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Roadtrip Westküste Nordamerika FeinSinn flüstert Mehr als nur ein hübscher Junge – Paolo Nuttini Internet in China: Hassen, Lieben, Revoltieren, Akzeptieren Heft 10 ǀ Ausgabe 09/11 ǀ www.meins-magazin.de


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meins

Inhalt

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Inhaltliches

LebensEcht

06 08 10 11

Vom Leben dan(n)eben Sex-ABC (S-V) Sommermode wintertauglich gemacht Wie komme ich in der Uni durch den Winter?

FernSicht

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Roadtrip Westküste Nordamerika Wir gehen heiraten – Eine türkische Hochzeit und eine Tüte Sonnenblumenkerne Musik, Menschen und Märchen – Die Geschichte einer halben Reise

ZeitGeist

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Bielefeld gibt es. Mehr als nur ein hübscher Junge – Paolo Nuttini Klamottenläden Stecken Sonderschule der Ästhetik: Sarrazin The Dust of Time Kapitalismus Die Anwälte Das Vaterspiel

Kino

FeinSinn

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Wer flüstert. SMS-Blog Playlist Gedichte

StaatsKunst

40 41 41 42

Freiheit für Hochschulen und mehr Geld? – Die Bildungspolitik der neuen Regierung Lang leben die Systeme - 60 Jahre danach Kanzlerin, Runde 2 Internet in China: Hassen, Lieben, Revoltieren, Akzeptieren.

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Vorschau Impressum

Ruhe bitte!

Was soll denn das? Die Tage werden zusehends kürzer, da hat auch das bisschen Zeitumstellung nicht viel geholfen und dann so was: dem Volksmund nach liegen die depressiven Monate vor uns. Zeit zum Dialog mit dem eigenen Ich? Vielleicht hilft ja in den dunklen Tagen ein wenig Selbstreflexion nach diesem Sommer. Aber dazu muss man hinhören und das kann man üben: Ruhe bitte, FeinSinn flüstert. Oder aber wir gehen aus! Lieber doch nicht zuhause verkrümeln und nachdenken? Raus raus, ab ins Lichtspieltheater! ZeitGeist war im Kino und hat es sich neben dem Mainstream in den Kinosesseln bequem gemacht. Es gibt Gründe aus dem Haus zu gehen, ZeitGeist hat sie für euch. Und wer glaubt es geht doch nicht mehr schlimmer: Das NRW-Ticket bringt euch ins richtige Bielefeld – keine Kulisse sondern eine Stadt. Wie heiraten Türken? Sind die Frauen verschleiert und der Mann küsst ein Stofftuch? FernSicht schaut genau hin und blickt an allen Vorurteilen vorbei. Im Mikrokosmos auf einer türkischen Hochzeit, ein Hoch auf das Brautpaar! Wem das nicht reicht, der schreibt einfach selber: Wir suchen neue Autoren und Fotografen. Du willst dich bewerben? Schick eine E-Mail an info@meins-magazin.de Aber jetzt: viel Spaß beim Lesen!

Niels Walker, Chefredakteur

{ Editorial

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LebensEcht

Foto: Corinna Kern


Es gibt eine Sache, die mir in die Wiege gelegt wurde: das Kellnern. Meine Mutter hat schon als Jugendliche gekellnert, lernte meinen Vater in einer Kneipe, wo beide jobbten, kennen, dieser führte später zuerst diverse Kneipen in Köln-Mülheim, dann sogar ein Hotel und dann... war er pleite.

Die erste Theke, auf der ich tanzte, erklomm ich mit 3 Jahren. Folglich ist es leicht zu erklären, warum auch ich der Tradition treu geblieben bin und meinen Lebensunterhalt hauptsächlich über die öffentliche Milchkaffeeversorgung sicher stelle. Mein derzeitiger Hauptarbeitsplatz ist ein Studentencafé. Eigentlich arbeite ich dort sehr gern, allerdings gibt es da diverse Aspekte, die es unumgänglich machten nach einer weiteren Einnahmequelle zu suchen. Aber erstmal zur Pro-Seite des Jobbens in solch einer Lokalität: da hätten wir beispielsweise das allgemein entspannte Klima, da es die aufstrebenden Akademiker heutzutage selten mit irgendwas eilig haben. Angenehm ist auch, dass es Dir nicht übel genommen wird, wenn mal versehentlich ein paar Tropfen Kaffee auf der Untertasse landen. Andererseits reicht das Trinkgeld nach einer 5-Stunden-Schicht allenfalls für ein Päckchen Zigaretten (ich weiß, die sind teuer). Unter Berufskollegen weiß man, dass in Deutschland mindestens 10% Tip angemessen wären, in meinem Café gehört es zum Usus die 1,50 Euro für ne Cola in 5-,10- und 20 Cent-Münzen zu bezahlen und die zehn Cent Trinkgeld in 1- und 2-Cent-Stücken dazu zu legen. Bemerkenswert ist auch die Attitüde diverser hippiesken, (politisch) linken Freunde, die das Inventar gerne mal mit dem heimischen Wohnzimmer verwechseln, die Füße auf den Tisch legen und genüßlich in ihr mitgebrachtes Brötchen beißen

während man die Bestellung aufnimmt. „Habt ihr irgendwas Süßes?“, „Ja, Kuchen zum Beispiel“, „Och nö, dann ess ich lieber meine Schokolade, die ich noch mit hab!“ sind Konversationen, die wir als Kellner mit den Gästen gelegentlich führen. Na klar, da müssen die Gelder ja auch für die Zugfahrt zur nächsten Demo oder die drei Kölsch pro Abend gespart werden. Ich weiß, dass ich mich unbeliebt mache, da ich mich wissentlich einem kapitalistischen System beuge, aber wenn BAföG, Kindergeld und Elternunterhalt nicht vorhanden sind, kann mich der Weg nur in ein anderes Café führen, wo auch ich ein Leitungswasser bestelle, weil es nichts kostet, oder aber schnurstracks ins Armenhaus. Ein Garant für finanzielle Nichtwürdigung Deiner Arbeit sind in der Regel auch Erasmus-Studenten. Zu deren Verteidigung sollte man sagen, dass es nicht überall auf unserem Planeten üblich ist Trinkgeld zu geben. Nichtsdestotrotz möchte ich in Frage stellen, ob das wirklich in jedem Land der Fall ist und inwieweit das noch Gültigkeit für Menschen hat, die bereits seit Monaten unseren Kulturkreis besiedeln und mitgekriegt haben sollten, dass man das in Deutschland nun mal so macht. Doch auch hier: von wem sollten sie es denn lernen, wenn der gemeine Deutsche ihnen kein Vorbild ist?! Als allgemein anstrengend, gleichwohl aber auch spaßig, kann sich die Unterhaltung mit den Erasmuslern gestalten. In der

Regel beherrschen wir alle ja ein solides Englisch, über das wir uns verständigen könnten, doch ein paar Sprachstudenten möchten ihr Deutsch ja auch ein bisschen trainieren. So geschehen mit einer jungen Französin, die ein überbackenes Baguette bestellen wollte und mutig den Namen des Gerichts vor las, anstatt, wie allgemein üblich, verschüchtert oder unbeholfen auf die Karte zu tippen. Unglücklicherweise machte sie aus dem Baguette „Nizza“ den weniger wohlklingenden Namen „Nazi“, was mich spontan zusammen zucken ließ. Ich riss ihr die Karte aus der Hand, da ich einen schlimmen Tippfehler vermutete, doch da war nichts. „Ach, Du möchtest bestimmt das N-i-z-z-a, richtig?“, fragte ich erleichtert, woraufhin sie ungerührt nickte. Sie gab selbstverständlich keinen Cent Trinkgeld. Als wesentlich spendabler entpuppte sich eine asiatische Studentin, die jedes Mal kicherte und winkte wenn ich an ihr vorbei ging. Die große Apfelschorle wollte sie haben, welche bei uns in einem klobigen Bierkrug serviert wird und eher nach einem ganzen als einem halben Liter aussieht. Ich warnte sie noch vor der Menge und als ich ihr den Humpen vorsetzte, gackerte sie wie wild los und hielt sich dabei beide Hände vor den Mund. Anscheinend trug ich damit so erfolgreich zur Erheiterung bei, dass sie mir daraufhin 90 Prozent Trinkgeld gab. Da sie leider die Ausnahme der Regel blieb und angesichts meiner prozentual

Vom Leben dan(n)eben steigenden Frustration nach jedem weiteren tipfreien Abkassieren, kam ich nicht umhin mir einen weiteren Job zu suchen, diesmal allerdings in einem Etablissement, welches ein wenig zahlungskräftigere Kundschaft versprach. Auf eine freie Stelle wurde ich während meines Besuchs einer schicken Cafébar dank eines Aushangs aufmerksam. Dummerweise hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon einige Wein intus, was nicht unbedingt dazu beitrug ein professionelles Bewerbungsgespräch zu führen. Aber, verdammt nochmal, so ist Gastro: das unterbezahlte Äquivalent zum affektierten Showmaster. So unbeliebt schien ich mich nicht gemacht zu haben, da die anwesenden Kellner meine Nummer haben wollten und Tags darauf sogar anriefen. Dennoch hieß das noch nicht, wie ich es sonst immer erlebte, dass ich hätte gleich Probe arbeiten können, tatsächlich wurde ich zu einer Vorstellungsrunde in einem Partnercafé geladen. Vorsingen bestanden, jetzt kam quasi aber erst der Recall. Als ich dann einige Tage später dort war, saßen da schon zehn andere Bewerber. Wir mussten einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen, alle zwei Minuten kam jemand an unseren Tisch und entschuldigte die Verspätung unseres „Interviewers“, der „aber jeden Moment da ist“. Als der Herr endlich erschien, wurden die Zettel behutsam eingesammelt und wir in einen Hinterhof geführt. Dort ließ er sich erst einmal in biblischer Breite und

mit verträumten, visionären Augen über das Erfolgskonzept der Café-Gesellschaft aus: Bioessen, Biotrinken, Biomöbel, eigener Bioanbau und bestimmt auch irgendwo ein von Mitarbeitern produzierter Komposthaufen, auf dem die DekoPetersilie gepflanzt wird. Na schön, wenn es sein muss, erzähl ich Leuten auch die Lebensgeschichte von Kuh Berta, deren Milch ich eigenhändig fünf Minuten zuvor für den Latte Macchiato gemolken habe. Dann wieder Vorsingen: jeder Fragebogen wurde erst kurz von ihm überflogen, dann der Name des jeweiligen Anwärters genannt, der jetzt bitte „ein bißchen was von sich erzählen“ sollte. Ich nehme an, dass man damit die Extrovertiertheit der Bewerber testen wollte. Wer flüstert, rot wird und kichert, ist raus... oder so. Zumindest erfuhr ich auf diese Weise etwas über meine Konkurrenten. Die meisten hatten keine großen Vorerfahrungen, dafür aber „ganz viel Zeit“, „Motivation“, einen Minirock mit langen Beinen oder ein Tanktop und muskulöse Oberarme – ich hatte leider nur meinen sprunghaften Lebenslauf und eine zu große Klappe. Als ich schließlich als Vorletzter mit meiner „Ich bin toll, weil...“Rede los legte, schien mir, dass schon mein Einleitungswitz eher weniger gut ankam. „Ich heiße Marcel und bin quasi auf der Theke geworfen worden“ - einundzwanzig, zweiundzwanzig, scheiße, der war nicht gut, „und... äähm, ich habe ganz viel Vorerfahrung, bin flexibel, Bioackerbauer

aus Leidenschaft und motiviert, weil...“ kurze Gewissensbisspause, ob ich meinem derzeitigen Arbeitgeber wirklich so gemein in den Rücken fallen sollte - „.. weil ich Bock auf richtige, anspruchsvolle Kellnerei hab und nicht das, was ich jetzt gerade mache“. Tatsächlich verschoben sich sich die Lippen des Interviewers zu einem kleinen Lächeln. „Ach, Du arbeitest ja im Café Durst* (*Name vom Autor geändert), verstehe...“. Jetzt klappte auch mein Mund um, allerdings nach unten. Arschloch! Kein Außenstehender macht sich über meinen Arbeitsplatz lustig! Spätestens ab diesem Zeitpunkt dürfte der letzte Funke Motivation meiner Stimme entfleucht sein, ich wurde keines Blickes mehr von ihm gewürdigt und die einzige Notiz, die er sich wohl auf meinem Fragebogen notierte, dürfte ein dickes, fettes NEIN gewesen sein. Ein bißchen hatte ich anschließend die Illusion, dass sie mich trotzdem nehmen würden. Ja, ich weiß, das war naiv. Immerhin könnte das Hoffnung bedeuten: Hoffnung darauf, dass in Bälde das Kölsch, welches Zeit meines Lebens durch meine Adern sprudelt, schal geworden ist, ich endlich einen gut bezahlten, nichtgastronomischen Job ausübe, bei dem ich coolere, weniger laute Spitznamen wie „Hallo!!!“ oder „Tschuldigung!“ bekomme und einer neuen Generation die bittersüße, jede Schicht aufs Neue zu bewältigende Entscheidung überlasse, jemandem vor Wut in den Kaffee zu rotzen... oder eben nicht.

Marcel Doganci / Foto: Sven Albrecht

LebensEcht

LebensEcht


Sex-Flush

Tantra

Unersättlichkeit

Vorspiel

Das Phänomen Sex-Flush, auch Sexualröte genannt, entsteht im Falle einer starken sexuellen Erregung. Bis zum Orgasmus nimmt die Erregung zu, der Blutdruck steigt an, die Herz- und Atemfrequenz erhöht sich: da kann es sein, dass sich rote Flecken auf der Haut bilden, weil Blut unter die Hautoberfläche strömt. Die masernähnliche Optik breitet sich bei Frauen vor allem an Brüsten, Hals und im Gesicht aus, bei Männern hingegen primär am Brustkorb. Der Sex-Flush ist unbedenklich und verschwindet wieder. Ca. 50 – 75 % der Frauen und 25% der Männer bekommen ihn.

Bereits in das zweite Jahrhundert gehen die Ursprünge des Tantra zurück. Tantra ist ein „Kult“, welcher sich nicht ausschließlich mit der Sexualität befasst, sondern in erster Linie mit Praktiken, Texten und Lehren rund um das Dasein. Es war somit auch der Grundstein für die gesamte Kultur Südostasiens. Auf die Sexualität bezogen, soll Tantra Körper, Seele und Geist stärken und dabei die Empfindungen intensivieren, indem die menschlichen Energiezentren lokalisiert und manifestiert werden. Kuriose Riten, die mit dem Menstruationsblut zu tun hatten, schmückten das archaische Tantra. Das mittelalterliche Tantra wurde ästhetisiert und erweitert. Das Ziel war es nun durch den Orgasmus das Selbstbewusstsein in ein Gottesbewusstsein zu erweitern. Das Tantra von heute soll hauptsächlich sexuelle Hemmungen beseitigen und die Lust steigern.

Die sexuelle Unersättlichkeit gilt bei Männern als normal und wird bei Frauen als Nymphomanie bezeichnet. Abgeleitet von den antiken Nymphen, die im alten Griechenland als sinnesfrohe Naturgöttinnen angesehen wurden, und dem ebenso griechischen „mania“, was soviel bedeutet wie Wahnsinn, ist die Nymphomanie ein enorm erhöhtes, unersättliches, weibliches Verlangen nach übermäßig viel Sex. Die moderne „Nymphe“ ist allerdings nur ein halber Gentleman. Sie schweigt zwar, genießen kann sie den Akt jedoch nicht vollends. Denn auch die oft wechselnden Partner befriedigen sie nicht. Nymphomanie ist eine Sexsucht. Und wie bei jeder Sucht dreht man sich auch bei dieser in einer Spirale der Hoffnung und Enttäuschung.

Küssen, Streicheln, Oralsex, „Handarbeit“, Dirty Talk, Sexspielzeuge …beim Vorspiel ist alles erlaubt, solange es der Luststeigerung dient. Hauptsache abwechslungsreich und an die individuellen Bedürfnisse des Partners angepasst. Viele Frauen können vom Geschlechtsverkehr allein keinen Orgasmus bekommen, daher ist das Vorspiel bei ihnen der „Hauptgang“ und der Akt an sich das „Dessert“. Ein langes, intensives Vorspiel geht meist mit einem heftigen Höhepunkt einher.

Veronika Czerniewicz

SEX ABC s-v

LebensEcht

Foto: Corinna Kern LebensEcht


Sommermode wintertauglich gemacht!

"Wie komme ich in der Uni durch den Winter?" Kayodé (möchte Alter nicht verraten) Wirtschafts- & Gesellschaftswissenschaften

Die letzten warmen Sonnenstrahlen sind am Himmel längst verschwunden und die Erwartung auf das nasskalte Wetter hält sich wie jedes Jahr um diese Zeit in Grenzen. Luftige Sommerteilchen sind auch schon tief in die hinterste Ecke des Schranks verbannt und gegen dicke Pullis und Cordhosen eingetauscht worden. Eigentlich viel zu schade! Deswegen protestiert Meins- Magazin gegen den etablierten Winterschlaf von Sommermode und zeigt euch wie man diese mit günstigen Teilen en vogue und winterfest macht.

„Winterzeit ist gerade für mich als Afrikaner die schwerste Jahreszeit. Es ist grau, nass und kalt. Was also machen, außer zu Hause bleiben, die Nase in die Bücher stecken und studieren? Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Indoor-Sport ist dann angesagt: Fußball spielen, schwimmen oder ins Fitnessstudio gehen. Auch mal eine Kanne Kakao mit in die Vorlesung nehmen, wahlweise mit einem Schuss Rum, sorgt für gute Laune beim pauken. Und der Sommer kann wieder kommen!“

Wer im Sommer in sein wollte, ist um sie wahrscheinlich nicht drum rum gekommen: die Tunika. Ob etwas körperbetonter oder legerer, die luftige Tunika ist Ideal für die heißen Tage.

Lisa (25) Sonderpädagogik

Doch wer behauptet die Tunika gehört im Winter weggepackt, der irrt sich gewaltig. Denn mit einer kuschelig warmen Strickjacke (z.B. von H&M ab ca. 30 Euro) dicken, modischen Strumpfhosen (Kaufhof ab ca. 8 Euro) und dazu passenden Stiefeln liegt man diesen Winter mit der Tunika total im Trend. Kombiniert mit einer modernen Mütze (H&M ca. 5 Euro) erhält man den perfekten Look.

„Im Winter trage ich gerne warme Stiefel und Röcke. Dazu eine kuschelige Mütze – das peppt das Outfit nicht nur auf, sondern hält auch zusätzlich warm. Aber vor allem bedeutet Winterzeit für mich Karnevalszeit. Für den Beginn der fünften Jahreszeit habe ich mir auch schon frei genommen.“ Kornelius (24) Deutsch & Geschichte auf Lehramt „Ich komme eigentlich ganz unspektakulär durch den Winter. Ein warmer Pulli, dicke Socken, wasserfeste Schuhe, ein Kakao im Hörsaal - und natürlich die Profs über sich ergehen lassen.“

Super süß und super sexy - so wirkt ein elegantes Kleid an prickelnden Sommerabenden. Mit den richtigen Klamotten und Accessoires übersteht fast jedes Kleid aber auch den Winter.

Daniel (26) Banking/Finance „Da ich meinen Start als Student in den ersten beiden Semestern etwas zu locker genommen habe, bin ich nun dazu verdonnert Leistungen zu bringen. Das bedeutet: morgens nicht mehr einfach nur liegen bleiben und keinesfalls den Vorlesungen vorzeitig entfliehen! Ich versuche die kommenden Monate Vollgas zu geben und hoffe, dass ich es auch wirklich umsetze.“

Der neuste Schrei und überall erhältlich sind derzeit Treggings - Leggings in Jeansoptik - (z.B. vero moda ca. 30 Euro). Einfach unter das Kleid gezogen, mit einem schicken Gürtel (Humanic ca. 10 Euro) und einer coolen Lederjacke aufgepeppt und schon werden die Winterabende genauso prickelnd und sexy wie die Sommerabende.

Vero Czerniewicz

LebensEcht

Fotos: Corinna Kern

Text + Fotos: Vero Czerniewicz

LebensEcht


FernSicht

Fotos: Christiane Mehling

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Roadtrip Westküste Nordamerika

01.01.2009 Neujahr stand im Zeichen der Tiere: Im Mirage haben wir Löwen, Delphine, Pumas und allerhand andere Wildkatzen gesehen, bevor wir uns auf die lange Fahrt nach San Francisco gemacht haben.

Im Anschluss an ein Auslandssemester erfüllte ich mir einen großen Traum: Roadtrip entlang der Westküste Nordamerikas und den Besuch einiger Nationalparks.

21.12.2008 Von Temecula, California, ging es auf in Richtung Los Angeles. Ziele des Tages waren der weltbekannte Rodeo Drive, Santa Monica, Malibu, Beverly Hills, Hollywood Boulevard und das Kodak Theatre. Das Schöne an dieser kleinen Tour war, dass man sowohl die High Society Prachtbauten, bzw. deren Zäune, Alarmanlagen und Mauern von außen betrachten konnte, als auch wunderschöne Strandabschnitte zu Gesicht bekam und natürlich am Walk of Fame stundenlang damit beschäftigt war, alle Stars abzuknipsen. Fazit: Ein Touristen-Muss!

22.12.2008 Der nächste Tag wurde zum ausgiebigen Shopping genutzt. Schließlich hatten wir Schnee vor uns, und niemand von uns, der die Zeit vorher bei 30 Grad verbracht hat, hat vorher erahnen können, dass nun Winterjacke und Schneestiefel her müssten. Die Oulet Mall, die wir besucht haben, war die in Lake Elsinor. Da Temecula bekannt für seinen Wein ist, haben wir uns auch eine Weinprobe in einer der zahlreichen Wineries gegönnt.

23.12.2008 Ein Tag vor dem deutschen Weihnachtsfest stand das Disney Land in Anaheim auf dem Plan. Prunkvoll geschmückt, da wurden Kinderträume wahr.

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FernSicht

30.12.2008 Am Tag vor Silvester haben wir den Hoover Dam besichtigt. Außerdem sind wir in Las Vegas den Strip auf und ab gewandert, haben uns von den flackernden Lichtern und atemberaubenden Gebäuden beeindrucken lassen und einige der Hotels auch von innen bewundert.

Ein Reisebericht 25.12.2008 Am amerikanischen Weihnachtstag begann für uns die Abfahrt zum Sequoia Nationalpark. Auf der Homepage des Parks war leider schon angekündigt, dass gewisse Routen nicht befahrbar sein werden und leider standen wir dort vor verschlossenen Toren. Hier wäre es ratsam gewesen, vorher einfach mal in den Parkbüros anzurufen, um herauszufinden, was möglich ist. Also ging es direkt weiter zu Yosemite Nationalpark. Hier gibt es die Möglichkeit, sich in eine Holzhütte einzumieten, oder sich ein Zelt zu leihen. Da wir sowohl für das eine, als auch für das andere zu spät ankamen, mussten wir an dieser Station im Auto übernachten. Das Gelände an sich war groß und beeindruckend. Wir haben uns mit einer Wanderkarte von dem Touristenbüro auf den Weg gemacht und vor allem die schneebedeckte Natur, die Höhe der Felsen und die Ruhe waren einfach nur umwerfend.

26.12.2008 Leider neigte sich auch unser Aufenthalt im Yosemite Nationalpark dem Ende zu. Für uns hieß es: Abfahrt Richtung Aubern. Hier haben wir nur einen nächtlichen Zwischenstopp eingeplant, um am nächsten Tag weiter zum Lake Tahoe zu kommen.

27.12.2008 Tagesziel Lake Tahoe wurde erreicht. Hier haben wir uns inmitten eines Skigebiets den Mittag über aufgehalten und den riesigen See bewundert. Später sind wir, passend

zur Abenddämmerung am Mono Lake, einem alkalischen Salzsee, angekommen. Hier haben wir einen der schönsten Sonnenuntergänge auf der gesamten Rundreise in absoluter Stille verbracht. Da es so kalt war, dass noch nicht einmal die Touristenhäuser aufhatten, war es menschenleer. Der nächste Schlafplatz war in Bishop.

28.12.2008 Früh morgens ging es los nach Death Valley. Diese Fahrt hat sich ewig hingezogen und ich persönlich frage mich immer noch, ob sie es Wert war. Man sah viele Berge, wenig Vegetation, Blackwater und einige andere „Attraktionen“ vor Ort, aber für uns war es eine längere Anreise als ein erfüllender Aufenthalt. Nachtlager war in Kingman

29.12.2008 Ein Highlight der Reise stand bevor: Abfahrt zum Grand Canyon. Dort sind wir mit unserem Wagen die Pfade abgefahren, haben den Sunset von Desert View aus genossen, um dann zurück zu unserem Casino-Hotel am Hoover Dam vor Vegas zu fahren. Hier ist übrigens Vorsicht geboten: Die überall angepriesene Plattform (Skywalk) befindet sich nicht am Grand Canyon, den man mit dem Auto normalerweise befahren würde, sondern im Hualapai-Indianerreservat. Wer den Blick vom Skywalk aus genießen will, der muss sich also dann speziell informieren.

02.01.2008 Erster Tag in San Francisco. Wir haben Lands End aufgesucht, uns Downtown, Chinatown und die Golden Gate Bridge angesehen.

03.01.2009 Die Erkundungstour zu Fuß dauerte den ganzen Tag. Wir haben uns an dem Reiseführer orientiert und sämtliche Gebäude, Kirchen und Türme aufgesucht.

04.01.2009 Das Highlight für mich war Alcatraz. Hier fährt man mit einer Fähre hin, kann unterschiedliche Führungen machen und sich in die Zeit zurückversetzen lassen, als die Gefängnisinsel noch in Betrieb

war. Wir haben die Audiotour gemacht. Hier wurden Originalstimmen ehemaliger Häftlinge integriert, was ich besonders authentisch fand. Die Karten sollte man vorher reservieren, denn die Schlangen an der Fähre sind irre lang und scheinen nie abzuklingen. Am Nachmittag sind wir dann auf die eigentliche Küstenroute zugesteuert und Richtung Monterey gefahren.

05.01.2009 Dort haben wir den 17-Mile Drive mit dem Auto abgefahren. Bei schönem Wetter kann man diesen auch mit Mietfahrrädern abfahren. Von dort aus ging es weiter nach Morro Bay, einer beschaulichen Hafenstadt.

06.01.2009 Nach einem Hafenfrühstück in Morro Bay besichtigten wir Hearst Castle, das Domizil von Medienmogul William Randolph Hearst bei San Simeon. Auch hier haben wir wieder eine Tour gemacht, um einen Blick in die prunkvollen und architektonisch aufwändig gestalteten Gebäude werfen zu können. Danach ging es Richtung Santa Barbara und auf die Spuren der Neverland Ranch.

07.01.2009 L.A.

Fotos und Text: Christiane Mehling


Wir gehen heiraten

Eine türkische Hochzeit und eine Tüte Sonnenblumenkerne „Mach dich hübsch, zieh dir ein Kleid an und schmink dich, - wir gehen heiraten!“ So die Ansage meiner 140 cm großen türkischen Tante. Mit ihren fast sechzig Jahren und wohl doppelt so vielen Kilos auf den Hüften, tippelt sie durch unsere Ferienwohnung an der türkischen Westküste. Eine Duftwolke umhüllt mich wie aus dem Nichts, das billige Parfüm, das wir erst heute auf dem Basar ersteigert haben und laut Verkäufer “echtes Chanel” ist, beduftet erst mich, dann meine Tante. Diese wird immer nervöser, rennt auf den Balkon, kreischt nach ihren Freundinnen auf der anderen Straßenseite: „Hadı gelin, gidiyoruz kizlar!“(Kommt Mädels, wir gehen!). Und schon sehe ich mich selbst, schön zurechtgemacht, zwischen 3 pummeligen, aufgeregt tratschenden Frauen Richtung „Belediye Park“ watscheln. Das ist ein Gemeindepark des kleinen Fischerdorfes, in dem ich jeden Sommer seit gefühlten hundert Jahren Urlaub mache. Der Park ist nicht nur eine hübsche mit Palmen bepflanzte Anlage zur Verschönerung des Dorfes, sondern beherbergt außerdem auch einen fußballfeldgroßen abgezäunten Platz, der als „düğün salonu“ (Hochzeitssalon) seine Berufung gefunden hat. Ich, durch meine riesige türkische Familie schon ein Profi in Sachen türkische Hochzeit, frage mich, welcher Verwandte wohl diesen Sommer heiratet. Warum wir kein Gold als Hochzeitsgeschenk eingekauft haben und warum ich nicht wie sonst, die letzten acht Stunden in einem stickigen Friseursalon meine Haare mit 3 Dosen Haarspray zu einem Turm hab toupieren lassen müssen. Auf meine Frage hin, bekomme ich eine Tüte Sonnenblumenkerne in die Hand gedrückt und erfahre „das sind keine Verwandten, wir wollen uns nur die Braut ansehen und du kannst ja tanzen“.

FernSicht

Das Sprichwort –auf fremden Hochzeiten tanzen- bekommt für mich so eine ganz neue Bedeutung. Der Salon ist mit mehr als 500 Plastiksitzgelegenheiten, die im Halbkreis aufgereiht sind, bestuhlt. Fast alle Plätze sind besetzt. Im Schlepptau der drei Frauen drängel ich mich in die dritte Reihe der Hochzeitsgesellschaft und reihe mich, immer noch Sonnenblumenkerne kauend, ein. Die Stühle umkreisen eine kleine Tanzfläche hinter der ein dicker Türke mit Schnurrbart auf einem Keyboard wohl so was ähnliches wie einen Soundcheck versucht. Eine gefühlte Stunde lang höre ich mir sein „test test hey ho hey ho“ an, bis sich alle jungen Frauen der Hochzeitsgesellschaft mit Rosen bewaffnet Richtung Eingang bewegen. Der schnurrbärtige Musiker beginnt eine romantische Melodie und alle Gäste stehen auf und beginnen zu klatschen. Die Frauen am Eingang bilden mit ihren Rosenwaffen einen Torbogen und Braut und Bräutigam betreten die Parkanlage alias Hochzeitssalon. Die Trauung wurde wohl wie gewöhnlich am Vortag im Standesamt vollzogen, denn kaum im Saal, beginnt auch schon der Hochzeitstanz, den zunächst das Paar, anschließend die engeren Verwandten abtanzen. „Am Kleid haben die wohl nicht gespart, siehst du die Silbernähte?“, fragt mich meine Tante, die sich den Hals halb verrenkt um auch jedes Detail des Kleides analysieren zu können. Sie spuckt eine Sonnenblumenkernhülle auf den Boden und erklärt mir, dass mein Kleid, sollte es denn mal endlich soweit kommen, ohnehin viel schöner sein wird und außerdem schon in Arbeit ist. Während das Brautpaar durch die Hochzeitsgesellschaft wandert und die nächste Stunde damit beschäftigt ist,

jeden Gast persönlich zu begrüßen, jagt meine Tante mich auf die Tanzfläche um den „Halay“ zu tanzen. Hierbei handelt es sich um einen traditionellen türkischen Tanz, den es in mindestens 100 verschiedenen Versionen gibt und den man wohl mit dem griechischen Syrtaki vergleichen kann. Alle halten sich an den Händen und bewegen sich wie eine Schnecke im Kreis und tanzen vor und zurück. Die Musik wird immer schneller, die Füße werden geschwungen und fast alle Gäste sind auf den Beinen. Wie bei jeder Hochzeit, stehen vorne und hinten an den beiden Enden meistens die enthusiastischen Schwestern des Paares, mit einem wirbelnden Tuch in der freien Hand und ziehen den Rest der Tänzer in unglaublichen Tempo hinter sich her. Schließlich kommen ein paar junge Trommler mit einem Klarinettisten auf die Tanzfläche. Sie begeben sich in die Mitte der Tanzenden, gehen in die Hocke und trommeln um die Wette. Die Väter und älteren Verwandten des Paares schmeißen ihnen Geldscheine um die Ohren bis die meisten Gäste vom vielen „Halay“ durstig an ihre Tische zurückwandern. Auch ich begebe mich zu meinen Sonnenblumenkernen und meiner Tante. Das Brautpaar hat mittlerweile alle Gäste begrüßt und setzt sich an einen ganz besonders hübsch geschmückten Tisch. Allerdings bleibt nicht lange Zeit sich auszuruhen. Der schnurrbärtige Musiker, der unter anderem auch als eine Art Moderator universell einsetzbar ist, ruft nun das Brautpaar nach vorne. Aufgeregtes Gedrängel und Gewühle folgt. Alle Gäste stellen sich in einer Reihe (einer ziemlich langen Reihe) vor den Verheirateten auf und bestecken die Braut mit Goldstücken, die an Sicherheitsnadeln befestigt sind, und den Bräutigam mit Geldscheinen. Je enger die Verwandtschaft, desto größer das verschenkte Vermögen.

Eine Stunde und eine Tüte Sonnenblumenkerne später, sieht das Paar aus wie eine Schatzkammer. Nach dieser geldbringenden Prozedur füllt sich die Tanzfläche wieder und meine Tante, die nun primär die Kleider der anderen Frauen beäugt, wippt zum Takt der Musik. Mittlerweile tanzen so gut wie alle Anwesenden, die Männer mit weit ausgebreiteten Armen, die Frauen mit schnipsenden und klatschenden Händen. Noch einmal übernimmt der Schnurrbärtige die Moderation und kündigt die Hochzeitstorte an. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es kein wirkliches Hochzeitsessen. Türkische Hochzeiten in dörflichen Gegenden verzichten meist darauf. Ich erinnere mich noch an frühere Feiern, auf denen es den Alkohol auch nur bei meinem Onkeln gab. Unter den Tischen eingeschenkter Whiskey oder Raki. Auf dieser Hochzeit, vielleicht auch weil es überhaupt erst gar keine Tische gibt, gehen Kellner mit Flaschen und Gläsern durch die durstigen Reihen. Laute „Ahh“ und „Ohh“ Rufe kündigen die fünfstöckige rosaweiße Torte an. Das Brautpaar schneidet gemeinsam das erste Stück heraus und reicht sich jeweils gegenseitig ein Stück. Die Tanzerei geht wieder von vorne los und bevor sich die Hochzeitsgesellschaft um Punkt 00:00 Uhr auflöst, steht meine Tante mit ihren Freundinnen auf und zieht mich hinaus. Auf dem nach Hause weg wende ich mich den letzten Sonnenblumenkernen zu und die Tanten murmeln ein „Hayirlisi olsun“ (Möge es Glück bringen). „Dein Kleid werden wir schön besticken und deine Haare werden wir hochstecken...“, ist eine letzte Erkenntnis meiner Tante über die heutige Brautschau und den Tanz auf der fremden Hochzeit... Miray Atlı

FernSicht


Musik, Menschen und ein Märchen Die Geschichte einer halben Reise.

Da ist es endlich. Das Meer. Wenn man eine Woche in Städten wie Manchester, Wolverhampton und Bristol verbracht hat, vergisst man schnell, dass England eigentlich eine Insel ist und man gar nicht mal so weit reisen muss um das fabelhafte Blau zu bestaunen... oder auch blau-grau. Na gut, sind wir ehrlich und sehen den Tatsachen ins Auge: Blau ist hier wenig. Hier stehe ich am Pier in Brighton, den großen roten Reiserucksack vor meinen Füßen und ein seliges Lächeln im Gesicht.

Weitsinn

Ich könnte nun meinen Lonely Planet rauskramen und schauen, wo das nächste Hostelbett auf mich wartet oder ich könnte mir an einer der zahlreichen Imbissbuden eine schöne gesunde Portion Fish and Chips gönnen. Ich könnte aber auch einfach hier stehen bleiben und den Ausblick genießen. Ich bleibe nicht stehen, ich hole mir nichts zu essen und ich lasse den Lonely Planet in den tiefen meines Gepäcks ruhen. Stattdessen wuchte ich den Rucksack hoch, und gehe vorsichtig die sandfarbenen Stufen zum Strand hinab. Auch Strand ist etwas übertrieben. Einen weißen Sandstrand gibt es hier nicht zu bestaunen. Der Strand ist steinig und dennoch schön. Es ist schon spät am Tag und die Sonne, die sich hier mal nicht unter einer Wolkendecke verkriecht, beginnt langsam

zu verschwinden. Schaue ich nach links, sehe ich den neuen Pier mit Sonnenliegen, Spielsalons und allerlei Rummelattraktionen. Schaue ich nach rechts, erblicke ich die Überreste des alten Westpiers, der sich wie ein eisernes Skelett aus dem Wasser hebt, nur noch bewohnt von Möwen und sonstigen Vögeln. Blicke ich zurück sehe ich ein kleines Abenteuer, das in Manchester seinen Anfang nahm. Wo auch sonst, wenn nicht in der Stadt der Musik. Natürlich ging ich dort auf Konzerte, folgte den Spuren der Happy Mondays und deckte mich im Piccadilly Recordstore mit wundervollen Schallplatten ein. Manchester sollte man unbedingt einmal bei Nacht durchstreifen. Nicht nur, weil man an jeder Ecke und in jedem Pub über wahnsinnig betrunkene Engländer schmunzeln kann und von eben diesen Engländern auf mindestens zwei Bier eingeladen wird, wenn man nur nett

genug schmunzelt, sondern auch weil Manchester bei Nacht einfach herrlich ist. All die Lichter und Ecken und Winkel, die am Tag betrachtet einfach nur normal bis schäbig wirken, verwandeln sich nachts durch Straßenmusiker und Sternenglanz in ein kleines Musikabendteuerland. Ich verließ Manchester mit dem Zug Richtung Wolverhampton.

„Let the train take the strain while you admire the view“. Natürlich kann man sich als Rucksackreisender nicht immer ein kostspieliges Hostel leisten und so wurde ich in Wolverhampton von den herzlichsten Couchsurfern aufgenommen. Wolverhampton ist wirklich nicht zu empfehlen, wenn man was von England sehen möchte, aber Alkohol ist günstig und Konzerte finden en masse statt. Ich gönnte mir Jet. Für läppische 15 Pfund. Noch ein englischer Vorteil. Konzerttickets sind preisgünstig, wenn man nicht gerade aufs Glastonbury fährt. Obwohl ein Glastonbury line-up das des Hurricanes um längen schlägt. Festivals und Konzerte in England sind mit unseren nicht zu vergleichen. Die Atmosphäre auf einem Konzert in England ist einfach unbeschreiblich. Ob man nun zwischen fünf, 500 oder 5000 Menschen steht. Vielleicht liegt es daran, dass alle um einen herum mindestens angetrunken sind, vielleicht liegt es aber auch daran, dass Bands auf einmal etwas zu sagen haben. Hier betritt keine Band einfach die Bühne, dudelt ihre Setlist runter und verschwindet

wieder. Hier wird zwischen den Liedern noch geredet und erzählt, ob es nun die Geschichte vom letzten Konzert in der Stadt ist oder einfach nur die Frage nach Musikwünschen und Bier. Bands haben unglaublichen Spaß auf der Bühne, ob das nun am Publikum liegt oder am Land, sei dahingestellt. Auch das Jet Konzert verschaffte mir an diesem Abend ganz ohne Drogen und Alkohol ein ungeahntes Hochgefühl. Gefühlte acht Meter über dem Boden verließ ich die Halle und schwebte, die Nase im Stadtplan vergraben um den Weg zu meiner Unterkunft zu finden, am Bus mit der Band davor vorbei. Wenige Sekunden zögerte ich. Den Weg zurück würde ich auch nach einem ordentlichen Dankeschön noch finden. Aus dem Dankeschön wurde ein Gespräch an dessen Ende ich fragte, ob es eventuell möglich wäre mich noch nach Bristol mitzunehmen. Schließlich war ich nur des Konzertes wegen nach Wolverhampton gekommen. Da würden sie morgen ohnehin spielen und ich nähme auch nicht viel Platz im Bus weg. Vielleicht lag es daran, dass ich mit dem Stadtplan in der Hand arg verloren wirkte. Vielleicht aber auch einfach am Namen. Der Herr Jet-Schlagzeuger, Chris Cester, schaute mich kurz an, legt den Kopf schief und grinste: „What’s your name again?“ „Zora Beer“ „Sugar Beer?! Of course, we give you a ride“. Nun war ich zwar Zucker aber immerhin kam ich für umsonst nach Bristol, bestaunte ein zweites Jet Konzert, lernte Rockstarvokabular und, dass man gegen

Schlagzeuger nicht den Hauch Chance hat, wenn es ums Trinken geht. Bristol an sich ist eine herrliche Stadt mit einer wunderschönen alten Universität und einem ebenso hässlichen Neubau. Man kann am Kanal entlang spazieren, die Altstadt bewundern oder auch Straßenklavier spielen. Ich unternahm eine Tagestour nach Bath. Der Stadt in der Jane Austen gelebt hat. Eine wunderschöne alte Römerstadt mit jeder Menge Sehenswürdigkeiten und noch mehr Straßenmusikern. Von dort aus gelangte ich mit einer Bustour nach Stonehenge. Denn, wenn man schon einmal in England ist, sollte man das doch einmal gesehen haben. Wie so vieles, wirkt dieser Ort in Büchern, Filmen und sonstigen Erzählungen mystischer und größer und hätte man keinen Audioguide, der einem eine Stunde lang alles Wissenswerte über den Steinkreis verrät, könnte man sich das ganze wirklich sparen. So kann man aber zumindest sagen, man wäre schon einmal da gewesen und hätte deutlich Merlins Aura gespürt... bla. Wieder mit dem Zug, gelangte ich dann nach Brighton, dem O.C. California Englands mit seinem Strand und dem Pier und den verrückten Engländern, die auch bei 14 Grad ins Meer springen. Fragt sich nur, was ich morgen mache und wo ich heute Nacht schlafe. Vielleicht sollte ich doch langsam den Lonely Planet rausgraben. Wegweiser aller Backpacker.

Fotos und Text: Zora Beer

FernSicht

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Bielefeld gibt es. Simeon Buß

Bielefeld gibt es. Man kann hinfahren. Mit dem NRW Ticket zum Beispiel. Oder mit dem Auto. Oder sonst wie. Ist eigentlich auch egal. Meiner Meinung nach lohnt sich eine Reise nämlich nicht wirklich. Was bietet Bielefeld schon? Die Arminia. Den Stolz der Stadt. Rekordhalter im... naja ... im Auf- und wieder Absteigen. Herzlichen Glückwunsch. Und sonst? Dr. Oetker. Pizzen und Pudding in alle Welt aus Bielefeld. Na super. Pizza und Pudding. Die Sparrenburg, eigentlich nur so ein alter Turm ragt noch unheilverkündender als in Köln der Dom über der Stadt auf, nur mit einer rot-weißen Fahne. Juchhu. Die Kunsthalle, die ständig große Ausstellungen beherbergt. Die ist hin und wieder tatsächlich eine Reise wert. Oder der Siegfriedplatz: Im Spätsommer auf den warmen Backsteinen sitzen, gemütlich Bier aus Gläsern schlabbern und dem Sonnenuntergang frönen. Okay, nichts was man in Köln nicht auch machen könnte. Aber in Bielefeld ist es anders. Bielefeld ist das einzige Dorf der Welt, das eine U-Bahn hat. Die 18. größte Stadt Deutschlands, die wirkt wie ein kleines Nest aus dem jemand die Eier gestohlen hat, so dass nur noch die verwirrten Eltern zurück geblieben sind. Die hässlichste Uni der Welt, die 20.000 Studenten beherbergt, von denen allerdings über 50% noch bei Mami wohnen. Also die wohl unselbstständigsten Studenten der Welt. Mein Gott, Bielefeld hat noch nicht einmal eine richtige Kneipenkultur. Es hat keine guten Diskos, keinen

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echten Straßenstrich. Nicht einmal Verbrecher gibt es in Bielefeld, auch wenn in den letzten Jahren die ein oder andere Straftat begangen wurde. Die ehemals sicherste deutsche Stadt ist nur noch Nummer zwei hinter Stuttgart.

Bielefeld ist einfach langweilig. Man kann hervorragend Fahrradfahren, lange Spaziergänge im Wald machen oder sich im Sommer in Parks oder Freilustbäder legen. Bielefeld hat kein eigenes Bier, kein besonderes Essen, keine freundlichen Verkäufer. Beileidfeld könnte man fast schon schreiben. Mein Beileid mit allen, die dort wohnen müssen, so wie ich es musste. Es wäre fast schon gut, wenn dieser elendige Witz endlich wahr würde: Bielefeld gibt es nicht. Bielefeld ist nur ein Trugbild der CIA, um den Deutschen das ständige Abhören zu verheimlichen. Oder eine Basis von Außerirdischen und alle Bewohner werden ständig Gehirnwaschtagsstrahlung ausgesetzt. Wenn es doch so wäre, denn diese Stadt muss, diese Stadt kann doch gar nicht wirklich sein! Bielefeld ist eine Hochburg der Spießer. Bielefeld hat kein Ghetto, Bielefeld hat Nichts! NICHTS! NICHTS!

Aber halt. Stopp! Bielefeld ist trotzdem irgendwie gut. Groß. Schön. Hat seine Ecken und Kanten, die der ganzen Stadt wiederum ein Profil geben, das nicht viele Städte haben.

Nicht das es besonders schön wäre. Bei Gott nein! Aber ich habe dort vier Jahre gewohnt und fand es eigentlich toll. So toll, dass ich dort vermutlich auch nie weggegangen wäre, wenn ich dann nicht bei meinen Eltern hätte wohnen bleiben müssen (50% Quote und so). Ich habe zum Beispiel noch nie einen Nazi in Bielefeld gesehen. Die Menschen sind durch Bethel sozialer glaube ich, verständnisvoller, offener für Neues. Die Grünen kriegen bei den Wahlen hohe Prozentsätze. Man kommt überall mit dem Fahrrad hin, sogar in die Outskirts. Und auf jeder Party ist irgendein netter Mensch, den man kennt. Die Mittwochsdisse im Movie ist für jeden Studenten und Zivi schon ein Muss. Es gibt echt jede Menge schöner Frauen. Und für die Frauen: Es gibt echt jede Menge komischer Männer, die aber eigentlich in den Tiefen ihres Herzens immer noch bei Mami wohnen... ähm, nett sind. Ich liebe den Ausblick bei den langen Spaziergängen mit meinem Hund im Teutoburger Wald. Ganz Bielefeld liegt ausgebreitet wie ein nasses Handtuch und strahlt Gehirnwäschewellen in den nebligen Nachmittag. Ich mag den Duft, der nach dem fast täglichen Regen über der Stadt liegt. Ich mag sogar den fast täglichen Regen, weil er so viel Zeit zum Lesen gibt. Ich mag Bielefeld dafür, dass niemand weiter als 5 Minuten von einem Grünstreifen entfernt wohnt. Hier in Kalk hab ich in zwanzig Minuten Entfernung noch keinen gefunden. Ich mag Bielefeld für seine große Theater Kultur. Und dafür, dass ständig große wie kleine Bands vorbeischauen. Bielefeld ist irgendwie schon eine Reise wert.

Zum Beispiel zu den Ritterfestspielen auf der Sparrenburg, die, wenn es mal nicht regnet, eigentlich sogar ganz anschaulich ist. Und ganz ehrlich: Ich mag auch Pizza. Ich mag, dass es überall nach Pudding riecht, wenn der Wind aus einer bestimmten Richtung weht. Ich mag Bethel, mit seinen skurrilen, aber wundervollen Bewohnern, die schon mal Dinge sagen wie: „So wie ihr da sitzt, könnte die Welt untergehen... und ihr wäret immer noch da!“

Ich gebe es zu: Ich bin ein bisschen süchtig nach Bielefeld. Auch wenn die Verkäufer wirklich ein bisschen garstiger als anderswo sind. Aber das liegt nur daran, dass sie als CIA-Männer verkleidete Aliens sind.

Bielefeld fahren möchten, sei der Tierpark Olderdissen nahe gelegt. Hier kann man die Tiere sehen, die wirklich in der Region leben. Auch ein Spaziergang durch den Teutoburger Wald sei jedem empfohlen. Der Ausblick ist, wenn man sich am Rand hält, beeindruckend. Für Burgenliebhaber ist natürlich die Sparrenburg Pflicht, deren Tunnelsystem sehr spannend sein soll. Die auch schon erwähnte Kunsthalle hält häufig ziemlich berühmte Ausstellungen bereit. Ansonsten kann man durch die Altstadt bummeln oder das Dr. Oetker Museum besuchen. Ach, und noch eins. Bielefeld gibt es, verdammt. Denn Deutschland wäre um eine großartige Stadt ärmer, wenn es nicht so wäre. Auch wenn es nicht immer so scheint (regnet ja auch ständig). Simeon Buß

Was sollte man also erleben, wenn man nach Bielefeld fährt? Wenn man abends weggehen möchte, ist das Stereo eigentlich ganz gut. Mittwochs, wie gesagt, gibt es für 2,50 (für die es direkt ein Bier gibt) im Movie direkt am Hauptbahnhof ganz tanzbare Musik. Elektrofans sollten sich vielleicht eher an das Forum halten. (Auch in Bahnhof Nähe). Charts und R‘n‘B gibt`s im Cafe Europa. Für Menschen, denen das Nachtleben in Köln reicht und die deshalb nicht nach

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Mehr als nur ein hübscher Junge - Paolo Nutini kommt im November nach Köln -

Wer Paolo Nutinis erstes Album „These Streets“ als maßgebliches Entscheidungskriterium für den Kauf seines Nachfolgealbums „Sunny Side Up“ genommen hat, der hat sich wahrscheinlich nicht schlecht gewundert als er zum ersten Mal auf Play gedrückt hat: Es klingt so anders. Sein Debüt im Jahr 2006 – da war er 19 Jahre alt – ist vor allem eins: poppig und – von seinem gelegentlich rauen Timbre abgesehen – lupenrein. Gerade mit den ruhigen Stücken, wie seinem bislang vielleicht größten Hit „Last Request“, gelang ihm der Durchbruch in Großbritannien. Nach und nach wurde er auch bei uns bekannter: in Deutschland erreichte „These Streets“ immerhin Platz 28 der Album-Charts. Seitdem ständig verglichen mit seinen Songwriter-Kollegen James Morrison, Daniel Powter und vor allem James Blunt, brachte Nutini mit „Sunny Side Up“ in diesem Sommer ein Album heraus, das so klingt, als wolle er sich mit aller Macht aus dieser Schublade befreien. Und so geht’s auch schon los mit einem Gute-Laune-Ska-Stück („10/10“), das nicht zuletzt durch die auffällig eingesetzten Blechbläser den derzeit so hippen Retrosound hat, ein bisschen wie die Amy-Winehouse-Version von „Monkey Man“. Insgesamt klingt das ganze Album ziemlich retro und einige der Songs sind so sehr Folk, dass man sie niemals auf dem Album eines 22jährigen Popstars vermuten würde. Mit den ersten beiden Singleauskopplungen scheint er aber doch Nummer sicher gehen zu wollen: „Candy“ ist ein solider, gitarrenlastiger Popsong mit Ohrwurmgarantie, den Nutini, wie er sagt, direkt nach einem Streit mit seiner Freundin geschrieben hat. Auch die zweite Single, „Coming Up Easy“, ist ein solcher Ohrwurm, der sich aber deutlich dem Soul zuneigt – ob das nun abwechslungsreich und mutig oder unstet ist, sollte wohl jeder für sich entscheiden. Und so weiß auch die internationale Fachpresse nicht so recht, was sie von dem Album halten soll. Trotz Nutinis steiler Karriere – er spielte seit seinem Durchbruch unter Anderem als

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Pressfoto The Coca-Cola Company

Vorband von Led Zeppelin und sang ein Duett mit Mick Jagger – sind die Reaktionen auf „Sunny Side Up“ verhalten: „eher oldfashioned als Old School“, heißt es unter anderem. Am 16. November können Fans und Neugierige sich im Kölner E-Werk für knapp 30 Euro von seinen Live-Qualitäten überzeugen. Und davon, dass er mehr ist als bloß ein hübscher Junge, was manche Kritiker zu Unrecht bezweifeln. Denn allein seine Stimme ist wohl schon ein zweites und auch drittes Hinhören Wert. Dennis Große-Plankermann

INFOBOX Paolo Nutini 16.11.09, 20 Uhr (Einlass 19 Uhr) E-Werk Schanzenstraße 37 51063 Köln-Mülheim

Stecken Im Belgischen Viertel gibt es nicht mehr viel Unsaniertes, Unpoliertes und Unhippes sowieso nicht. Die ruhigen Straßenzüge zwischen Aachener und Venloer Straße, zwischen Ring und Bahntrasse können Außenstehenden mittlerweile, mit allen Abstrichen, als Kölns Prenzlauer-Bergund-Mitte-in-einem-Versuch erscheinen. Super, dass es dort auch Ausnahmen gibt. Eine sofort ins Auge fallende Ausnahme ist der Stecken. Kein wörtlicher Hinweis, kein Schild, nur eine zuplakatierte Häuserfront, eine zuplakatierte Kellertür, um die reger Verkehr herrscht. Und was hinter dieser Kellertür wartet, ist tatsächlich eine verrauchte und beseelte Oase in einer Wüste aus yuppigen Designer- und Feinkostläden sowie Dollhouse und Orientcafé: Die Treppe runter und durch einen langen Gang hinein ins Getümmel: Eddingstrotzende Wände, Bier und Cocktails jeglicher Provenienz von ausnehmend schönen Thekenkräften, Soul, Funk und Rap vorzüglich (hauptsächlich) StonesThrowscher Prägung, bisweilen Livejazz und Couches, in die man droht, hineinzusinken. Überhaupt,ich sinke jedes Mal sprichwörtlich in den Laden ein: „Kurz auf ein Kölsch in den Stecken“ klappt nie. Zumindest nicht kurz. Niklas Wandt Stecken: Maastrichter Str. 11/50672 Köln

Sonderschule der Ästhetik: Sarrazin Das eigentliche Problem an der ganzen Angelegenheit um Thilo Sarrazin waren ja noch nicht einmal seine Äußerungen. Ein nicht mehr ganz so junger Mann, zufällig Vorstand der Bundesbank, gerät, kaum scheint es, als ob sich ausnahmsweise mal jemand für sein Geschwätz interessiere, in unverhoffte Gefühlswallungen und hebt zu einer kruden Tirade gegen Türken und Araber an. So weit, so blöd, so langweilig. Stell dir vor es ist Stammtisch und keiner geht hin. Interessant wird die ganze Chose erst in dem Moment, da sich nicht ganz unprominente Vertreter des sogenannten seriösen Journalismus ihrer als Vorlage für ein Schmierentheater erster Güte bedienen. Das bringt nicht nur Heiterkeit sondern lässt auch tief blicken in Sachen journalistischer Standards in diesem Land. Es beginnt im Lettre International selbst, wo man meint, die Aussagen des Interviewpartners abschwächen zu können, indem man sie interpretativ ein wenig verlagert. Ein leidenschaftliches Plädoyer für seine Stadt Berlin sei das gewesen. Die FAZ legt einige Tage später in der Kommentarspalte nach. Fazit: intellektuelle Provokation. Da müssen wir wohl all die Jahre eine ganz besonders feine rhetorische Ebene übersehen haben als wir dachten, doofes Gepöbel sei einfach nur - doofes Gepöbel. So weit, so gut. Immerhin schon mal was gelernt. Aber gerade für die Jungs aus Frankfurz kann’s mit ein wenig semantischer Akrobatik natürlich noch lange nicht getan sein. Man ist ja schließlich "Zeitung für Deutschland" und nicht bloß so ein piefiges, überdimensioniertes Intellektuellenblatt. In bestem Schirrmacherschem Pathos wird sogleich die alte Leier von der Meinungsfreiheit angestimmt. Und wo dieses schauderhafte Instrument erstmal ertönt erheben vohersehbarerweise auch schon bald die politisch Korrekten ihr scheußliches Haupt. Jener finsterste aller Illuminatenbünde, von dem zwar nach wie vor niemand weiß, wer sich eigentlich dahinter verbergen soll, der aber zumindest der Stoff zu sein scheint,

aus dem die Alpträume all derjenigen sind, die da meinen, es müsse doch wohl erlaubt sein, endlich mal "unbequeme Wahrheiten" auszusprechen. Abschließend wird, um die ganze stinkende Brühe aus obskuren Objekten bürgerlicher Mystifikation geschmackvoll abzurunden, mit Volkes Zorn gedroht. Tausende an Zuschriften, alle pro Sarrazin. Die Mitte der Gesellschaft, ein Haufen kleiner Nazis? Jetzt aber, liebe FAZ, da wollen wir, um mal ein Kanzlerwort zu bemühen, die Kirche doch lieber im Dorf lassen und nicht gleich schon wieder mit dem bösen N Wort rumfuchteln. Vielleicht ist unsere Gesellschaft in der Mitte ja einfach nur ein bisschen...dämlich? Der Redaktion des Heute Journal jedenfalls scheint die grenzdebile Selbstbloßsstellung der Kollegen in Print eher Ansporn als Warnung zu sein. Claus Kleber legt die Stirn in Falten. "Darf man so was sagen?". Man darf, denn der "Faktencheck" bringt es ans Licht: misst man Integration z.B. am Prozentsatz der Hartz IV Empfänger oder derjenigen die keinen höheren Schulabschluss haben, dann schneiden in Berlin Araber schlechter als Deutsche und Türken am schlechtesten ab.

Auf die Idee zu kommen, dass man Integration vielleicht wenigstens erst einmal definieren sollte bevor man zur außergewöhnlich wahnwitzigen Unterstellung übergeht, man könne sie messen, ist allerdings auch ein bisschen viel verlangt. Vermutlich haben repräsentative Zuschauerbefragungen ohnehin längst ergeben, dass der Intellekt des durchschnittlichen Zuschauers sich auf einem dermaßen niedrigen Niveau bewegt, dass dem Bildungsauftrag mit ein paar bunten Balken genüge getan ist. Oder kann das ZDF am Ende gar nichts dafür? Hat hier etwa der König der nutzlosen Information in fremden Jagdgründen gewildert? Jörg Schönenborn ick hör dir trapsen. Doch schließen wir auf einer versöhnlichen Note: lässt man die ganze affektierte Besorgnis einfach einmal für einen Moment beiseite und gesteht sich ein, dass man doch eigentlich seine perverse Freude daran hat, zuzusehen wie sich die selbsternannte vierte Gewalt selbst der Lächerlichkeit preis gibt, kann man sich doch eigentlich nur über die zur Zeit des Abfassens dieses Textes aktuellste Meldung freuen: Sarrazin weitestgehend entmachtet. Der Tragödie zweiter Teil... Felix Grosser

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Die Anwälte

Eine Liebesgeschichte

„The Good, The Bad, The Weird“ hieß ein Western, der uns Anfang diesen Jahres erfreute, doch eben jener Titel, hätte ganz gewiss auf auch Birgit Schulz’ Dokumentation gepasst, die das Schaffen, den Wandel und das ideologische Irrlichtern der Protagonisten Hans Christian Ströbele, Otto Schily und Horst Mahler zum Thema hat.

„The Dust of Time“ ist zweifelsfrei ein filmisches Schwergewicht aus den Händen eines der versiertesten und kompromisslosesten Filmschaffenden aller Zeiten. Und wirkt doch in seiner prätentiösen Künstlichkeit und bleiernen Schwere nicht selten unfreiwillig komisch. Eine Empfehlung für Fans und Kenner Robert Cherkowski

Zwei Oscars hat er schon im vorbeigehen eingeheimst und noch immer ist sein Hunger nicht gestillt. Die Rede ist von Dokumentarfilm-Berserker Michael Moore, der auch im Jahre 1 nach Bush nicht umhin kommt, mit eben jenem abzurechnen, wenn auch diesmal nur indirekt. Im Zentrum seines neuesten Werkes steht nämlich die abstrakte Bedrohung in Form der Finanzkrise. Weit weniger abstrakt sind oft die Auswüchse, welche aus ihr resultieren. Besonders in der ersten Stunde von „Kapitalismus – Eine Liebesgeschichte“ offenbart sich Moore wie so oft als schlicht brillanter Montagekünstler, dem es gelingt, allein durch Gegenüberstellung von immer abstruseren Beispielen verantwortungsloser Dekadenz einiger weniger auf Kosten vieler, Einblick zu verschaffen und Position herauszufordern. Das hat Witz, Tempo und Charme. Doch es kommt, wie es bei Moore immer kommt und in der zweiten Stunde stellt sich das übliche Stirnrunzeln ein. Dann beginnt er populistisch, schmierig-sentimentale Musik und ergreifende Einzelschicksale inbegriffen, mit seinen dicken ungelenkten Fingern auf die Klaviatur der Gefühle einzuhacken. Das hat nichts mehr mit den Tricks der Verführer zu tun – das ist schlichtweg filmischer Date Rape. Robert Cherkowski

Start am 29.10.

Start am 12.11.

The Dust of Time Theo Angelopolus ist seit Anbeginn seiner Karriere bekannt als vergrübelter Auteur. Ein Schöpfer barocker, anspruchsvoller Filme über die Suche nach der proustschen, verlorenen Zeit - und das große Nicht-fündigwerden. Im Alter ist er darüber hinaus noch äußerst humorlos geworden. Sein neustem Feel-Bad-Hit dreht sich um einen Namenlosen Regisseur (Willem Dafoe mit gewohnt kummervoller Miene), der zur Zeit des Mauerfalls von seinen Eltern (Michel Piccoli und Irène Jacob) in Berlin besucht wird. Die wiederum hadern mit der Rückkehr in ihre alte Heimat, die sie im Krieg verlassen mussten. Das Erscheinen ihres alten Freundes Jacob (Gröfaz Bruno Ganz), mit dem sie einst eine schicksalhafte Menage a trois unterhielten, reißt alte

Kapitalismus

Wunden wieder auf. In kunstvollen und von enormem Stilwillen geprägten Rückblenden offenbart sich die unendliche Tragik des Lebens das man nur rückwärts gewandt verstehen kann, jedoch vorwärts leben muss.

Alle drei gehörten sie zu Zeiten des linken Aufbegehrens, zwischen APO, Kommunen und RAF, zur juristischen Elite der Bundesrepublik. Alle Drei vertraten sie die BaaderMeinhof-Gruppe vor Gericht und alle drei – davon legen Archivaufnahmen in Fülle Zeugnis ab – waren sie scharfzüngige Kritiker des repressiven und zu Polizeigewalt neigenden Nachkriegsdeutschlands. Doch nur das grüne Urgestein Ströbele scheint sich bis heute treu geblieben zu sein.

Das Vaterspiel Aus Michael Glawoggers („Workingmans Death“, „Slumming“) „Das Vaterspiel“ wird man einfach nicht schlau. Beim besten Willen nicht. Immer wieder fragt man sich Warum.

Warum dreht Christian Tramitz soviel banalen Stuss, während er hier beinahe alle mit seinem großartigen Vaterschwein an die Wand spielt? Warum ist der Film so frustrierend? So wirr? So langsam in seiner Erzählung? So unangenehm enigmatisch? Warum verweigert er sich permanent auf so unangenehme Weise, einer Deutung und einem tieferen Verständnis?

Innenminister a. D. Schily wechselte aus Machtgelüsten, die er selbst kaum verschleiert, innerhalb der Rechtstaatlichkeit die Fronten und machte als Hardliner in Sachen Sicherheit von sich Reden. Und Mahler… - Der einstige Gründer des „Sozialistischen Anwaltskollektivs“ trat der NPD bei, leugnete bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Holocaust, erhob wann immer er konnte seinen Arm zum Gruß und sitzt derzeit hinter Gittern. Ein Werdegang zu dem sich seine ehemaligen Freunde Ströbele und Schily entweder verschämt ausschweigen, oder resigniert abwinken („Eine Tragödie…“ Zitat Otto Schily). Regisseurin Birgit Schulz hat in ihrem Film wenig falsch gemacht. Zwar möchte man hin und wieder die arg unchronologische Erzählweise bemängeln und so manch krassen Gesinnungswandel wünscht man sich hartnäckiger hinterfragt. Von diesen kleinen Versäumnissen abgesehen, ist „Die Anwälte“ eine der besseren Dokumentationen dieses Jahres, weil sie jüngere Zeitgeschichte als ein von ausgefeilten Plädoyers geprägtes Gerichtsdrama mit einem charismatischen Trio Infernale in den Hauptrollen aufbereitet. Robert Cherkowski Start am 19.11.

Und warum geht einem dieser höchst unperfekte und manchmal in seiner Kauzigkeit ärgerliche Film auch nach Monaten nicht aus dem Kopf? Wie gesagt: man wird einfach nicht schlau aus diesem Vaterspiel. Anschauen ist Pflicht. Egal warum! Robert Cherkowski Start am 26.11.

Warum fährt der österreichische Videospielprogrammierer Ratz nach einem Anruf seiner platonischen (!) Freundin aus Studienzeiten Mimi (Sabine Timoteo) nach New York um deren Großvater den Keller auszubauen? Warum hasst Ratz seinen Vater (Christian Tramitz) – einen leicht schmierigen Politiker – so sehr, dass all seine Videospielideen nur darauf hinauslaufen, den eigenen Erzeuger zu töten? Warum entwickelt sich zwischen dem Halbjuden Ratz und Mimi`s Großvater plötzlich eine urige Männerfreundschaft, obwohl Ratz mittlerweile weiß, dass es sich bei dem wortkargen Greis um einen tausendfachen Mörder aus NS-Zeiten handelt?

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FeinSinn

Fotos: Maiko Henning


Das Zugabteil liegt im Dunkeln, die anderen Passagiere schlafen alle. Ich kann nicht schlafen, das Fahrwerk des Waggons hat schon bessere Tage gesehen und schickt in rhythmischen Abständen einen Stoß durch den Zug, der meinen Kopf gegen die Scheibe prallen lässt. Es ist eines von diesen alten Sechserabteilen, wo man sich jeweils zu dritt gegenüber sitzt. Mit dieser erzwungene Nähe komme ich nicht gut klar. Der Stallgeruch zweier slawischer Mütterchen und die Ausdünstungen des französischen Rucksacktouristen wirken da auch nicht gerade einlullend. So döse ich nur immer kurz weg und schrecke wieder hoch, während der Zug durch die Nacht Griechenlands schaukelt. Noch fünfzehn Stunden bis Budapest. Ich bin auf der Flucht. Das klingt bescheuert, aber anders kann ich es nicht beschreiben. Sonst würde ich mich auch kaum in diesen stickigen Seelenverkäufer zwängen, nicht unbedingt meine bevorzugte Art zu reisen. Aber so kurzfristig war an einen Flug nicht zu denken. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, wovor ich überhaupt weglaufe; ich weiß nur, dass mich ein Freund angerufen und gewarnt hat, ich müsse sofort aus Thessaloniki verschwinden, sonst würde etwas Wunderbares passieren. Dieser Freund, er ist eigentlich gar keiner, zumindest nicht meiner. Er ist mehr der Freund eines Freundes. Als wir damals im zweiten Semester angefangen haben uns vor Parties bei Sascha zu treffen, da hat ihn einer von den anderen mitgeschleppt und dann war er irgendwie jedes Mal dabei. Im Grunde war er auch ganz in Ordnung, wenn er nur nicht so ein furchtbarer Aufschneider gewesen wäre. Einer von denen, die ständig von ihrem extrem erlebnisreichen und spektakulären Leben erzählen. Jedes Mal hatte er eine neue haarsträubende Anekdote zu erzählen, die ihn ganz nebenbei ziemlich cool aussehen ließ. Wie das eine Mal, als er erzählte, er wäre von einer Streife mit Gras erwischt worden, und statt dass sie es ihm abnehmen habe er die Beamten dazu überredet, mit ihm zusammen einen durchzuziehen. Und wenn jemand anderes stolz von einem One-Night-Stand erzählte, dann hatte er mindestens einen Dreier in der Schwimmbaddusche gehabt. Irgendwann fragte man sich bei allem was er sagte, was real und was seiner Phantasie entsprungen war. Ein paar Jahre später treffe ich ihn zufällig in

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Wer flüstert

der Bibliothek wieder, als er sich mit seinem Laptop mir gegenüber setzt. Wir nicken uns kurz zu, dann konzentriere ich mich wieder auf die regionalen Innovationssysteme von Sri Lankas Abwasserwirtschaft. Besser gesagt, ich versuche mich zu konzentrieren. Denn irgendwie bringt er mich ständig wieder raus. Er wackelt die ganze Zeit unruhig auf seinem Stuhl herum, und guckt sich immer wieder um, als würde er jemanden suchen. Dann beugt er sich zu mir herüber und zischt: Sind wir denn im Kindergarten und bringt man den Leuten nicht mehr bei, dass man in der Bibliothek die Klappe hält? Ich glotze ihn an und versuche zu rekonstruieren, was ich verpasst habe. Aber es redet doch niemand. Alle sind still. Er sieht sich wieder alarmiert um, dann fragt er mich sehr eindringlich, ob ich denn nicht dieses Flüstern hören würde. Irgendwo in der Nähe würde jemand in einem fort vor sich hin flüstern. Ich schüttele den Kopf. Nein, ich hör nichts. Wer soll denn da flüstern? Das ich nicht weiß wovon er redet, scheint ihn ziemlich aus dem Konzept zu bringen. Nur ein paar Minuten später packt er hastig seinen Computer zusammen, nuschelt irgendeinen Abschiedsgruß und schleicht davon. Ich sehe ihm nach und es ist relativ klar, was mit ihm los ist. Nennen wir es Stresssyndrom, psychotischer Schub oder einfach: übergeschnappt. Überrascht bin ich nicht. Sein Verhältnis zur Realität war ja schon immer etwas gestört. Dann begegne ich ihm ein paar Wochen später wieder auf dem Weg zur Mensa, er sieht ziemlich übernächtigt aus. Jetzt frage ich doch mal nach, wie es ihm denn geht. Schlecht, sagt er. Ob ich mich noch an das Flüstern erinnern würde? Inzwischen könne er verstehen, was die Stimme sagt, seitdem könne er nicht mehr schlafen. Und dass ich mich am nächsten Samstag von der Innenstadt fern halten solle, dort würden ein paar konvertierte Islamisten drei Kofferbomben in einem Kaufhaus zünden, und es würde dutzende Tote geben. Mit einer Mischung aus Mitleid und Fremdscham verabschiede ich mich schnell. Abends treffe ich mich mit Sascha noch auf ein Bier und offensichtlich bin ich nicht der einzige, der unserem alten entfernten Bekannten in letzter Zeit begegnet ist. Armer Kerl, sagt Sascha und schüttelt den Kopf, der ist ziemlich am Ende. Seit ein paar Wochen läuft er herum und erzählt jedem, er könne in die Zukunft sehen, und man

solle zu der und der Zeit bloß nicht da und da sein. Wir schweigen einen Moment betreten, bevor wir das Thema wechseln. Am nächsten Samstag haben die Geschäfte in der Innenstadt bei strahlendem Sonnenschein den umsatzstärksten Tag des Jahres. Keine Bomben weit und breit. Wieder begegne ich ihm auf dem Weg zur Mensa, er scheint sich jetzt öfter dort auf der Wiese aufzuhalten. Öfter jedenfalls als zu Hause, seinem abgerissenen Zustand nach zu urteilen. Na, der Anschlag ist wohl abgeblasen worden. Ich kann mir ein Grinsen nicht ganz verkneifen, er sieht mich aus hohlen Augen mürrisch an. Morgen Nacht wird ein Giftmülltanker auf dem Rhein sinken, raunt er, und das Zeug wird sämtliches Leben im Fluss über hunderte Kilometer auslöschen. Dann werden wir ja sehen, wer zuletzt lacht. Zwei Wochen später erscheint ein Artikel,

in der die erfolgreiche Wiederansiedlung des Lachses im Rhein verkündet wird. Auch der Hubschrauberabsturz auf dem Spielplatz, der Ausbruch der neuen Wildschweinegrippe und der Tornado beim Straßenfest fallen aus. Mittlerweile scheint er dauerhaft auf der Wiese vor der Mensa zu kampieren, ich statte ihm mal wieder einen Besuch ab. Und, wann ist der nächste Weltuntergang? Aus seinem Gesicht spricht tiefe Verzweiflung. Er verstehe das ja auch alles nicht. Vielleicht stecke etwas anderes dahinter, als er zuerst geglaubt habe. Denn seit ein paar Tagen spricht die flüsternde Stimme nur noch von einem unscheinbaren Gebäude voller alter Bücher, und von Menschen die darin blättern, sie sortieren und auf Handkarren von einem Ort zum anderen fahren, und es kommt einfach zu keiner Katastrophe. Zum ersten Mal seit Monaten wage ich ihm vorzuschlagen, ob es nicht vielleicht besser wäre, wenn er professionelle Hilfe in Anspruch nehmen würde. Tatsächlich sieht er so aus, als würde er darüber nachdenken. Am nächsten Tag versinkt das Stadtarchiv in einem gewaltigen Krater. Bei der nahe gelegenen U-Bahnbaustelle ist Grundwasser ausgetreten und hat das Erdreich unterspült, bis der Untergrund des Gebäudes mit einem Mal weggesackt ist. Tausende von unersetzbaren Dokumenten lösen sich in den Schlammmassen auf, noch immer sind zwei Menschen vermisst. Mein Handy klingelt. Und, wer lacht jetzt, kräht er triumphierend aus der Leitung, jetzt weiß ich wie das Ganze wirklich funktioniert. Aber deine Stimmen lagen doch schon wieder falsch. Sie haben doch genau das nicht kommen sehen. Eben, meint er. Ich habe vorher den Fehler gemacht, das Getuschel für bare Münze zu nehmen. Ich hab der Stimme immer blind vertraut. Aber wer flüstert, der lügt, oder nicht?

Er scheint auf eine Antwort zu warten. Tatsächlich ist mir jetzt nicht mehr zum Lachen zumute. Und das ist erst der Anfang. Jetzt, wo er den Dreh raus hat, wird er immer treffsicherer. Die friedliche Revolution im Iran, der Air France Flug 447, der wohlbehalten in Paris gelandet ist, und Michael Jacksons furioses Comeback: alles Dinge, die nicht passiert sind. Die Sache wird mir zunehmend unheimlich, was nur ein weiterer Grund ist, sich auf das Auslandssemester in Griechenland zu freuen. Sonne, Strand, Bifteki und Sauftouren mit den anderen ErasmusLeuten bringen mich auf andere Gedanken und eine Zeit lang denke ich nicht mehr an meinen verwirrten Bekannten und seine eingeflüsterten Lügen aus der Zukunft. Bis eines Tages das Telefon klingelt. Er ist dran, diesmal klingt er nicht triumphierend, sondern sehr besorgt. Seine flüsternde Stimme, die redet in letzter Zeit nur noch von mir. Davon, wie ich mich in diese Frau verliebe, für die ich das Studium sausen lasse und in Griechenland bleibe. Wie sie mich mit nimmt auf ihre Heimatinsel zu ihrer Familie, wo wir eine rauschende Hochzeit feiern. Wir bleiben auf der Insel, machen einen Bootsverleih auf und verbringen den Rest unseres Lebens gemeinsam in der sonnigen Idylle des Mittelmeeres. Und deshalb sitze ich jetzt in diesem Zug auf dem Weg nach Hause. Ich weiß noch immer nicht, wovor ich weglaufe. Wenn man genau weiß, was nicht passieren wird, sagt einem das noch lange nicht, was stattdessen geschehen wird. Aber ich bin mir ziemlich sicher: Wenn es passiert, sollte ich so weit weg wie möglich sein.

Christopher Dröge / Bild: Maiko Henning

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SMS-Blog Soll ich was sagen, oder meinst Du, ich warte erst mal ab? *help*

P.S. Ich freu mich auf Dich! Und jetzt schoen weiterlernen!

IDreh Dich mal um, aber unauffaellig und guck Dir den im Sitz hinter dir an!!!

Johanna Regenhardt / Bild von Maiko Henning

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FeinSinn

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Playlist

Iris

Marcel

Björk – It's Oh, So Quiet

Ben Harper – Amen Omen

Joseph Mohr & Franz Xaver Gruber – Stille Nacht, heilige Nacht

Melissa Etheridge – Whispers my heart

George Michael – Careless Whisper

Moby – Whispering wind

Marilyn Monroe – Happy Birthday, Mr. President

Leela James – Don’t speak

La Oreja de Van Gogh – Cuéntame al oído Charlotte Gainsbourg – Songs That We Sing

Tracy Chapman – Happy Evanescence – Whisper

Fotos: Maiko Henning

Carla Bruni - L'Amour

Ying Yang Twins - Wait (The Whisper Song)

Die Ärzte – 2000 Mädchen Jane Birkin & Serge Gainsbourg – Je t'aime, Moi Non Plus Coldplay – A Whisper FeinSinn

Bush – Letting the cables sleep Queen Bee – Wie sich Mühlen drehn im Wind

Björk – It’s oh so quiet

FeinSinn


Flüstern

Herznote Kopfnote

Flüstern von dunklen Brunnenrändern und dem, was längst hinunter gespült wurde. Flüstern, weil mein kauernder Schatten noch immer an dunklen Brunnenrändern streichelt. Flüstern, denn ich kann nicht schweigen noch schreien über versiegenden, dunklen Brunnenrändern.

Gedichte

Fotos: Maiko Henning

von Christiane Mehling

Und die Tiefe flüstert von einer Vergangenheit, die längst aufgehört hat nach mir zu rufen. Doch so sehr ich sie auch schweigen lassen will, flüstert mein Herz mir immer etwas zu: Das Märchen von dunklen Brunnenrändern.

Zerrissen ist, wer zu viel denkt, wer kleinen Dingen zu viel Wichtigkeit schenkt. Und doch scheint niemand es zu erreichen, dass das Herz dem Verstand komplett anfängt zu weichen. Jeder würde gern, wenn er ehrlich ist, genauer auf seinen Bauch hören, doch meist ist der Kopf dann schlauer. Und ist es nicht so, dass manch Gedanke hat veranlasst, dass das Gefühl sich äußeren Gegebenheiten anpasst? Dass man lieber unterdrückt, zum Beispiel Hingabe, weil Unverständnis schlimmer scheint, als eine seelische Narbe? Dennoch macht sich Unwohlsein breit, da der, der zu sich nicht ehrlich ist, die Herznote über die Kopfnote vergisst...

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FeinSinn

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Die Regierung der großen Koalition ist vorbei, die Union wird nun mit der FDP regieren und verspricht schnellere Einigungen und klarere Linien in der Politik. In der Bildungspolitik scheinen diese Versprechen wirklich zutreffen zu können, denn die Liberalen marschieren mit in Richtung Autonomie und Freiheit für Hochschulen. Auch beim Thema Studiengebühren gibt es einen gemeinsamen Konsens. Das Thema der Studiumsfinanzierung ist für viele Studierende mittlerweile essentiell geworden und spielte auch im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Zumindest warb die SPD damit die Studiengebühren abschaffen zu wollen - und verlor. Bei den Koalitionsverhandlungen von Union und FDP stand die Abschaffung jedoch nicht auf der Tagesordnung. Während die CDU sich im Wahlkampf beim Thema Studiengebühren noch neutral verhalten hat, hier wurde wohl in zwei Richtungen gleichzeitig geschielt, schließt sie sich nun der FDP an. Diese hat schon im Wahlkampf als einzige der fünf großen Parteien im Bundestag klar Stellung gegen ein gebührenfreies Erststudium bezogen. Laut der FDP verkürzen Studiengebühren die Studiendauer und verringern die Zahl der Studienabbrecher. Die CDU spricht sich in ihren Programmen zur Bildungspolitik für „sozialverträgliche Studienbeiträge“ zur Verbesserung von Lehrangeboten aus, was nun zusammen mit der FDP bedeutet, dass die Studiengebühren bestehen bleiben. Wäre es wieder zu einer großen Koalition mit der SPD gekommen, wäre unter der Formulierung „sozialverträglich“ auch eine Abschaffung verhandelbar gewesen, doch ist dieser Fall nicht eingetreten. Dabei haben Studenten nach Auffassung der Liberalen im Gegensatz zur CDU einen Anspruch auf BAföG unabhängig vom Einkommen der Eltern. Das wurde nun im Koalitionsvertrag neu formuliert. Anstelle von elternunabhängigem Bafög, bleibt es wie gehabt. Zusätzlich gibt es ein Stipendiensystem für die leistungsstärksten Studierenden. Unabhängig davon, was die Eltern verdienen soll es jeden Monat 300€ geben. Wann die Koalition dieses Stipendiensystem ins Leben ruft ist noch

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Freiheit für Hochschulen und mehr Geld? Die Bildungspolitik der neuen Regierung ungewiß. Abgesehen von der Finanzierung des Studiums durch den Studenten, beschäftigen sich die beiden zukünftigen Koalitionspartner mit weiteren Änderungen in der Hochschulpolitik. Gemäß ihrer liberalen Grundsätze strebt die Bundespartei FDP in der Bildungspolitik eine Förderung der Hochschulen in freier Trägerschaft an, sowie eine Stärkung der staatlichen Hochschulen durch mehr Wettbewerb und Autonomie, um letztendlich die Möglichkeit zu schaffen, die Hochschulen zu privatisieren. Auch die CDU fordert mehr Eigenständigkeit für Universitäten und möchte durch die Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes, durch die die grundsätzliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes entfallen würde, mehr Verantwortung auf die Hochschulen übertragen. Durch die Fortsetzung von Hochschulpakt und Exzellenzinitiative, die von der vergangenen Regierung eingeführt wurden, sollen die Hochschulen auf diesem Weg unterstützt werden. Im Hochschulpakt stellen Bund und Länder zusätzliche Mittel für die ansteigende Zahl der Studienanfänger bereit und die Exzellenzinitiative soll den Ausbau der Spitzenforschung an den einzelnen Hochschulen fördern. Die Flexibilität, die die Hochschulen durch diese Änderungen erlangen, soll ihre Etablierung auf internationaler Ebene vereinfachen. Durch einen immer stärker zusammenwachsenden europäischen Hochschulraum wird eine Autonomisierung als notwendig angesehen und die Abnahme der nationalen Bedeutung vorausgesetzt. Wie sich Hochschulpolitik aber konkret auf die Universitäten und damit die Studierenden auswirkt, wird nach wie vor weitgehend von den Bundesländern

bestimmt. Nach Angaben der Landtagsfraktion der FDP in NordrheinWestfalen, werden die Hochschulen hier durch die neue Gesetzgebung eine bundesweit bisher einzigartige Autonomie erreichen. Das Anfang 2007 eingeführte Hochschulfreiheitsgesetz ermöglicht den Universitäten und Fachhochschulen bereits ein hohes Maß an Eigenständigkeit, wobei sich die staatliche Finanzierung an den jeweiligen Leistungen orientiert. Kritiker sprechen hingegen davon, dass das Land sich aus der Verantwortung gegenüber den Hochschulen zieht. Das Gesetz der schwarz-gelben Regierung stößt bei der Opposition auf heftige Kritik und die SPD setzt gar das Wort Freiheit in Anführungsstriche, da sie befürchtet, dass die Hochschulen sich durch den Rückzug des Staates aus der Hochschulpolitik stärker von der Wirtschaft abhängig machen und die Lehre darunter zu leiden hat. Die neue Bundesregierung stimmt dem umstrittenen Weg hin zu mehr Autonomie für Hochschulen, der in NRW bereits praktiziert wird, zwar zu, kann aber im Bereich Bildung nicht wirklich regulativ durchgreifen. Die Entscheidungskraft im Bildungssystem, die auch die Erhebung von Studiengebühren mit einbezieht, ist im föderalen Deutschland Sache der Länder und liegt somit bei den Landesregierungen. Um Änderungen in der Hochschulpolitik zu beeinflussen, ist die Landtagswahl im Mai 2010 daher weitaus entscheidender. Dies wird auch so bleiben, denn Union und FDP haben nicht vor, die Bildungspolitik zur Sache des Bundes zu machen. Wer also in Sachen Bildungspolitik etwas ändern möchte, muss sich noch sechs Monate gedulden und dann sein Kreuzchen setzen. Sarah Kaes und Niels Walker

Lang leben die Systeme - 60 Jahre danach Ein Land, zwei Systeme - so in etwa begann die Geschichte von Deutschland vor 60 Jahren und endete vor genau 20 Jahren in der Wiedervereinigung. Ein Land, zwei Systeme - so lautet der Slogan für Chinas geteilte Regierungsform namens Sozialismus plus kapitalistisch geprägter und in der Gesetzgebung weitgehend unabhängiger Sonderwirtschaftszone. Beide Regierungsformen sind nun 60 Jahre alt. In China wurde dies am 1. Oktober mit einer monumentalen Militärparade entlang des berühmten Mao-Konterfeis mit "Chinaböller"-Numeristik am Himmel von Beijing gefeiert. Im Falle Deutschlands habe ich erst die Klick-trächtige Bildergalerie der Zeit.de sicherheitshalber kalendarisch überprüft, denn gefühlter Maßen begannen deutsche Publikationen bereits seit der Pubertät der Wiedervereinigung alljährlich ihre Oktober/November-Ausgaben Schwarz-Rot-Gold zu bepinseln und Trabbi vs. Benz ´-Schicksale aufzufahren, so dass ich mir gar nicht sicher war, was wir dieses Jahr denn feiern. Ich sollte mich schämen, aber ich war drei Jahre alt als die Mauer fiel. Heute trennt die zwei Systeme kein Eiserner Vorhang, sondern verbindet ein Pipeline aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft: Nicht nur Chinas berühmtes "Tsingdao"-Exportbier wird wie seit Wilhelm II. nach deutscher Rezeptur gebraut, während bei uns ihre Feuerwerkskörper am Himmel brodeln. Nicht am 3. Oktober, aber immerhin. Maximiliane Koschyk

Kanzlerin, Runde 2 "Beim ersten Mal war's ne Sensation…" - ich sollte es mir selbst aus Scham und Kultivierung verbieten, eine Fussball-Kombo in Verbindung mit einem feministisch einschlagendem Thema zu kombinieren, da es den Attraktivitätsgrad von Pink hat - einer Farbe, die ich modisch bedingt, auf Bucheinbänden von Charlotte Roche-Publikationen und "PorNo"-Stickern von Alice Schwarzer-Kampagnen hat: Keinen. Aber ich mochte die Sportfreunde vor geraumer Zeit und ich mochte es, dass Angela Merkel Kanzlerin wurde, denn ich fand sie einfach besser als Schröder oder Steinmeier. Ich mochte nicht jeden ihrer Programmpunkte, aber ich mochte auch nicht jeden der SPD; ich mochte nicht ihre unmittelbare Vorgeschichte aus der Ära Kohl, aber ich mochte ihr Engagement nach dem Mauerfall und ihre Positionierung als Frau, nicht nur in der Politik an sich, aber speziell in der CDU. Ich erhoffte mir eine bessere Frauenpolitik, mit einer Frau an der Spitze. Das klingt schwarz-weiß, aber die Erfahrung mit einem Mann als Kanzler hatte diesen Umkehrschluss zeitweilig nicht anders zugelassen. Von einer Frauenpolitik, die auf die Ergebnisse für weibliche Bürger und für eine Gleichstellung beider Geschlechter abzielt, wurde ich zwar enttäuscht, aber ich wurde von einem Bild überzeugt: Von einer Frau in einer Führungsposition, die sich nicht nur neben Männern, aber den wohl dominantesten unter den europäischen bis internationalen Mannsbildern namens Busch, Berlusconi und Blair/ Brown behauptet hat. Sie hat gezeigt, dass Politik keine Männersache ist und dass Gleichstellung möglich ist. Sie hat an sich selbst ein Exempel statuiert, nun hat sie die Chance, es an unserer Gesellschaft zu tun. Maximiliane Koschyk

Foto: CDU/Andreas Herzau by Katinka Krieger Repräsentanz

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Internet in China: Lange Leitung

Als die Entscheidung fiel, dem Studium zu Liebe ein Jahr nach China zu gehen, hatte die Liebe selbst noch kein Wort mitzureden. Doch zwei Wochen nachdem die Bewerbung für die Universität an der Küste im Südosten abgeschickt war, lernte ich meinen Freund kennen. Absoluter Zufall, übelstes Schicksal, nicht mal aus Köln, wir übten von Anfang an für den Ernstfall Fernbeziehung mit dem Internet als treuer Begleiter. Als "Digital Natives" wird unsere Generation bezeichnet, das Internet ist uns alltäglicher Gebrauchsgegenstand, der soziale Netze knüpft und hält. Wir präsentieren uns auf "Facebook", "skypen", "googlemailen", in Deutschland wird in Unwörtern auch noch "gegruschelt". Mit einer Flatrate lassen sich Telefonkosten niedrig und die Kontaktrate hoch halten; persönlich reicht mein Internet-Pensum von der Verabredung zum Kaffee über die Besprechung der Einkaufsliste mit den Mitbewohnern, wenn man noch in der Bibliothek sitzt bis hin zur allseits unbeliebten Studienplanung über die Online-Systeme der Universität. Internet ist nicht nur Zukunft, sondern unsere Gegenwart, genau diese Zeilen hier sind einzig und allein online zu lesen, im Studentenmagazin 2.0. Nun also der Umzug ins Ausland, ans andere Ende der Welt und hinter sich lassend eine Liebe, eine Familie, eine ganze Stadt Freunde. So schwer scheint es anfangs nicht, schreibt man sich doch eh täglich neben den Mensa-Essen und gemeinsamen Kursen, WG-Essen und Kneipenbesuchen noch Nachrichten, telefoniert und chattet, alles mit dem Internet. Warum sollte es nun also anders werden.

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Erstens einmal, die Zeitverschiebung: Im Osten geht die Sonne auf, in Südostasien sechs Stunden früher als in Europa. Bisweilen stehe ich auf, wenn andere zu Bett gehen. Das passiert gut und gerne auch in Deutschland, aber wenn anders wo gerade ein Tag zu Ende geht, man hier aber schon in zwei Stunden Unterricht hat, dann ist die Konversationsgrundlage erheblich schief. Zweitens wäre China nicht "China - des Investigativmagazins liebste Titelreportage" würde der Katalog der Menschenrechtsverletzung nicht auch den gravierenden Einschnitt in die Informationsfreiheit der Bürger durch Zensur des Internetzuganges beinhalten. Wie man dagegen vorgehen kann? Als Bürger, Nutzer vorerst nur technisch - ein VPNClient-Programm gewährt Anonymität beim Surfen, Besuche auf Facebook, Youtube, BBC.com etc. bleiben unentdeckt und folglich nicht gesperrt. Solange, bis das Programm entdeckt und technisch außer Kraft gesetzt wird. Das Thema ist heikel und in China Tabu. Durch Filter und Sperren, Kooperationen mit Unternehmen wie Google, Microsoft und Yahoo werden kritische und politische Themen ausgespart, ausgesperrt. Freies Internet bedeutet Gefahr, so scheint es die Regierung zu empfinden, so beginnt der Nutzer sich zu fürchten. Mein Wissen aus Deutschland, die Kenntnis über Veröffentlichungen der "Reporter ohne Grenzen" lassen mich wohl als Verfasserin dieses Beitrags die Lage erkennen. Nennen werde ich sie nicht. Ich werde journalistisch unprofessionell handeln und den Leser auffordern: Recherchiert es doch selbst. Die Schlagwörter muss ich einem wachen Geist kaum nennen, aber so viel verrate ich: Ich habe sie bei Google eingegeben und unzählige Treffer gehabt. Keiner davon konnte aufgerufen werden. Das ist die Praxis, die Theorie verbirgt sich hinter eben jener Blockade. Als Verfasserin bin ich auch unfassbar nervös. Denn ich bin keine Journalistin. Keine Journalistin eines großen,

millionenschweren deutschen, europäischen oder amerikanischen Verlags, dass mich vor der Straftat des "Cyber-Dissidendismus" schützen kann. Ich bin eine Austauschstudentin, die wie ihre Kommilitonen bei der Einführungsveranstaltung vom Dekan den freundlichen Hinweis erhält: "Wenn ihr Probleme mit der Polizei bekommt, werden wir euch nicht helfen". Dann schluckt man, dann denkt man an all die Kritikpunkte über das Land nach, in dem man doch nun leben und lernen möchte. Aber auch das heißt Lernen: Akzeptieren, im Zweifelsfall respektieren. Wenn ich in Deutschland bin, auf "sicherem Boden" werde ich darüber schreiben können, nun darf ich es nicht. Ich arrangiere mich mit der Situation: Mein Blog-Publisher ist gesperrt, also schicke ich die Beiträge einer Freundin und sie veröffentlicht sie. Youtube kann ich nicht benutzen und fange an zu realisieren, dass ich auf das neue Madonna-Video nach den ersten Erfahrungsberichten wohl auch verzichten kann. Ich benutze eine Googlemail-Adresse, auch wenn ich weiß, dass meine Nachrichten gefiltert und gelesen werden. Mein Facebook-Profil mag Staub ansetzen, gelegentlich werde ich es über den VPN-Client meiner Mitbewohnerin prüfen. Ich werde vielleicht auch selbst einen neuen Klienten finden. Runterladen kann ich ihn nicht, ich muss ihn mir im Webspace von Freunden hinterlegen lassen. So wie ich vor fast 10 Jahren gelernt habe, Emails zu schreiben, im Internet zu surfen, später zu "adden", "taggen", "poken" und "twittern", lerne ich jetzt zu verzichten, zu konzentrieren, umzudenken. Ich schreibe meinen Freunden lange Emails und Briefe. Ich packe in die Briefe Bilder oder lade sie in den Anhang. Ich habe immer noch mein soziales Netzwerk, ein Echtes - dafür brauche ich keine Klicks und Verlinkungen, sondern gemeinsame Interessen und Zuneigungen. Ich teile weiterhin mit meinen Freunden und Bekannten mein Leben, meine Erfahrungen und Emotionen. Und noch nie habe ich so viele Liebesbriefe geschrieben und gelesen. Maximiliane Koschyk

Du denkst dir, alt werden passiert jedem, nur dir nicht? Oder alt werden ist die Potenzierung von Furchtbar? Altern kann auch schön sein, wir zeigen es dir:

FeinSinn altert.

Wie schafft man afrikanische Wühlmäuse, Schleiereulen, ausgestopfte Tiere und Skelette in ein neues zuhause? Sind Elefanten brauchbare Umzugshelfer? Das Zoologische Institut der Uni Köln ist umgezogen.

ErkenntnisReich war dabei.

Jetzt ist endgültig jede Romantik unterm freien Himmel nur noch mit Schal und dickem Mantel möglich, warum also noch rausgehen?

ZeitGeist geht ins Kino und erzählt welche Filme man abseits des Mainstreams sich

Meeresrauschen, Temperament und Tequila sind viele Abenteuer mit noch mehr Sonne:

FernSicht reist nach Mexico, kommst du mit?

gut anschauen kann. Im warmen Kinosaal natürlich.

Vorschau

Hassen, Lieben, Revoltieren, Akzeptieren.

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Impressum

Herausgeber:

Verein zur Förderung studentischen Journalismus Köln e.V. www.vfsjk.de

ViSdP

Niels Walker

Chefredaktion:

Niels Walker

Art Direction:

Sebastian Herscheid

Bildredaktion:

Corinna Kern

Redaktion/Lektorat:

Miray Atli, Zora Beer, Simeon Buß, Robert Cherkowski, Veronika Czerniewicz, Jasmin Dienstel, Marcel Doganci, Christopher Dröge, Sabina Filipovic, Dennis Große-Plankermann, Felix Grosser, Sarah Kaes, Maximiliane Koschyk, Annika Kruse, Christiane Mehling, Johanna Regenhard, Iris Sygulla, Niels Walker, Niklas Wandt

Gestaltung/Layout:

Sven Albrecht, Sara Copray, Elisa Hapke, Sebastian Herscheid, Nina Schäfer, Elisabeth Weinzetl

Online:

Karin Hoehne

Fotografie:

Zora Beer, Simeon Buß, Veronika Czerniewicz, Maiko Henning, Corinna Kern, Maximiliane Koschyk, Christiane Mehling

Leitung d. Ausbildung:

Kathrin Mohr

Website:

www.meins-magazin.de

Erscheinungsweise:

monatlich

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