9 minute read

Einsneunzig macht Platte

Next Article
BASKETBALL

BASKETBALL

Einsneunzig live bei „Sommerstadt Marburg“ im Juli 2020. Foto: Nadine Schrey

Advertisement

„... riiiichtig Bock“

Einsneunzig macht Platte

Die Marburger Band veröffentlicht dieser Tage ihr Debüt-Album „ausgeschrieben“. Im Express-Gespräch erzählt das Quartett übers Musikmachen zu Viruszeiten, Lieblingsgitarren und Wimmelbilder.

Express: Wer von euch ist 1,90?

Moritz: Einsneunzig das sind wir alle vier. Die Besetzung unseres Quartetts ist wie folgt: Tim singt und spielt die Rhythmusgitarre. Jannick spielt die Lead-Gitarre und kümmert sich um Solos, Melodien und Verzerrung. Dimi zeigt uns am Schlagzeug wo‘s langgeht und ich kümmere mich am Bass um die tiefen Frequenzen und Harmonien. Die Songideen und -texte kommen meistens von Tim; er zeigt, uns was er ausgetüftelt hat. Zusammen arbeiten wir dann unsere Ideen ein und der Song steht.

Wie übersteht man als Band den Lock- down?

Tim: Gar nicht. Oder vielleicht mit ganz viel Optimismus, dass alles schnell besser wird, aber Optimismus mit der Realität zu vereinbaren ist schwierig. Wir hatten das Glück, dass wir weiter am Album arbeiten konnten, hin und wieder zu proben, sowie ein paar LiveStream-Konzerte zu spielen. Zwei Konzerte durften wir sogar direkt vor Menschen spielen, das war sehr schön, da wollen wir auf jeden Fall wieder hin.

Welchen Einfluss hatte das letzte Jahr aufs Musikmachen in Marburg?

Jannick: Diese Pandemie hat schon alles auf den Kopf gestellt. Fast unsere gesamten Pläne für die Band sind ins Wasser gefallen. Wir konnten zwar im Sommer das Album fertig stellen und auch an neuer Musik arbeiten, aber 99% der ganzen Konzerte und Festivals, auf denen wir hätten spielen sollen, sind eben ausgefallen. Die wären in Marburg, aber auch in ganz Deutschland verteilt gewesen. Darunter auch die geplante Release-Show im Café Trauma. Da kam aber der erste Lockdown dazwischen und hat die Albumproduktion pausieren lassen.

Tim: Kurz vor dem Lockdown hat ja noch das MaNo-Festival stattgefunden. Das war wie immer ein wirklich schönes Konzert und ist vielleicht auch die schönste musikalische Erinnerung an 2020. Im Sommer durften wir dann auch noch bei „Sommerstadt Marburg“ im Zelt am Georg-Gaßmann-Stadion und auf dem Music Forge Festival spielen. Beides waren zwar Sitzkonzerte, haben aber auch wirklich Spaß gemacht.

Jannick: Livestreams gab es ja auch noch. Da haben wir im Mai bei AVMS und jetzt im Dezember im KFZ gespielt, kann man bei Youtube sehen. Der Sound und die Technik waren dort wirklich grandios, aber das Publikum hat doch eindeutig gefehlt ... Neben der ausgebliebenen Freude durch die nicht stattgefundenen Konzerte hatten wir dieses Jahr leider auch kaum Einnahmen, was unsere privaten Konten in Mitleidenschaft gezogen hat. Leider verhindert das auch erstmal, dass wir unser Album sowie T-Shirts etc. pressen lassen können. Zusammengefasst: Das letzte Jahr hat für unser Musikmachen in Marburg alles verändert. Außer unsere Leidenschaft zur Musik.

Die Beatles haben ab 1966 keine Live-Konzerte mehr gegeben und ihr Werk mit brillanten Studioproduktionen gekrönt. Ist das ein Konzept für diese Zeiten?

Tim: Nein. Zum einen, weil Konzerte mit schwitzenden Menschen vor der Bühne etwas ist, was mit nichts zu ersetzen ist. Zum anderen, weil Konzerte unsere Haupteinnahmequelle sind

Wie macht man eigentlich heutzutage eine Platte?

Jannick: Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt sehr viele Wege und Möglichkeiten, eigentlich mehr denn je. Wenn man den analogen Sound liebt und es sich leisten kann, kann man noch immer auf Tape aufnehmen und alles ganz oldschool machen. Aber im Grunde reicht heutzutage wirklich ein Computer. Wenn man dann noch Instrumente einspielen und Gesang aufnehmen will braucht man eben noch jene Instrumente, ein Mikrofon, ein, zwei Kabel und ein Interface.

Tim: Für unser Album waren wir mit unserem Produzenten Kevin Cerncic von „SoundSeed“ in verschiedenen Studios im Landkreis. Bei „die-tonbox“, bei „MarburgRecords“ und im „CreaTonStudio“. Dort haben wir die Tonspuren mit derer traumhafter Technik aufgenommen. Gemischt und bearbeitet wurde dann alles am Computer im „CreaTonStudio“.

Ist das teuer? Wer finanziert das Ganze?

Dimi: Die Kosten einer Albumproduktion hängen von verschiedenen Faktoren ab: Willst du fettes

Studio oder willst du Homestudio? Willst du krassen Produzenten oder willst du Hobbyproduzenten? Das sind alles Fragen, die wir uns stellen mussten. Letztendlich wollten wir für unser Debütalbum schon das Beste, was man für die Kohle, die uns zur Verfügung stand, bekommen kann. Dementsprechend geil ist auch der Sound des Albums. Billig war das sicher nicht, am Ende des Tages es schon eine kostspielige Angelegenheit.

Tim: Wir sind aber mehr als happy mit dem Ergebnis und bereuen es auch nicht, das nötige Kleingeld für ein Produkt bezahlt zu haben, das wir auf jeden Fall mal unseren zukünftigen Kindern/Enkeln/Neffen u.a. zeigen können. 2019 waren wir gigtechnisch sehr gut unterwegs. Da kam einiges an Kohle rum, und das haben wir dann in die Albumproduktion gepumpt.

Geht ihr arbeitsteilig vor?

Moritz: Na klar. Das heißt aber nicht, einer kümmert sich um die Werbung und der andere schreibt das Drehbuch zum nächsten Musikvideo. Stattdessen nehmen wir uns immer eine große Aufgabe vor und verteilen die Arbeitsschritte unter den Musikern. Dabei müssen wir uns auch immer mal wieder gegenseitig auf die Finger klopfen damit‘s voran geht.

Was ist auf dem Album „ausgeschrieben“ zu hören?

Tim: So ziemlich alles, was uns in unserem Leben begegnet. Wir kommen oft zu spät, also haben wir einen Song darüber geschrieben, dass es ja auch hin und wieder gut für die Seele sein kann. Wir können nicht tanzen, also haben wir uns ehrlich damit auseinander gesetzt, dass wir Menschen damit eher zum lachen bringen, als zu beeindrucken. Wir haben viel Wut im Bauch, über die politische Unfähigkeit, Menschenleben ausreichend zu schützen, also haben wir das mal raus geschrien

Dimi: Genretechnisch wollen wir uns nicht einigeln. Wenn wir Bock auf Rockabilly haben, dann machen wir das, wenn es Trap ist, dann machen wir das auch, wenn es Jazz ist, versuchen wir das. Sonst würde uns zu schnell langweilig werden.

Von Wem oder Was lasst ihr euch beeinflussen? Gibt es Vorbilder, Vorlieben? Oder heimliche Neigungen?

Tim: Puuuh, von allem, was ich so höre und was um mich herum passiert. Vor zwei Wochen hab ich Rio Reiser rauf und runter gehört, den auch großer Fan von Offset-Gitarlieb ich. Inzwischen sind es haupt- ren wie der Jaguar, Jazzmaster sächlich Remixe von afrikani- oder Novo-Guitars bin. schen Künstlern. und Rock meine Leidenschaft. nicht, dass man in meinem Spiel rationen für mich, Musik zu machen und zu staunen. Dabei geht es immer quer durch alle Genres. Von Jazz, Fusion, Soul, Funk über Indie, Alternative, Rock, Stoner Rock, Postcore hin zu Pop. Solange es mich abholt, feiere ich es.

Strat oder Tele?

Tim: Ist mir schnuppe. Hauptsache, sie funktioniert. Moritz: Beides sehr geile Gitarren. Da draußen gibt es aber noch viel feschere Modelle als diese beiden. Mein Traum ist eine .strandberg* Boden Original. Jannick: Beides sind vorzügliche Instrumente. Eigentlich bin ich aber klar Team Strat, wobei ich

Wie ist das Cover entstanden?

Dimi: Vorbilder gibt es einige. Das Jannick: Das Cover hat der Marmuss auch nicht immer ein burger Fotograf Henrik Isenberg Schlagzeuger sein. Manchmal be- geknipst und vor allem digital berühren mich auch beispielsweise arbeitet. Vielen Dank dafür nochSaxofonisten oder Pianisten, Bas- mal an dieser Stelle! Vor etwa eisisten. Inspirationen gibt es auch nem Jahr haben wir uns mit Henviele aus den verschiedensten rik in der Marburger Innenstadt Genres, hauptsächlich aber Jazz, getroffen, und wir sind gemeinHip-Hop, Funk, Latin und Klassik. sam auf die Suche nach einer LoIch versuche so viel wie möglich cation gegangen. Unser ehemaliaus diesen Genres in unsere Musik ger Bassist Eric arbeitet neben zu transferrieren und dabei aber seinem Studium im Kino und hat songdienlich zu bleiben. vorgeschlagen, dass wir unser CoMoritz: Ich bin erst recht frisch am könnten. Daraufhin haben wir den Bass. Als ich noch Gitarre gespielt alten Saal besichtigt und Henrik habe, waren aber schon Funk, Soul kam die Idee. Seit ich Bass spiele fällt mir erst Tim: Insgesamt sind es glaube ich auf, wie unendlich gut die Bassli- um die 60–80 einzelne Fotos, die nes bei z.B. den Red Hot Chili Pep- nacheinander aufgenommen wurpers oder Earth, Wind & Fire. Dimi den. Die einzelnen Bilder hat Henfüttert mich auch regelmäßig mit rik auseinander geschnitten und neuen Knallern aus dieser Musik- dann in einem Bild zusammengerichtung, und ich komm gar nicht setzt. Das Schießen der Fotos hat hinterher, den ganzen Bums zu bis spät in die Morgenstunden gelernen. dauert, da wir auch immer wieder Ganz heimlich höre ich auch Pro- unsere Outfits wechseln mussten, gressive Metal (Opeth, Tool, Deaf- um verschiedene Charaktere auf heaven ...) oder Instrumentale dem Bild dazustellen. Der größte Gitarrenmusik (Plini, Chon, Poly- Aufwand war allerdings mit Abphia ...). stand im Nachhinein die ZusamJannick: Es gibt sehr viel Musik die shop. Wir sind unheimlich zufriemich beeinflusst und vor allem In- den und stolz darauf, wie das spiriert. Ich denke aber auch Cover geworden ist. alle Einflüsse hören kann. So bin Wann, wo und in welchen Formaten ist ich zum Beispiel großer Fan von die Platte erhältlich? Wes Montgomery und Kurt Rosen- Moritz: Die Platte gibt‘s ab dem winkel, klinge jedoch selten jazzy. 22.1.2021 digital auf allen StreaAber Künstler und Bands wie Mi- mingplattformen wie Spotify, Apchael Kiwanuka, Lianne La Havas, ple Music, Deezer etc. zu hören Khruangbin, Tom Misch, Brittany oder auf bandcamp.com als Howard, Josh Homme, Alfa Mist, Download mit digitalem Booklet. John Scofield oder z.B. Chris Buck Was physische CDs angeht sind sind tägliche Vorbilder und Inspi- wir momentan noch dabei, das fiver doch im Capitol aufnehmen mensetzung des Bildes in Photo- nanziell zu realisieren und unsere eigene „Do-It-Yourself“ Version zu verwirklichen. Sobald die CDs verfügbar sind, verkünden wir das aber natürlich auf allen unseren Social-Media-Kanälen auf Instagram (@einsneunzigmusik) und Facebook.

Was macht ihr, wenn ihr gerade nicht Einsneunzig seid?

Dimi: Wenn wir gerade nicht Eins- neunzig sind, dreht eigentlich plump gesagt jeder so sein eigenes Ding. Tim ist in Berlin musikalisch aktiv, Moritz studiert in Marburg, Jannick in Gießen und ich in Frankfurt. Die Studiengänge haben allesamt was mit Musik zu tun. Es gab Zeiten, wo wir gefühlt immer Einsneunzig waren, da wir neben regelmäßigen Proben in der Woche auch immer mindestens zwei Gigs am Wochenende hatten. Dazwischen haben wir dann das schöne Barleben in Marburg genossen und uns gut und gerne auch mal eins, zwei Bier reinge- pfiffen. Nun ja. Das gehört nun zum größten Teil – jedenfalls temporär – der Vergangenheit an.

Das Jahr ist noch jung. Seid ihr ambitioniert was die kommende Zeit anbelangt? Oder fahrt ihr auf Sicht von Gelegenheit zu Gelegenheit?

Tim: Für uns alle ist Musik unser Lebensmittelpunkt, da wäre es natürlich wunderschön, wenn da kein anderer Job dazwischen kommt. Wir wissen nicht, was in Zukunft passieren wird, gerade nach dem letzten Jahr, und was da eventuell noch kommt. Aber wir haben riiiiichtig Bock weiter zu machen, mehr zu machen und besser zu werden. Also ja, wir sind ambitioniert – aber das kommt bei

Interview: Michael Arlt

uns allen sehr natürlich.

„ausgeschrieben“ ist ab dem 22.1.2021 erhältlich.

Foto: Einsneunzig

This article is from: