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VON ROSEN & GURKEN

GinGinAußergewöhnlich & wundersam: Wir durften in Schottland hinter die Kulissen der Hendrick’s Destillerie blicken und Gin-Mastermind

Lesley Gracie persönlich kennenlernen.

Text Christin Pogoriutschnig

Es liegt der Geruch des Meeres in der Luft, als wir im schottischen Girvan ankommen. Vom hübschen viktorianischen Garten aus sieht man die Ausläufer des Atlantiks zwar nicht, die salzig kühle Brise verrät aber, dass wir nur einen Steinwurf weit entfernt sind.

Einer von vielen Aspekten, der diesen Ort – den „Hendrick’s

Gin Palace“ am Gelände der Firma William Grant & Sons – so besonders macht. Wir sind hier, um den Ursprung des populären Gins in den ikonischen Apothekerfaschen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wo bleibt der Hutmacher? Am Eingangstor werden wir von Chef-Destillateurin Lesley Gracie empfangen. Die kleine Dame mit beinahe bodenlangen Haaren ist das Mastermind hinter Hendrick’s. Durch die Blütenpracht des viktorianischen Gartens führt sie uns in den architektonisch beeindruckenden „Gin-Palace“. Nachdem die ursprüngliche Produktionsstätte zu klein geworden war, setzten die Michael Laird Architects den Entwurf für das neue Gebäude nach allen Regeln der Kunst um. Der „Palace“ vereint zwei Palmenhäuser in tropischem und mediterranem Klima, welche vom Thymian bis zum Bananenbaum sämtliche Kräuter und Pfanzen für Gracies Laborarbeit bereithalten. In der Mitte werden wir im einladenden, lichtdurchfuteten Diningroom empfangen. Zum Tee, versteht sich, und zum hervorragenden Lunch. Zwischen Schachbrettboden, hohen Decken, viktorianischer Teebar, charmanten Art-déco-Elementen und einer noch namenlosen Schildkröte, die genügsam ihre Runden dreht, fühlen wir uns in einer Neuinszenierung von ,,Alice im Wunderland“ angekommen. Dahinter erhebt sich das Herzstück des Gebäudes. Unter kunstvoll gestalteten Deckenfenstern, die dem

PLATZHIRSCH. Mit Hendrick’s begann vor einigen Jahren eine neue Ära in Sachen Trendgetränken. Heute ist Gin & Tonic aus keiner Bar mehr wegzudenken.

hohen Raum die sakrale Anmut einer Kathedrale verleihen, stehen die historischen Brennblasen. Die „Pot Stills“ sind für die Herstellung des Gins zuständig und faszinieren auch Historiker: der antike „Bennett“ Kupferkessel aus dem Jahre 1860 und der „Carter“ aus dem Jahr 1948 führen nicht nur die Herstellung des Gins an, sondern unterstreichen mit ihrer Geschichte auch die Besonderheit des Ortes.

Geschichte & Köpfchen. Im Obergeschoß dürfen wir in die Aromen jener elf Zutaten eintauchen, welche die grundlegende Charakteristik der Rezeptur ausmachen: Wacholder, Engelwurz, Koriander, Schafgarbe, Kamille oder Veilchenwurzel stammen von international ausgewählten Produzenten. Destilliert auf deren Basis werden im fnalen Schritt Essenzen aus Gurke und Rosenblättern zugesetzt, die dem

Hendrick’s schließlich sein ikonisches Profl verleihen. Und für all das ist sie zuständig – Gastgeberin Lesley Gracie.

Vor über 20 Jahren wurde die Chemikerin und gebürtige Engländerin vom Urenkel des Firmengründers William Grant mit der Kreation eines Gins beauftragt. Ein smarter Schachzug, denn wer könnte sich besser mit Essenzen und Aromen auskennen als eine Chemikerin? „Ich war zuerst überrascht über diese Anfrage“, erzählt uns Gracie bei einem Gespräch im Schloss Blairquhan, unweit der Destillerie. Zu Recht, denn Gin war damals nicht annähernd so populär wie heute. Aber Lesley Gracie kreierte einen außergewöhnlichen Zugang, welcher den Siegeszug des Gins einläutete. Dass sie in dieser eher männerdominierten Branche als Frau eine Vorbildwirkung hat, fällt ihr kaum auf. „Ich habe in all den Jahren für mich persönlich keine Unterschiede in der Behandlung von Männern und Frauen erlebt. Ich hatte auch nie besondere Probleme oder Hindernisse, nur weil ich eine Frau bin.“ Ganz im Gegenteil, denn die Branche und der Betrieb William Grant & Sons sind Gracies Erfahrung nach sehr inklusiv. „Hier zählt nicht, wer du bist, nur was du kannst. Bei uns arbeiten alle mit Respekt und auf Augenhöhe. Im technischen, chemischen Bereich haben wir hier im Betrieb einen Frauenanteil von 50%. Und gerade in der Gin-Branche sind mittlerweile viele großartige Frauen involviert.“ Ein Umstand, den man nur von wenigen Branchen behaupten kann. Auch bekommen wir auf unserer viertägigen Reise durch Schottland das Gefühl, dass Ofenheit und Respekt überall großgeschrieben werden. „Das stimmt. Alle Menschen, mit denen ich hier spreche, sind sehr ofen“, schwärmt Gracie über ihre Wahlheimat. Das Geheimnis ihres Erfolgs liegt

In der Gin-Branche sind mittlerweile viele großartige Frauen involviert.

für die charismatische Engländerin auf der Hand: „Du brauchst einfach nur du selbst zu sein. Und wenn du das Gefühl hast, dass etwas nicht richtig ist, dann ändere es. Und probiere alles aus, was du ausprobieren willst. Ich sehe keinen Sinn darin, untätig herumzusitzen und mich zu fragen, was wäre, wenn. Das war auch immer mein Zugang: Ich frag mich ‚Was, wenn?‘, und dann probiere ich es. Ich bin neugierig, und das genieße ich.“

Bodenständig. Gracie liebt ihren Job, aber auch ihre private Ruhe. Ihr Feingefühl für Sinneseindrücke spielt dabei eine große Rolle. „Ich liebe die Natur, bin gerne mit meinem Hund am Meer und nehme die Eindrücke der Natur in mich auf. Auf Reisen liebe ich es, Märkte zu besuchen und die Aromen und Gerüche der Pfanzen und Gewürze zu entdecken.“ Diese Leidenschaft spiegelt

AUSSERGEWÖHNLICH.

Der „Gin Palace“ an der Westküste Schottlands (links) mit den historischen Brennblasen im Herzen der Destillerie (oben) erzählt zwischen Art-déco-Stil und viktorianischem Charme vom Siegeszug des Gins.

sich auch in ihren Gin-Kreationen wider. So fußt die Zusammensetzung des limitierten „Hendrick’s Amazonia“ etwa auf den Aromen einer Forschungsreise im venezolanischen Urwald, während der aktuelle „Neptunia“ von der rauen schottischen Küste und heimischem Thymian inspiriert ist. Auf die Frage, welchen Rat sie jungen Menschen mitgibt, hat Gracie nur eine Antwort: „Wenn du etwas willst, geh raus und tu es.“ Sehr sympathisch!

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