Nr. 10 / 2013 Sept-Okt
Medical & Harm Reduction Magazine
HANFPARADE 2013 Fotoreportage + DHV Interview
NACH SPANISCHEM MUSTER Cannabis Social Clubs nach Deutschland!
TOURETTE UND CANNABIS LEGALISIERUNG BETAVERSION Kurz vor dem Start noch kein endg端ltiges Regelwerk
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MEDI+GREEN CBD-KAUGUMMI DIE VERBOTSPSYCHOSE DROGEN AUS DEM 3D-DRUCKER
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Medical & Harm Reduction Magazine
CANNA+GLOBE MEINE WAHL: HANF LEGAL! Hanfparade 2013 “DIE SCHLIMMSTE NEBENWIRKUNG IST DIE STRAFVERFOLGUNG”
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MEDI+GREEN URTALENT WAS VERURSACHT LUNGENKREBS? FRANKREICH UND DAS MEDIZINALMARIHUANA
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CANNA+GLOBE NACH SPANISCHEM MUSTER Cannabis Social Clubs nach Deutschland!
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MEDI+GREEN CULTIVA 2013 ILLINOIS IST DER ZWANZIGSTE IN URUGUAY STEHT DIE LEGALISIERUNG VOR DER TÜR
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CANNA+GLOBE TREKT UW PLANT Das belgische Modell des Cannabis Social Clubs LEGALISIERUNG BETAVERSION Kurz vor dem Start noch kein endgültiges Regelwerk
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MEDIZIN TOURETTE UND CANNABIS Impulssteuerung bei Fehlzündungen im Gehirn
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MEDI+GREEN MIT MARIHUANA ZURÜCKGEWONNENE KINDHEIT ZWEI WEITERE US-BUNDESSTAATEN LEGALISIEREN CANNABIS ALS MEDIZIN
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MEDIZIN CANNABIS UND ALLERGIE Von der Nesselsucht zur Asthmabehandlung
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VOLLBLUT MR NICE G13 X HASH PLANT
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CANNA+GLOBE DIE MÄSSIGUNG Auf der Suche nach einer endlichen Welt in der Unendlichkeit des Bewusstseins
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VOLLBLUT CHRONIC FEMINISIERT MOTAVATION
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CANNA+GLOBE DIE HUNDERT GESICHTER DES MARIHUANAS Dr. Lester Grinspoon ist 85 Jahre alt
IMPRESSUM Chefredakteur: Gabor Holland Autoren: Bob Arctor, Cody M., G.B.I. Jack Pot, Marcel Klos, Martin Müncheberg Tomas Kardos Lektorin: Helen Bauerfeind Design & Photo: Gergely Vaska Verantwortlicher Herausgeber: Peter Perjesi CK & MEDIJUANA PUBLISHING KN Advertising s.r.o. 945 05 Komarno 5. Eötvösa 57/20. E-mail: medijuana.at@gmail.com Web: www.medijuana.eu
INDEX
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IN ZUSAMMENARBEIT MIT
AEROPONIK SYSTEMS ATAMI BABYLON GROW BIO NOVA BUSHPLANET FUTURE GROW CARBONACTIVE CITY GROW CULTIVA ENCOD GROWSHOP.AT HANF im GLÜCK HANF UND HANF HASH MARIJUANA & HEMP MUSEUM HANF MUSEUM BERLIN HERBALIST HUG’s INDRAS PLANET JELLY JOKER MIHA MR. SMART NACHTSCHATTEN VERLAG NIRVANA ÖSTERREICHISCHER HANF VERBAND PLAGRON PRIMA KLIMA ROYAL QUEEN SEEDS SCHALL & RAUCH SENSI SEEDS CO. SERIOUS SEEDS SONNENALLEE TIROLER HANFHOUSE
32 14, 33 53 16, 25 4-5 15 34 56-U3 28-29 48 34 31 42 15 13 42 16 9 23 8 47 43 52 47 9, U4 2 7 49 U2 51 49 19
Der Herausgeber von Medijuana weist alle Leserinnen und Leser darauf hin, dass der Handel mit lebensfähigen Hanfsamen sowie Verkauf, Besitz und Lieferung derselben in mehreren Mitgliedsstaaten der Europäischen Union als illegal gelten! Sämtliche Inhalte sind zu Informations- bzw. Unterhaltungszwecken gedacht. Wir möchten keineswegs dazu beitragen, dass jemand in seiner Heimat bestehenden Gesetzen zuwiderhandelt. Es ist nicht Anliegen des Herausgebers von Medijuana, irgendjemanden zur illegalen Nutzung der in der Broschüre erwähnten Produkte anzuregen. Der Herausgeber trägt keine Verantwortung für Aussagen, die auf verkauften Anzeigenflächen erscheinen. Sämtliche Meinungen im Redaktionsteil stammen von den Autoren und decken sich nicht in jedem Falle mit dem Standpunkt des Herausgebers. Gelegentlich ist es nicht möglich, den/die Inhaber des Urheberrechts zu identifizieren oder mit ihm/ihr Kontakt aufzunehmen, daher übernehmen wir im Falle des Nachweises von begründeten Urheberrechtsansprüchen auch im Nachhinein die Zahlung einer bestimmten Vergütung. Wir gehen bei sämtlichen Texten und Bildern bis zur Erklärung des Gegenteils davon aus, dass sie uns zur Veröffentlichung zugesandt wurden. Für die Vervielfältigung der Broschüre – auszugsweise oder als Ganzes – ist die schriftliche Erlaubnis des Herausgebers erforderlich, auch wenn die Vervielfältigung nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgt. Alle Rechte vorbehalten!
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MEDI+GREEN
CBD-Kaugummi er THC-Markt erreicht ein immer höheres Niveau, und wenn es gelang, noch etwas Neues zu bieten, dann durch das Spiel mit dem CBD(Cannabidiol)-Gehalt. Im Gegensatz zum THC ist das CBD gewöhnlich nicht psychoaktiv, sondern verfügt über zahlreiche positive physiologische Eigenschaften – von der angstlösenden Wirkung bis hin zur Wachstumshemmung von Tu-
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morzellen, zusätzlich gleicht es die Wirkung des THC aus und verringert so die psychotischen Symptome des Marihuanas bei denjenigen, die dazu neigen. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass es nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen steht, und man es – mit den nötigen Genehmigungen – sogar als Nahrungsmittelzusatzstoff in Umlauf bringen kann. Der Beschluss der US-Regierung über die
Die Verbotspsychose roßbritannien ist bekannt dafür, die Einstufung von Cannabis des Öfteren zu ändern. Das britische System unterscheidet drei Gruppen von Rauschmitteln nach Gefährlichkeit; das Marihuana wandert zwischen ihnen hin und her. Eine Forschungsgruppe zeigte auf, dass die Einstufung in die gefährlichere Gruppe die Zahl der von Cannabis induzierten Psychosen nicht senkte, sondern sogar erhöhte. 2004 wurde das Cannabis von B in C umgestuft, von der mittleren Risikogruppe in die Klasse der ungefährlichsten Mittel, 2009 jedoch bewirkten neu veröffentlichte Forschungen über den Zusammenhang von Cannabis und Schizophrenie, dass die Einstufung in C rückgängig gemacht wurde. Die Wirkung stand jedoch den Erwartungen völlig entgegen. Während der Cannabisgebrauch im Inselstaat zwischen 2001 und 2010 zurückging, schwankte die Zahl der Psychodiagnosen ziemlich. Dieses Ergebnis überraschte auch die Forscher. Die Analysen belegten nämlich eindeutig, dass die Zahl der diagnostizierten Psychosen seit 2004 – nach der Einstufung des Cannabis in die Gruppe C – zu sinken begann, nach der Rückstufung in B aber wieder anstieg. Für dieses Phänomen sind natürlich verschiedene Erklärungen denkbar. Der Leiter der Untersuchung Ian Hamilton hält es für unwahrscheinlich, dass le-
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Cannabinoide, im Mai gefasst und im Juni upgedatet, sagt aus, dass “CBD als natürlicher Bestandteil des Industriehanfs hilfreich zur gesunden Ernährung alternder Organismen beiträgt”. Mehr brauchte ein findiger Geschäftsmann nicht. Flugs gründete er die Firma Canchew , die Kaugummi mit aus Hanföl extrahiertem CBD-Gehalt anbietet. In erster Linie zielt man auf die mittlere Altersgruppe, aber auf ihrer Webseite finden sich auch Bilder von zufriedenen Jugendlichen. Die Idee erscheint genial, weil sich nach und nach die wohltuende Wirkung des CBD herumspricht und damit die Zielgruppe vergrößert. Wir sind neugierig, wann in Europa ähnliche Produkte auf die Regale der Geschäfte gelangen.
diglich die Umgruppierung der Grund für das Ansteigen der Psychosen sein könne, andere meinen, dass das Aufkommen von Sorten mit hohem THC- und niedrigem CBD-Gehalt die Veränderung ausgelöst habe (Das CBD, d.h. das Cannabidiol verfügt über eine antipsychotische Wirkung – der Red.). Es besteht jedoch die Bereitschaft, die Verantwortung der Politik innerhalb dieser unvorteilhaften Trends zu
akzeptieren. Die Forscher betonen aber, dass die Politik mit strengeren Verbotsdrohungen ihr Ziel verfehlt habe und den Psychosen nicht vorbeugen konnte. “Es scheint leider, dass die Umgruppierung einer Droge über die medizinischen und gesellschaftlichen Erwägungen hinausreicht. Man sieht deutlich, wie sich der politische Standpunkt Geltung verschafft. Ich möchte eine stärker auf der Wissenschaft basierte Politik sehen, wenigstens auf dem Gebiet der Medizin”, erklärte Hamilton die Ergebnisse der Forschung.
Drogen aus dem 3D-Drucker Als sei die Explosion der Designerdrogen auf dem Markt noch kein hinreichender Beweis für die Antiquiertheit der internationalen Drogengesetze gewesen, kommen jetzt die Thronfolger: Drogen zum Herunterladen und Ausdrucken. ie 3D-Drucktechnologie wird bald die Produktion revolutionieren, von Spielzeugen und Waffen über die menschlichen Organe bis hin zu Arzneimitteln – und natürlich auch Drogen. Lee Cronin, Chemiker der Glasgow University, entwickelte den Prototyp Chemputer, der unter Zugabe der nötigen Zutaten auf molekularer Ebene die gewünschten Medikamente herstellt. Der ambitionierte Konstrukteur möchte der Forschung für rezeptpflichtige Medikamente und deren Vertrieb das bieten, was Apple der Musik gab. Nach seiner Vorstellung soll der Patient neben den vom Arzt verschriebenen Medikamenten auch den Druckplan und die “chemische Tinte” in der Online-Apotheke bekommen, womit er schließlich mithilfe eines 3D-Druckers und der entsprechenden Software auch zu Hause sein Medikament ausdrucken könnte. Die Inhaltsstoffe und die Dosierung kann man nämlich nach den jeweiligen Bedürfnissen einrichten – wie bei den traditionellen Medikamenten. Wenn dieses Konzept Erfolg hat, könnte es die Pharmaindustrie in ihren Grundfesten erschüttern und die in den Händen der Arzneifabriken gebündelte Macht in die der Konsumenten gelangen. “In Zukunft werden wir keine Medikamente verkaufen, sondern Druckpläne oder Applikationen”, sagt Cronin. Aber wie auch bei den iTunes wird die neue Technik Angriffspunkte haben. Mike Power, Autor des Buches Drugs 2.0: The Web Revolution That‘s Changing How the World Gets
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High, hat die Vision, dass in der Realität ein paar ehrgeizige Chemiker den Drogenmarkt beherrschen werden und die Kategorie der “verbotenen Mittel” endgültig der Vergangenheit angehören wird. Power meint, das könne sogar gut sein: Die Herstellung und der Vertrieb von LSD und MDMA schwäche den Bedarf an Designerdrogen. Aber das Herunterladen der Pläne illegaler Drogen von unbekannten Seiten könne mit den gleichen Problemen einhergehen wie der Download von Musik: Mangels offizieller Standards und Reglementierungen könnten die Druckanleitungen auch falsch etikettiert erscheinen und im Falle von Drogen verhängnisvolle Konsequenzen haben. Ob wir sie idealisieren oder verteufeln, die Technik ist schon am Horizont erschienen und könnte sich nach Ansicht von Cronin sogar innerhalb von fünf bis zehn Jahren verbreiten.
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Hanfparade 2013
Meine Wahl: Hanf legal! S
Am 10. August war es zum 17. Mal soweit: Die größte deutsche ProCannabis-Demonstration zog mal wieder durch die deutsche Hauptstadt. Erfreulicherweise setzte sich dabei der Trend fort, der sich bereits in den letzten Jahren abgezeichnet hatte, und so erhöhte sich die Teilnehmerzahl auch in diesem Jahr wieder deutlich: Etwa 6.000 Menschen zogen für eine vollständige Legalisierung von Cannabis als Rohstoff, Medizin und Genussmittel durch Berlins Mitte.
text: Martin M. photos: Gergely Vaska
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chon zur Auftaktveranstaltung am Bahnhof Zoo waren Tausende gekommen und lauschten den ersten Ansprachen, die unter anderem gehalten wurden von den Berliner Jusos, René Bloch vom Fachforum Drogen der Grünen Jugend, Markus Berger von der Drug Education Agency, Günther Weiglein, einem offiziellen Cannabispatienten, der aktuell aus medizinischen Gründen auf eine Anbaugenehmigung klagt, Chibo Mertineit von der australischen Nimbin Hemp Embassy und Anne Helm von der Piratenfraktion in der Bezirksvollversammlung Berlin-Neukölln. Gegen 14 Uhr ging es bei herrlichem Wetter pünktlich los und die HANFPARADE zog mit tausenden Menschen und 15 mehr oder weniger eindrucksvollen Paradewagen durch die Westberliner Innenstadt bis zur Klingelhöferstraße, wo vor der Bundeszentrale der CDU eine erste Zwischenkundgebung abgehalten wurde. Hier ergriff zunächst die Journalistin Julia Seeliger das Wort – danach sprach der Buchautor Daniel Kulla über seine Sichtweise auf Hanf und einen zeitgemäßen Umgang mit dieser uralten Kulturpflanze. Gegen 15 Uhr setzte sich die Parade dann wieder in Gang und zog zur Leipziger Straße, wo vor dem Bundesrat für die zweite Zwischenkundgebung ein etwa 15-minütiger Stopp eingelegt wurde. Hier sprach erst Tibor Harrach – ein wissenschaftlich arbeitender Pharmazeut und Mitglied der LAG Drogen bei Bündnis 90/Die Grünen – und dann der Sprecher für Gesundheit und Suchtpolitik der Piratenpartei, MdA Simon Kowalewski. Noch während dieser zweiten Zwischenkundgebung zogen sich über der Berliner Innenstadt dunkle Wolken zusammen, und
schon bald fing es an zu regnen. Es war ein leichter Sommerregen, der allerdings eine ganze Weile anhielt und einen Großteil der Demonstranten komplett durchnässte. Das vermochte die vorherrschende Stimmung jedoch nicht zu trüben, und so erreichte eine ziemlich nasse aber dennoch sehr gut gelaunte HANFPARADE das Abschlusskundgebungsgelände auf der Straße des 17. Juni. Die hier hinter zahlreichen Infoständen auf die Parade wartenden Aktivisten hatten erst Bedenken, ob, und wenn, wie viele Menschen bei dem regnerischen Wetter überhaupt mit dem Demonstrationszug ankommen würden – und waren schließlich hocherfreut zu sehen, dass der Regen kaum jemanden vertrieben hatte. Allerdings führte das zwischenzeitlich schlechte Wetter auch zu technischen Problemen, denn direkt nach den ersten politischen Ansprachen auf der Hauptbühne – von Frank Tempel, dem suchtpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion der LINKEN, Joep Oomen von ENCOD und Harald Terpe, dem drogenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen – kam es hier zu einem zunächst alles stilllegenden Stromausfall. Ein Generator hatte den Geist aufgegeben, und so fehlte hier für eine Stunde die unverzichtbare Elektrizität – trotzdem musste auf Musik und Tanzstimmung nicht verzichtet werden, da die meisten Paradewagen auch auf dem Abschlusskundgebungsgelände fleißig weiter ihre bevorzugte Musik lautstark abspielten. Auch wenn viele der zumeist jungen Leute sicherlich wegen der guten Partystimmung gekommen waren, sah man in diesem (Wahl-) Jahr eine starke Präsenz der Grünen, der
LINKEN und der Piraten – eben jener drei Parteien, die sich für eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung einsetzen. Diese waren nicht nur durch verschiedene Redner vertreten, sondern auch durch eigene Paradewagen und Infostände auf dem Abschlusskundgebungsgelände. Wie die Berliner Polizei am Tag nach der HANFPARADE mitteilte, hatte es weder Festnahmen noch größere Zwischenfälle gegeben. Es war eine friedliche Demonstration, die es zwar wieder nicht in die Tagesschau schaffte, dafür aber in viele regionale und überregionale Medien. Hoffen wir, dass es im nächsten Jahr über 10.000 Menschen werden, die dann noch weniger übersehen werden können.
CANNA+GLOBE
“Die schlimmste Nebenwirkung ist die Strafverfolgung” Der Deutsche Hanfverband (DHV) hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Deutschland politische Lobbyarbeit für die so universell nutzbare Hanfpflanze zu betreiben. Wir sprachen mit Georg Wurth, dem Eigentümer des privatwirtschaftlich betriebenen DHV, der schon mehrmals als Sachverständiger in den Deutschen Bundestag geladen wurde. Bitte beschreibe kurz die Entstehung des Deutschen Hanfverbands. Die Idee zur Gründung eines Hanfverbands stammt von meinen Kollegen beim Hanf Journal. Im Einzelnen waren es Dirk Rehahn, Werner Graf und Emanuel Kotzian, die den DHV 2002 gründeten. Daraus resultierte auch das Konzept, den DHV als Firma und nicht als eingetragenen Verein zu betreiben. Etwa zwei Monate nach der DHV-Gründung bin ich dann als Geschäftsführer dazugekommen, um das Ganze mit Leben zu füllen. 2004 übernahm ich den DHV, man kann also sagen, dass er als Privatunternehmen fungiert. 12
Was hat dich persönlich veranlasst, dich so für Hanf zu engagieren? Ich habe mich ja auch schon lange vorher mit Drogenpolitik befasst. Bei mir fing alles 1996 mit einer Selbstanzeige wegen vier Gramm Marihuana an – das war damals eine politische Aktion von mir als grünem Kommunalpolitiker, welche auch für reichlich Wind in den Medien sorgte. Allerdings wurde das Verfahren dann nicht – wie von mir erwartet – wegen der geringen Menge eingestellt, sondern es zog sich jahrelang hin bis zum Bundesverfassungsgericht. Dadurch bin ich dann irgendwie zwangsläufig an dem Thema drangeblieben, und als sich die Gele-
genheit ergab, beim DHV einzusteigen, habe ich sie genutzt. Was war beim Bundesverfassungsgericht in deinem Fall herausgekommen? Die haben das ursprüngliche Urteil letztendlich bestätigt: 200 DM Geldstrafe auf Bewährung. Allerdings habe ich diese Strafe nie gezahlt – und der zuständige Richter wollte mich auch gar nicht verurteilen. Er hatte es erst abgelehnt, den Prozess zu eröffnen, doch dann legte der Staatsanwalt Beschwerde beim Landgericht ein, und so musste er mich dann schließlich doch verurteilen. Er gab mir dann die kleinstmögliche Strafe, was einer Art Verwarnung gleichkam.
Georg Wurth
Was sind die Haupttätigkeitsfelder des DHV? Wir gehen jeden Weg, der irgendwie dazu beitragen kann, dass wir eine Legalisierung erreichen. Oder vielleicht auch erstmal die Entkriminalisierung der Konsumenten – das werden wir sicherlich nicht alles gleich auf einen Schlag durchsetzen. Konkret bedeutet das, dass wir direkte politische Lobbyarbeit betreiben – wir sind Ansprechpartner für die Politik und bemühen uns, dass das Thema auf der Agenda bleibt. Das klappt aber nur mit einer entsprechenden Öffentlichkeitsarbeit, denn ohne die öffentliche Meinung und einen massiven Schub aus der Bevölkerung kommen wir mit politischer Lobbyarbeit alleine auch nicht weiter. Für die Öffentlichkeitsarbeit haben wir eine breite Palette an Informationsmaterialien produziert, die wir zum Selbstkostenpreis tagtäglich an etliche Interessierte verschicken, die unser “Propagandamaterial” dann weiterverteilen. Außerdem betreiben wir auch eine häufig aktualisierte Homepage und sind auch auf Facebook aktiv – inzwischen haben wir hier schon über 50.000 Fans. Und natürlich versuchen wir immer wieder, mit unserem Thema in die Massenmedien zu kommen – sei es durch zahlreiche Pressemitteilungen oder indem wir zum Thema recherchierende Journalisten fachlich beraten. Mal ganz ohne Zweckoptimismus: Glaubst du, dass in den nächsten Jahren tatsächlich eine Entkriminalisierung oder gar eine Legalisierung möglich ist? Bis zur vollständigen Legalisierung wird es sicher noch einige Jahre dauern, das kommt nicht in den nächsten fünf Jahren. Aber ich bin sicher, dass wir sie erleben werden. Es wird anfangen mit dem Thema Cannabis als Medizin, da erwarte ich weitere Lockerungen
in absehbarer Zeit. Wie schnell es ansonsten weitergeht, kommt darauf an, wie schnell die internationale Entwicklung voranschreitet, die sich gerade abzeichnet – und wie viele Leute jetzt anfangen, sich zu engagieren. www.hanfverband.de
text: M.M.
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MEDI+GREEN
Urtalent n unserer Juliausgabe hatten wir über den bedeutenden Psychonauten Terence McKenna und sein Hauptwerk berichtet. Demzufolge ist die evolutionäre Explosion dem Gebrauch von Halluzinogenen zu verdanken. Diese Theorie konnte bis heute nicht überzeugend bewiesen werden, es gibt aber neue Anzeichen dafür, dass etwas dran sein könnte. Zum Beispiel der neue Ansatz, dass die Urmenschen wirklich Kiffervisionen an die Höhlenwände gemalt haben. Den Forschern der Universität von Tokio fiel auf, dass die mehrere tausend Jahre alten, auf verschiedenen Kontinenten verbreiteten Höhlengemälde ähnliche geometrische Formen verwenden. Nach ihrer Argumentation ist die Erklärung dafür im rituellen Gebrauch psychedelischer Mittel zu suchen, die uns ähnliche Visionen bescheren. Obwohl unsere Vorfahren sich nicht auf den in Metall getriebenen Fraktallinien von Alex Grey bewegten, sind auf ihren Gemälden verwandte Elemente erkennbar. Neu an den Methoden der japanischen Forscher ist, dass sie ihre Vorstellungen, im Gegensatz zu McKenna, nicht mit kulturgeschichtlichen Erklärungen, sondern mit kognitiven neurologischen Analysen und mathematischen
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Formeln untermauern. Sie zeigen auf, dass auf zahlreichen Gemälden Nervenmuster, sogenannte Turing-Mechanismen, zu finden sind, die einen durch Psychedelika veränderten Bewusstseinszustand beim Malen annehmen lassen. Die Forscher denken, dass die auf diese Weise geschaffenen visionären Werke eine zusätzliche Bedeutung erhielten
und auch die Rituale auf eine höhere Ebene hoben. Nun wäre nur noch eine Synthese von McKennas evolutionärer Erklärung mit der neurologischen der Universität von Tokio nötig, um mit Sicherheit verkünden zu können: Den Menschen erhob nicht nur die Arbeit, sondern auch der Gebrauch von Halluzinogenen aus der Tierwelt.
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MEDI+GREEN r. Zhangs Forschung basiert auf sechs sogenannten Fallkontrolluntersuchungen, die sie von 1999 bis 2012 in den USA, Kanada, Großbritannien und Neuseeland an 2.159 Lungenkrebskranken und 2.958 gesunden Personen durchführte. Alle Untersuchungen wurden als Teil des International Lung and Cancer Consortium (ILCCO) fortgeführt, welches sich die Veröffentlichung der frisch publizierten und laufenden Lungenkrebsforschungen in unterschiedlichen geografischen Gebieten und demografischen Schichten zum Ziel gesetzt hat. Dr. Zhang führte als Forscherin der University of California zwei Untersuchungen durch. In einer von ihnen verglich sie, unabhängig vom Rauchen in der Vergangenheit oder Gegenwart, sämtliche lungenkrebskranke Patienten und Gesunde. Dann filterte sie aus der Untersuchung der Marihuanarisiken die Wirkung des Tabaks heraus, indem sie den Kreis der Untersuchten auf Nichtraucher begrenzte und damit 370 Lungenkrebskranke und 1.358 Gesunde erhielt, die hinsichtlich des Alters, Geschlechts und der soziodemografischen Variablen im Einklang standen. Nach Vorgabe der Untersuchung verglich sie die Werte der regelmäßig einmal täglich Marihuana Rauchenden mit denen der (Tabak-) Raucher und fand keine nennenswerten Unterschiede hinsichtlich eines Lungen-
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Was verursacht Lungenkrebs? Auch jahrelanges Marihuanarauchen, täglich 1- bis 2-mal, erhöhe das Lungenkrebsrisiko nur unbedeutend, konstatierte Dr. Li Rita Zhang, die auf dem Jahrestreffen der American Association of Cancer Research über ihre Forschungsergebnisse berichtete.
krebsrisikos. Die zweite Untersuchung, welche die Lungen von Leuten, die Marihuana ohne Tabak rauchen, und von Nichtrauchern verglich, fand ebenfalls keinen bedeutenden Unterschied zwischen den beiden Gruppen, unabhängig von der Häufigkeit und der Zeitdauer des Marihuanarauchens, die auch zwanzig Jahre überschritten haben konnte. Mutmaß-
lich sind in erster Linie die Zusatzstoffe in den im Handel befindlichen Zigaretten für Lungenkrebs verantwortlich. Sie kommen im Marihuana nicht vor. Die Ergebnisse der Untersuchung kommentierte Dr. Zhang vorsichtig. Es sei nicht auszuschließen, dass Marihuana in extremer Dosis, über lange Zeit genossen, zum Entstehen von Lungenkrebs führen könne.
Frankreich und das Medizinalmarihuana nter der konservativen Regierung Sarkozy unternahm Frankreich, das eine der strengsten Drogenpolitiken in Europa verfolgte, einen bedeutsamen Schritt hin zu einer rationalen Reglementierung. Die am 5. Juni verkündete Änderung des Gesundheitsgesetzes Nummer 473/2013, das vorher jegliche nicht-industrielle Anwendung von Marihuana verbot, öffnet nun den Weg zu einer medizinischen Nutzung. Gesund-
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heitsministerin Marisol Touraine ließ in ihrer Verlautbarung ein paar Monate zuvor keinen Zweifel daran, dass die französische Regierung an die Genehmigung von Medikamenten auf Cannabisbasis, in erster Linie an die Legalisierung des Sprays Sativex, denke. Nach höher gespannten Vorstellungen wird man jedoch der deutschen Praxis folgen, und so werden die französischen Patienten, deren Gesundheitszustand die Medikamente auf Cannabis-
basis nicht im gewünschten Maße verbessern, auch auf die vom niederländischen Office for Medicinal Cannabis (OMC) vertriebenen Cannabissorten zurückgreifen können. Wie auch immer es sich gestaltet, der Beschluss ist ein bedeutender Schritt zur Anerkennung von Marihuana als Heilmittel, dem mit der Zeit auch die Entkriminalisierung der Konsumenten folgen muss. Gegenwärtig unterstützt von der politischen Palette Frankreichs nur die kleine Grüne Partei der Regierungskoalition die Einstufung des Drogenkonsums als Ordnungswidrigkeit, doch letztes Jahr hatte schon der Erziehungsminister Vincent Pelon die Meinung vertreten, dass diese Frage gründlich überdacht werden müsse. Und wenn auch nur aus dem Grund, dass Frankreich in Europa das deutlichste Beispiel einer verfehlten, strengen Drogenpolitik zeigt: Es droht den Konsumenten mit ernsthaften Sanktionen und verbietet gewöhnlich auch die Abbildung von Hanfblättern, doch im Konsum von Marihuana werden in Europa die Franzosen nur von den Dänen übertroffen. 17
CANNA+GLOBE
Nach spanischem Muster Cannabis Social Clubs nach Deutschland! In Deutschland ist momentan Marihuana unter den illegalen Drogen am populärsten und seine Blüten werden, entgegen der internationalen Verbote, von etwa 2,5 Millionen Menschen konsumiert. In diesem Zusammenhang kam die Oppositionspartei DIE LINKE auf die Idee, es sei in Deutschland an der Zeit, das Cannabis Social Club-System einzuführen. ie Partei möchte die missliche Lage durch die Kriminalisierung mehrerer Millionen ihrer Landsleute verbessern und auf diesem Gebiet eine Art Reglement aufstellen und die rechtlichen Möglichkeiten zur Eröffnung und zum Betrieb sogenannter Cannabis Social Clubs bieten. Dieses Modell hat sich scheinbar in mehreren anderen europäischen Ländern bewährt. DIE LINKE hatte im April 2013 im Bundestag eine Eingabe zur Genehmigung der Cannabis Social Clubs gemacht.
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Argumente und Gegenargumente im Streit um die Genehmigung In Deutschland konsumieren etwa 2,5 Millionen Menschen regelmäßig Cannabis. Außerdem hat es jeder vierte Deutsche in seinem 18
Leben schon einmal probiert. Mit dem ersten Marihuana- oder Haschischjoint kommen die Jugendlichen durchschnittlich im Alter von fünfzehn Jahren in Berührung. Viele halten Cannabis in erster Linie deshalb für gefährlich, weil sie es als Einstiegsdroge ansehen – während Alkohol jedoch überhaupt nicht als Droge betrachtet wird. Aber ... nur zum Vergleich: Durch Alkoholkonsum kommen jährlich 42.000 Menschen in Deutschland ums Leben, während wir von Todesfällen in direktem Zusammenhang mit Cannabiskonsum bis zum heutigen Tag nichts wissen. Doch kommen wir auf die Einstiegsdrogentheorie zurück. Ihre Anhänger behaupten, dass der Gebrauch von Cannabis typischerweise zum Ausprobieren härterer Drogen führe. Und wie kommen die Menschen wohl vom Gras zu den härteren Sachen? Dadurch nämlich, dass die Dealer regelmäßig außer Marihua-
na auch andere Rauschmittel verkaufen. Und dadurch, dass die Jugendlichen bei einem Dealer Gras kaufen wollen, besteht unausweichlich die Möglichkeit, andere, härtere Drogen kennen zu lernen. Die Befürworter der Cannabis Social Clubs gelangen, den Gedanken weiterspinnend, zu folgendem Argument: Lasst uns also den Handel und Anbau von Cannabis auf staatlicher Ebene legalisieren und regeln! Wenn die Menschen legal an Gras kommen können (zudem mit kontrollierter Qualität!), werden sie nicht auf den Gedanken verfallen, sich um den Preis möglicher Unannehmlichkeiten bei irgendwelchen windigen Dealern auf der Straße zweifelhafter Herkunft etwas zum Rauchen zu besorgen. Wenn sie aber nicht diese Dealer frequentieren, kommen sie auch nicht in Kontakt mit härteren Drogen. Überraschend einfach
ist das! Außerdem wird die Reglementierung das organisierte Verbrechen im Zusammenhang mit dem illegalen Cannabishandel verringern, ganz davon zu schweigen, dass die Steuern auf Marihuana dem Staat eine Extraeinnahme verschaffen werden!
Das Schicksal der CSC-Eingabe Nach den Vorstellungen der Partei DIE LINKE sollen die Cannabis Social Clubs nach spanischem Muster organisiert werden: Erwachsene über 18, die über eine Mitgliedschaft verfügen, können unter kontrollierten Bedingungen für sich selbst Cannabis erwerben, höchstens 1 Gramm täglich. Parallel dazu wäre der Konsum zu legalisieren und auch der Besitz, wenn er 30 Gramm nicht übersteigt. Die Fraktion der Regierungspartei CDU hat die Eingabe schon in der zweiten Maihälfte abgelehnt. Obwohl das geltende Drogengesetz es erlaubt, das totale Verbot einer Droge aufzuheben, wenn dies im medizinischen oder öffentlichen Interesse liegt – kann hier nach dem Standpunkt der CDU nicht davon die Rede sein. Das Entstehen von Social Clubs diene nicht dem Allgemeinwohl, sondern im Gegenteil: Die Möglichkeit zum legalen Konsum steigere die Zahl der Abhängigen beziehungsweise die “irreparablen körperlichen Schäden”, die mit dem Genuss des Cannabis einhergingen. Das spanische und belgische Modell bietet das Beispiel, wie das CSC-System dem Schutz des Individuums und der Gemeinschaft dient, während es sich vorteilhaft auf die Wirtschaft auswirkt und auch neue Arbeitsplätze schafft. (Siehe unseren Artikel über das belgische CSC-Modell auf Seite 22-24 – der Red.) Wir vertrauen darauf, dass auch Sachverständige bei der Debatte gehört werden und nicht die Christdemokraten das letzte Wort haben werden.
text: Marcel Klos
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Cultiva 2013 Vom 18.-20. Oktober wird die österreichische Hanfmesse CULTIVA wieder ihre Tore öffnen. Über 100 Aussteller werden die neuesten Trends am Hanfmarkt präsentieren. Der botanische Garten in der einzigartigen, 42 Meter hohen und 8.000 m2 großen Glaspyramide bei Wien bietet wie in den vergangenen Jahren den passenden Rahmen dafür.
eben der Messe werden beim Cultiva Hanfkongress internationale Redner wieder zahlreiche Themen wie Hanf in der Medizin, Hanf als Rohstoff, Hanf als Nahrungsmittel, Hanf und Recht u.v.m. behandeln. Dass Hanf nicht nur ein wertvolles, sondern auch delikates Nahrungsmittel ist, beweisen die Spitzenköche bei der Cultiva Kochshow. Während der Messezeiten verwöhnen zahlreiche DJs die Besucher mit dopigem Sound. An den Abenden können die Eindrücke im Garten am Feuerplatz noch in entspannter Atmosphäre ventiliert werden, und somit wird die Cultiva 2013 wieder ein Fest für die Sinne. In diesem Jahr steht die Messe unter dem Motto “The Balkan Connection”. Der EU-Beitritt Kroatiens bedeutet einen neuen, interessanten Markt und freien Warenverkehr. Cultiva lädt dieses Jahr alle Shops Kroatiens ein, sich auf der Messe zu präsentieren. Neben Vorträgen über Land und Kultur wird abends gefeiert. Dafür werden in diesem Jahr zwei Festzelte im Garten die Besucher mit Kulinarik und Balkansound verwöhnen. Livekonzerte finden im Zelt bei jedem Wetter statt. Neben vielen DJs werden “BALKAN TANGO VIBES” und als Hauptact “DELADAP” (freier Eintritt mit Messeticket) mit uns feiern.
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Dieses Jahr erhält jeder Besucher erstmalig ein Gratis Gutscheinheft zu seinem Ticket. Darin werden von den Ausstellern spezielle Angebote an den Messetagen präsentiert. Bestell Dein Ticket noch heute auf www.cultiva.at und hol Dir Dein Gratis Gutscheinheft an der Tageskasse! Bis bald auf der Cultiva in Wien! EVENTPYRAMIDE VÖSENDORF Parkallee 2 2334 Vösendorf 18.10.2013 11:00 – 19:00 Uhr 19.10.2013 11:00 – 20:00 Uhr 20.10.2013 11:00 – 18:00 Uhr
MEDI+GREEN
Illinois ist der Zwanzigste nfang August erhöhte sich die Zahl der US-Staaten, in denen Marihuana zu Therapiezwecken erlaubt ist, auf zwanzig und überschritt damit eine neue psychologische Grenze. In Illinois, nach Kalifornien der zweitbevölkerungsreichste Staat, unterschrieb Gouverneur Pat Quinn das Gesetz, das Cannabis zu Therapiezwecken erlaubt. “Über die Jahre rührten mich die Geschichten von tapferen Kranken und Veteranen, die mit schrecklichen Krankheiten kämpften – die Schmerzlinderung ist notwendig und steht ihnen zu”, legte der Gouverneur Rechenschaft über den Hintergrund seiner Entscheidung ab. Das Gesetz, das am 1. Januar in Kraft trat, erlaubt die Behandlung von 35 verschiedenen Krankheiten mit Cannabis, unter ihnen die Parkinson-Krankheit, Lupus erythematodes (Schmetterlingsflechte) und Tumorerkrankungen. Das von den Befürwortern als das strengste Therapieprogramm des Landes charakterisierte Modell verlangt von dem Kranken ein ärztliches Attest, einen registrierten Krankenausweis mit Lichtbild und einen Zugang für das elektronische Kontrollsystem. Das im kommenden Jahr in Kraft tretende Gesetz erlaubt den registrierten Cannabispatienten von Illinios eine Verschreibung von maximal 70 Gramm Cannabis aller zwei Wochen. Kranke, die als regelmäßige Konsumenten auch Auto fahren, riskieren weiterhin ihren Führerschein, und der Arbeitgeber kann den Gebrauch am Arbeitsplatz verbieten. Auch die Produzenten und Vertreiber werden streng kontrolliert. Nach der Vorschrift muss das Marihuana in Illinois gezogen und in geschlossenen Speichern – von der Öffentlichkeit und von Jugendlichen abgeschlossen – vertrieben werden. Züchter, die für Apotheken produzieren, müssen sich registrieren, Fingerabdrücke geben und ihr Vorleben überprüfen lassen. Der Grund für die strengen Vorschriften liege laut Senatsmitglied Bill Haine, einem Befürworter des Plans, darin, dass man sichergehen möchte, dass nur Schwerkranke in den Genuss der Behandlung kommen und kein Missbrauch mit der Therapie betrieben wird.
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In Uruguay steht die Legalisierung vor der Tür m allerletzten Moment verschob das uruguayische Parlament die Abstimmung über die Legalisierung auf später. Nachdem am 4. Juli das regierende linke Parteienbündnis Frente Amplio einstimmig den Legalisierungsplan des Suchtkomitees abgenickt hatte, zog ein paar Tage danach eine Schlüsselfigur der Partei ihre Entscheidung zurück. Darío Pérez sagte vor der entscheidenden Abstimmung, dass er nicht sicher sei, ob er dafür stimmen werde. Der Plan erhält nur Gesetzeskraft, wenn alle 50 Abgeordneten der Partei ihn gutheißen; aus der Opposition unterstützt niemand den Vorschlag. Die Abstimmung wurde auf den 31. Juli verschoben, und nach einer 13-stündigen Debatte ging die Modifizierung schließlich mit 50:46 Stimmen durch. Nun muss sie nur noch der Senat absegnen, wo die Regierungspartei ebenfalls die Mehrheit hat. Wenn dies geschehen ist, können in Uruguay die sogenannten Hanfkioske eröffnen, wo Staatsbürger, die das 18. Lebensjahr erreicht haben, monatlich bis zu 40 Gramm Marihuana kaufen können, noch dazu das Gramm zu ca. 2 Euro. Die Preisbildung verfolgt unverhohlen das Ziel, den Schwarzmarkt zu unterbieten. Daneben wird auch der häusliche Anbau bis zu maximal sechs Pflanzen genehmigt, von denen man dann jährlich 440 Gramm Marihuana legal ernten kann. Außerdem bietet sich die
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Möglichkeit, Vereinigungen vom Typ der Cannabis Social Clubs zu gründen, in denen maximal 45 Mitglieder insgesamt 99 Pflanzen zum persönlichen Gebrauch ziehen dürfen. Die Legalisierung folgt natürlich nicht dem Argument: “Lassen wir mal das Cannabis auf die Jugendlichen los, um die Verdorbenen ist es nicht schade”, sondern ganz im Gegenteil. Dem amtierenden Präsidenten José Mujica zufolge kämpfe das Land im Moment mit einem viel größeren Problem, und zwar mit keinem anderen als dem Drogenhandel. Nachdem sich Uruguay von einem Transit- in ein Zielland verwandelt hat, nahm die Gewalt als Begleiterscheinung des Drogenhandels überhand, außerdem bieten Dealer den Jugendlichen viel gefährlichere Drogen als Cannabis an. Mujica gab übrigens im Juli auf die Frage eines Radioreporters an, dass er selbst noch nie Marihuana probiert habe und daher nicht wisse, wie es sei, bekifft zu sein – dies sehe aber beim Großteil der Jugendlichen anders aus. Anhand wissenschaftlicher Ergebnisse kann sich jeder davon überzeugen, dass die meisten der momentan im Umlauf befindlichen Drogen größere Risiken in sich bergen als das Marihuana. Dessen Verbot ist es zu verdanken, dass an dem Cannabis, das man bei einem Dealer kauft, Blut klebt, was der Mehrheit – wenigstens in Uruguay – nicht recht ist. 21
CANNA+GLOBE
Trekt Uw Plant Das belgische Modell des Cannabis Social Clubs Trekt Uw Plant (TUP) ist der erste Cannabis Social Club (CSC) im belgischen Antwerpen, der 2006 von einer Gemeinschaft von Freunden mit dem gemeinsamen Ziel gegründet wurde, zu demonstrieren, dass Erwachsene in einem entsprechend geregelten System fähig sind, auf sichere und verantwortungsvolle Weise Cannabis zu konsumieren. Wie aber konnten sie das legal umsetzen? ach dem belgischen Gesetz kann jedes Individuum über 18 eine Pflanze zum persönlichen Gebrauch halten. Für alle, die dies aus verschiedenen Gründen nicht können, bietet CSC einen Service, mit dem man rechtlich zweifelhafte Lösungen umgehen kann. Die Klubmitglieder sind nicht dazu gezwungen, qualitativ schlechten oder chemisch behandelten Stoff von Kriminellen auf der Straße zu kaufen, im Wissen, dass sie mit dem Geld auch Straftaten wie den Menschenhandel fördern. Niemand müsste sich mehr solche Gedanken machen, wenn er sich nach einem stressigen Tag mit einem Joint entspannen will. TUP ermöglicht es den Mit-
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gliedern, ihre natürlichen Rechte einer Organisation zu übertragen, die für einen Beitrag von 25 Euro pro Kopf eine Pflanze mit besonderer Pflege und mehrjähriger Erfahrung aufzieht und dann dem Mitglied für 7 Euro pro Gramm verkauft.
Verantwortungsvolle Zucht, sicherer Zugriff Das Modell des TUP Cannabis Social Clubs fördert in einem freundschaftlichen Milieu die direkte Kommunikation von Konsumenten und Züchtern. Das bedeutet, dass die Mitglieder zum Dialog untereinander und
mit den Züchtern ermuntert werden und damit enge Kontakte geknüpft werden. Wenn ein Mitglied beispielsweise Probleme mit einem Produkt hat, kann er sich direkt an den Züchter wenden und mit ihm zusammen eine Lösung suchen. Wenn es Probleme mit einem Mitglied gibt, sucht das Komitee den persönlichen Kontakt mit ihm, beziehungsweise schließt ihn im Falle einer Verletzung der Vorschriften aus dem Klub aus. Diese Regelung erlaubt es dem TUP, die Möglichkeiten weiterer Feinabstimmungen zu prüfen – hinsichtlich der sicheren und vertrauenswürdigen Zucht und des Konsums sowie der Schadensminimierung beim Ge-
brauch, um das Maximum aus der Pflanze herauszuholen. Das System funktioniert so gut, dass seine Praxis schon in mehreren Gerichtsprozessen verteidigt werden konnte und erfolgreich unter Beweis stellen konnte, dass es gegenwärtig keine Alternative zu der Non-Profit-Zusammenarbeit gibt. Der Zugriff der Mitglieder auf organisch angebautes Cannabis gibt auch der Gesellschaft ein ausgezeichnetes Beispiel.
Mit dem CSC für die öffentliche Sicherheit Im Moment ist das TUP der einzige Cannabis Social Club in Belgien, aber als Resultat von konkretem Bedarf und wegen der erzielten Erfolge bei der Schadensbegrenzung wird in Brüssel ein neues CSC eröffnen, um den Cannabiskonsumenten der Hauptstadt auch einen solchen vertrauenswürdigen Service zu bieten. Seit März 2013 bietet das TUP den Interessenten Workshops darüber an, wie man ein CSC eröffnet. Dies ist ein sehr wichtiger Schritt zur Minimierung der Verbrechergruppen auf dem Schwarzmarkt und zur Schaffung legaler Arbeitsplätze. In Brüssel leben Kiffer in großer Zahl, für die diese Alternative wichtig ist, um den Kauf von zweifelhaftem Ganja auf der Straße zu vermeiden, mit dem sie das organisierte Verbrechen unterstützen. Mit anderen Worten tragen die CSC zur Gesundheit und öffentlichen Sicher-
Joep Oomen
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CANNA+GLOBE heit bei. Der Leuvener Toxikologe Jan Tygat hebt seinen aktuellen Vorschlag hervor, dass die Regierung Marihuana anbauen und verkaufen müsse, um den Konsumenten den Zugang zu reinem Cannabis zu sichern, was das Komitee des TUP schon seit Jahren fordert. Dies wäre eine wirkungsvolle Methode, den Drogentourismus nach Holland zu verringern, den dort viele Politiker für problematisch halten, während andere das Problem darin sehen, dass sie nur mit einem großen Aufwand von Zeit und Geld über die Grenze in die Coffeeshops gelangen.
Hinter den Kulissen Trekt Uw Plant hat momentan 300 Mitglieder. Man erwartet, dass diese Zahl sich in naher Zukunft verdoppelt, und dass TUP, um mit der Entwicklung Schritt halten zu können, mehr Züchter beschäftigen wird, wodurch es auch während der Wirtschaftskrise neue Arbeitsplätze schaffen kann. Um TUPMitglied zu werden, muss man ein Formular ausfüllen, im Büro oder online. Darauf folgt ein persönliches Treffen mit einem Komiteemitglied, in dem man Rechenschaft über den eigenen Konsum ablegen muss. Der Aufnahmekandidat lernt hier die Regeln der Organisation kennen und kann Fragen stellen, man plaudert und lernt sich kennen. Man ermuntert ihn, freundschaftliche Beziehungen zum Komitee und den übrigen Mitgliedern zu pflegen. Er kann jederzeit persönliche Treffen organisieren und die Mitglieder des Komitees auch anrufen. Das TUP hält etwa alle drei Monate einen “Sortentausch” ab, auf dem die Möglichkeit besteht, andere Mitglieder zu treffen, ihre Sorten kennen zu lernen und Marihuana der gleichen Menge zu tauschen.
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Der “Sortentausch” bietet auch Außenstehenden eine großartige Gelegenheit, zu beobachten, wie das CSC in der Praxis funktioniert. Im Gegensatz zum Schwarzmarkt ist das TUP eine vollkommen transparente und offene Vereinigung, die dem Publikum bereitwillig erklärt, wie sie funktioniert. Ihre Buchhaltung findet man im Internet, sie sind immer telefonisch erreichbar, aber auch per E-Mail und persönlich. Alle Informationen über das TUP findet man auf der Webseite, im Büro gibt es auch Broschüren. Die Züchter helfen den Konsumenten immer, eine Sorte nach ihrem Geschmack zu finden, außerdem enthalten die Aufkleber auf den angebotenen Päckchen Informationen über die jeweilige Sorte.
Das medizinische Repertoire Das TUP unterhält ein medizinisches Programm und baut auch Medizinalhanf an. Falls die gewünschte Sorte nicht zur Verfü-
gung steht, unternehmen sie alles, um sie zu beschaffen oder bieten alternativ eine ähnliche Sorte an, denn ihr Ziel ist es, die therapeutischen Bedürfnisse der Patienten optimal zu befriedigen. Mitglieder, die an schweren Krankheiten leiden, genießen Priorität und erhalten die besondere Fürsorge der Züchter und Mitglieder des Komitees. Da die belgische Rechtsprechung Erwachsenen den verantwortungsvollen Gebrauch von Cannabis ermöglicht, benötigt man kein ärztliches Rezept, die Priorität der Mitglieder ergibt sich aus der Schwere ihrer Erkrankung. Im TUP wird jede Pflanze liebevoll und mit Hingabe unter streng organischen Bedingungen gezüchtet, daher können die Mitglieder sicher sein, dass das Cannabis vom TUP erstklassig ist, gleichgültig, ob es für die Therapie oder die Entspannung gezüchtet wurde.
text: Cody M.
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CANNA+GLOBE
Legalisierung Betaversion Kurz vor dem Start noch kein endgültiges Regelwerk Während die Bundesregierung der USA noch immer versucht, so zu tun, als ob die Legalisierung in zwei Bundesstaaten nur ein böser Traum sei, entwickelt sich die Reglementierung des Marihuanahandels unter Volldampf. Die Planer vertrauen darauf, dass in naher Zukunft alle ebenfalls legalisierenden Staaten ihr Modell anwenden können – denn es gibt neue Aspiranten. arack Obama und sein Drogenzar weichen in allen Interviews der Frage aus, ob sich das Verbot des Bundes weiterhin auch auf die legalisierenden Staaten bezieht. Lange kann man die konkrete Antwort nicht mehr verweigern, denn die Gesetzgeber in Washington erwarten etwas Richtungsweisendes vom Bund hinsichtlich der Frage, wie sie die Regeln für den rekreativen Gebrauch zu gestalten haben, damit man dem System nicht vorwerfen kann, es sei gesetzwidrig.
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Die Planung der Modelle Chris Marr, ein Mitglied des Liquor Control Boards, das mit der Hanfregulierung betraut ist, sagte, dass das Justizministerium der 26
USA bisher nur spärliche Hinweise gegeben habe, wie für einen gegen Gras eingestellten Staat ein akzeptables System aussehen müsse. Das ist mehr als nur Verantwortungslosigkeit, denn die Regulierung in Washington wird für die Staaten, die in der Zukunft legalisieren werden, wegweisend sein, daher müsste man wenigstens Informationen zur Ausarbeitung des Modells sammeln, weil nach dem Plan schon nächstes Jahr die ersten Marihuanaläden eröffnen werden. “Die Menschen dort draußen glauben, dass in aller Stille das Monitoring und das Sammeln von Informationen abläuft, aber ich sehe nicht, dass die Bundesregierung sich überhaupt seiner Aufgabe stellt”, beschwert sich Marr. Unterdessen, trotz des fehlenden Inputs von außen, geht die Planung des Regulierungs-
systems auf staatlicher Ebene Washingtons unentwegt voran. Anfang Juli lehnte man den Entwurf eines Logos für die im Staat verkauften Cannabisprodukte ab, das ein Cannabisblatt in den grünen Umrissen des Staates Washington zeigte. Ausschlag gab, kurz gesagt, dass es zu gut aussah und unweigerlich innerhalb kürzester Zeit auf TShirts und Plaketten aufgetaucht wäre und auch Minderjährige es irgendwann zu sehen bekommen hätten. Andererseits hätte das Logo in die Welt getragen, dass Washington der Drogenstaat der USA sei. Auch wenn das zum Teil stimmt, erschien es vielen unangemessen. Die aktuelle Version kehrt deutlich zu der klassischen Version zurück, welche die Umrisse des Staates nicht zeigt. Eine weitaus wichtigere Veränderung ist allerdings, dass
das neue Regelwerk auch die Freilandzucht von Cannabis erlaubt, sofern der Züchter dafür sorgt, dass das Gelände eingezäunt ist und mit Videokameras bewacht wird beziehungsweise mit einer Alarmanlage gesichert ist. Die neuen Regeln schreiben die maximale Konzentration von Extrakten (80% THC), den Mindestpreis und die Höchstmenge fest, über die ein Konsument verfügen darf. Früher war von einem Verbot solcher Produkte die Rede, aber die Ratsmitglieder befanden, dass sie damit die Extrakte, auf die zahlreiche Therapiepatienten angewiesen sind, auf den Schwarzmarkt drängen würden. Colorado gab ebenfalls Anfang Juli bekannt, wie das vorläufige Regelwerk für das Modell des im Januar 2014 beginnenden Marihuanahandels aussehen wird. Es enthält die Verfügung, dass die Geschäfte für Medizinalmarihuana, die auch Cannabis für den rekreativen Gebrauch anbieten wollen, Minderjährigen verschlossen bleiben. Außerdem redet man über die Vorschriften für das Aussehen einer kindersicheren Verpackung und eines universellen Zeichens, das eindeutig klar macht, dass die Packung Marihuana oder ein marihuanahaltiges Produkt enthält. Das provisorische Regelwerk kündigt an, dass weitere Vorschriften bezüglich der Reklamation, der Gesundheitsschädigung, Etikettierung, Test- und Lagerungsbedingungen zu erwarten sind. Über eine der Hauptfragen gibt es bislang wenig Konkretes, nämlich, wie der Staat den Samenhandel regulieren will.
Neue Aspiranten Aber man kann sich nicht nur über die endgültigen Vorschriften Sorgen machen, sondern auch über den Ausgang der weiteren Legalisierungsabstimmungen. Auf eine Initiative Portlands werden die Bürger des Staates Maine im November darüber abstimmen, ob sie – ähnlich wie in Colorado und Washington – den legalen Vertrieb von Marihuana einführen wollen. Nach der Vorplanung
sollen hier nur über 21-Jährige Cannabis erwerben können, und die maximale Menge für den Besitz zum persönlichen Gebrauch wären 2,5 Unzen (etwa 70 Gramm), was auch im gegenwärtigen Entkriminalisierungssystem als Höchstmaß einer geringen Menge gilt. 1.500 Unterschriften wären notwendig gewesen, aber die Bürgerorganisationen und Aktivisten von Portland haben fast zweieinhalbmal so viele Unterschriften für die Abstimmung gesammelt. Sie wurden dem Stadtrat übergeben. Der Magistrat stimmte mit 5:1 dafür, über die Frage am 5. November abstimmen zu lassen. Um jedes Missverständnis auszuschließen: Die einzige Gegenstimme stammte vom größten Legalisator, der die umgehende Verabschiedung des Gesetzes forderte. Wenn die Bürger für die Legalisierung stimmen, wird der Marihuanakonsum in strenge Grenzen gezwungen. Beispielsweise wird man auf öffentlichen
Plätzen – in der Nähe von Schulen und Haltestellen des öffentlichen Verkehrs – kein Cannabis konsumieren dürfen, auch können Hausbesitzer den Gebrauch in ihrem Besitz befindlicher Wohnungen verbieten. In Maine ist gegenwärtig ein therapeutisches Marihuanaprogramm in Kraft und im Sinne der Entkriminalisierung belegt das Gesetz den Besitz von höchstens 2,5 Unzen Cannabis mit maximal 600 Dollar Strafe.
Der Teufel schläft nicht Wer auf zehntausend Kilometer Entfernung glaubt, dass die Schikane gegen Marihuanakonsumenten in den Vereinigten Staaten der Vergangenheit angehört, den müssen wir enttäuschen. Obwohl die Drogenkriegsmaschine nach zahllosen Einschätzungen nicht mehr lange laufen wird, dreht sie in den letzten Jahren in einer Art Torschlusspanik erst recht auf Hochtouren, und ihr rassistischer Charakter zeigt sich deutlicher als früher. Nach einer Erhebung von Menschenrechtsanwälten waren in der amerikanischen Hauptstadt Washington zwischen 2009 und 2011 unter den wegen Rauschgiftbesitzes Inhaftierten acht von zehn Afroamerikaner, während die Bewohner der Stadt zu nur 47% farbig sind. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass Obama endlich entschlossen gegen die Verurteilung der Konsumenten eintreten und eine Zusammenarbeit bei der Ausarbeitung der Regeln für den Marihuanahandel anbieten, zumindest aber den Volkswillen respektieren müsste.
text: Tomas Kardos
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MEDIZIN
Tourette und Cannabis Impulssteuerung bei Fehlzündungen im Gehirn Stellt Euch vor, Ihr spürt ganz genau, dass Ihr gleich heftig niesen müsst. Und nun versucht mal, dieses Niesen zu unterdrücken und schaut, wie lange Ihr das schafft und wie viel Kraft und Konzentration Euch das kostet. Egal, was Ihr auch anstellt und wie Ihr es anstellt – wenn das Niesen raus will, dann kommt es auch raus. amit kriegt man zumindest eine kleine Vorstellung davon, wie es Patrick mit seinen Tics geht, denn Patrick hat das Tourette-Syndrom (TS). Er lebt mit seiner Mutter in Süddeutschland und geht inzwischen auch wieder zur Schule. Das Tourette-Syndrom ist eine unheilbare neuropsychiatrische Erkrankung und äußert sich durch unwillkürliche multiple körperliche und/oder vokale Tics. Unter welchen Beschwerden leiden Sie und wie lange geht das schon? Seit ich etwa vier Jahre alt bin, habe ich leichte motorische Tics, die mich aber kaum beeinträchtigt haben, da es hauptsächlich Grimassen waren. Mit 14 Jahren brachen urplötzlich starke motorische und teils auch vo-
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kale Tics aus. Ich muss meinen Kopf werfen, mit den Schultern zucken, die Arme schlenkern, aufstampfen und so weiter. Manchmal kommen die vokalen Tics dann noch hinzu. Oft sind es einfache Laute oder Lautfolgen, manchmal auch Wörter wie “fuck”. Mein TS ist sehr kreativ und denkt sich immer neue Bewegungen und Laute aus – ich bin ununterbrochen in Bewegung und das ist extrem anstrengend. Wenn ich unterwegs bin, versuche ich, meine Tics zu unterdrücken – zumindest, soweit ich das schaffe. Dann bin ich so darauf konzentriert, dass ich von allem anderen nicht mehr viel mitbekomme. Wenn ich dann nach Hause komme, ticke ich mich aus und bin hinterher immer total erledigt. Dabei hilft mir oft laute Musik – so kann ich
die Tics ein wenig lenken. Außerdem stört es bei dem Krach keinen, wenn ich dann auch mal selbst laut werde. Manchmal habe ich das Gefühl, diese Tics bleiben einfach in mir stecken – dann leide ich unter sehr schmerzhaften Muskelspasmen. Es gibt aber auch bessere Phasen, in denen die Tics nicht so stark sind und ich mehr unternehmen, lernen und leisten kann. Meine Tics werden oft durch Stress ausgelöst oder verschlimmert – dazu gehören zum Beispiel Prüfungen, Druck, emotionale Belastungen, neue Situationen und so weiter. Das ist dann so, als würde zu jeder Empfindung ein Laut oder eine Bewegung gehören. Wie sind Sie auf Cannabis als Medizin gestoßen?
Nachdem ich auf alle gängigen Medikamente, die normalerweise bei TS verabreicht werden – hauptsächlich Neuroleptika wie Tiaprid, Zyprexa oder Abilify – allergisch reagierte, habe ich es nach langer persönlicher Recherche auch mal mit Dronabinol-Tropfen versucht – der hier enthaltene Wirkstoff ist ja teilsynthetisch hergestelltes THC. Die Dosierung ist recht schwierig, da die Wirkung erst nach etwa 30 Minuten einsetzt. Da mein TS unberechenbar ist, ist kein Tag wie der andere – somit gibt es außer der persönlichen Erfahrung auch keine Dosierungsanleitung. Außerdem hatte ich mit der Zeit auch Nebenwirkungen wie Benommenheit, Schwindel und Kopfschmerzen. Trotzdem war es das einzige Medikament, das mir effektiv geholfen hat. Nach weiterem Suchen stießen meine Mutter und ich dann auf Cannabis als Medizin. Die Wirkstoffkombination im “Rohstoff” solle noch besser bei TS helfen – und so ist es auch. Ich habe einen tollen Arzt, der da ganz offen ist und der auch zu Experimenten bereit ist – er unterstützt mich und hat auch immer versucht, mir zu helfen. Da mir längere Zeit aber kaum mehr zu helfen war, haben wir schließlich einen Antrag auf medizinisches Cannabis gestellt. Ich bin zwar der erste, aber mittlerweile nicht mehr der einzige Cannabis-Patient meines Arztes – darüber bin ich sehr froh, denn wenn ich an
die Nebenwirkungen und Langzeitschäden von Neuroleptika denke, halte ich mich dann doch lieber an ein reines Naturprodukt, das weder meine Nieren, meine Leber noch sonst etwas in meinem Körper zerstört. Wie und wie oft konsumieren Sie Ihre Medizin? Ich rauche die Blüten der Sorte Bedrocan im klassischen Joint. Wie viel und wie oft, diktiert mir mein TS – pauschal kann ich das gar nicht sagen. Inzwischen kann ich aber zumindest bedarfsgerecht dosieren, da die Wirkung ohne Verzögerung eintritt. In guten Phasen rauche ich vielleicht zwei- bis viermal am Tag. In schlimmen Phasen kann es passieren, dass ich alle zwei Stunden ein paar Züge brauche. Dabei werde ich aber nicht “breit”, wie andere Menschen, sondern eher normal, da Cannabis genau auf die Regionen in meinem Gehirn zu wirken scheint, in denen die Fehlzündungen stattfinden. Das Tourette-Syndrom entsteht durch Synapsen, die falsche Impulse weiterleiten oder den Takt nicht halten können. Zwischen 80 und 90 Prozent meiner häufigen Tics werden durch Cannabis gut unterdrückt, bei sehr starken Tics sind es zwischen 60 und 70 Prozent. Somit reduziert sich auch meine Unfallgefahr durch diese Tics, wie zum Beispiel ein Ausrutschen in der Dusche oder auf der Treppe. Die Wirkungsdauer variiert und ist abhängig von der Stärke der Tics – es wirkt sich aber auch positiv auf meine Stimmung aus. Insofern ist medizinisches Cannabis für mich ein Glücksfall und vielleicht das Beste, das mir je passiert ist. Wie einfach oder beschwerlich war Ihr Weg zu legalem medizinischem Cannabis? Von den Dronabinol-Tropfen bis zu den Bedrocan-Blüten dauerte es ein gutes Jahr. Mein Arzt hat einen sehr ausführlichen und stichhaltigen Antrag gestellt, der innerhalb von etwa fünf Wochen bewilligt wurde. Bis dann mit der berechtigten Apotheke alles geregelt war, vergingen noch einmal etwa drei Wochen bis ich dann meine erste 5-GrammDose aus der Apotheke holen konnte. Von den gängigen Neuroleptika bis zu Dronabinol war der Weg für mich viel schlimmer, da ich alle möglichen Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten durchleben musste. Da waren mein Arzt und ich oft mut- und ratlos. Und mein Tourette hatte sich dadurch sogar noch verschlimmert. Ich glaube, dass bei mir die Bewilligung wegen der nachgewiesenen Medikamentenunverträglichkeiten und meiner Spasmen so gut geklappt hat. Zahlt Ihre Krankenkasse das medizinische Cannabis oder bleiben die Kosten an Ihnen selbst hängen? Ein Antrag auf Kostenübernahme wurde gestellt und abgelehnt – also teile ich mir die Kosten mit meiner Familie. Aber wir geben nicht auf und versuchen es auch weiterhin. Bisher allerdings ohne Erfolg. 31
MEDIZIN
Haben Sie selbst auch schon mal die repressive Seite unseres Staates in Bezug auf Cannabis kennen gelernt? In gewisser Weise schon, denn Cannabis darf ja in unverarbeiteter Form nicht aus Deutschland ausgeführt werden, obwohl in manchen Ländern Cannabis als Medizin eindeutig erlaubt ist. Verarbeitet – zum Beispiel als Dronabinol-Tropfen, als Kapseln oder als Spray – ist es mit einer entsprechenden Sondergenehmigung gar kein Problem, seine Medizin mitzunehmen. Dein Arzt füllt dir einen Vordruck des Schengener Abkommens
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aus und das wird dann vom Gesundheitsamt abgestempelt – so ein Stempel kostet bei uns übrigens 9 Euro. Da ich nun auf mein Bedrocan angewiesen bin, kann ich Deutschland mit meinem Medikament praktisch nicht verlassen und musste daher auch schon mal einen Urlaub im europäischen Ausland abbrechen – trotz einer Ersatzmedikation mit Dronabinol. Meine Spasmen waren so schlimm, dass ich im örtlichen Krankenhaus war und schließlich mit ärztlicher Begleitung heimreisen musste. Irgendwie fühlte ich mich dadurch in meinen Menschenrechten verletzt
– nur weil Hanfblüten weithin auch als Drogen gelten. Dabei gibt es weit schlimmere und ganz legale Medikamente. Ich finde, das muss zumindest innerhalb der EU endlich geändert werden – und in Ländern, in denen medizinisches Cannabis eh erlaubt ist, sollte es auch möglich sein, dieses mit sich zu führen oder auf ärztliche Verordnung vor Ort zu beziehen. Hat man schon mal versucht, Ihnen den Führerschein wegzunehmen? Bisher noch nicht – allerdings musste ich beim TÜV erstmal einen Test machen, um den Führerschein überhaupt machen zu dürfen. Hält Ihre Familie zu Ihnen und können Sie mit ihr auch ganz offen über Ihre Medizin sprechen? Ja, meine Familie steht geschlossen hinter mir. Nach meiner “Neuroleptika-Safari” waren alle nur noch heilfroh, dass mir endlich etwas hilft. Meine Mutter sagt oft zu mir: “Das Einzige, das du nicht kannst, ist Verstecken spielen. Alles andere dauert nur ein bisschen länger.” Wie sehen Sie heute Cannabis als Medizin und welche Zukunft würden Sie sich für diese alte Heilpflanze wünschen? Ich wünsche mir, dass Cannabis seinen Ruf als Droge oder Einstiegsdroge verliert. Alkohol und synthetische Drogen halte ich für viel gefährlicher als Cannabis. Es ist mir selbst schon oft passiert, dass ich pauschal als Junkie abgestempelt wurde – deswegen bin ich dafür, dass mehr über diese Pflanze aufgeklärt wird und endlich verlässliche medizinische Studien mit Cannabis gemacht werden! Damit zum Beispiel auch die Indikation für Tourette festgelegt werden kann und die Kassen sich endlich an den Kosten beteiligen. Und damit Cannabis in Deutschland ganz allgemein und nicht nur in Einzelfällen als Medizin anerkannt wird. Das ist doch wirklich allerhöchste Zeit! F-F-F-FUCK! Oh, Entschuldigung – das war gerade mein Tourette ...
text: Martin Müncheberg
MEDI+GREEN
Mit Marihuana zurückgewonnene Kindheit ür Eltern gibt es keine größere Tragödie, als Tag für Tag dem Leiden ihres Kindes tatenlos zusehen zu müssen. Paige und Matt Figi entdeckten nach jahrelanger erfolgloser Therapie schließlich das Cannabisöl, das den Zustand ihrer Tochter erheblich und ohne Nebenwirkungen verbessert hat. Charlotte Figi ist erst sechs Jahre; sie leidet seit dem Alter von drei Monaten an einer seltenen Form der Epilepsie, dem Dravet-Syndrom. Mit mehr als hundert Anfällen in der Woche war es ihr unmöglich, ein sorgloses Leben wie das ihrer Gleichaltrigen zu führen. Obwohl Charlotte ihren ersten Anfall im Alter von drei Monaten erlitt, konnten die Ärzte erst, als sie zwei Jahre alt war, die seltene Nervenkrankheit diagnostizieren. Bis dahin war sie schon mit Dutzenden von Medikamenten behandelt worden, aber langfristig erwies sich keines von ihnen als wirksam, zudem riefen einige von ihnen ernsthafte Nebenwirkungen hervor und führten zur Abhängigkeit. In Anbetracht dessen schrieb ihr ein Spezialist eine Diät mit hohem Fett- und geringem Kohlenhydratgehalt vor, welche die Anfälle
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eine Zeit lang linderte, doch Charlottes Immunsystem wurde geschwächt und ihre Knochen wurden weich; Anzeichen von Unterernährung und Verhaltensstörungen stellten sich ein. Die Eltern hätten das damals in Kauf genommen, aber nach Ablauf von zwei Jahren stellten sich die Anfälle auch so wieder ein.
Das ist nun vorbei. Im Jahr 2000 wurde in Colorado die Verwendung von Marihuana zu therapeutischen Zwecken erlaubt und Charlottes Eltern unternahmen – nachdem sie ihren Widerwillen gegen Marihuana niedergekämpft hatten – einen Versuch mit der Anwendung von Cannabisöl. Für das Mädchen wurde Cannabisöl mit einem niedrigen THCund einem hohen CBD-Gehalt hergestellt, das praktisch keine psychoaktive Wirkung hatte. Es blockierte jedoch wirksam die Anfälle – in einem Maße, das die Erwartungen der Ärzte übertraf: Drei bis vier Milligramm Cannabisöl, zweimal täglich ins Essen gegeben, verringerte innerhalb von acht Monaten die Zahl der Anfälle von 2 bis 300 in der Woche auf 3 (!). Charlotte ist auf kein weiteres Medikament mehr angewiesen und das Cannabisöl zeitigte bisher keinerlei Nebenwirkungen. “Das Einzige in den sechs Jahren, das sich ohne Nebenwirkungen bewährt hat”, erklärte Paige Figi den Medien. Sie will nun zusammen mit ihrem Ehemann die Wirksamkeit des Cannabisöls anderen Eltern von Kindern mit Dravet-Syndrom nahebringen.
Zwei weitere US-Bundesstaaten legalisieren Cannabis als Medizin m 18. Juli unterschrieb Gouverneurin Maggie Hassan ein Gesetz, welches es schwer kranken Bürgern des US-Bundesstaates New Hampshire erlaubt, Cannabis zur Behandlung ihrer Erkrankungen zu verwenden. “Es ist die fürsorgliche und richtige Politik des Staates New Hampshire, Ärzten zu erlauben, ihren Patienten durch die Verwendung von angemessen regulier-
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tem und verteiltem medizinischen Marihuana Linderung zu verschaffen, und dieses Gesetz stellt sicher, dass wir diese Politik auf die richtige Art und Weise betreiben, mit Maßnahmen, die dem Missbrauch vorbeugen”, erklärte Hassan. Das Gesetz erlaubt Patienten mit Krebs und anderen Krankheiten, bis zu zwei Unzen (etwa 56 Gramm) Cannabis aus nicht profitorientierten Verteilungsstel-
len zu erhalten. Um sich für medizinisches Cannabis zu qualifizieren, müssen Bewohner von New Hampshire für mindestens 90 Tage Patient des verschreibenden Arztes sein und bereits andere Medikamente erfolglos ausprobiert haben. Das Gesetz trat mit Hassans Unterschrift in Kraft – die Umsetzung könnte jedoch noch bis zu zwei Jahre dauern. Immerhin verlangt das Gesetz die möglichst schnelle Einsetzung einer Kommission, die das neue System umsetzen soll. Knapp zwei Wochen später wurde dann auch in Illinois ein Gesetz unterzeichnet, welches die Verwendung von Cannabis für medizinische Zwecke erlaubt. Mit der Unterschrift von Gouverneur Pat Quinn wurde am 1. August nun auch Illinois die medizinische Verwendung von Cannabis erlaubt. Das Gesetz erlaubt Patienten mit einer von 35 Erkrankungen (wie Krebs, Parkinson-Krankheit oder Multiple Sklerose) die Verwendung von Cannabis – insofern diese durch einen Arzt aus Illinois empfohlen wurde. Dann dürfen Patienten alle zwei Wochen maximal 2,5 Unzen (70 Gramm) Cannabis erwerben, welches in Illinois angebaut wurde. Damit sind New Hampshire und Illinois die US-Bundesstaaten Nummer 19 und 20, die medizinisches Cannabis legalisiert haben. 35
MEDIZIN
Cannabis und Allergie Von der Nesselsucht zur Asthmabehandlung THC lässt sich praktisch nicht überdosieren – auch Beschreibungen, die zur Abschreckung dienen sollen, erkennen an, dass es unmöglich ist, eine tödlich wirkende Dosis Cannabis zu konsumieren. Aber wie steht es um diejenigen, die – vielleicht ohne es zu wissen – gegen einen Bestandteil einer Pflanze allergisch sind und sie trotzdem zu sich nehmen? In unserem Artikel fassen wir zusammen, was man über die Verbindung von Cannabis und Allergie wissen sollte. bwohl man es nicht überdosieren kann, muss man manchen vom Marihuanagebrauch abraten. Bei einigen Menschen löst das THC paranoide oder psychotische Reaktionen aus. Von ihnen sagen die Jamaikaner, dass “sie keinen Kopf für das Marihuana haben”. Eine andere Gruppe ist jedoch gezwungen, das Cannabis nicht wegen unangenehmer psychischer Symptome, sondern wegen allergischer Reaktionen zu meiden. Von Cannabis hervorgerufene allergische Symptome wurden schon in den 70er Jahren beobachtet, doch einerseits in geringer Zahl, andererseits können wir im Großen und Ganzen wegen des Verbots nur auf anekdotische Schilderungen zurückgreifen. Weder ist geklärt, welcher Bestandteil
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des Cannabis für die allergischen Reaktionen verantwortlich ist, noch, warum einige Leute empfindlicher auf diese Bestandteile reagieren. Die Berichte unterscheiden jedenfalls Reaktionen, die beim Rauchen, dem oralen Konsum, dem Einatmen der Pollen beziehungsweise beim Berühren der Pflanze auftreten.
Pollen ante portas Meist sind nicht die psychoaktiven Bestandteile des Cannabis, sondern der Blütenstaub der männlichen Pflanzen für die allergischen Reaktionen verantwortlich. Diese finden sich sowohl bei den veredelten als auch bei wild wachsenden Pflanzen. Kompliziert wird das
Bild dadurch, dass in der Umgangssprache der Wilde Hanf oft mit der Ambrosia verwechselt wird, deren allergene Wirkung ungleich stärker ist, daher sind die Fallberichte oft irreführend. Gegen Hanfpollen empfindliche Menschen berichten meistens von Juckreiz, Nesselfieber, allergischem Schnupfen und allergischen Bindegewebsentzündungen, die bei vielen auch durch Berührung ausgelöst werden. Eine Untersuchung aus Arizona, in den 80er Jahren erstellt, fand heraus, dass bei 70% der Personen, die an atopischer Dermatitis leiden, der Hauttest auf Cannabispollen positiv ausfällt. Außerdem wurden Fälle bekannt, in denen die Allergie erst nach langjährigem Gebrauch oder der regelmäßigen Beschäf-
tigung mit Marihuanapflanzen auftrat. In mehreren Fällen erkrankten Mitarbeiter von Forschungszentren, die Cannabispflanzen anbauen und vorher jahrelang symptomlos die Pflanzen gepflegt hatten. Ed Rosenthal, Autor von zahllosen Büchern über den Hanfanbau, berichtet von einem Fall, wo ein geübter Züchter von einem Tag auf den anderen allergische Hautreaktionen an sich selbst feststellte, und zwar in der Nähe von Cannabispflanzen und getrockneten Blütenständen, während er beim Konsum nichts dergleichen gespürt hatte. Bei ihm beseitigten Allergiepräparate aus der Apotheke die Symptome. Da in einigen Fälle Gärtnereien, die nur weibliche Pflanzen anbauen, betroffen waren, ist es wahrscheinlich, dass außer dem Pollen auch andere Bestandteile die Irritationen auslösen können. Die eindeutige Identifikation der allergenen Stoffe bereitet gegenwärtig noch große Schwierigkeiten, doch verfügen die Allergologen über Mittel, die Typen der Pollenallergien zu erkennen, die sie, ähnlich wie andere Allergien auch, behandeln können.
In Rauch aufgegangen Auch vom Rauchen der Marihuanablütenstände sind Reaktionen bekannt, die mit Schnupfen, Asthma, Nesselfieber, Haut- und Schleimhautreizungen oder aber mit Reizungen der Atemwege einhergehen. Im Falle des Cannabisrauchens kann die Allergie von den Pollen und auch von dem psychoaktiven Hauptstoff, dem THC, ausgelöst werden. 2012 wurde eine Untersuchung mit 17 Teilnehmern veröffentlicht. Die Testpersonen berichteten über beim Rauchen auftretende allergische Symptome, die auch ein Hauttest mit Cannabistinktur bei allen bestätigte. Die Forschung ging nicht über die reine Feststellung hinaus und lieferte keine Details, mit welchen Methoden die beobachteten Symptome zu behandeln wären. Obwohl die Meinung vertreten wird, dass die Immuntherapie bei Allergie durch Rauchen von Cannabisblü-
ten wirken könnte, wurde diese Möglichkeit von der Wissenschaft noch nicht eingehend geprüft. Allergien durch Rauchen können auch durch Verunreinigung, typischerweise Schimmel oder Pilze, verursacht werden. Nach den Angaben über Schimmel ruft dieser die Atemwegsreizung APPA hervor, außerdem Lungenentzündungen, allergischen Schnupfen und Asthma. Das Rauchen von pilzbefallenen Blüten kann Bronchialkrämpfe verursachen; der ständige Kontakt mit Pflanzen, die von dem Pilz Histoplasma capsulatum befallen sind, tuberkuloseartige Symptome.
In Speisen zu sich genommen Jenseits des Ozeans erfreut sich der Cannabiskonsum in Speisen immer größerer Beliebtheit, mehrfach hört man, dass zur Meidung der Gesundheitsrisiken durch Rauchen und des länger andauernden Genusses das Rauchen in der Zigarette oder Pfeife bald der Vergangenheit angehören wird. Der Konsum von Marihuana in Gebäck oder anderen Speisen scheint auch hinsichtlich von Rei-
zungen vorzuziehen zu sein, denn hier sind allergische Reaktionen weniger charakteristisch – es gibt Angaben, dass es gelegentlich zu Nesselfieber und Ödemen kommt. Gleichzeitig kann der Konsum von Space Cakes mit anderen Speisen – beispielsweise mit Aprikosen und Tomaten – wie andere Pollen-Gemüse-Kombinationen bei dafür empfindlichen Personen Kreuzreaktionen hervorrufen. Die Behandlungsmethode ist in diesem Fall die gleiche wie bei anderen Lebensmittelallergien, und nach der Feststellung der kritischen Kombination sind ähnliche Fälle leicht zu vermeiden. Eine besondere Kategorie ist der Gebrauch der auch hierzulande erhältlichen Hanfproteine, der zu Erbrechen führen kann. Der sicherste Weg für die Betroffenen ist, Produkte, die Hanfproteine enthalten, zu meiden.
Gegen Hautreizungen und Ekzeme Es muss noch einmal betont werden, dass Hanfallergien weniger verbreitet sind als Allergien gegen Ambrosia oder Haselnüsse und dass sie gewöhnlich leichte Symptome aufweisen, die mit traditionellen Therapien gut zu behandeln sind. Die Forscher entdecken immer mehr Fälle, in denen das Cannabis ein geeignetes Mittel zur Allergiebehandlung sein kann. 2007 stellten Mitarbeiter der Bonner Universität fest, dass eine Gruppe von Mäusen, die über einen niedrigen Endocannabinoidspiegel verfügten, Nickelallergie an ihren Identifizierungsmarken im Ohr aufwiesen. Der Forschungsleiter Andreas Zimmer behandelte die betroffenen Hautpartien mit 30μg synthetischem THC, woraufhin die Reizung um die Hälfte zurückging. Die Untersuchung legt die Möglichkeit nahe, dass gegen Ekzeme und Asthma, das sich bei einem niedrigen Endocannabinoidspiegel entwickelt, THC eine wirkungsvolle Therapie sein könnte. Die Behandlung von Asthma mit Cannabis kann nicht mehr als Neuigkeit betrachtet werden, denn Dr. Donald Tashkin zeigte schon 1974 auf, dass gerauchtes Marihuana oder oral genommenes THC nach zwei Stunden die asthmatischen Symptome bedeutend verringert. Natürlich ist bei Asthma zu beachten, dass der Konsum mit dem Vaporisator oder dem THC-Aerosol eine sicherere Methode ist als das Rauchen des Grases mit Tabak gemischt. Dank der Verbreitung des medizinischen Gebrauchs von Cannabis und der verbesserten Forschungsbedingungen infolge der Legalisierung gibt es gute Chancen, dass sich Cannabis von heilender Wirkung für noch andere Gruppen von Allergiesysmptomen erweisen wird.
text: Jack Pot
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MEDIZIN
Cannabis als Zusatzspeise Roh verzehrt am wirkungsvollsten Vielen Kranken verhilft rohes Cannabis zu einer neuen, ertr채glicheren Lebensqualit채t. Cannabis l채sst sich schon lange bei der Behandlung fast aller Krankheiten einsetzen.
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VOLLBLUT
Mr Nice G13 X Hash Plant® ach gängiger Kiffer-Legende wurde der originale G13-Steckling von einem unbekannten Techniker aus einer Versuchsanstalt der Regierung gerettet. Die Nachricht seiner Befreiung verbreitete sich schnell unter zivilen Cannabisliebhabern – einfach als unterhaltsame Geschichte, jedenfalls am Anfang. Als dieser eine Klon jedoch mehrere weitere Stecklinge produzierte, die selber zu Mutterpflanzen und später zu ganzen Ernten wurden, konnten Raucher die erdbebenartige Indica-Potenz der ürsprünglichen Pflanze kosten, und bald schon erlangte G13 Kultstatus. Um Samen herzustellen, die die außergewöhnlichen Qualitäten der G13 einfingen, war ein ganz spezieller Pollen-Vater nötig, der schließlich im Hash Plant Zuchtprogramm von Sensi gefunden wurde. Das Resultat, die G13xHP Samenlinie, war eine limitierte Ausgabe und bekam in den wenigen Jahren, in denen sie erhältlich war, einen äußerst guten Ruf.
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Stolz brachte Sensi Seeds im Jahre 1999 die G13xHP zurück in die Produktion, unter dem neuen Namen Mr Nice, zu Ehren von Howard Marks – Cannabisverfechter, Autor und ehemaliger Hasch-Unternehmer. Connaisseurs von Indicas werden das köstliche ‚double-Afghani‘Bouquet von Mr Nice lieben – dichte Indica-Blütenstände mit reichhaltigem, würzig-süßlichem Geruch von puren Harzdrüsen, der sich mit dunkel-erdigen Noten vermischt. Wenn man die allerklebrigsten Blüten testet, ist der Geschmack von Harz so stark, dass Leute meinen, eine Mischung aus Ganja und Hasch zu rauchen. G13xHP ist die ultimative Indica, gemacht für Raucher, die ihre Grenzen testen wollen, und für Züchter, die sich auf schwere, ultra kräftige Ernten spezialisieren. Der niederschlagende ‚Body Rush‘ Afghani Stone kommt so wunderbar zur Geltung bei Mr Nice, dass vielleicht sogar die abgebrühtesten IndicaFanatiker genug bekommen. 39
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Die Mäßigung “Die Mäßigung ist dieses Maßhalten, durch das wir Herr über unsere Genüsse bleiben, anstatt zu ihren Sklaven zu werden. Sie ist freier Genuss, der um so lustvoller ist, als er auch seine Freiheit genießt. Wie genussvoll, zu rauchen oder auch darauf verzichten zu können! Zu trinken und nicht vom Alkohol abhängig zu sein! Die Sexualität auszuleben und nicht seinen Trieben hörig zu sein”, schreibt der französische Philosoph André ComteSponville in seinem Werk Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben. Ein kleines Brevier der Tugenden und Werte. Aber hat denn die Enthaltsamkeit in der modernen Konsumwelt, die auf ständig unbefriedigten Bedürfnissen basiert, überhaupt einen Sinn?
text: Gabor Holland
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Auf der Suche nach einer endlichen Welt in der Unendlichkeit des Bewusstseins
chriften der antiken und christlichen Philosophie über die Mäßigung füllen ganze Bibliotheken. Darin wird die Mäßigung als wichtigste der menschlichen Tugenden bezeichnet und der mäßige Mensch als herausragendes Beispiel für die Gemeinschaft hingestellt. Einer der Gründe dafür ist, dass in den vergangenen Jahrhunderten den Massen ein Konsum in einem ähnlichen Maße wie heute unerreichbar war. Auch konnten die Wasservorräte leicht verunreinigt werden – durch Anschläge oder Unvorsichtigkeit – daher tranken die Griechen im Altertum an den Wochentagen verdünnten und nur an den Feiertagen reinen Wein. Trotzdem wurde der Alkoholismus keine Volkskrankheit, denn die Mäßigung war eine der sieben Kardinaltugenden! Für Aristoteles, einen Vertreter der Tugendethik, dessen Werk vielleicht die größte Wirkung hatte und auf den man sich bis zum heutigen Tage oft beruft, war die Mäßigung die wichtigste Tugend, welche sich in jeder unsrer Handlungen widerspiegeln müsse. Der mäßige Mensch enthält sich –
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im Gegensatz zum allgemeinen Glauben – nicht der Freuden des Lebens, sondern nur der extremen, übertriebenen Genüsse. Der , mäßige Mensch im Sinne Aristoteles bevorzugt Genüsse, die der Gesundheit nicht schaden, der von ihm vertretenen “moralischen Schönheit” nicht entgegenstehen und keine übertriebenen materiellen Aufwendungen erfordern. Anderthalb Jahrhunderte später versuchte der heilige Thomas von Aquin, die aristotelischen Gedanken mit der Kirchenlehre in Einklang zu bringen. Sein Unterfangen wird noch heute als Gipfel der scholastischen Philosophie betrachtet, welches in der christlichen Auffassung die Position der Tugenden stärkte. Thomas von Aquin rechnete die Mäßigung den vier Kardinaltugenden zu, die “zwar nicht so hochrangig ist wie die anderen drei (die Klugheit ist notwendiger, die Tapferkeit und die Gerechtigkeit sind bewundernswerter), übersteigt sie aber an Schwierigkeit”, schrieb er. Aristoteles und Thomas von Aquin betrachteten die Mäßigung als eine Tugend, in
der der Wille des Menschen eine bedeutende Rolle spiele, im Gegensatz zu Tugenden wie der Klugheit, wo sich der Wille weniger manifestiere. Schenken wir den beiden Denkern Glauben, dann werden die Grundlagen der mäßigen Lebensweise in der Erziehung gelegt, sind also erlernbar. Es ist also von einer Tugend die Rede, die man üben kann. Fraglich ist jedoch, wie die Idee der Mäßigung, die sich auf den Glauben an den Kosmos (Aristoteles) und den allmächtigen Gott (Thomas von Aquin) gründet, für einen modernen Menschen, der zu einem Glauben an die grenzenlose wirtschaftliche und technologische Entwicklung übergegangen ist und in der moralischen Vielfalt einer globalisierten Gesellschaft aufwächst, die auf unendlichen Konsum baut, aktualisiert werden kann. Hat die Mäßigung überhaupt noch etwas in unserer Epoche zu suchen? Viele teilen den Glauben der Aufklärung, dass die gegenwärtige Welt die beste aller möglichen Welten sei und dass der Mensch in der Lage sei, vermittels seines Verstandes das Wesen der Dinge und deren Zusammenhänge zu sehen. Andere sind der Ansicht, diese Annahme der Aufklärung sei falsch, demzufolge seien auch ihre Folgerungen und ihre Ergebnisse falsch. Also wäre alles zu verwerfen, was diesem Gedanken entspringt. Das System zum Beispiel, das den Konsum stimuliert, überall Steigerung, Übermaß und Unmäßigkeit verkündet, könne nicht funktionieren. Das gesellschaftliche und ökonomische System, das sich aus den Idealen der Aufklärung entwickelte, das liberale bürgerliche Wertesystem und dessen gesellschaftliche und wirtschaftliche Errungenschaften seien irreparabel und demnach en
bloc abzulehnen. Man müsse also zu einem früheren Ausgangspunkt zurückkehren. Wieder andere meinen, das Problem sei nicht die Welt oder das System. Im übermäßigen Konsum und im Übermaß sei nur die Frustration des spätmodernen Menschen zu sehen. Wegen der unglaublich großen Zahl der zur Verfügung stehenden Alternativen sei es ihm unmöglich, die für ihn beste Lösung oder Möglichkeit zu wählen. Ja, er sei nicht einmal in der Lage, das gesamte Angebot (sämtliche mögliche Alternativen) zu überblicken. Da jedoch sein genetischer Code ihn treibe, die für ihn beste Alternative zu finden, würde er damit konfrontiert, dass dies unmöglich ist und er geräte in Konflikt mit sich selbst. Seine Frustration in dieser Lage sei also ebenso natürlich wie seine erste Reaktion, der übermäßige Konsum. Der bewusste Mensch sucht instinktiv den aristotelischen Ausgangspunkt, um nicht in Extremen, sondern im Mittelwert denken zu können. Ob vom Essen, Trinken, Rauchen, Sexualität, Leibesübungen oder gar vom Streit die Rede ist – es ist praktisch, bei allem Maß zu halten! In vielen Fällen erwarten jene, die die Tugend der Mäßigung missverstehen, vollkommene Enthaltsamkeit, eine Art Askese, von sich und anderen. Schon die geringste Abweichung würden sie streng bestrafen. Sie akzeptieren nicht, dass der Mensch in der Lage ist, sich selbst zu mäßigen, dass er vermittels seines Verstandes zu der Einsicht gelangen kann, dass der übermäßige Konsum (obwohl er ihn als Symptom behandelt) die anfängliche Frustration nicht beenden wird. Darauf sei nur die Mäßigung die entsprechende Antwort.
Wenn wir unsere alltäglichen Entscheidungen treffen – von gut wahrnehmbaren Interessen gelenkt – verwirklichen wir diese Mäßigung in vielen Fällen, zum Beispiel beim mäßigen Konsum. Es wäre daher anzunehmen, dass dies überall und immer möglich ist. Denn nicht das Umfeld des Konsums oder sein Objekt, sondern einzig und allein der Konsument bestimmt, ob er maßvoll ist oder nicht. Das ist auch dann der Fall, wenn wir wegen unserer individuellen Ängste, aus Mangel an Erfahrung oder Interesselosigkeit in Verbindung mit gewissen Dingen selbst nicht wissen, ob wir es umsetzen wollen. Tatsache ist, dass der in der Antike und im Mittelalter noch präsente Mäßigkeitskultus in der Moderne durch das Autonomiebedürfnis zerstört wurde. An die Stelle des Verhältnisses zum Kosmos oder zum christlichen Gott trat der Mensch, der sich selbst zum Maß machte, schrieb der österreichische Philosoph H. Ottmann über den Begriff des Maßes in der Moderne. Die Autonomiebestrebungen, die mit der Aufklärung, zum Schaden der Natur, eingesetzt hatten, trügen von vornherein das Problem der Maßlosigkeit in sich, was man seiner Ansicht nach im Rahmen des gegenwärtigen Denkens prinzipiell als unlösbaren Konflikt betrachten müsse. Soll das nun bedeuteten, dass wir von vornherein jeden Versuch ablehnen müssen, in der modernen Konsumgesellschaft das antike Ideal der Mäßigkeit zu verwirklichen oder es zu verbreiten? Oder bringt eben gerade das erwähnte Erlebnis der Autonomie oder das Streben danach auch die Daseinsberechtigung dieses Experiments mit sich? 41
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Serious Seeds bittet zur Damenwahl
Chronic feminisiert Seit 2010 führt die niederländische Seed Bank Serious Seeds auch feminisierte Samen in ihrem Programm, sie hat nun die Sorten AK-47, Chronic, White Russian, Kali Mist, Warlock, Double Dutch, Motavation, Biddy Early und Autoflowering White Russian #1 sowie auch die neue, sechste Sorte Serious 6 in feminisierter Form verfügbar. Der Grower Raztazotti testete einen Satz feminisierte ChronicSamen – Vorhang auf für die Damenwahl-Premiere mit Serious Seeds! 44
imon , der Züchter von Serious Seeds, hat sich bei der Züchtung seiner feminisierten Samen wie üblich viel Zeit gelassen, um ein 100%ig verlässliches, qualitativ herausragendes Ergebnis sicherzustellen. Er berichtet: ”Ich habe schon vor 15 Jahren ausgiebig mit Gibberellinsäure experimentiert, um männliche Blüten auf weiblichen Pflanzen zu erzeugen. Die neuere Technik mit Silberthiosulfat war mir auch schon bekannt, wir fokussierten uns jedoch immer auf andere Züchtungskriterien. Aber als wir damals – Mitte der 90er Jahre – erstmals auf dem Gebiet feminisierter Samen forschten, haben wir uns mit der Materie sicherlich eingehender beschäftigt als die meisten anderen Seed Banks. Es brauchte einfach seine Zeit, bis unsere feminisierten Samen so superb wie die regulären geworden waren.” Die Sorte Chronic, erstmals im Jahre 1994 als Samensorte erhältlich, ist heutzutage ein wahrer Evergreen, eine der weltweit beliebtesten Standardsorten für eine gelungene Kombination aus sehr hohen Erträgen und sehr guter Qualität in Sachen Potenz und Aroma. Noch im ersten Jahr ihres Erscheinens belegte Chronic beim High Times Cannabis Cup 1994 den dritten Platz in der HydroKategorie – dies war das einzige Mal, dass Serious Seeds diese Sorte beim Cup einreichte. Zahlreiche weitere Auszeichnungen sollten folgen, im neuen Jahrtausend in Spanien u. a. ein zweiter Platz beim El Punto Cup 2005 in Málaga und ein erster Platz beim Hydro High Life Cup in Barcelona 2004, eingereicht durch einen Growshop aus Spanien (Mundo Ganja, Alicante). Im selben Wettbewerb hat Chronic auch noch den zweiten Platz gewonnen, eingereicht durch einen anderen Growshop: Perenne Grow, Barcelona. “The Chronic” ist im amerikanischen Sprachgebrauch ein Synonym für hochwertiges Marihuana – Dr. Dre´s gleichnamiger Hip-Hop-Albenklassiker aus dem Jahre 1993 lässt schön grüßen. Auch die Firma Adidas liebäugelte Mitte der 90er Jahre damit, ihren neuen Hanf-Turnschuh “The Chronic” zu nennen, nahm davon aber Abstand – aus Angst, in der öffentlichen Wahrnehmung als drogenfreundlich zu gelten. Aber selbst gegen den stattdessen gewählten, hanfpolitisch etwas abgeschwächten Namen “The Hemp” lief der damalige US-Drogenbeauftragte Lee Brown empört Sturm – ebenso lächerlich wie erfolglos, die Schuhe kamen letztlich als “The Hemp” auf den Markt. Genetisch gesehen handelt es sich bei der Sorte Chronic um eine Old-School-Hybride: Northern Lights x Skunk wurde gekreuzt mit Northern Lights x AK-47. Dies ist die heutige genetische Zusammensetzung der Chronic, die ursprüngliche Version beinhaltete indessen noch keine AK-47-Genetik. Doch Ende der 90er Jahre befand Züchter Simon, dass seine Chronic eine genetische Auffrischung
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vertragen könnte. Dabei legte er großen Wert darauf, dass der typische Charakter der Chronic im Wesentlichen unverändert bleiben musste. Er entschied sich für die Sativa-lastige, preisgekrönte Sorte AK-47 aus eigenem Hause als Frischzellenkur. Simon berichtet: “Ich kreuzte mehr Sativa-Anteil in die Indicadominante Chronic ein, was sich in einem komplexeren High auswirkte, ohne dass dabei der gute Ertrag und das feine Aroma auf der Strecke blieben. Außerdem wurde durch dieses Facelifting sowohl der THC- als auch der Harz-Gehalt optimiert. Der honigsüße Duft mit seinem leicht würzigen Einschlag blieb ebenfalls intakt.” Der Grower Raztazotti war sehr gespannt auf Chronic in feminisierter Form, ob in Sachen 100% Weiblichkeit alles glatt laufen und die Anbau-Performance von Chronic ihn auch in ihrer feminisierten Form überzeugen würde. Von den sechs Chronic FemSeeds, die in dem Samentütchen enthalten waren, säte er fünf Stück selbst aus, den sechsten Samen reichte er an einen Freund weiter. In Raztazottis Growraum wurden noch weitere Pflanzen von anderen Seed Banks kultiviert. Alle fünf Samen keimten gut und wurden zunächst unter einigen fluoreszierenden Röhren angezogen. Dann wurden sie in 11-Liter-Töpfe, befüllt mit Plagron Growmix, umgetopft und im Growraum unter eine 600 Watt-GreenbudLampe (Hochdrucknatriumdampflampe für die Wachstumsphase) gestellt. Raztazotti ließ
die Pflanzen inkl. Keimung vier Wochen lang vegetativ wachsen. Schon früh deutete sich an, dass sich die Chronic-Pflanzen gut verzweigen würden, sie produzierten zahlreiche Triebe und ein sattes Blattgrün. Außerdem wuchsen sie sehr einheitlich, sowohl von der Höhe als auch vom Wachstumsmodell her. Mit der Umstellung der Pflanzen auf Blüte tauschte Raztazotti die Greenbud-Lampe durch die entsprechende Version für die Blüte aus. Nachdem er die Blüte eingeleitet hatte (12 Stunden Licht, 12 Stunden Dunkelheit), zeigten alle fünf Pflanzen, deren Höhe zwischen 60 und 70 cm betrug, innerhalb von einer Woche ihr Geschlecht – welches (bestimmungsgemäß) weiblich war. Nach zwei Wochen Blüte wurden die ersten Harzansätze sichtbar und das Blütenwachstum kam ordentlich in Schwung. Raztazotti hatte allerdings Probleme mit der großen Hitze, die draußen und leider auch in seinem im Dachgeschoss befindlichen Growraum herrschte, zeitweise betrug die Temperatur in der Lichtphase bis zu 38°C – deutlich zu viel für ein gänzlich optimales Gedeihen der Blüte. Die fünf feminisierten Chronic-Pflanzen schlugen sich aber dennoch sehr wacker und begannen, zahlreiche Buds auszubilden. Nach vier Wochen Blüte war der Growraum bereits vom typisch süßlich-würzigen Chronic-Aroma erfüllt, und die Buds formierten sich immer dichter. Nach weiteren vier Blütewochen stand die Ernte kurz bevor. Das Aroma hatte seinen höchsten 45
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Intensitätsgrad erreicht – da war er wieder, jener köstliche Duft nach würzigem Wildblumenhonig. Nicht eine einzige männliche Blüte war an den fünf Chronic-Plants auszumachen, der Femi-Test wurde mit Bravour bestanden. Die Chronic-Buds aller Pflanzen waren sehr harzig geworden, deutlich harziger als ich es von einem anderen ChronicGrow Jahre zuvor her kannte. Und neben fünf sehr stattlichen Top-Colas gab es auch eine große Anzahl von gut gebauten Side-Colas zu bestaunen. Die Einheitlichkeit der Pflanzen in Sachen Wachstumsmodell und Blüte war bis zum Ende sehr hoch geblieben, ihre Endhöhen betrugen 110-125 cm. Die kompakten Blütenstände hatten ein hohes Blüten/Blätter-Verhältnis, was die Erntearbeit für Raztazotti am Ende sehr vereinfachen sollte. Nach 57 bis 60 Tagen konnte er alle Pflanzen ernten, was sich sicher im offiziell angegebenen Erntezeitfenster von 56-63 Tagen bewegte. Verglichen mit den bekannten Photos der Sorte Chronic waren seine Chronic-Buds zwar keine Giganten geworden, hatten angesichts der über weite Strecken hitzigen Verhältnisse im Growraum aber dennoch ein sehr gutes, zufriedenstellendes Ergebnis erzielt – die gesamte Blütenertrag der fünf Pflanzen belief sich nach der Trocknung auf 220 g, die sich sehr gleichmäßig auf die fünf Plants verteilte. Eine weitere positive Erkenntnis: Trotz der Hitze hatte es keinen Schimmel- oder Spinnmilbenbefall gegeben. 46
Um das besondere Chronic-Aroma unbeschadet von der lebenden Pflanze auf das rauchbare Endprodukt übertragen zu können, ist eine schonende Weiterverarbeitung der Buds ganz besonders wichtig. Wenn man Chronic-Blüten z. B. in Plastik verpackt, obwohl sie noch nicht ganz zu Ende getrocknet sind, geht der Duft unwiederbringlich verloren. Und Raztazotti ließ bei der Trocknung natürlich nichts anbrennen, führte sie sehr schonend durch und erhielt am Ende eine wunderbare Aromaqualität, eine Art rauchbaren Honig. Das High der Chronic wurde für Raztazotti zu einer abwechslungsreichen Angelegenheit. Zunächst stellte sich ein sehr beschwingender Sativa-Kick ein, der aber nach einer Weile verebbte und einem dämpfenden, ruhig daherkommenden Indica-Stone wich, der noch lange andauerte. Insgesamt hatte Chronic Raztazotti auch in ihrer feminisierten Form voll überzeugt, die Damenwahl-Premiere mit Serious Seeds war also vollständig geglückt. Laut Simon lässt sich Chronic auch unter natürlichem Licht gut anbauen, die Reifezeit liegt zwischen dem 15. und 31. Oktober. Allerdings empfiehlt sich hierfür eine geschützte Lage, z. B. auf einem überdachten Balkon oder unter Glas bzw. Folie.
text & photos: G.B.I.
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Motavation as Ende eines langen Entwicklungsprozesses: Motavation – der lang erwartete Nachfolger von Starwarz und Medizin Power. Es handelt sich um eine kurz-kompakt wachsende, Indica-dominante Hybride mit moderater Streckung in der Blütephase. Die Buds sind leicht blättrig, dafür aber üppig mit Harz überzogen – dadurch ist diese Pflanze leicht zu maniküren. Sehr geeignet für Indoor-Kultur, auch in kleinen Schränken. Motavation entwickelt ein starkes süßliches Aroma mit einer leichten Terpentin-Note. Der Effekt der Pflanze ist ein überwältigend starkes “Stoned”-Gefühl im Körper, das Dich förmlich auf der Couch festnagelt, während Deinen Gedanken freier Lauf gelassen wird. Du wirst großartige Ideen haben und viele Pläne schmieden, sie aber nicht unbedingt umgehend in die Tat umsetzen wollen. Wenn Dir lange Winterabende eine Qual sind, wird Motavation dafür sorgen, dass sie wie im Fluge vorübergehen. Motavation hat hervorragende medizinische Eigenschaften zur Schmerzbekämpfung.
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Obwohl Hanfmessen Marihuanakonsumenten, die rekreative und medizinische Absichten verfolgen, zusammenbringen, bleiben die beiden Gruppen auch in Ländern mit einer aufgeklärten Drogenpolitik streng getrennt. Kann es neben der Entspannung und den medizinischen Gründen noch eine andere Motivation zum Konsum geben? Diese Frage versucht der Forscher und aktive Konsument Dr. Lester Grinspoon zu beantworten, der im Juli 85 Jahre alt wurde. text: Bob Arctor
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Die hundert Gesichter des Marihuanas Dr. Lester Grinspoon ist 85 Jahre alt r. Grinspoons größtes Problem besteht darin, dass Cannabisforscher fast ausnahmslos untersuchen, ob die Pflanze schädlich ist, und wenn ja, wie sehr. Unter ihnen bilden nur jene Forscher eine Ausnahme, welche die medizinischen Eigenschaften untersuchen, aber diese lenken ihr Augenmerk auch nur auf eine einzige Dimension des Konsums. Es schmerzt den Professor schon lange, dass das Erkennen der tieferen Zusammenhänge der Begleitumstände des Kiffens – der Genuss auf einem höheren Niveau von Musik und Kunst sowie die tieferen Schichten der Erfahrungen der emotionalen und sexuellen Vertrautheit – einfach zu den Folgen des rekreativen Gebrauchs gezählt werden, wenn sie überhaupt Erwähnung finden. Junge Kiffer, die ein Gemeinschaftserlebnis und eine Party im Rauchen suchen und den feineren Stimmungen der Bewusstseinszustände gegenüber weniger offen sind, passen oft in dieses Schema. Solche Zustände treten im Gegensatz zur Hochstimmung und dem gesteigerten Appetit nicht auto-
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matisch ein, sondern man muss sie erlernen. Welche Methoden es dazu gibt, dieser Frage hat der Professor eine ganze Webseite gewidmet (marijuana-uses.com), wo jeder seine persönlichen Erfahrungen mitteilen kann.
Von der Heilkunde zur edlen Gesinnung Aber der alte Professor hat auch nicht als Cannabisgourmet begonnen! Der an der Harvard-Universität ausgebildete Psychiater hatte in den 1960er Jahren noch keine Zweifel, dass Marihuana eine ausgesprochen gefährliche Droge sei, die leider, entgegen aller Warnungen und Verbote, in immer größeren Kreisen genossen würde. Seine 1967 begonnenen Forschungen sollten die Gefahren genau aufklären, und er musste erkennen, dass die allgemeine Meinung hinsichtlich des Cannabis sehr irrte: Er fand keine vertrauenswürdige Untersuchung, die den toxischen Charakter der Pflanze belegt hätte! Seine Forschungsergebnisse fasste er 1971 in dem
Buch Marijuana Reconsidered zusammen, gut zwei Jahrzehnte später gab er Marihuana. Die verbotene Medizin über die medizinische Verwendbarkeit von Marihuana heraus. Das Schicksal des Buches ist gegenwärtig auch auf der Webseite rxmarijuana.com zu verfolgen, wo ständig neue Berichte über die Wirkung der “verbotenen Medizin” bei unterschiedlichen Symptomen und Krankheiten erscheinen. Seiner Arbeit wurde schon in den 1990er Jahren drogenpolitische Anerkennung gezollt, aber sein Aktivismus ließ seitdem nicht nach und 2010 war er eine der Autoritäten, die den Washingtoner Gesetzentwurf zur Legalisierung unterzeichneten. Der Professor trat mehrfach in Dokumentarfilmen auf, zuletzt 2011 in Clearing the Smoke: The Science of Cannabis; vorher konnten wir ihn in dem auch bei den ungarischen Kiffern populären Dokumentarfilm aus dem Jahre 2007 The Union – The Business Behind Getting High sehen. Woher kommt dieser Aktivismus? Wie er 2009 in einem Essay schrieb, hatte er nach der Veröffentlichung von Marijuana Reconsidered darüber nachgedacht, wie glaubwürdig es sei, ein Buch über Cannabis zu schreiben, wenn der Autor nie einen einzigen Zug von einem Joint genommen hat. “Aber man muss ja auch nicht schizophren sein, um ein Buch über Schizophrenie zu schreiben”, sagte sich der Professor damals. Während seiner Untersuchung hatte er mehrmals erwogen, sich empirische Kenntnisse von seinem Forschungsobjekt zu verschaffen, glaubte aber, damit seine und die Objektivität seines Werkes zu gefährden. Ein Jahr nach dem Erscheinen seines Buches stellte ihm ein Richter auf einer Sitzung zur Erstellung einer Gesetzesvorlage die Frage: “Herr Doktor, haben Sie schon mal Marihuana probiert?” Grinspoon erwiderte auf die Feindseligkeit: “Herr Senator, bereitwillig beantworte ich Ihre Frage, wenn Sie mir vorher sagen, ob Sie mich nach einer bejahenden Antwort als einen glaubwürdigen oder unglaubwürdigen Zeugen betrachten werden.” Als der Senator, über die “Unverschämtheit” erbost, das Sitzungszimmer verließ, beschloss Grinspoon, dass die Zeit gekommen war, es auszuprobieren.
der, die er schon so oft gehört hatte. Neue Dimensionen eröffneten sich in ihnen. Ein Jahr später erzählte er dies John Lennon und der Musiker sagte, dass er damit erst ein Gesicht des Marihuana gesehen habe, dass sich nicht nur bei der Rezeption, sondern auch beim Komponieren neue Perspektiven auftun könnten. Der Doktor lernte die vom Marihuana ausgelösten Bewusstseinszustände allmählich kennen und erkannte, dass es sich bei wichtigen Entscheidungen lohnt, sie mit klarem Kopf und bekifft zu
of Psychiatry gekommen sei, das die Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft seitdem jedes Jahr herausgibt. Im Spiegel all dessen findet der Professor es verblüffend, dass der Streit sich noch immer nur um die Schädlichkeit drehe und die Fragen der Kreativität nicht einmal an der Oberfläche kratze, während gegenwärtig Zehntausende jährlich wegen Marihuana im Gefängnis sitzen. Grinspoon tut alles, was er kann, um dies zu ändern, darum ist er im Führungsorgan der Legalisierungspartei NORML sowie in
bedenken. Seine erweiterte Sichtweise half auch bei seiner Tätigkeit als Psychiater, denn er konnte die Probleme seiner Patienten von einer neuen Seite angehen. Zur Verbindung von Kiffen und seinen ursprünglichen Ideen brachte Grinspoon das Beispiel, dass er 1980 auf die Idee zum Jahrbuch Annual Review
Dokumentarfilmen aktiv, außerdem künden seine Schriften von der Vielgestaltigkeit des Marihuanas. In einem Interview im März äußerte er sich positiv über die momentanen Entwicklungen in Amerika und hielt das Drogenverbot nun für gescheitert. Möge er recht haben.
Er raucht Gras und predigt Gras Nach dem Erscheinen seines Buches wurde dem Professor ständig Ganja angeboten, das er immer höflich ablehnte. Nach dem ominösen Vorfall stiegen seine Frau und er bei einem Kreis von Kiffern ein. Da hatte Grinspoon sein erstes und letztes unangenehmes Erlebnis mit Marihuana: Er spürte nichts! Beim zweiten Mal kam er auch nicht viel weiter, dann, beim dritten Mal, packte es den 44jährigen Psychiater – dabei half eine Schallplatte von den Beatles. Nach seinem Bericht verstand er zum ersten Mal die Lie-
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