Farben des kroatischen Mährens

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Volkskultur

Tereza Luzarová

Othmar Ruzicka – Selbstporträt des Malers. Um 1905. Die mährischen Kroaten: Bilder von Othmar Ruzicka. Kittsee: Ethnographisches Museum Schloss Kittsee, 1996

Mährisch-kroatisches Mädchen. Othmar Ruzicka, 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. SOCHN

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Kaum eine Gemeinde hat ein so gut dokumentiertes Leben ihrer Einwohner aufzuweisen wie Frélichov in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Nur wenige Kommunen verfügen über solch vielfältige Bilder ihrer Mitglieder in verschiedenen Alltagssituationen, bei der Arbeit, in ihrem natürlichen Umfeld oder bei Festlichkeiten, wie es bei den mährischen Kroaten der Fall ist. Wenngleich sich für diese Einwohner Mährens auch andere Künstler interessierten, ist das Werk des Wiener Malers Othmar Ruzicka nicht nur von künstlerischem, sondern auch von historischem und ethnografischem Wert. Othmar Ruzicka wurde am 7. November 1877 in Wien geboren. Die Wurzeln des Malers reichen ins mittelböhmische Chvalovice zurück, von wo aus sein Vater Václav Růžička als Eisenbahnbeamter nach Wien ging. Auch er malte in seiner Freizeit gern und gab seine Liebe zu diesem Schaffen an seinen Sohn weiter, bei dem bereits von klein auf künstlerische Neigungen sichtbar wurden. Der kleine Othmar hielt mit einfachen Zeichungen und Gemälden das Bild seiner Umgebung fest. Als er jedoch mit siebzehn Jahren seinen Eltern mitteilte, er würde gern Malerei studieren, stieß diese Idee nicht auf sonderlich große Begeisterung. Trotzdem nahm er 1896 ein Studium an der Wiener Akademie der bildenden Künste auf und gehörte zu den besten Studenten. Viele Auszeichnungen und seine hervorragenden Studienergebnisse ermöglichten ihm einen mehrmonatigen Aufenthalt in Italien, er reiste gern und streifte auch durch den Böhmerwald, Ober- und Niederösterreich. Einer seiner Lieblingsorte war die niederösterreichische Ruine Falkenstein, die er mehrmals mit seinen Freunden besuchte. Möglicherweise erweckten gerade die verschiedenen Reisen und Ausflüge in ihm immer mehr die Liebe zu Niederösterreich und zum angrenzenden Südmähren, wohin er immer wieder gern zurückkehrte, wie seine Reisetagebücher belegen. Die mährischen Kroaten in Fröllersdorf (Jevišovka) besuchte er erstmals 1905. „Dieser Ort (…) ist idyllisch und abgeschlossen. Aus der Kirche kommen gerade wunderschön gekleidete Kroatinnen. Das herrliche Rot ihrer Kleider, in verschiedenen Nuancen. Wie Puppen (…) in grünen, blauen u. a. goldbestickten Seidenschürzen und -tüchern unterschiedlicher, jedoch immer harmonischer Farben.“1 So beschrieb er das erste Mal, wie das Dorf auf ihn wirkte. Bezaubert von der Schönheit der bunten Trachten kam er beim alten Sič unter (der mit seiner langen Pfeife und seinem Pelz später sein Lieblingsmodell wurde) und besuchte das südmährische Dorf nunmehr regelmäßig, die Kroaten verewigte er in seinen Bildern. Im Jahre

BORNEMANN, Hellmut: Prof. Othmar Ruzicka: Lebensbilder eines südmährischen Künstlers. Geislingen/Steige: Verlag des Südmährischen Landschaftsrates, 2008.

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1921 heiratete er Hedvig Schuderl, eine Deutsche aus Mährisch Kromau (Moravský Krumlov). Das Ehepaar bekam einen Sohn, und 1930 zog die gesamte Familie von Wien nach Fröllersdorf, wo Ruzicka ein Haus kaufte. Ab diesem Moment konnte er seine liebgewonnenen Kroaten jeden Tag malen, aus ihrem Leben und ihrer Kultur schöpfte er bis zu seinem Lebensende Inspiration. Wenngleich Ruzicka, wie bereits erwähnt, zu den besten Studenten an der Akademie zählte, wollte er nie an vorgegebenen Schablonen und der dekorativen historischen Romantik festhalten. Vielmehr versuchte er, die Schönheit der heimatlichen Landschaft so einzufangen, wie er sie sah. Dabei half ihm auch seine fast dokumentaristische Technik. Für seine Arbeit nutzte er eigene Fotografien, die er anschließend in Zeichnungen und Skizzen verarbeitete. Er war detailverliebt und achtete auf historische Genauigkeit. Auch deshalb ist sein Werk für die Dokumentation der mährischen Kroaten im Bild so wertvoll. Ruzicka kann den Malern von Genrebildern, aber auch den Porträtzeichnern zugerechnet werden. Im Mittelpunkt seiner Bilder stehen Personen auf der Leinwand, reale Menschen. Er versuchte nicht, das ländliche Leben zu idealisieren oder über Gebühr zu rühmen, sondern brachte alles so aufs Papier, wie er es sah, ohne Pathos. Gelegentlich malte er auch Stillleben und Landschaften. Ruzicka war mehr als fünfzig Jahre lang Mitglied der Gesellschaft bildender Künstler in Wien. Seine Bilder konnten Ausstellungsbesucher in Wien, Brünn, Nürnberg oder Budapest bewundern. Die bekannte britische Zeitschrift Studio, die sich an der Wende vom 19. zum 20 Jahrhundert mit europäischer Kunst befasste, erwähnte Othmar Ruzicka in drei Ausgaben. Auch wenn der Künstler nach den beiden Weltkriegen fast all seine Ersparnisse verloren hatte, war er jedoch immer in der Lage, sich mit ausdauernder Arbeit an seinen Werken über Wasser zu halten. Fleiß und Zielstrebigkeit waren für ihn seit seiner Studienzeit charakteristisch, auch erhielt er im Laufe seines Lebens zahlreiche Anerkennungen und Auszeichnungen. Doch Ruzickas Leben wurde durch den Zweiten Weltkrieg auch tragisch beeinflusst. Im Jahre 1944 fiel sein einziger Sohn Hubert, 1945 verließ der Maler Fröllersdorf und ging wieder nach Österreich. Er ließ sich in der Nähe von Mistelbach nieder und widmete sich weiter der Malerei, ebenso aber der Fotografie. Der österreichische Präsident Dr. Karl Renner verlieh ihm 1948 den Professorentitel. Ruzicka starb am 5. November 1962 in Wien. Auf Initiative von Josef Lawitschka, der einen Großteil seines Lebens der Dokumentation von Ruzickas Werk gewidmett hatte, wurde 2011 Ruzickas Grabstein auf den Friedhof in Jevišovka verbracht. So kehrte der Maler zumindest symbolisch zu seinen Kroaten zurück.

LITERATUR UND QUELLEN: • BORNEMANN, Hellmut: Prof. Othmar Ruzicka: Lebensbilder eines südmährischen Künstlers. Verlag des Südmährischen Landschaftsrates in Geislingen/Steige, 2008. • www.lawitschka.at

Mährisch-kroatisches Mädchen. Othmar Ruzicka, 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. SOCHN

Feldarbeiten. Othmar Ruzicka, 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. SOCHN

Josef Lawitschka spricht bei der Weihe des Grabsteins von Othmar Ruzicka auf dem Friedhof in Jevišovka. Jevišovka, 2011. SOCHN

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Volkskultur

Othmar Ruzicka – der Maler der mährischen Kroaten


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