lie:zeit Ausgabe 96

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business:zeit

06/2021

Brauchen wir einen eigenen Radiosender? Interview mit Hildegard Hasler, Verwaltungsratspräsidentin, und Thomas Mathis, Geschäftsführer von Radio L Interview: Herbert Oehri

Frau Hasler, Herr Mathis, es gibt viele regionale Radiosender rund um Liechtenstein. Braucht es dann noch einen eigenen Radiosender in Liechtenstein? Thomas Mathis: Diese Frage stellen Sie vielleicht den falschen Personen, denn unsere Antwort ist wenig überraschend: Natürlich braucht es einen eigenen Radiosender in Liechtenstein. Diese Antwort hängt aber nicht nur damit zusammen, dass wir für diesen Sender tätig sind, sondern basiert auf Fakten und Erfahrungen, die dies belegen. Worauf nehmen Sie konkret Bezug? Thomas Mathis: Zum Beispiel auf die Hörerzahlen. Diese sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Dies hängt sicherlich mit der neuen Programmstruktur sowie der angepassten Musikauswahl zusammen. Wir haben zu diesen Anpassungen viel positives Feedback erhalten, was uns besonders freut. Als Höhepunkt wurde von einem anonymen Spender sogar eine Runde Fleischkäs-Brötle als Dankeschön für das Musikprogramm spendiert, damit haben wir den liechtensteinischen Olymp des Lobes erreicht (lacht). Hildegard Hasler: Seitens des Verwaltungsrates kann ich dem nur zustimmen. Die Anpassungen des Programms haben dazu beigetragen, dass Radio L seine Hörerschaft vergrössern konn-

te. Ein weiterer wichtiger Aspekt darf aber nicht vergessen werden: Radio L liefert Nachrichten und Informationen für Liechtenstein und die Region, Liechtenstein steht aber natürlich im Vordergrund. Gerade in der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass solche Informationen für viele Menschen essenziell sind. Inwiefern hat sich dies gezeigt? Was konnte Radio L leisten, was andere Medien nicht können oder konnten? Thomas Mathis: Wir konnten in Live-Interviews mit den Mitgliedern der Regierung auf aktuelle Entwicklungen und Fragen eingehen. Zuhörerinnen und Zuhörer stellten über die Sozialen Medien ihre Fragen, welche von unseren Journalistinnen und Journalisten an die Regierungsrätinnen und Regierungsräte weitergeben wurden. Durch diese direkte und unmittelbare Art der Kommunikation konnte dazu beigetragen werden, dass einzelne Massnahmen besser verstanden und mitgetragen wurden. Und genau diese Unmittelbarkeit ermöglicht nur ein Live-Medium wie das Radio. Das mag stimmen. In Krisenzeiten kann ein Radiosender seine Stärken ausspielen. Wir alle hoffen aber, dass die derzeitige Krise bald vorüber ist. Was ist dann die Daseinsberechtigung für Radio L? Thomas Mathis: Wir werden die Stärken auch weiterhin aus-

spielen. Es gibt immer wieder Themen, die zeitnah und unmittelbar aufgearbeitet werden müssen. Die Entwicklung der Wirtschaft und Politik in Liechtenstein findet weiterhin statt. So wird es immer wieder Themen geben, die für Liechtenstein wichtig sind und durch uns begleitet werden. Hildegard Hasler: Dazu kommt noch, dass wir als staatliches Radio unabhängig agieren können und keiner Partei oder politischen Gruppe zugerechnet werden. Ich bin überzeugt, dass diese Neutralität in der Vergangenheit ein Trumpf war und auch in Zukunft sein wird. Deshalb müssen wir diese stets beschützen und wahren. Wenn Radio L seine Hörerzahlen steigert und auch ansonsten positives Feedback bekommt, müsste es doch für Werbetreibende eine spannende Plattform sein. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein. Die Werbeeinnahmen gehen seit Jahren zurück. Hildegard Hasler: Ja, das stimmt leider, der Werbemarkt wird immer schwieriger und die Konkurrenz nimmt zu. Während früher der Werbemarkt in Liechtenstein weitgehend zwischen Radio und den Printmedien aufgeteilt wurde, sind heute die Online-Anbieter die grosse Konkurrenz. Google, Facebook und wie sie alle heissen sind Werbeplattformen, die

durch die gesammelten Nutzerdaten zielgerichtete Werbung anbieten. Diese Konkurrenz ist real und betrifft nicht nur das Radio, sondern alle klassischen Medien. Trotzdem bin ich überzeugt, dass auch die klassischen Medien weiterhin eine grosse Berechtigung am Werbemarkt haben. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass ein Radiosender mit einem breiten Angebot und einem gesetzlichen Grundversorgungsauftrag niemals ohne staatliche Unterstützung funktionieren kann. Im Vergleich mit den umliegenden Ländern sind wir dabei aber noch effizient aufgestellt! Wie meinen Sie das? Thomas Mathis: Lassen Sie mich dies mit einem Vergleich erklären. Die Finanzierung der staatlichen Sender wie SRF und ORF erfolgt durch Staatsbeiträge oder Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen. Dabei ist der Anteil der Staatsbeiträge oder Rundf un kgebühren an den gesamten Einnahmen ein spannender Vergleichsfaktor. Im Durchschnitt aller Rundfunkanstalten der European Broadcasting Union (EBU) machten 2019 die Staatsbeiträge 77,6 Prozent der gesamten Einnahmen der staatlichen Radio- und Fernsehsender aus. Bei Radio L lag der Anteil des Staatsbeitrags 2019 bei 70,8% Prozent der gesamten Einnahmen. 2020 war er coronabedingt höher und betrug 76,9 Prozent. Dies zeigt, dass sich der


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