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„BEI UNS STEHT DAS IM VORDERGRUND“ Leben

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Im Februar 2022 sind die ersten Bewohnerinnen und Bewohner in das neue Hospiz in Ried im Innkreis eingezogen. Leiterin Nadine Guntner hat uns einen Einblick in ein Haus gegeben, in dem das bunte Leben im Vordergrund steht.

Bunte Wände, frische Blumen, emsiges Treiben und 17 liebevolle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen sich um das Wohlergehen der Bewohnerinnen und Bewohner, die im Hospiz in Ried im Innkreis ihren letzten Lebensabschnitt verbringen. „Natürlich thematisieren wir auch das Sterben, aber das Leben steht bei uns im Mittelpunkt“, erzählt Nadine Guntner. Seit der Erö nung im Februar 2022 leitet die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und akademische Ex- pertin in Palliative Care das nunmehr zweite Hospiz in Oberösterreich. Derzeit absolviert die Zweifachmama an der PMU Salzburg ihren Master in Palliative Care. Und wenn man mit ihr spricht, merkt man sofort, mit wieviel Herzblut und Liebe die 34-jährige Schärdingerin ihren Beruf ausübt.

Frau Guntner, was hat Sie dazu bewogen, in den Fachbereich Palliative Care zu gehen?

Im Jahr 2010 ist mein Vater im Alter von 45 Jahren akut verstorben, ich war im achten Monat schwanger und kein

Mensch hat sich in dieser schwierigen Situation um uns gekümmert. Obwohl ich nicht wusste in welcher Form, habe ich mich damals entschieden, dass ich für Menschen in ähnlichen Lebenslagen da sein möchte. Schließlich hat es sich ergeben, dass ich in einem stationären Hospiz meine ersten Schnupperstunden machen konnte. Mir war sofort klar, dass das für mich passt. Mittlerweile bin ich seit gut zwölf Jahren in der Hospiz- und Palliativversorgung tätig.

Was ist der Unterschied zwischen einem Hospiz und einer Palliativstation?

Die Palliativstation ist immer eine

Abteilung im Krankenhaus mit dem Ziel, die Patienten zu entlassen. Das Hospiz ist die letzte Lebensstätte von Menschen und die Begleitung hat oberste Priorität.

Für wie viele Bewohnerinnen und Bewohner bietet das Hospiz in Ried Platz?

Wir haben Platz für sechs Bewohnerinnen und Bewohner. Aber auch deren Angehörige können bei uns übernachten. In vier Zimmern haben wir ein fixes Bett, in den anderen beiden Zimmern helfen wir uns mit Mobilisationsstühlen aus und im Meditationsraum haben wir eine ausziehbare Couch zur Verfügung.

Was ist Ihnen als Leiterin des Hospizes in Ried wichtig?

Dass wir das Leben in den Vordergrund stellen. Das ist seit dem ersten Tag mein Ansporn. Bei uns ist immer alles mit frischen Blumen dekoriert, es ist bunt und es ist auch immer etwas los. Das Leben, das Brauchtum und unsere Kultur sollen Platz haben. Vor Ostern habe ich meine zwei Buben mit in das Hospiz genommen und wir haben gemeinsam Eier gefärbt. Natürlich thematisieren wir auch das Sterben, die Menschen wissen ja, warum sie bei uns sind. Aber es ist wichtig, dass sie nicht nur in ihren Zimmern auf das Sterben war- ten, sondern auch rauskommen, an die frische Luft auf unsere schöne Terrasse. Unser Ziel ist, dass sich die Menschen –so gut es geht – wohlfühlen. Das beginnt bei den Mitarbeitern, die ich als meinen bunten Tulpenstrauß bezeichne.

Wie viele Mitarbeiter arbeiten im Hospiz in Ried?

Mit einer Sozialarbeiterin, einer administrativen Mitarbeiterin und den Pflegekräften sind wir 17 Personen. Es ist eine aufwendige Pflege, wobei diese nicht immer im Vordergrund steht, da bei uns im Haus die Begleitung das Wichtigste ist. Gespräche mit Bewohnerinnen und Bewohnern sowie auch mit den Angehörigen nehmen viele Ressourcen in Anspruch. Aber es sind auch hochkomplexe Verbände zu machen, Drainagen und Schmerzpumpen zu bedienen, und natürlich betreuen wir auch Menschen, die nicht mehr aus dem Bett können, das erfordert die Expertise von diplomiertem Pflegepersonal.

Wie schwierig ist es, einen Platz zu bekommen?

Es gibt immer eine Warteliste, aber wir bleiben mit den Menschen in Kontakt und schauen, was wir ihnen anbieten können. Das reicht von mobilen Palliativ- und Hospizteams bis hin zur Unterbringung auf einer Palliativstation in einem Krankenhaus. Nur weil jemand bei uns keinen Platz bekommt, wird er nicht alleine gelassen.

Wie grenzen Sie sich und auch Ihre Mitarbeiter ab? Sie sind ja quasi ständig mit dem Tod befasst.

Da hat jeder seine eigenen Rituale. Ich bin zwar schon hochprofessi- onell, aber es gibt immer wieder Menschen, die mich triggern und in meiner Emotion packen. Vor Kurzem ist ein Bewohner gestorben, der lange bei uns im Haus war und von dem wir viel lernen konnten. Es kommt nicht oft vor, dass es mir beim Verabschieden die Tränen in die Augen drückt, aber in diesem Fall war es so und das ist auch gut. Wir sind ja auch nur Menschen.

Fast täglich hört oder liest man in den Medien von akutem Personalmangel in der Pflege. Wie geht es Ihnen, ist es schwierig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?

Leider wurde diesbezüglich viel versäumt und ich befürchte, dass die jetzige Situation erst der Anfang der Fahnenstange ist. Ich darf mich aber nicht beschweren, weil ich immer ausreichend Personal finde. Ich bin auf einer Insel der Seligen. Der Pflegeberuf ist für mich der schönste Beruf, den es gibt, auch wenn ich nicht mehr aktiv in der Pflege tätig bin, aber natürlich helfe ich bei uns im Hospiz mit.

Sie haben Tattoos an den Armen, verraten Sie uns, was diese bedeuten?

Das sind Armbänder mit den Werten, die mir im Leben wichtig sind – Autonomie, Glaube, Wertschätzung, Gelassenheit, Liebe, Vertrauen und Ho nung.

Ihre Söhne sind zwölf und sechs Jahre alt, Sie sind Leiterin des Hospizes und machen gerade Ihren Master. Wie bringen Sie das alles unter einen Hut?

Meine Familie unterstützt mich, wo es nur geht. Mit der besten Mutter der Welt lässt sich das alles, auch als Alleinerziehende, recht gut vereinbaren. Grundsätzlich bin ich täglich im Hospiz vor Ort, den Rest arbeite ich von zu Hause aus im Homeo ce. Aber ich brauche das und liebe meine Arbeit.

Foto: f-stop-fotografi

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