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Suche nach mehrheitsfähigen Lösungen geht weiter
Die Ablehnung der Stimmberechtigten war deutlich: 62,3 Prozent sagten «nein» zur S-Bahn Liechtenstein. Dennoch sind Lösungen für das Verkehrsproblem dringend angezeigt. Darin sind sich Gegner und Befürworter des Doppelspurausbaus einig. Text: Heribert Beck
«Natürlich war für mich das Resultat überraschend deutlich und wenig erfreulich», sagte Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch im Nachgang der Abstimmungen vom vergangenen Sonntag. Die Regierung sei sich aber bewusst gewesen, dass sie ein «heisses Eisen» anfasse, das es vor den Stimmberechtigten nicht einfach haben werde. «Trotzdem war es für uns vor allem auch wichtig, dass ein Entscheid gefällt wird. Und mit diesem Entscheid gilt es nun in die Zukunft zu schauen.» Zu einem Stillstand dürfe und wer de es im Bereich der Mobilität nicht kommen. Alleine im Mobilitätskonzept 2030, welches die Regierung der Öffentlichkeit im April präsentiert hat und das im Mai-Landtag auf überaus breite Zustimmung gestossen ist, sind zehn Leitprojekte und 48 Einzelmassnahmen aufgeführt, von denen lediglich eines nun gescheitert ist – wenn auch ein wichtiges und zeitlich sehr greifbares. «Insgesamt haben wir vom Landtag viele klare Aufträge erhalten. Und diese werden wir natürlich weiterverfolgen», sagte Daniel Risch, «alles andere wäre eine Missachtung der Aufträge der Volksvertre tung.» Und selbstverständlich gelte das auch für die Gemeinde Schaan. «Die Variantenprüfung läuft bereits und wird unabhängig vom Eisenbahn-Doppelspurausbau vorangetrieben.»
«Schwierig bedeutet nicht unmöglich» «Ich bedanke mich herzlich bei allen Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben. Die überaus hohe Beteiligung von 83,5 Prozent zeigt die Bedeutung, welche die Stimmberechtigten den drei Themen beimessen, die am 30. August zur Abstimmung standen. Für uns alle hat die Zukunft der Mobilität in Liechtenstein eine grosse Bedeutung und das Mobilitätskonzept 2030 soll mit seinem ausgewogenen Mix an Massnahmen für alle Verkehrsträger entscheidend dazu beitragen, Lebensqualität und Standortvorteile zu erhalten», sagte Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch auf Anfrage. «Es steht für mich aber ausser Frage, das Abstimmungsresul tat ohne Wenn und Aber zu akzeptieren.» Er habe stets betont, dass die S-Bahn das Liechtensteiner Verkehrsproblem nicht alleine werde lösen können. «Auch habe ich immer gesagt, dass es ohne einen ersten Schritt schwierig wird, den zweiten, dritten oder vierten Schritt zu gehen. Schwierig bedeutet aber nicht unmöglich. Daher werden wir weiterhin daran arbeiten, möglichst viele der Leitprojekte und Einzelmassnahmen des Mobilitätskonzepts 2030 umzusetzen, um so dafür zu sorgen, dass Liechtenstein weiterhin international gut angebunden bleibt und der Verkehr national sowie grenzüberschreitend möglichst optimal fliessen kann.»
Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch hoffe daher, dass zwischen Befürworten und Gegnern der S-Bahn Liechtenstein trotz der zeitweise emotional geführten Abstimmungsdebatten ein Konsens gefunden werden kann und man sich gemeinsam für die Zukunft der Mobilität und damit des Landes einsetzen wird.
IG Mobiles Liechtenstein bleibt am Ball «Wir von der IG Mobiles Liechtenstein haben uns in den letzten Wochen und Monaten für ein Ja zu diesem wichtigen ersten Zukunftsprojekt in Richtung der Lösung der Mobilitätsher ausforderungen Liechtensteins eingesetzt. Von Anfang an, also bevor die S-Bahnthematik in den Landtag kam, bestand in der Bevölkerung eine grosse Ablehnung in hohem Prozentrahmen gegenüber dem Projekt», schrieb die IG Mobiles Liechtenstein im Anschluss an die Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses. Durch fortwährendes Erklären der komplexen Thematik sei zwar erreicht worden, viele Stimmberechtigte von der Be deutung der langfristigen Perspektiven und Chancen eines Anschlusses von 80 Prozent der Liechtensteiner Arbeitsplätze an ein gut ausgebautes S-Bahnnetz in Vorarlberg und in der Schweiz zu überzeugen. «Es ist uns aber leider nicht gelungen, eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für ein Ja zu gewinnen.»
Es werde nun eine Aufgabe sein, zu analysieren, welche Projekte des Mobilitätskonzeptes 2030 trotzdem umgesetzt werden können. «Ebenso wird es eine Herausforderung der Politik sein, unseren Nachbarn zu er klären, dass Liechtenstein als grösster Verkehrserzeuger in der näheren Umgebung keinen Lückenschluss der zwei S-Bahnnetze auf seinem Hoheitsgebiet wünscht. Wir von der IG Mobiles Liechtenstein haben gerade auch in diesem Zusammenhang immer auf die liechtensteinische wie auf die regionale Solidarität gepocht, da das regionale Zusammenwirken ein Geben und Nehmen ist», schreiben die Mitglieder der IG Mobiles Liech tenstein weiter. Es sei ihnen daher ein Anliegen, den vielen Personen in Regierungen, Ämtern und Gemeinden wie auch den verschiedenen Fachleuten, welche in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten intensiv an diesem Projekt gearbeitet haben, einen herzlichen Dank auszusprechen. «Danke auch an alle, die Ja zur S-Bahn gesagt haben. Wir von der IG Mobiles Liechten stein werden im Rahmen unserer Möglichkeiten, wenn dies gewünscht ist, weiterhin unse ren Beitrag zu einer guten Mobilitätszukunft unseres Landes in unterstützender Weise leisten.»
«Klares Resultat ist zu akzeptieren» Bezüglich der Bahnlinie zwischen Feldkirch und Buchs führte Regierungschef-Stellver treter Risch aus, dass es nun für die Österreichischen Bun desbahnen zumindest klar sei, dass sie die ohnehin notwendigen Ertüchtigungen der Strecke durch Liechtenstein ohne Doppelspurausbau in Angriff nehmen müssen. Die Enttäu schung jenseits der Liechtensteiner Grenzen in Vorarlberg und St. Gallen über den nun gescheiterten Lückenschluss der Bahnnetze könne er zwar verstehen. «Andererseits wissen die Schweiz und Österreich, wie Demokratie funktioniert. Ein so klares Abstimmungsresultat ist zu respektieren.»
«Grosse Anerkennung an Daniel Risch» Am vergangenen Montag rekapitulierten die Präsidenten der fünf im Landtag vertretenen Parteien das Ergebnis der Abstimmung in einer Diskussionssendung bei Radio Liechtenstein. FBP-Präsident Marcus Vogt, dessen Partei die S-Bahn Liechtenstein ebenfalls mit einer Ja-Parole unterstützt hatte, sagte, dass Druck auf die Bevölkerung ausgeübt worden und dass die Pro-Kampagne «unglücklich» gewesen sei. VU-Präsident Günther Fritz sagte bei Radio Liechtenstein und auf Nachfrage, dass das Nein der Stimmberechtigten auch positive Seiten habe. «Wir haben nun Klarheit, dass der Ausbau des Schienenverkehrs nicht zu den künftigen Gestaltungsmöglich keiten zur dringend notwendigen Lösung des Verkehrsproblems gehören wird. Trotz allem gebührt Regierungschef-Stellvertreter Daniel Risch grosser Dank und grosse Anerkennung, dass er den Mut gezeigt hat, auch das ‹heisse Eisen› S-Bahn Liechtenstein anzupacken und zu einem Entscheid zu bringen und dass er mit dem Mobilitätskonzept 2030 eine Lösung für Liechtensteins Verkehrsproblem herbeiführen möchte, ohne dabei lediglich die anstehenden Landtagswahlen im Auge zu haben.»
Mobilitätskonzept 2030 weiterverfolgen Verkehrsprobleme, welche sich angesichts steigender Fahrzeugzahlen in den kommenden Jahren noch verstärken werden, müssen nun auf anderem Weg gelöst werden. Neben der LIEmobil sind damit wohl vor allem bauliche Massnahmen gemeint wie der Zubringer von der Rheinbrücke Vaduz ins Triesner Industriegebiet oder die Optimierung der Rheinübergänge. Alles Projekte, wie sie ebenfalls im zukunftsweisenden Mobilitätskonzept 2030 festgehalten sind.