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FUCHS IM BAU
Die Hoffnung DUFTET
nach Zimt
Beim deutschen „Max Ophüls Preis“ räumte „Fuchs im Bau“ ab, im Juni folgt der lang ersehnte Kinostart in Österreich: Maria Hofstätter und Luna Jordan über ihre Rollen in Arman T. Riahis Meisterwerk, über junge Gefangene, Respekt und wohltuenden Humor.
Text: Viktória Kery-Erdélyi Fotos: Filmladen Filmverleih/Golden Girls Film Produktion, Jeanne Degraa
Fürs Leben lernen im Schulunterricht. Im Jugendstrafvollzug. Elisabeth Berger marschiert selbstsicher mit ihrer Klasse in die Gefängnisküche. Der düstere Alltag der jungen Menschen kann gut nach Zimt duftende Hoffnung vertragen. Anstatt Wurzelziehen bäckt die Häfnlehrerin mit den Kids lieber einen Apfelstrudel. Strahlende Augen, der Schmäh rennt, die Mission glückt. „Das hat Wolfgang Riebniger tatsächlich gemacht: Einen Apfelstrudel mit der Klasse gebacken“, sagt Maria
Hofstätter. Sie spielt die an den realen
Gefängnispädagogen der Justizanstalt
Josefstadt angelehnte Rolle, die Lehrerin Elisabeth Berger. Filmemacher Arman T. Riahi hatte den für seine unkonventionellen Methoden bekannten
Pädagogen Riebniger bei einem früheren
Projekt kennengelernt; er inspirierte ihn.
Gut zehn Jahre später sitzt der ehemalige Häfnlehrer beratend am Set eines
Films, an dem Menschen aus mehr als 20 Nationen zusammenwirken und etwas Erstaunliches vollbringen: In der leerstehenden Außenstelle Stockerau des Korneuburger Gefängnisses entsteht mit „Fuchs im Bau“ ein Film, der dem tristen Jugendstrafvollzug leuchtende Momente und pointierte Dialoge entgegensetzt, der unaufdringlich in Erinnerung ruft, „dass jeder Mensch Respekt verdient und liebenswert ist“, sagt Luna Jordan, die herausragend den intersexuellen jungen Menschen Samira verkörpert.
NIEDERÖSTERREICHERIN: Ihre Rollen haben reale Vorbilder, Sie haben in echten Gefängnissen gedreht. Wie haben Sie das erlebt?
Maria Hofstätter: Einerseits hat es uns sehr geholfen, es andererseits emotional schwieriger gemacht, dass wir nicht in einem Studio, sondern wirklich in einem Gefängnis gedreht haben. Sehr hilfreich war der große Zusammenhalt. (In Richtung Luna Jordan:) Gerade für dich, du musstest emotional voll einsteigen. Da war es wichtig, sich rundherum geschützt und aufgehoben zu fühlen.
Luna Jordan: Ohne dieses so tolle Team, wüsste ich nicht, wie ich das geschafft hätte. Das war meine erste größere, tiefer gehende Rolle; ich hab‘ mir auch einen Coach dafür geholt. Die Drehzeit war sehr anstrengend, psychisch und physisch. Ich war 17, 18, in einem Alter, in dem man alles wahnsinnig schnell aufnimmt; es ist sehr viel hängengeblieben. Ich bin total dankbar für die Rolle in „Fuchs im Bau“, ich hab‘ wahnsinnig viel von ihr gelernt. Aber alles wieder loszulassen, die dunkle Atmosphäre zu vergessen, ist eine Herausforderung. … was neben den fordernden Geschichten auch an den Locations selbst liegt?
Maria: Auch wenn das Gefängnis leer gestanden ist (Außenstelle Stockerau, Anm.), spürt man beinahe diesen Angstschweiß, die Aggressionen, die Trauer. In der Schulklasse herrscht etwas weniger Gefängnisatmosphäre; das soll auch im Film transportiert werden: Dort gibt es ein bisschen Freiraum. Aber sobald
BESSER GEHT ES NICHT.
In den „Fuchs im Bau“-Hauptrollen spielen Aleksandar Petrović (li. im Making-of-Foto bei einer Leseprobe), Maria Hofstätter und Luna Jordan. Filmszene links oben: Lehrerin Elisabeth Berger (Maria Hofstätter), Tara Ketabi von der Gerichtshilfe (Sibel Kekilli)
WOHIN FÜHRT DIE TÜR NACH DER
HAFT? Packende Momente gepaart mit pointierten Dialogen in der Gefängnisschule. Mehr als 400 junge Menschen wurden für die Klasse gecastet, viele Rollen wurden bewusst mit Laien besetzt.
MIT JEDER FASER.
Luna Jordan brilliert in der Rolle der intergeschlechtlichen Samira, die kaum spricht, aber deren innere Konflikte sich oft in aggressiven Ausbrüchen ihren Weg nach außen bahnen.
es wieder in die Zelle geht, in die Isolierzelle im Keller, diese Gänge, Türen und Schlösser … (atmet tief aus)
Luna: Das ist wahnsinnig beklemmend. Am anstrengendsten war für mich der Drehtag in der Justizanstalt Josefstadt (wo junge Gefangene zwar getrennt, aber im selben Komplex mit den Erwachsenen sind, Anm.), obwohl ich da nicht so schlimme Sachen zu spielen hatte, aber wo noch einmal die realistische Geräuschkulisse dazukam. Man hat Schreie gehört, Leute haben gegen Fenster und Gitterstäbe geschlagen, man wurde am Hof bepfiffen, es wurde Essen rausgeworfen, da waren Kakerlaken …
Arman T. Riahi spricht in seinen Interviews von Kindern im Gefängnis und im Film realisiert man, was er meint …
Maria: Wenn man nicht damit konfrontiert ist, überlegt man nicht so genau, dass man ab 14 haftfähig ist. Es war für mich unglaublich, wie ich das erste Mal zur Recherche in der Gefängnisschule war. Da merkt man, wie jung sie sind. Gleichzeitig haben sie etwas gemacht, was nicht in Ordnung ist, sonst wären sie nicht dort. Viele kommen aus schwierigen Verhältnissen und dann beginnt ihr Leben schon so. Sie haben Angst, wie es mit ihnen weitergeht, das geht einem sehr nahe.
Es wurden über 400 Jugendliche gecastet. Wie sind Sie in die Rolle der Lehrerin Elisabeth Berger reingekommen?
Maria: Der neue Lehrer, der Fuchs, der muss sich das Vertrauen erst erarbeiten, aber es war sehr wichtig, dass die Jugendlichen zu mir von Anfang an Vertrauen hatten. Elisabeth Berger ist zwar nicht immer politisch korrekt, aber sie wissen, dass sie wie eine Löwin für sie kämpft. Ich bin keine Pädagogin, das waren hauptsächlich Laien, da war ich schon nervös, wie uns diese Stimmung gelingt. Es war klar: Der Film geht verloren, wenn das Klassengefüge nicht glaubwürdig ist.
Das ist es aber definitiv. „Fuchs im Bau“ erzählt viele Geschichten. Wofür steht der Film für Sie?
Luna: Für Außenseiter. Jede Figur ist in unserem Film auf unterschiedliche Art und Weise ein Außenseiter. Das Schöne ist, dass der Film in eine Richtung erzählt wird, wo Akzeptanz oder die Hoffnung, akzeptiert zu werden, da ist. Obwohl es so aussichtslos und trist erscheint, steckt in jeder traurigen Situation ein Funken Schönheit des Lebens.
KINOSTART. Arman T. Riahis „Fuchs im Bau“ ist der Eröffnungsfilm der Diagonale ‘21, des Festivals des österreichischen Films in Graz. In den österreichischen Kinos startet der Film offiziell am 11. Juni 2021. Beim Filmfestival „Max Ophüls Preis“ in Saarbrücken, Deutschland, wurde er Anfang des Jahres mehrfach preisgekrönt: für die beste Regie, mit dem Fritz-Raff-Drehbuchpreis sowie dem Preis der Jugendjury.
Maria: Mit dem Film kriegen wir einen Einblick in etwas, das wir kaum kannten. Bei aller Tragik, die vorkommt, ist es die Aufgabe der Lehrerin, allen ein Fünkchen Selbstbewusstsein zu geben. Damit die Jugendlichen den Wert begreifen, den sie haben, auch wenn sie von außen nicht sehr respektiert werden und sich selbst wertlos vorkommen.
Und obwohl es um schwierige Themen geht, ist der Film nicht deprimierend. Zwischendurch kann man sogar lachen. Das Leben ist immer alles.
Was kann der Film bewegen?
Maria: Dass man einen anderen Blick auf diese Jugendlichen bekommt. Sie sollen nicht nur als die Kriminellen gesehen werden. Ich glaube, dass es auch wirklich gelingt als Zuschauer, dass man sich mitfreut, wenn es Momente der Freude und der Entspannung gibt. … wie bei der schönen Apfelstrudel-Szene. Ich bin über mich selbst erschrocken, als sich zur Freude darüber der Gedanke gesellt hat: Da sind doch überall Messer in der Gefängnisküche. Dabei sind das so besondere Momente.
Luna: Die Figuren befinden sich in einer Lebenslage, wo plötzlich kleine Dinge so viel Wert haben. Das zu erkennen und wieder aufleben zu lassen, hat etwas Verzauberndes.
Maria: Trotzdem ist es gleichzeitig wichtig zu spüren, wie schnell eine Stimmung kippen kann. Man weiß jeden Tag aufs Neue nicht genau, was passieren wird. Wenn Herr Riebniger mit den Jugendlichen in die Küche gegangen ist, um einen Apfelstrudel zu backen, gab es Auseinandersetzungen mit den Justizwachebeamten. Natürlich ist das ein No-Go, wo scharfe Messer sind. Aber Wolfgang Riebniger ist eine totale Persönlichkeit und hat als Pädagoge viel für die jungen Leute durchgesetzt.
Er war auch sehr in die Dreharbeiten involviert; er war viel da, ohne sich wichtig zu machen.
Luna: Es war schön, ihn am Set zu haben. Wir hatten interessante Gespräche mit ihm; das hat mir sehr geholfen.
Welche sind für Sie die schönsten Momente in Ihrem Beruf, worin liegen die großen Herausforderungen?
Luna: Das sind Szenen, die körperlich und emotional viel abverlangen. Ich
hab‘ oft Angst, dass das Team nicht den Freiraum hergibt, den man sich nehmen muss, damit es funktioniert. Umgekehrt ist es eine super Erleichterung, wenn man spürt, dass man sicher ist, dass ich einfach spielen und den Rest um mich herum ausblenden kann. Ein so konstantes Filmteam zu haben wie bei „Fuchs im Bau“, das ist das größte Geschenk.
Maria: Ich bin am Anfang immer nervös, das ist unangenehm, aber es ist so. Darum bin ich auch sehr dankbar, wenn es eine grundsätzliche Wärme am Set unter allen Beteiligten gibt und wenn man einander möglichst unhierarchisch begegnet; alle sind wichtig, egal in welcher Position. Und manchmal hat man richtig Schiss. Doch die unangenehmsten Szenen können gleichzeitig die größte Freude bereiten, wenn sie gelingen. Das Schiachste und das Schönste sind oft ganz knapp beieinander (lacht).
KURZBIOGRAFIEN
Maria Hofstätter. Die vielseitige Film- und Theaterschauspielerin wurde 1964 in Linz geboren und stand mit knapp 20 bereits auf der Bühne. In Ulrich Seidls „Hundstage“ gab sie eine unvergessliche Autostopperin, als besessene Katholikin Anna in „Paradies: Glaube“ erhielt ihre weitere Zusammenarbeit erneut international viel Anerkennung (sie spielte auch in „Paradies: Liebe“ und „Paradies: Hoffnung“). Eine subjektive Auswahl weiterer Kino- und TV-Rollen: „Braunschlag“, „Wiener Blut“, „Cops“, „Wilde Maus“. Die vielfach preisgekrönte Schauspielerin lebt in Wien, ab Juni dreht sie den dritten oberösterreichischen Landkrimi und freut sich auf den Drehstart eines Filmprojekts von Veronika Franz und Severin Fiala im Herbst. Sie verrät: Es geht ins 18. Jahrhundert.
Luna Jordan. Mit „Fuchs im Bau“ ging es für die 19 Jahre junge gebürtige Berlinerin so richtig los, 2020 erlebte sie in vielfacher Hinsicht als Ausnahmejahr: Sie drehte u. a. die Streaming-Serie „Wild Republic“ in Köln und in Südtirol, parallel dazu machte sie ihr Abitur. „Wild Republic“ gibt es seit April via Magenta TV zu sehen, er soll Ende 2021 in die ARD Mediathek kommen und auch international vermarktet werden. Noch heuer ist der Start der ZDF Krimireihe „Jenseits der Spree“ geplant, worin sie die Tochter von Jürgen Vogel spielt. Im Sommer steht Luna Jordan für zwei Kinofilme vor der Kamera. Für „Fuchs im Bau“ wurde sie beim Max Ophüls Preis als „Beste Nachwuchsschauspielerin“und bei der ROMY als „Beliebtester Nachwuchs weiblich“ nominiert.
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ist deren permanentes Streben nach Innovation. Österreichs High-Tech-Stars zählen zu den globalen Marktführern.