marie 38/ April 2019

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#38 / April 2019

2,70 Euro

davon 1,35 Euro für die Verkäuferin/ den Verkäufer

Weltgymnaestrada Afrika zu Gast beim größten Turnfest der Welt.

Biopionier aus Vorarlberg Werner Lampert (72) über seine nachhaltigen Ideen.

Streiten will gelernt sein Die marie lässt streitbare Geister zu Wort kommen.

Wohin mit Vorarlberg? Als das Ländle nicht mehr zu Österreich gehören wollte.

Streifzug durchs Ländle

Margit Brunner Gohm (55) ist gebürtige Tirolerin, lebt heute in Satteins und hat eine Liebeserklärung an ihr neues Daheim geschrieben. Ihr Buch, das soeben in 2. Auflage erschienen ist, nimmt uns mit auf eine spannende Entdeckungsreise für Jung & Alt. Seiten 6/7

Foto: Frank Andres


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Vielfäl einzigartig

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Foto: Ruth Steurer | Entgeltliche Einschaltung des Landes Vorarlberg

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All about Tel AvivJaffa NER STADT DIE ERFINDUNG EI R 2019 7. ApRil— 6. OktobE n Museums Hohenems Eine Ausstellung des Jüdische ms, www.jm-hohenems.at ene Hoh 5 Schweizer Str. 5, 684 fé: Di bis So von 10–17 Uhr Öffnungszeiten Museum/Ca

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Oscar Romero | christilich geht anders MMag. a Dr. in Magdalena M. Holztrattner MA, Wien Mo 29. April 19.30 – 21.30 h — Das hätten Sie sich denken können! Eine Auszeit für Leib und Seele. Dr. Peter Natter, Dornbirn Sa 04. Mai 16.00 h – So 05. Mai 13.00 h — Große Handpuppen ins Spiel bringen Einführungsworkshop Do 16. Mai 14.30 – 18.00 h Spiele mit Pfiff für die Gruppenarbeit Fr 17. Mai 9.00 – 17.00 h Olaf Möller | D — Kultur und Faszination von Todesanzeigen Samstag, da bin ich auf Weltreise! Dr. in med. Susanne Hirsmüller, M.Sc. Palliative Care | D Dipl.-Psychologin Margit Schröer | D Di 11. Juni 19.00 – 20.00 h — Info, Ort und Anmeldung Bildungshaus Batschuns | T 055 22 / 44 2 90 - 0 bildungshaus@bhba.at | www.bildungshaus-batschuns.at

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Mittendrin in V / Gsi / Kultur

Editorial

4-5 Bild des Monats 6-7 Streifzug durch Vorarlberg Eine Tirolerin erklärt uns das Ländle 8-9 Zwei, nicht von gestern Die Rückkehr der guten, alten Stoffwindel 11 Waste‘s End Tipps für faire Kaufentscheidungen 11 Rechenrätsel 12-13 Den Spirit Afrikas tanzen Mädchen aus Malawi bei der Weltgymnaestrada 13 Impressum 14 Hausbesuch mit Kontrabass Junger Musiker gibt ganz spezielles Konzert 15 Denk mit, mach mit Die dunkle Seite der süßen Versuchung 15 Sudoku 16-17 Tapferer Schneidermeister Zia Malikzai aus Afghanistan hat sein eigenes Geschäft 18-19 „Auf Politik ist kein Verlass" Vorarlberger Biopionier Werner Lampert im Interview 20 Rezept aus St. Arbogast Simon Gamper kocht Pastinaken-Karottensuppe 21 Schachecke 30-31 Architektur braucht neue Konzepte Der Villa Müller wird neues Leben eingehaucht 32-33 Wohin mit Vorarlberg? Als Vorarlberg nicht mehr zu Österreich gehören wollte 34-35 Projekt in Kinderschuhen Lustvolles Abtauchen in die Welt der Musik 36-38 Veranstaltungskalender 38 Rätsellösungen

Liebe Leserin, lieber Leser, wir haben gestritten, Streit hat sich in unserer Ausgabe breit gemacht. Es überrascht Sie vielleicht, in der marie von diesem Unwort zu lesen, für das Duden stolze 45 Synonyme angibt: von noch fast niedlich klingendem „Knatsch“ oder „Gezänk“ über schon weniger schönem „Zwist“ oder „Zwietracht“ ist bis zur „Kollision“ und zum „Krieg“ alles dabei. Die Zahl verschiedener Begriffe spiegelt die Bandbreite wider, die im Streiten liegt. Fest steht, dass Streit nicht harmonisch ist, sondern die Auseinandersetzung sucht. Im besten Sinne setzt man sich mit etwas oder mit jemandem auseinander – und gelangt so in die Tiefe. Man kritisiert auf politischer Ebene, wo Staatsmänner in fragliche Richtungen lenken, so wie das Daniela Kickl, die Cousine des Innenministers, regelmäßig tut. Etwa bei ihrer Rede gegen unmenschliche Abschiebepraxis bei der letzten Sonntagsdemo in Hohenems (Seiten 22/23). Oder man wehrt sich wie Rechtsanwalt Karl Schelling, der gegen einen umstrittenen Grundstücksvertrag gekämpft hat (Seiten 24/25). Erstmalig begegneten sich Landwirtschafts-Landesrat Christian Gantner und Tierschutz-Aktivist Tobias Giesinger und zeigten, dass man auch auf sachlicher Ebene streiten kann (Seiten 26/27). Zum Streiten im Sinne des Diskutierens lädt die marie zum Demokratie-Repair-Café am 2. Mai. Was es damit Spannendes auf sich hat, lesen Sie auf den Seiten 28/29. Neben unserem Themenschwerpunkt gibt es natürlich noch weitere interessante Artikel. Die Rückkehr der guten, alten Stoffwindel (Seiten 8/9) und die Geschichte eines Asylwerbers, der sich als Schneider selbstständig gemacht hat (Seiten 16 und 17), seien hier nur exemplarisch erwähnt. Die marie wünscht Ihnen viel Freude bei der Lektüre der April-Ausgabe Ihrer Vorarlberger Straßenzeitung!

Thema

Herzlich, Christina Vaccaro, Redakteurin

22-23 24-25 26-27 28-29

Applaus für Kickl Die Cousine des Innenministers im Porträt Ein streitbarer Geist Karl Schellings Kampf gegen Harder Grundstücksdeal Tierisch ernstes Gespräch Landesrat trifft Tierschutzaktivisten zum Streitgespräch Politik von unten Die marie lädt zum Demokratie-Repair-Café

marie ist Mitglied im Weltverband der Straßenzeitungen. www.insp.ngo marie ist Mitglied im Weltverband der Straßenzeitungen. www.insp.ngo

Kontaktieren Sie uns

Sie haben Anregungen, Wünsche oder Beschwerden, dann schreiben Sie uns doch einfach. marie – Die Vorarlberger Straßenzeitung, Am Kehlerpark 5, Top 34, 6850 Dornbirn. E-Mail: redaktion@marie-strassenzeitung.at oder Sie rufen uns an unter 0677/61538640. Internet: www.marie-strassenzeitung.at. Wir freuen uns über Ihre Zuschriften!

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Bild des Monats

Kabelsalat im "Bangladesch" Foto: Frank Andres

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Elmar arbeitet seit zwei Jahren im Bangladesch. Gemeint ist nicht der Staat, sondern so nennt sich die Wirkungsstätte des Kaplan Bonetti Arbeitsprojektes in der Schlachthausstraße in Dornbirn. Die Aufgabe des 54-Jährigen ist es, alte VKW-Kabel zu recyceln. Dabei wird die Plastik-Ummantelung entfernt und das Kupfer bzw. das Aluminium sortenrein gesammelt. Pro Jahr kommen insgesamt zirka 35 Tonnen Material zusammen. Das dabei erwirtschaftete Geld fließt dann wieder in das Arbeitsprojekt.


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Mittendrin in V

„ ICH MÖCHTE HIER NICHT NUR GAST SEIN“ Die Autorin, Bibliotheksleiterin, Pädagogin und Hobby-Imkerin Margit Brunner Gohm, 55, wohnhaft in Satteins, über Heimatgefühl, Ambivalenzen im Ländle und das Prinzip Solidarität, das niemals falsch sein kann. Text: Simone Fürnschuß-Hofer, Fotos: Frank Andres, privat

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marie: Wieso kennt sich eine gebürtige Tirolerin im Ländle so gut aus? Margit Brunner Gohm: Ich bin vor fast 30 Jahren durch die Jobsuche nach Vorarlberg gekommen. Für mich war alles neu und so habe ich angefangen, Land und Leute zu erforschen. Darüber habe ich viele Menschen kennengelernt und konnte diesen gleichzeitig Seiten vom Ländle zeigen, die sie noch nicht kannten. Ich habe mir mit großer Neugier vieles vertraut gemacht und schluss­ endlich war ich diejenige, die zum Beispiel immer wieder nach Ausflugstipps gefragt wurde. Fühlen Sie sich hier angekommen? Ja, Vorarlberg ist zu meinem Daheim geworden. Da wo ich lebe, brauche ich ein Gefühl der Beheimatung, ich möchte nicht nur Gast sein. Natürlich musste ich etwas dafür tun. Zum Beispiel ein Buch schreiben . . . Wie kam’s? Nachdem ich einmal darauf angeredet wurde, ob ich mir vorstellen könnte, ein Sachbuch zu schreiben, habe ich mir das lange überlegt und schlussendlich habe ich es im Eigenverlag herausgebracht. Da stecken zwei Jahre intensive Arbeit drin.

Sie reduzieren das Ländle dabei nicht auf die idyllischen Seiten . . . Nein, ohne gesellschafts- und sozialpolitische Schwerpunkte hätte ich dieses Buch nicht gemacht. Genauso wichtig sind mir aber die Abenteuergeschichten der Kunterbunts, die sich durch das ganze Buch ziehen. So wird das Buch für Kinder spannend. Zudem habe ich immer wieder Faktenwissen in Rätseln oder auch Scherzfragen verpackt. Da stecken auch historische Anekdoten drin, wie die Geschichte über jene Mädchen, die während des Zweiten Weltkriegs jüdische Flüchtlinge über die Grenze in die Schweiz geschleust haben. Wie findet man solche Begebenheiten, die bislang im Verborgenen lagen? Indem man ein Faible für Historisches hat, Widersprüchen auf den Grund gehen will und ganz viel recherchiert. Widersprüchen inwiefern? Zum Beispiel dem Widerspruch, der sich aus der Migrationsdebatte ergibt: Familien, bei denen alle Mitglieder über mehr als eine Generation im Ländle geboren sind, die gibt es kaum. Und trotzdem wird genau das von vielen als Norm gedacht. Dem möchte ich

eine andere Form von Realität entgegen halten. Nämlich, dass auch Vielfalt und das Unterstützen eine Tradition im Ländle haben. Heute wird die Diskussion rund um Asylwerbende auch vom Aspekt des Schlepperwesens dominiert. Das führt leider dazu, dass das Helfen an sich schon in Frage gestellt wird. Die Geschichte über die Mädchen zeigt, was einzelne Menschen mit ihrer Hilfe bewirken können. Ich sehe es als wichtige Botschaft an Kinder: Aus deiner Empathie heraus helfend zu handeln, das kann nie falsch sein. Auch wenn das manche anders sehen. Ich möchte Kinder teilhaben lassen an dieser Erfahrung. Deshalb ist auch bei meinen interaktiven Lesungen Helfen immer ausdrücklich erlaubt. Der sozialkritische Blick auf Begebenheiten in Ihrem Buch – wie jene mit der Hebamme im Großen Walsertal – zeigen gleichzeitig auch, was sich doch innert der letzten 60, 70 Jahre alles zum Positiven gewandelt hat ... Ja, die Geschichte von Antonia Beck, die in den 40er Jahren als „Zugraste“ im Großen Walsertal mit den Bräuchen der neuen Heimat nicht vertraut


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Neugierde wecken und Eltern wie Pädagogen wertvolle Null-BudgetTipps an die Hand geben, das möchte Margit Brunner Gohm mit ihrem Buch.

Kunterbunter Streifzug durchs Ländle war und sich in der Kirche ahnungslos in die „Schandbank“ für die ledigen Mütter setzte, weil dort immer Platz war, zeigt die großen Veränderungen im Zusammenleben. Zum Vergleich: 1950 waren nur zehn von 100 Kindern unehelich. 2015 waren es 39 Prozent. Die Familienbilder sind ja auch ganz anders geworden, egal ob verheiratet oder nicht verheiratet, ob Patchwork- oder Regenbogenfamilien, es gibt die ganze kunterbunte Vielfalt. Das Buch sprüht vor Lebendigkeit und birgt auch eine gesunde Portion Humor. Darf Ihr Werk auch als eine Art Liebeserklärung ans Ländle verstanden werden? Ja, ich liebe unser Ländle. Wenn dem nicht so wäre, hätte ich dieses Buch nie schreiben können. Ich liebe es wegen seiner Vielfalt, über die ich auf Schritt und Tritt stolpere. Egal, ob es sich nun um seltene Tiere oder Pflanzen handelt oder um die unterschiedlichsten Dialekte. Oder um Menschen, die etwas ganz Besonderes erfunden oder erzeugt haben. Zum Beispiel das erste Tischfußballspiel oder elektrische Bügeleisen.

Hätten Sie gewusst, was eine Kratzate ist? Wo der Kriasistinker wohnt? Und dass die MontafonerInnen eigentlich AfrikanerInnen sind? Anna, Paul & die „Kunterbunts“ nehmen Groß und Klein mit auf einen ausgiebigen Streifzug durchs Ländle. „Anna & Paul entdecken Vorarlberg“ baut auf Faktenwissen, gibt historischen wie kulturellen Dimensionen Raum und fühlt kritischen Themen auf den Zahn. Immer mit dem Blick aufs Kind und auf sein Bedürfnis nach Spannung, Spielerischem und Humorvollem. Eines ist gewiss: Die regional gegliederte Lektüre wird auch die Lernkurve bei Erwachsenen in die Höhe schnellen lassen, Wissensdurst stillen und „gsibergerischen“ Entdeckergeist entfachen. Intention der Autorin war es jedenfalls, Eltern und Lehrpersonen Impulse anzubieten für gemeinsame Erlebnisse mit ihren Kindern – sei es über Geschichten, Ausflüge, Bastelarbeiten, Rezepte oder Spiel- und Rätselangebote. Und wichtig: Abgesehen vom Buch, das für 29,90 Euro im Buchhandel zu erwerben ist, sind die darin enthaltenen Tipps „kost-nix“-tauglich! Zwei Buchexemplare gibt’s für marie-LeserInnen mit etwas Losglück ebenfalls zum Nulltarif, wenn folgende Fragen richtig beantwortet werden: A) Wie viele Sprachen werden im Ländle gesprochen? a) für jeden Buchstaben im ABC mindestens eine, b) 15, c) 17 B) Welches Tier hält keinen Winterschlaf? a) Igel, b) Fledermaus, c) Eidechse C) Was bezeichnet der Dialektausdruck „Lumpa“? a) eine Lampe, b) kaputte Schuhe, c) zerrissene, alte Kleidungsstücke Bitte schicken Sie die Antworten an redaktion@marie-strassenzeitung.at und nehmen so automatisch an der Verlosung teil. Unter allen richtigen Einsendungen entscheidet das Losglück. TIPP: www.diekunterbunts.at mit ständig aktualisierten Malvorlagen, Rätseln, Ausflugstipps, Mundart-Hörproben, Videos, Unterrichtsmaterialien, u.v.m.

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Mittendrin in V

Zwei – nicht von gestern 8|

Mitten in der Altstadt von Bludenz, in einem kleinen Geschäftslokal in der Sturnengasse, verkaufen Evi Kettner (60) und Isolde Adamek (61) seit mittlerweile fünf Jahren die guten, alten Stoffwindeln. Dabei handelt es sich aber nicht nur um eine äußerst umweltschonende und kostengünstige Wickelvariante, sondern um ein „Zeitgeschenk für Eltern und Kinder“. Denn Wickeln mit Stoffwindeln ist für alle Beteiligten ein sinnliches Erlebnis und beinhaltet wertvolle Lernerfahrungen. Text: Brigitta Soraperra, Fotos: Magdalena Türtscher

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s waren einmal zwei Freundinnen in den besten Jahren, beides langjährige und erfahrene Pädagoginnen, die standen kurz vor dem Ruhestand und konnten sich partout nicht vorstellen, sich zur Ruhe zu setzen. Als kreative und innovative Geister hatten sie Zeit ihres Lebens immer wieder nebenberuflich gemeinsam mit engagierten Menschen besondere Ideen in die Welt gebracht, die vor allem ihrem Heimatstädtchen Bludenz zugute kamen: Der „Kunst Handwerk Markt“ im Höfle, „Sörecycling“ – eine Upcycling-Initiative, die „neues Leben für alte Jeans“ brachte, und der „Heilige Bim Bam“, ein nicht alltäglicher Weihnachtsmarkt, sind nur ein paar ihrer realisierten Projekte, die nach wie vor bestehen. Deshalb juckte es Evi Kettner (60) und Isolde Adamek (61) auch, die neu gewonnene Zeit als angehende Jungpensionistinnen dafür zu nutzen,

ein weiteres Projekt in Angriff zu nehmen. Die Initialzündung bildeten allerdings ganz unterschiedliche Lebensereignisse, welche die beiden Frauen dazu bewegten, vor fünf Jahren die Firma „Windlkind“ zu gründen.

Vom Anfang und Ende des Lebens

„2013 bin ich zum ersten Mal Oma geworden“, erzählt Evi Kettner im engen, aber gemütlichen Geschäftslokal von „Sörecycling“ bei einer Tasse Tee, „und die Vorstellung, dass mein Enkelkind in Plastikwindeln gewickelt wird, beschäftigte mich sehr. Isolde hatte aus Umweltschutzgründen immer schon wenig Verständnis für Wegwerfwindeln, und wir beide haben unsere Kinder ja selber noch mit Stoffwindeln gewickelt, aber nun war ich unmittelbar betroffen und sagte: Isolde, wir müssen etwas tun.“ Kettner stieß damit bei ihrer Freundin auf offene Ohren, denn diese befand sich ebenfalls in einer neuen Lebenssituation. Ihr Vater war gerade gestorben und die Themen Vergänglichkeit und Hinterlassenschaft beschäftigten Isolde Adamek sehr. „Was ist der Sinn des Lebens, was übergeben wir unseren Nachkommen und welche Verantwortung für die Nachwelt tragen wir? Das sind nur ein paar der Fragen, die mich zu dieser Zeit umtrieben“, beschreibt Isolde Adamek den Spätsommer 2013. Über Stoffwindeln hatten die beiden Frauen schon länger diskutiert, aber Evi Kettner, die fast 20 Jahre in der Elternberatung tätig war, dachte lange Zeit, dass der Zeitgeist und die Werbung für die Vorzüge der Wegwerfwindeln, die allgemein suggeriert werden, ein solches Projekt verunmöglichen würden. Nun war bei den beiden Frauen aber der Bann gebrochen, sie konkretisierten ihre Ideen, und selbst Evi Kettners Schwiegertochter meinte spontan: „Ach klar, Stoffwindeln, das ist ja auch eine Möglichkeit.“

Vorarlberg, das Windelland

Die beiden tatkräftigen Frauen begannen zu forschen, wo im Land denn noch Stoffwindeln zu finden waren und entdeckten eine kleine Firma in Lustenau, dessen Geschäftsinhaber zufälligerweise ein Bludenzer war. Lange Jahre hatte das Textilindustrie-Land Vorarlberg österreichweit sogar eine Vormachtstellung bei der Produktion von Stoffwindeln. Im Jahr 2013 – nachdem Wegwerfwindeln seit den 1980er Jahren ihren Siegeszug durch die westlichen Kinderzimmer genommen hatten – verfügte

Isolde Adamek (61) bereitet gerade mit dem ersten USE WHAT YOU HAVE-Festival ein weiteres innovatives Projekt vor ...


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... bei dem Evi Kettner (60) und zahlreiche andere AkteurInnen zwischen dem 31.5. und 2.6. in Bludenz im Einsatz sein werden. www.uwyh.at

aber nur mehr Herr Burtscher in seinem Bludenzer Lager über einen nicht unbedeutenden Restbestand an originalverpackten Textilwindeln, den Isolde Adamek und Evi Kettner sofort aufkauften. Er bildete den Grundstock für ihr kleines Start-up und ist heute längst aufgebraucht. Mittlerweile beziehen die beiden ihre Windeln vor allem aus fairer Produktion in Tschechien und haben das Sortiment mit Windelhosen, Windelkübeln, Windelvlies und ökologischen Waschmitteln ergänzt.

Elternschule

„Als nächstes realisierten wir, dass wir nicht einfach nur Stoffwindeln verkaufen können, sondern dass wir auch beraten müssen, denn viele junge Eltern kennen diese Möglichkeit nicht und wissen auch nicht, wie es geht“, erzählt Evi Kettner. „Die Windeln muss man vorfalten“, ergänzt Isolde Adamek, „für die meisten ist das ungewohnt, weil die heute 30- und 40-Jährigen ja auch schon mit Wegwerfwindeln gewickelt worden sind.“ Bei vielen sei auch die Vorstellung im Kopf vorhanden, dass das Wickeln mit Stoffwindeln mit viel mehr Aufwand verbunden sei. „Die meisten unserer Kundinnen und Kunden sagen aber, dass der Mehraufwand gering ist und die positiven Effekte überwiegen.“ Dies bestätigen auch die mittlerweile immer mal wieder im Geschäft vorbeischauenden jungen Frauen, denen Isolde Adamek und Evi Kettner bereitwillig mit Rat und Tat zur Seite stehen. Auf die Frage, warum sie sich für Stoffwindeln entschieden hätten, sagen alle unisono „wegen der Umwelt“ und „das ist mein Beitrag“. Aber auch, dass sie es gerne machen würden, weil sie realisiert hätten, dass sie damit auch dem Kind etwas Gutes tun können und sich ihre Beziehung zum Kind durch diese Art der Berührung vertieft habe.

Achtsamkeit in der Babypflege

Isolde Adamek nimmt auf diese Aussagen Bezug und kommt auf ein zentrales Thema zu sprechen. Die erfahrene Pädagogin führt aus, dass Wickeln ja nicht nur ein Säuberungsprozess sei, sondern eine intensive Sinneserfahrung für das Kind – und letztlich auch die Eltern – beinhalte. „Schließlich bildet die Haut das größte Sinnesorgan des Menschen, und diese ersten Berührungen sind prägend. Achtsamkeit in der Pflege ist

„Die heutigen Wegwerfwindeln sind voller Chemikalien, die dafür sorgen, dass das Kind Nässe nicht mehr wahrnehmen muss“ deshalb nicht nur ein Schlagwort von uns, sondern bildet die wesentliche Grundlage für das Wickeln mit Stoffwindeln,“ sagt sie. „Das kann man natürlich nicht mit dem Handy am Ohr machen, da muss man sich schon auf die Tätigkeit und auf das Kind einlassen“, ergänzt Evi Kettner. Nicht umsonst bezeichnen die beiden Geschäftsinhaberinnen ihr „Windlkind“ als „Zeitgeschenk für Eltern und Kind“. Ein nicht unwesentlicher Faktor sei in diesem Zusammenhang auch die Lernerfahrung, die das Kind machen könne. „Die heutigen Wegwerfwindeln sind voller Chemikalien, die dafür sorgen, dass das Kind Nässe nicht mehr wahrnehmen muss“, sagt Evi Kettner, „damit verliert es aber die Möglichkeit zu spüren, wenn es nass ist, und darauf zu reagieren.“ Die Erfahrung des Unwohlgefühls vor und des Wohlgefühls nach dem Wickeln führten aber dazu, dass das Kind lerne, ein Problem zu lösen. Und noch ein positiver Effekt folge daraus, erzählt Isolde Adamek zum Abschluss des Gesprächs: „Ein Stoffwindelkind ist im Durchschnitt früher sauber als ein Kind, das mit Wegwerfwindeln gewickelt wird.“

Wussten Sie, dass ...

... ein Wickelkind über eine Tonne Windel-Müll produziert? ... der Anteil an Windel-Müll im Hausmüll in Österreich sechs bis acht Prozent beträgt? ... eine Wegwerf-Windel eine Verrottungszeit von 200 bis 400 Jahren hat? ... eine Wegwerf-Windel zum Großteil aus petro- chemischen Stoffen besteht, die für die Haut schädlich sein können? ... die Kostenersparnis bei der Verwendung von Stoffwindeln im Unterschied zu Wegwerfwindeln in der Wickelzeit pro Kind ungefähr 1000 € beträgt? www.windlkind.at

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Gartentreff Mittwoch, 1. Mai 2019 9.00 – 17.00 Uhr

aktuelle Infos unter www.stauden-kopf.at

Staudengärtnerei Elke und Thomas Kopf Kontrolliert biologischer Anbau Haltestelleweg 2 6832 Sulz-Röthis T 05522 / 44515

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AKTIONSTAGE ESSBARE STADT Wer – am liebsten mit eigenem Gartenwerkzeug – mithelfen mag, der kommt vom 5. bis 7. April zu den Aktionstagen der zweiten Gartenanalge und der ersten Bepflanzung in den Kulturhauspark nach Dornbirn. Dort entsteht der Pilotgarten des Projekts der Essbaren Stadt Dornbirn, das öffentliche Grünflächen bewirtschaften und erblühen lassen möch-

te (die marie berichtete). Gewerkelt wird von 9 bis 12 und von 13 bis 16 Uhr. Teilnehmer sind eingeladen, Essen und Trinken für ein kleines Gemeinschaftsbuffet mitzubringen. Witterungsbedingte Verschiebungen werden am Mittwoch zuvor per Mail und Facebook bekannt gegeben. Nähere Infos auch auf www.essbare-stadt.com


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WASTE’S END Ein Blog von Kristina Heilinger Warum billig zu teuer ist

Diese Überschrift klingt wie der perfekte Titel für ein Buch – das es unter dem Namen „Cheaponomics“ sogar schon zu kaufen gibt. Ob ihr’s glaubt oder nicht, sie ist mir dennoch selbst eingefallen. Und das kam so: Im Alltag geht’s in Gesprächen oft um das liebe Geld: „Das ist aber billig.“ „Das ist doch viel zu teuer!“ Und ich verabscheue diese Denkweisen immer mehr! Sie bringen uns überhaupt nicht weiter. Denn im Grunde sind die Begriffe „billig“ und „teuer“ irreführend. Wenn ich auf dem Markt stehe oder Kleidung kaufe, vergleiche ich keine Preise. Denn die lügen. Wenn du eine Bananenstaude ohne Siegel um 0,99 Euro in einem beliebigen Geschäft kaufst, bezahlst du nur einen kleinen Teil der Kosten. Den Rest haben andere (unfreiwillig) für dich bezahlt: Der Kleinbauer in der Dominikanischen Republik, der vom Obstkonzern von seinem Land vertrieben wurde und nun mit seiner Familie in den Slums der Hauptstadt lebt. Die Arbeiterin auf der Plantage, die die Pestizide austragen muss und dadurch häufig an Müdigkeit

und Kopfschmerzen leidet. Darüber hinaus die gesamte Umwelt, Tiere, Natur – und schlussendlich doch wieder du und ich – bezahlen, da zudem viele unnötige Pestizide, Düngemittel und giftige Abfälle ungeklärt ins Ökosystem entlassen werden. Wenn wir all diese sozialen und ökologischen Kosten in die Bananenstaude miteinberechnen, kämen wir auf einen wesentlich höheren Preis! Versuche, vor deinem nächsten Kauf nicht nur den Preis zu lesen, sondern hinter die Kulissen zu schauen. Ich frage mich daher: Was bekomme ich hier eigentlich für mein Geld? Wen unterstütze ich damit? Und bezahle ich wirklich selbst für dieses Produkt/diese Leistung? Um diese Fragen zu beantworten und möglichst faire Kaufentscheidungen zu treffen, ist Information wichtig! Wähle zudem verlässliche Gütesiegel für kontrolliert biologische und sozial nachhaltig gefertigte Lebensmittel, Kleidung, Kosmetik, etc. oder kaufe bei ökologisch wirtschaftenden Menschen, die du persönlich kennst. Besonders beim Einkauf bei Bioständen auf dem Markt oder im Unverpacktladen, wo die meisten Produkte aus regionalem und kontrolliert biologischem Anbau stammen, lässt sich das ideal mit Zero Waste kombinieren. Sparen kann ich durch bewussten Konsum an anderen Stellen, da ich vieles von vornherein im Regal lasse. Bestimmte Produkte wie

Nicht nur auf die Zahlen kommt es an: Ich informiere mich vor dem Kauf über die Herstellung, um eine faire Kaufentscheidung zu treffen!

Elektrogeräte und Kleidungsstücke, für die es kaum richtig nachhaltige Alternativen gibt, kaufe ich nur noch gebraucht. So leidet das persönliche Budget nicht – im Gegenteil! Sich gut über Produkte zu informieren und mehr für faire und nachhaltige Fertigung zu bezahlen, ist unsere Chance, als mündiger Bürger und Konsument für eine wirklich nachhaltige und faire Welt zu arbeiten. Nimm also lieber die Bio-Bananenstaude oder die Äpfel um 2,99 Euro mit Siegel. Sie sind ihr Geld wert. Denn die billige Wahl ist auf lange Sicht für uns alle zu teuer.

Lösen Sie es in 60 Sekunden Beginnen Sie die Kopfrechnung mit der Zahl im Feld ganz links. Rechnen Sie von links nach rechts. Die Lösung im leeren Feld rechts eintragen. Jede Rechnung unabhängig von der Schwierigkeit sollte in weniger als 60 Sekunden gelöst werden. Keinen Taschenrechner verwenden! Lösung

Für Anfänger

48

+12

÷6

-7

×8

+46

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÷4

+18

×2 Lösung

Für Fortgeschrittene

27

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1/4

der Summe

×12

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zum Quadrat

÷25 +1/3 der Summe

×8 Lösung

Für Genies

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zum Quadrat

÷5

-65

zum Quadrat

÷18

+60% +1/8 der Summe

der Summe

-176 Lösungen auf Seite 38

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Mittendrin in V

DEN SPIRIT AFRIKAS TANZEN Über 60 Nationen sind bisher zum größten Turnfest der Welt gemeldet, das vom 7. bis 13. Juli zum zweiten Mal in Vorarlberg stattfindet. Es wird ein verbindendes Sportevent, bei dem sich alle auf einer Ebene begegnen. Ohne Begrenzungen in Sachen Religion, Herkunft, Geschlecht oder Alter. 200 Waisenmädchen aus Malawi werden im Rahmen eines Schulpatenschaft-Projektes seit zwölf Jahren von Vorarlbergern unterstützt. Im Juli kommt eine kleine Gruppe von ihnen nach Dornbirn zur Weltgymnaestrada und trägt ihre Tradition nach Europa. Text: Christine Mennel, Fotos: Weltgymnaestrada 2019

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er Regen trommelt wie ein wildgewordenes Kanonenfeuer auf das Blechdach der Nkhamenya Girls Secondary School. Es ist Regenzeit in Malawi. Malariazeit. Nina Amann und Patricia Müller verstehen ihr eigenes Wort nicht mehr, geschweige denn das der 60 Mädchen, die aufgeregt im Turnsaal vortanzen, der noch vor wenigen Minuten ihr Speisesaal war. Sie tragen rot-schwarze Trainingsanzüge, gesponsert von der Turnerschaft Mäder. „Keines der Mädchen wollte danach ihr Sportdress ausziehen, auch wenn ihnen der Schweiß über das ganze Gesicht lief “, verrät Nina Amann und muss in Erinnerung daran lächeln. Zweimal war sie bereits in Malawi, um die Mädchen, aber auch ihre Lehrer, vor Ort zu coachen. „Wir haben an dieser Schule ganz bewusst den Fokus auf den Tanz gelegt, da ihnen das Rhythmusgefühl und der Ausdruck sowieso von Geburt an in die Wiege gelegt wurden und somit im Blut liegen. Wichtig war uns, dass sie ihren afrikanischen Spirit, ihre Identität, leben können und wir ihnen nicht unseren europäischen Stil überstülpen. Wir haben den Samen gesät, wachsen sollen sie miteinander.“

Campus-Charakter

2007, nach der ersten, erfolgreichen Weltgymnaestrada in Dornbirn, reiste Erwin Reis mit dem Mediziner Dr. Robert Spiegel nach Malawi. Ziel war der Startschuss

Die Mädchen der Nkhamenya Girls Secondary School proben unermüdlich an ihrer Performance. Im Juli soll es schließlich soweit sein – eine kleine Abordnung der Mädchenschule in Nkhamenya wird afrikanischen Spirit nach Dornbirn tragen.

eines Projektes von „Bruder und Schwester in Not“ in Zusammenarbeit mit dem Rotary Club Dornbirn zum Aufbau einer Krankenstation in Malambo, Malawi. Mittlerweile steht dort ein Hospital mit einer Geburtenstation sowie ein Konvent für die verantwortlichen Schwestern und Häuser für die Mitarbeiter. „Es ist ein richtiger, kleiner Campus entstanden“, verrät Erwin Reis, dessen Frau Andrea sich besonders für die Schulpatenschaften zur Unterstützung von Waisenmädchen engagiert. Die Mädchengruppe mit ihren Begleitern aus Malawi wird während der Weltgymnaestrada in der HLW Rankweil untergebracht. Auf Initiative des Geographieprofessors Markus Fröhlich, der auch Koordinator für „Bruder und Schwester in Not“ in der Diözese Feldkirch ist, ist diese Schule seit vielen Jahren mit Sozialprojekten und Charity-Aktionen für Malawi engagiert und zahlreiche Mädchen waren bereits als Praktikantinnen in den Schulen vor Ort in Malawi im Einsatz.


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Impressum

Nina Amann (vordere Reihe links) und das Coaching-Team der Nkhamena Girls Secondary School in Malawi.

Disziplin und Respekt

In der Nkhamenya Girls Secondary School führt Schwester Theresa Mfune mit ihrem Team aus Mitschwestern und 22 Lehrern ein strenges Regiment. Als die seltenen Gäste aus Vorarlberg in Malawi eintreffen, stehen die Schülerinnen aufgefädelt in ihren Schuluniformen stramm und singen die Schulhymne. „Die Schule wird sehr diszipliniert geführt“, verrät Erwin Reis, „und es wird einiges von den Teenagern verlangt. Mit diesem Abschluss sind die Absolventinnen an den Unis willkommen.“ Entsprechend hochmotiviert und stolz sind die Mädchen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die trotz ihres dichten Stundenplans von acht Stunden täglich Enormes leisten. Um ihre Choreographie üben zu können, beginnen die Proben teilweise um 6 Uhr morgens. Auch an den Trikots wird schon fleißig genäht, die Schule möchte die Farben der malawischen Flagge in den Kostümen widerspiegeln lassen. Über die Fortschritte der Crew wird Nina Amann in Vorarlberg per WhatsApp und Email auf dem Laufenden gehalten. „Einfach ist die Kommunikation nicht wirklich“, gibt sie zu und lacht. Besonders an die afrikanische Mentalität muss man sich gewöhnen. Fixiertes ist nicht unbedingt in Stein gemeißelt. Speziell die erforderlichen Genehmigungen und Papiere zu beschaffen war eine Herausforderung. Erwin Reis erklärt: „Malawi ist kein Mitglied des Weltturnverbands. Deshalb war eine schriftliche Zusage des Sportministeriums in Malawi notwendig, die die Teilnahme des Teams an der 16. Weltgymnaestrada unterstützt. Das war eine schwere Geburt.“ Die meisten Schülerinnen besitzen nicht einmal einen Reisepass, was das Ganze nicht leichter macht. Aber ein Aufgeben gibt es nicht: „Generell sind wir es gewohnt, solche Herausforderungen zu meistern, sagt Erwin Reis und lacht. Fast klingt es wie eine Kampfansage – natürlich eine sportliche.

Grundlegende Richtung Die Straßenzeitung marie versteht sich als Sprachrohr für die Anliegen von Randgruppen unserer Gesellschaft. marie ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Menschen an oder unter der Armutsgrenze, die ihren Lebensmittelpunkt in Vorarlberg haben. Ziel ist die Förderung des Miteinanders von Menschen am Rande der Gesellschaft und der Mehrheitsgesellschaft. Die Hälfte des Verkaufspreises von 2,70 Euro verbleibt den Verkäufern. marie ist ein parteiunabhängiges, soziales und nicht auf Gewinn ausgerichtetes Projekt. Redaktion marie – Die Vorarlberger Straßenzeitung, Am Kehlerpark 5, Top 34, 6850 Dornbirn Telefon: 0677 61538640 eMail: redaktion@marie-strassenzeitung.at Internet: www.marie-strassenzeitung.at Redaktion: Frank Andres, Christina Vaccaro MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Daniela Egger, Guntram Gärtner, Gernot Hämmerle, Kristina Heilinger, Simone Fürnschuß-Hofer, Christine Mennel, Gitte Nenning, Brigitta Soraperra, Mirjam Steinbock, Gerhard Thoma Zeitungsausgabestellen: Dornbirn Kaplan Bonetti Sozialwerke Kaplan-Bonetti-Straße 1 Montag, Mittwoch und Freitag von 8 bis 9 Uhr Bregenz dowas, Sandgrubenweg 4 Montag und Donnerstag 8.30 bis 10.30 Uhr Bludenz do it yourself, Kasernplatz 5-7/3b Montag und Mittwoch 14 bis 16 Uhr Feldkirch Caritas-Café, Wohlwendstraße 1 Dienstag und Freitag 10 bis 12 Uhr Anzeigen Kontakt: anzeigen@marie-strassenzeitung.at Medieninhaber und Herausgeber Verein zur Förderung einer Straßenzeitung in Vorarlberg, ZVR-Zahl 359044778 6833 Klaus eMail: redaktion@marie-strassenzeitung.at Externe Beiräte DSA Markus Hämmerle, DSA Heidi Lorenzi, Cornelia Matt, Mag. Peter Mayerhofer, Dr. Claudio Tedeschi Druck: Russmedia Verlag GmbH, Schwarzach Auflage: 17.000 Exemplare Erscheinungsweise monatlich Layout/DTP Alexander Grass Bildbearbeitung Fitz Feingrafik Bankverbindung & Spendenkonto Raiffeisenbank im Rheintal IBAN: AT94 3742 0000 0648 3580 BIC: RVVGAT2B420 © 2019 marie. Alle Rechte vorbehalten.

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Mittendrin in V

Hausbesuch mit Kontrabass Im vorarlberg museum entstehen mit schöner Regelmäßigkeit ungewöhnliche Veranstaltungsformate, die Menschen zusammenbringen. Im Rahmen der Aktion Demenz gab ein junger Musiker ein ganz besonderes Konzert.

Text und Foto: Daniela Egger

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er Geist hinter diesen Aktionen erkennt mit wunderbarer Treffsicherheit, wo der Bedarf groß ist und Freude auf beiden Seiten verspricht. Mark Riklin, Soziologe und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule St. Gallen, entwirft und begleitet im Auftrag des vorarlberg museum solche Projekte, wie etwa letzten Sommer das „speak dating“, ein Generationengipfeltreffen auf dem Kornmarktplatz in Bregenz. Kürzlich setzte sich auf seine Initiative hin, und begleitet von der Aktion Demenz, ein sehr junger Musiker mit einem sehr großen Instrument in eine Fahrrad-Rikscha, um einer ihm völlig fremden Frau zu Hause einen Besuch abzustatten. Ferdinand ist zwölf Jahre alt und einer der herausragenden Schüler der Musikschule Bregenz, seine Leidenschaft für Kontrabass und Gitarre lässt ihn täglich üben – und dass er dabei beim größten österreichischen Jugendmusikwettbewerb „prima la musica“ den zweiten Platz gewann, ist nur einer der Erfolge seiner noch so jungen Karriere. Die Fahrradrikschas des Vereins „Radeln ohne Alter“ bringen Menschen mit eingeschränkter Mobilität wieder unter die Leute – dieser Kurierdienst übernahm den Transport vom Museum bis nach Rieden, um den Musik-Einsatz zu Hause bei Frau S. zu ermöglichen. Sie ist eine gesellige und humorvolle Rentner­ in jenseits der 75, die nicht mehr gerne aus dem Haus geht. Aus diversen Gründen, aber auch, wie sie sagt „ ... weil sie keinen Gspanen mehr hat“. Mit einem

Ferdinand (12) gab ein Hauskonzert der besonderen Art.

privaten Hauskonzert in ihrem eigenen Wohnzimmer hatte sie allerdings nicht gerechnet, als die telefonische Anfrage kam, ob sie einem solchen Besuch zustimmen würde. Sie sagte vorsichtshalber Ja. Als Tee und Krapfen die Gäste gestärkt haben, der Kontrabass aus der Hülle geholt wird und die ersten Töne des „humoresque“ von Antonin Dvorak erklingen, da wird sie ganz still und konzentriert. Ferdinand spielt vier Stücke, ein kurzer und sehr feiner Auftritt, der alle Beteiligten begeistert. Geplant war ein erster Versuchsballon, es zeigt sich aber schnell, dass diese Aktion ein Erfolg ist. Sie lässt sich weiterspinnen,

eventuell in Kooperation mit der Aktion Demenz und einigen Musikschulen, getragen vom vorarlberg museum – man darf gespannt sein. Der erste Versuch gilt auf jeden Fall als sehr gelungen, darüber sind sich alle einig. Für junge Musikschüler und -schülerinnen bieten solche „privaten Bühnen“ im kleinen Kreis eine wertvolle Erfahrung, sie kommen mit Menschen in Berührung, denen sie Freude schenken und deren (Pflege-) Alltag sie aufzulockern helfen. Und die Überraschung und Freude von Frau S. ist noch sichtbar, als der riesige Kontrabass am Ende des Besuchs bereits im Lift verschwunden ist.


#38 | April 2019

DENK MIT, MACH MIT! von Gitte Nenning

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s gibt wenige Menschen, die keine Schokolade mögen. Ich gehöre nicht zu ihnen. Auch wenn ich keine Mengen brauche, so genieße ich die süße beruhigende Wirkung, die der Geschmack im Mund vermittelt und finde auch den Energiekick sehr praktisch. Als ich vor ein paar Jahren gehört habe, dass bekannte Firmen, egal welche Farbe ihre Verpackung hat, ihre Schokolade von Plantagen beziehen, die Kinderarbeit erlauben, stand ich vor einem echten Dilemma. Die Dokumentation zeigte, wie schulpflichtige Kinder aus ärmsten Familien von einem afrikanischen Land unter dem Vorwand, Arbeit und Ausbildung zu bekommen, weit weg in ein anderes afrikanisches Land gebracht wurden. Aber das, was sie dort erhielten, waren keine Ausbildung und Obhut, sondern harte Arbeit ohne Lohn und in Gefangenschaft. Diese Kinder werden zum Eigentum der Plantagenbesitzer und ernten die Kakaobohne, die in unserer Schokolade landet. Der Mann, der die Dokumentation machte, wollte ein Jahr nach den Dreharbeiten noch einmal nach Afrika reisen, um zu sehen, was sich verändert hatte. Ihm wurde ohne Angabe von Gründen die Einreise verweigert. Er hatte im Jahr davor die falschen Fragen gestellt. Ich finde es erschütternd, wie selten solche Berichte bis zum Konsumenten vordringen. Wir kaufen die lustigen Schokoladenhasen für unsere Kinder und sind uns nicht darüber im Klaren, dass andere Menschen dafür büßen. Was mich an mir selber erschüttert hat war, wie lange ich brauchte, um mich vom gewohnten Geschmack zu entwöhnen. Es ist heute kein Problem Alternativen zu finden. Es gibt ein gutes Sortiment an Fairtrade Schokolade, bei der zumindest die grundsätzlichen Menschenrechte eingehalten und sklavenähnlichen Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen werden. Wenn mein schlechtes Gewissen beim Konsum vertrauter Marken nicht so zermürbend gewesen wäre, wäre ich dennoch rückfällig geworden. Wir sind so auf den Geschmack fixiert, dass ein Wechsel schwerfällt. Die gute Nachricht ist, das legt sich nach ein paar Monaten. Mittlerweile schmeckt mir meine frühere Sorte nicht mehr. Es ist wie wenn wir unser Geschmacksempfinden neu programmieren müssen. Aber noch besser ist, dass wir unsere Kinder von Beginn an an den fairen Geschmack gewöhnen können. Also, denkt mit und macht mit!

Weite Welt im Wald Beim Wäldermarkt in Hittisau am Mittwoch, den 1. Mai von 10 bis 17 Uhr wird der Verein Vielfalt Handel einem besonderen Thema Raum und Referenz geben. Mit der „Weiten Welt im Wald“ soll der Bogen von der Vielfalt des Handels zur Vielfalt der Kulturen gespannt werden. Geplant sind verschiedene Programmpunkte, die „den Wald“ und die Vielfalt seiner Bewohnerinnen und Bewohner darstellen und dazu anregen sollen, dass Menschen aus verschiedenen Nationen, Kulturen und mit Sprachunterschieden willkommen sind und miteinander leben, lernen und arbeiten können. Schließlich leben im Bregenzerwald derzeit zirka 31.000 Personen aus 81 Nationen. Auftreten werden Musikgruppen aus dem Bregenzerwald und aus der Weiten Welt, wie Evelyn Fink-Mennel, eine afrikanische Trommelgruppe, der Kontaktchor und arabische Musiker. Katharina Ritter wird Geschichten erzählen von „vo död und dô – vo witt awäk und vo gônz nô“. Die Nähwerkstatt Sulzberg wird den ganzen Tag aus Stoffen ein vielfältiges Kunstobjekt kreieren und jede Marktbesucherin und jeder Marktbesucher kann dabei mitwirken, damit die „Weite Welt im Wald“ noch vielfältiger und bunter wird.

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Sudoku Sudoku So geht‘s: Füllen Sie die leeren Felder so aus, dass in jeder Reihe, in jeder Spalte und in jedem Block (= 3×3-Unterquadrat) die Ziffern 1 bis 9 genau einmal vorkommen. Viel Spaß!

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Mittendrin in V

Kerstin Resch (l.) und Fini Federspiel haben Zia Malikzai dabei geholfen, sich ein neues Leben aufzubauen.

TAPFERER SCHNEIDERMEISTER

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Eigentlich wollte Fini Federspiel nur mit dem Bus nach Gatteo a Mare. Heute weiß sie mehr über Afghanistan, als sie sich je geträumt hätte und ist vor zweieinhalb Jahren nochmals „Mama“ geworden. Ihr „Ziehsohn“ Zia Malikzai ist 34 und hat sich vor ein paar Monaten selbstständig gemacht. Als Änderungsschneider in Wolfurt. Text: Christine Mennel, Foto: Frank Andres

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n der linken Ecke liegt zusammengerollt der Gebetsteppich, rechts steht ein Bügelbrett parat und mitten im Raum trohnt Zias ganzer Stolz: seine professionellen Nähmaschinen. Ein weiter Weg war es bis zu seinem eigenen Nähstudio, das ganz anders ist als sein großes Textilunternehmen, das er in Jalalabad besaß. Was aus seiner Firma geworden ist, weiß er nicht. Vor vier Jahren gelang ihm die Flucht nach Europa. Zu Fuß schlug er sich einen Monat lang bis nach Ungarn durch, dort pferchte ihn ein Schlepper mit 30 anderen Flüchtlingen in einen kleinen Bus. Wohin er wollte, wusste er nicht. „Ich ging einfach immer weiter und weiter.“ Bis er müde wurde und sich sagte: „Hier bleibe ich.“ Da war er in Österreich. Gelandet ist er in Traiskirchen, von dort ging es ins Burgenland, dann wieder zurück nach Traiskirchen. Mit seiner Familie hatte er fast drei Monate keinen Kontakt. Während seiner Flucht kam seine jüngste Tochter zur Welt. Sie hat der vierfache Vater bis heute nicht gesehen.

Sauberes Herz

Irgendwann war vorläufig Endstation in der Mehrerau. Bis Fini Federspiel ins Spiel kam. „Ich saß im Reisebus nach Italien und hörte über eine Bekannte von Zia und seinen Fähigkeiten als Schneider“, sagt sie. Als Koordinatorin für Faschingskleidung hat sie einen großen Bekanntenkreis und einen noch größeren Bedarf an Hilfe beim Schneidern. „Als man mir Zia gebracht hat, konnte er kein Wort Deutsch“, sagt sie und lacht. „Mein Mann hat jeden Vormittag mit ihm gelernt.“ Heute kann sich Zia revanchieren und den mittlerweile erkrankten Mann unterstützen. „Er ist ein ganz Braver“, sagt Fini Federspiel, die Zia schmunzelnd „Mama“ nennt. Wie man hier mit Frauen umgeht, etwa ihnen die Hand zur Begrüßung gibt, das musste der strenggläubige Moslem erst lernen. Besonders in seinem Beruf kommt er viel mit Frauen in Kontakt. Und wenn sich eine Dame in der Umkleidekabine umzieht? „Kein Problem“, lacht er, „mein Herz ist sauber.“


#37 | März 2019

Rarität

Wenn sich Menschen zusammentun, kann Großes bewegt werden, auch wenn es sich am Anfang fast unmöglich anfühlt. Kerstin Resch, eine Freundin von Fini Federspiel, engagierte sich unermüdlich, um Zia zu helfen. „Das Problem ist, dass er noch kein anerkannter Flüchtling ist und somit eigentlich nicht arbeiten darf “, schildert sie die Situation. Endlose Telefonate führte sie mit vielen Freunden, Bekannten und noch viel mehr Behörden, ließ nicht locker, als es ausweglos schien, gab nicht auf. Eine befreundete Anwältin zeigte die für sie einzige Lösung auf: den Weg in die Selbstständigkeit. „Bis heute gibt es nur ganz wenige Flüchtlinge, die sich selbstständig gemacht haben“, sagt Kerstin Resch. „Aber es war ein Versuch wert. Im Gegenteil: je schwieriger es wurde, desto stärker entfachte das meinen Kampfgeist.“ Monatelang hat das kleine Team gezittert und gekämpft, bis im August letzten Jahres endlich der positive Bescheid von der Bezirkshauptmannschaft kam. Die Freude war groß, aber mit der neu gewonnenen Freiheit stellte sich auch ein ganz anderes Gefühl ein. „Du bist jetzt frei Zia“, sagte Kerstin Resch bei der Geschäftseröffnung vor drei Monaten, „aber das bedeutet auch, dass du für dich alleine verantwortlich bist. Du bist jetzt ein ganz normaler Steuerzahler, der für sich selbst aufkommen muss“. Keine öffentlichen Gelder mehr und keine Wohnung mehr von der Caritas. Aber hoffentlich bald eine Aufenthaltsbewilligung.

„Bis heute gibt es nur ganz wenige Flüchtlinge, die sich selbstständig gemacht haben.“

Frauenpower

Eine Wohnung und ein Geschäftslokal für seine Schneiderei musste gefunden werden. Das tatkräftige Duo Resch-Federspiel mobilisierte alle Kräfte und eine Gruppe sozial engagierter Frauen in Wolfurt unterstützte die drei. Mit vereinter Frauenpower war auch das bald geschafft und seit Jänner dieses Jahres surren die Maschinen in der Kellhofstraße 5 in Wolfurt. Zia Malikzai ist jeden Tag für seine wachsende Kundschaft im Geschäft, außer am Mittwoch – da näht er manchmal etwas für sich selbst. Freunde aus Afghanistan hat er nicht, sagt er. „Ich kenne nur Mama.“ Seit vier Jahren hat er seine Frau und seine Kinder nicht gesehen. Sein größter Wunsch ist ein positives Asylverfahren und damit die Möglichkeit, seine Familie nach Österreich zu holen. Denn das Schwerste für ihn ist es, wenn er am Abend müde nach Hause geht. Und dort alleine ist.

Kellhofstraße 5, Wolfurt, Tel. 05574/99 22 19 22 Öffnungszeiten: Mo, Di, Do, Fr: 9:00 bis 12:30 und 15:00 bis 18:30; Samstag: 9:00 bis 13:00 Uhr; Mittwoch geschlossen

Meine Jahresspende beträgt:  60,- Euro (Mindestbeitrag für Schüler/Studenten/Senioren)  100,- Euro 

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Änderungsschneiderei Zia Malikzai

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Mittendrin in V

„Auf die Politik kann man sich nicht verlassen“ Werner Lampert gilt als der Bio-Pionier in Österreich. Aber wie nachhaltig lebt der gebürtige Vorarlberger, ist die Bio-Produktion in Massen ohne tierisches Leid möglich und was fasziniert ihn an Kühen? Die marie bat den 72-Jährigen zum Interview. Interview: Frank Andres, Fotos: Werner Lampert Beratungsges.m.b.H, Ramona Waldner

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marie: Wie nachhaltig leben Sie, Herr Lampert? Werner Lampert: Was Essen und Hygiene anbelangt total nachhaltig. Meine Kleidung ist zu 100 Prozent ohne Kinderarbeit in Europa hergestellt worden. Mein Auto ist ein Hybrid, also da ist Luft nach oben. Ich versuche kaum mehr zu fliegen, was mir nicht immer gelingt. Gab es in Ihrem Leben eine Art Wandlung vom Saulus zum Paulus. Wenn ja, wie sah diese aus? Nein, leider nicht. Jeder wünscht sich so einen Moment, aber den gab es nicht. Sie waren also immer Paulus? Ja. Worauf achten Sie beim Einkauf von Lebensmitteln? Die letzten 50 Jahre habe ich fast ausschließlich biologische Lebensmittel gekauft. Ich möchte stets wissen, wer das Lebensmittel produziert hat und wo und wie. Das interessiert mich sehr, da bin ich sogar biologischen Lebensmitteln gegenüber skeptisch und hinterfrage. Bei Eiern erkennt der Konsument sofort, ob es aus Boden- oder Bio-Freilandhaltung stammt. Für wie sinnvoll halten Sie eine solche Kennzeichnungspflicht bei anderen Lebensmitteln, wie zum Beispiel Fleisch? Bei Fleisch wäre es sehr wichtig. Berühmte amerikanische Ernährungsmediziner machen darauf aufmerksam, dass wir sehr wenig Fleisch essen sollten und wenn, dann Tiere, die auf Weiden

gehalten wurden und nicht mit Proteinen hochgetriebene. Fleisch von Tieren, die ein gutes Leben auf der Weide hatten. Ich selbst esse daher nur wenig Fleisch, etwa einmal in zwei Wochen. Sie haben für Rewe (Ja natürlich!) und Hofer (Zurück zum Ursprung) zwei erfolgreiche Bio-Marken entwickelt. Gleichzeitig verkaufen die beiden Lebensmittelhändler aber auch Fleisch zu Schleuderpreisen. Wie passt das zusammen? Ich habe meine Arbeit nie aus einem pädagogischen Impuls heraus gesehen, sondern so verstanden, dass ich bewussten Konsumenten die Möglichkeit biete, gute biologische nachhaltige Lebensmittel zu vernünftigen Preisen zu kaufen. Und in jedem dieser Geschäfte haben Konsumenten die Wahl zu nachhaltigen Lebensmitteln zu greifen, und dafür arbeite ich gerne. Wie kann man Bioqualität in Massen im Handel anbieten? Werden damit nicht Bio-Bauern – wie konventionelle Landwirte – dazu gezwungen, größer und größer zu werden, zum Leid der Tiere und Ökosysteme? Im „Zurück zum Ursprung“-Projekt versuchen wir ganz gezielt mit der kleinstrukturierten Landwirtschaft zu arbeiten, vor allem im alpinen Bereich. Jeder Tropfen Milch in unserem Projekt kommt aus der alpinen Landwirtschaft. Das ist ein Impuls für die Zukunft der kleinstrukturierten Landwirtschaft. Aber für mich ist ein großer Betrieb

nicht automatisch schlecht. Wenn ich an Rudolf Steiner denke, hat er 1924 die Idee der biologisch-dynamischen Landwirtschaft Gutsbetrieben in Schlesien kundgetan, das waren lauter Betriebe mit 500 bis 1000 Hektar. Und ich habe Freunde mit über 500 Hektar, die seit den 80er Jahren wirklich eine gute biologische, oder sogar biologisch-dynamische Landwirtschaft betreiben. Wir sollten nicht diesen Fehler begehen, dass wir eine Landwirtschaft aufgrund der Größe diffamieren, sondern wir müssen genau hinschauen, wie dort gearbeitet wird, wie sind die sozialen Bedingungen, gibt es Ausbeutung, wird nachhaltig gearbeitet. Das ist für mich von Interesse. Es wird immer von der Verantwortung des Konsumenten gesprochen. Aber wo bleibt die der Politik? Mir hat ein großer Zeitungsherausgeber in den 90er Jahren gesagt: „Herr Lampert, von der Politik kommt kein Heil, erwarten Sie gar nichts.“ Und in meinem langen Leben muss ich wirklich sagen, auf die Politik kann man sich nicht verlassen. Von der Politik kommt von sich aus gar nichts, sondern die Menschen müssen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, die Konsumenten müssen tatsächlich ihre Verantwortung wahrnehmen, dann wird auch die Politik folgen. Herr Lampert, Sie sind gebürtiger Vorarlberger. Wie kann die Landwirtschaft in einer so kleinen Region


#38 | April 2019

Die Kuh. Eine Hommage. Das Buch mit berührenden Fotografien ursprünglicher Rinderrassen aus aller Welt und umfassenden Informationen, 26x29,8 cm, 480 Seiten, Verlag: teNeues, 51,20 Euro

zukunftsfähig und nachhaltig gestaltet werden? Ich bin gebürtiger und leidenschaftlicher Vorarlberger. Meine Heimat ist das Vorarlberger Idiom. Vorarlberg zeigt ja bereits, dass man eine nachhaltige Landwirtschaft betreiben und gute Wege gehen kann. Was im Walsertal oder teilweise im Bregenzerwald passiert, beeindruckt mich sehr. Die dort hergestellten Rohstoffe werden nicht irgendwohin zur Verarbeitung geschickt, – das ist das allerwichtigste –, sondern der Rohstoff wird wirklich auch in der Umgebung verarbeitet und eine Qualität erzeugt. Das ist die Zukunft der kleinstrukturierten Landwirtschaft. Sie haben kürzlich einen opulenten 500-seitigen Bildband mit dem Titel „Die Kuh – eine Hommage“ veröffentlicht. Was fasziniert Sie an diesen Hornträgern? Bei mir ist es eine persönliche Leidenschaft, die mich mit den Rindern verbindet, eine Leidenschaft, die mich ein Leben lang an sie gebunden hat. Und irgendwann ist der Punkt gekommen, wo ich mir überlegte, was will ich jetzt noch machen? Da war es fast eine Selbstverständlichkeit, dass es etwas sein sollte, das meine Leidenschaft zum Ausdruck bringt. Was mich an Kühen fasziniert, ist die Vielgestaltigkeit. Über die ganze Welt gibt es Rinder, mit eigenem Charakter, eigenen Aufgaben. Rinder können in Hitzegebieten, im Hochalpinen oder im Himalaya leben,

„Ich habe immer den Eindruck, dass Kühe über ein Wissen unserer Vergangenheit verfügen, das wir längst vergessen haben und dass sie Hüter eines Wissens sind, das uns heute gut täte.“

Rinder halten Temperaturschwankungen bis zu 100 Grad Celsius aus. Rinder haben sich seit 10.000 Jahren auf eine äußerst beeindruckende Art und Weise mit dem Menschen verbunden, man muss sogar sagen, sie haben sich ganz in Menschenhand gegeben. Mit Rindern sind Gesellschaften entstanden, die Jahrtausende lang intakt sind, bis zum heutigen Tag. Rinder haben Landschaften gestaltet, sie haben dem Menschen die Möglichkeit gegeben, die Welt zu erobern und in fremde Gebiete zu gelangen, in unwirtliche Gebiete wie Jakutien, das konnte nur mit diesen wunderbaren Rindern erreicht werden. Die Besiedlung Amerikas durch die Spanier gelang auch erst, als sie ihre Rinder mitbrachten. Rinder sind ganz außergewöhnliche Tiere. So geht es vielen Menschen, die mit Rindern zu tun haben. Ich habe immer den Eindruck, dass Kühe über ein Wissen unserer Vergangenheit verfügen, das wir längst vergessen haben und dass sie Hüter eines Wissens sind, das uns heute gut täte. Wie geht es Ihnen als Kuhliebhaber, wenn Sie von qualvollen Kälbertransporten ins Ausland hören? Sauschlecht, wie auch mit den meisten anderen Tiertransporten. Aber gerade in unserem Projekt versuchen wir, dass kein Kalb mehr von den Bauern, die uns beliefern, in die Türkei, nach Spanien oder durch die halbe Welt geschickt wird. Wir engagieren uns da ganz massiv.

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Zur Person Werner Lampert (72), gebürtiger Vorarlberger, beschäftigt sich seit den 70er Jahren mit biologischem Anbau und nachhaltigem Konsum. Mit den Bio-Eigenmarken „Zurück zum Ursprung“ (Hofer) und „Ja Natürlich!" (Rewe) hat Lampert zwei der erfolgreichsten Bio-Marken im deutschsprachigen Raum erfunden.


Mittendrin in V

PastinakenKarottensuppe für 4 Personen

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Jung, männlich, vegan … und Küchenchef

Kindheit und Jugend Simon Gamper hat seine Kochausbildung in in Irland verbracht, seine absolviert. Nach Stader „Traube“ in Bildstein rach, dem „Shanti“ tionen im „Guth“ in Laute uberei“ in Dornbirn in Wolfurt und „Susis Za Jugend- und Bildungsist er vor zwei Jahren im tzis gelandet – und haus St. Arbogast in Gö ade einmal 30 Jahren seit Anfang 2019 mit ger mit vier Köchen und Küchenchef eines Team p: Simon Gamper hat einem Lehrling. Ein Tip Cousine“ ein veganes unter dem Titel „Vegan . Erhältlich ist es im Kochbuch herausgebracht gast. Buchhandel und in Arbo

Zutaten:

• 4 Karotten • 2 Pastinaken • 1 EL Currypulver • 1 Zwiebel • 1 Knoblauchzehe • 900 ml Gemüsebrühe

Zubereitung:

• 100 ml Weißwein • 60 ml Sahne • Salz, Pfeffer schwarz, aus der Mühle • Pflanzenöl

Karotten und Pastinaken schälen und in kleine Stücke schneiden. Zwiebel und Knoblauch schälen und fein hacken In einem heißen Topf die Zwiebel mit Öl glasig anschwitzen. Den Knoblauch dazugeben und eine Minute mitbraten. Pastinaken, Karotten und das Currypulver hinzufügen und kurz mit anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen und mit der Gemüsebrühe aufgießen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. 15 Minuten leicht köcheln lassen. Zum Schluss mit einem Stabmixer fein pürieren und mit Sahne verfeinern.


#38 | April 2019

Fredi’s Käslädele im Herzen von Bregenz Köstliche Käsespezialitäten aus Vorarlberg, Österreich und ganz Europa Schauen Sie vorbei und genießen Sie selbst!

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IM Henryk Dobosz (Bregenz) Manfred Wuppinger (Neumarkt) 2. Bundesliga-West, Salzburg 2019

FM Johannes Rusche (Kufstein/Wörgl) IM Max Berchtenbreiter (Hohenems) 2. Bundesliga-West, Salzburg 2019

1 Wie gewinnt Schwarz am Zug eine Figur?

2 Weiß am Zug gewinnt forciert eine Figur. Wie?

3 Wie kann Schwarz am Zug das schwache weiße Feld f3 sofort ausnützen?

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Lösungen auf Seite 38


Thema

Streiten will gelernt sein Die marie widmet sich der „Streitkultur”. Mit dabei sind Daniela Kickl, die ihrem Cousin Herbert kritische Briefe schreibt, der Rechtsanwalt Karl Schelling, der erfolgreich für die Rückgabe eines Grundstücks an seinen Vater gekämpft hat, Landesrat Christian Gantner und Tierschutz-Aktivist Tobias Giesinger, die sich zum Streitgespräch über Kälbertransporte in der marie-Redaktion getroffen haben und eine Gruppe engagierter Bürger, die ein Demokratie-Repair-Café in Dornbirn starten.

APPLAUS FÜR KICKL 22 |

Die gebürtige Wienerin Daniela Kickl (48) lebt und arbeitet als Autorin und in der IT-Branche in Irland. Sie kam extra zur Sonntagsdemo nach Hohenems, um eine Rede gegen die unmenschliche Abschiebepraxis von Asylwerbern zu halten. Im Mittelpunkt ihrer Kritik: ihr prominenter Cousin, Innenminister Herbert Kickl.

Text: Gernot Hämmerle Foto: Frank Andres

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aniela Kickl, Mutter zweier Kinder, lebt seit einigen Jahren in Irland, ist studierte Politikwissenschaftlerin und Betriebswirtin, Autorin mehrerer Bücher und eine starke Persönlichkeit. Öffentlich wahrgenommen wird sie in erster Linie aber als Cousine von Bundesinnenminister Herbert Kickl. Dazu hat sie auch ihren Teil beigetragen. „Am 11.11.2017 habe ich nicht den Faschingsbeginn gefeiert, sondern auf Facebook ein Brieferl an meinen Cousin Herbert geschrieben, den damaligen Generalsekretär der FPÖ“, erzählt Daniela Kickl der marie. Ein sehr kritisches, offenes Brieferl, das für viel Aufsehen gesorgt hat. Es ging um den FPÖ-Vorschlag, die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern abzuschaffen. Daniela Kickl schlug in ihrem Brieferl daraufhin

vor – natürlich ironisch gemeint –, auch die Zwangsmitgliedschaft bei den Krankenkassen abzuschaffen. Den Erfolg von freiwilligen Mitgliedschaften sehe man ja beim Gesundheitssystem in den USA. Mittlerweile hat Daniela Kickl auf Facebook 170 Brieferl an ihren Cousin Herbert veröffentlicht und mehr als 20.000 Follower. Ihre Brieferl an Herbert sind in drei Büchern nachzulesen.

Kickl nur einmal persönlich getroffen

Interessant, ist, dass Daniela Kickl ihren Cousin Herbert Kickl in ihrem Leben bislang nur ein einziges Mal getroffen hat. Kein Wunder, bei der riesigen Verwandtschaft. Ihre gemeinsamen Großeltern hatten 14 Kinder. Daniela Kickl hat keine Ahnung, wie viele Cousins und Cousinen sie überhaupt hat. 1988 studierte sie Publizistik und Politikwissenschaften in Wien. Ihr Vater hat damals zu


#38 | April 2019

Daniela Kickl, Cousine von Innenminister Herbert Kickl, wurde von den Organisatoren der Sonntagsdemo in Hohenems als Gastrednerin eingeladen. Mit klaren Worten, aber durchaus mit einer Portion Humor, kritisierte Daniela Kickl die gelebte Abschiebepraxis von Asylwerbern. Dabei ging sie nicht nur mit ihrem Cousin Herbert zum Teil hart ins Gericht.

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ihr gesagt: „Da gibt es einen Cousin von dir, das ist der Herbert, der kommt jetzt von Kärnten ins große Wien. Der studiert das Gleiche wie du. Schau einmal, ob du ihn vielleicht triffst. Vielleicht kannst ihm ja weiter helfen oder ein paar Tipps geben.“ Und tatsächlich hat dann Daniela Kickl im Hörsaal einen jungen Studenten im Kärntner Dialekt reden gehört. „Bist du zufällig der Herbert aus Kärnten?“ Er war es. Daniela und Herbert haben dann kurz miteinander geplaudert. Daniela Kickl: „Ich habe dann angeboten ihm zu helfen, sich in der Großstadt zurechtzufinden. Das wollte er aber nicht. Er hat dankend abgelehnt und das war‘s dann auch schon.“ Seitdem hat kein persönlicher Kontakt mehr stattgefunden. Der Auslöser für Daniela Kickls politisches Engagement – sei es als Bloggerin oder als Rednerin wie bei der Sonntagsdemo in Hohenems – war ein Ereignis im November 2017, das „eigentlich nicht

mal eine Schlagzeile wert wäre“, sagt Daniela Kickl. „Da hat der damalige Kanzler Christian Kern im Parlament eine Rede zu den November-Pogromen (Anm.: während der Zeit des Nationalsozialismus) gehalten. Und die von der FPÖ – mitten drin Herbert Kickl – sind dabeigestanden und haben nicht geklatscht. Das war eine Rede, die war ja wirklich wichtig und inhaltlich auch grauslig. Und die sitzen da und lachen fast und applaudieren nicht. Da habe ich mir gedacht, jetzt, wo sie sich mit einem Bein in der Regierung wähnen, haben die nicht mal mehr den Anstand, dass sie Anstand heucheln. Da muss ich ehrlich sagen, da ist mir irgendwie die Ganslhaut runter. Das alleine zeigt doch schon, wo das enden wird.“ Daraufhin wollte der politische Mensch Daniela Kickl nicht mehr untätig bleiben. Wenige Tage später hat Daniela Kickl ihr erstes Brieferl an ihren Cousin Herbert verfasst.

„Da muss ich ehrlich sagen, da ist mir irgendwie die Ganslhaut runter. Das alleine zeigt doch schon, wo das enden wird.“


Thema

„ DAS WAR DIE REINE GIER“ Karl Schelling ist ein streitbarer Geist. Schon von Berufs wegen. Der Rechtsanwalt kämpfte zuletzt erfolgreich vor Gericht dafür, dass sein demenzkranker Vater einen Grundstücksverkauf in Hard rückgängig machen konnte. Die marie sprach mit dem 57-jährigen Dornbirner über familiäre Belastungen, seinen Kampfgeist und warum er nie ein Faschingsprinz sein wollte. Text und Foto: Frank Andres

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er Verkauf hatte von Anfang an ein „Gschmäckle“. Für nur 50.000 Euro wechselte 2015 ein 1600 Quadratmeter großes Grundstück in Hard den Besitzer. Die Protagonisten: der Verkäufer, ein betagter, demenzkranker 96-jähriger Mann, der Käufer, ein Lokalpolitiker, der Vertragserrichter, ein ÖVP-Parteifreund des Käufers und Landtagsabgeordneter. Was sich liest wie der Beginn eines schlechten Romans, ist keine Fiktion. Der Fall landete tatsächlich vor Gericht. Am Ende bekam der Käufer sein Grundstück wieder zurück. Der Vertragserrichter legte Mitte März, 17 Monate später, sein Landtagsmandat zurück. Er habe laut dem Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer nicht alle standesrechtlichen Regeln eingehalten, schrieb er selbst in einer schriftlichen Stellungnahme.

Zufall führte Regie

Dass der umstrittene Grundstücksverkauf aber überhaupt vor Gericht rückgängig gemacht werden konnte, ist einem postalischen Zufall und Karl Schelling, dem Rechtsanwalt und Sohn des Grundstückverkäufers, zu verdanken. „Meine Schwester hat einen Zettel im Briefkasten entdeckt. Darauf stand, dass sich mein Vater bei einem Notar melden sollte und sie hat mich darüber informiert“, erzählt der 57-Jährige. Sein damals 96-jähriger Vater habe die Absicht gehabt, zwei Tage nach dem Verkauf, den Grundstücksdeal rückgängig zu machen. „Der Käufer beziehungsweise sein Anwalt kannten aber keine Gnade“, betont der Rechtsanwalt, der seit 30 Jahren eine Kanzlei in Dornbirn führt. „Die Abwicklung dieses Grundstücksgeschäftes war für mich reine Gier“, urteilt Karl Schelling. Es sei augenscheinlich gewesen, dass bei seinem Vater eine Erkrankung vorgelegen und dieser die Folgen seines Handelns nicht begriffen habe. „Mein Vater hat nicht einmal gewusst, ob er den Vertrag überhaupt unterschrieben hat. Er war schon zu diesem Zeitpunkt demenzkrank“, sagt der 57-jährige Rechtsanwalt.

Das bestätigten danach auch Gutachten von fünf unabhängigen Sachverständigen.

Unangenehme Sache

Keine leichte Situation für den Sohn Karl Schelling: Er musste die Sachwalterschaft für seinen dementen Vater übernehmen. „Das war für mich das Unangenehmste an der ganzen Sache.“ Denn er hatte Zeit seines Lebens ein gutes Verhältnis zu seinem Vater Hermann, wie er selbst betont. „Das Schlimmste wäre gewesen, wenn mein Vater das Gefühl gehabt hätte, dass ich etwas mache, was er nicht will. Das war mich für meine Riesenbelastung“, gibt Karl Schelling zu. Die Erleichterung sei bei ihm, dem Sohn, aber groß gewesen, weil sein Vater von alldem nichts mitbekommen habe. Ein Prozess, bei dem Berufliches und Privates so eng verflochten sind, war für Karl Schelling etwas Außergewöhnliches. Aber war es auch sein schwierigster Fall? „Nein, ich hatte schon viel schwierigere Prozesse“, betont er. In dem Fall mit seinem Vater seien die Voraussetzungen überaus günstig gewesen. „Wir haben von dem Grundstücksverkauf frühzeitig erfahren. Wäre das später passiert und mein Vater in der Zwischenzeit verstorben, dann wäre der Nachweis seiner Geschäftsunfähigkeit unmöglich geworden.“

Richtig dicke Haut

Karl Schelling ist ein Rechtsanwalt, der sich immer wieder mit den politischen Mächtigen anlegt. Die Gemeinde Lochau musste zum Beispiel 2012 an Grundstückseigentümer eine Entschädigung in Höhe von 1,8 Millionen Euro zahlen, weil sie Bauland in landwirtschaftliche Fläche rückgewidmet hatten. „Man braucht in meinem Beruf eine richtig dicke Haut“, gibt Karl Schelling zu. Beim Fall seines Vaters sei er von der Politik richtiggehend


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„Ich wollte nicht ständig unterwegs sein, sondern lieber arbeiten.“

angefeindet worden. „Und das obwohl ich mich nur gewehrt habe“, erklärt der Anwalt. Aber manche, vor allem Politiker empfänden es fast schon als Beleidigung, wenn man anders handelt, wie sie sich das wünschen. Da müsse man aufpassen, nicht vom Opfer zum Täter gemacht zu werden. „Sie mögen es überhaupt nicht, wenn man draufkommt, wie die Dinge wirklich liegen. Da reagieren sie echt sauer.“ Grundsätzlich sei er aber ein friedliebender Mensch, wie Karl Schelling glaubhaft versichert. Wenn es beruflich aber zu einer Auseinandersetzung komme, habe er die Eigenschaft sich und anderen nichts zu schenken. „Ich bin ein Kämpfer und das bis zum Schluss.“ Aber nur mit legalen Mitteln und nicht um jeden Preis, wie er betont. Von Eitelkeiten oder Ängsten, bei irgendwem anzuecken, lasse er sich nicht beeinflussen. Es brauche in seinem Beruf gute Argumente und Beweise, sonst sei man sofort unglaubwürdig. „Wenn ich etwas behaupte, muss das beweisbar sein, sonst macht dich die gegnerische Seite fertig. Man darf sich in meinem Beruf nicht von Emotionen leiten lassen und muss immer dem Pfad der Logik und Realität folgen.“ Was macht aber Karl Schelling, wenn er nicht vor Gericht steht? „Ich bin verheiratet und habe einen zehnjährigen Sohn. Die Familie ist mein schönster Ausgleich zu meinem Beruf.“ Er brauche in seiner Freizeit keine Schickmicki-Veranstaltungen. Er verbringe seine Zeit viel lieber mit Frau und Kind in der Natur. Jahrelang war er aber auch ÖVP-Stadtrat in Dornbirn. „Ich habe die Politik verlassen, weil ich kein Faschingsprinz sein wollte. Das ist für mich kein Leben. Ich wollte nicht ständig unterwegs sein, sondern lieber arbeiten.“

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Thema

Landesrat Christian Gantner und Tobias Giesinger trafen sich auf Einladung der marie zum ersten Mal zu einem Gespräch.

Tierisch ernstes Gespräch 26 |

Historisches Treffen zwischen ÖVP-Landesrat Christian Gantner (38) und dem Tierschutz-Aktivisten Tobias Giesinger (34) in der marie-Redaktion. Ein Streitgespräch über Kälbertransporte, Ehrlichkeit in der Politik und die Idee des Reinheitsgebotes der Alpenmilch. Interview: Frank Andres, Foto: Christina Vaccaro

De Landesregierung hat in ihrem Programm das Ziel festgelegt, Tierschutzland Nummer 1 zu werden. Gleichzeitig gibt es grausame Fotos und Videos von gequälten Kälbern, die von Vorarlberg ins Ausland transportiert werden. Wie passt das zusammen? Christian Gantner: Das Tierwohl spielt bei uns eine zentrale Rolle. Die Kälber­ enthornung mit Betäubung wird zum Beispiel vom Land bezahlt. Gleichzeitig werden von jährlich 29.000 Kälbern 2600 nach Bozen transportiert. Das ist auch für uns nicht befriedigend. Wir bemühen uns, diese Zahl zu reduzieren. Im Dezember 2017 waren es 301 und ein Jahr später noch 143. Zur Gänze wegbringen werden wir sie aber nicht. Transporte, die jetzt noch durchgeführt werden, müssen auf möglichst hohem Tierschutzniveau abgewickelt werden. Wenn man aber weiß, dass Transport-

zeiten laufend überschritten werden und die Kälber teilweise nichts zu trinken bekommen, klingt das sehr zynisch. Gantner: Solche Bilder gehen mir auch nahe. Ich bin selbst Bauer und gehe jeden Morgen um fünf Uhr in den Stall. Ich habe einen kleinen Bergbauernbetrieb mit sechs Kühen und acht Stück Jungvieh. Und wohin werden Ihre männlichen Kälber transportiert? Gantner: Meine Kälber bleiben in der Region. Die Tiere werden hier geschlachtet und das Fleisch auch hier verkauft. Aber zurück zum Thema Kälbertransporte: Viele haben sicher noch das Bild im Kopf, wo eine Kuh an einem Fuß vom Schiff getragen wird. Das ist natürlich schrecklich. Aber man muss auch dazu sagen: Italien darf wegen der Blauzungen-Krankheit nur in den Mo-

naten Jänner und Februar Kälber ins Ausland transportieren. Laut der uns vorliegenden Bestätigung der Südtiroler Veterinärbehörde bleiben die in Vorarlberg nach Bozen abgefertigten Kälber in Italien. Herr Giesinger, Sie bzw. der Verein gegen Tierfabriken (VgT) haben die Missstände bei den Kälbertransporten aufgedeckt. Wie glaubwürdig ist die Politik des Landes Vorarlberg? Tobias Giesinger: Ich habe den Eindruck, dass versucht wird, Vieles schönzureden, vor allem auch was die Kälbertransporte über Bozen betrifft. Es stimmt zwar, dass nur während zweier Monate des Jahres Transporte über Italien abgewickelt werden. Diese Masttiere werden aber nach sechs bis acht Monaten weiter per Schiff in die Türkei zur Schlachtung gebracht. Die restlichen zehn Monate gehen die Kälbertranspor-


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te über Bergheim in Salzburg weiter direkt nach Spanien oder Polen. Haben Sie das Gefühl, dass das Land ausreichend auf die Missstände reagiert? Giesinger: Am System der Kälbertransporte hat sich nichts geändert. In anderen Bereichen, wie der Betäubungspflicht von Ferkeln bei der Kastration, hat Vorarlberg eine Vorreiterrolle inne. Das hat aber sicher auch mit der Aufdeckung des Schweineskandals durch den Verein gegen Tierfabriken im Jahr 2011 zu tun. Damals war der Aufschrei in der Bevölkerung sehr groß, weil das idyllische Bild einer heilen Tierwelt im Ländle zerstört worden ist. In Bayern haben Amtstierärzte Rinderexporte in bestimmte Staaten gestoppt. Die Begründung: Es gebe den Verdacht, dass die Tiere außerhalb der EU teils qualvoll geschlachtet würden und es schon während der tagelangen Transporte zu massiven Verstößen gegen Tierschutz komme. Warum setzt Vorarlberg nicht auch diesen Schritt? Gantner: Bayern verbietet den Transport in Drittstaaten, also außerhalb der EU. Von Vorarlberg aus gibt es keine solchen Transporte. Bei den Transporten nach Bozen agiert Bayern nicht anders als Vorarlberg. Auf der anderen Seite werden wir für eine Situation an den Pranger gestellt, für die wir nichts können. Welche Situation meinen Sie? Gantner: Wir teilen die Rechtsansicht, dass Tiertransporte, die nach Bozen gehen, nach 48 Stunden stoppen müssen. Da haben die italienischen Amtstierärzte eine andere Rechtsauslegung. Wir haben deshalb im Landtag einen entsprechenden Antrag eingebracht, dass die Bundesregierung beziehungsweise in weiterer Folge die EU-Kommission diese Richtlinien einheitlich und in unserem Sinne auslegen. Warum stoppt Vorarlberg nicht einfach die Transporte nach Bozen? Gantner: Ich vertrete, im Unterschied zu unserem Innenminister, die Meinung, die Politik hat den Gesetzen zu folgen. Das zuständige Ministerium und unsere hausinterne Prüfung haben uns unmissverständlich mitgeteilt: Wenn die Veterinäre diese Transporte nach Bozen nicht abfertigen, dann begehen sie einen

Amtsmissbrauch. Und ich sage klar: Ich möchte meine MitarbeiterInnen nicht in eine solche Situation bringen. Rechtlich gesehen sind die Transporte von Vorarlberg mit dem Bestimmungsort Bozen in Ordnung. Der Transport gilt gesetzlich als abgeschlossen, auch wenn die Tiere danach in andere Länder transportiert werden sollten. Giesinger: Das ist nur die halbe Wahrheit. Selbstverständlich gehen in Vorarlberg geborene Zuchtrinder über andere Bundesländer direkt in Staaten außerhalb der EU. In Bayern geht es meines Wissens um die Erstellung von Vorzeugnissen am Ausgangsort: Wenn ein Tier für den Transport in Drittstaaten gedacht ist, muss der Landwirt für dieses ein Gesundheitszeugnis ausstellen lassen. Auf diesem steht bereits, in welches Land es transportiert werden soll. Die Ausstellung dieser Vorzeugnisse verweigern die Amtstierärzte in Bayern nun. Das wäre in Vorarlberg auch möglich. Eine Möglichkeit die Zahl der Kälbertransporte zu verringern, ist die regionale Vermarktung des Fleisches. Die Genossenschaft Metzgerei Naturpark Nagelfluhkette hat es vorgemacht. Was halten Sie von dieser Initiative? Gantner: Ich habe mir das Projekt selbst angeschaut und das Land unterstützt diese Initiative. Ich habe das Gefühl, dass jetzt an vielen Orten solche Ideen entstehen. Es gibt immer mehr motivierte Bäuerinnen und Bauern, die ganz anders denken. Wir wollen die Landwirtschaft im Ländle breiter aufstellen. Es gibt nicht nur die Milchwirtschaft in Vorarlberg. Giesinger: Nach dem ersten Bericht über die Kälbertransporte haben uns mehrere Bauern einen anonymen Brief zugesandt. Darin beklagten sie sich, quasi gezwungen zu sein, Hochleistungsrinder züchten zu müssen. Es braucht noch mehr Unterstützung für Bauern, die einen anderen Weg gehen wollen. Gantner: Ich möchte auch, dass möglichst viele Kälber in Vorarlberg bleiben. Der Eigendeckungsgrad von Kalb- und Rindfleisch liegt im Land bei zirka 60 Prozent. Da ist es völlig pervers, wenn wir auf der einen Seite Kälber exportieren und auf der anderen Seite diese wieder importieren. Und dabei ist das eingeführte Fleisch auch noch billiger. Ich

möchte nicht die Schuld auf die KonsumentInnen abwälzen, aber es braucht eine gewisse Ehrlichkeit. Ich kann nicht auf der einen Seite weniger Kälbertransporte fordern und auf der anderen Seite billiges Fleisch kaufen. In der letzten Ausgabe der marie hat der Fachtierarzt für Tierhaltung und Tierschutz, Erik Schmid, ein Reinheitsgebot der Alpenmilch gefordert. Das beinhaltet die Rückkehr zu einer Zweinutzungsrasse mit Horn, eine Fütterung mit lokalem Aufwuchs und eine muttergebundene Aufzucht. Was halten Sie von diesem Konzept? Gantner: Ich bin grundsätzlich offen für neue Ideen, glaube aber nicht, dass das die Lösung ist. Mit dem Begriff „Reinheitsgebot“ wird impliziert, dass die andere in Vorarlberg produzierte Milch minderwertig wäre. Das stimmt nicht. Für mich gehört zu einer ausgewogenen Ernährung bei Rindern auch Kraftfutter dazu. Einen Zwei-Euro-Milchpreis, wie von Erik Schmid vorgeschlagen, halte ich für unrealistisch. Giesinger: Ich unterstütze die Idee von Erik Schmid. Mir gefällt vor allem der Punkt mit der muttergebundenen Aufzucht. Von der Tierschutzombudsfrau habe ich bislang nur zwei Mal etwas gehört. Beim Amtsantritt im Oktober 2017 und jetzt vor knapp zwei Wochen bei ihrem Rücktritt. Ist das nicht eine dürftige Bilanz für eine Anwältin der Tiere? Giesinger: Die jetzige Tierschutzombudsfrau ist sehr kompetent. Ich kenne die Abschlussberichte ihrer Vorgänger, Erik Schmid und Pius Fink und ich lese da heraus, dass der Job nicht ganz einfach ist. Es gibt viele Konflikte mit gewissen Interessensgruppen, besonders wenn es um Nutztiere geht. Wenn man in dieser Position Missstände aufdecken und etwas verändern will, muss man auch anderen auf die Füße treten können. Das ist sicher nicht leicht. Gantner: Ich bedauere ihren Rücktritt. Ich habe ihre Arbeit und ihre Person sehr geschätzt. Eine politische Einflussnahme kann ich meinerseits klar ausschließen. Für mich ist die Instanz der Tierschutzombudsperson mit dem Landesvolksanwalt vergleichbar.

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Thema

POLITIK VON UNTEN Stellen Sie sich folgendes vor: Ein Brief der Bundesregierung flattert ins Haus. Per Zufallslos wurden Sie dazu ausgewählt, sich ein Jahr lang als Bürgerrätin oder Bürgerrat zu einer Themenstellung zu engagieren. Würden Sie annehmen? Text: Simone Fürnschuß-Hofer Fotos: Florian Sturm, privat, Shutterstock

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ei es der Gähnreflex auf den typisch phrasenbetonten Politikersprech oder die Gereiztheit über die mancherorts populistisch angeheizte Rhetorik: Politik holt nicht immer das Beste aus sich und aus uns raus. Der eine oder andere reagiert verdrossen und stellt die Politik in den Verdacht, mehr der Macht als ihren inhaltlichen Aufgaben zu dienen. Bestimmt erraten Sie, wer in den Rankings vertrauenswürdiger Berufssparten regelmäßig am schlechtesten abschneidet. Richtig, es sind die Politikerinnen und Politiker. Doch wie ist es um unsere eigene politische Stimme bestellt? Entlastet oder frustriert das bloße „Kreuzerlmachen“ hinter Parteinamen? Wäre denn

das Instrumentarium der direkten Demokratie die bessere Lösung? Der Skeptiker wirft ein, dass Volksabstimmungen oder Volksbefragungen oft genug auch zu kurz greifen, weil ihnen der partizipative Aspekt fehlt. Sinn mache direkte Demokratie vor allem dann, wenn im Zuge der Lösungssuche echter Dialog und Diskurs stattfände. Sagen jene, die die ernsthafte Auseinandersetzung suchen. Und damit den Spielraum zwischen dem Ja und dem Nein. Um das zu aktiveren, was sich „gemeinsames Gestalten“ nennt. Nur das „Begehren“ zu bedienen und die Schlüsse daraus zu ignorieren, fördert eines gewiss nicht: das Vertrauen in die Politik.

Gute und schlechte Beispiele

Beispiele wie Großbritannien zeigen, wie es nicht geht: wenn Polarisierung und

eine aufgepeitschte Stimmung im Vorfeld eines Referendums zu Ergebnissen führen, die politisch kaum bis gar nicht umsetzbar sind. Das wirft die generelle Frage auf, wie demokratisch eine Methode ist, bei der im knappsten Fall einer 51-Prozent-Mehrheit 49 Prozent Unzufriedene gegenüberstehen können. Ganz abgesehen davon, dass in den meisten Fällen die Wahlbeteiligung zu wünschen übrig lässt. Anders schaut es in Ländern aus, die die direkte Demokratie an partizipative Prozesse binden. Das beste Beispiel hierfür ist Irland, wo das Parlament 2012 eine „Convention on the Constitution“ installierte, bestehend aus 66 ausgelosten BürgerInnen und 33 PolitikerInnen, die gemeinsam über mehrere Monate lang Empfehlungen zu einer bestimmten Themenstellung ausarbeiten. Auf diese Weise wurde dort bereits das Ja zur gleichgeschlechtlichen Ehe, das Wahlrecht ab 17 und die Aufhebung des Abtreibungsverbots auf den Weg gebracht.

Politikluft schnuppern

Natürlich wollen wir eine gute Politik. Fundierte Entscheidungen

Elisabeth Fasching, Stefan Schartlmüller und Markus Götsch sind Experten fürs Partizipative und veranstalten gemeinsam mit der marie das erste öffentliche Demokratie-Repair-Café in Vorarlberg.


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DemokratieRepair-Café - impacts to go -

am 2. Mai 17:00 – 20:00 Uhr Marktplatz Dornbirn Vorbeikommen und mitreden – wann und solange es Ihre Zeit erlaubt!

1000 Unterschriften

und wirkungsvolle Maßnahmen für ein gutes Zusammenleben. Nicht immer haben wir eine Meinung zu einer Themenstellung, weil uns das Hintergrundwissen fehlt – oder das Interesse. Schlimmer allerdings, wenn wir eine Meinung haben, obwohl uns Hintergrundwissen und Interesse fehlen. Der Stammtisch lässt grüßen. Dennoch: Was wäre, wenn wir dazu auserwählt würden, uns zu einem Thema eine Meinung bilden zu müssen? Wenn es dafür eine befristete Vereinbarung inklusive Aufwandsentschädigung gäbe, mich mit einem Thema differenziert auseinanderzusetzen, dafür Expertenwissen zur Verfügung gestellt würde und die Möglichkeit zum Diskurs? Wie tragfähig wäre es, wenn sich unser repräsentativ gewähltes Parlament solche BürgerInnen-Stimmen zu Hilfe nähme, um deren ausgearbeitete Empfehlungen zur politischen Lösungsfindung zu nutzen? Zum Verständnis: Das Ergebnis einer Bürgerversammlung im irischen Stile ist nicht bindend für die Gesetzgebung, muss aber im Parlament behandelt werden.

Kein Konvent im irischen Sinne aber immerhin ein Recht auf Bürgerräte hat die Vorarlberger Landesverfassung im Programm: Ab einer Sammlung von 1000 Unterschriften – egal ob von Parteien oder BürgerInnen eingebracht – kann das Vorarlberger Bürgerratsmodell vom Büro für Zukunftsfragen durchgeführt werden. Dabei werden die TeilnehmerInnen mittels Zufallsprinzip aus dem Melderegister ausgewählt und beratschlagen sich dann eineinhalb Tage lang. Einer, der sich diese Möglichkeit bereits zweimal zunutze gemacht und aktuell mit einer Initiativgruppe zum Thema Landwirtschaft die 1000 Unterschriften gesammelt hat, ist Gemüsebauer und Prozessbegleiter Stefan Schartlmüller. Zwar hebt er die Qualität des Prozesses hervor, sieht aber durchaus Luft nach oben, was die Sichtbarkeit angeht: „Allein schon der Bürgerrat als Option für jeden, sich einzubringen, müsste bekannter gemacht werden. Und es wäre wünschenswert, dass die Ergebnisse von der Politik ernst genommen und transparent gemacht werden.“ Gerade weil die erarbeiteten Lösungen nicht von Klientelinteressen geleitet seien, sondern tendenziell das Gemeinwohl im Fokus hätten. Filmemacher, Kommunikationsgestalter und Mediator Markus Götsch, der viel Erfahrung mit der Moderationsmethode der Bürgerräte mitbringt, ist überzeugt: „Bürgerräte untergraben nicht die Politik, sie geben ihr Rückenwind. Was an so einem Tag entsteht, das kann sinnstiftend fürs ganze Land sein. Da werden Lösungen herausgeschält, die größer sind als der individuelle Erfahrungsschatz und die für alle gültig sind. Jeder Bürgerratsprozess ist ein Mediationsprozess.“

Bei Demokratie-Repair-Cafés im öffentlichen Raum ist jeder eingeladen mizumachen und sich einzubringen.

Demokratie-Repair-Café

Weil es neben etablierten BürgerratsModellen auch freie Experimentierräume braucht, die die politische Stimme in uns wecken, hat eine Gruppe engagierter Menschen das Format des Demokratie-Repair-Cafés entwickelt, um demokratischen Prinzipien und unterschiedlichsten Grundfragen unseres Zusammenlebens nachzuspüren. Am 2. Mai startet in Kooperation mit der marie das erste Demokratie-Repair-Café im öffentlichen Raum. Gemeinsam gehen wir auf die Straße, zeigen partizipative Methoden, bieten Übungsfläche zum Mitgestalten, stellen Fragen wie: Was ist denn Politik überhaupt, was kann sie und warum macht sie uns oft so unzufrieden? Je unterschiedlicher und zahlreicher die Antworten, desto besser. Also: Mitdiskutieren, mitlauschen, mitstimmen erwünscht. Ob im Vorbeigehen oder im Verweilen. ZUM WEITERLESEN: ig-demokratie.at; vonunten.at

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Mittendrin in V

Der Salon der Villa Müller bietet Wohnzimmerkonzerten einen besonderen Flair im 60er Jahre Stil.

„Architektur braucht neue Konzepte“

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Am Ardetzenberg liegt sie, die Villa Müller. Jahrelang stand sie leer. Bis NEST, eine Agentur für Leerstandsmanagement, den Vorarlberger Architekten Lukas Böckle beauftragte, ihr wieder Leben einzuhauchen. Ein Atemzug in der ehemaligen Stadtvilla. Text: Christina Vaccaro Fotos: Christina Vaccaro, Marc Lins

L

icht durchflutet die beiden Salons mit den antiquarischen Sesseln. Kronleuchter, Sofa, Bilder, Türen, Regale, einfach alle Möbel- und Einrichtungsstücke stammen original aus den 60er Jahren. Das Anwesen mit 3000 Quadratmetern und etwa 750 Quadratmetern Nutzfläche stand vier Jahre lang leer, bevor Architekt Lukas Böckle auf Anfrage der Leerstandsmanagement-Agentur NEST aus Wien in seine Geburtsstadt Feldkirch zurückkehrte. „Die Villa Müller ist der Versuch einer alternativen Projektentwicklung”, erklärt Böckle. „Anstatt Neues zu bauen, arbeiten wir mit dem, was bereits vorhanden

ist. Architektur braucht neue Konzepte.” Deshalb haben der 35-jährige Vorarlberger und seine Lebensgefährtin Angie Schmied, die neben Architektur noch Anthropologie studierte, mit der Agentur für Leerstandsmanagement ein Unternehmen gegründet, das sich der Nutzung von Leerständen, öffentlichen Plätzen und Industriebrachen widmet. In Zeiten, in denen die tägliche Bodenversiegelung, also der Verbrauch von freien Flächen durch Wohn-, Industrie- und Verkehrsflächen, in Österreich bei über zehn Hektar liegen (Stand 2018, Quelle: Umweltbundesamt), eine wichtige Sache. Zum Vergleich: zehn Hektar entsprechen 14 Fußballfeldern.

Treffpunkt bei der ehemaligen Stadtvilla

Die Herausforderung alternativer Projektentwicklungen besteht darin, mit dem bereits Bestehenden zu arbeiten und mit der aktuellen Nachfrage zu verbinden. Darum befindet sich das Projekt Villa Müller derzeit in einer zweijährigen Zwischennutzungsphase, die noch bis Ende des Jahres geht. „Für eine sinnvolle Nutzung muss man den Bedarf der Umgebung kennen”, so Böckle. Gut funktioniere die Zimmervermietung für private Anlässe wie Taufen, Geburtstags- und Hochzeitsfeiern sowie geschäftliche Angelegenheiten. „Firmen – auch aus der Schweiz oder dem Liechtenstein – buchen uns etwa für Klausurtage und zum Beispiel Marketing-Arbeitstreffen.”


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„Uns hat die Idee, bereits Bestehendes wiederzubeleben, gut gefallen. Auch wir sind ressourcenorientiert und achten darauf, was unsere Klienten an Fähigkeiten mitbringen“ Ulrike Schmid-Santer, Leiterin des Bereichs Arbeit – Beschäftigung und der Öffentlichkeitsarbeit

Geht es nach dem Architekten, soll die Villa Müller aber mehr sein als eine angesagte Eventlocation. Vielmehr soll die ehemalige Stadtvilla, die stets in Privatbesitz stand, zu einem Ort der Begegnung für Kunst und Kultur werden. Wie etwa die Wohnzimmerkonzerte, die sowohl im Freien mit erhobenem Blick über die Montfortstadt als auch in den beiden Salons gegeben werden, als auch die Jazzoder Klassik-Brunchs, die monatlich stattfinden. Wie sehr die Stadt Feldkirch bzw. das Land Vorarlberg die Kulturschiene finanziell unterstützen, ist noch ungewiss. Böckle hofft das Beste, um die bunte Vielfalt und hybride Nutzung weiterleben zu lassen und auszubauen. „Für den Fall, dass wir keine Unterstützung bekommen und gezwungen werden, wirtschaftlich zu denken, müsste man eine Hochzeits- und Eventlocation daraus machen. Das interessiert mich aber nicht”, so Böckle.

Der Vorarlberger Architekt Lukas Böckle schätzt die Herausforderung, mit Bestehendem zu arbeiten.

Kooperation mit AQUA Mühle

Enge Zusammenarbeit besteht zwischen der Villa Müller und der gemeinnützigen GmbH AQUA Mühle, die Arbeitslosen während der Arbeitssuche eine sinnvolle Beschäftigung bietet und den Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert. „Uns hat die Idee, bereits Bestehendes wiederzubeleben, gut gefallen. Auch wir sind ressourcenorientiert und achten darauf, was unsere Klienten an Fähigkeiten mitbringen”, streicht Ulrike Schmid-Santer, Leiterin des Bereichs Arbeit – Beschäftigung und der Öffentlichkeitsarbeit, den gemeinsamen Denkansatz heraus. AQUA Mühle übernimmt die Reinigung der Räumlichkeiten, hält den Garten instand und trocknet auch schon einmal Kräuter daraus, um sie in der Küche zu verwenden, oder macht Blumensträuße für die Zimmer. Auch mit dem Catering gibt es eine Zusammenarbeit. „Das Schöne an dieser Kooperation ist, dass wir mitgestalten dürfen und unsere Klienten viel Eigenverantwortung übernehmen – in der Villa Müller zu arbeiten ist sozusagen die höchste Stufe der Karriereleiter bei uns”, so Schmid-Santer.

Wo sich Kraut und Rüben mischen

Die einstige Stadtvilla geht auf den Zürcher Architekten Walter Bosshart zurück, der auch das ehemalige Hallenbad in

Feldkirch geplant hat. Neben den beiden Salons vermietet NEST vier Doppel- und vier Einzelzimmer, auch hier sind die Räume noch original aus den 60er Jahren eingerichtet. Langzeitmieter können die Zimmer zu maximal sechs Monaten beziehen, die meisten bleiben zwischen einem und drei Monaten. „Es sind Leute, die ein Praktikum machen wollen genauso wie Handwerker, die gerade für ein Projekt ins Land kommen – da sitzen dann Theaterkünstler neben polnischen Tunnelarbeitern, die nach der Nachtsicht noch ein Bier trinken, gemeinsam am Frühstückstisch”, sagt Böckle. „Es mischen sich hier wirklich Kraut und Rüben, das gefällt mir.”

Termine

Peravinum am 6. April, 14 bis 19 Uhr, Weinreise durch Feldkirch. Vernissage am 12. April, 19 Uhr, Soloausstellung von Alina Sonea. Muttertagsbrunch am 12. Mai, 10 Uhr. Music Salon mit Chris Dahlgren & Band am 17. Mai. Details und Termine auf www.villamueller.at

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Gsi

WOHIN MIT VORARLBERG? Dass Vorarlberg heute ein Teil Österreichs ist, ja, dass es Österreich überhaupt noch gibt, grenzt an ein Wunder. Wäre es 1919 nach dem Wunsch und Willen der VorarlbergerInnen gegangen, wären wir heute entweder in der Republik Großschwaben, in einer Staatsunion mit Bayern und Tirol oder ein Schweizer Kanton. Text: Gerhard Thoma Fotos: Archiv, Adolf Bösch

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Propagandapostkarte aus dem Jahr 1918 für den Anschluss Vorarlbergs an Deutschland. Zur Debatte standen der Staat Großschwaben mit Vorarlberg, Baden und Württemberg sowie eine Art „Alpenrepublik“ mit Vorarlberg, Tirol, Bayern und Salzburg.

E

s war die Tragödie des Ersten Weltkriegs, welche in der Bevölkerung Vorarlbergs die Sehnsucht nach rosigen Zeiten weckte. Der Zusammenbruch der Habsburger Monarchie im Jahr 1918 brachte nicht nur wirtschaftliche Not und Elend, sondern führte auch zu einer politischen Identitätskrise: Alles, woran die kaisertreuen Vorarlberger bisher geglaubt und festgehalten hatten, war quasi von einem Tag auf den anderen aus und vorbei. Was vom einstigen Riesenreich, das sich vom Bodensee bis in die heutige Ukraine, von Tschechien bis ins kroatische Dalmatien erstreckte, übrig geblieben war, war ein Torso, welches für viele Bewohner nicht lebensfähig schien. Die neue Republik gab sich den Namen Deutsch-Österreich. Ein Name mit Programm, signalisierte er doch die Möglichkeit und Bereitschaft, sich an Deutschland anzuschließen. Auch in Vorarlberg wurde eifrig diskutiert, wohin der Weg führen soll. Da gab es zunächst jene Gruppe, die sich an Deutschland klammerte. Zwei Optionen standen hier zur Debatte. Die erste Option war der Zusammenschluss mit Tirol und Bayern. Auch Salzburg war nicht abgeneigt, sich dieser „Alpenrepublik“ anzuschließen. Die zweite Option war die Vereinigung von Vorarlberg mit den deutschen Bundesländern Baden und Württemberg. Die schwäbischen Regionen in Bayern würden sich hinzu gesellen. Der neu geschaffene Staat sollte den Namen „Großschwaben“ bekommen. Diese Bezeichnung schien sinnvoll, weil sie niemanden bevorzugte. In einem Referat am 21. März 1919 über den „Anschluss von Vorarlberg an Deutschland“ betonte der Kemptener Oberbürgermeister Dr. Merkt, dass die Vorarlberger „den Allgäuern willkommen sind, da sie, wie die Allgäuer, Söhne des Schwabenstammes“ seien. Vorarlberg sei schließlich ein „urdeutsches Land“. Die meisten Vorarlberger orientierten sich allerdings weniger nordwärts, sondern in Richtung Westen: der Schweiz. Es herrschte eine regelrechte Propagandaschlacht, wohin es gehen sollte, und diese Propagandaschlacht wusste der aus Lustenau stammende Volksschullehrer und Kinobesitzer Ferdinand Ried­mann (1886-1968) vorzüglich zu führen. In zahlreichen Veranstaltungen konnte der ehemalige Soldat viele seiner rat-

Der Lustenauer Lehrer und Kinobesitzer Ferdinand Riedmann überzeugte 80 Prozent der Vorarlberger, dass ein Anschluss an die Schweiz das Beste wäre.

Staatskanzler Karl Renner kaufte 1919 ein Haus im Montafon. Falls Österreich zerfallen würde, wollte er in Vorarlberg leben und Schweizer werden.


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Werbeplakat des Schweizer Komitees „Pro Vorarlberg“ aus dem Jahr 1919. Nachdem Österreich 1920 in den Völkerbund aufgenommen wurde, wurde die Aktion eingestellt. Die Schweizer Regierung stand einem „Kanton Vorarlberg“ äußerst skeptisch gegenüber, sah mehr Probleme als Vorteile.

losen und verunsicherten Landsleute davon überzeugen, dass der Anschluss an die Schweiz die größten Vorteile hätte. Seine Rhetorik war stets dieselbe: In Wien regieren unfähige Politiker. Österreich sei jüdisch, großstädtisch und sozialistisch verkommen. Eine Treue zu Österreich fehl am Platz. Dann pries er die Schweiz als „gelobtes Land“. Landeshauptmann Otto Ender riet er zu einem Putsch. In einer Volksabstimmung am 11. Mai 1919 votierten rund 80 Prozent für den Anschluss an die Schweiz. In Bern war man erstaunt, verhielt sich jedoch betont zurückhaltend und diplomatisch: Was die Vorarlberger wollen, sei ja gut und recht, aber entscheiden müssten andere: Zunächst die Bundesregierung in Wien und vor allem die alliierten Siegermächte. Österreich musste ja erst noch zu den Friedensverhandlungen in Paris antreten.

Bundeskanzler kauft Haus im Montafon

Aus Wien kommt zwar rasch ein klares „Nein“. Aber ganz so sicher sind sich die Staatsspitzen nicht, wie dieses Chaos enden würde. Sorgen bereiten nicht nur Vorarlberg, Tirol und Salzburg. Kärnten steht im Abwehrkampf gegen den neu geschaffenen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS), der bereits Unterkärnten besetzt hatte. Burgenland verliert Gebiete unter anderem im Raum Ödenburg an Ungarn. Schon bald nach der Schweiz-Abstimmung im Mai taucht im beschaulichen Partenen im Montafon Staatskanzler Karl Renner auf. Im Gefolge Otto Bauer, Staatssekretär im Außenministerium, ferner Gewerkschaftsboss Julius Deutsch und der Tiroler Landeshauptmannstellvertreter Franz Gruener. In geheimer Mission wollen die drei Gäste aus Wien im Ländle Grundstücke kaufen, Grüner soll sie dabei beraten. In den Parzellen „Bofa“ und „Im Loch“ werden sie fündig. Bauer kauft ein Grundstück samt dem „Bofa“-Haus. Renner erwirbt Grund und Boden „Im Loch“ mitsamt einem sieben mal zehn Meter großen Holzhaus, in dem früher eine Frau namens Brigitte Zangerle wohnte. Erst nachdem diese privaten Geschäfte erledigt waren, reisen der Kanzler und seine Begleiter zu den Friedensverhandlungen nach St. Germain bei Paris. Im „Fall des Falles“ ließe es sich in der Schweiz doch am Besten leben. In St. Germain aber schmettern die alliierten Siegermächte, allen voran

Frankreich, sämtliche Anschlusspläne der Vorarlberger kategorisch ab. Infolge dessen hat die Schweizer Bundesregierung niemals offizielle Verhandlungen aufgenommen. Der Kanton Vorarlberg war eine Seifenblase. Dies wiederum hatte zur Folge, dass kurz darauf ein Gesandter aus Wien nach Partenen kam, um zwei Grundstücke samt Häusern zu verkaufen: Eines in der Parzelle „Bofa“ und ein weiteres in der Parzelle „Im Loch“. Um ein Haar wäre der österreichische Bundeskanzler ein Vorarlberger und Schweizer geworden. Die Vorarlberger hätten dann 1966 bei der Schiffstaufe, als die „Vorarlberg“ in „Dr. Karl Renner“ umgetauft hätte werden sollen, gewiss nicht so einen Aufstand gemacht. | 33

Originelle Anschlussmotive Lebensart

Schweizer und Vorarlberger haben offenbar eine ähnliche Mentalität. Von diesem Umstand wollte bereits Napoleon profitieren. Im Jahr 1809 wollte der Kaiser der Franzosen die neutrale Schweiz als Verbündeten gewinnen und bot ihnen Vorarlberg als Geschenk an: „Dieses Land hat Ähnlichkeit mit euch in Sitten und physischen Mitteln, es besitzt den nämlichen Freiheitsdurst wie ihr und würde sich mit eurer Verfassung gut vertragen“, versuchte er den Schweizer Gesandten das Geschäft schmackhaft zu machen. Die Schweiz lehnte dankend, aber bestimmt, ab.

Churchills Pläne

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es erneut Anschluss-Pläne rund um Vorarlberg, diesmal von britischer Seite. Aus Furcht vor einem zu starken Deutschland fasste der britische Premierminister Winston Churchill ins Auge, die deutschen Bundesländer Baden, Württemberg und Bayern an Österreich anzuschließen. LITERATUR Meinrad Pichler: „Geschichte Vorarlbergs“, Band 3, Universitätsverlag Wagner, 2015 Arbeitskreis für regionale Geschichte (Hg.): „Eidgenossen helft euern Brüdern in Not! – Vorarlbergs Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten 1918-1922“, Feldkirch 1990


Kultur

Ein Pilotprojekt in Kinderschuhen

Natalie Begle-Hämmerle und Sabine Venier von der Musikschule Dornbirn sind seit einigen Monaten jede Woche zu Gast im Kindergarten Dornbirn Schwefel. Ausgestattet mit hoher Fachkompetenz und viel Feingefühl ermöglichen sie insgesamt 30 Kindern und rund 24 Kindergartenpädagoginnen ein spielerisches und lustvolles Eintauchen in die Elementare Musikpädagogik (EMP). Die Vorgehensweise ist neu und Teil eines einjährigen Pilotprojektes, das fortgeführt werden soll. Text: Mirjam Steinbock Fotos: Natalie Begle-Hämmerle, Karin Dünser

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D

er Start des Projektes wurde erst durch das Ineinandergreifen wichtiger Partner und Faktoren möglich. Das Land Vorarlberg legte einen Leitfaden für Kooperationen zwischen Kindergärten und externen Institutionen vor, die Stadt Dornbirn gab ihr Ja zur Deckung des Elternbeitrages für das Musikschulgeld im Pilotjahr und die Dornbirner Musikschule und der Kindergarten Schwefel engagierten sich für eine erste Zusammenarbeit. Die Idee zum Projekt gibt es schon länger: Ivo Warenitsch, Direktor der Musikschule Dornbirn, befasst sich bereits seit geraumer Zeit mit musikalischer Frühförderung in Kindergärten und stieß bei der Stadt Dornbirn auf

Die Gruppe der Drei- bis Vierjährigen montagvormittags im Kindergarten Dornbirn Schwefel mit EMP-Leiterin Sabine Venier (rechts) und Kindergartenpädagogin Karin Klinger.

großes Interesse. In Brigitte Rodriguez Lopez fand er eine Mitgestalterin, die vor allem auf Chancengleichheit setzt. „Ich habe mir schon oft gewünscht, dass Experten*innen für Elementare Musikpädagogik in unsere Kindergärten kommen und alle Kinder an diesem Angebot teilnehmen können“, betont die Leiterin des Kindergartens Schwefel. Ivo Warenitsch ergänzt: „An erster Stelle steht dabei die Qualität und die muss gut sein.“ Um diese sicher zu stellen, holte er sich seine Musikschulkollegin

Natalie Begle-Hämmerle ins Boot. Die Elementare Musik- und Tanzpädagogin verfasste ein umfassendes Konzept. „Ich habe beschrieben, wie ich mir so ein Projekt in der Praxis vorstellen könnte, sprich, für welche Gruppengröße es Sinn macht und welche Instrumente es braucht. Zur praktischen Arbeit mit den Kindern wollte die Stadt Dornbirn zusätzlich eine Fortbildung für Kindergartenpädagog*innen und Assistent*innen ermöglichen. Meine Idee war, sie zu den EMP-Stunden einzuladen, damit sie zu-


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Chancengleichheit und ein befruchtendes Miteinander sind für Brigitte Rodriguez Lopez (links) und Natalie Begle-Hämmerle bewegende Gründe, das Projekt weiter zu entwickeln.

schauen und wir anschließend gemeinsam reflektieren können.“ Im Sommer 2018 startete das Pilotprojekt und der Kindergarten Schwefel erhielt eine umfangreiche Ausstattung an Instrumenten wie Xylophonen und Metallophonen, Djemben, Chimes oder Bass-Klangbausteinen. „Wir können aus dem Vollen schöpfen“, zeigt sich Brigitte Rodriguez Lopez begeistert und Natalie Begle-Hämmerle bestätigt schmunzelnd: „Das ist sicher der bestausgestattete Kindergarten in Sachen Musik.“ Seit letztem Herbst leiten die Elementare Musik-Pädagoginnen Sabine Venier und Natalie Begle-Hämmerle vier Gruppen mit jeweils acht Kindern. An zwei Vormittagen geben sie ihnen sowohl Struktur als auch Anreiz zum Experimentieren und Musizieren, zum Singen und Tanzen. Viel Wert wird dabei auf Freiraum gelegt. „Elementar heißt aus sich selbst heraus. Es geht um das Urstoffliche, um das, was in einem selbst steckt. In der EMP wird das gefördert und möglichst an Potentialen orientiert gestaltet. Kinder und Erwachsene sollen ihren eigenen Ideen nachgehen, das entspricht dem Kern der Elementaren Musikpäda-

gogik. Es ist immer die spielerische und lustvolle Verbindung von Musik, Bewegung und Sprache“, erläutert Natalie Begle-Hämmerle. Jeder EMP-Einheit im Rahmen von 45 bis 60 Minuten folgt eine Reflexionsstunde gemeinsam mit den hospitierenden Kolleginnen. Ergänzend dazu wurden an vier Samstagvormittagen Themen der EMP wie vokales und instrumentales Gestalten, Tanz und Theorie mit den Kindergartenpädagoginnen vertieft. Ein Gewinn für alle Beteiligten, davon ist Brigitte Rodriguez Lopez überzeugt: „Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen aus der Musikschule bereichert und unterstützt unser eigenes musikalisches Tun im Kindergarten. Das Hospitieren ermöglicht uns, Inhalte während der Woche mit den Kindern zu wiederholen und zu verankern. Das ist das Besondere und Sinnvolle an diesem Miteinander.“ Natalie Begle-Hämmerle ergänzt: „Neben dem Luxus, mit den Kindern in ihrer Umgebung Musik und Tanz zu machen, ist für mich das Reflektieren ein großer Gewinn. Die Gespräche danach sind wertschätzend, kritisch und konstruktiv. Daran kann ich selbst wachsen.“

„Alle Kinder haben es verdient, diesen Schatz zu bekommen.“

Die Frage, warum EMP bereits in frühem Alter von so großem Wert ist, erklärt die Pädagogin so: „Musik ist eine Sprache – je früher wir Kindern einen Zugang ermöglichen, umso besser. Es geht aber auch um Fähigkeiten, die Kinder in ihrer Persönlichkeitsentwicklung stärken. Mit Musik und Tanz können sie Dinge für den Alltag lernen. Wenn wir beispielsweise einen Ton weitergeben, müssen sie warten können bis sie drankommen. Sie lernen, im Gleichklang zu sein, zu führen und zu folgen, sich überoder unterzuordnen, mutig zu sein oder selbst etwas anzuleiten. Das alles findet in einem Gruppenprozess statt.“ Dass die befruchtende Zusammenarbeit nach dem Pilotjahr weitergehen soll, wünschen sich inzwischen alle Kooperationspartner. Wie das in Bezug auf Inhalt und Finanzierung genau aussehen soll, muss hingegen noch detailliert ausgearbeitet werden. Klar ist den Pädagoginnen, dass es individuelle und auf die jeweiligen Bedürfnisse der Kindergärten zugeschnittene Bedingungen braucht. Eines aber soll laut Brigitte Rodriguez Lopez gleich sein: „Alle Kinder haben es verdient, diesen Schatz zu bekommen.“ HINWEIS: Mehr Informationen zu EMP auf der Website der Musikschule Dornbirn: www.musikschule.dornbirn.at/EMP

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Veranstaltungskalender

VERANSTALTER AKZEPTIEREN DEN KULTURPASS FÜR FREIEN/ERMÄSSIGTEN EINTRITT Infos über den Kulturpass unter www.hungeraufkunstundkultur.at

Fr 5. April, 10:00 bis 12:00 und 14:00 bis 18:30 Uhr bis Sa 13. April, 10:00 bis 13:00 Uhr, Bregenz, Stadtbücherei Gerberstraße 4 und Filiale Vorkloster, Rheinstraße 53, Eintritt: frei

GROSSER FLOHMARKT

Für alle Bücherfans, Film- und Musikbegeisterte gibt es ausgemusterte Romane, Sachbücher, Kinderbücher, Comics, Zeitschriften, DVDs und CDs zu entdecken und zu kaufen.

So. 7. April, 11 Uhr, Hohenems, Salomon Sulzer Saal, Eintritt: freiwillige Spende

AUSSTELLUNGSERÖFFNUNG: ALL ABOUT TEL AVIV-JAFFA. DIE ERFINDUNG EINER STADT

„All About Tel Aviv-Jaffa. Die Erfindung eine Stadt“ blickt hinter die Branding-Fassade der derzeit „angesagtesten“ Metropole am Mittelmeer. Ob als „Nonstop-City“ oder queer-freundliche Partymeile, als Start-up Paradies oder „weiße Stadt“ des „Bauhaus-Erbe“ – Tel Aviv wird als weltoffen und liberal gehypt, als „ganz anders“ als der „Rest des Landes“ und des Nahen Ostens. Aber sie ist auch Schauplatz gnadenloser Gentrification und sozialer Verdrängung – und einer anhaltenden Amnesie gegenüber ihrer arabischen Geschichte (und Gegenwart). Mit dem Frankfurter Fotografen Peter Loewy und vielen spannenden Objekten und künstlerischen Arbeiten wird der komplexen Realität dieser Stadt auf den Grund gegangen. Die Ausstellung des Jüdischen Museums Hohenems dauert bis zum 6. Oktober. Die Begrüßung wird Hanno Loewy vornehmen, die Einführung stammt von Hannes Sulzenbacher, Kurator in Wien. Der Festakt findet im Salomon Sulzer Saal statt, anschließend gibt es eine Besichtigung der Ausstellung im Jüdischen Museum Hohenems.

Foto: Veranstalter

Do. 11. April, 20.30 Uhr, Dornbirn, Spielboden, Eintritt: ab 17,- Euro

GABBEH

Mit ihrer unkonventionellen Besetzung verschmelzen Gabbeh Musiktraditionen urban und höchst dynamisch zu einer verblüffend klar strukturierten Komposition. Seit fünf Jahren arbeitet Manu Mayr mit zwei iranischen Musikerinnen, der Sängerin Golnar Shahyar und der Klarinettistin Mona Matbou Riahi. In diesem west-östlichen Dialog, in dem Shahyar so leidenschaftlich wie virtuos den Verlauf eines Lebens auf Farsi singend inszeniert, treffen Melancholie auf kammermusikalische Strenge, Ekstase auf Schwerelosigkeit, Songs, die zu Herzen gehen, auf den archaischen Blues Cry.

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Mi., 10. April, 20 Uhr, Rankweil, Altes Kino, Eintritt: 8,- Euro Foto: Denis Kooné Kuhnert.

Fr. 5. April, 20 Uhr, Bregenz, Festspielhaus, Eintritt: ab 35,- Euro

COMPAGNIE WANG RAMIREZ: „EVERYNESS“

Mit „Everyness“ haben Honji Wang und Sébastien Ramirez ein poetisches Zauberspiel ersonnen, bei dem sie das emotionale Spektrum einer menschlichen Beziehung wie Liebe, Freundschaft, Gleichgültigkeit und Eifersucht einer Recherche unterziehen. Tänzerisch kreieren sie dabei die unterschiedlichen Stimmungswelten, geben den wirkenden Anziehungskräften Gestalt und zeichnen bestehende emotionale Machtstrukturen nach. Mit Honji Wang steht ihr virtuoser Partner Sébastien Ramirez mit auf der Bühne. Begleitet von drei Tänzerinnen und Tänzern ihrer Compagnie, zeigen sie eine charismatische, sehr zeitgenössische Fusion aus mehreren Bewegungssprachen, darunter Hip-Hop und Martial Arts. In dem von kontrastreichen Licht- und Klangeffekten erfüllten Bühnenraum wartet das Stück mit einem wahren Kaleidoskop an Eindrücken auf. Eine Liebeserklärung an die Anziehungskraft von Gegensätzen.

ALPINALE AUF LÄNDLETOUR

Die Publikumsfavoriten der vergangenen ALPINALE touren im Frühjahr 2019 noch einmal durch acht verschiedene Locations in Vorarlberg und der Schweiz. Die beliebtesten sechs von 1245 Einreichungen, die sich im Jahr 2018 beim ALPINALE Kurzfilmfestival dem Wettbewerb um das „Goldene Einhorn” stellten, sind auch 2019 wieder von Februar bis April auf der ALPINALE Ländletour zu sehen. Das Filmprogramm: ARTEM SILENDI, TWEET-TWEET, DETAINMENT, EL ESCARABAJO AL FINAL DE LA CALLE, CATHERINE, ALL THE TIRED HORSES.

Foto: Gabriela Brandenstein.

Do. 11. April, 21 Uhr, Dornbirn, Wirtschaft, Bahnhofstraße 24, Eintritt: 38,-/58,- Euro

MARIA BILL SINGT EDITH PIAF

Ihr Name ist Legende: Edith Piaf, eine Frau, die auf der permanenten Suche nach Liebe und Anerkennung geradezu verschwenderisch lebte. Mit ihren Chansons und ihrer unverkennbaren Stimme voller Emotionen, stieg sie von der Straßensängerin zum Weltstar auf. Maria Bill lässt La Môme Piaf auferstehen und trägt die Geschichte dieser kleinen, großen Frau ins Heute. Die legendären Chansons spannen den Bogen über ein Leben, dessen Triumphe und Katastrophen einander fatalerweise bedingten. „Milord“, „Mon Dieu“, „La vie en rose“ und „Non, je ne regrette rien“. Maria Bill als Edith Piaf: Faszinierend, berührend, aufregend und immer authentisch. Denn die Bill ist die Bill- und als Piaf ist sie Weltklasse.


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Do., 11. April, 20 Uhr, Rankweil, Altes Kino, Eintritt: 20,- Euro

ALF POIER: HUMOR IM HEMD

Die Leute sagen oft „ich versteh‘ die Welt nicht mehr!“ – Mir geht es umgekehrt – die Welt versteht mich nicht mehr. Spinn‘ ich oder spinnt die Welt? Was lässt sich angesichts der digitalen Diktatur und der Auslöschung des Hausverstandes bloß noch sagen? Kann die Kunst uns retten, oder muss ich die Kunst retten? Wohin soll man flüchten? In die geistige Euthanasie, in das Absurde, zurück in die Tradition oder doch lieber in die Karibik? Alf Poier in Hochform: Am Ende der Show weiß man vielleicht mehr – oder noch besser – vielleicht gar nix mehr!

Fr. 12. April, 19:30 Uhr, Hohenems, ProKonTra, Kaiser-Franz-JosefStraße 29 und Sa. 13. April, 18 Uhr, Dornbirn, Pfarrsaal Hatlerdorf, Eintritt: freiwillige Spende

DAS EWIGE SPIEL: FORUMTHEATER ZUM THEMA „MÄNNER UND FRAUEN. WARUM IST DAS SO SCHWIERIG?“

Mit theatralen Mitteln werden Fragen zum Leben miteinander gestellt, unterschiedliche Beziehungsdynamiken untersucht und herrschende Geschlechterrollen hinterfragt. In einem kollektiven Erarbeitungsprozess hat sich eine Gruppe von SpielerInnen um den Theaterpädagogen Armin Staffler Fragen zu diesen Themen gestellt und spielt diese an das Publikum zurück. Bei der gewählten Methode „Forumtheater“ ist das Publikum eingeladen, sich spontan und aktiv am theatralen Prozess zu beteiligen und gemeinsam mit den SpielerInnen mögliche Antworten zu finden. Durch die unendlich vielen Erfahrungen, die das Publikum mitbringt und durch die höchst unterschiedlichen Beiträge jedes einzelnen, sind alle Aufführungen im wahrsten Sinn des Wortes „einmalig“. www.spectact.at

Fr., 12. April, 20 Uhr, Bludenz, Remise, Eintritt: VVK 20,- Euro

Sa., 13. April, 19:30 Uhr, Bludenz, Remise, Eintritt: 20,-Euro

Fr. 26. April bis Sonntag, 5. Mai, Messe Dornbirn, Eintritt: frei

LESUNG

14. TÜRKISCHE KULTURUND BUCHMESSE

Im Rahmen der Reihe KULTUR.LEBEN liest Michael Köhlmeier aus seinem Buch „Bruder und Schwester Lenobel“. Karten sind bei den Vorarlberger Hypo-Filialen, beim Gemeindeamt Nüziders oder beim Tourismusbüro Bludenz erhältlich. Die Eintrittspreise kommen zur Gänze Caritasprojekten für Aids-Waisenkinder in Äthiopien zugute.

Mo., 22. April, 19:30 Uhr, Bludenz, Remise, Eintritt: 30,- Euro

SERENADEN UND FRANZ SCHUBERTS OKTETT IN F-DUR

Im Rahmen von KULTUR.LEBEN gastieren Rainer Honeck und Mitglieder der Wiener Philharmoniker in der Remise. Alle Künstler, die in der Kultur.LEBEN Reihe auftreten, verzichten auf ihre Gage. Der Erlös der Veranstaltung kommt einem Projekt der Caritas für Aidswaisen in Äthiopien zu Gute. Karten: in allen Hypobanken und bei Bludenz Kultur.

Do. 25. April, 20:30 Uhr, Fr. 26. April, 18:00 Uhr, Sa. 27. April, 17:00 Uhr, Dornbirn, Spielboden, Eintritt: ab 27,Euro

DYNAMO FESTIVAL 2019 LINE UP

Der Countdown hat begonnen, abgehoben wird am 25. April und wenn alles gut geht landen Gastgeber und Gäste zwei Tage später wieder sicher mit einem leichten Kater im Raumanzug. Für Festivalfeeling sorgen zwei Bühnen, Indoor und Open Air, Foodtrucks und eine liebevolle Locationsgestaltung. Die Festivaleröffnung findet dieses Mal im Cinema Dornbirn statt, Klangkünstler Lambert wird das Festival eröffnen. Donnerstag, 25. April: Lambert, Freitag, 26. April: Mavi Phoenix, Lea Santee, Hearts Hearts, Pressyes, Pabst, Some Sprouts, Samstag, 27. April: Granada, Giant Rooks, Crimer, Pauls Jets, Karmic, Theodor Shitstorm. www.dynamofestival.at

Die Kultur- und Buchmesse und Türkische Unternehmermesse ist die größte Migrantenveranstaltung Österreichs und zählt zu den bekanntesten und angesehensten Messen Europas. Verlage und verschiedene Unternehmer wohnen der Kultur- und Buchmesse und Türkischen Unternehmermesse bei. Während zehn Tagen wird ein abwechslungsreiches Programm für Jung und Alt geboten. Im Mittelpunkt stehen Kunst, Kultur, Bildung, Erziehung und jede Menge Unterhaltung. Neben freiem Eintritt sind auch die Eintritte zu den einzelnen Programmpunkten (Konferenzen, Seminare, Konzerte usw.) kostenlos. Infos: Österreichische Islamische Föderation, Tel.: 05522 21756, info@avusturyafuari.at, www.kitapfuari.at.

Fr. 26. April, 20 Uhr, Rankweil, Altes Kino, Eintritt: 15,- Euro

BLUES CARAVAN

Ina Forsman, Ally Venable und Katarina Pejak: Der Blues Caravan rollt weiter. Auch in diesem Jahr kann man eine Nacht voll von feuriger Livemusik erwarten, wenn drei einzigartige Künstler die Bühne entern werden. Es ist die Chance, die heißesten Geheimtipps der Szene live zu sehen, bevor sie zu Supernovas werden. Ina Forsman wird für Kenner des modernen Blues, keine Unbekannte sein. Die in Finnland geborene „Blues-Röhre“ hat bereits den Blues Caravan 2016 zum Glühen gebracht.

FREMDE.NÄHE: HABIB KOITÉ & BAMADA

Habib Koité, ein Musiker und Geschichtenerzähler, macht mit Charisma und Können seine musikalischen Wurzeln einem breiten Publikum zugänglich. Es ist eine unerschrockene und feinsinnige Verschmelzung aller malischen Nuancen mit Soul-, Blues-, Flamenco- Reminiszenzen und modernem Afro-Groove. Dieses Panorama wird durch die eine oder andere Rock-Injektion in der Rhythmus-Sektion aus westlichem Schlagzeug, talking drum und E-Bass noch erweitert.

Festival 2019 // Bludenz Markt . Impulse . Kulturprogramm 31. Mai // 1. Juni // 2. Juni Fabrik Klarenbrunn & Remise www.uwyh.at

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Veranstaltungskalender

REPARATURCAFÉS

Sa 27. April, Bregenz, 14:30 Uhr, ab 16 Uhr: Marktplatz der Ideen, Austriahaus, Eintritt frei

MÖSLEPARK ALTACH

DIE VIELEN FRIEDEN: VORTRAG UND MARKTPLATZ DER IDEEN

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Abrüstung, Zusammenleben, nachhaltiger Konsum, aktiver Protest, innere Harmonie oder moralische Erziehung – wie verstehen wir Frieden? Auch unter Friedensengagierten gibt es Meinungsverschiedenheiten. Etwa darüber, was sinnvolle Friedensarbeit ist und was nicht. Die Veranstaltung bietet Gelegenheit zur Auseinandersetzung darüber, was Unterschiede innerhalb der Friedens- und Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsbewegung mit globalen Krisen zu tun haben und was wir davon lernen können. Zu den verschiedenen Friedensinterpretationen referiert der Inhaber des UNESCO Lehrstuhls für Friedensforschung und Leiter des Masterstudiengangs für Friedensforschung in Innsbruck, Prof Dr. Dr. Wolfgang Dietrich. Seine Forschungen haben die Friedensforschung revolutioniert und bieten ein umfassendes Verständnis dafür, wie Weltbilder unser Handeln bestimmen und wie Friedensarbeit in jeglicher Form von Beziehung wirken kann. Der Marktplatz der Ideen bietet im Anschluss zum Vortrag konkreten Austausch zum Thema. Auch können Impulse zur integrativen Vernetzung, Kommunikation und gemeinsamer Wirksamkeit rund um den Bodensee eingebracht und diskutiert werden.

LÖSUNGEN

Foto: PMedienstelle der Katholischen Kirche Vorarlberg

Di, 30. April, 20.00 Uhr, Bregenz, Stadtbücherei, Gerberstraße 4, Eintritt: frei

AUGENBLICKE – KURZFILME IM KINO 2019

Unterhaltsam und besinnlich, liebenswürdig und gelegentlich ein bisschen böse: Kurzfilme dauern nur wenige Augenblicke. Und doch erzählen sie bewegende, manchmal erstaunliche Geschichten, stellen unbequeme Fragen, verblüffen unsere Wahrnehmung – und lenken unseren Blick auf existenzielle und soziale Themen. Zehn kleine (Meister-)Werke unterschiedlicher Genres und mit sehr unterschiedlichen Themen und Inhalten: 3 x 3, A Single Life, Downside Up, Fruit, Watu Wote, Hallo Papa, Fabrizios erstes Mal, Megatrick, Neue Nachbarn, Fire in Cardboard City, The Fly.

Schachecke 1 1...Lxf3 2.Dxf3 Dc2+ und Weiß gab auf, da der Läufer verloren geht. 2 1.Txe6 und Schwarz gab bereits auf, weil er nach 1...fxe6 2.Se7 Tc7 3.Sxc8 Txc8 4.Txd7 eine Figur weniger hat. 3 1...Lxh3! 2.Sc2 [a) 2.Lxh3? Sf3+ mit Damengewinn. b) 2.Kxh3? Dh6+ 3.Kg4 Dh5+ 4.Kf4 g5#] 2...Txe1 3.Sxe1 Te2 4.Dd1 Lxg2 und Weiß gab in dieser hoffnungslosen Stellung auf.

Termine Tankstelle Bregenz, Deuringstraße 9

Rechenrätsel Für Anfänger = 64, Für Fortgeschrittene = 96, Für Genies = 184

2., 9., 23., und 30. April von 9:30 bis 11 Uhr

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MEDITATIONSGRUPPE

jeden Montag von 18:15 bis 19:45 Uhr

FRAUENCAFÉ

SPORTNEIGUNGSGRUPPE jeden Mittwoch von 19 bis 21 Uhr (HTL Bregenz, Michl-Felder-Str. 9)

DEUTSCHKURS

jeden Donnerstag von 10 bis 12 Uhr

Jeder kann mit seinem defekten Elektrogerät kommen (keine Elektronikgeräte wie Handy, Drucker, Computer etc.). Fachleute stehen mit Tipps zur Seite. Nächster Termin: Freitag, 12. April 13 bis 16:30 Uhr. Kontakt: gerhard. schmid@caritas.at

BLUDENZ

Das Bludenzer Repair Café gibt dir die Möglichkeit, deine defekten Elektrogeräte unkompliziert reparieren zu lassen. Nächster Termin: 26. April von 13 bis 16:30 Uhr. Klarenbrunnstraße 46. Kontakt: christine.erath@caritas.at, T 05522/ 2002600

BREGENZ

Geöffnet jeden 1. Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr in der Remise der Integra-Fahrradwerksatt, Vorklostergasse 51. Gegen eine kleine Spende gibt es Kuchen und Kaffee. Nächster Termin: 6. April Kontakt: Roswitha Steger, T 0650/264 74 46 oder lebensraum@lebensraum-bregenz.at.

FELDKIRCH

Fachleute helfen Ihnen bei der Reparatur von Haushaltskleingeräten, Kleinmöbeln, Spielzeug etc. Freiwillige Spenden. In der Polytechnischen Schule Hirschgraben 8, Hintereingang. Nächste Termine: Samstag, 8. April, 9 bis 12 Uhr. Kontakt: Joachim Breuss, T 0699/19287066

NENZING

Bringen Sie Ihre defekten Haushaltsgeräte, Spielsachen oder Gartengeräte vorbei. Gaisstraße 5, 6710 Nenzing, Nächster Termin: 4. Mai von 14 bis 17 Uhr. Weitere Termine: 8. Juni, 6. Juli, 17. August, 21. September und 19. Oktober; jeweils von 14-17 Uhr.

RANKWEIL

„Flicka statt verwörfa“ heißt es jeden 1. Freitag im Monat, von 14 bis 16:30 Uhr in der Werkstätte der Lebenshilfe, Köhlerstraße 14. Elektrokleingeräte werden von ihren Besitzern unter fachkundiger Hilfestellung instand gesetzt. Nächster Termin: 5. April

RHEINDELTA

In den geraden Kalenderwochen jeweils freitags von 14-18 Uhr in Höchst, Doktor-Schneider-Straße 40. Nächste Termine: 5. und 9. April. Kontakt: repaircafe.rheindelta@gmx.at

THÜRINGEN

Die Firma blum unterstützt die Berichterstattung über privat initiierte, gemeinnützige Projekte in Vorarlberg.

Jeden 1. Samstag 8:30 bis 12 Uhr, Werkstraße 32. Nächster Termin: 6. April. Kontakt: Norbert Burtscher, T 0664/3410517


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Ein Gemeinschaftsprojekt mit der

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Tage der Utopie www.tagederutopie.org

6. bis 11. Mai 2019, Arbogast /Götzis

Entwürfe für eine gute Zukunft

In Kooperation mit:

Vorträge, Dialoge, Neue Musik

Kloster für Innovation Dark Horse Das gerechte Netz Ingrid Brodnig Entwicklungsstrategien für den ländlichen Raum Roland Gruber Zur Zukunft des politischen Dialogs Julia Ebner

Kassegger / Gögl

Eine Utopie des Helfens Thomas Gebauer

Musik David Helbock Klavier Lorenz Raab Trompete

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