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Konrad Willeit: Missionar Valentin Weber

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Vom Sonnendorf zum Aufgang der Sonne

Luftaufnahme von Brixen:

Wie Valentin Weber aus dem Virgental nach Borneo kam. 1 Pfarrkirche St. Michael ¦ Konrad Willeit, Vinzentinum, Brixen mit dem sog. Weißen Turm; Vor 150 Jahren war es nichts Außer- wanderung nach Amerika entschlos2 Dom Mariä gewöhnliches, wenn junge Männer und sen, dass die Bevölkerungszahl laut Aufnahme Frauen ihr sonnenverwöhntes Heimat- Statistik Austria von 1869 bis 1900 in den Himmel; dorf Virgen verließen und auswander- um knapp 150 Personen abnahm. 3 Jugendhaus ten. Junge, kerngesunde, kräftige Bur- Nicht so Valentin Weber vom Roa- Cassianeum; schen, die weder Anrecht auf einen Hof nerhof zu Göriach, einer Fraktion 1844–1926 noch als Handwerker auf eine Werkstatt hatten, suchten nicht selten ihr Glück in von Virgen. Ihn hätte ein ähnliches Schicksal treffen können, denn auch Augustiner Gymnasium; der Ferne. er stammte aus einer kinderreichen 4 Kralingerhaus; Familie. Ihn zog es zwar auch in die 5 PriesterIhnen wäre nur ein Schicksal geblie- Ferne, aber seine Pläne und Ziele seminar; ben, ihr Leben als Knechte oder Tagelöhner zu verbringen. Es ist belegt, dass in der zweiten Hälfte des 19. waren andere. Priester wollte er studieren! Bis dorthin lag aber ein beschwerlicher Weg vor ihm. Virgen 6 Die Schutzengelgasse in Stufels, dem ältesten Jahrhunderts gar einige Virger Bur- war damals nur mit einem Fuhr- und Stadtteil von schen und Mädchen sich zur Aus- Fußweg an das Iseltal angebunden. Brixen.

Pfarrkirche Virgen, dem hl. Virgilius von Salzburg geweiht. Eine der ältesten Kirchen Osttirols. Erst 1928 wurde das Virgental an das Straßennetz bei Windisch-Matrei angeschlossen. „Valentin Weber war kein Mann großer Worte, aber seine Werke und Taten sprechen heute noch für ihn!“ So spricht Pfarrer Cosmas Lee von St. Simon in Kota Kinabalu über Missionar Valentin Weber. Und er fährt fort: „Mit größter Hochachtung und geradezu Verehrung erinnern sich seine ehemaligen Pfarrkinder und Schüler an seine außergewöhnliche Güte und Menschenfreundlichkeit, ganz besonders aber an sein tiefempfundenes Mitleid mit den Armen und Notleidenden. Von vielen hier wird er sehr geliebt. Er ist geradezu ein Mythos für Sabah und vor allem für unsere Kirche.“

Wer war dieser Missionar, der in seiner Heimat Tirol fast vergessen ist? Einundvierzig Jahre lang hat Valentin Weber in Borneo segensreich für die Menschen und die Ausbreitung des katholischen Glaubens gearbeitet, 38 davon in Jesselton, dem heutigen Kota Kinabalu. In all der Zeit hat er Borneo nie mehr verlassen. Ohne zu übertreiben kann man sagen: sein umsichtiges Wirken hat entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Landes und der Kirche in Nordborneo, dem heutigen Sabah, bis heute.

In der Ausgabe Nr. l der „Virger Heimatblätter, Jg. 2005“ findet sich ein Artikel über das Leben von Valentin Weber. Dem Autor sind beim Ordnen eines Bildarchivs zwei Fotos in die Hände gekommen, die seine Aufmerksamkeit erregten. Eines davon trägt in englischer Sprache die Aufschrift: Hochw. Pater Valentin Weber, gestorben am 4. Feb. 1944, geboren am 16. 5.1878 in Virgen, Tyrol, Austria, usw. Damit war seine Neugier geweckt und er begann nachzuforschen, wer Valentin Weber war. Weber war der Familienname des ehemaligen Roanerbauern zu Göriach. Durch die Heirat des Anton Wurnitsch mit Maria Weber, einer Nichte des Missionars, änderte sich der Schreibname allerdings.

Am 16. Mai 1878 wurde Valentin in die mit 13 Kindern, fünf Buben und acht Mädchen, reich gesegnete Familie des Roanerbauern Paul Weber und der Maria Mariacher hineingeboren. Über seine Kindheit ist wenig bekannt, außer dass er eine fünfklassige Volksschule in Lienz besucht haben muss, denn im ersten Abschluss-

zeugnis des Schuljahres 1893/94 am öffentlichen Augustiner Gymnasium in Brixen, geführt von den Augustiner Chorherren von Neustift, steht unter der Rubrik: „Auszug aus dem von außen mitgebrachtem Zeugnis: 5. Kl., 2. Abteilung, von fünfklassiger Volksschule, Lienz“. Entweder hatte Valentin in Lienz Verwandte, bei denen er untergekommen ist, oder sein ehemaliger Pfarrer, Matthäus Stampfl, hat dafür gesorgt, dass der talentierte Bub, verspätet zwar aber doch, ab dem 9. Lebensjahr, die Volksschule in Lienz besuchen konnte.

Was wird in dem erst 15-jährigen Bauernsohn aus Virgen wohl vorgegangen sein, als er sich mit der gerade erst 22 Jahre alten dampfenden und schnaubenden Pustertal-Bahn auf dieReise nach Brixen zum Studieren begab? Als Privatist am Augustiner Gymnasium, dem heutigen Cassianeum, stand er zunächst ein Jahr lang unter der Obhut des bekannten Theologieprofessors Aemilian Alois Ignaz Schöpfer (1858-1936), dem Begründer des „Tiroler Volksboten“ und des „Tiroler Anzeigers“, sowie des Tyrolia Verlages, aus dem später der Athesia-Verlag hervorgegangen ist. Im Abschlusszeugnis der ersten Klasse des Schuljahr 1893/94 ist nämlich zu lesen, dass Valentin Weber bei einer gewissen Frau Anna Gasser in der Schutzengelgasse Nr. 254 in Brixen „privat“ gewohnt habe und dass sein „verantwortlicher Aufseher“ Dr. Aem. Schöpfer, wohnhaft in der Neugasse Nr. 182, war. Man kann zurecht annehmen, dass Aemilian Schöpfer als Mentor die Obsorge für den Jungen übernommen hat, weil er ihn aus seiner Zeit als Kooperator in Virgen im Jahr 1887 kannte und um seine Talente wusste. Bereits im folgenden Jahr, am 17. September 1894, wechselt Weber von der privaten Unterkunft in das im Februar 1892 von den Josefs-Missionaren angekaufte und notdürftig adaptierte Kralingerhaus in der Runggadgasse Nr. 188. Der 1893 zum zweiten Rektor des Missionshauses ernannte Alois Stotter aus Oberlienz sorgte dafür, dass sein Landsmann Valentin weiterhin das Gymnasium besuchen konnte. Valentin war ein sehr fleißiger, vorbildlicher und leistungsmäßig ausgezeichneter Schüler. Umso verwunderlicher ist es, dass er nach sechs Jahren, zwei Jahre vor der Matura, das Gymnasium verlässt und ein Jahr bei den Josefs-Missionaren verbringt und Philosophie studiert. Vielleicht hatte er es eilig, das Theologiestudium zu beginnen. Möglicherweise hatte ihm der 1897 neu ernannte Rektor Bartholomäus Niederfriniger geraten, im Hinblick auf die Arbeit in der Mission auf die Matura zu verzichten.

Bevor Valentin im September 1899 nach Mill Hill in London zum Theologiestudium reist, legt er am 29. Juni 1899, dem Hochfest Peter und Paul, erst 21-jährig im Missionshaus den ewigen Missionseid ab. Dabei wird

Der Roaner zu Göriach, der elterliche Hof von Valentin Weber mit den Initialen

P W – 1855

(= Paul Weber) unter dem Giebel.

Das Herz Jesu Bild in der Pfarrkirche Virgen. Die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu hat Valentin Weber nach Borneo mitgenommen.

Andenktafel an die Primiz von Valentin Weber am 9. Oktober 1920 ihm das rote Zingulum überreicht, die blutrote Schleife, welche die Josefs-Missionare um die Körpermitte zu tragen pflegen, als Zeichen voller Bereitschaft, sich für die Mission und die Verkündigung des Evangeliums einzusetzen, unter Umständen sogar bis zur Hingabe des eigenen Lebens. Bereits drei Jahre später wird Valentin Weber am 20. September 1902 in London zum Priester geweiht.

Die Brixner Chronik vom 4. Oktober 1902 notiert in einem Kurzbericht aus Windisch-Matrei: „Am Samstag, den 27. September ist der am 20. September zu London neugeweihte Valentin Weber gesund und wohlbehalten hier angekommen, nachdem er vier volle Tage und Nächte ununterbrochen auf der Reise war. Seine Landsleute, die Virgener, haben sich bemüht, dem jungen Missionspriester in seiner Heimatgemeinde einen möglichst festlichen Empfang zu bereiten. Am 9. Oktober wird er in Virgen seine feierliche Primiz halten und im Dezember 1902 in die Missionen nach Borneo reisen.“

Unter der Rubrik Eigenberichte in der Zeitschrift Der Tiroler vom 25. September 1902 teilt das St. JosefsMissionshaus der interessierten Leserschaft mit: „Heuer werden wieder drei aus diesem Missionshaus hervorgegangene jugendliche Glaubensboten in ferne Heidenländer ziehen. Es sind dies Hochwürden Vinzenz Halder, Valentin Weber und Karl Wohlfartstätter. Letzterer wird am 5. Oktober in Kössen und Weber am 9. Oktober in Virgen primizieren, wobei der hochwürdige Superior des Missionshauses, Father Sparber, die Primizpredigt halten wird. Anfangs Dezember werden dann die hochwürdigen Herren Halder und Weber nach Borneo und Wohlfartstätter nach Indien abreisen.“

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