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«Das Liechtensteiner Bildungswesen zählt zu den besten»

470 Schülerinnen und Schüler in 280 Klassen, betreut von 640 Lehrpersonen: Allein die Zahlen zeigen, dass das Schulamt ein breites Aufgabengebiet zu bewältigen hat. Neben der administrativen Arbeit ist das Amt aber stets auch in die Entwicklung des dynamischen Bildungswesens involviert, damit neue Erkenntnisse umgesetzt werden und Liechtenstein den Anschluss an die Nachbarstaaten behält. Amtsleiterin Rachel Guerra gibt einen Einblick. Interview: Heribert Beck

Frau Amtsleiterin, wie lassen sich Aufgaben und Gliederung des Schulamts in einigen Sätzen zusammenfassen? Rachel Guerra: Das Schulamt gliedert sich in die Abteilungen «Pflichtschule und Kindergarten», «Mittel- und Hochschulwesen», «Pädagogisch-psychologische Dienste» sowie «Support». Vervollständigt wird das Amt durch die Stabsstelle «Recht» sowie das «Office Management». Das Schulamt ist für die Planung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Schulbetriebs aller öffentlichen Schulen in Liechtenstein verantwortlich. Das sind rund 280 Klassen mit 4700 Schülerinnen und Schülern. Es trägt die Personalverantwortung für rund 640 Lehrpersonen, alle Schulleitungen und für weiteres Personal an den Schulen. Zudem stellt das Schulamt die Anschlüsse an weiterführende Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Universitäten im In- und Ausland sicher. Es übernimmt Aufgaben in der internationalen und regionalen Zusammenarbeit, beispielsweise in der Erziehungsdirektorenkonferenz der Schweiz, kurz EDK, in der EFTA, im Europarat oder in der EU. Das Schulamt unterstützt die Regierung bei der Beaufsichtigung der liechtensteinischen Hochschulen und vertritt das Land in internationalen Gremien betreffend die Hochschulpolitik. Zum Schulamt gehören weitere Dienstleistungen: Der Schulpsychologische Dienst, die Schulsozialarbeit, die Pädagogische Arbeitsstelle und Besondere Schulbereiche, das Zentrum für Schulmedien mit der Didaktischen Medienstelle, der Amtliche Lehrmittelverlag, die Stipendienstelle, das Hallenbad im Schulzentrum Unterland und das Jugendhaus in Malbun.

Das klingt nach einem immensen Arbeitspensum. Wie ist die Zusammenarbeit mit den einzelnen Schulen organisiert? Das Schulamt steht in einem sehr engen Austausch mit den Schulen und insbesondere deren Schulleitungen, zumal das Schulamt die Fach- und Supportstelle für alle Bildungsfragen in Liechtenstein ist. Mit den Schulleitungen finden regelmässig, sechs- bis achtmal jährlich, Konferenzen statt, um zentrale Themen miteinander koordinieren zu können. Ebenfalls steht die Schulaufsicht in engem wöchentlichem Austausch mit den jeweiligen Schulleitungen. Aufgrund der Schulaufsichtspflicht sowie schulischen Fördermassnahmen – beispielsweise Schulpsychologischer Dienst, Schulsozialarbeit, Begabtenförderung etc. – ist das Schulamt täglich an den Schulen im Einsatz.

Und wie ist die Zusammenarbeit mit dem Ministerium organisiert? Die Amtsleitung trifft sich im Rahmen von Sitzungen wöchentlich mit Vertreterinnen und Vertretern des Bildungsministeriums, um zentrale Bildungsthemen zu koordinieren.

Schulamtsleiterin Rachel Guerra und der stellvertretende Amtsleiter Hubert Eberle.

Zu diesen übergeordneten Themen gehörte vermutlich die Einführung des neuen Lehrplans «LiLe». Wie lassen sich solche Grossprojekte neben der täglichen Arbeit bewältigen? Das ist nur möglich, indem bereits ganz zu Beginn eines Projekts alle zentralen Interessensgruppen in den Erarbeitungsprozess miteinbezogen werden und für grösstmögliche Transparenz in den einzelnen Projektphasen gesorgt ist. Bildungsthemen bewegen die gesamte Bevölkerung, und daher ist eine gute Kommunikation das A und O jedes erfolgreichen Projekts. Die Einführung des «LiLe» setzte zudem Hearingphasen an den Schulen voraus. Im Anschluss folgte die vierjährige Einführungsphase. Wann ist diese abgeschlossen? Die Regierung hat entschieden, die Einführungsphase für ein Jahr zu verlängern. Obwohl an allen Schulen trotz der Covid-19-Pandemie intensiv an der Implementierung des Lehrplans weitergearbeitet wurde, konnten aufgrund der Kontaktbeschränkungen wichtige Weiterbildungen nicht stattfinden. Diese werden nun nachgeholt. Die Einführung des «LiLe» wird somit im Sommer 2024 abgeschlossen sein.

Ein Zwischenfazit können Sie aber sicher schon ziehen: Wie bewährt sich der «LiLe»? Er ist definitiv an den Schulen angekommen. Es werden Grundansprüche und zusätzlich überfachliche Kompetenzen formuliert. Dabei wird der Bereich Medien und Informatik ge-

stärkt und auf Bewährtem aufgebaut und weiterentwickelt. Der Liechtensteiner Lehrplan gewährleistet aber auch die Methodenfreiheit der Lehrpersonen. Das wird von den Lehrpersonen geschätzt. Er beschreibt den Bildungsauftrag des Staates an die Schulen. Er legt die Bildungs- und Lernziele fest und regelt die Unterrichtszeit. Er baut auf den Grundlagen des Deutschschweizer Lehrplans 21 auf – unter Berücksichtigung der landesspezifischen Gegebenheiten. Durch die Nähe zum Lehrplan 21 wird eine bessere Mobilität ermöglicht und der Anschluss an die weiterführenden Schulen sichergestellt. Der «LiLe» umfasst drei Zyklen und zeigt den Lernweg über elf Schuljahre auf – vom Kindergarten bis zum Ende der Sekundarstufe I. Der Lehrplan stellt Kompetenzen ins Zentrum. Es geht darum, was die Schülerinnen und Schüler am Ende von Unterrichtszyklen wissen und können sollten.

Sind weitere grössere Projekte in der Pipeline? Oder steht nun, nach LiLe und elektronischen Geräten für die Schülerinnen und Schüler, eine Zeit des Konsolidierens an? LiLe und damit verbunden auch das ICT-Projekt waren zwei grosse Projekte, die erfolgreich umgesetzt werden konnten. Das Bildungssystem ist aber ein äusserst dynamischer Bereich. Aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen, aber auch von wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie Evaluationen wird fortwährend daran gearbeitet, eine qualitativ hochwertige Bildungslandschaft zu gewährleisten. In diesem Sinne gibt es keine eigentlichen Ruhephasen. Es gibt mehrere Teilprojekte in Zusammenhang mit der Einführung der neuen Lehrpläne im Volksschulbereich und auf der Sekundarstufe II, die Digitalisierung der Schulverwaltung sowie die Umsetzung der Bildungsstrategie oder der Schulneubauten. Mit den schulischen Fördermassnahmen, die in den vergangenen Jahren sukzessive aufgebaut wurden, konnten ausserdem verschiedenste Begabungen bestmöglich gefördert werden. In den vergangenen Jahren wurden neben dem neuen Lehrplan viele weitere Entwicklungen angestossen und umgesetzt: Tagesschulen, Basisstufen und altersdurchmischtes Lernen oder die Förderung der Naturwissenschaften zum Beispiel durch Peppermint.

Abgesehen von grösseren Projekten: Was sind die grössten Herausforderungen in Liechtensteins Schulalltag und wie werden sie bewältigt? Neben der digitalen Durchdringung des gesamten gesellschaftlichen Alltags, immenser globaler Herausforderungen wie Krieg und Klima sowie der sich immer schneller ändernden Berufswelt, ist sicher auch die Heterogenität in vielen Klassenzimmern eine Herausforderung. Die Planung, Aufrechterhaltung, aber auch Weiterentwicklung des Schulbetriebs erfordert Tag für Tag eine immense Leistung, die nur dank der guten Zusammenarbeit aller Schulamtsmitarbeitenden, Schulleitungen, Lehrpersonen und Ministeriumsmitglieder erreicht werden kann. Essentiell für den Erfolg ist auch eine fruchtbare Zusammenarbeit mit Eltern, Ausbildnerinnen und Ausbildnern, Wirtschaft oder beispielsweise den Pädagogischen Hochschulen.

Wie ist Liechtensteins Bildungssystem im Vergleich mit anderen Staaten aufgestellt? Es zählt im deutschsprachigen Raum zu den besten. Angefangen bei Kindergarten über den Pflichtschulbereich bis zur Tertiärbildung haben wir hervorragende Bildungsvoraussetzungen geschaffen, die insbesondere auch verschiedene Bildungswege begünstigen und zum lebenslangen Lernen beitragen. Und wie lautet Ihr Fazit nach rund anderthalb Jahren in der Position der Amtsleiterin? Die Herausforderungen aufgrund der Corona-Pandemie oder Ukrainekrise waren und sind enorm. Zudem war das Schulamt in der jüngsten Vergangenheit von einer Pensionierungswelle betroffen, die einerseits einen Verlust an Personal mit viel Berufserfahrung mit sich brachte und bringt, andererseits aber qualifizierte junge Arbeitskräfte ins Schulamt führt, die es mit neuen Ideen weiter voranbringen. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit unserem starken Team, bestehend aus Schulamt, Schulleitungen und dem Bildungsministerium, auch zukünftige Herausforderungen bewältigen werden. Ich freue mich jedenfalls, unser qualitativ hochwertiges Bildungssystem mit vereinten Kräften weiterzuentwickeln.

In aller Kürze

Beim Schulamt arbeiten rund 55 Mitarbeitende. Dazu zählen auch jene des Hallenbades im Schulzentrum Unterland sowie des Jugendhauses Malbun und der Schulsozialarbeit. Das Schulamt trägt die Personalverantwortung für rund 640 Lehrpersonen, alle Schulleitungen und für weiteres Personal an den Schulen wie z.B. die Mitarbeitenden der Schulsekretariate oder die Klassenhilfen. Besonders zu erwähnen sind natürlich die rund 4700 Schülerinnen und Schüler. «Sie sind das Zentrum sämtlicher Bemühungen aller an Bildung Beteiligten», sagt Schulamtsleiterin Rachel Guerra.

Kontakt

Amtsleitung: Rachel Guerra Austrasse 79, 9490 Vaduz Telefon: +423/236 67 70 E-Mail: info.sa@llv.li

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