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NEUES HOLZZEITALTER
AM ANFANG WAR DAS HOLZ
Abertausende Generationen, die auf und mit Holz bauen, können nicht irren – das Naturprodukt begleitet uns, seitdem wir denken können. Aus der Vergangenheit und Tradition lässt sich einiges für aktuelle Herausforderungen wie den Klimawandel lernen. Und die Forschung feilt längst an Plänen, wie Holz den fossilen Rohstoffen den Rang ablaufen kann.
TEXT: JOSEF PUSCHITZ, FOTOS: THOMAS LUEF, MARTIN SCHÖNBAUER, STEIERMARK TOURISMUS/SARAH VALDA, LUNGHAMMER/TU GRAZ, UMJ/ÖFM, SHUTTERSTOCK
Der Werkstoff Holz begleitet uns durch die Menschheitsgeschichte, seit uns die Evolution mit der Fähigkeit ausstattete, die Natur um uns herum nutzbar zu machen. Über die Jahrtausende haben wir die Techniken, mit der wir das Holz be- und verarbeiten, immer weiter verfeinert. Unsere frühen Vorfahren würden staunen, könnten sie sehen, welche Hightech-Produkte wir mittlerweile aus dem Wald herausholen. Nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels wird immer deutlicher, welche große Zukunft das Holz in sich birgt. Aber auch eine mindestens so spannende Vergangenheit.
DAS LANGE, LANGE HOLZZEITALTER
„Wenn man den Verlauf der Menschheitsgeschichte von Beginn bis in die Jetztzeit überblickt, dann kann man sagen, dass wir als Spezies großteils in einem Holzzeitalter gelebt haben. Das gilt auch für die bekannten Bronze-, Stein- und Eisenzeitalter – der Großteil der Bauten und Gebrauchsgegenstände war auch dort hauptsächlich von Holz geprägt“, sagt Klaus Seelos. Seit 39 Jahren ist er im Freilichtmuseum Stübing tätig, wo er sich unter anderem um die Bewahrung und Instandhaltung von bäuerlichen Gebäuden mit großer Geschichte kümmert. Das älteste Gebäude datiert auf das Jahr 1452: ein Getreidekasten, dessen Holzwände nie gestrichen oder in irgendeiner anderen Art behandelt worden sind. Ein eindrucksvolles Zeugnis für die Langlebigkeit von Holz. Und für seine Omnipräsenz, denn von frühzeitlichen Pfahlbauten angefangen begegnet es uns als Baustoff in der Geschichte immer wieder.
Auch im Brauchtum hat Holz einen Fixplatz eingenommen. „Quer durch den Alpenraum finden sich Beispiele, wie im Brauchtum die Lebensenergie des Baums auf den Menschen übertragen wird. Man denke an das Frisch-und-Gsund-Schlagen mit dem Birkenzweig oder an die Palmbuschen zu Ostern“, zählt Seelos auf. Holz hat nicht nur an den Feiertagen, sondern auch im Alltag schon immer eine gewichtige Rolle gespielt – als Brennmaterial, als Schutz in der Verwendung bei Zäunen, als Lebensraum. Über die Jahrtausende sammelte sich dadurch profundes Wissen über die Beschaffenheit und die Verwendungsmöglichkeiten des Materials an. „Die Menschen erkannten, dass sich verschiedene Hölzer für verschiedene Anwendungen eignen. Das Birnenholz beispielsweise lässt sich idealerweise für Wasserradlager einsetzen, Tannen eignen sich für Unterwasserbauten“, sagt Seelos. In der historischen Verwendung, so betont er, wurde Holz übrigens nie behandelt, sondern immer naturbelassen verarbeitet. Holz zu streichen kam erst relativ spät in Mode, verleimt wurde es lange mit Naturprodukten wie Knochenleim oder Kasein. „Es gab sozusagen keinen Müll“, sagt Seelos.
BESSERE BILANZ
Seinem persönlichen Motto „Vorwärts zu den Wurzeln“ zufolge lasse sich aus dem historischen Rückblick auf unseren Umgang mit Holz viel für die Zukunft entnehmen. In Stübing werden die Holzbauten daher auch nicht erhalten, weil sie so alt sind, sondern um daraus zu lernen: wie die Wirtschaft des Kreislaufs ideal ablaufen kann, wie die uns zur Verfügung stehenden Rohstoffe so genutzt werden können, dass sie auch noch für nachfolgende Generationen erhalten bleiben. Seelos fordert in diesem Zusammenhang auf, umzudenken – einfacher zu denken. „Man muss nicht einen Gartenzaun mit 80 Zentimeter Betonfundament aufstellen, wenn es mit Holz genauso gut umgesetzt werden kann. Für denselben Effekt schafft man mit dem Einsatz von Holz eine wesentlich bessere CO2-Bilanz, während der Beton nach Ende der Nutzungszeit erst wieder mühsam entsorgt werden muss“, sagt Seelos. Er plädiert dafür, den Bauherren die Scheu vor dem Holz zu nehmen und ihnen stattdessen die vielfältigen Vorteile des Werkstoffes vor Augen zu führen. „Für die meisten bedeutet Holz, dass es unbedingt gestrichen werden muss, weil es ein anfälliger Werkstoff wäre, der sonst nicht lange halten würde. In Stübing beweisen wir Tag für Tag das Gegenteil.“
GAMECHANGER HOLZ
Diese Denk- und Handlungsweise kann Christian Hammer, Geschäftsführer von proHolz Steiermark, nur unterschreiben. Als waldreichstes Bundesland Österreichs wurde Holz in der Steiermark schon immer ein großer Stellenwert zugeschrieben. „Holz ist nicht nur wirtschaftlich ein enorm wichtiger und konstanter Faktor, sondern
Klaus Seelos, Verwalter Freilichtmuseum Stübing
Christian Hammer, Geschäftsführer von proHolz Steiermark
Ulrich Hirn, Leiter Institut für Biobasierte Produkte und Papiertechnik an der TU Graz
Das hält! Schon seit Hunderten und Tausenden Jahren setzen Menschen auf die Qualität von Holz.
Ideal für moderne Bauwerke: Mit dem Holzbau haben wir die Chance, uns aus der Klimakrise „herauszubauen“.
Blick nach vorne: An der TU Graz beschäftigt man sich im Forschungsbereich intensiv mit den wundersamen Eigenschaften von Holz. Wälder und der daraus gewonnene und stetig nachwachsende Rohstoff sind wichtiger denn je. Durch Investitionen und Innovationen zeigt sich erst die Vielfalt des Rohstoffes. Holz wird so zum Gamechanger schlechthin.“
Hammer ergänzt: „Der Holzbau und die generelle Holzverwendung ist eine Chance für die Klimawende. Anders als bei Beton und Stahl wird bei der Produktion von Holz kein CO2 freigesetzt – sondern absorbiert, wodurch unsere Atmosphäre entlastet wird. Wie kein anderes Baumaterial ist Holz zudem erneuerbar und benötigt weniger Energie sowohl in der Produktion und im Transport als auch im Hinblick auf den Energieverbrauch des Gebäudes. Mit dem Holzbau haben wir die Chance, uns aus der Klimakrise ,herauszubauen‘.“
Mit den wundersamen Eigenschaften des Holzes beschäftigt sich auch die Forschung immer eingehender. Ulrich Hirn vom Institut für Biobasierte Produkte und Papiertechnik an der TU Graz wird beim Aufzählen der vielen Verwendungsmöglichkeiten, die moderne Techniken dem Holz entlockt haben, gar nicht mehr fertig: „Holz und andere pflanzliche Materialien sind der Kernpunkt unserer Forschung. Wir arbeiten an holzbasierten Materialien, die in der Papierherstellung, in Verpackungsmaterialien, in Fasern, aber auch in Materialien zur Energiespeicherung und in der chemischen Industrie verwendet werden.“ Möglich machen das die Bestandteile, aus denen sich Holz zusammensetzt – vorwiegend Zellulose, Hemizellulose und Lignin. Daraus lassen sich mit dem richtigen Know-how Verbindungen und Stoffe erzeugen, die vielseitigst eingesetzt werden können.
BIOBASIERTE MATERIALIEN
Ein aktuell besonders gefragtes Einsatzgebiet betrifft den Versuch, den erdölbasierten Kunststoff mit alternativen Stoffen aus Holz zu ersetzen. „Plastik ist schlecht abbaubar, findet sich als Mikroplastik in unserer Umwelt wieder und bringt dazu noch die CO2 Problematik mit sich. Die Zeit ist reif geworden, sich nach Alternativen umzusehen“, sagt Hirn. Die Zeichen der Zeit spielen seinen Forschungsbemühungen in die Hände: Angesichts der Dringlichkeit der Lage werden von der Industrie und der Politik zunehmend Forschungsgelder für Programme rund um biobasierte Materialien lockergemacht. Förderprogramme für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft laufen auf nationaler Ebene sowie bei der EU, um den Technologiewandel voranzutreiben. Chancen bieten sich auf dem Gebiet nicht wenige. Die Chance, die Hirn verfolgt, bezeichnet er als „holzbasierte Bioraffinerien“: Basierend auf der Grundchemie des Werkstoffes sucht er nach Synthesewegen, um daraus andere technisch wichtige Stoffe und Materialien zu entwickeln. „Das ist alles nicht neu, schon seit 100 Jahren wird etwa Alkohol aus reiner Zellstoffproduktion gewonnen. Aber jetzt ist das Thema in den Fokus gerückt, jetzt gibt es verstärkte Forschungsanstrengungen“, sagt Hirn. Aber auch bei bewährten Produkten ist Innovations-
potenzial gegeben: etwa beim Papier in der Verpackungsindustrie, das immer noch den Löwenanteil der Holzverarbeitung ausmacht. Um dem Trend nach umweltfreundlichen Materialien noch mehr Schub zu verleihen, arbeitet Hirn an der laufenden Weiterentwicklung der Eigenschaften von Papier. Zum Beispiel wird es durch biobasierte Beschichtungen fettdicht, luftdicht oder aromadicht. Zellstofffasern helfen, auch dank der Technologie des Fasergusses Schritt für Schritt erdölbasierte Materialien zu ersetzen. NICHTS VERSCHWENDEN
Als dritten vielversprechenden Bestandteil von Holz führt Hirn die Hemizellulose ins Treffen: kurzkettige Zuckerverbindungen, die aus dem Holz extrahiert werden können. Sie finden zunehmend Einsatz als Rohstoff für z.B. Ethanol- oder Milchsäureherstellung sowie in der Lebensmittelindustrie und helfen dabei, wertvolle Ressourcen zu schonen.
Dass so ein chemischer Extraktionsprozess auch immer ein energieintensiver ist, räumt Hirn ein – laut ihm aber auch kein Nachteil, denn praktischerweise liefert das Holz in der Zellstoffherstellung die benötigte Prozesswärme dafür gleich mit. Was davon nicht für die chemischen Prozesse notwendig ist, wird zur Stromerzeugung verwendet, die Restwärme kann dann noch für die Fernwärme ausgekoppelt werden – nichts wird verschwendet in der holzbasierten Bioraffinerie.
KRAFT DES HOLZES
Ein perfektes Beispiel für Kreislaufwirtschaft, findet auch Christian Hammer. Für ihn ist die Verwendung von Holz in all seinen Ausprägungen der dringend benötigte Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft: „Mir ist lieber, es wird ein hochwertiger Kasten oder ein Bett aus Holz gekauft, das auch mehrmals mitsiedeln kann, anstatt Billigprodukte aus dem Ausland zu verwenden. Dafür steht regionales Holz in all seiner Vielfalt.“ Eine neue Regionalität, die mit der Kraft des Holzes nicht nur die heimische Wirtschaft mit 55.000 Arbeitsplätzen stützt, sondern sich aktiv der wohl größten Herausforderung unserer Zeit – dem Klimawandel – entgegensetzt. „Wir müssen aus der Vergangenheit lernen und die Zukunft bewusst gestalten. Nur so kann ein erfolgreicher Wandel gelingen“, betont Hammer.
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