Die Deutsche Gesellschaft f端r Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG e. V.) engagiert sich f端r verantwortungsbewusstes Denken und Handeln in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Jedes Jahr versammelt sie 端ber 300 Fachleute auf einem mehrt辰gigen Fachkongress zu aktuellen Themen der psychosomatisch orientierten Frauenheilkunde und Geburtshilfe.
Susanne Ditz, Brigitte Schlehofer, Friederike Siedentopf, Christof Sohn, Wolfgang Herzog, Martina Rauchfuß (Hrsg.)
Nichts ist unmöglich!? – Frauenheilkunde in Grenzbereichen Beiträge der 39. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG e. V.)
Mabuse-Verlag Frankfurt am Main
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Inhalt
Vorwort der Präsidentin
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Vorwort des lokalen Organisationsteams
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I. Beiträge zum Gründungsjubiläum Friederike Siedentopf, Heribert Kentenich „Der psychosomatische Weg zur gynäkologischen Praxis“ – Kurze Geschichte der DGPFG von der Gründung bis zur Verschmelzung mit der Arbeitsgemeinschaft für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie
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Udo Schagen Ein neuer Anfang? Leitideen der Medizin in beiden deutschen Nachkriegsstaaten. Überlegungen aus Anlass des zehnjährigen Gründungsjubiläums der DGPFG
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II. Hauptvorträge Christof Sohn Von der Geschichte der Geburtsmedizin zum Dilemma der Pränatalmedizin
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Almut Dorn Entscheidungsmöglichkeiten in der Pränataldiagnostik: Fluch oder Segen?
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Wolfgang Herzog, Brigitte Schlehofer, Susanne Ditz, Beate Wild, Hans-Christoph Friederich Patientinnen mit Essstörungen – wie begegnen sie uns in der Gynäkologie? 57 Ulrike Brandenburg † Im Kampf mit dem eigenen Begehren – Sexualitäts- und Liebeskonstruktionen essgestörter Mädchen und Frauen
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Michael Golatta, Elena Czink Familiärer Brustkrebs: Früherkennung im Hochrisikoprogramm, prophylaktische Maßnahmen und Behandlung in Zusammenschau mit psychologischen Aspekten
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Heribert Kentenich, Isabell Utz-Billing, Ada Borkenhagen Der Wunsch zur Schönheitsoperation: Ist der Patientinnenautonomie zu folgen?
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III. Leitlinien Hans-Christoph Friederich S3-Leitlinie zur Behandlung von Essstörungen
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IV. Kurzvorträge Sven Hildebrandt Hebammen und Geburtshelfer als erste Pädagogen des Kindes
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Angela Klein, Anke Rohde Wohin mit meiner Angst? Psychologische Basisinterventionen bei Frauen mit Ängsten nach habituellen Aborten
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Nadine Schlotz, Annegret Geipel, Anke Rohde Psychiatrische Indikation zur vorzeitigen Sectio als Alternative zum späten Schwangerschaftsabbruch
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Norbert Schäffeler, Hannah Ebert, Paul Enck, Stephan Zipfel, Diethelm Wallwiener, Sara Brucker Psychische Belastungen und psychosomatische Begleitung von Patientinnen mit MRKH-Syndrom
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Diana Reni Lange, Elnaz Hajiloueian, Matthias David,Theda Borde, Birgit Babitsch Zum Zusammenhang zwischen der psychischen Belastung im Alltag und Bauch-/Unterleibsschmerzen sowie der Ethnizität der Patientinnen
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Verina Wild, Rachel Neuhaus-Bühler Die Rekonstruktion des Hymens als Praktik der Genitalchirurgie – eine medizinethische Studie
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Tewes Wischmann „Paracyclische Ovulationen“ und „Schreckblutung“ – eine Fortsetzung
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Claudia Schumann Forschung in der Praxis – mehr ist möglich! Plädoyer für einen Forschungsverbund zwischen Praxis und Wissenschaft
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Alexandra Meyer, Jens Einenkel, Ina Rössiger, Susanne Briest, Mareike Peuker, Elmar Brähler Unterschiede der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Frauen mit gynäkologischen Tumoren – Implikationen für die psychoonkologische Versorgung
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Eun-Jeong Lee, Joydeep Bhattacharya, Christof Sohn, Rolf Verres Musikrezeption während der Chemotherapie
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Barbara Bischofberger, Mechthild Neises Das erste Jahr nach einer Brustkrebserkrankung – Veränderungen in der Partnerschaft
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Uwe Heindrichs, Inna Meyer, Sandra Jadin, Andreas Besting, Nicolai Maass, Volker Perlitz Chronische vs. akute posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) bei akut an Brustkrebs erkrankten Patientinnen: „Schon wieder ich!?“
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Jenny Melanie Sarcletti, Sylvia Glück, Bernhard Holzner, Johannes Giesinger, Christian Menzel Der Einsatz komplementärmedizinischer Methoden bei antihormoneller Therapie des Mammakarzinoms im Brustzentrum Salzburg
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Kerstin Huber, Simone Hoffmann, Lisa Junger, Hertha Richter-Appelt Körperwahrnehmung und subjektives Erleben von Weiblichkeit
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Caroline Prochnow, Katinka Schweizer, Hertha Richter-Appelt Körpererleben und Körperzufriedenheit von Menschen mit verschiedenen Formen der Intersexualität
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Barbara Dietrich „Nichts ist unmöglich“ versus „Es ist nicht alles möglich“. Psychotherapeutische Gedanken
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Kerstin Scholtes Keiner fällt durchs Netz – ein Präventionsprojekt
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V. Posterbeiträge Claudia Pauli-Magnus, Anette Bruder,Vanessa Sieler, Stefanie Engelken-Juki, Astrid Riehl-Emde Verbesserung der psychosozialen Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik – Subjektive Erfahrungsberichte von Beraterinnen im Rahmen eines Modellprojekts
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Helga Maria Schuckall, Martin R. Kurz, Barbara Maier, Anna Wenger, Christian Merten Schmerzfreie Geburt – ein Heilsversprechen?
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Vanessa Sieler, Anette Bruder, Claudia Pauli-Magnus, Stefanie Engelken-Juki, Astrid Riehl-Emde Pränatale Diagnostik und psychosoziale Beratung – Chancen und Hürden interprofessioneller Zusammenarbeit
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Silvia Janke, Ada Borkenhagen, Heribert Kentenich Familienbildung mit Eizellspende – Einstellungen von biologischen Müttern bezüglich der Offenlegung/Geheimhaltung der genetischen Abstammung ihres Nachwuchses
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Eva-Lena Eschholz, Melanie Wollenschein, Annika Mallek, Erika Feldhaus-Plumin, Anna-Elisabeth Thieser, Silvia Wallner-Moosreiner, Anke Rohde Das ärztliche Beratungsgespräch im Kontext von Pränataldiagnostik: Verunsicherung oder Unterstützung? Erste Erfahrungen aus dem bayerischen Verbundprojekt „Beratung in der frühen Schwangerschaft“
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Miriam Listing, Michaela Krohn, Eva M. J. Peters, Barbara Voigt, Anett Reißhauer, Burghard F. Klapp, Martina Rauchfuß Subjektives Stresserleben und Körperbild bei jungen und berufstätigen Brustkrebspatientinnen sowie der Einfluss der klassischen Massagetherapie auf deren Selbstwahrnehmung
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Doris Tormann Mammographie-Screening – was Frauen darüber wissen. Untersuchung zum Informationsstand von Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren
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Mirjam Möller, Kathrin van der Ven, Markus Montag, Anke Rohde, Melanie Wollenschein Medizinische Beratung zum Fruchtbarkeitsschutz bei onkologischer Erkrankung – ein Balanceakt zwischen Hoffnung wecken und Überforderung verursachen
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Lisa Junger, Sabine Pfaudler, Kerstin Huber, Simone Hoffmann, Katinka Schweizer, Hertha Richter-Appelt Weibliche Geschlechtsidentität bei erwachsenen Personen mit 46,XY-Karyotyp und vollständiger Androgeninsensitivität (CAIS)
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Lisa Schute, Peter Bräunig, Andreas D. Ebert, Stephanie Krüger Prävalenz von depressiven Erkrankungen und Angstsymptomatik bei Patientinnen mit Endometriose
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Elnaz Hajiloueian, Diana Reni Lange, Matthias David,Theda Borde, Birgit Babitsch Psychische Belastung bei Patientinnen klinischer Notfallambulanzen – zum Einfluss von Ethnizität und Bildungsgrad
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Michael Schwab Psychopharmaka in der Psychosomatischen Grundversorgung
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Autorenverzeichnis
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Vorwort der Präsidentin Nichts ist unmöglich!? Fast täglich werden die Grenzen der modernen Medizin ein Stück weiter gefasst. Für Patienten bedeutet dies oftmals das Überleben einer Erkrankung, an der Menschen vor 50 oder 100 Jahren noch mit großer Wahrscheinlichkeit verstorben wären. So hat sich z.B. in den Vereinigten Staaten von Amerika die Zahl der Menschen mit einer Krebserkrankung in der Anamnese innerhalb der letzten 30 Jahre vor allem deswegen verdreifacht, weil immer mehr Menschen eine solche Erkrankung überleben. Doch wie kann es andererseits sein, dass es heute in unserem Land 20-mal mehr Diabetiker als vor 100 Jahren gibt? Zum einen, weil unsere heutigen Lebensgewohnheiten die Verbreitung dieser und anderer chronischer Krankheiten befördern. Zum anderen aber auch, weil die moderne Medizin zu einem großen Teil so genannte halfway technologies bereit stellt, die Patienten zwar am Leben hält, sie aber nicht komplett gesund macht. Folglich steigen die Kosten für die High-Tech-Medizin und für die Versorgung der immer älter werdenden Patienten. Dringend stellt sich daher die Frage, was in der modernen Medizin ethisch vertretbar, was von der Solidargemeinschaft bezahlbar ist. Parallel dazu ist in den letzten zwei Jahrzehnten ist ein rasanter Anstieg der ästhetisch-chirurgischen Eingriffe vor allem in Ländern der westlichen Welt zu verzeichnen. 60 Prozent der Operierten sind zwischen 21 und 50 Jahren alt, zehn Prozent sogar unter 20 Jahren, wobei exakte Zahlen fehlen. Zu den häufigsten Eingriffen gehören Fettabsaugungen, Ohrkorrekturen, Lidoperationen, Nasenkorrekturen, Gesichts-, Bauchdecken- und Hautstraffungen sowie Brustkorrekturen. Die Kluft zwischen individueller Körperzufriedenheit und Lebensqualität einerseits sowie gesellschaftlich diktierten Körpernormen und Wertvorstellungen andererseits wird in der Konsumgesellschaft immer größer. Die Schönheitschirurgie macht auch vor dem Genitalbereich nicht Halt. Intimchirurgie ist der neue Trend aus den USA. Mehr Lust auf Sex durch eine Straffung der Vagina? Ein neues Jungfernhäutchen oder ästhetischere Schamlippen? Gerne doch. Nichts scheint unmöglich – aber vieles ist ethisch umstritten. Einem engagiertem Vorbereitungsteam aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitäts-Frauenklinik und der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik ist es durch die Auswahl hervorragender Referentinnen und Referenten gelungen, den dem Thema „Nichts ist unmöglich!? Frauenheil11
vorwort der präsidentin
kunde in Grenzbereichen“ innewohnenden Spannungsbogen auf der 39. Jahrestagung der DGPFG lebendig werden zu lassen. Ein herzliches Dankeschön gilt Dr. med. Susanne Ditz, Dr. med. Brigitte Schlehofer, Dr. med. Frederik Marmé, Dr. med. Joachim Rom, Dr. med. Stephanie Gawlik und Caroline Linn, die nicht nur zum Gelingen der Jahrestagung, sondern auch dieses spannenden Jahresbandes beigetragen haben. Der Dank gilt auch allen Vortragenden, Diskutanten und Teilnehmern der Tagung, die eine so lebendige Tagungsatmosphäre geschaffen haben. Die abgedruckten Manuskripte der wissenschaftlichen Kurzvorträge und Poster belegen die kreativen Forschungsansätze des Nachwuchses der DGPFG. Der Tagungsband gibt nun auch allen, die nicht nach Heidelberg kommen konnten, die Möglichkeit, beim Lesen der Beiträge den Geist und die Atmosphäre der Tagung nachzuempfinden. Und er macht hoffentlich auch Lust auf die Teilnahme an unseren nächsten Jahrestagungen mit weiteren spannenden Themen. Berlin, im November 2010 Martina Rauchfuß Präsidentin der DGPFG
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Vorwort des lokalen Organisationsteams Die Grenzen des medizinisch Machbaren erweitern sich ständig. Doch sollte alles auch gemacht werden, was möglich ist? Die Fortschritte in der Frauenheilkunde haben in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Verbesserung von Lebenserwartung und Lebensqualität geführt. Parallel dazu eröffnet sich ein weites Feld der Wunsch- und Designer medizin. Immer mehr stoßen wir hierbei in somatische, psychische, ethische und ökonomische Grenzbereiche vor. Auch wir Frauenärzte, Psychotherapeuten und Hebammen drohen in den Sog grenzenloser Heilsversprechen hineinzugeraten. Wo sind die Grenzen für den verständlichen Wunsch nach einer Verbesserung des menschlichen Daseins und der individuellen Selbstverwirklichung? Vom 10. bis 13. März 2010 fand in Heidelberg die 39. Jahrestagung Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Kooperation mit der Universitäts-Frauenklinik und der Klinik für Allgemeine Klinische Medizin und Psychosomatik der Universität Heidelberg mit dem Leitthema „Nichts ist unmöglich!? Frauenheilkunde in Grenzbereichen“ statt. Ein wesentliches Anliegen dieser Tagung war es, Brücken zu schlagen zwischen Technik und Menschlichkeit, zwischen Wissenschaft und Praxis und von der Somatik zur Psychosomatik. Insgesamt fanden sich 330 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus sechs euro päischen Ländern auf dem Campus des Universitätsklinikums Heidelberg ein. Das Tagungsthema wurde in zahlreichen Vorträgen, Workshops und Gruppen hervorragend umgesetzt und auf hohem Niveau im Auditorium diskutiert. Im vorliegenden Band „Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe 2010“ sind die zum Teil erweiterten Vorträge und Posterpräsentationen zusammengefasst. Alle Beiträge, die von den Referenten eingereicht wurden, Geben die Inhalte wieder, wie sie bei unserer Jahrestagung vorgetragen wurden. Sie zeigen ein großes Spektrum wissenschaftlicher Themen und Engagements und die Ansiedlung der Arbeiten sowohl in den Universitäten als auch deren Umsetzung in den niedergelassenen Praxen. Mit den diesjährigen Hauptvorträgen, ergänzt durch zahlreiche Kurzvorträge, wurde ein weiter Bogen zwischen Machbarkeitsglauben und Selbstbeschränkung gespannt.
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vorwort des lokalen organisationsteams
Eines der vier Hauptthemen war die Auseinandersetzung mit den Entscheidungsmöglichkeiten in der Pränataldiagnostik zwischen Hoffnung, Risiko und Erwartung. Fokussiert und engagiert diskutiert wurden die Chancen frühzeitiger Behandlung der Feten, aber auch die Problematik der Entscheidungsfindung für Eltern und Behandler. Ein weiterer Themenschwerpunkt waren Essstörungen, wie sie uns in der Praxis der Frauenheilkunde und Geburtshilfe begegnen, und die Bedeutung des frühzeitigen Erkennens dieser Krankheitsbilder für die betroffenen Frauen. Die Notwendigkeit der Einleitung therapeutischer Maßnahmen und die Möglichkeit der Umsetzung in der Praxis wurden durch eindrucksvolle Fallbeispiele dargestellt und durch einen Beitrag über die neuen S3-Leitlinien für Essstörungen ergänzt. Familiärer Brustkrebs und Krebs als Familiendiagnose sowie die psychischen Auswirkungen auf Patientin und Familie waren Schwerpunkt im dritten Hauptblock. Die Vorstellung eines Hochriskoprogramms zur Früherkennung machte die Teilnehmer mit einem semi-standardisierten Vorgehen bekannt, in dem auch die psychologischen Belastungen berücksichtigt werden. Im vierten Hauptthema ging es um die vielfältigen Nachfragen nach Plas tischer Chirurgie, die Auseinandersetzung mit dem Körperbild und der Selbstwahrnehmung sowie um neue Lifestyle-Trends und Body Modification als neuen Trend in der operativen Frauenheilkunde. Darüber hinaus wurden die neuen Leitlinien zum „Chronischen Unterbauchschmerz der Frau“ vorgestellt. Zum zehnjährigen Gründungsjubiläum der DGPFG gab es bei der diesjährigen Tagung einen beeindruckenden Festvortrag über die Leitideen der Medizin der beiden deutschen Nachkriegsstaaten mit der Frage „Ein neuer Anfang?“. Das angenehme Ambiente des Tagungsortes Heidelberg und die univer sitäre Sachlichkeit bei der Präsentation der Beiträge luden die Teilnehmenden ein, die Möglichkeiten zum interdisziplinären kollegialen Gespräch über neue Forschungsergebnisse, zum gemeinsamen Gedankenaustausch sowie zur Pflege langjähriger Kontakte zu nutzen. Psychosomatische Medizin in der Frauenheilkunde ist immer auch Beziehungsmedizin, die sowohl die Entwicklung einer bestimmten inneren Haltung des Arztes durch Erleben, Identifizierungsprozesse und Begegnungsprozesse als auch die Aneignung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und technischer Fähigkeiten erfordert. Dazu dienen u.a. die Kongresse der DGPFG, die Wissen 14
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und Erkenntnisse vermitteln, aber auch Erleben, Selbsterfahrung und Begegnungen ermöglichen. Deshalb war es dem Organisationsteam – einer langen Kongresstradition folgend – wichtig, sowohl den wissenschaftlichen Diskurs als auch die praxisbezogene Gruppenarbeit zu fördern. Ärztliche Kompetenz beinhaltet heutzutage zunehmend technische Kompetenz. Auf der persönlichen Ebene sind aber Empathie und kommunikative Kompetenz ebenso wichtig, um für die Patientin, im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung, das bestmögliche Behandlungsvorgehen zu erreichen. Die Universitäts-Frauenklinik (UFK) Heidelberg hat sich in Kooperation mit der Psychosomatischen Universitätsklinik daher zum Ziel gesetzt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der psychosomatischen Gynäkologie und Geburtshilfe zur Grundlage angewandter patientenzentrierter Betreuung zu machen. Dazu gehört auch die Ausbildung in Psychosomatischer Grundversorgung im Rahmen der Facharztausbildung, wie sie an der UFK jährlich für die Assistenzärzte angeboten wird. Die Themenauswahl dieser Tagung und des Tagungsbandes sollen dazu anregen, sich mit aktuell brisanten Themen, die in der Behandlung von Patientinnen in der gynäkologischen Praxis wie auch in den Kliniken auftreten, auseinanderzusetzen und einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion zu geben. Wir hoffen, dass wir diesen Anspruch einlösen konnten. Beeinträchtigt war der Kongress dadurch, dass der Hauptvortrag von Frau Dr. Ulrike Brandenburg mit dem Titel „Im Kampf mit dem eigenen Begehren – Sexualitäts- und Liebeskonstruktionen essgestörter Mädchen und Frauen“ nicht von ihr selbst gehalten werden konnte, zumal ihr häufiges Mitwirken bei früheren Kongressen der DGPFG immer nachhaltige Beachtung fand. Aus Krankheitsgründen musste sie absagen. Inzwischen erhielten wir die schon im Rundbrief mitgeteilte Nachricht, dass Frau Brandenburg an dieser Erkrankung im Mai 2010 verstorben ist. Es fällt uns schwer, sie nun für immer vermissen zu müssen. Heidelberg, im Dezember 2010 Susanne Ditz Brigitte Schlehofer im Namen des Organisationsteams
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Beitr채ge zum Gr체ndungsjubil채um
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Friederike Siedentopf, Heribert Kentenich
„Der psychosomatische Weg zur gynäkologischen Praxis“ Kurze Geschichte der DGPFG von der Gründung bis zur Verschmelzung mit der Arbeitsgemeinschaft für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie
Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlangten psychosomatische Aspekte in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe eine Bedeutung. In den alten Bundesländern gab es aufgrund der engen Verbindung mit der ISPOG (International Society of Psychosomatic Obstetrics and Gynecology) bereits in den 1960er und 1970er Jahren psychosomatische Arbeitsgruppen an einigen Universitätsfrauenkliniken, z.B. in Würzburg,Tübingen, Berlin, Düsseldorf und Freiburg. Die Gründung als DSPGG (Deutsche Sektion für Psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie) erfolgte am 19. November 1980 in der Wohnung des Gründungsmitglieds Hans Joachim Prill. Die Gründungsmitglieder der DSPGG waren Fried Conrad, Viola FrickBruder, Hans Molinski, Ortrun Jürgensen, Herwig Poettgen, Hans Joachim Prill, Dietmar Richter und Manfred Stauber. Doch erst nach einem kaum erwarteten großen Interesse und einem starken Mitgliederzulauf betonte die DSPGG ein Stück Eigenständigkeit durch eine Satzungsänderung – ohne die wichtige Bindung zu den beiden Muttergesellschaften zu lockern: Auf der Mitgliederversammlung 1985 wurde die Bezeichnung „Sektion“ für psychosomatische Geburtshilfe und Gynäkologie durch das Wort „Gesellschaft“ (DGPGG) ersetzt, obwohl die DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) lieber die Bezeichnung „Arbeitsgemeinschaft“ gesehen hätte (Stauber/Kästner 2003). Der Gründung der DSPGG gingen ab 1972 jährliche Seminarkongresse zunächst in Gießen (Leitung: Prof. Kepp Abb. 1: Die Gründungsmitglieder Hans und Prof. Bailer), dann in Mainz (Lei- Joachim Prill und Fried Conrad 19
friederike siedentopf, heribert kentenich
Tab. 1: Präsidentinnen und Präsidenten der DGPFG 1980-1984 Dietmar Richter 1984-1990 Manfred Stauber 1990-1993 Barbara Fervers-Schorre 1993-1999 Heribert Kentenich Abb. 2: Dietmar Richter, der erste Präsident, und Manfred Stauber, der erste Vizepräsident
1999-2005 Mechthild Neises ab 2005
Martina Rauchfuß
tung: Prof. Langen und Prof. Prill) voraus. Traditionell wurden die Beiträge in Buchform publiziert. Die ersten zehn Jahre finden sich zusammengefasst in dem Sammelband „Der psychosomatische Weg zur gynäkologischen Praxis“ (Herausgeber: Prof. Prill und Prof. Langen). Die späteren Seminarkongresse wurden dann jährlich unter den Titeln „Psychosomatische Probleme in der Gynäkologie und Geburtshilfe“ (1982-1986) und „Psychosomatische Gynäkologie und Geburtshilfe“ (ab 1987) veröffentlicht. Das Selbstverständnis der Gesellschaft war von Beginn an so, dass sie sich einerseits als integraler Bestandteil der DGGG und andererseits als Deutsche Sektion der ISPOG verstand. Tab. 2:Veranstaltungsorte der Jahreskongresse bis 2001 1972-1981 Gießen und Mainz 1982 Freiburg 1983 Hamburg 1984 Frankfurt 1985 Köln 1986 Berlin 1987 Würzburg 1988 Göttingen 1989 Düsseldorf 1990 München 1991 Heidelberg 20
1992 Köln 1993 Berlin 1994 Hamburg 1995 Basel 1996 Bremen 1997 Freiburg 1998 Mainz 1999 Düsseldorf 2000 Dresden 2001 Aachen
„der psychosomatische weg zur gynäkologischen praxis“
Zum Prozess der Verschmelzung siehe den Beitrag von Matthias David und Paul Franke in diesem Buch. Mit herzlichem Dank für die Unterstützung an Prof. Dr. med. Dietmar Richter, Prof. Dr. med. Hans-Georg Siedentopf und Prof. Dr. med. Manfred Stauber.
Literatur Stauber, M./Kästner, R.: Anfänge und Entwicklungen der psychosomatischen Gynäkologie und Geburtshilfe. Der Gynäkologe (2003), 36: 1032-1038.
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