Werbung für alkoholische Getränke im Lichte der Health Claims Verordnung zugleich eine Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Az.: I-20 U 183/09 („Underberg“)
Dr. Markus Kraus Maître en Droit (Bordeaux)
Zuvor veröffentlicht Verlag
WRP – Wettbewerb in Recht und Praxis 8/2010 Erscheinungsjahr: 2011 Herausgeber
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8/2010
Kraus – Werbung für alkoholische Getränke im Lichte der Health Claims Verordnung
Dr. Markus Kraus, Maître en Droit (Bordeaux)* Rechtsanwalt, München
Werbung für alkoholische Getränke im Lichte der Health Claims Verordnung zugleich eine Anmerkung zu OLG Düsseldorf, Az.: I-20 U 183/09 („Underberg“)
Inhalt I.
Einleitung
II.
Entscheidung des OLG Düsseldorf
III. Die prozessuale Komponente der HCVO 1. Vorlage an den EuGH dem Hauptsacheverfahren vorbehalten 2. Auslobung seit dem Jahr 1846 IV. Die materiell-rechtliche Komponente der HCVO 1. Autonome Auslegung des Gesundheitsbegriffs 2. Historische Auslegung 3. Am Wortlaut orientierte Auslegung 4. Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten V.
Zusammenfassung
I.
Einleitung
Die sog. Health Claims Verordnung (EG) Nr. 1924/20061) (nachfolgend: HCVO) ist zum 1. Juli 2007 in Kraft getreten und unterzieht nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben für Lebensmittel einheitlichen Vorgaben in der Europäischen Union. Sie ergänzt die bereits bestehenden Vorschriften über die Etikettierung2) und Nährwertkennzeichnung3) von Lebensmitteln sowie die Werbung4) und ist infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unmittelbar von den Behörden und Gerichten der Mitgliedstaaten zu beachten.5) Wer sich jedoch von der HCVO eine erhöhte Rechtssicherheit in Bezug auf die Kennzeichnung von Nährwert- oder Gesundheitsangaben oder gar Innovationen und einen fairen Wettbewerb im Lebensmittelsektor versprach6), wird enttäuscht sein.
worbener Produkte zahlreichen Ungewissheiten aus.7) Von der Komplexität der einzelnen Regelungen zeugt bereits eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, die sich trotz der zahlreichen, teils langjährigen Übergangsvorschriften der HCVO mit wichtigen Anwendungsfragen der Verordnung befassen. So stellen unzulässige nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben – neben ihrer ordnungsrechtlichen Relevanz8) – regelmäßig ein wettbewerbswidrig relevantes Verhalten i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar.9) Besondere Schwierigkeiten bestehen insbesondere im Bereich der Kennzeichnung und Bewerbung alkoholischer Getränke. Grund hierfür ist das generelle, in Art. 4 Abs. 3 S. 1 HCVO normierte Verbot gesundheitsbezogener Angaben für alkoholische Getränke und die damit einhergehenden Auslegungs- und Abgrenzungsfragen.10) Vor diesem Hintergrund befasst sich der nachfolgende Beitrag mit den Anforderungen an die Auslobung und Bewerbung alkoholischer Getränke. Die Auswirkungen für die Rechtsanwendung werden hierbei exemplarisch an einer jüngst ergangenen Entscheidung des OLG Düsseldorf11) aufgezeigt.
II. Entscheidung des OLG Düsseldorf
Die Verordnung setzt mit ihren teilweise komplexen Vorschriften sowie noch nicht vorhersehbaren Entwicklungen die betroffenen Hersteller und Inverkehrbringer entsprechend be-
Das OLG Düsseldorf hatte darüber zu befinden, ob Angaben wie „besonders nach dem Essen – für den Magen – er tut einfach gut“, „weltweit im Dienste des Wohlbefindens“, „Wohlbefinden für den Magen“, „Garantie für höchste Bekömmlichkeit“, „appetitanregend/seine appetitanregenden Eigenschaften“ sowie „verdauungsfördernd/seine verdauungsfördernden Eigenschaften“ auf dem Etikett einer Kräuterspirituose unter das Verbot gesundheitsbezogener Angaben i. S. v. Art. 4 Abs. 3 HCVO fallen und insofern ein wettbewerbswidriges Verhalten i. S. v. § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG darstellen. Das Gericht konnte zwar aufgrund des lediglich auf die Sicherung eines Anspruchs beschränkten Eilverfahrens und die damit einherge-
* Der Verfasser ist Rechtsanwalt in der Sozietät meyer//meisterernst in München (info@meyer-meisterernst.de). 1) Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel vom 20. Dezember 2006, ABl. (EG) Nr. L 404, 9. 2) Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, ABl. (EG) Nr. L 109, 29. 3) Richtlinie 90/496/EWG des Rates über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, ABl. (EG) Nr. L 276, 40. 4) Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung, ABl. (EG) Nr. L 376, 21 (ex Richtlinie 84/450/EWG). 5) Vgl. nur Geiger, EGV/EUV, 4. Aufl. 2004, Art. 10, Rn. 32. 6) So die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, KOM 2003 (424 endg.), Rn. 6.
7) Zu den Anwendungsproblemen der Verordnung siehe Kraus, Die Health Claims Verordnung – erste Konsequenzen für die Rechtsanwendung, EWS 2009, S. 261 ff. 8) Zu der ordnungsrechtlichen Dimension der Health Claims Verordnung vgl. exemplarisch bereits VG Frankfurt (Oder), 7.2.2008, Az.: 4 K 455/04 – Anti Aging Bier –. 9) Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 28.7.2008, Az.: 37 O 74/08 – Bionade –; LG München I, MD 2009, 509 (510) – Z.E.L.L. Putzer –; siehe zu dieser Problematik instruktiv v. Jagow, Sind Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften lauterkeitsrechtlich immer relevant?, in: Reese u.a. [Hrsg.]: Festschrift für Doepner, 2008, S. 21 (27). 10) Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.8.2009, Az.: 8 A 10579/09 – „bekömmlich“ –; VG Frankfurt (Oder), Urt. v. 7.2.2008, Az.: 4 K 455/04 – Anti Aging Bier –; LG München I, Urt. v. 12.2.2009, Az.: 4 HK O 17977/08 – Z.E.L.L. Putzer –, MD 2009, S. 512; vgl. ferner LG Siegen, Az.: 7 O 6/08 – Energy Beer –, in der keine Entscheidung in der Sache erging. 11) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.03.2010, Az.: I-20 U 183/09, zitiert nach juris = ZLR 2010, S. 366 – 370.
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hende summarische Prüfung des Verfügungsanspruchs nicht abschließend klären, ob und in welchem Umfang eine Werbung mit den genannten Angaben im Lichte von Art. 4 Abs. 3 HCVO zulässig ist. Dennoch hat sich das Gericht in einer für ein einstweiliges Verfügungsverfahren atypischen Reflektionstiefe mit dem Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe auseinander gesetzt und zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht nur mangels Verfügungsgrund, sondern auch wegen erheblicher Zweifel an der Existenz eines Verfügungsanspruchs abgelehnt. In der Begründung des OLG kommen insofern sowohl die prozessuale als auch die materiellrechtliche Dimension der HCVO und die damit einhergehende Auswirkung der Verordnung auf das Wettbewerbsrecht zum Tragen.12)
III. Die prozessuale Komponente der HCVO 1.
Vorlage an den EuGH dem Hauptsacheverfahren vorbehalten
Das OLG Düsseldorf lässt zu Recht den Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits an der Existenz eines Verfügungsgrunds scheitern. Dem OLG Düsseldorf dient im Wesentlichen ein prozessualer Aspekt, um die Eilbedürftigkeit und damit den Verfügungsgrund abzulehnen. Das Gericht weist in seiner Entscheidung zutreffend darauf hin, dass die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen allein dem Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV (ex Art. 234 EGV) vorbehalten ist, um allgemeine Kriterien für die Anwendung von Art. 4 Abs. 3 Satz 1 HCVO zu gewinnen.13) Eine solche Vorlage an den EuGH käme nach Auffassung des Gerichts aber im vorliegenden Eilverfahren nicht in Betracht und könne nur im Hauptsacheverfahren erfolgen. Diese Begründung des OLG Düsseldorf ist zutreffend. Zwar eröffnet Art. 104a VerfO-EuGH auch im Rahmen eines Eilverfahrens die Vorlagemöglichkeit „bei außerordentlicher Dringlichkeit der Entscheidung über die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage“. Diese, durch den EuGH restriktiv14) und autonom15) interpretierte Vorschrift entbindet den nationalen Richter jedoch nicht, zur Wahrung des ihm verfassungsrechtlich obliegenden effektiven Rechtsschutzes16), gemeinschaftsrechtlichen Eilrechtsschutz auf nationaler Ebene zu gewähren.17) Innerstaatliche Gerichte sind infolgedessen auch im Lichte von Art. 104a VerfO-EuGH zum Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anrufung des EuGH befugt.
12) Zum Einfluss des europäischen Rechts auf das Wettbewerbsrecht vgl. allgemein nur Fezer, in: Fezer [Hrsg.]: UWG, 2. Auflage, 2010, Einleitung, Rn. 46–51 m.w.N. 13) Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.03.2010, Az.: I-20 U 183/09, Rn. 12. 14) So hat der EuGH selbst bei der Gefahr der Vereitelung bedeutender wirtschaftlicher Interessen die besondere Dringlichkeit abgelehnt. Siehe hierzu nur den Beschluss vom 15.9.2004 des EuGH, Rs. C-341/04 – Bondi/Bank of America u.a. –, nicht amtlich veröffentlicht, Rn. 12. 15) Eine im Rahmen eines Eilverfahrens dem EuGH unterbreitete Vorlagefrage durch ein Gericht der Mitgliedstaaten impliziert nicht automatisch eine „außerordentliche Dringlichkeit“ i.S.v. Art. 104a VerfO-EuGH, vgl. Beschluss vom 17.11.2004 des EuGH, Rs. C-363/04 – Michaniki AE u.a./Syndesmos Technikon –, nicht amtlich veröffentlicht, Rn. 7. 16) Vgl. nur BVerfG, NJW 1995, S. 2477 ff. 17) Vgl. Ottaviano, Der Anspruch auf rechtzeitigen Rechtsschutz im Gemeinschaftsprozessrecht, 2009, S. 70 m.w.N.
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Zudem verdient die Begründung des OLG Düsseldorf auch im Hinblick auf die systematische Ausgestaltung des Vorlageverfahrens Zustimmung. Das Vorabentscheidungsverfahren i.S.v. Art. 267 AEUV (ex Art. 234 EGV), das ein Instrument richterlicher Zusammenarbeit18) in Form eines Kooperationsverhältnisses auf horizontaler Ebene darstellt, dient der einheitlichen Anwendung und Auslegung des Unionsrechts und ist grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Eine Vorlagepflicht, sondern lediglich ein Vorlagerecht i.S.v. Art. 267 Abs. 2 AEUV, besteht bei Eilverfahren aber grundsätzlich nicht. Einem Eilverfahren folgt in der Regel ein Hauptsacheverfahren, so dass die Entscheidung im Eilverfahren keine letztverbindliche Entscheidung i.S.v. Art. 267 Abs. 3 AEUV (ex Art. 234 Abs. 3 EGV) darstellt, die das mitgliedstaatliche Gericht zur Klärung der Auslegungsfrage zur Anrufung des EuGH verpflichtet.19) Die Regelung von Art. 267 Abs. 3 AEUV will lediglich verhindern, dass sich in den Mitgliedstaaten eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit dem Auslegungsmonopol des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH nach Art. 19 EUV n.F. (ex Art. 220 EGV) nicht im Einklang steht. Diese Gefahr besteht jedoch im Eilverfahren nicht, da eine erneute Überprüfung im Hauptsacheverfahren erfolgt und für das dort zuständige Gericht weiterhin die Möglichkeit besteht, den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen. 2.
Auslobung seit dem Jahr 1846
Zudem weist das Gericht in tatsächlicher Hinsicht überzeugend darauf hin, dass die Spirituose bereits seit dem Jahr 1846 mit den streitgegenständlichen Angaben beworben wird und insofern für ein nur vorläufig wirkendes Verbot kein Raum sei. Die lange Bewerbung der Spirituose lässt daher im Hinblick auf die relativ kurze Zeit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens und die damit einhergehende Klärung der maßgeblichen Rechtsfragen ebenfalls die Dringlichkeit entfallen.
IV. Die materiell-rechtliche Komponente der HCVO Zu Recht äußert das OLG Düsseldorf auch erhebliche Zweifel an der Existenz eines Verfügungsanspruchs.20) Diese Begründung verdient Zustimmung. Sowohl aus einer historischen und am Wortlaut orientierten Auslegung des Gesundheitsbegriffs als auch aus der Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten folgt, dass die streitgegenständlichen Auslobungen den Anforderungen der Health Claims Verordnung entsprechen und daher zulässig sind. 1.
Autonome Auslegung des Gesundheitsbegriffs
Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung des Gerichts ist der Begriff der „gesundheitsbezogenen Angabe“. Hierunter ist nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO „[…] jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass
18) Vgl. EuGH, Rs. C-379/98 – Preussen Elektra –, Slg. 2001, I-2099, Rn. 38. 19) Vgl. EuGH, Rs. 107/76 – Hoffmann-La Roche/Centrafarm I –, Slg. 1977, 957, 970 ff.; ferner auch BVerfG, NVwZ 1992, S. 360. 20) Vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.03.2010, Az.: I-20 U 183/09, Rn. 13–25.
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ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht“ zu verstehen. Zunächst stellt das Gericht apodiktisch und zutreffend fest, dass das Tatbestandsmerkmal der „Gesundheit“ weder in der HCVO noch in anderen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts definiert sei. Darüber hinaus präzisieren aber auch die Erwägungsgründe, die bei der Anwendung und Auslegung von europäischen Sekundärrechtsakten als Rechtserkenntnisquelle heran zu ziehen sind21), nicht den Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe. Nur die Begründungserwägung 20 der HCVO weist darauf hin, dass gesundheitsbezogene Angaben nach einer wissenschaftlichen Bewertung auf höchst möglichem Niveau zugelassen werden sollten. Weitergehende Erläuterungen hinsichtlich des Begriffs der Gesundheit enthält die HCVO nicht. Auch primärrechtlich definiert Art. 168 Abs. 2 AEUV (ex Art. 152 EGV) den Begriff Gesundheit nicht, sondern setzt diesen voraus.22) Der Gesundheitsbegriff ist lediglich in der Satzung der WHO definiert, auf die das OLG Düsseldorf zur Auslegung des Gesundheitsbegriffs zu Recht nicht abstellt. Die Satzung bezeichnet „Gesundheit“ als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“. Ein Rückgriff auf diese weite Definition, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung23) zur Auslegung des Gesundheitsbegriffs i. S. v. Art. 168 Abs. 2 AEUV (ex Art. 152 EGV) heranzieht, verbietet sich bereits aus systematischen Überlegungen, da die HCVO und die WHO-Satzung von unterschiedlichen Normsetzungsgebern stammen. Weder die Europäische Kommission24) noch der Rat25), der als Hauptrechtsetzungsorgan im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV (ex Art. 251 EGV) fungiert, haben die weite, in der WHO-Satzung enthaltene Definition übernommen. Der sachliche Anwendungsbereich des Gesundheitsbegriffs i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist daher durch eine autonome Auslegung des Gemeinschaftsrechts unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung des Begriffs der „gesundheitsbezogenen Angabe“ im Rechtsetzungsverfahren sowie dessen Wortlaut im Verordnungstext zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund sowie rechtsvergleichenden Überlegungen mit der überkommenen österreichischen Verwaltungspraxis sind die streitgegenständlichen Auslobungen der Kräuterspirituose keine gesundheitsbezogenen Angaben und werden – wie das OLG Düsseldorf zutreffend feststellt – nicht von der HCVO erfasst. 2.
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Historische Auslegung
Aus der historischen Auslegung von Art. 10 Abs. 3 HCVO folgt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Aussagen „U. welt21) Vgl. EuGH, Rs. C-348/04 – Boehringer/Swingward –, Slg. 2007, I-3391, Rn. 51. 22) Vgl. Lurger, in: Streinz (Hrsg.), Art. 152, Rn. 9; Schmidt am Busch, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Art. 152, Loseblatt, 40. Auflage 2010, Rn. 6. 23) Vgl. EuGH, Rs. C-84/94 – Großbritannien/Rat –, Slg. 1996, I-5755, Rn. 15. 24) Vgl. Art. 2 Abs.2 UAbs. 5 des Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, KOM (2003) 424 endg. 25) Vgl. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 des Gemeinsamen Standpunkts (EG) Nr. 3/2006 vom Rat festgelegt am 8. Dezember 2005, ABl. (EG) Nr. C 80 E/43.
weit im Dienst des Wohlbefindens“, „besonders nach dem Essen – für den Magen – er tut einfach gut“ und „Wohlbefinden für den Magen“ lediglich um einen Hinweis auf das allgemeine, nicht gesundheitsbezogene Wohlbefinden handelt, der nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der HCVO fällt. Nach Art. 10 Abs. 3 HCVO sind allgemeine, nicht spezifische Vorteile eines Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden zulässig, wenn ihnen eine in der Liste nach Art. 13 oder Art. 14 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist. Aus einer Normgenese dieser Vorschrift folgt, dass der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe restriktiv auszulegen ist.26) Im ursprünglichen Vorschlag der Kommission27) waren in Art. 11 allgemeine gesundheitsbezogene Angaben aufgeführt, die verboten werden sollten. Nach Art. 11 Ziff. 1 a) des Vorschlags waren „Angaben, die auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Nährstoffs oder Lebensmittels in Bezug auf allgemeine Gesundheit und Wohlbefinden verweisen“ nicht zulässig. Dieses weite Verbot sollte für jede gesundheitsbezogene Bewerbung und Kennzeichnung von Produkten gelten, soweit diese nicht ausdrücklich genehmigt sind, umfasste aber auch unspezifische Werbeaussagen, die sich auf die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden bezogen. Das Verbot wurde als zu weitreichend von dem Europäischen Parlament in 1. Lesung28) gestrichen und im Gemeinsamen Standpunkt29) entsprechend abgeändert. Der Wortlaut der ursprünglichen Definition des Kommissionsvorschlags ging stark modifiziert in Art. 10 Abs. 3 HCVO auf. Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 10 Abs. 3 HCVO erstreckt sich somit nur auf Angaben über das „gesundheitsbezogene Wohlbefinden“, nicht hingegen auf solche des „allgemeinen Wohlbefindens“.30) Insofern folgt aus der Normgenese, dass das gesundheitsbezogene Wohlbefinden nur einen Ausschnitt des allgemeinen Wohlbefindens darstellt31) und der Gesundheitsbegriff restriktiv auszulegen ist. Ob eine Angabe (noch) als Aussage über das gesundheitsbezogene Wohlbefinden in den sachlichen Anwendungsbereich der HCVO fällt, ist nach Art. 10 Abs. 3 HCVO anhand der in Art. 13 Abs. 1 und 14 HCVO genannten Funktionen zu bestimmen.32) Weder die Aussage „U. weltweit im Dienst des Wohlbefindens“, noch die Angabe „besonders nach dem Essen – für den Magen – er tut einfach gut“, noch der Hinweis „Wohlbefinden für den Magen“ lässt sich unter die in Art. 13 bzw. Art. 14 HCVO genannten Funktionen subsumieren. Daher ist es konsequent, 26) Vgl. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.4.2009, Az.: 6 U 238/08. 27) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, KOM (2003) 424 endg. 28) Vgl. Änderungsantrag 20 des Europäischen Parlaments vom 3. März 2005; siehe ferner von Dannwitz, Werbe- und Anreicherungsverbot: Stand und Perspektiven der Auseinandersetzung, ZLR 2001, S. 201 (205 f.). 29) Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 3/2006 vom Rat festgelegt am 8. Dezember 2005, ABl. (EG) Nr. C 80 E/43. 30) Vgl. Kraus, Die Health Claims Verordnung – erste Konsequenzen für die Rechtsanwendung, EWS 2009, S. 261 (267). 31) Vgl. Meyer, Lebensmittel- und Heilmittelwerbung in: Fezer (Hrsg.), UWG, 2. Auflage 2010, § 4 – S4, Rn. 325 f.; Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims, Art. 2, Rn. 24. 32) Zu den Arten gesundheitsbezogener Angaben im Lichte der Health Claims Verordnung vgl. instruktiv Meyer, Lebensmittel- und Heilmittelwerbung in: Fezer (Hrsg.), UWG, 2. Auflage 2010, § 4 – S4, Rn. 307 f.; ferner Jung, Die Health Claims Verordnung, WRP 2007, S. 389 (393–395).
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wenn das OLG Düsseldorf in den Angaben einen Hinweis auf das allgemeine Wohlbefinden sieht und diese daher nicht als gesundheitsbezogene Angaben i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 HCVO i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Satz 1 HCVO qualifiziert. 3.
Am Wortlaut orientierte Auslegung
Ferner folgt aus einer am Wortlaut orientierten Auslegung, dass die durch das OLG Düsseldorf geäußerten Zweifel an der Unzulässigkeit der Aussage „Garantie für höchste Bekömmlichkeit“ zutreffend sind. Damit tritt das Gericht einem gegenteiligen, in der Literatur33) zu Recht heftig kritisierten und derzeit in der Revisionsinstanz beim BVerwG (Az.: 3 C 36.09) befindlichen Urteil des OVG Koblenz34) entgegen. Das OVG Rheinland-Pfalz sah in der Verwendung des Begriffs „bekömmlich“ bei der Etikettierung und Bewerbung von Weinen einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 der HCVO, ohne sich mit dem Funktionszusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der Gesundheit auseinander zu setzen. An einem solchen fehlt es jedoch bei der Auslobung „bekömmlich“ bzw. „Garantie für höchste Bekömmlichkeit“. Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO ist es erforderlich, dass die betreffende Angabe suggeriert, dass ein Zusammenhang zwischen dem Lebensmittel und der Gesundheit besteht. Diese Angabe darf nicht nur rein hypothetischer Natur sein, sondern muss vielmehr qualifiziert auf die Fallgruppen des Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 der Verordnung abzielen.35) An einem solchen Funktionszusammenhang zwischen der Gesundheit und der Kräuterspirituose fehlt es vorliegend. Mit der Aussage „Garantie für höchste Bekömmlichkeit“ wird – ähnlich wie mit dem Begriff „bekömmlich“ – lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Kräuterspirituose den Körper und seine Funktionen nicht beeinträchtigt und insofern nicht zu nachteiligen Folgen führt. Es wird insoweit allein auf die Verträglichkeit des Getränks und damit auf das allgemeine Wohlbefinden Bezug genommen. Mangels Funktionszusammenhang liegt daher keine „gesundheitsbezogene Angabe“ i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 HCVO vor. 4.
Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten
Schließlich sind auch die durch das OLG Düsseldorf geäußerten Zweifel an der Unzulässigkeit der Aussagen „appetitanregend/seine appetitanregenden Eigenschaften“ sowie „verdauungsfördernd/seine verdauungsfördernden Eigenschaften“ berechtigt. Das Gericht stützt seine Begründung hierbei insbesondere auf Erwägungsgrund 5 der HCVO, der ausdrücklich traditionelle Bezeichnungen wie „Digestif“ von dem Anwendungsbereich der Verordnung auch dann ausnimmt, wenn sie Eigenschaften mit einem möglichen Gesundheitsbezug betreffen. Wollte man die streitgegenständlichen Angaben verbieten, so hätte dies nach Auffassung des Gerichts die Folge, dass eine 33) Vgl. Koch, Anmerkung zu OVG Rheinland-Pfalz – „bekömmlich“, ZLR 2009, S. 758 – 766; Kraus, „bekömmlich“ is a Health Claim – decides the OVG Rheinland-Pfalz, EFFL 2009, S. 438 f. 34) Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.8.2009, Az.: 8 A 10579/09 – „bekömmlich“ –. 35) Vgl. Meisterernst/Haber, Health & Nutrition Claims, Art. 2, Rn. 28.
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Spirituose zwar als Digestif bezeichnet werden dürfe, die damit angesprochene Wirkung für die Verdauung aber nicht verbalisiert werden könne. Eines solchen Begründungsaufwands hätte es jedoch für die im Ergebnis zutreffende Begründung nicht gebraucht; aus der Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten folgt, dass es sich bei den zu beurteilenden Auslobungen um Aussagen des allgemeinen Wohlbefindens handelt. Die zwischenzeitlich außer Kraft36) getretene, jedoch inhaltlich mit Art. 10 Abs. 3 HCVO vergleichbare Regelung des § 9 LMG 1975 regelte in Österreich, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Lebensmittel mit gesundheitsbezogenen Angaben ausgelobt bzw. nicht ausgelobt werden durfte. Das österreichische Bundeskanzleramt konkretisierte in einer Bekanntmachung aus dem Jahr 199937) die Vorschrift des § 9 LMG 1975, in dem es beispielhaft eine Vielzahl von Angaben als gesundheitsbezogen bzw. nicht gesundheitsbezogen einstufte. Dieser Runderlass qualifizierte als Begriffe des allgemeinen Wohlbefindens Angaben über Eigenschaften oder Wirkungen eines Lebensmittels wie „appetitanregend“, „leicht verdaulich“ oder „bekömmlich“. Die die österreichische Verwaltungspraxis insofern konkretisierende Bekanntmachung stufte die Aussage „appetitanregend“ nicht als gesundheitsbezogene Angabe i. S. des überkommenen § 9 LMG 1975 ein. Der österreichische Runderlass kann zwar nicht als Auslegungshilfe, aber als gewichtiges Indiz für die (bisherige) Verwaltungspraxis der Mitgliedsstaaten herangezogen werden.38) Die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der Gleichheitsgrundsatz verlangen, dass die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedsstaaten verweisen, in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen sind.39) Daher definiert die Gemeinschaftsrechtsordnung ihre Begriffe grundsätzlich nicht in Anlehnung an eine nationale Rechtsordnung40), sondern unter Berücksichtigung ihres Regelungszusammenhangs und des mit der Regelung verfolgten Zwecks.41) Inhalt und Tragweite der Begriffsbestimmung für gesundheitsbezogene Angaben sind somit anhand der HCVO unter besonderer Berücksichtigung der Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 und 10 Abs. 3 HCVO zu bestimmen, die nach Art. 288 Abs. 2 AEUV (ex Art. 249 Abs. 2 EGV), Art. 29 Satz 2 HCVO unmittelbar in all ihren Teilen in den Mitgliedsstaaten gelten. Die überkommene österreichische Rechtslage kann insofern nicht als Auslegungshilfe der HCVO, jedoch aber als gewichtiges Indiz für die bisherige Verwaltungspraxis der Mitgliedstaaten herangezogen werden.42) Ähnlich verhält es 36) Der EuGH qualifizierte § 9 Abs. 3 LMGB 1975 als ein mit dem freien Warenverkehr nicht zu vereinbarendes Handelshindernis, vgl. EuGH, Rs. C-221/00 – Kommission/Republik Österreich – Slg. 2003, I-1007, Rn. 54 f. 37) Runderlass des österreichischen Bundeskanzleramtes vom 2. Juni 1999 (Gz AV 31.901/31 – VI/B/12/99). 38) Vgl. in diesem Sinne auch Kraus, „bekömmlich“ is a Health Claim – decides the OVG Rheinland-Pfalz, EFFL 2009, S. 438 f.; Meyer/Kraus, Health-Claims-Verordnung: Ordnungs- und wettbewerbsrechtliche Implikationen, Nutrition 2010, S. 34 (37). 39) Vgl. EuGH, Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T. –, Slg. 1982, 3415, Rn. 19 f. 40) Vgl. EuGH, Rs. 65/81 – Corman/Hauptzollamt Kronau –, Slg. 1982, S. 13, Rn. 8; zuletzt EuGH; Rs. C-316/05 – Nokia Corp./Wärdell –, Slg. 2006, I-1208, Rn. 21. 41) Vgl. nur EuGH, Rs. 327/82 – Ekro –, Slg. 1984, Rn. 11; Rs. C-287/98 – Linster –, Slg. 2000, I-6917, Rn. 43. 42) Zur Bedeutung der mitgliedstaatlichen Verwaltungspraxis im Unionsrecht vgl. Schlussanträge des GA Tizzano vom 8. Februar 2001 – The Queen/Secretary of State for Trade and Industry –, Slg. 2001, I-4881.
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Schabenberger – Zur Eigenart und Erschöpfung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters
sich schließlich auch mit der in dem vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilenden Auslobung „verdauungsfördernd/seine verdauungsfördernden Eigenschaften“. Die Angaben „appetitanregend/seine appetitanregenden Eigenschaften“ sowie „verdauungsfördernd/seine verdauungsfördernden Eigenschaften“ sind daher lediglich als Angaben des allgemeinen Wohlbefindens zu qualifizieren, die nicht von dem sachlichen Anwendungsbereich der HCVO erfasst werden.
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Zusammenfassung
Der der vorliegenden Entscheidung des OLG Düsseldorfs zugrunde liegende prozessuale und materiell-rechtliche Begründungsansatz ist überzeugend. Bedauerlich ist lediglich, dass die Richter nicht auch den Verfügungsantrag mit den in der Sache
überzeugenden Argumenten ablehnten.43) Zugleich verdeutlichen aber die streitgegenständlichen Anwendungsprobleme sowie viele noch ungewisse Entwicklungen die Komplexität von Art. 4 Abs. 3 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 HCVO. Der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe i.S.v. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 5 HCVO stellt sowohl den Rechtsanwender als auch die Gerichte in den wettbewerbsrechtlich relevanten Bereichen ihres Anwendungsbereichs noch vor erhebliche Schwierigkeiten. Bei den sich hierbei abzeichnenden wettbewerbs- und ordnungsrechtlichen Fragestellungen sind in letzter Konsequenz juristische Auseinandersetzungen vor dem EuGH garantiert, bevor sich bei den Wirtschaftsteilnehmern die erforderliche Rechtssicherheit einstellen wird. Dies hat das OLG Düsseldorf treffend herausgearbeitet. 43) Insoweit zutreffend Schwinge, Bekömmliches Lebensmittel trifft unbekömmliches Gesetz, ZLR 2010, S. 370 (372).
Dr. Andreas Schabenberger1) Stuttgart
Zur Eigenart und Erschöpfung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters Zugleich Anmerkung zum Urteil BGH, I ZR 89/08 vom 22.04.2010 – Verlängerte Limousinen Inhalt A.
Einleitung
B.
Die Entscheidung „Verlängerte Limousinen“ I.
Sachverhalt
II. Anmerkungen zur Entscheidung des BGH 1. Die Schutzvoraussetzungen der Neuheit und Eigenart a. Neuheit b. Eigenart 2. Zum Schutzumfang 3. Der Schutzausschließungsgrund des Art. 8 Abs. 1 GGV 4. Die Erschöpfung gemäß Art. 21 GGV 5. Die territoriale Reichweite der Ansprüche a. Der gemeinschaftsweite Unterlassungsanspruch b. Die Folgeansprüche c. Die Auswirkung des Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO C.
Zusammenfassung
reren Themen des Gemeinschaftsgeschmacksmusterrechts geäußert, nämlich unter anderem zur Eigenart des Art 6 GGV, zur ausschließlich technischen Bedingtheit nach Art. 8 Abs. 1 GGV, zur Erschöpfung der Geschmacksmusterrechte gemäß Art. 21 GGV sowie zur territorialen Reichweite der durch die Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters begründeten Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung. Das Urteil „Verlängerte Limousinen“ ist damit im Wortsinn grundlegend und schon deshalb der näheren Betrachtung Wert. Es kommt hinzu, dass die Ausführungen des BGH nicht allein für das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht von Bedeutung sind, sondern in gleicher Weise für das deutsche Geschmacksmusterrecht, da das deutsche Geschmacksmustergesetz vom 12. März 20043) bekanntlich dem materiellen Recht der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung entsprechende und weitgehend inhaltsgleich formulierte Vorschriften enthält.
A. Einleitung Mit dem am 22. April 2010 verkündeten Urteil „Verlängerte Limousinen“ hatte der der BGH erstmals Gelegenheit sich mit dem eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster zu befassen2). Der BGH hat diese Gelegenheit genutzt und sich zu meh1) Der Autor ist Partner der Sozietät Gleiss Lutz, Stuttgart, er hat die Klägerin in den beiden ersten Instanzen des Verfahrens vertreten. 2) Zuvor hat sich der BGH in drei Urteilen zum nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmackmuster geäußert, und zwar zunächst mit den Urteilen „Jeans“ und „Jeans II“ (BGH WRP 2006, 75 = GRUR 2006, 79 – Jeans: Ansprüche aus ergänzendem wettbe-
werbsrechtlichen Leistungsschutz nach § 4 Nr. 9 lit. a UWG werden nicht dadurch ausgeschlossen, dass für das Erzeugnis Schutz für ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster besteht oder bestanden hat; bestätigt in BGH WRP 2006, 467, 468, Tz. 7 = GRUR 2006, 346 – Jeans II) und danach im Urteil „Gebäckpresse“ (BGH WRP 2009, 76 = GRUR 2009, 79 – Gebäckpresse: Der Schutz für ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster entsteht nur dann, wenn das Muster der Öffentlichkeit auf dem Territorium der Gemeinschaft erstmals zugänglich gemacht wird; eine Offenbarung außerhalb der Gemeinschaft ist neuheitsschädlich, wenn diese den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen bekannt sein konnte). 3) Das Geschmacksmustergesetz vom 12. März 2004 ist zur Umsetzung der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen erlassen worden. In Kraft getreten ist das Geschmacksmustergesetz vom 12. März 2004 am 1. Juni 2004, mit Ausnahme der §§ 26, 52 Abs. 2 und 63 Abs. 2, die am 19. März 2004 in Kraft getreten sind.
Notizen
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Dr. Markus Kraus Maître en Droit (Bordeaux), Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth) Dr. Markus Kraus, Jahrgang 1977, studierte von 1998 bis 2004 Rechtswissenschaft mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung in Bayreuth (Wirtschaftsjurist Univ. Bayreuth), Bordeaux (Maîtrise en Droit) und Mainz (Erstes Staatsexamen). In den Jahren 2000 und 2001 war er Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Deutsches und Europäisches Lebensmittelrecht der Universität Bayreuth. Von 2004 bis 2006 war Herr Dr. Kraus Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Europa- und Völkerrecht in Innsbruck. Nach Abschluss seiner Promotion in Passau und des Referendariats war Dr. Kraus von 2009 bis 2011 als Rechtsanwalt in der Kanzlei meyer//meisterernst rechtsanwälte tätig, seit 2012 bei meyer. rechtsanwälte. Während seines Studiums war Herr Dr. Kraus Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Der Schwerpunkt der Tätigkeit von Rechtsanwalt Dr. Kraus liegt im deutschen und europäischen Lebensmittelrecht sowie den daran angrenzenden
Rechtsgebieten. Er berät Mandanten in sämtlichen wettbewerbs- und ordnungsrechtlichen Fragestellungen. Dies umfasst insbesondere die Einführung neuer Produkte, die Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln und deren Zutaten, sowie von Zusatzstoffen einschließlich deren Zulassung und Abgrenzungsfragen (Lebensmittel/Zusatzstoffe sowie Lebensmittel/Arzneimittel). Herr Dr. Kraus ist Mitherausgeber der Textsammlung „Lebensmittelrecht“ (Verlag Österreich). Zudem ist seine Fachkenntnis durch zahlreiche einschlägige wissenschaftliche Publikationen im Bereich des deutschen, österreichischen und europäischen Lebensmittelrechts sowie des europäischen Wettbewerbsrechts ausgewiesen. Herr Dr. Kraus berät in deutscher, englischer und französischer Sprache.
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