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Brauchen wir einen eigenen Radiosender?

Interview mit Hildegard Hasler, Verwaltungsratspräsidentin, und Thomas Mathis, Geschäftsführer von Radio L

Interview: Herbert Oehri

Frau Hasler, Herr Mathis, es gibt viele regionale Radiosender rund um Liechtenstein. Braucht es dann noch einen eigenen Radiosender in Liechtenstein? Thomas Mathis: Diese Frage stellen Sie vielleicht den falschen Personen, denn unsere Antwort ist wenig überraschend: Natürlich braucht es einen eigenen Radiosender in Liechtenstein. Diese Antwort hängt aber nicht nur damit zusammen, dass wir für diesen Sender tätig sind, sondern basiert auf Fakten und Erfahrungen, die dies belegen.

Worauf nehmen Sie konkret Bezug? Thomas Mathis: Zum Beispiel auf die Hörerzahlen. Diese sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Dies hängt sicherlich mit der neuen Programmstruktur sowie der angepassten Musikauswahl zusammen. Wir haben zu diesen Anpassungen viel positives Feedback erhalten, was uns besonders freut. Als Höhepunkt wurde von einem anonymen Spender sogar eine Runde Fleischkäs-Brötle als Dankeschön für das Musikprogramm spendiert, damit haben wir den liechtensteinischen Olymp des Lobes erreicht (lacht).

Hildegard Hasler: Seitens des Verwaltungsrates kann ich dem nur zustimmen. Die Anpassungen des Programms haben dazu beigetragen, dass Radio L seine Hörerschaft vergrössern konnte. Ein weiterer wichtiger Aspekt darf aber nicht vergessen werden: Radio L liefert Nachrichten und Informationen für Liechtenstein und die Region, Liechtenstein steht aber natürlich im Vordergrund. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass solche Informationen für viele Menschen essenziell sind.

Inwiefern hat sich dies gezeigt?

Was konnte Radio L leisten, was andere Medien nicht können oder konnten? Thomas Mathis: Wir konnten in Live-Interviews mit den Mitgliedern der Regierung auf aktuelle Entwicklungen und Fragen eingehen. Zuhörerinnen und Zuhörer stellten über die Sozialen Medien ihre Fragen, welche von unseren Journalistinnen und Journalisten an die Regierungsrätinnen und Regierungsräte weitergeben wurden. Durch diese direkte und unmittelbare Art der Kommunikation konnte dazu beigetragen werden, dass einzelne Massnahmen besser verstanden und mitgetragen wurden. Und genau diese Unmittelbarkeit ermöglicht nur ein Live-Medium wie das Radio.

Das mag stimmen. In Krisenzeiten kann ein Radiosender seine Stärken ausspielen. Wir alle hoffen aber, dass die derzeitige Krise bald vorüber ist. Was ist dann die Daseinsberechtigung für Radio L? Thomas Mathis: Wir werden die Stärken auch weiterhin ausspielen. Es gibt immer wieder Themen, die zeitnah und unmittelbar aufgearbeitet werden müssen. Die Entwicklung der Wirtschaft und Politik in Liechtenstein findet weiterhin statt. So wird es immer wieder Themen geben, die für Liechtenstein wichtig sind und durch uns begleitet werden.

Hildegard Hasler: Dazu kommt noch, dass wir als staatliches Radio unabhängig agieren können und keiner Partei oder politischen Gruppe zugerechnet werden. Ich bin überzeugt, dass diese Neutralität in der Vergangenheit ein Trumpf war und auch in Zukunft sein wird. Deshalb müssen wir diese stets beschützen und wahren.

Wenn Radio L seine Hörerzahlen steigert und auch ansonsten positives Feedback bekommt, müsste es doch für Werbetreibende eine spannende Plattform sein. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein. Die Werbeeinnahmen gehen seit Jahren zurück. Hildegard Hasler: Ja, das stimmt leider, der Werbemarkt wird immer schwieriger und die Konkurrenz nimmt zu. Während früher der Werbemarkt in Liechtenstein weitgehend zwischen Radio und den Printmedien aufgeteilt wurde, sind heute die Online-Anbieter die grosse Konkurrenz. Google, Facebook und wie sie alle heissen sind Werbeplattformen, die durch die gesammelten Nutzerdaten zielgerichtete Werbung anbieten. Diese Konkurrenz ist real und betrifft nicht nur das Radio, sondern alle klassischen Medien. Trotzdem bin ich überzeugt, dass auch die klassischen Medien weiterhin eine grosse Berechtigung am Werbemarkt haben. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass ein Radiosender mit einem breiten Angebot und einem gesetzlichen Grundversorgungsauftrag niemals ohne staatliche Unterstützung funktionieren kann. Im Vergleich mit den umliegenden Ländern sind wir dabei aber noch effizient aufgestellt!

Wie meinen Sie das? Thomas Mathis: Lassen Sie mich dies mit einem Vergleich erklären. Die Finanzierung der staatlichen Sender wie SRF und ORF erfolgt durch Staatsbeiträge oder Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen. Dabei ist der Anteil der Staatsbeiträge oder Rundfunkgebühren an den gesamten Einnahmen ein spannender Vergleichsfaktor. Im Durchschnitt aller Rundfunkanstalten der European Broadcasting Union (EBU) machten 2019 die Staatsbeiträge 77,6 Prozent der gesamten Einnahmen der staatlichen Radio- und Fernsehsender aus. Bei Radio L lag der Anteil des Staatsbeitrags 2019 bei 70,8% Prozent der gesamten Einnahmen. 2020 war er coronabedingt höher und betrug 76,9 Prozent. Dies zeigt, dass sich der

Anteil der selbst erwirtschafteten Erträge auf einem sehr guten Niveau befindet, dies trotz klarer Nachteile aufgrund der geringen Grösse des Landes.

Aber auch wenn der Anteil vielleicht geringer ist als in anderen Staaten, bezahlt der Staat jährlich einen Staatsbeitrag von 2,3 Millionen Franken. Deshalb nochmals zurück zur Eingangsfrage: Wieso benötigen wir in Liechtenstein einen eigenen Radiosender? Hildegard Hasler: Nur um klarzustellen, weshalb dies «der Staat bezahlt»: In Liechtenstein gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern keine Rundfunkgebühren. Letztlich bezahlt dies in beiden Fällen der Steuerzahler, einfach auf andere Weise. Zurück zur Frage: da letztlich nur ein Sender aus Liechtenstein auf die spezifischen Themen und Bedürfnisse Liechtensteins eingehen wird. Dies können Themen sein, die viele interessieren wie Wahlen, der Staatsfeiertag oder eben Krisensituationen wie Corona. Aber noch viel wichtiger ist es doch, die scheinbar kleinen und unscheinbaren Themen zu beleuchten, die aber unser Land prägen. Sei dies eine Veranstaltung zu begleiten oder ein Kulturprojekt zu unterstützen. Aber auch dem Sport in Liechtenstein in all seinen Facetten eine Stimme zu geben, trägt zur Identität bei. Und zu guter Letzt muss und darf ein Radio auch unterhalten und die Menschen durch den Tag begleiten. Dies alles wollen wir für Liechtenstein sein und tun – und daran werden wir auch zurecht gemessen.

Thomas Mathis: In der Service Public-Studie des Liechtenstein-Instituts aus dem Jahr 2018 gaben 79 Prozent der Befragten an, dass sie Radio Liechtenstein hören. Und dies wohlgemerkt in einer Zeit mit deutlich tieferem Marktanteil in Liechtenstein als wir ihn heute haben. Ich denke, diese Zahlen sprechen für sich. Sie sind unser täglicher Antrieb. Radio L: «Neustart» im Coronajahr

Ein Blick zurück und voraus von Thomas Mathis, Geschäftsführer Radio Liechtenstein Die Freude war gross: Ende 2019 konnten wir endlich in unsere neuen Studios umziehen und senden seitdem aus dem Zentrum der Gemeinde Schaan. Nach vielen Jahren in Triesen stellte dieser Umzug einen Neustart dar. Dank moderner Technik und einem zeitgemässen Arbeitsumfeld waren wir bereit, zum 25Jahr-Jubiläum frisch durchzustarten – und dann kam Corona. Dieser kleine Virus, der uns alle vor grosse Herausforderungen stellte und stellt, machte unsere Pläne zunichte. Und er zeigte gleichzeitig auf, was die Stärken des Radios sind.

Hallo aus dem Studio «Wohnzimmer»

Trotz Social Distancing und Home-Offi ce konnten wir das Programm von Radio L stets zuverlässig und aktuell senden. Damit konnte der Auftrag, in Krisen als Informationsquelle zu dienen, jederzeit erfüllt werden. Möglich war dies dank des grossen Einsatzes der Mitarbeitenden. Aber auch die neue Studiotechnik ermöglichte es in einer Übergangszeit, einzelne Sendungen aus dem «Studio Wohnzimmer» der Redakteure zu senden. Nicht optimal, aber in Krisenzeiten muss improvisiert werden. Nach den ersten Wochen der Pandemie konnten Massnahmen gesetzt werden, um den Sendebetrieb wieder weitgehend aus dem Studio zu gestalten. Durch die neue Studiosituation war es zudem möglich, mit den notwendigen Abständen trotzdem Live-Radio zu senden.

Neue Sendeformen

Wichtige Elemente in der Bewältigung der Coronapandemie waren und sind Kommunikation und Aufklärung. Die Regierung hielt die Bevölkerung in zahlreichen Medieninformationen über die aktuelle Situation und die Massnahmen auf dem Laufenden. Diese Informationen wurden von Radio L ergänzt durch Live-Sendungen mit den Regierungsrätinnen und Regierungsräten, in denen diese zu Fragen der Redakteure, aber auch der Hörerinnen und Hörer, Stellung nahmen. Die Übertragung in die Sozialen Medien mit bewegten Bildern ergänzte das Programm von Radio L in neuen Kanälen.

Weitere Stärkung im Bereich Information

Auch in Zukunft wird Radio L auf solche Formate zurückgreifen, wenn sich diese aus gegebenem Anlass anbieten. Zudem soll der Bereich Information weiter verstärkt werden und damit die bereits erfolgte Neugestaltung des Bereichs Unterhaltung ergänzen. Dies wird dazu beitragen, dass Radio L weiterhin als DER Sender aus Liechtenstein für Liechtenstein wahrgenommen wird.

Herausforderungen gemeistert, neue Herausforderungen warten

Trotz dieser bisher erfolgreichen Bewältigung der Corona-Krise stehen weitere Herausforderungen an. Die langfristige Sicherung der Finanzierung, die Sicherung der Investitionsfähigkeit und die Generierung von neuen Werbeeinnahmen sind nur drei dieser Herausforderungen. Trotzdem gehen wir zuversichtlich in die Zukunft und können festhalten: Der Neustart in Schaan ist trotz der Pandemie gelungen!

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