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FAMILY AFFAIRS
und mich so gefreut – für dich und dein großes Projekt, das du mit vielen Menschen verwirklicht hast.
Michael Ostrowski: Auf Kinotour war ich jetzt schon ein paar Mal im Film und ich freu mich wahnsinnig über die Reaktionen. Er spricht ein ganz gemischtes Publikum und unterschiedliche Generationen an. Es kommen 13- und 80-Jährige, und beide wollen ein Poster mit Autogramm, das taugt mir extrem.
Ich war beim Schauen überrascht, wie schnell ich den Mike mochte, den linken Onkel, der das vermeintlich geordnete Leben des Bruders durcheinanderbringt. Welche Vision steckt für euch dahinter?
Michael Ostrowski: Uns ging es eben um diese interessante Figur: den Onkel. Er ist vielleicht die scheinbar dunklere Seite, sein Bruder die hellere, wo das gute Leben, das Geld, die Familie, das Haus sind. Der Onkel löst überall kleine Explosionen aus: bei den Kindern, der Frau, den Nachbarn. Er hat nichts, womit er angeben kann, und geht doch mit Würde durchs Leben – und mit Humor!
Für alle Figuren gilt: Niemand wird gerichtet oder Gut und Böse zugeordnet. Alle Menschen haben Sehnsüchte und Fehler, das steckt da drinnen – und ein bisserl Korruption, die es halt recht gern in Österreich gibt.
Hilde Dalik: Ich find die Liebesgeschichte sehr schön (zwischen dem Onkel und der Frau des Bruders, Anm.); sie wird nicht so eindeutig erzählt und ist zugleich komplex; ich entdecke immer neue Aspekte. Da sind viele Konflikte, aber man spürt, sie gehören zusammen.
Parallel zur irdischen Story wird eine Parabel über einen Habicht erzählt – mal poetisch, mal brutal und mitunter sogar derb. Was hat es damit auf sich?
Michael Ostrowski: Die Geschichten stammen tatsächlich von Bauern und wir sahen darin eine Analogie zur Figur des Onkels. In einem Part wird erzählt, dass der Habicht umgebracht werden muss, weil wenn er einmal weiß, wo die Hendln sind, kommt er immer wieder. Es ist eben nicht alles versöhnlich, manches liegt in der Natur der Dinge.
Ich wurde einmal gefragt, wieso es so viele Ohrfeigen im Film gibt und warum nicht adäquat darauf reagiert wird. Man muss halt aushalten, dass Dinge passieren, die nicht in Ordnung sind. Wenn eine Mutter ihr Kind schlägt, ist das ein schwerer Übergriff, das kommt von etwas und löst etwas aus. Menschen tun solche Sachen und man kann das zeigen: Das kann lustig sein, aber auch voll traurig.
Eine Premiere: Die Familie spielt mit. Wie hat sich das angefühlt und wie schafft ihr die Challenge mit Dreharbeiten und Auftritten mit einem kleinen Kind? Hilde Dalik: Hauptsächlich weil meine Eltern sich großartig um unsere Tochter kümmern, wenn wir arbeiten, und wir wechseln uns auch ab. Wenn es möglich ist, ist sie beim Dreh mit, beim „Onkel“ war sie dann nicht hinter, sondern vor der Kamera. Michael Ostrowski: Ich hatte früh die Idee, dass die Nachbarn Jenny und Udo ein Kind haben, eigentlich ein älteres, aber dann hab ich mir gedacht: Ah wos, dann ist unsere Cosima ihr Kind. Wir müssen doch das Potenzial nutzen! Hilde Dalik: Dann ist sie zum Casting und hat sich gegen 5.000 Kleinkinder durchgesetzt (vermutlich ein Scherz, Anm.). Gut gemacht, Cosima! – Michi, deine großen Kinder Maris und Elisea nahmen tatsächlich am Casting teil, wie ist das für dich, deine Figuren von den eigenen Kindern gespielt zu sehen? Michael Ostrowski: Zuerst habe ich mir geDER ONKEL (THE dacht, das könnte über die Grenzen des guten HAWK). Geschmacks gehen. Aber im Gegenteil: Mit den Der Film von Michael eigenen Kindern zu arbeiten ist besser, weil es Ostrowski und ein Vertrauensverhältnis gibt und sie wissen, dass Helmut Köpping startete im ich nichts tun würde, das für sie nicht richtig Frühsommer in den heimischen Sommerkinos, demnächst unter anderem in: wäre. Hilde Dalik: Sie waren sehr professionell. Ich Baden (22. Juli), finde es – wie bei den beiden – auch sehr gut, Klosterneuburg (5. August), wenn nicht nur ein Interesse da ist: Elisea studiert Laxenburg (16. August). in Graz Medizin, Maris ist Tennisspieler auf Leistungssportniveau. Anke Engelke in der Hauptrolle – so genial! Wie war es, mit ihr zu arbeiten? Hilde Dalik: Das Beste! Sie beherrscht eine gute Mischung aus Komödie und einer ernsthaften Herangehensweise und ist als Kollegin so liebevoll zu allen am Set. Michael Ostrowski: Sie ist auf die positivste Art verrückt! Sie will beim Dreh genau wissen, was sie warum sagt, und macht immer ein bisschen mehr. Das kann man sich nur wünschen. Sie kann ganz feine Sachen spielen, aber auch derb sein und das lustig finden. Hilde, angeblich hat Michael dir die Rolle der Jenny auf den Leib geschrieben. Im Pressetext ist die Rede von leichter Manie und Borderlinigkeit … Hilde Dalik: Da erfährt man mal einiges über mich. Michael Ostrowski: Das ist natürlich nicht die Hilde, aber niemand sonst hätte sie so gut spielen können. Okay, der Pressetext ist auch echt witzig, aber eine Parallele könnte deine herzliche Unvoreingenommenheit sein … Hilde Dalik: Ja, ich gehe auch gerne nahe an die Menschen heran, ich interessiere mich für sie. Aber Jenny ist zu nah, emotional und körperlich, ihr fehlt Distanz. BLONDES GIFT. Schon die Erscheinung ist ein Hit: Michael Ostrowski als Michael Ostrowski: Onkel Mike mit Lisa-Lena Tritscher. Deswegen ist sie so inter-
essant. Ich schreibe den „Onkel“ gerade als Roman und auch meine Lektorin findet die Jenny neben den Hauptfiguren am interessantesten. „Ich weiß, was ich will“ – man kriegt das nicht mehr aus dem Kopf, wieso dieser Song?
Michael Ostrowski: Es ist die beste Nummer von Udo Jürgens, da werden viel Sehnsucht und große Gefühle transportiert. Wir haben unendlich für den Song gekämpft und das Original nicht gekriegt, aber das Cover! Conchita macht das großartig.
Was wollt ihr vom Leben?
Hilde Dalik: Puh … Vielleicht kann man frei nach Viktor Frankl umformulieren: Was kann ich dem Leben geben?
Michael Ostrowski: Da kann ich jetzt mit allem einpacken, was ich jetzt sage (beide lachen).
Hilde Dalik: Mit Kind verändern sich die Wünsche: Man will das Beste für das Kind! – Die schwierigste Frage stellst du uns da.
Michael Ostrowski: Es gibt nur eine, die schwieriger ist. Ich hab mal für einen Kurzfilm einen 18-Jährigen nach einem Fußballmatch gefragt, wen er lieber hat: seine Freundin oder seine Mutter.
Hilde Dalik: Stimmt, das ist schwieriger. Ernsthaft: Man kann jeden Tag dem Leben etwas geben. Wir können uns vegan ernähren oder Bioprodukte vom Bauernhof essen, um gegen Klimakatastrophe und Tierleid aktiv zu sein, und Mutter-Kind-Häuser unterstützen. Wir alle fühlen uns besser, wenn wir etwas für die Gemeinschaft tun. Das haben wir 2015 gesehen, das sehen wir jetzt in der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine. Und: Man kann auch Gutes tun, indem man sich den „Onkel“ anschaut. Weil er gute Laune macht und Anstöße gibt, die eigenen Denkmuster zu hinterfragen.
Michael Ostrowski: Ich denke viel über Gemeinschaft nach und glaube, dass die Menschen miteinander sehr viel netter wären, als die, die an der Macht sind. Das ist nicht repräsentativ. Was ich will, muss niemand wissen. Wenn das jeder für sich weiß, kann man auch miteinander glücklich sein.
Was wünscht ihr euch für die Kinder?
Michael Ostrowski: Dass die Kinder das werden können, was sie in sich haben. Ich wünschte, dass sie das machen können ohne einer Durchschnittstemperatur von 43 Grad im Schatten.
CONCHITA GOES
UDO. Für „Der Onkel“ covert er famos den Song „Ich weiß, was ich will“.
GROSSZÜGIGE MÄZENIN. Die Eröffnung ihres Museums erlebte Heidi Goëss-Horten noch mit, nur wenige Tage später verstarb sie mit 81 Jahren in ihrem Haus am Wörthersee.
NEUER ORT für Kunst
Die kürzlich verstorbene Kunstsammlerin Heidi Goëss-Horten hinterlässt der Öffentlichkeit ein großes Erbe: Anfang Juni wurde ein neues Museum für ihre Privatsammlung eröffnet.
Text Ursula Scheidl
Heidi Goëss-Horten war in den letzten Jahren sehr selektiv, was ihre öffentlichen Auftritte betraf. Völlig überraschend verstarb die
Milliardärin nur wenige Tage nach der
Eröffnung ihres neuen Museums. Bereits 2018 hatte sie im Wiener Leopold Museum Teile ihrer umfangreichen Kollektion präsentiert. Das Publikumsinteresse war so groß, dass sie sich entschloss, weitere
Teile ihrer Sammlung im bislang einzigen ständig öffentlich zugänglichen
Privatmuseum in Wien vorzustellen.
Herzensprojekt. In knapp zwei Jahren wurde von the next ENTERprise
Architects ein ehemaliges erzherzogliches Kanzleigebäude zwischen Staatsoper,
Albertina und Burggarten in ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst verwandelt. Als gebürtige Wienerin hat sich Heidi Goëss-Horten bewusst für
Wien als Standort entschieden: „Auch wenn ich in meinem Leben viel gereist bin, so hat mir die Rückkehr nach Wien immer ein Gefühl des Nach-Hause-Kommens vermittelt.“ Drei Ausstellungsebenen mit rund 1.500 m2 sind durch frei schwebende Treppen verbunden, ein
Atelier mit Terrasse steht für Vermittlungsaktivitäten zur Verfügung. „Ich sehe mein Museum als Ort des Entdeckens, des sinnlichen Erlebens, des Kunstgenießens – denn genau das war und ist die
Kunst bis heute für mich: ein unverzichtbarer Genuss!“, sagte Heidi Goëss-Horten über ihr Herzensprojekt. Hauptaufgabe des neuen Museums wird daher sein, ihre
Sammlung in ihren unterschiedlichen
Facetten erlebbar zu machen.
Passionierte Kunstsammlerin. Die
Leidenschaft für das Sammeln hat sie für sich entdeckt, „als ich mich nach dem Tod meines ersten Mannes neu finden musste. Die Kunst ist für mich seit meiner Kindheit wichtiger Bestandteil meines Lebens. Mein Vater, technischer
Zeichner und Graveur, fertigte Porträts von mir an, und auch ich habe das Malen nach längerer Zeit wieder für mich entdeckt“, sagt sie. Anfang der 1990er Jahre begann sie verstärkt, Kunst zu erwerben.
So kaufte sie ganz spontan bei einem
Besuch in seinem New Yorker Atelier 15 Gemälde von George Condo, als er noch völlig unbekannt war. „Dass sich aus den Käufen, die ich oft aus dem Bauch heraus getätigt habe, eine so umfassende
Sammlung entwickeln würde, hätte ich am Anfang nicht gedacht. Ich bin ein
Augenmensch. Wenn ich ein Kunstwerk
OPEN. Die Ausstellung rückt die außergewöhnliche Architektur des Hauses in den Fokus. Die gezeigten Werke demonstrieren eindrücklich die Weiterentwicklung der Sammlung.
sehe, weiß ich im ersten Moment, ob es für meine Sammlung infrage kommt“, so Heidi Goëss-Horten in einem Gespräch mit Agnes Husslein-Arco, die Goëss-Horten 35 Jahre lang beraten hat. Visionärin. Die ehemalige Chefin des Museum Belvedere wird auch die neue Direktorin des Hauses. „Sie hat auf mein
GROSSES VERTRAUEN.
Agnes Husslein-Arco führt die Heidi Horten Collection als Direktorin. professionelles Urteil vertraut. Daher hat sie mich auch gebeten, das Museum zu bauen und in ihrem Sinne zu führen“, sagt sie. „Das Museum und die Sammlung sind das Vermächtnis einer sehr großzügigen und klugen Frau. Das Haus wird meinem Team und mir viele Möglichkeiten für Ausstellungen bieten, die den visionären Charakter der Sammlerin zeigen.“ Dabei kann Husslein-Arco aus dem Vollen schöpfen: „Mich beeindruckt vor allem, dass diese Sammlung so viele wichtige künstlerische Epochen, wie die italienische Arte povera oder die amerikanische Pop-Art, in Tiefe umfasst. So etwas findet man in keinem anderen österreichischen Museum.“
Heidi Goëss-Horten hat dafür vorgesorgt, dass ihr Lebenswerk erhalten bleibt und fortgesetzt wird. „Es ist mein großer Wunsch, dass dieses Museum auf besondere Art in die Welt hinausstrahlt und seine ganz eigene Geschichte erzählt“, so die Museumsgründerin. Die erste Themenausstellung im Herbst 2022 wird eine Hommage an den persönlichen Stil der Sammlerin und ihrer Kunst sein.
VON DER AUSSENSEITERIN ZUR STARAUTORIN. Deesha Philyaw wuchs als Einzelkind auf. Sie hat vier Halbgeschwister. Bis zum Wechsel auf das College besuchte sie regelmäßig den Sonntagsgottesdienst in ihrer Heimatstadt Jacksonville. Sie studierte Wirtschaftswissenschaft an der Yale University. Während ihres Studiums lernte sie ihren späteren Ehemann, einen Bankdirektor, kennen, von dem sie sich 2006 scheiden ließ. Sie lebt heute mit ihren beiden Töchtern in Pittsburgh und arbeitet an ihrem nächsten Buch. Für ihr Debüt wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2021 mit dem PEN/Faulkner Award for Fiction.