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Fokus Gender-Gerechtigkeit
Starke Frauen für eine bessere Welt
Noch sind in keinem Land der Welt Menschen unterschiedlicher Geschlechter in allen Belangen gleichgestellt. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist ein globales Problem. Mission 21 bekämpft diese Ungerechtigkeit in all ihren Projekten und Programmen. Warum der Einsatz für Gender-Gerechtigkeit so wertvoll ist, zeigt sich unter anderem in den Projekten in Malaysia, Kamerun und Peru.
Text: Eva Sidler, Mission 21
zVg
Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Gegenden der Welt: Junia Anilik aus Malaysia, Rita Mbah aus Kamerun umd Yolanda Choquecota aus Peru. Ihr Alltag und ihr Umfeld sind sehr verschieden. Doch sie alle beschäftigt dasselbe Thema und sie arbeiten auf dasselbe Ziel hin: Alle Menschen sollen frei von Diskriminierung und Gewalt leben können. Alle Menschen – auch Frauen.
Rita Mbah koordiniert ein Projekt zur HIVPrävention in Kamerun, Junia Anilik arbeitet in Malaysia dafür, dass Frauen mehr Einkommen erwirtschaften können und Yolanda Choquecota setzt sich in Peru für die Rechte indigener Frauen ein.
Junia, Rita und Yolanda sind drei von vielen wichtigen Frauen in den Projekten von Mission 21, denn in allen Arbeitsbereichen ist das Ziel der Gender-Gerechtigkeit zentral. Die Beispiele, über die Sie auf den kommenden Seiten mehr erfahren, zeigen: Ob es um Einkommensförderung geht, um HIV-Prävention und Bildung oder um poltitische Teilhabe – überall stellt sich die Frage, ob Verbesserungen in diesen Bereichen wirklich allen Menschen zugutekommen und was es dafür braucht, dass dies der Fall ist.
Da die deutsche Sprache keinen Unterschied zwischen biologischem und sozialem Geschlecht macht, verwenden wir den englischen Begriff «Gender», um damit auf die gesellschaftliche Rolle verschiedener Geschlechter hinzuweisen. Diese gesellschaftliche Rolle berücksichtigt Mission 21 in all ihren Wirkungsbereichen. Das Ziel ist es, die Verletzlichsten einer Gesellschaft zu unterstützen und dazu gehören meist Mädchen und Frauen.
Helfen Sie mit
Die Beispiele aus Malaysia, Kamerun und Peru zeigen, wie der Einsatz für Frauen und Mädchen sich durch sämtliche Projekte von Mission 21 zieht. Gender-Gerechtigkeit auf allen Ebenen zu berücksichtigen, ist Ziel des «Gender-Mainstreaming», einer der Handlungslinien unseres Programms für Gender-Gerechtigkeit. Helfen Sie mit, Frauen und Mädchen vor Übergriffen zu schützen und ihnen Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Einkommen zu ermöglichen.
Programm für Gender-Gerechtigkeit: Nr. 840.1005 Spenden: Konto PC 40-726233-2, oder mission-21.org/spenden Mehr Informationen: www.mission-21.org/gender
Malaysia: Einkommen für Frauen – Gewinn für alle
Junia Anilik arbeitet für ein Projekt zur Einkommensförderung für indigene Gemeinschaften in Malaysia. Sie sagt: «Wenn Frauen ihr eigenes Einkommen haben, gleicht das Machtverhältnisse aus. Die Frauen gewinnen die Freiheit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.» Bei ihrer Arbeit stellt sie immer wieder fest, dass die Aktivitäten, die Frauen ein eigenes Einkommen ermöglichen, zu gleichberechtigteren Gemeinschaften führen.
In Malaysias ärmstem Bundesstaat Sabah ist Mission 21 mit Projekten für Bildung und Einkommensförderung präsent. Diese tragen dazu bei, starke Gemeinschaften zu bilden. Dabei fokussieren die Projekte auf die Förderung von Frauen, denn Frauen sind stärker von Armut betroffen als Männer. Das Einkommensförderungsprojekt bietet unter anderem Weiterbildung in traditionellen Handarbeiten an, zum Beispiel dem Fertigen von Hüten, bestickter Kleidung oder Webteppichen. Gemeinsam vermarkten die Ausgebildeten anschliessend ihre Produkte. Sie sind dabei erfolgreich: Mit dem erwirtschafteten Einkommen tragen sie dazu bei, ihre Familien zu ernähren und unterstützen soziale Initiativen ihrer Gemeinden.
Noria Majaman, die Projektkoordinatorin vor Ort, beobachtet, dass der wirtschaftliche Erfolg auch das Selbstbewusstsein der Frauen stärkt: «Gerade während der Pandemie habe ich gemerkt, wie sie sich und andere motiviert haben.» Die Gruppen bleiben inmitten der aktuellen Wirtschaftskrise wandlungsfähig. Viele Produzentinnen sind auf den Verkauf ihrer Produkte über die sozialen Medien umgestiegen, als die Märkte wegen der Lockdowns schlossen. Einige begannen mit der kommerziellen Haltung von Hühnern und Fischen, denn Nahrungsmittel sind auch während eines Lockdowns gefragt und können in der Regel auch verkauft werden.
Von der Hausfrau zur Lehrerin
Dass finanzielle Eigenständigkeit selbstbewusst macht, zeigt sich zum Beispiel bei Jurina, einer Begünstigten der Projekte zur Einkommensförderung. Die Mutter von sieben Kindern ist Mitglied einer Produzentinnengruppe. 2017 verstarb ihr Ehemann nach 23 Jahren Ehe an Hepatitis. Bis dahin war Jurina Vollzeit-Hausfrau gewesen, während ihr Mann sich um die finanziellen Angelegenheiten gekümmert hatte.
Gefragte Arbeit: Die Produzentinnengruppe Lompozou in Sabah, Malaysia, erhielt vom lokalen Spital den Auftrag zur Produktion von 600 Schutzanzügen für das medizinische Personal.
Neu die alleinige Verantwortung für die Familie zu tragen, war schwierig, ihr jüngstes Kind war noch nicht einmal zwei Jahre alt. Sie erzählt: «Fast jeden Tag weinte ich.» 2018 kam für Jurina die Wende. Sie wurde Teil der Lompozou-Handwerksgruppe der Protestantischen Kirche in Sabah, einer Partnerkirche von Mission 21. In der Gruppe lernte sie, Perlenschmuck herzustellen, zu weben und zu sticken sowie ihre Produkte zu vermarkten. Schon bald konnte sie Einkommen erwirtschaften. Heute bildet sie andere Frauen im Weben aus. «Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich eines Tages Lehrerin bin», sagt sie stolz.
Jurina mit selbst gefertigtem Perlenschmuck.
Auch in Krisenzeiten widerstandsfähig
Mit Beginn der Pandemie wurde es für Jurina schwierig: «Die Verkäufe sind zusammengebrochen. Ich arbeite nun auch auf Reisfeldern.» Doch im November 2020 gab es einen Lichtblick. Die Produzentinnengruppe erhielt vom lokalen Spital den Auftrag zur Produktion von 600 Schutzanzügen für das medizinische Personal. Dieses Jahr folgte ein Auftrag für Schuluniformen. Jurina sagt: «Meine Nachricht an alle Frauen da draussen, die wie ich Schwierigkeiten erleben: Gebt nie auf!»
Mit dem Erfolg von Jurina und der Produzentinnengruppe, die selbst in Krisenzeiten den Mut nicht verlieren und innovativ sind, zeigt sich, wie die Projekte Gemeinschaften stärken. Jurina kann ihren vier schulpflichtigen Kindern Bildung ermöglichen und trägt so dazu bei, dass sie später eine gute Stelle finden. Ihre ökonomische Selbständigkeit stützt damit die ganze Gemeinschaft.
Kamerun: Gleichstellung und HIV-Prävention
Rita Mbah koordiniert ein Projekt zur HIVPrävention und -Behandlung in Kamerun. Die Presbyterianische Kirche in Kamerun, Partnerkirche von Mission 21, leistet mit diesem Projekt Aufklärungsarbeit in den Gemeinden. Betroffene können sich gratis testen lassen und erhalten Beratung. 2020 erreichte die PCC mit diesen Aktivitäten über 55000 Menschen.
Das Projekt richtet sich an alle Betroffenen, doch Rita Mbah stellt fest, dass es besondere Ansätze braucht, um Frauen zu erreichen und zu schützen. 2019 steckten sich in Kamerun 4800 Männer neu mit HIV an, dagegen steht die Neuansteckung von 17000 Frauen. «Wir sehen: Die HIV-Epidemie hat ein weibliches Gesicht», sagt Rita. Ein wichtiger Risikofaktor für eine HIV-Übertragung ist sexuelle Gewalt. Frauen und Mädchen, die sexuelle Gewalt erleben, haben ein etwa dreifach höheres Risiko, sich im Laufe ihres Lebens mit HIV anzustecken. Rita sagt: «Wenn wir also ein Ende der AidsEpidemie sehen wollen, müssen wir gegen geschlechtsspezifische Gewalt vorgehen.»
Tests und Medikamente reichen nicht aus
Wie bei der Corona-Pandemie gilt auch bei der HIV-Epidemie das Testen als eine der Top-Strategien zur Bekämpfung des Virus. Doch Rita
Detlef Lienau
hat festgestellt, dass Tests und Medikamente zur Bekämpfung nicht ausreichen. Es braucht weitere Strategien wie sexuelle Aufklärung und Bildung, und es braucht einen Ansatz, der eine Genderperspektive miteinbezieht.
Rita bemerkte in ihren HIV-Sensibilisierungsworkshops mit Gemeindearbeiter*innen «grosses Unwissen bezüglich Themen wie Gender und geschlechtsspezifischer Gewalt». Sie zeigt daher in den Workshops auf, wie HIVPrävention mit einem Bewusstsein für GenderGerechtigkeit verknüpft ist. Frauen und Mädchen sind häufiger von Armut betroffen. Das setzt sie wiederum einem grösseren Gewaltrisiko aus, denn sie haben beispielsweise weniger Kapazitäten, aus Missbrauchsbeziehungen auszubrechen.
Krisen verschlimmern Ungleichheiten
Rita berichtet: «Durch Kameruns gewaltvolle politische Krise mit Hundertausenden von Vertriebenen und durch die Pandemie sind die Fallzahlen von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung gestiegen.» Ein weiteres Problem ist, dass viele Frauen nur wenig Wissen über ihre Sexualität und ihre Rechte haben: «Sie wissen nicht, dass das, was sie erleben, Missbrauch ist.» Auch darum haben Rita und ihr Team letztes Jahr ein Sexualkunde-Zentrum eröffnet. Das «Freemind Center» in Buea bietet Jugendlichen und jungen Erwachsenen Beratung zu Themen wie persönliche Entwicklung, Beziehungen und Sex. Das Team informiert über sexuell übertragbare Krankheiten und Formen von sexueller Gewalt. In Kursen wie «Sexy, clever und sicher» kommen auch Geschlechterrollen und Gleichberechtigung zur Sprache. Es wird aufgezeigt, wie patriarchale kulturelle Normen und Werte die Rechte und Würde von Frauen und Mädchen verletzen können. Jugendliche über sexuelle Themen aufzuklären, geht also Hand in Hand mit der Arbeit hin zu einer gendergerechten Welt.
Rita Mbah hat mit ihrem Team das «Freemind Center» aufgebaut, wo junge Erwachsene Informationen erhalten, zum Beispiel über sexuell übertragbare Krankheiten und Formen sexueller Gewalt.
Peru: Demokratie gibt es nur mit Frauen
Yolanda Choquecota ist Bäuerin. In Peru gehört sie zu den verletzlichsten, gleich mehrfach diskriminierten Gesellschaftsgruppen: Sie ist indigen, überdurchschnittlich von Armut betroffen, hat nur die Primarschule besucht und ist weiblich.
Doch sie hat es geschafft, sich in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen: Die 43-Jährige ist Präsidentin der Aymara-Frauenvereinigung. Die Aymara zählen neben den Quechua zu den grössten indigenen Gruppen Perus.
Yolanda Choquecota hat gelernt, für die Anliegen ihrer Gruppe einzustehen. Sie besuchte die Gemeinschaftsschule «Kullakanakana Sartawipa», auf Deutsch: «Das Gehen der Schwestern». Die Schule ist Teil eines von Mission 21 unterstützten Projekts der lokalen Partnerorganisation IDECA. Im Projekt werden indigene Frauen in ihrer kulturellen Identität und Bildung gestärkt.
Das IDECA (Institut für das Studium der andinen Kulturen) setzt sich dafür ein, dass die indigene Bevölkerung und ihre Kultur in der peruanischen Bevölkerung ihren Platz finden. Neben Forschung und akademischer Bildung zu Themen wie Dekolonialisierung und interkulturellem Dialog bietet das Institut auch Kurse für die indigenen Bauerngemeinden an.
«Wir müssen jeden Tag kämpfen»
Es gibt Unterricht in den Bereichen Umweltschutz, Klimawandel, Landwirtschaft, politische Partizipation und Gleichberechtigung. Ein Ziel ist es, dass die Teilnehmerinnen nach den Kursen für ihre Anliegen einstehen können, zum Beispiel, indem sie bei Wahlen kandidieren. Damit das von politischen Unruhen durchzogene Peru eine starke, demokratische und gerechte Gesellschaft wird, ist die Repräsentation indigener Frauen auf politischer Ebene unabdingbar.
Yolanda fühlt sich durch das neue Wissen gestärkt, bemerkt jedoch: «Als Aymara-Frauen müssen wir weiterhin jeden Tag kämpfen, um weiterzukommen.» Mission 21 unterstützt Frauen wie Yolanda auf diesem Weg hin zu einer Welt ohne Diskriminierung.
«Wir wollen Gerechtigkeit – aber momentan herrscht Unrecht»
Josefina Hurtado setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte von Frauen ein. Ein Rückblick auf die Arbeit als Leiterin der Stabsstelle Frauen und Gender bei Mission 21.
Interview: Eva Sidler, Mission 21
Josefina Hurtado-Neira leitete acht Jahre lang die Stabsstelle Frauen und Gender bei Mission 21.
Josefina Hurtado (zweite von links) auf Dienstreise in Nigeria, 2017, Was bedeutet der Begriff Gender-Gerechtigkeit? Warum heisst das Programm von Mission 21 so und nicht zum Beispiel Programm für Gleichberechtigung?
Unser Ziel ist, Gleichberechtigung für alle zu schaffen. Denn unser Startpunkt ist keine Weltgemeinschaft, in der dies erreicht ist, sondern eine, in der eine grosse Ungleichheit herrscht. In unserem Programm geht es darum, Gerechtigkeit herzustellen. Der Name weist darauf hin, dass momentan Unrecht herrscht. Wir arbeiten mit Personen, deren Rechte verletzt sind und unterstützen sie, zu ihrem Recht zu gelangen. Mission 21 sagt damit klar: «Hier herrscht eine Ungerechtigkeit und die wollen wir beseitigen!»
Hat das Programm schon Früchte getragen?
Ein Fokus liegt auf der Weiterbildung unserer Partner*innen. Sie lernen, wie sie die Menschenrechte der Frauen auf lokaler Ebene einfordern können, etwa mithilfe internationaler Werkzeuge wie der UNO-Konvention gegen jede Form von Diskriminierung der Frau. Diese Fähigkeiten setzen die Teilnehmer*innen ein.
Gibt es dafür ein Beispiel?
Nach dem Besuch unseres Trainings hat zum Beispiel Teilnehmerin Etel Nina Cáceres mit ihrer Organisation in Peru erreicht, dass die Anliegen indigener Frauen im Parlament grösseres Gehör finden. Eine Herausforderung ist es nun, diese Errungenschaften weiter zu begleiten und diese ersten Erfolge auszubauen.
Wo ist der Handlungsbedarf besonders gross?
Jeder Mensch soll sagen können: «Über meinen Körper bestimme ich!» Doch viele Frauen besitzen dieses Recht der Selbstbestimmung nicht. Mädchen werden zwangsverheiratet. Jede dritte Frau erlebt mindestens einmal in ihrem Leben körperliche und/oder sexuelle Gewalt. Auf dem Körper der Frau liegen so viele gesellschaftliche Zwänge. Jeder Mensch soll jedoch frei sein, selber über sich zu entscheiden.
Warum ist es wichtig, dass sich glaubensbasierte Organisationen wie Mission 21 im Bereich der Frauenmenschenrechte einsetzen?
Kirchen sind grosse Netzwerke und die Kirche ist nahe bei den Menschen. Sie ist auch bei Menschen, für die sonst niemand da ist. Kirchen können Schutzräume bieten. Mission 21 arbeitet aber nicht für die Kirche, sondern für die Menschen, deren Rechte verletzt sind und die ausgeschlossen werden. Momentan erlebe ich in der Schweiz viel Druck auf NGOs, nicht politisch sein zu dürfen. Wer sich für die Verletzlichsten dieser Welt einsetzt, kann jedoch nicht unpolitisch sein, sondern nimmt klar eine Haltung ein.
Diesen Sommer gehen Sie in Pension. Was war Ihr persönliches Highlight?
Mein Highlight sind die jährlichen Treffen des Netzwerks für Frauenmenschenrechte von Mission 21. Hier teilen Aktivist*innen aus den Projekten von Mission 21 ihre Strategien, Arbeitserfahrungen, Emotionen und auch Spiritualität. Dieses Lernen voneinander fand ich unglaublich bereichernd. Ich freue mich sehr, dass meine Nachfolgerin Barbara Heer diese Arbeit weiter entwickeln wird, die visionäre Frauen in verschiedenen Kontinenten begonnen haben.
Stabsübergabe
Josefina Hurtado geht per Anfang Juni 2021 in Pension. Für den Wirkungsbereich Gender-Gerechtigkeit ist neu Barbara Heer zuständig. Mission 21 dankt Josefina Hurtado herzlich für ihre engagierte Arbeit und wünscht ihr alles Gute. Barbara Heer heissen wir herzlich willkommen.