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JAHRHUNDERT-CHANCE
DIE CHANCE DES JAHRHUNDERTS
Holz als Klimaretter und Biodiversität im bewirtschafteten Wald – Stefan Zwettler, Leiter der Abteilung Forst und Energie in der Landwirtschaftskammer Steiermark, im Gespräch über die Bedeutung und den Sinn einer ÖKO-logischen Waldwirtschaft.
FOTOS: SHUTTERSTOCK, BEIGESTELLT
STEFAN ZWETTLER
Leiter der Abteilung für Forst und Energie in der Landwirtschaftskammer Steiermark
Der Wald ist mehr als eine schöne Freizeitkulisse. Worin sehen Sie das größte Potenzial des Waldes?
Stefan Zwettler: In den vielfältigen Ökosystemleistungen. In seiner Natürlichkeit, der Wald als Klimaregulator, als Lieferant des erneuerbaren Rohstoffes Holz, als Wasserspeicher, als Lebensraum für eine vielfältige Pflanzen- und Tierwelt und in seiner Schutzfunktion vor Naturkatastrophen, Lawinen und Bodenerosion.
Wie kann der Wald zur Rettung des Klimas beitragen?
In dem wir ihn unter Einhaltung ökologischer, ökonomischer und sozialer Prinzipien bewirtschaften. Die nachhaltige Waldwirtschaft, wie sie von uns seit Generationen betrieben wird, stellt neben der Einsparung von fossilen Rohstoffen das größte Klimaschutzprojekt dar, das wir aktiv umsetzen. Im Sinne der biologischen Automation ernten wir Bäume und sorgen gleichzeitig dafür, dass junge Bäume nachwachsen. Kurzum: Waldwirtschaft ist aktiver Klima- und Umweltschutz.
Worin sehen Sie die Chance des Jahrhunderts?
Der renommierte Physiker und Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber ist der Überzeugung, dass wir uns aus der Klimakrise herausbauen können. Ein Lösungsvorschlag, den er wissenschaftlich untermauert als Dreh- und Angelpunkt vorstellt, ist eine Reform der Bauwirtschaft. Durch die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes Holz kann der Bausektor CO2-Emissionen binden und die Atmosphäre durch die Substitution anderer klimaschädlicher Rohstoffe sogar „nachreinigen“, wie er es formuliert.
Klingt das nicht wie eine Utopie?
Nein, ganz und gar nicht. Werfen wir einen Blick nach Skandinavien. Dort ist Holz der Baustoff Nummer eins. Wir müssen weg kommen von einer verbrauchenden Wirtschaft hin zu einer regenerativen Kreislaufwirtschaft. Geht nicht, gibt’s nicht, die Zeit drängt, wir müssen JETZT handeln.
Führt das nicht zu einer Übernutzung der Wälder wie etwa im AmazonasGebiet?
Darauf antworte ich mit einem klaren und entschiedenen NEIN. Die Wälder in unserem Land werden nicht von einer knallharten, gewinnmaximierenden Forstindustrie ausgebeutet. Von einer Plantagenwirtschaft sind wir weit entfernt. Unser Erfolgskonzept liegt in einer kleinstrukturierten Familienforstwirtschaft mit einer engen emotionalen, wirtschaftlichen und kulturellen Bindung an das Eigentum. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, der Generationenvertrag und ein Rahmen strenger gesetzlicher Bestimmungen sichern den Bestand der Wälder.
Hand aufs Herz, wie sieht es da mit dem Erhalt der Artenvielfalt aus?
Eine wichtige Frage. Wir sind in unserem Land mit einer Vielzahl an Waldlebensräumen gesegnet. Über 26.000 Wald-Umwelt-Maßnahmen
wurden allein in den letzten fünf Jahren von den WaldbesitzerInnen umgesetzt. 61,8 Prozent der Waldfläche unterliegen einem gesetzlich verankerten Schutzregime. Wir haben dazu ein aussagekräftiges Projekt umgesetzt, das die Artenvielfalt im bewirtschafteten Wald belegt.
Welches Projekt?
Renommierte Wissenschaftler haben im Waldgebiet unserer forstlichen Ausbildungsstätte in Pichl im Mürztal die Artenvielfalt untersucht. Die Inventur-Ergebnisse sind sensationell. Auf einer bewirtschafteten Fläche von rund 330 Hektar wurden über 1.000 Pilzarten, 59 Vogelarten, 1.100 Brutreviere, 280 Käferarten, 45 Tagfalter- und 273 Nachtfalterarten, 31 Schneckenarten, 80 Spinnenarten und ein reiches Vorkommen an Ameisen und Reptilienarten nachgewiesen. Die Neuentdeckung einer Skorpionart rundet das Bild ab.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Biodiversität?
Das können wir heute noch nicht endgültig beantworten. Die Prozesse in der Natur sind dynamisch. Tatsache ist, dass es beispielsweise für die Baumart Fichte in vielen Regionen zu warm und im Sommer zu trocken wird, bei uns etwa in der Südoststeiermark. Die Waldgrenze steigt weiter nach oben. Das wärmere Klima begünstigt Insekten und Krankheitserreger, die den Wald schädigen. Es laufen bei uns zahlreiche Projekte zum Thema klimafitte Waldwirtschaft und Baumarteneignung.
Stichwort EUWaldstrategie, ein emotionales Thema. Wie ist Ihr Standpunkt dazu?
Die EU-Kommission will die Waldkompetenz von den Mitgliedsstaaten abziehen und nach Brüssel verlagern.
Das widerspricht dem Prinzip der Subsidiarität und würde unsere Handlungsfähigkeit massiv einschränken. 30 Prozent der Fläche sollen unter Schutz und 10 Prozent außer Nutzung gestellt werden. Das ist ein Angriff auf das Eigentum und für den Klimaschutz untauglich. Dagegen müssen wir uns mit unserer Fachkompetenz, untermauert mit dem Nachweis unserer erfolgreichen Wald- und Holzwirtschaft, zur Wehr setzen.
Können Sie die drei Säulen, auf denen das Erfolgsrezept für Europa aus Ihrer Sicht basieren würde, kurz beschreiben?
Mit dem Blick auf die „Neue Europäische Bauhaus-Initiative“ wie folgt: Wir bauen nicht auf Sand, sondern auf dem Felsen der Nachhaltigkeit. Mit den drei Säulen ökosoziale Waldwirtschaft, klimafreundlicher Holzbau und energetische Nutzung forstlicher Nebenprodukte, unter dem Dach der Artenvielfalt, schützen wir unser Klima, unsere Natur und schaffen neue zukunftsfähige Arbeitsplätze.
WALD STEIERMARK
• Waldfläche: 1,01 Mio. Hektar; das sind 61,5 % der Landesfläche • 307,3 Mio. Vorratsfestmeter (= m3) Holz • Zuwachs: 8,02 Mio. m3; Nutzung: rund 5 Mio. m3 • 71 % Nadelholz, 17 % Laubholz,
Rest: Sträucher, Latschen etc. • 83,2 % Ertragswald, 11,8 % Schutzwald, 5 % Restflächen
• 61,8 % der Fläche unterliegen einem
Schutzregime • Rund 40.100 Waldbesitzer
• 56.000 Einkommensbezieher im Forst- und
Holzsektor (56 % Kleinwald, 35 % Forstbetriebe, >200 Hektar; 9 % Ö. Bundesforste AG) • Produktionswert Waldwirtschaft: 409 Mio. Euro
• Außenhandelsüberschuss im
Forst- u. Holzsektor in Ö.: 4,55 Mrd. Euro • Der österreichische Wald bindet 985 Mio. Tonnen CO2 Auf www.stmk.lko.at/forst finden Sie Beratungsvideos zum Thema Klimawandel und waldbauliche Pflegemaßnahmen