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Recht
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Werbung mit Prüfsiegeln Urteil des Bundesgerichtshofs „LGA tested“ Bärbel Hintermeier Mit seinem Urteil „LGA tested“ vom 21. Juli 2016 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass das Vorenthalten wesentlicher Informationen über ein Prüfzeichen für Haarentferner unlauter ist.
In seinem Urteil zog der BGH eine Paral-
Produkt „CURAMED Haarentfernungs-
lele zwischen einer sog. „Testwerbung“
gerät Silk’n Pro 2“ zu einem Preis von
und der Werbung mit Prüfzeichen. Ein
199 Euro. Neben den Produktabbildun-
Prüfzeichen liefere dem Verbraucher in
gen waren die Zeichen „LGA tested Qua-
kompakter und vereinfachter Form eine
lity“ und „LGA tested safety“ angebracht.
Information zu dem damit gekennzeich-
Die Werbung enthielt keinen Hinweis,
neten Produkt und werde als ein Zei-
wo Informationen zu den der Zeichen-
chen dafür verstanden, dass ein neutraler
vergabe zugrundeliegenden Prüfung zu
Dritter mit entsprechender Kompetenz
finden waren. Den Zertifizierungen des
die beworbene Ware nach objektiven
von der Beklagten angebotenen Haar-
und aussagekräftigen Kriterien geprüft
entfernungsgeräts waren Prüfungen vor-
habe.
ausgegangen, die der Hersteller und der
Dieses Urteil zur Werbung mit Prüfsie-
deutsche Importeur in Auftrag gegeben
geln hat ebenso Auswirkungen auf ge-
hatten. Zu den einzelnen Zertifizierungen
prüfte Lebensmittel. Viele Lebensmit-
gab es keine veröffentlichten Texte.
telhersteller werben mit verschiedenen
Entscheidung
beaussagen. Hinter Zeichen, wie bei-
Der BGH sieht in dem Vorenthalten von
spielsweise dem „V-Label“ für vegane
Angaben, wo der Verbraucher wesentli-
Lebensmittel, stecken bestimmte Prüf-/Ver-
che Informationen zu den eingeblende-
gabekriterien des entsprechenden Prüf-
ten Prüfzeichen finden könne, eine un-
institutes. Um eine informierte geschäft-
lautere Werbung i. S. v. § 5a Abs. 2 des
liche Entscheidung zu treffen, müsse der
Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb
Verbraucher lt. BGH Zugang zu diesen In-
UWG.
formationen haben, denn nur anhand der
Nach § 5a Abs. 2 1 UWG handelt un-
entsprechenden Prüfkriterien kann er die
lauter, wer im konkreten Fall unter Be-
Bewertung des Produktes nachvollziehen.
rücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Um-
In Kürze lag dem Urteil folgender Sach-
ständen benötigt, um eine informierte ge-
verhalt zugrunde: Die Beklagte bewarb
schäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1),
im März 2013 auf ihrer Internetseite das
und deren Vorenthalten geeignet ist, den
DLR | Oktober 2016
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Zur Person
LL.M. Dresden/ Exeter
Prüfzeichen als plakativ verdichtete Wer-
Sachverhalt
Bärbel Hintermeier
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Recht
« Kriterien zusammengefasst auf seiner ei-
Meldung
genen Website bereit zu halten.
Fleischverordnung aufgehoben
Verbraucher haben ein berechtigtes
Mit Wirkung zum 15. Juli 2016 ist die nationale Fleischverordnung
Interesse daran, nachvollziehen zu kön-
aufgehoben worden (Zweites Gesetz über die weitere Bereinigung
nen, welche Kriterien bei dem beworbe-
des Bundesrechts, G. v. 08.07.2016 BGBl. I S. 1594). Die Regelung ent-
nen und geprüften Produkt tatsächlich
hielt noch einige absolute Verkehrsverbote für Fleischerzeugnisse be-
geprüft worden sind, um sich so ein ge-
stimmter Herstellungsweise, die jedoch längst durch Gerichtsurteile
naues Bild von der entsprechenden Qua-
für unverhältnismäßig erklärt wurden. Auch mit der nunmehr vor-
litätsaussage machen zu können. Insofern
rangig geltenden EU-Lebensmittelinformations-Verordnung sind
sieht der BGH zwischen den Qualitätsur-
zahlreiche Regelungen der nationalen Verordnung nicht vereinbar.
teilen von Prüfzeichen und etwa dem von
Die Kenntlichmachungspflichten nicht verkehrsüblicher Zutaten sind
Stiftung Warentest keinen Unterschied.
nun weitgehend in den jüngst aktualisierten Leitsätzen für Fleisch-
Etwas anderes könne dann gelten, wenn
erzeugnisse beschrieben.
die Prüfkriterien für ein bestimmtes Prüf-
(Rempe)
zeichen abstrakt feststehen und allgemein bekannt sind. Das Urteil des BGH bezieht sich im Wesentlichen auf Werbung mit Prüfsiegeln
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Die Verbrauchererwartung bei Prüfsiegeln geht dahin, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt von einer neutralen, fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft worden ist.
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Verbraucher zu einer geschäftlichen Ent-
im Internet, in Zeitungsanzeigen und Pro-
scheidung zu veranlassen, die er andern-
spekten. Insoweit ist auch nachvollzieh-
falls nicht getroffen hätte (Nr. 2).
bar, dass der BGH ausführt, dass wegen
Das Gericht führt hierzu aus, dass die
des aus den Prüfzeichen ersichtlichen Prü-
Angabe einer Fundstelle mit näheren In-
fungsgegenstandes und der Erwartung
formationen zu den Prüfkriterien eine sol-
des Verbrauchers, das Zertifizierungsun-
che wesentliche Information i. S. d. § 5a
ternehmen habe das entsprechende Pro-
Abs. 2 UWG darstelle. Dabei ist eine Infor-
dukt anhand objektiver und aussagekräf-
mation deshalb wesentlich im Sinne von
tiger Kriterien und in neutraler Weise auf
§ 5a Abs. 2 UWG, wenn ihre Angabe un-
seine Qualität/Sicherheit geprüft, für den
ter Berücksichtigung der beiderseitigen
Verbraucher ein besonderes Bedürfnis be-
Interessen vom Unternehmer erwartet
stehe, sich vor dem Erwerb des mit Prüf-
werden kann und ihr für die geschäftli-
zeichen beworbenen Produktes zu in-
che Entscheidung des Verbrauchers zu-
formieren. Weiterhin sagt der BGH aber
dem ein erhebliches Gewicht zukommt.
auch, dass die Nutzung der Prüfzeichen als
In dieser Interessenabwägung ist das Inte-
plakativ verdichtete Werbung nicht beein-
resse des Unternehmens, die Information
trächtigt werde, denn es sei nicht erforder-
nicht zu erteilen, mit einzubeziehen, wo-
lich, dass in der Werbung selbst Angaben
bei insoweit der zeitliche und der kosten-
zu den Prüfkriterien gemacht werden, die
mäßige Aufwand für die Beschaffung der
den Zertifizierungen zugrunde liegen. Es
Information sowie möglicherweise beste-
reiche aus, dass in der Werbung auf eine
hende Geheimhaltungsbelange eine Rolle
Internetseite verwiesen wird, auf der für
spielen.
den Verbraucher nähere Informationen
Insoweit hält es der BGH dem Unter-
in Form von kurzen Zusammenfassungen
nehmer für zumutbar, eine Fundstelle für
der bei der Prüfung herangezogenen Kri-
die entsprechenden Prüfkriterien anzuge-
terien zur Verfügung stehen.
ben. Dies kann die Website des Prüfinsti-
dem Unternehmer im Blick auf die werb-
Bedeutung für Produktwerbung im Internet und Aufmachung von Etiketten
liche Ausnutzung der Prüfzeichen und
Was bedeutet dies nun für die Werbung
die damit verbundenen Wettbewerbs-
mit Prüfsiegeln im Internet und der Nut-
vorteile zuzumuten, die entsprechenden
zung von Prüfsiegeln auf den Produkten
tutes sein oder, falls dort solche Informationen nicht vorhanden sein sollten, sei es
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Oktober 2016 | DLR
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Recht
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selbst? Diese sollten so umgestellt werden, dass sie diesem Urteil Rechnung tragen. Dabei ist zunächst zu unterscheiden zwischen Werbung mit den Prüfsiegeln im Internet, in Prospekten etc. und den Etiketten der Produkte selbst als Werbeträger. Eine einfache Lösung könnte dadurch zu erreichen sein, dass der Unternehmer auf seiner Website eine leicht auffindbare Kategorie erstellt, bspw. „unsere Prüfzeichen“ oder Ähnliches. Unter dieser könnten sodann alle vom Unternehmen verwendete Siegel aufgeführt und mit entsprechenden Links zu den jeweiligen Prüfkriterien versehen werden. Diese Links können dann auf eigene „Unterseiten“ der Unternehmenswebsite verweisen oder auf die Seiten der entsprechenden Prüfinstitute, wo die entsprechenden
Kunde alle für seine Kaufentscheidung
Kriterien zu finden sind. Auf dem jewei-
nötigen Informationen auf einen Blick
ligen Produkt müsste dann nur die Web-
und er kann im Laden dann zunächst von
adresse des werbenden Unternehmens
dem Kauf ablassen und sich ggf. vorab in-
angegeben werden.
formieren.
Produktetiketten als Werbeträger im
Die entsprechende Aufmachung des
Supermarkt selbst sind insoweit nicht von
Prüfsiegels und seiner Zusatzinformati-
der Entscheidung erfasst, als man als Ver-
onen kann dann sowohl für Werbung
braucher im Supermarkt insoweit keine
im Internet verwendet werden als auch
Möglichkeit hat, sich vor dem Kauf über
für die Etiketten. Denkbar wäre es, zu-
die Prüfkriterien zu informieren. Den-
sätzlich mit sog. QR-Codes zu arbeiten,
noch kann hier ein pragmatischer Lö-
bei deren Scannen mit dem Smartphone
sungsansatz helfen, zukünftige Konflikte
der Verbraucher direkt auf die entspre-
zu vermeiden. So könnten sich Unter-
chende Website zu den Prüfkriterien ge-
nehmen zur Gestaltung der Angabe der
langt, so wäre es den meisten Verbrau-
Fundstelle zum Prüfsiegel an dem Logo
chern bei Bedarf möglich, bereits im
von Stiftung Warentest orientieren. Denn
Supermarkt entsprechende Informatio-
zu dieser Art von Werbung zieht der BGH
nen abzurufen.
schließlich seinen Vergleich. Aus dem Logo von Stiftung Warentest geht – abgesehen von der vergebenen Note – bspw. Folgendes hervor: das Produkt, das getestet wurde (hier im Bsp.: 37 Fahrradschlösser), wann getestet wurde (hier: Ausgabe 4/2013) und wo die Testkriterien nachgelesen werden können (www.test.de). Weiterhin ist hier zwar deutlich eine Aufteilung zwischen dem Logo (Stiftung Warentest – test) und den grau hinterlegten Informationen erkennbar, dennoch erscheint das Gesamtzeichen einheitlich. Auf diese Weise bekommt der
DLR | Oktober 2016
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Kontakt Bärbel Hintermeier LL.M. Dresden/Exeter meyer.rechtsanwälte Sophienstr. 5 80333 München www.meyerlegal.de hintermeier@meyerlegal.de
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Die Aufmachung eines Produktes mit Prüfsiegeln sollte so gestaltet sein, dass ein deutlicher Hinweis auf die Fundstelle der entsprechenden Informationen zu den Prüfkriterien auf der Verpackung angebracht wird, um eine informierte Verbraucherentscheidung zu gewährleisten.
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