten Mushonge. Die weiteren Ehefrauen und erwachsenen Söhne bauen Ihre Mushonge rund herum zu einer Gemeinschaft zusammen. Ein Dorf entsteht durch den Zusammenschluss mehrerer Gemeinschaften. Die Dörfer in sich folgen wiederum einer strengen Logik. Ausgehend vom Oberhaupt breiten sich die Mitbewohner konzentrisch, nach sozialem Rang, um das Haupthaus aus.23, 24

Abb. 14. Skizze Aufbau Dorfgemeinschaft, Lwamayanga, 2008, S.62

23 vgl. Steyn, 2006, S.21 - 38 24 vgl. Lwamayanga, 2008, S.60 - 85

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Kitetei Das Kitetei ist eine spätere Ableitung des Mushonge und hat als Weiterentwicklung kreisförmige, aus einer Pfostenkonstruktion bestehende Wände mit einem kegelförmigen Dach. Die Wände bestehen aus horizontal, in den Boden verankerten Schilfpfosten. Diese werden paarweise zusammengebunden, horizontal mit Gräsern ausgeflochten und darauf mit Lehm verfüllt. Je nach Region und Ausführung wurden die Wände auch aus Stampflehm oder Naturstein gefertigt. Im Gegensatz zum Mushonge wird beim Kitetei die Dachform klar von den Wänden differenziert. Der Innenraum im Gegensatz zum Mushonge weist keine freistehenden Stützen mehr auf, sondern fixe, lehmbeplankte Wände unterstützen die Dachkonstruktion. So wird der Innenraum in zwei Hauptbereiche unterteilt welche je nach Bedarf unterschiedlich genutzt werden können. Mit der Verwendung von Lehm wurde die Witterungsbeständigkeit, sowie die Resistenz gegen Feuchtigkeit verbessert, ohne das Raumklima merklich zu verschlechtern. Das überstehende Dach schützt dabei die lehmbeplankten Wände vor Regenwasser. Ein zweiter Zugang und das diffusionsoffene Dach verbessern die Luftzirkulation. Die Zugänge liegen sich im Grundriss gegenüber. Somit wird die wichtige Eingangssituation nicht inszeniert. Mit dem Weglassen dieses wichtigen Bereichs wird dem Besitzer eines Kitetei ein kleiner Status in der Gemeinschaft zugesprochen. Traditionell wurde ein Kitetei als ergänzender Anbau oder als Nebengebäude gebaut. Trotzdem hat sich das Kitetei behauptet, auch als Wohnhaus. Ein Kitetei ist einfacher zu Bauen und dadurch auch günstiger zu errichten und hat sich im Laufe der Zeit gegen das Mushonge, in der Anzahl, jedoch nicht im Ansehen durchgesetzt.25, 26

Abb. 15. Aussenansicht Kitetei, Lwamayanga, 2008, S.75 Abb. 16. Prinzipskizzen Kitetei, Lwamayanga, 2008, S.60 25 vgl. Steyn, 2006, S.21 - 38 26 vgl. Lwamayanga, 2008, S.60 - 85

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Banda Das Banda besitzt als Weiterentwicklung zum Mushonge oder Kitetei einen rechteckigen Grundriss und wird aufgrund dessen nicht mehr mit einem kegelförmigen Dach, sondern mit einem Satteldach ausgeführt. Die Wände bestehen wie beim Kitetei aus horizontal, in den Boden verankerten Holzpfosten. Diese werden paarweise zusammengebunden und später mit Lehm verfüllt und aussen, sowie innen verputzt. Zwei horizontale Holzträger werden mit querliegenden Holzpfosten als Hauptträger zu einem First ausgebildet. Mit Querverbindungen und aussteifenden Querlattungen wird ein Dach aus Holzpfosten gebildet. Diese tragende Struktur wird mit einer Deckschicht aus Stroh und Gras, abgedeckt. Der Typus des Banda ist eine Weiterentwicklung unter dem Einfluss des Islams. Durch den Austausch mit arabischen Händlern verbreitete sich das Banda von der Küste Richtung Inland. Einheimische Handelsleute verbreiteten diesen Typ um Verbundenheit und Respekt mit den arabischen Händlern zu signalisieren. Die rechteckige Grundform war leichter zu unterteilen als die traditionell runden Grundrisse. Dies war notwendig, da die islamische Wohnform einen abgetrennten Gebetsraum, sowie einen separaten Raum für die Frauen vorsah. Frauen verrichten nun ihre zuvor in der Öffentlichkeit getane Arbeit im Zentrum des Hauses, um vor den Männern geschützt zu sein.27, 28

Abb. 17. Aussenansicht Banda, Lwamayanga, 2008, S.79 Abb. 18. Prinzipskizzen Banda, Lwamayanga, 2008, S.60

27 vgl. Steyn, 2006, S.21 - 38 28 vgl. Lwamayanga, 2008, S.60 - 85

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Abb. 19. Evolution Bantubehausungen, Lwamayanga, 2008, S.198 - 199

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Analyse Suahelibehausung Im Gegensatz zu den eher einfachen Bantubehausungen im Inland entwickelte sich an den Küsten Ostafrikas eine andere Bauweise. Durch das städtische Gefüge, anderen klimatischen Gegebenheiten, abweichenden Bedürfnissen und vor allem durch den Einfluss des Islams entstand in diesen Regionen die Suahelibehausung. Die Hauptunterschiede zur Bantubehausung bestehen darin, dass die Suahelibehausungen meist aus massiven Materialien wie Stein gebaut sind und sich nicht in die Breite, sondern eher in die Höhe entwickelt haben. Dies führte dazu, dass im Gegensatz zu den zu Gemeinschaften zusammengeschlossenen Bantusiedlungen mit dörflichem Charakter im Inland, an den Küsten mit dem Suaheli Baustil homogenere, kompaktere Gefüge mit städtischem Charakter entstanden. Die Analogie zur Bantubehausung besteht darin, dass dich die Suaheli Behausungen ebenfalls um einen zentralen Hof arrangieren. Die sozialen Gefüge einer Familie sind wie in einem Compound um diesen zentralen Hof angeordnet und halten so die Familie zusammen. Der Soziale Status einer Familie wird ähnlich wie bei den Bantubehausungen über die Grösse der Behausungen, imposanter Eingangsbereiche und dementsprechender Einrichtung und Ausstattung der Gebäudes definiert. Die Suaheli legen grossen Wert auf dekorative Eingangsbereiche im Kontrast zu den eher glatten Hausfassaden. Zudem sind die Anzahl der Zimmer, Vielzahl der liebevoll ausgearbeiteten Gebetsnischen und der opulente Einrichtungsstil ein Indiz für das Ansehen und Vermögen einer Familie.

14Parallels in pre-colonial Tswana and Swahili architecture __________________________________________________________________

Abb. 20. Vergleich der Typologien Bantu - Suaheli, Steyn, 2011, S.14

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Figure 9 Comparison between Molokwane and Gedi


Prinzipiell sind Suaheli Behausungen von Aussen nach Innen entwickelt und nehmen auf die Bedürfnisse des Islams Rücksicht. Somit nimmt der Grad der Privatsphäre zu, je tiefer man sich ins Gebäude begibt. Zwischen der Strasse und der Eingangstür befindet sich meist eine halbprivate Aussenlobby. Direkt hinter dem Eingang, der meist über eine dekorativ geschnitzte Eingangstür verfügt, befindet sich eine Innenlobby, durch welche man direkt in den Hof gelangt. Je nach Grösse des Hauses kann nahe dem Eingang auch noch ein Zimmer für männliche Gäste angeordnet sein. Der Innenhof selber kann, abhängig von der Grösse des Hauses, mit einer Küche oder einem Gästetoilette ausgestattet sein. Die Schlafzimmer und Nebenräume wie Hinterzimmer, Bad und Toilette sind hinter einem zum Hof orientierten Wohnzimmer angeordnet. Je nach Bedarf und Grösse ist diesem überdachten Wohnzimmer noch ein loggiaartiger Besprechungsraum zum Innenhof vorgelagert. Das heisst, je weiter man sich ins Gebäude begibt, desto privater wird es. Für Gäste ist im Normalfall maximal der Zutritt bis zum Besprechungsraum gestattet. Dieses Konzept eines unscheinbaren Äusseren, das heisst die eher introvertierte Bauform, im Zusammenschluss mit den Nachbarn hat seinen Ursprung im römischen Mesopotamien und gelang über den persischen und arabischen Raum nach Ostafrika.29, 30

Abb. 21. Suahelibehausungen im Verbund, Oliver, 1971, S.85

29 vgl. Steyn, 2011, S.1 - 16, 30 vgl. Steyn, 2001, S.157 - 180

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Die Wahl der Materialen wandte sich Aufgrund der geographischen Gegebenheiten, der durch arabischen Einfluss neugewonnen technischen Möglichkeiten und der Beständigkeit gegen Witterung, weg von Schlamm und Holz, hin zu Korallen und Stein. Die Korallen wurden zu Blöcken verarbeitet, geschliffen und mit Hilfe von Kalk und Schlamm zu Wänden aufgeschichtet. Die Aussenwände wurden danach mit einem Putz oder einer Art Korallenkachelung witterungsbeständig abgedeckt. Die Flachdächer, Zwischen- und Hängeböden bestehen aus Mangrovenbalken die mit Korallenblöcken oder Kalkbeton ausgefacht und überdeckt werden. Die Spannweiten, welche auch die Grösse der Räume definieren, betrugen Aufgrund der Trägerbalken nicht selten mehr als drei Meter. Die Innenräume der Häuser sind durch die massive Bauweise relativ kühl und durch präzis gesetzte Öffnungen können die Häuser auch optimal belüftet werden. Die perforierten oder lamellenartige Fensterläden und die Zweiflügligen Türen ermöglichen eine Querlüftung über mehrere Zimmer. Der Innenhof wirkt dabei wie ein Kamin der die warme Luft nach oben abführt und das gesamte Gebäude mit einem leichten Luftstrom versorgt.31

Abb. 22. Vergleich zwischen Aussen- und Innenraum, Steyn, 2001, S.167

31 vgl. Oliver, 1971, S.80 - 95

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Digitised by the University of Pretoria, Library Services

Abb. 23. Pläne typisches Suahelihaus, Steyn, 2001, S.120

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Anthony Almeida

Abb. 24. Anthony Almeida vor seinem Wohnhaus, manywordsformodern. com, 2014

Biografie Anthony Bosco Almeida wurde am 14. Januar 1921 in Dar es Salaam, Tanganjika, geboren. Seine Eltern migrierten aus Goa, damals eine portugiesische Kolonie in West-Indien. Sein Vater hatte ein Kaufmannsgeschäft in Dar es Salaam aufgebaut, mit eigenem Laden sowie Wohnungen im Stadtzentrum, wo Almeida seine Jugend verbrachte. Im Alter von zehn Jahren schickte Almeidas Vater ihn und seinen Bruder nach Britisch-Indien um dort eine bessere Ausbildung zu erfahren. Sein Vater sah für Anthony Almeida eine Ausbildung als Ingenieur vor. Er konnte dieses Studium, mangels fehlender Studienplätze, jedoch nicht antreten. Almeida kam in Kontakt mit der Jamshedji Jeejeebhoy School of Arts in Bombay, welche damals die einzige Architektureinrichtung in Indien war und schrieb sich dort für ein Architekturstudium ein. Darauf studierte er an der Sir J.J. School von 1941 bis 1947 Architektur. Über seine Ausbildung als Architekt schrieb Almeida später: [My] architectural studies could be said to have been greatly enriched by the fact that they took place in India, a land uniquely endowed with a rich heritage of ancient architecture, the study of which was given the greatest importance. This was mainly due to the head of the school, an elderly English architect whose keen interest in the ancient Indian architecture led him to produce several portfolios on the subject. At the same time however, [I] was fortunate to have also gained much awareness of the trends of the contemporary architec-

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ture being carried out in the west, due to the presence of visiting lecturers who had all studied and qualified abroad. These lecturers also provided the school library with their ‘having been read’ architectural magazines from the west and this in my case resulted in an influencing exposure to the works of such architects as Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, Eric Mendelson, Alvar Aalto and of the South- American architects as Oscar Niemeyer. … Thus the pendulum of the architectural trends swung between a style that devoted itself to merely copying the ancient Indian architecture and a style that resorted to the amalgamation of some of the features of the ancient Indian architecture and of the classic European architecture. This latter style having been introduced by the British colonial government and used for its important buildings and monuments. … Post Indian independence (1947) saw the emergence … of grandiose projects whose architectural merit was confined to adopting one or the other of the two styles described. The emergence of such architecture was to cause much abhorrence amongst a small group of senior students that had been harbouring leanings towards a contemporary and more realistic architecture. The group’s thinking was very much boosted by the discovery, in an architectural magazine featuring the works of Frank Lloyd Wright, of a boldly displayed statement that said: “Except to an ignoramus or intellectualist, nothing imitative can equal that which is imitated. Instead of imitating effects, search for the principle that made them original and own your own effects.” (The Studio Buddha-Chinese) To me who happened to belong to that group, the statement was like the discovery of the 11th commandment and one which I have been religiously following to this day.32 Almeida schrieb seine Thesis über, The study of Hindu domestic architecture in Goa. 1948 wurde er Mitglied im Royal Institute of British Architects. Von 1946 bis 1948 arbeitete Almeida in einem der führenden Architekturbüros, Patki & Dadarkar, in Bombay. Nach dem Tod seines Vaters kehrte Anthony Almeida nach Dar es Salaam zurück, um den Nachlass seines Vaters zu regeln. Er arbeitete dabei während einem Jahr für den Bauingenieur Rahematulah Kaderali, welcher sich vorwiegend mit Architektur befasste. Nachdem Almeida ein Jahr für Rahematulah Kaderali gearbeitet hatte, gab er die Anstellung auf und eröffnete sein eigenes Büro. Dieses fand in seinem Vaterhaus Platz, wo es bis heute geblieben ist. Zwischen 1950 und 1954 bestanden seine Aufträge vor allem in Wohnhäusern für die ansässige asiatische Gemeinde. 1954 sicherte sich Almeida, seiner Meinung nach, den wichtigsten Auftrag seiner Karriere, da dieses Projekt ein Wendepunkt in seiner Laufbahn darstellte. Er bekam den Auftrag

Abb. 25. Anthony Almeida bei einer Projektpräsentation um 1960, Burssens, 2005, S.143

32 Kusno, 2000, S.44 - 45

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der Goa Gemeinde eine neue Primarschule zu entwerfen. Mit dem folgenden Durchbruch, wurden Almeida einige der prestigeträchtigsten Projekte zugesprochen. Seine Arbeiten wurden weltweit publiziert und ausgestellt. Neben seinem architektonischen Schaffen engagierte sich Almeida auch in weiteren Gefielden. So zeichnete er Karikaturen, fotografierte, entwarf Logos und war auch sozial tätig. Er war zum Beispiel Vorsitzender des Tanganyika Boy Scouts Association und Mitglied im Advisory Committee for other Non-Native Education.33 Zeitgeist Wichtig bei der Betrachtung Almeidas Architektur ist, unter dem Aspekt der politischen und sozialen Entwicklung, dass er selbst politisch nicht aktiv war. Sicherlich war er ein sozial und politisch aufgeschlossener und interessierter Einwohner. Dies zeigen auch seine Karikaturen, welche er seit seiner Studienzeit in Indien für Zeitungen angefertigt hat. Aber er sieht seine Architektur nicht als Mittel um Politik zu betreiben oder gar seine eigene politische Meinung zu vertreten. Er selbst bezeichnet seine Entwürfe als very practical and non-political.34 Nach Almeida ist sein oberstes Paradigma in den Entwürfen die Funktionalität. Er selbst durfte jedoch einige Aufträge von höchster sozialer und politischer Wichtigkeit ausführen. So ist festzuhalten, dass wie jede Architektur, auch die von Almeida unausweichlich durch kulturelle, soziale und politische Aspekte beeinflusst wird.35

33 vgl. Burssens, 2005, S. 44 - 49 34 Burssens, 2005, S.230 35 vgl. Burssens, 2005, S.230

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Abb. 26. Karikatur Anthony Almeidas von 1943, Burssens, 2005, S.230

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Analyse Architektur Almeida Wohnhaus Anthony Almeidas Wohnhaus liegt in Oyster Bay, einem hochpreis Wohngebiet im Norden von Dar es Salaam. Das Grundstück liegt zwischen dem Touré Drive und dem Indischen Ozean. Sein eigenes Haus war nach Almeidas aussagen das einzige Objekt, bei welchem er freie Hand hatte, und nach seinen Vorstellungen bauen konnte. Sein Hauptmotiv beim Entwurf war das Bauen für die Tropen. So hat jeder Raum des Hauses, ausser dem Wohnraum, Sicht auf den Ozean und wird somit auch mit der ständig wehenden Brise des Ozeans versorgt.

Abb. 27. Situationsplan Wohnhaus, Seiffert, Klix, 2012, S.27

Abb. 28. Aussenansicht Wohnhaus, Redmann, 2013

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Das Gebäude besteht aus drei, in der höhe gestaffelten Volumen. Der Lounge, dem Ess- und Kochbereich, sowie dem Schlaf- und Aufenthaltsbereich. Die drei Körper umschliessen so einen geschützten Aussenbereich, welcher in direkter Beziehung mit den Innenräumen steht. Die unterschiedlich hohen Volumen zeigen die verschiedenen Grade der Öffentlichkeit. Die Lounge und der Innenhof um Gäste zu empfangen, der Ess- und Kochbereich als privater, oder öffentlicher Teil des Hauses und zuletzt die abgehobenen Schlaf- und Aufenthaltsräume. Die Verbindungswege zwischen den einzelnen Baukörpern liegen grösstenteils im Freien. Zwischen den einzelnen Volumen öffnen sich immer wieder Lufträume, welche den Blick zum Himmel frei geben. Die Grenze zwischen Innenräumen und Aussenräumen ist durch die subtile Abstufung in der Durchlässigkeit der Bauteile für Licht und Luft stark verwischt.

Alle Räume verfügen über Luftzutritt von der Ozeanseite und einen


Luftaustritt auf der windabgewandten Seite. Die Öffnungen sind dabei im Grundriss, sowie im Schnitt so angeordnet, dass die Luft mittels Thermik den gesamten Raum durchströmt. Die Versätze im Schnitt dienen also nicht nur zur Differenzierung der Nutzungen, sondern tragen auch dazu bei, dass alle Räume direkt mit Ozeanluft versorgt werden. Die Fassade ist analog dem Prinzip des Hauses, welches gestaffelt aufgebaut ist, ausgeführt. Diese Staffelung ermöglicht eine kontrollierte Luftzirkulation, sowie den Schutz vor zu viel Sonne. Eine horizontal durchlaufende Dachschürze aus Ortbeton, welche nur durch Dorne mit der Tragstruktur verbunden ist, funktioniert als Vordach. Durch den Schlitz zwischen Band und Vordach kann die aufsteigende heisse Luft entweichen. Die horizontalen Bänder aus einen fix installierten Faserzementsonnenschutz, lassen durch seine zylindrische Form weder flaches noch steiles Sonnenlicht in die Räume eintreten. Lamellenfenster in den Raumöffnungen ermöglichen eine ständige Regulierung des Luftstroms. Der Entwurf des Hauses ist eindeutig an die klimatischen Bedürfnisse der Tropen angepasst. Kreuzlüftung und Sonnenschutz sind von der Ausrichtung des Gebäudes bis ins Detail durchgedacht und dementsprechend ausgeführt.

Abb. 29. Überdachte Aussenräume und Erschliessung um den Hof, Redmann, 2013

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Abb. 30. Schnitt Wohnhaus, Seifert, Klix, 2012, S.29 Abb. 31. Grundriss Wohnhaus, Seifert, Klix, 2012, S.30

Abb. 32. Aussenansicht Hof, Redmann, 2013

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Architektursprache In den Entwürfen von Anthony Almeida ist eine klare Sprache zu erkennen. Obwohl seine Bauten unterschiedlichste Nutzungen beherbergen und an verschiedenen Orten errichtet wurden, kommen ähnliche Ausdrücke, Prinzipien, Materialien und Techniken wiederholt zum Einsatz. Nach Almeida ist das erste und wichtigste Gebot seiner Architektur die Funktionalität. Architektur wird gemacht um einer Funktion zu dienen. Er umschreibt dies mit den folgenden Worten: If I would have to design a telephone, I would not go to a museum to see what a telephone looks like. I would think what a telephone is used for and then design a telephone myself.36 Das zweitwichtigste Element in der Architektur von Almeida ist die Adaption des Gebäudes an das feucht-heisse Klima. Die Gebäude funktionieren mit möglichst viel natürlicher Durchlüftung, natürlicher Belichtung, sowie baulicher Beschattung. Die Ausrichtung des Gebäudes spielt dabei eine sehr wichtige Rolle. Nach Möglichkeit sind die Grundrisse jeweils von Ost nach West ausgerichtet, womit die längeren Nord- und Südfassaden weniger der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. Die kürzeren Ostund Westfassaden werden dabei so geschlossen wie möglich ausgeführt. Für die Verschattung benutz Almeida Vordächer, vertikale und horizontale Rippen und feingliedrige Filter. Ein weiteres Prinzip sind tief in die Leibung gesetzte Fenster, um eine natürliche Verschattung zu ermöglichen. Vordächer garantieren neben einer Verschattung auch, dass das Regenwasser nicht an die Fassade gelangt und so vom Gebäude weg abläuft. Rundgänge, Veranden und Vorplätze schaffen einen baulich-klimatischen Puffer zwischen Aussen- und Innenraum. Die natürliche Belüftung wird mittels verschiedenster Öffnungen garantiert. Seien es strukturelle Öffnungen, Versätze, oder perforierte Bauteile. Fenster und Türen sind wo immer möglich mit Lamellen versehen, um zusätzliche Luftzirkulation zu gewährleisten. Die Tragstrukturen seiner Gebäude sind mehrheitlich in Stahlbeton ausgeführt. Stützenplatten Systeme, welche mit Zementsteinen ausgefacht werden. Die meisten seiner verwendeten Materialien wurden importiert und waren speziell auf die Tropen ausgerichtete Ausführungen. Most of the commerce at that time was owned by British. This was an advantage for architects: all cements, paints, steel, etc. had a guaranteed quality.37 36 Bozdogan, 2001, S.241 37 Burssens, 2005, S.56

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Für Oberflächen wählte Almeida vorwiegend Putze, Farben mit grober Textur, Terrazzo und Mosaikplatten. Die Detailierung seiner Bauten ist sehr sorgfältig und die Details sind nicht nur technischer Natur, sondern unterstützen auch immer die architektonische Idee. Almeidas Gebäude sind eindeutig als Bauten der Moderne erkennbar. Es sind klare, dreidimensionale Formen, welche zueinander in Beziehung gesetzt werden um einen Ausdruck zu generieren. Diese Idee, der zueinander in Beziehung gesetzten Volumen wird durch die Detailierung, Materialisierung und der Verwendung von Farben unterstrichen. Symmetrie ist ein wichtiges Thema, Elemente wie Stützen, Verschattungen und Fenster sind jeweils nach einem gleichmässigen Raster eingeteilt. Ausnahmen werden gezielt eingesetzt, damit Spannung aufgebaut wird und die Dreidimensionalität sowie die Mehrteiligkeit seiner Gebäude erfahrbar werden. Mit Brüstungen, Geländern, präzisen Öffnungen und Absätzen versucht Almeida die Benutzer des Hauses zu leiten. Rinnen und Einfriedungen sind so platziert, dass sie nicht nur ihre technische Aufgabe erfüllen, sondern auch die Bezüge schaffen oder eben unterbinden. Ähnlich wie dies in den vernakulären Bauten, seinen es nun Bantu- oder Suahelibehausungen, geschieht. Auch dort wird durch die Positionierung in der Gemeinschaft oder im Wohnhaus durch die präzise Anordnung der Räume, Beziehungen geschaffen oder unterbunden.

Abb. 33. Umlaufende Betonschürze, Redmann, 2013 Abb. 34. Höhenversprung zwischen den Schlafräumen mit Lüftungsbändern, Redmann, 2013 Abb. 35. Geschichtete Fassade mit Brise Soleil aus Faserzement, Redmann, 2013

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Schlusswort Die Untersuchung des Spannungsfeldes von vernakulärer Architektur, über den Autor, zur modernen Architektur zeigt sich als äusserst interessant und komplex. Almeida behandelte die untersuchten Themen Konstruktion, Klima und Raumgefüge sehr sorgfältig und zeigt spannende Ansätze, vor allem bei der Lösung klimatischer Problemstellungen. Zudem lässt sich festhalten, dass Anthony Almeida sich im Ausdruck sowie bei der Konstruktion seines Wohnhauses, wie auch bei seinen anderen Werken, klar an der Moderne orientierte. Das Thema des Raumgefüges zeigt auf, wie präzise Almeida Räume zueinander in Beziehung setzt und über welch breites Repertoire an Ideen er verfügt. Kongruenzen und Anlehnungen zur vernakulären Architektur Tansanias, seien sie konstruktiver oder klimatischer Art sind nicht zu belegen. Almeida bedient sich dabei der Mittel der damaligen, modernen Architekturlehre und wendet diese gekonnt an. Beim Thema des Raumgefüges zeigt sich bei den vernakulären Beispielen, als auch beim Wohnhaus Almeidas das Thema des Hofes als wichtiges, zentrales Element. Jedoch hat der Hof, im Gegensatz zu den vernakulären Typologien, eine mehr gestalterisch, klimatische als funktionale, soziale Bedeutung. Es kann also festgehalten werden, dass Anthony Almeidas moderne Entwürfe einen Bruch in der Architekturgeschichte Tansanias darstellt, da er keine der Untersuchten Thematiken in seinen Entwürfen behandelte, oder weiterführte. Eine zum Schluss aufgestellte, weiterführende These müsste in einer weiteren vertieften Auseinandersetzung untersucht werden. Wie Julius Nyerere in seiner Deklaration zur Unabhängigkeit der Nation aufforderte: An equally important result of the Arusha declaration, however, has been a new consciousness that the development of a nation means the development of its people, rather than the erection of imposing buildings or impressive roads.38

38 Nyerere, 1968, S.17

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So tritt Almeidas Architektur in den Hintergrund. Oberstes Ziel Nyereres war es Einigkeit und Freiheit für das tansanische Volk zu schaffen. Mit seinen Entwürfen versucht Almeida die Wiedersprüche in der postkolonialen Gesellschaft, nämlich Menschen unterschiedlicher Herkunft, verschiedener Stämme und unterschiedlicher Religion zu übergehen, indem er in seiner Architektur weder historische, regionale noch indische Referenzen, Bautypen oder Konstruktionsmethoden aufnimmt. Mit der neutralen, modernen Sprache sollen alle Bevölkerungsgruppen gleichwertig Zugang


und Zugehรถrigkeit erfahren. Dieser Bruch in der Architektur scheint hart, macht jedoch aufgrund der damaligen Lage, der neu entstandenen multiethnischen, gleichwertigen Gesellschaft durchaus Sinn. In diesem Sinne leistete Anthony Almeida mittels seiner Architektur, seinen Beitrag zur Freiheit und Einigkeit Tansanias.

Abb. 36. Brise Soleil Wohnhaus Almeida, Seifert, Klix, 2012

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164


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165


Abbildungsverzeichnis Abb. 1. Karte Afrika - Tansania - Dar es Salaam, Adjaye, 2011, S.81

8

Abb. 2. Ansicht Dar es Salaam um 1860, Brennan, Burton, 2007, S.16

9

Abb. 3. Situationsplan Dar es Salaam 1908, Brennan, Burton, 2007, S.25

10

Abb. 4. Hafen Dar es Salaam um 1950, Burssens, 2005, S.22

11

Abb. 5. Zentrumssituation um 1950, Burssens, 2005, S.26

11

Abb. 6. Afrikanisches Wohnviertel um 1950, Burssens, 2005, S.28

11

Abb. 7. Strassensituation afrikanisches Wohnviertel um 1950, Burssens, 2005, S.29

11

Abb. 8. Momentaufnahmen Dar es Salaam heute, Adjaye, 2011, S.84 - 87

12

Abb. 9. Situationsplan Dar es Salaam heute, Burssens, 2005, S.35

13

Abb. 10. Ansichtskarten deutscher Kolonialarchitektur in Dar es Salaam,

Hofmann, 2013, S.227 - 240

14

Abb. 11. Karte vernakulärer Typologien Tansanias, Lwamayanga, 2008, S.59

16

Abb. 12. Aussenansicht Mushonge, Lwamayanga, 2008, S.64

17

Abb. 13. Prinzipskizzen Mushonge, Lwamayanga, 2008, S.60

17

Abb. 14. Skizze Aufbau Dorfgemeinschaft, Lwamayanga, 2008, S.62

18

Abb. 15. Aussenansicht Kitetei, Lwamayanga, 2008, S.75

19

Abb. 16. Prinzipskizzen Kitetei, Lwamayanga, 2008, S.60

19

Abb. 17. Aussenansicht Banda, Lwamayanga, 2008, S.79

20

Abb. 18. Prinzipskizzen Banda, Lwamayanga, 2008, S.60

20

Abb. 19. Evolution Bantubehausungen, Lwamayanga, 2008, S.198 - 199

21

Abb. 20. Vergleich der Typologien Bantu - Suaheli, Steyn, 2011, S.14

22

Abb. 21. Suahelibehausungen im Verbund, Oliver, 1971, S.85

23

Abb. 22. Vergleich zwischen Aussen- und Innenraum, Steyn, 2001, S.167

24

Abb. 23. Pläne typisches Suahelihaus, Steyn, 2001, S.120

25

Abb. 24. Anthony Almeida vor seinem Wohnhaus, manywordsformodern.com,

2014

26

Abb. 25. Anthony Almeida bei einer Projektpräsentation um 1960,

166

Burssens, 2005, S.143

27

Abb. 26. Karikatur Anthony Almeidas von 1943, Burssens, 2005, S.230

29

Abb. 27. Situationsplan Wohnhaus, Seiffert, Klix, 2012, S.27

30


Abb. 28. Aussenansicht Wohnhaus, Redmann, 2013

30

Abb. 29. Überdachte Aussenräume und Erschliessung um den Hof,

Redmann, 2013

31

Abb. 30. Schnitt Wohnhaus, Seifert, Klix, 2012, S.29

33

Abb. 31. Grundriss Wohnhaus, Seifert, Klix, 2012, S.30

33

Abb. 32. Aussenansicht Hof, Redmann, 2013

33

Abb. 33. Umlaufende Betonschürze, Redmann, 2013

35

Abb. 34. Höhenversprung zwischen den Schlafräumen mit Lüftungsbändern,

Redmann, 2013

35

Abb. 35. Geschichtete Fassade mit Brise Soleil aus Faserzement,

Redmann, 2013

35

Abb. 36. Brise Soleil Wohnhaus Almeida, Seifert, Klix, 2012

37

167


168


169


170


Wand und Verkleidung Learning from Vernacular Christof Wettstein

Rรถmische Reste von Wandverkleidungen in Ostia Antica http://de.wikipedia.org/wiki/ Inkrustation_(Baukunst)

171


Vertiefungsarbeit Herbstsemester 13 Horw, 15.1.2014 Verfasser: Christof Wettstein Kleinmattstrasse 18 6003 Luzern Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler Lucerne University of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik & Architektur

Abstract - Das Essay greift die zeitgenössische Verkleidungsdebatte im Steinbau auf. Es fragt sich, wie die heutige Architektur trotz einer sich aufzwingenden Verkleidungsthematik einen authentischen Ausdruck von Solidität und Dauerhaftigkeit leisten kann. In einem theoretischen Diskurs werden die antagonistischen Haltungen von Architekt Hans Kollhoff und Philosoph Joseph Hanimann miteinander konfrontiert. Im Sinne von „Learning from vernacular“ wird im zweiten Teil des Essays eine Verbindung von der aktuellen Steinbaudiskussion zum vernakulären Holzbau geschaffen. Die heute in Frage gestellten Verkleidungsprinzipien des Steinbaus werden an einem traditionellen Luzerner Bauernhaus in Ständerbauweise untersucht. Die Untersuchung zeigt, dass sich im Holzbau im Gegensatz zum Steinbau schon früh die Verkleidungsthematik aufgezwungen hat und fester Bestandteil der lokalen Bautradition ist. Es können dieselben Verhaltensmuster in der vernakulären Bauweise festgestellt werden, wie sie Hans Kollhoff im Steinbau propagiert.

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Einleitung: Wir tragen Bilder im Kopf. Bilder von Architekturen, die uns geprägt haben. Unser Kinderzimmer, unser Haus, unser Dorf, unsere Landschaft, früh haben wir sie erfahren - unbewusst - und sie später verglichen mit Landschaften, Städten und Häuser die neu dazugekommen sind. Wir können diese Bilder im Geiste wieder abrufen. Diese Urerfahrungen prägen uns. Der Wunsch als Architekt ist, mit unseren Bauten solche bleibenden Bilder zu erschaffen. Die „alten“ Bilder verhelfen uns dabei, „neue“ zu erzeugen. Doch die Aufgabe als Gestalter ist schwierig. Das Gelingen hat mit Intuition, Handwerk, Sachlichkeit und Authentizität zu tun. Unsere Vorstellung ist folgende: Eine durchgängig, massive Mauerstruktur. Nichts aussergewöhnliches, aber etwas ganz spezifisches. Jeder hat für sich ein eigenes konkretes Bild. Es ist nicht nur eine visuelle Vorstellung. Die Haptik ist gleichermassen von Bedeutung. Wir können das Gewicht, die Grösse, die Oberfläche und die Kontur unserer Wand gedanklich erfühlen. Wir machen eine mentale, sinnliche Erfahrung. Wie ist das Bild der verkleideten Wand? Es ist weniger spezifisch. Wir tragen Erinnerungen an Wände mit uns, die sich als massiv verkleideten. Die Täuschungen gelangen mal besser, mal schlechter. Diese Erfahrung löst ein Unbehagen aus, wir fühlen uns hintergangen. Wir haben aber auch andere Bilder von verkleideten Wänden im Kopf, ganz authentische. Solche, die sich als Verkleidung präsentieren und etwas eigenes darstellen. Wir sind angetan. Uns kommen alte Architekturen in den Sinn - das Ischtar-Tor - wo die Verkleidung Träger symbolischen Charakters ist. Dazu gibt es Bilder von Verkleidungen die uns als solche gar nicht aufgefallen sind. Im Allgemeinen sind unsere Vorstellungen aber recht wandelbar und unscharf. Wir möchten das Bild der verkleideten Wand schärfen.

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1. Fragestellung

1 „Haut“ steht für die Glasfassade und „Knochen“ für das dahinterliegende, unsichtbare Stahltragwerk. z.B. Seagram Building

Die Fassaden der heutigen Bauten sind fast ausnahmslos mehrschichtig aufgebaut. Jede der Schichten ist auf eine besondere Funktion spezialisiert: tragen, dämmen, schützen. Im Regelfall ist die tragende Struktur die innerste Schicht, sie wird mit der zweiten Schicht, dem wärmenden Futter, eingepackt. Aussen sichtbar schützt eine dünne, witterungsbeständige Haut das Bauwerk. Dieses Aufbauprinzip scheint heutzutage unumstösslich. Es gründet unter anderem in thermischen und wirtschaftlichen Anforderungen unserer Zeit. Der monolithische, massive Charakter der Wand trat in der Entwicklung der modernen Architektur immer mehr in den Hintergrund, zugunsten einer - wie Mies van der Rohe es nannte - „Haut- und Knochenarchitektur“1. Seit der Absage an die massive Aussenwand und der Einführung des mehrschichtigen Wandaufbaus mit einer technologisch möglich gewordenen Minimierung der Schichtstärken - auch von Steinverkleidungen - erscheinen uns aber viele Fassaden fremd und suspekt. Gebäude werden mit abstrakten Rasterstrukturen überzogen, Verkleidungen wirken verselbstständigt, aufgeklebt und instabil. So haftet diesen Bauten oft einen provisorischen, handwerklich nicht ausgereiften Eindruck an.

2 Solidität lat. Soliditas Im Bezug auf eine Sache beschreibt Solidität eine feste und dauerhafte Beschaffenheit sowohl in Machart als auch im Ausdruck. vgl. Duden 2013

„In der aktuellen Architekturdebatte zwischen gläserner Leichtigkeit und steinerner Solidität besteht ein Dilemma. Angesichts heutiger Montagebautechniken lässt sich Masse und Solidität2 nur noch simulieren. Die Geschichte der Moderne lässt sich als Siegeszug der Leichtigkeit lesen.“ Joseph Hanimann, Hanimann 1999, S. 54

3 „Architektur der Bekleidung“ als theoretische Begrifflichkeit durch Gottfried Semper definiert in „der Stil“, 1860: Kein monolithisches Mauerwerk, sondern Differenzierung von Schichten, Tragwerk (Mauer) und Gewand (raumabschliessende Wand)

„Von alters her war es stets Ziel der Architektur Gebäude nicht nur dauerhaft zu bauen, sondern sie auch so erscheinen zu lassen. Bauwerke besassen einen Ausdruck von Solidität und Stabilität, wie es den Erwartungen des betrachtenden Auges entsprach.“ Hans Kollhoff, Burg 1998, S.53

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Im Regelfall können wir aber nicht zurück zum massiv gebauten Haus. Die „Architektur der Bekleidung“3 ist eine Tatsache. Die jahrtausend alte Tradition der massiven Bauweise macht uns diese Gewöhnung aber nicht leicht. Doch die auf ein Bauwerk bezogenen Bedürfnisse bleiben aktuell:

Es stellt sich nun die Frage, wie der mehrschichtige Wandaufbau und die damit verbundene Verkleidungsthematik den Bedürfnissen von Solidität und Stabilität in Machart und Ausdruck gerecht werden kann?


2. Theoretischer Diskurs Steinbau An diesem Punkt soll die zeitgenössische Verkleidungsdebatte im Steinbau aufgegriffen werden. Zwei Theorien, als antagonistische Haltungen, werden miteinander konfrontiert. Der Architekt Hans Kollhoff versucht in seinen Bauten mit verkleidenden Steinplatten über tektonische Prinzipien das Bild der steinernen Architektur aufrecht zu erhalten.4 Er sieht darin eine Uraufgabe der Architektur, wie vorgängig erwähntes Zitat zeigt (vgl. S.4). Auf der anderen Seite kommt Joseph Hanimann, Journalist und Philosoph, in seinem Essay „vom Schweren, ein geheimes Thema der Moderne“ im Kapitel Landschaft II zum Schluss, dass es die heutige Baukultur mit den „neuen Wandaufbauten“ nicht mehr schafft, einen authentischen Ausdruck von Solidität und Stabilität zu generieren, wie es unter anderem Kollhoff beabsichtigt. Er widerspricht dabei explizit Kollhoffs Entwurfsprinzipien.5

4 vgl. Burg 1998, S. 1-204

5 vgl. Hanimann 1999, S. 49-62

In einer vertieften Auseinandersetzung hat sich gezeigt, dass Kollhoff und Hanimann in ihren Theorien der Phänomenologie der Solidität in gebauten Strukturen eine hohe Bedeutung zumessen. Insbesondere in der heutigen, schnelllebigen Zeit ist dieser statischen Komponente eine hohe Wertschätzung zuzuschreiben. Doch im Bezug auf gebaute Solidität werden in ihren Theorien zwei zentrale, phänomenbestimmende Prinzipien diametral unterschiedlich gewertet. Das Prinzip des tektonischen Reliefs sowie das Prinzip von Fügbarkeit und Schaubarkeit werden kontrovers betrachtet. Zwei Prinzipien, die sich auf die verkleidete Wand beziehen. In den nachfolgenden Ausführungen stehen diese beiden Prinzipien im Fokus. Gottfried Sempers Bekleidungstheorie begleitet uns dabei als theoretische Basis.

175


y

Tiefenebene 1 rot: Brüstung - Schwellenelement Tiefenebene 2 gelb: Sturzelement Tiefenebene 3 grün: Leibungselement

y

Tiefenebene 4 blau: Rhythmisierung der Fassade ohne statischen Hintergrund

y

Abb. 1

176

Ausschnitt Fassade Aus: Burg 1998, S. 119 Grafische Ergänzung: C. Wettstein

x

x


Tektonisches Relief: Der Begriff des tektonischen Reliefs stammt von Hans Kollhoff.6 Er bezeichnet damit das Prinzip der räumlichen Fassadengliederung. Mit Steinplatten unterschiedlicher Stärken von drei bis sechs Centimeter, je nach Härte des Steins, versucht er, über ein Schichtungsprinzip in der Fassade eine nuancierte Tiefenwirkung zu erzielen. Die nebenstehende Abbildung, ein Fassadenausschnitt von Kollhoffs Wohn- und Geschäftshaus an der Friedrichsstrasse in Berlin, dient der Illustration dieses Prinzipes (Abb. 1). Das Ziel dabei ist, die uns suspekt erscheinende, abstrakte Lochfassade zu überwinden. Die Wirkung dieses Verkleidungsprinzipes lässt sich ganz allgemein phänomenologisch erklären. Zumindestens in der westlichen Kultur gehört zu jeder Oberfläche eine Tiefe, ein Raum der sich hinter dieser Oberfläche aufspannt.7 Die gefügten Fassadenplatten werden nach Kollhoff stumpf gestossen, ihre Schnittkanten sind sichtbar. In Gehrung geschnittene Eckverbindungen hätten zur Ursache, dass die Oberfläche ihre Tiefenkomponente verliert und zu einer zweidimensionalen Fläche verkommt.

6 vgl. Burg 1998, S. 51-57

7 vgl. von Arburg 2008, S. 49

„Die steinerne Tafel eignet sich gut dazu, die durch den mehrschichtigen Aufbau der Aussenwand bedingte Elementierung der Fassade, über die Entwicklung einer tektonischen Struktur zum ästhetischen Prinzip werden zu lassen.“ Hans Kollhoff, Burg 1998, S. 55 Das Prinzip des tektonischen Reliefs ermöglicht zudem, in Vergessenheit geratene Gliederungssysteme der Fassade einzuführen. Sturz, Brüstung und Leibung sind individuelle Elemente und werden in ihrer Tiefenlage und Ausformulierung unterschiedlich behandelt. Obwohl sie durch die thermische Trennung gezwungenermassen nur ein Abbild der statischen Struktur darstellen oder diese im Sinne einer Harmonisierung der Fassadengestalt nur suggerieren. Es wird also aus optischen Gründen zwischen oben und unten, seitlichen Abschlüssen oder tragenden- und nichttragenden Elementen differenziert, was die Elemente in ein Verhältnis zum Mensch setzt und dem betrachtenden Auge Orientierung, Vertrautheit und damit ein Gefühl von Solidität verleiht. „Dieses Prinzip eröffnet nicht nur in Vergessenheit geratene Möglichkeiten des Ausdrucks eines Gebäudes über die blosse Thematisierung des Tragens und Lastens hinaus, sondern man setzt die Dinge wieder ins Verhältnis zur Körperlichkeit des Menschen.“ Hans Kollhoff, Burg 1998, S. 191

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8 „Stratifizierung“ von lateinisch stratum: Schichtung vgl. Duden 2013

9 vgl. Hanimann 1999, S. 49-62

Joseph Hanimann betrachtet diese Stratifizierung8 der Verkleidung kritisch.9 Die von Kollhoff als wichtig eingestufte Plastizität der Fassade, wie sie beim tektonischen Relief erzeugt wird, sieht er als belanglose Fassadentektonik. Dieses Prinzip, das auf Solidität und Stabilität im Ausdruck zielt, vermöge keinesfalls den beabsichtigten Eindruck zu leisten. Man vergegenwärtige sich den traditionellen Massenbau mit dicken Mauern und tief eingeschnittenen Fensterleibungen. „Kollhoffs Strategie täuscht Solidität und Dauerhaftigkeit mehr vor als dass sie es real ausführt. Bei diesem Theater von Material und Geometrie ist der paradoxe Sprung dieser Neotektonik zur illusionsfrohen Postmoderne gar nicht mehr so weit.“ Joseph Hanimann, Hanimann 1999, S. 57

Fügbarkeit und Schaubarkeit: 10 Mittels Blend und Rahmenarchitektur befreien sich die Römer vom Zwang der klassischen Säulenordnung, sie lösen ihre Elemente aus dem konstr. Zusammenhang der tragenden Bogenkonstruktionen. (z.B. Tabularium Rom) vgl. Müller 1974, S.209

11 vgl. Hanimann 1999, S. 56

178

Das tektonische Relief ist ein Prinzip, das an frühere, römische Arkaden und Piazzamodelle anknüpft. Diese Blendarchitektur erkauft sich ein freies Gliederungssystem in der Fassade, zulasten der Einheit von Konstruktion und Form.10 Dieser Einheit, Hanimann spricht vom Prinzip der Fügbarkeit und Schaubarkeit, schreibt er im Gegensatz zu Hans Kollhoff eine grosse Bedeutung zu. Hanimann definiert den Begriff des Tektonischen als ein Verhältnis zwischen der Ordnung einer gebauten Struktur und der Struktur unserer Wahrnehmung.11 Durch den Ablösungsprozess der verkleideten Fassade von der tragenden Konstruktion sowie durch applizierte Elemente im Sinne einer Fassadengliederung driftet das Bild der Wahrnehmung und das Bild der Konstruktion auseinander und täuscht den Betrachter und dessen Eindruck. Die nebenstehende Grafik soll diese Inkongruenz veranschaulichen (Abb. 2). Man stellt fest, dass beispielsweise die eigentliche statisch wirksame Geschossdecke (rot eingefärbt) tiefer liegt als die in der Fassade gezeigte Applikation (grün). Weiter stellt sich heraus, dass die in der Fassade als Stützen oder Wandscheiben gelesenen Elemente nicht nur eine Applikation darstellen, sondern teilweise gar nicht existieren. Der dahinterliegende Innenraum spannt sich hier über zwei Fenstereinheiten und wird nicht durch eine Stütze oder Wandscheibe unterteilt, wie es das Fassadenbild aussagt. Hanimanns Verständnis sieht in dieser Inkongruenz den Verlust eines authentischen Ausdrucks von Solidität, weil Kollhoffs Prinzip diese dem Betrachter nur vortäuscht.


grün: Wahrgenommene statische Struktur rot: Tatsächliche statische Struktur rot und grün: Wahrgenommene und tatsächliche statische Struktur sind kongruent. Durch thermisch bedingte Ablösung der Verkleidung jedoch nur Applikation.

Abb. 2

Ausschnitt Fassade Aus: Burg 1998, S. 119 Grafische Ergänzung: C. Wettstein

179


„Statik und Fassadengestalt haben sich durch den Skelettbau auseinanderentwickelt. Die Wahrnehmung von Solidität treibt heute schwerelos im Raum.“... ... „Mag die Fassade wie auch immer gestaltet sein, zum Tragen wird sie nicht mehr gebraucht. Fassade und Statik als organisches Ganzes führt entweder zum Ausnahmefall des traditionellen Bauens oder aber zur Solidität nicht des Steins, sondern des Scheins.“ Joseph Hanimann, Hanimann 1999, S. 59 Kollhoff hingegen kommt zum Schluss: „Das Bild der gefügten und gegliederten Wand verspricht dem wahrnehmenden Auge Stabilität und Sicherheit, ganz unabhängig vom konstruktiven Sachverhalt.“ Hans Kollhoff, Burg 1998, S.191

Konklusion theoretischer Exkurs: Zusammenfassend aus diesem theoretischen Exkurs kann also festgehalten werden, dass nach Kollhoff das Prinzip des tektonischen Reliefs der Fassade - trotz minimierter Wandstärke - eine körperhafte Anschaulichkeit verleiht. Dieser Eindruck wird durch eine bewusste Stratifizierung des Fassadenkörpers erzielt. Dabei werden von der statischen Struktur losgelöste Gliederungsmöglichkeiten der Fassade geschaffen. Diese aber werden von Joseph Hanimann im Sinne des Prinzipes von Fügbarkeit und Schaubarkeit in Frage gestellt, da die statische Struktur nicht authentisch abgebildet wird. Diese nun auf der Ebene des Steinbaus diskutierten Verkleidungsgrundsätze begleiten uns in einem weiteren Schritt der Arbeit.

3. Transfer Steinbau - Holzbau Hans Kollhoff ist zweifelsohne ein Vertreter des Steinbaus. In seinem Oeuvre finden sich fast ausschliesslich Steinbauten in städtischem Umfeld. Das abgebrannte Tennishaus des lokal ansässigen Carlton Tivoli Tennis Clubs in Luzern wurde im Jahre 2006 durch Hans Kollhoff neu aufgebaut. Ein eingeschossiger Holzbau in Ständerbauweise wurde erstellt (Abb. 3). Dieses Tennisclubhaus ist nach meinen Recherchen der einzige Holzbau im Werk von Hans Kollhoff.

180


Prägnanterweise hat sich im Laufe der Untersuchung herausgestellt, dass die im Steinbau entwickelten Verkleidungsprinzipien von Kollhoff auch in diesem Holzbau ihre Umsetzung finden. Bei diesem Bau kommt es also zu einer Materialübersetzung der Verkleidungsprinzipien vom Steinbau in den Holzbau. Dieser Umstand gibt Anlass, die im Kapitel zwei diskutierten Reliefierungsund Gliederungsprinzipien mit einem lokalen, vernakulären Holzbau zu konfrontieren. Es fragt sich, ob sich die im Steinbau in Frage gestellten Prinzipien bereits bei einer lokaltypischen, manifestierten Bauweise nachweisen lassen. Zudem, in Anbetracht der einleitend erwähnten Wertschätzung von Solidität und Dauerhaftigkeit sowohl von Hans Kollhoff als auch von Joseph Hanimann, kann ein vernakulärer, unter Denkmalschutz stehender Holzbau durchaus als Referenz beigezogen werden, da er gleichermassen die Werte von Dauerhaftigkeit und Solidität verkörpert.

Abb. 3 Tennisclubhaus Tivoli Aus: www.cttc-luzern.ch

Das vorgenannte Carlton Tennisclubhaus figuriert im Sinne dieser Arbeit nicht als Untersuchungsgegenstand, sondern dient nur dem Transfer der Steinbauverkleidungsprinzipien zum vernakulären Holzbau. Als Fallbeispiel wird ein freistehendes, bäuerliches Wohnhaus in Schongau aus dem 18. Jahrhundert untersucht (Abb. 4).

Abb. 4

Freistehendes Wohnhaus dat. 1752 Aus: Brunner 1977, S. 150

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4. Vernakulärer Holzbau

Abb. 5 Aufrichten eines Ständerwerkes Aus: Brunner 1977, S.91 12 vgl. Brunner 1977, S. 91

13 „Stereotomie“ (griech.) massiv, Steinschnitt vgl. Duden 2013

Traditionelle Luzerner Bauernhäuser sind Holzbauten. Die lokalen Holzvorkommnisse sowie die einfachen Bearbeitungsmöglichkeiten dieses Materials hatten eine grosse Zimmermannstradition hervorgerufen. Festes Mauerwerk beschränkt sich bei der bäuerlichen Behausung auf den Sockelbau. Beim darüberliegenden Baugefüge stellt man verschiedene Systeme fest. Blockbausysteme sind bei einigen Kornspeichern zu finden, das ökonomischere Ständerwerk fand aber vermehrt Anwendung (Abb. 5). Das Hausgerüst des Ständerwerkes besteht aus der auf dem gemauerten Unterbau liegenden Schwelle, den in diese eingelassene Pfosten oder Ständern und dem darüber liegenden Träger. An den Knotenpunkten wird dieses rechteckige Rahmengebinde mit schräglaufenden Streben versteift. Die Ausfachung dieses Traggerüstes besteht entweder aus liegenden zurückversetzten Bohlenbretter oder aus liegenden, nach aussen bündig versetzten Kanthölzern.12 In der im Steinbau geführten Verkleidungsdiskussion spricht man vom traditionellen Massenbau, einem sogenannten stereotomen13 Prinzip. Analog diesem Prinzip kann im Holzbau der Blockbau als stereotomes System gelesen werden. Kollhoffs Verkleidungsstrategie kann daher mit dem Ständerwerk - nach Semper ein tektonisches Prinzip - als das Fügen starrer, platten- und stabförmiger Teile verglichen werden.14

14 vgl. Burg 1998, S. 55

Ganz grundsätzlich hat sich beim Studium von vernakulären Ständerwerkbauten gezeigt, dass dazumal eine Mehrschichtigkeit im Wandaufbau mit einer sich nachziehenden Verkleidungsthematik nicht ungewöhnlich war. Die Ablösung der Fassade von der statischen Struktur aus thermischen Zwängen sowie die Minimierung der Schichtstärke aus ökonomischem Druck führen heutzutage zum mehrschichtigen Wandaufbau mit der sich nachziehenden, kontrovers diskutierten Verkleidungsthematik. Damals war es ein konstruktiver Umstand, der die Zimmermannsleute mit denselben Fragestellungen konfrontierte.

15 vgl. Brunner 1977, S. 150

Zurückklappbare, ein- und aushängbare Fensterflügel und Läden gibt es erst seit etwa Anfangs 19. Jahrhunderts.15 Dies erforderte die Anwendung von filigranem, feinmechanischem Scharnierwerk. In der Zeit davor war es nur möglich über Schiebläden und Schiebfensterchen - dem sogenannten „Läufterli“ - ein Fenster zu öffnen oder den dahinterligenden Raum zu verdunkeln. Da diese Schiebelemente nicht in derselben konstruktiven Ebene wie die statische Struktur integriert werden konnten, ergab sich der mehrschichtige Wandaufbau mit verkleidenden Elementen. Eine zweiflüglige Fensterpartie des bäuerlichen Wohnhauses in Schongau aus dem 18. Jahrhundert zeigt diesen Umstand (Abb. 6).

182


Aufdoppelung, ornamental bemalt

Schiebläden, seitlich wirkend

Verkleidung, dekorativ

Sturzkapitell

3

fensterdetail Mehrschichtige Betroffenheit konstruktiver Zwang 2 4

1

„Läufterli“, seitlich schiebbar Gurtbalken, durchgehend profiliert und aufgesetzt 1-4: Schichtebenen Wandaufbau

Aufdoppelung, ornamental bemalt tragendes Ständerwerk

klappbare Fensterflügel und Läden erst ab 19Jh. Ausfachung Bohlenbretter

Abb. 6 Zweiflüglige Fenster- partie Wohnhaus 18Jh. Aus: Brunner 1977, S. 153 Grafische Ergänzung: C. Wettstein

183


Aufdoppelung ohne statische Bedeutung

grün: Wahrgenommene statische Struktur rot: Tatsächliche statische Struktur rot und grün: Wahrgenommene und tatsächliche statische Struktur sind kongruent. Durch konstruktiv bedingte Verkleidung jedoch nur Applikation. Abb. 7

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Zweiflüglige Fensterpartie Wohnhaus 18Jh. Aus: Brunner 1977, S. 153 Grafische Ergänzung: C. Wettstein

Aufdoppelung mit statischer Bedeutung

Ständerwerk nicht sichtbar mit statischer Bedeutung


Diese Fensterpartie bleibt nun Gegenstand der weiterführenden Untersuchung. An ihr sollen die beiden Verkleidungsprinzipien, Fügbarkeit und Schaubarkeit sowie die tektonische Reliefierung, geprüft werden.

Fügbarkeit und Schaubarkeit: Zuerst wird die ausgewählte Fensterpartie unter dem Aspekt der Fügbarkeit und Schaubarkeit betrachtet, wie dies auch bei der Fassadenfront von Hans Kollhoff im Kapitel zwei unternommen wurde (vgl. S. 8-9). Es wird untersucht, in welcher Art und Weise die Erbauer die statische Struktur, in diesem Falle die massiven Holzständer in der Fassade, abgebildet haben. Diese Betrachtung ist genau an dieser Stelle, der Fensterpartie, von Bedeutung, da man aufgrund des konstruktiven Umstandes hier zu einem mehrschichtigen Wandaufbau gezwungen war. Bei durchgehend geschlossenen Wandflächen, wie beispielsweise bei Stallbauten oder Speicherbauten, wird das Ständerwerk oft eins zu eins abgebildet.16 Die rückversetzte Bohlenbretterausfachung unterstützt diese Absicht. Dieses Verhalten entspricht dem Gedanken von Joseph Hanimann.

16 vgl. Brunner 1977, S. 316

Bei Wohnhausfassaden mit Läden und Fensteröffnungen sind die Umstände aber komplexer. Die in der äussersten Schicht liegende Schiebeladenkonstruktion verdeckt gezwungenermassen das Abbild der statischen Struktur. Bei diesem Wohnhaus ist die Schiebladenkonstruktion seitlich wirkend. Denkbar ist auch eine Konstruktion mit nach oben oder unten wirkendem Mechanismus. Interessanterweise werden die so verdeckt und verkleideten, tragenden Ständerpfosten - abgesehen vom Mittelpfosten - nicht durch eine Art Applikation abgebildet. Im Gegenteil, die ornamental verzierten Aufdoppelungen (grün) suggerieren dem Betrachter ein Tragwerk, das in dieser Form gar nicht vorhanden ist. Es kann also von demselben Verhalten gesprochen werden, wie es bei Kollhoff festgestellt wurde (vgl. S. 9, Abb. 2). Das „gesehene“ Bild und das Bild der Konstruktion driften auseinander. Es kommt die Frage auf, weshalb der Mittelpfosten mit statischem Hintergrund optisch gleichbehandelt wird wie die Aufdoppelungen ohne statischen Hintergrund. Aber auch hier, beim vernakulären Holzbau, dient diese so vorgetäuschte statische Struktur der Gestaltung und Gliederung der Fassade. Die horizontal durchlaufend und aufgesetzten Gurtbalken unterstreichen diese Absicht. Auf diesen Aspekt der Gliederung wird im Abschnitt tektonisches Relief genauer eingegangen. Betrachtet man nun das Haus im Ganzen - über diese spezifische Fensterpartie hinaus - stellt man fest, dass bei geschlossener Wandfläche das Ständerwerk unverkleidet gezeigt wird. Es kann von einer Inkonsequenz gesprochen werden, denn sowohl Hanimanns wie auch Kollhofs Prinzip

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findet Anwendung. Das „verfälschte“ statische Bild der verkleideten Fensterpartie fügt sich rhythmisch in das „echte“ statische Bild der unverkleideten Partie ein (Abb. 8). Man könnte von einer Mischform der Prinzipien sprechen.

Tektonisches Relief:

Abb. 8

Freistehendes Wohnhaus dat. 1752 Aus: Brunner 1977, S. 150 grafische Ergänzung: C. Wettstein

Auch in diesem Untersuchungsfeld liegt der Fokus zuerst auf der spezifischen, zweiflügligen Fensterpartie. Ganz ausgeprägt ist die räumliche Fassadengliederung. Was sich bei Kollhofs Reliefierung im Bereich von Schichtstärken der Verkleidungsplatten abspielt, wird hier schon fast volumetrisch-räumlich artikuliert. Kollhofs Absicht seines Schichtungsprinzipes ist eine subtile Differenzierung der Sturz- Brüstungs- und Leibungselemente, ein Umstand, der bei der Lochfassade verloren gegangen ist (vgl. S. 6, Abb. 1). Diese drei Elemente sind hier besonders differenziert ausgebildet. Die Brüstung wird durch die durchlaufenden, aufgesetzten Gurtbalken charakterisiert (rot). In ihrer Ebenenlage und Ausformulierung liegt die Brüstung vor den rückversetzten Leibungselementen (grün). Die vertikalen und verzierten Leibungselemente sind filigran gehalten, was die Horizontalität in der Fensterpartie, wie auch im ganzen Fassadenbild, unterstreicht. Die über der Fensterpartie liegende Sturzausbildung, das sogenannte Sturzkapitell, erreicht sowohl für die Fensterpartie wie auch für das ganze Wohnhaus schon fast monumentalen Charakter. Die weit ausladende Konstruktion schützt die konstruktiv noch schwach ausgebildeten Fenster vor Witterungseinflüssen. Dieser Umstand erzeugt eine enorme räumliche Tiefenwirkung in der Fassade. Es zeigt sich, dass diese räumliche Fassadengliederung - nach Kollhoff die tektonische Reliefierung - eine Eigenheit der tektonischen Bauart ist. In stereotomen Bauweisen, wie beispielsweise beim traditionellen Steinbau, ist eine solch ausgeprägte, hierarchische und räumliche Differenzierung der Elemente ungewöhnlich oder gar nicht möglich. Kollhofs Steinbauverkleidungsprinzip beruht also auf einer tektonischen Bauweise. Über die Tiefenwirkung hinaus generiert auch bei diesem vernakulären Holzbau das Schichtungsprinzip ein von der statischen Struktur losgelöstes Gliederungssystem der Fassade. Würden die massiven Holzständer unverkleidet gezeigt, so hätte dies zusammen mit der Wandöffnung ein unregelmässiges Raster zur Folge. In diesem Falle wird aber mit der Verkleidung und den aufgedoppelten Pfosten ein regelmässiges Bild generiert. Die sich aus konstruktiven Hintergründen aufzwingende Verkleidung verhilft zu einer Harmonisierung der Fassadengestalt.

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fensterdetail Mehrschichtige Betroffenheit konstruktiver Zwang

Tiefenebene 1 rot: Br체stung - Schwellenelement Tiefenebene 2 gelb: Sturzelement Tiefenebene 3 gr체n: Leibungselement Tiefenebene 4 blau: Rhythmisierung der Fassade ohne statischen Hintergrund Abb. 9

Zweifl체glige Fensterpartie Wohnhaus 18Jh. Aus: Brunner 1977, S. 153 Grafische Erg채nzung: C. Wettstein

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Es kann also festgehalten werden, dass der optische Wert eines wohl gegliederten und proportionierten Fassadenkörpers über dem Wert einer authentischen Abbildung der statischen Struktur steht. Diese Erkenntnis stützt die Haltung Kollhoffs, der behauptet, dass das Bild der gegliederten Wand dem betrachtenden Auge ein Gefühl von Solidität und Sicherheit verleiht, unabhängig vom konstruktiven Sachverhalt (vgl. S. 7).

5. Epilog Eine inhaltliche Konklusion wird hier kurz gehalten, da die Bezüge der Verkleidungsthematik im vernakulären Holzbau zur zeitgenössischen Debatte in der Untersuchung aufgezeigt wurden. 17 vgl. Hanimann 1999, S. 170

Abschliessend in seinem Essay „vom Schweren, ein geheimes Thema der Moderne“ schreibt Joseph Hanimann, dass alle von ihm gestreiften Themen Gegenstand einer eigenen, genaueren Untersuchung wären.17 Dazu gehört mit dem Kapitel sechs, Landschaft II, auch die Verkleidungsthematik in der zeitgenössischen Architektur. In dieser Arbeit wurde nun, im Sinne einer vertieften Betrachtung dieses Teilbereichs, Joseph Hanimanns Position mit der dazu antagonistischen Architektur von Hans Kollhoff konfrontiert. Weiter konnte mit dem vernakulären Holzbau ein ganz spezifisches Untersuchungsfeld eröffnet werden. Eingangs der Arbeit wurde ein Bedenken geäussert: „Die Verkleidungsthematik erscheint uns angesichts einer zum Dekorationskunstgewerbe verkommene Profession suspekt“ „Die jahrtausend alte Tradition der massiven Bauweise macht uns diese Gewöhnung aber nicht leicht“ (vgl S. 4). Diese Untersuchung hat für mich gezeigt, dass die Verkleidungsthematik nicht nur eine neuzeitliche Erscheinung, basierend auf thermischen und ökonomischen Zwängen darstellt, sondern im Holzbau Bestandteil einer tradierten Baukultur ist. Treffend dazu sei ein Zitat der im Rahmen dieser Arbeit besuchten Ausstellung „Learning from Vernacular“ in Weil am Rhein erwähnt. „Die Vergangenheit ist ein bedeutender Fundus für wichtige Informationen. Diese Erkenntnis gewinnt vor allem dann an Bedeutung, wenn es um die Herausforderungen geht, denen Architekten und die Gesellschaft heutzutage gegenüberstehen.“ Vitra Design Museum, Weil am Rhein 2013, Ausstellung Learning from Vernacular

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Literatur- und Quellenverzeichnis

- Hanimann Joseph, Vom Schweren, Ein geheimes Thema der Moderne, München Carl Hanser Verlag, 1999 - Burg Annegret, Kollhoff Beispiele, Basel Birkhäuser, 1998 - Brunner Ernst, Die Bauernhäuser der Schweiz, Die Bauernhäuser im Kanton Luzern, Luzern Kantonaler Lehrmittelverlag, 1977 - Müller Werner / Vogel Gunther, dtv Atlas zur Baukunst, Tafeln und Texte, Band 1, 1. Aufl., München dtv, 1974 - von Arburg Hans-Georg, Kleider (bau)kunst, Seite Bearbeitungsstand 1. Januar 2014, URL: http://www.plurale-zeitschriftfuerdenkversionen.de/plurale0_arburg.pdf

- Seite „Solidität“. In: Duden online, Bearbeitungsstand 1. Januar 2014, URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Soliditaet - Seite „Stratifikation“. In: Duden online, Bearbeitungsstand 1. Januar 2014, URL: http://www.duden.de/suchen/dudenonline/stratifikation - Seite „Stereotomie“. In: Duden online, Bearbeitungsstand 1. Januar 2014, URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Stereotomie

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ThemenĂźbersicht der weiteren Arbeiten

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Bow Wow’s Umgang mit Pet Architecture Entwerfen mit vernakulär Architektur in Tokio

Michael Baumann

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 20.01.201 Verfasser: Michael Baumann Mühlenplatz 11 6004 Luzern Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

These - Atelier Bow Wow setzt in Tokio, die Erkenntnisse und Aspekte ihrer analytisch erarbeitete Architekturtheorie „Pet Architecture“, im Umgang mit Wohnbauten auf engen Parzellen um.

1 Atelier Bow Wow (2001) 2 Unruh et al. (2010) S 25

Abstract - Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit dem japanischen Architekturbüro Atelier Bow Wow und ihrer Architekturtheorie „Pet Architecture Guidebook“1. Durch die Untersuchung des finanziellen, historischen und kulturellen Kontextes von Tokio sowie des Werdegangs, der Haltung und der Philosophie der Architekten wird die Ausgangssituation erörtert. Im Hauptteil setzt sich die Studie mit der Architekturtheorie „Pet Architecture“ auseinander und untersucht anhand ihres eigenen Büro / Wohnhauses, inwiefern diese in ihr Schaffen einfliesst. Bewerkstelligt wird diese Untersuchung mithilfe von der Methode des Vergleiches, zwischen dem Ateliergebäude und der „Pets“ aus ihrer Theorie. Die Untersuchung findet ihren Abschluss in der Ausarbeitung eines Schaffenskreislaufs gemäss der Publikation „Forschende Architektur“2. Zudem führt die Studie letztlich vor Augen, dass das Atelier Bow Wow aktiv die Erkenntnisse aus ihrer Architekturtheorie in ihr Schaffen integrieren. Mehr noch, diese als Entwurfsstimulus für zukünftige Projekte nutzen.

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Kunstmuseums Ahrenshoop Eine Interpretation der vernakulären Architektur Helen Busscher

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 10.02.2014 Verfasser: Helen Busscher Seestrandweg 95 3235 Erlach Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler Lucerne Universety of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract - In der vorliegenden Vertiefungsarbeit wird eine Analyse der Interpretation von traditioneller Baukunst (vernakulärer Architektur) in Ahrenshoop vorgenommen. Dabei soll dieser Prozess unter Einbezug des Wandels der Mentalitäten - wie sie Jacques le Goff erklärt - erarbeitet werden. Am Beispiel des Kunstmuseums Ahrenshoop wird aufgezeigt wie dessen Architekt, Volker Staab, vorgeht. Es wird aufgezeigt wie er seine eigene Mentalität im Entwurfskonzept - welche stark von den Ideen der Collage und der Transparenz geprägt sind - an diesem Ort einbringt. Zum Schluss wird analysiert welche Aspekte, von vernakulären Architektur der Architekt beibehält, welche er neu interpretiert und welche er komplett wegfallen lässt und wie er diese mit seiner eigenen Mentalität verbindet.

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Eine Welt ohne Abfall

Mit Referenz zu der Architektur von Ralph Erskine in Resolute Bay. Anna Ernstsone

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Anna Ernstsone Burgstrasse 14 8820 Wädenswil Dozenten: Dieter Geissbühler Oliver Dufner Hochschule Luzern Technik & Architektur Abstract Die folgende Vertiefungsarbeit `Eine Welt ohne Abfall` befasst sich mit dem Thema des Abfalls und der Langlebigkeit der modernen Architektur. Diese werden mit der vernakulären Architektur, Architektur ohne Architekten, verglichen, hinterfragt und analysiert. In dieser Arbeit schlage ich vor, dass in der vernakulären Bauweise kein Abfall vorkommt. Um die Bruchstelle der abfallfreien Architektur zu finden, untersuche ich die industriellen und sozialen Hinweise in der Architekturgeschichte. Ich versuche Lösungen zu finden, die uns wieder mehr in Einklang mit der Natur bringen und ein ortsspezifisches Bauen prägen. Als Grundlage nehme ich die skandinavische Architektur mit dem Fokus auf die Bauten vom Architekten Ralph Erskine. Diese stelle ich in Gegensatz zu dem typischen modernen Design, das selten einen so sinnvollen Gebrauch von örtlich gegebenen Materialien und vorhandenen Energieströmen macht. Ich stelle mir die Frage, wie die kontemporäre Architektur nicht nur unter milden klimatischen Umständen, sondern auch in einem grösseren Massstab in einem kalten Klima zu einer abfallfreien Welt führen könnte. Um angemessene Antworten zu finden, werde ich das Projekt in Resolute Bay von Ralph Erskine in Detail auswerten. Damit wir den wahren Wert der vernakulären Architektur in die Zukunft weiter mitnehmen können und ohne Abfall bauen können, werde ich die folgenden Punkte entsprechend berücksichtigen: Historischer Kontext, Kultur und Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, Materialwahl, Ästhetik und Qualität. Als Hintergrund-Information zu meinem Thema habe ich das Buch `Nature Near` (geschrieben in den 80er Jahren von dem Architekten Richard Neutra), sowohl das Buch `Einfach intelligent produzieren` (geschrieben im Jahr 2002 vom deutschen Chemiker Michael Braungart und dem amerikanischen Architekten William McDonough) studiert.

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Der Lauperswiler Spycher, eine lesbare und vieldeutige Ă„usserung eines Menschen Patrick Frutig

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Abstract - In dieser Arbeit werden die aussagekräftigsten Spycher von Lauperswil im Emmental untersucht. Primär im Vordergrund steht immer die Frage, welchen Einfluss die gesellschaftlichen Überlegungen auf den Spycher in Lauperswil hatten. Dies ist letztendlich sicherlich eine kulturelle Frage. Hatte die Zweckmässigkeit oder Wirtschaftlichkeit Einfluss auf den Spycher? Oder hatten die Wertvorstellungen von dannzumal einen Einfluss? Konnte gar die Religion oder die Politik ihren Einfluss haben? Ziel ist es, zu erkennen, welche Hintergründe dafür verantwortlich waren, dass es heute so eine grosse Vielfalt an Spychern gibt. Es werden immer mit Hilfe von zwei gegenüber gestellten Bildern Unterschiede erläutert, auf welche thematisch eingegangen wird. Viele Punkte hatten letztendlich ihren Einfluss auf das Erscheinungsbild und die Konstruktion der Spycher. Es entsteht die Folgerung, dass nichts dem Zufall überlassen worden ist.

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Conradin Clavuot

das Verhältnis der Biografie zum Vernakulären Tobias Haefelin

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Tobias Haefelin Dörnenstrasse 16 9464 Rüthi SG Dozenten: Dr. Oliver Dufner Prof. Dieter Geissbühler

Lucerne University of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik & Architektur

Abstract Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit der Biografie, der Arbeitsweise und den Projekten des Architekten Conradin Clavuot. Das Verhältnis des Vernakulären mit der Biografie wird aufgezeigt. Über die Biografie, das heisst von der Kindheit übers Studium bis zu der Arbeit als selbstständiger Architekt und Dozent, können Parallelen zu der Arbeitsweise des Architekten Conradin Clavuot gezogen werden. Die Beeinflussung der Biografie erstreckt sich über die Arbeitsweise wie auch über die Projekte des Architekten. Welche Einflüsse aus der Kindheit, dem Studium oder aus der Mitarbeit bei Peter Zumthor haben den Architekten geprägt? Diese und weitere Fragen werden in der vorliegenden Arbeit untersucht und auch beantwortet. Abschliessend können anhand eines Untersuchungsobjektes, in diesem Fall die Mehrzweckhalle und Schule von St. Peter in Graubünden, die Verbindung und das Verhältnis des Vernakulären zum heutigen Architekten aber auch zur Biografie erörtert werden.

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Vernakuläre Architektur

Die Gesellschaft als vernakulärer Entwurfsfaktor Stefan Keller

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Stefan Keller Farmanstrasse 53 8152 Glattpark (Opfikon) Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler

Lucerne Universitiy of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract Die vernakuläre Architektur reagiert nicht nur auf die Umgebungseinflüsse, sondern vielmehr auch auf eine Vielzahl von gesellschaftlichen Einflüssen. So prägt die Lebensweise der Bewohner massgebend den Ausdruck und die Ausgestaltung der vernakulären Architektur. Ein Gebäude wird mit verschiedensten Mitteln den individuellen Bedürfnissen der Bewohner angepasst. Bestimmte Elemente werden aber auch für eine ganze Gesellschaft angepasst. Wie dieser architektonische Ausdruck eines Bauwerkes entsteht, welche Faktoren der Gesellschaft entscheidend sind und wie der Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Bauform ist, wird in dieser Arbeit im Speziellen untersucht.

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geMEINschaft Armin Meili und die genossenschaftliche Tradition in Malters. Fabienne Maritz

Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2013 Verfasserin: Fabienne Maritz Bundesplatz 4 6003 Luzern Dozenten: Prof. Dieter GeissbĂźhler Dr. Oliver Dufner

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

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1. Abstract Vor der Industrialisierung arbeiteten rund 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung im landwirtschaftlichen Sektor (Ernst Brunner, 1977; S.20). Die industrielle Revolution wurde zum Wendepunkt der regulären Lebensund Wohnform. Ein effizienter und ressourcensparender Bau- und Arbeitsgedanke wurde verfolgt. Diese geschichtliche und architektonische Entwicklung konnte anhand der beiden in der Gemeinde Malters liegenden Objekte; dem tradierten Bauernhaus Eigerthüsli (1824) und der Arbeitersiedlung Daheim (1924) von Armin Meili, anhand der Raumgefüge, den Bewohnern, der Allmend, dem Dach sowie dem Etter untersucht werden. Zwischen der Arbeiterkolonie Daheim und dem tradierten Eigerthüsli sind deutliche Analogien zu erkennen. So werden die verschiedenen Öffentlichkeitsgrade innerhalb des Raumgefüges des Eigerthüsli in Daheim gleichermassen thematisiert. Jedoch werden sie von Armin Meili neu interpretiert. Die gemeinschaftliche, respektive genossenschaftliche Nutzung kann in beiden Objekten konstatiert werden. In der Arbeitersiedlung Daheim wird sie in ihrer Innen- und Aussenraumnutzung deutlicher ausformuliert. Diese Rückschlüsse sind durch die Gegenüberstellung zum Text Eigenheim, einem Auszug aus dem Buch Vaterland (Armin Meili, 1929) und den Textpassagen aus dem Buch Häuser und Landschaften der Schweiz (Richard Weiss,1973) belegbar. Eine weiterführende Vertiefung dieser Arbeit wäre eine Gegenüberstellung der eruierten Erkenntnisse der beiden untersuchten Objekte beinhalten, welche in Kontrast zu der sich in Ausführung befindenden Erweiterung der Arbeitersiedlung durch Diener und Diener Architekten gesetzt werden könnte. So wäre es möglich weitere Rückschlüsse daraus zu ziehen und ergänzende Aussagen zu den Referenzobjekten zu machen. Zusammenfassend ist zu sagen, dass in dieser Arbeit die Zusammenhänge und Weiterentwicklung der tradierten bäuerlichen Architektur in Bezug auf Armin Meili untersucht habe, was einen besseren Zugang zur späteren Entwicklung seiner architektonischen Haltung aufzeigen konnte. Sowohl das Eigerthüsli als auch die Arbeitersiedlung Daheim verfolgten einen umsichtigen und adäquaten Umgang mit dem gemeinschaftlichen Vaterland. Der Vergleich dieser beiden Objekte zeigt die markanten architektonischen Unterschiede auf, die trotz eines ähnlichen Grundgedankens entstanden sind, und verdeutlicht, wie der historische Hintergrund die architektonische Entwicklung massgebend beeinflusst hat. Durch das geschichtliche Verständnis der Gemeinde Malters und das bäuerliche Eigerthüsli waren konkrete Rückschlüsse auf die Arbeitersiedlung Daheim möglich.

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Vernakuläre Kleinraumkonzepte

Selbstbeschränkung in Raum und Lebenshaltung als Werte für heutige Wohnmodelle Veronika Melber

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013/2014 Master Architektur Horw, 11.02.2014 Verfasserin: Veronika Melber St. Karlistr. 71b 6004 Luzern Dozenten: Oliver Dufner Dieter GeissbĂźhler

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit dem Thema der Reduzierung in Raum und Lebenshaltung am Beispiel verschiedener vernakulärer Einraumkonzepte. Es werden traditionelle Kleinwohnungen aus unterschiedlichen Kulturkreisen vorgestellt und untersucht. Hierbei werden Themen herausgearbeitet, deren gemeinsames Charakteristikum die Beschränkung auf das Wesentliche darstellt.

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Die Ursache der Form

Die selbstverständliche Koppelung von Inhalt und Form Jonathan Meyer Vertiefungsarbeit Herbstsemster 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Jonathan Meyer Gugelweg 8a 5412 Vogelsang Dozenten: Dr. Oliver Dufner Dieter Geissbßhler

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

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Die Ursache der Form Einleitung Eine oft geführte Kritik der klassischen Moderne in der Architektur, ist deren dogmatischer Ausdruck und ortsunspezifischer Haltung. Dies ist ein Aspekte der Architekturgeschichte, der erst nach dem 2. Weltkrieg in den Architekturdiskurs miteinbezogen wurden. Im Zentrum dabei steht die Wiederentdeckung bzw. Neuentdeckung des Kontextes. Wenn Architektur wieder Ortspezifisch wird, kann die Dogmatik der Moderne überwunden werden. Geplante Architektur, die aus spezifischen Einflüssen einer Umgebung entwickelt wurde, ist in der akademischen Architekturgeschichte kaum thematisiert worden. Am direktesten sind Einflüsse der Umgebung jedoch bei vernakulären Bauten überall auf der Welt anzutreffen. Während diese Art des Bauens über Jahrhunderte selbstverständlich war, gingen deren Qualitäten durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert vergessen. Erst in der Nachkriegszeit wurden deren Faszination, Direktheit und Qualitäten wieder neu entdeckt. Im heutigen Architekturdiskurs stellt die Haltung zum Kontext bei jeder Bauaufgabe einen zentralen Aspekt dar. Da jede Umgebung in der Schweiz, ob Stadt oder Land, als Kulturraum, also ein vom Menschen geschaffenen Raum, der als eine Überlagerung verschiedener historischen, kulturellen, wirtschaftlichen Einflüssen gelesen wird, ist eine kohärente Antwort an einem spezifischen Ort sehr komplex. Der Grundgedanke basiert darauf, dass ein Entwurf aufgrund der ortspezifischen Einflüsse möglichst vollständig argumentiert werden kann. Der heutige Diskurs zur vernakulären Architektur setzt insofern die Ansätze der klassischen Moderne fort, als dass weiterhin ein klarer Bruch zum Historismus, Heimatstil und Reformarchitektur thematisiert wird. Indem alte Bauten, Dörfer, Städte nicht mir mit einem pittoresken Blick betrachtet werden, sondern Versucht wird, die ganzen Schichten deren Geschichte, aus Zwängen bestimmter Funktionen, Materialien, usw. zu betrachten. Im Fokus steht eine möglichst wissenschaftliche und rationale Betrachtung.

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Alpine SchutzhĂźtten

Urgesteine alpinen Bauens in SĂźdtirol? Christiane Prieth

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 18.02.2014 Verfasserin: Christiane Prieth Gallusstrasse 1 6010 Kriens Dozenten: Dieter Geissbühler Oliver Dufner

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gesetzt, die bauliche Entwicklungsgeschichte der Schutzhüttenerrichtung in Südtirol zu untersuchen. Zeitlich gliedert diese Untersuchung die Bauentwicklung in drei Phasen, beginnend mit der ersten Bauphase im Zuge des entstandenen Alpintourismus am Ende des 19ten Jahrhunderts, über die zweite Phase, die nach dem Zweiten Weltkrieg anzusiedlen ist, bis hin zu aktuelleren Geschehnissen, nämlich dem Schutzhüttenwettbewerb von 2012, der die Thematik des hochalpinen Schutzhüttenbaus endgültig auf die Stufe einer professionellen Planung brachte. Diese Arbeit beinhaltet keine Aufzählung und Analyse jeder Schutzhütte, die in den letzten 100 Jahre in der Provinz Bozen errichtet wurde, sondern versucht durch das exemplarische Hervorheben einzelner Hütten tendenzielles Bauen aufzuzeigen, welches entweder traditionelle Baustrukturen als Vorbild sieht, oder sich an Architekturströmungen anlehnt. Aus der Analyse geht hervor, dass sich in jeder einzelnen Bauphase ständig eine traditionell und eine aktuellere, wenn nicht sogar progressive Richtung gegenüberstehen. Gründe dafür werden in sozialer, politischer, ideologischer bis hin zu ökonomischer Ebene gesehen.

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Urbeton Ăœber die materialeigene Oberfläche von Beton Carolin Rauch

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasserin: Carolin Rauch Bernstrasse 112 6003 Luzern Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract - Diese Vertiefungsarbeit befasst sich mit dem Material Beton, dessen Ursprung und seiner Erscheinung. Der erste Teil dieser Arbeit geht der Frage nach dem Ursprung des Betons und seiner Klassifizierung als eigenständiges Material oder einer Nachahmung anderer Stoffe nach. Das resultierende Ergebnis, das sich Beton nur durch seine materialeigene Oberflächenerscheinung auszeichnet, wird anhand einiger Arbeiten des Atelier 5 überprüft. Daher befasst sich der zweite Teil mit der Flamatt - Siedlung des Atelier 5, ihrer Haltung zu Beton und dem Erbe von Le Corbusier. Im dritten Teil geht es darum die materialeigene Oberfläche des Betons anhand der gewählten Beispiele zu bestimmen.

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Dachkonstruktionen an Bauernhäuser im Kanton Aargau Zeitliche und formale Entwicklung Marius Rinderknecht

Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Marius Rinderknecht Hubelrain 33 6005 Luzern Dozenten: Prof. Dieter GeissbĂźhler Dr. Oliver Dufner 216


Abstract Die vorliegenden Vertiefungsarbeit befasst sich mit der Entwicklung der Dachkonstruktionen am Beispiel des Aargauer Bauernhauses in zeitlicher und formaler Entwicklung. In einem ersten Teil wird in die Thematik des Daches eingef체hrt und Begriffe erkl채rt sowie drei Referenzobjekte genauer analysiert. Anhand dieser Grundtypen werden Analogien untersucht, sowie Vergleiche aufgezeigt. Die kontinuierlichen Ver채nderungen im Erscheinungsbild der Siedlungslandschaft werden durch die im Laufe der Zeit erfolgten Dachumdeckungen sichtbar gemacht. Die Arbeit stellt fest, dass die einzelnen Faktoren des Daches wie Form, Neigung, Bedachungsmaterial und innere Konstruktion nicht separat betrachtet werden sollten, weil sie eng miteinander verkn체pft sind.

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Holz formen

Die Entwicklung unter Technik und Zeit Valentino Sandri

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Dozenten: Valentino Sandri Oliver Dufner Zimmerlistrasse 7 Dieter Geissbühler 8004 Zürich Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

Abstract - Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit dem Thema Arbeiten mit Holz im Wandel der Zeit. Ist die Wertung einer Zimmermannsarbeit die gleiche, heute wie vor 5000 Jahren? Wie hat sich die Zimmerei gewandelt und wie sehr beeinflusst die Entwicklung des Werkzeugs das Zimmermannshandwerk? Was kann der Werkstoff Holz noch leisten und wie lange hält er dem heutigen Leistungsdruck stand? Ebenfalls wird der Frage nachgegangen, ob die heutige Auffassung von Zimmerei überhaupt noch ein Handwerk im eigentlichen Sinne ist oder ob durch den Einsatz der Maschine die Handwerkskunst verloren geht? „... allein in diesem bestimmten künstlerischen Ausdruck, den die Arbeit des selbständigen Handwerkers haben kann, liegt seine Stärke gegenüber der Fabrik.“ 1 Heinrich Tessenow Die Studie wird diese und weitere Fragen im Fallbeispiel einer Holzverbindung untersuchen und analysieren, denn die Verbindung, die Tektonik ist das Herzstück der Zimmerei. In ihr sind die Entwicklungen und Erkenntnisse des ganzen Gebäudes konserviert. Abschliessend wird ein Blick in die Zukunft gewagt. Wohin kann sich Holz entwickeln? Was ist alles möglich mit Holz? Ist Holz noch Holz oder nur ein heimeliger Stahl? Wie könnte die Tradition, die über Jahrhunderte weiterentwickelt wurde und zunehmend in Vergessenheit gerät, erhalten bleiben? Und ist dies überhaupt erstrebenswert?

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Erfahrbare Vergangenheit in der Gegenwart Die Permanenz einer vernakulären Architektur Claudio Spielhofer

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Claudio Spielhofer Voltastrasse 4 6005 Luzern Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler

Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur Abstract - Diese Vertiefungsarbeit im Herbstsemester HS13 befasst sich mit der Thematik ‚der Theorie der Permanenz’ als Oberbegriff und dessen Übertragung auf Alvaro Sizas Architektur. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, dass die folgende These „Erfahrbare Vergangenheit in der Gegenwart“ anhand von zwei Beispielen mittels Analysen untersucht und belegt wird. Dabei stützt sich die Untersuchung auf den Text von Aldo Rossi „Die Theorie der Permanenz und die Baudenkmäler“. Gegliedert ist die Arbeit in einen ersten Abschnitt, welcher die Theorie und die Schwerpunkte sowie den Werdegang Alvaro Sizas erläutert. In einem zweiten Abschnitt wird die Theorie der Permanenz von Aldo Rossi festgehalten, wobei weiter der Fokus auf die folgenden Begriffe - Ort, Material, Tradition - gelenkt wird. Anhand der Theorie Rossis werden diese Aspekte an zwei Projekten in Portugal, dem Restaurant und Teehaus Boa Nova (1958-1963) in Leça da Palmiera und der Siedlung Quinta da Malagueria (1977) in Evora, untersucht. Der Fokus der Analyse bleibt auf die Permanenz gerichtet - die Vergangenheit in der Gegenwart ablesen zu können ist das Ziel. Die Aufgabe dieses Essays ist es, festzustellen ob es möglich ist, eine Permanenz in Sizas Architektur zu lesen und ob diese auch in seiner architektonischen Laufbahn kontinuierlich präsent und erkennbar ist.

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Das moderne Umgebindehaus von Peggy Urban

Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 21.01.2014 Verfasser: Peggy Urban Technikumstrasse 26 6048 Horw Dozenten: Oliver Dufner Dieter GeissbĂźhler 222


Einleitung Wenn man ein Bauwerk aufmerksam betrachtet, kann man Aufschlüsse über Gründe seiner Entstehung, Struktur und Formulierung erhalten. Hintergrundinformationen, wie beispielsweise das Baujahr, Region, Baumeister und Motive sind für die Identifizierung von Architektur unablässig. Die Zuordnung eines Gebäudes zu einer zeitgenössischen oder traditionellen Bauweise basiert dabei oft auf einer formalen oder historischen Ebene. Doch was ist, wenn man gewisse Aspekte in der Architekturanalyse ausblendet und sich nur auf die strukturelle oder formale Ebene fokussiert? Definieren sich zeitgenössische und traditionelle Bauten nur über ihren geschichtlichen Hintergrund? Wann ist ein Gebäude innovativ? Kann ein traditioneller Bau fortschrittlich sein? Die Architekturtheorie setzt sich unablässig mit der Thematik der vernakulären Bauweise auseinander und sucht in traditionellen Formen die Verbindung zu neuen Formensprachen. Doch seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bilden sich Strömungen heraus, die bewusst die Vergangenheit hinter sich lassen und mit den neuen Technologien und Konstruktionen innovative Werke schaffen wollen. Vertreter, die aufgrund ihre Architektur ein neues, modernes Zeitalter eingeleitet haben, sind beispielsweise Le Corbusier, Gottfried Semper, Peter Behrens oder Louis Henry Sullivan. Ihre Gebäude drücken in unterschiedlichen Weisen den Zeitgeist ihrer Gesellschaft aus. Funktionalität und Technologie scheinen sich an die Stelle des reinen formalen Ausdrucks zu drängen. Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, das moderne Potential traditioneller Baustrukturen zu analysieren. Denn obwohl sich moderne Architekten mit innovativen Lösungen beschäftigt haben und die Motive traditioneller und moderner Bauweisen grundlegend verschieden waren, lassen sich viele strukturelle und formale Parallelen zum Traditionellen ziehen. In der vernakulären Architektur wurde scheinbar aus einer reinen unreflektierten Selbstverständlichkeit heraus ein innovativer Zeitgeist verinnerlicht.

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Raum schafft Gemeinschaft – Gemeinschaft schafft Raum Zwei Genossenschaftssiedlungen in Aussersihl, Zürich, im Vergleich Cora Völlnagel

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Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 11.02.2014 Verfasserin: Cora Völlnagel Gerliswilstrasse 76 6020 Emmenbrücke Dozenten: Oliver Dufner Dieter Geissbühler Lucerne University of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik & Architektur

Abstract

Titelfoto: Kreis 4 als kulturellkreatives Herz der Stadt. Ausschnitt aus: http://www. buero-dlb.ch/de/archiv/ museum-ausstellung-galerie/ vom-planeten-aussersihl, 2012, siehe auch S. 13 in dieser Vertiefungsarbeit

Die vorliegende Vertiefungsarbeit befasst sich mit der These „Raum schafft Gemeinschaft – Gemeinschaft schafft Raum“. Anhand zweier Genossenschaftssiedlungen in Aussersihl, Zürich, wird diese These vergleichend betrachtet. In den ersten drei Kapiteln werden geschichtliche, architektonische aber auch soziokulturelle Hintergründe veranschaulicht. Im letzten Kapitel wird zunächst die These „Gemeinschaft schafft Raum“ und danach „Raum schafft Gemeinschaft“ unter dem Aspekt von Parallelen der Komplexe Erismannhof und Kalkbreite gegenübergestellt. Die Studie stellt fest, dass beide Thesen im genossenschaftlichen Bauen eine zentrale Rolle spielen.

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Renaissance einer Holzverbindung Die Wiedergeburt des Schwalbenschwanzes Jonas Weber

Vertiefungsarbeit Herbstsemester 2013 Horw, 27.01.2014 Verfasser: Jonas Weber Steinenstrasse 17 6048 Horw Dozenten: Oliver Dufner Dieter GeissbĂźhler Lucerne of Applied Sciences and Arts Hochschule Luzern Technik Architektur

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Abstract Der Themenbereich in dem diese Arbeit an der Hochschule Luzern im Vertiefungsmodul verfasst wurde, befasst sich mit dem übergeordneten Thema der vernakulären Architektur. In diesem Themenbereich kommt man bei nahezu allen Recherchen mit Holzbauten oder Holzverbindungen jeglicher Art in Kontakt. In diesem Fall wurde das Interesse für diese Themengebiet durch den Besuch in einer Zimmerei noch einmal besonders verstärkt. Gegenwärtig sieht man immer häufiger sowohl in Zimmereien als auch auf Baustellen, dass bei der Montage von Dachstühlen, statt auf metallische Verbindungsmittel, wieder häufiger auf klassische Zimmermannsverbindungen zurückgegriffen wird. Durch diese Beobachtung getrieben wurde auch die Fragestellung der vorliegenden Arbeit hervorgebracht: Warum werden aktuell wieder althergebrachte Zimmermannsverbindungen verwendet, statt auf Holzverbinder aus Metall zurückzugreifen wie es seit der Industrialisierung immer häufiger der Fall ist? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, ist es zunächst nötig einen Einblick in die Entwicklung der Holzverbindungen zu erlangen, was über einen knappen historischen Abriss geschieht. Außerdem wird auch eine Vorstellung der wichtigsten unterschiedlichen Verbindungsarten vorgenommen, wobei sich diese Arbeit besonders auf die Schwalbenschwanzverbindung konzentriert. Durch Interviews mit Fachleuten wird dieses bereits auch in den Fachmedien angesprochene Thema diskutiert und deren Einschätzung für den Holzbau der Zukunft erörtert, um die folgende These dieser Arbeit zu überprüfen. „Zunächst verloren gegangene handwerkliche Verbindungen, wie der Schwalbenschwanz, werden durch den Einsatz von modernsten Maschinen wieder in Konstruktionen angewandt, da das ihnen innewohnende Wissen konstruktive Vorteile mit sich bringt. „ Eine kritische Hinterfragung dieser These, unter anderem durch das diskutieren mit Fachleuten, wird im Verlauf der Arbeit die These verifizieren oder falsifizieren.

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