Megabeta september 13

Page 1

beta mega SEPTEMBER SEPTEMBER SEPTEMBER 2013 2013 SEPTEMBER SEPTEMBER SEPTEMBER2013 2013 2013 2013

„WISSEN, „WISSEN, „WISSEN, UND UND GUTE GUTE LAUNE“ LAUNE“ EE EE EX „WISSEN, „WISSEN, „WISSEN, S SS SS SE XX XX X UND UND UND UND GUTE GUTE GUTE GUTE LAUNE“ LAUNE“ LAUNE“ LAUNE“

THEATER THEATER THEATER AACHEN AACHEN ––––––MÖRGENS MÖRGENS MÖRGENS TheaTer aachen THEATER THEATER THEATERAACHEN –12.9.2013 AACHEN AACHEN AACHEN mörgens MÖRGENS MÖRGENS MÖRGENS PREMIERE: PREMIERE: PREMIERE: 12.9.2013 12.9.2013

PREMIERE: PREMIERE: PREMIERE: 12.9.2013 12.9.2013 Premiere: 19.12.9.2013 sePTember.2013

sss e e e d d d e e e s s s a a a ttt s s s k k k E E E d d d nnn u u u e e e i i i n n n o o o AAAggg

STE STEVE VE JJ

BS BS


2

Megabeta September 13


Megabeta September 13

3

David singt und spielt auf der

INTRO WIR MÜSSEN REDEN! Okay, wir haben jetzt also ein Jahr überlegt, wie wir unseren Aachen-befreiten radikal-Satire-Hochkultur-Teil nennen sollen, nämlich MEGABETA, ja? Ordnungsgemäß haben wir den Patentanwalt unseres Vertrauen vor vier Wochen gebeten, den Namen nach irgend so einem EU-Markenschutz-Dings zu sichern (kostet ein Heidengeld). Und was passiert? Beim zufälligen Googeln, stellt sich heraus, dass ausgerechnet der nervigste Angeber des gesamten Internet, Kim Dotcom, aus dem Knast heraus, die Nachfolgefirma seines dichtgemachten MegauploadImperiums wie nennt? Genau: MEGA BETA! HAHAHA! Patentrechtlich ist das vielleicht gar nicht das große Problem. Erstens, weil USA und zweitens ist es sehr gut denkbar, dass der selbsternannte Robin Hood der Urheberrechtsverletzung, seine Betrügerklitsche nicht hat schützen lassen. Aber will man denn

wirklich, mit etwas, das, egal wie weit entfernt, an Kims Ränkespiele erinnert, in Verbindung gebracht werden? Darüber müssen wir jetzt erst mal in langen, traumatisiertn Nächten nachdenken. Nichtsdestotrotz setzen wir die in der letzten Ausgabe begonnene Serie über schizoide Weltbetrachtung unbeirrt fort. Diesmal liegt der Schwerpunkt bei den kreativen Höchstleistungen, zu denen psychotische Künstler zweifellos auf überragende Weise fähig sind. Zu diesem Zweck sprachen wir mit dem Psychoanalytiker Benno Peters über Zeichnungen sogenannter Geistesgestörter und mit der Designmetropole Aachen über deren Kollektion aparter Psycho-Möbel. Lobende Erwähnung findet mein Lieblingspsychopath auf diesem Planeten: Steve „the whip“ Jobs. Den willkommenen Anlass dazu bietet die bevorstehende Inszenierung des Stücks Agonie und Ekstase des Steve Jobs im Mörgens. Der Besuch der Premiere am 19.9. ist auf meinem AppleiCal-Kalender unter der Kategorie „megawichtig“ grün und blau angestrichen. Bis dahin bitte ich, mich zu entschuldigen, weil ich nämlich mein Kopfkissen mit heißen Tränen benetzen muss. Desperately yours, Gabor Baksay

MeGAbetA bin immer noch ich, ihr Wixxer!

Kim Fotzcom-Zeichnung: Gabor Baksay

MeGAbetA-reLeASePArty am 31.8. im hotel europa


4

Megabeta September 13

Ordegule muss sein* – Ein Gespräch mit Benno Peters über Psychosen und Kreativität

Dr. Med. Benno Peters Dr. Benno Peters ist Psychotherapeut und Facharzt für Psychiatrie. Sein Wissen über Antipsychiatrie macht ihn zum idealen Gesprächspartner, wenn man erfahren will, aus welchen Quellen sich das kreative Potenzial sogenannter Geisteskranker speist. Die Antipsychiatrie etikettiert den psychisch Gestörten nicht als ausschließlich krank, sondern sieht in seiner Störung auch das Potenzial, neue Bewusstseinsinhalte zu erschließen, die dem sogenannten geistig gesunden oft verschlossen sind. Dieses Potenzial schließt Feinheiten der Körperwahrnehmung ebenso mit ein, wie kreative, manchmal sogar visionäre Neuverknüpfung von Bewusstseinsinhalten.

A

B

Gabor Baksay: Ich möchte Ihnen gerne einige Zeichnungen einer, sagen wir mal, psychisch labilen Person aus meinem Bekanntenkreis zeigen. Sagen Sie bitte, was Sie dazu assoziieren und ob Sie eventuelle Symptomatiken feststellen können. Benno Peters: [A] In dieser Zeichnung ist es relativ klar, dass der Betrachter sich mit diesem Stier identifiziert. Auch wenn die Augen nicht ganz eindeutig gezeichnet sind, erkennt man, dass der Stier auf etwas *Titel eines klassischen Bildbandes über schizophrene Bildgestaltung

C

moralisch Zweifelhaftes schaut. Er „stiert“ die nackte Frau buchstäblich an. Der Zeichner drückt damit aus, was in ihm vorgeht, was er nicht in Worte fassen kann. Heutzutage können Sie mit Nacktheit eigentlich niemanden mehr provozieren. Mit einer Anekdote „Ich habe mal ein weibliches Geschlechtsteil gesehen“ erntet man lediglich ein müdes Achselzucken oder Gelächter. Wenn überhaupt, ist das Gegenteil provozierend - also komplette Verhüllung z.B. in einer Burka.


Megabeta September 13

niE – nies ssum elugedrO sreteP onneB tim hcärpseG dnu nesohcysP rebü tätivitaerK

s r eteP on n e B .deM .rD Diese Sprachlosigkeit ist vergleichbar mit dem ersten halben Lebensjahr eines Säuglings, das ja ebenfalls vor-sprachlich ist. Eine Psychose bedeutet im Grunde einen Rückfall in diese Phase. Es fehlt die Möglichkeit, Empfindungen in Worte zu fassen, diese lassen sich nur indirekt oder symbolisch ausdrücken. Ihr Zeichner entwickelt ähnliche Methoden des indirekten Ausdrucks. Womit allerdings keineswegs gesagt ist, dass er psychotisch ist, er verwendet nur dieselben Mittel. Wenn er diese fehlenden sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten als leidvoll empfindet, wird er dauernd auf solche chiffrierten Formen der Kommunikation ausweichen müssen und zwanghaft ständig ähnliche Zeichnungen anfertigen.

man will, dieses Lebensrätsel als visuelles Symbol darstellen, es aber auch in eindeutige Worte fassen kann, ist die Welt in Ordnung. Sie ist nur dann nicht in Ordnung, wenn jemand massiv leidet und versucht, dies kryptisch, mehrdeutig mitzuteilen, es aber nicht auf die nächste Stufe schafft, endlich über diese „Geheimnisse“ reden zu können: Für Betroffene kann es, auch wenn das bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht lustig erscheint, ein prägendes Schuldproblem bedeuten, wenn sie ihre

D

Benno Peters: [B] Hier wiederum ist durch die Maske dargestellt: Ich möchte nicht erkannt werden.

Gabor Baksay: Sie meinen die weibliche Maske? Benno Peters: Genau, und bei der männlichen Person auch so. Die Pfütze löst Assoziationen zu den anfänglichen Geheimnissen um unsere Ausscheidungen und unsere Geschlechtsorganen aus. Und das bedeutet auch hier auf einer symbolischen Ebene: Ich kann über diesen Konflikt nicht reden. Man kann aber, wie gesagt, nicht einfach behaupten, dieser Mensch hat eine Psychose und braucht Medikamente. Das geht überhaupt nicht. Man kann nur feststellen, er stellt auf der optischen Ebene einen inneren Konflikt dar, und, hätte ich Gelegenheit, ich würde ihn fragen, ob er das auch in Sprache abfassen kann.

Benno Peters: [C] Das Bild zeigt eine symbiotische, verschmelzende Beziehungen. Anfänglich sind wir ja wie Psychotiker mit der Mutter in eins verschmolzen. Da existiert noch kein Ich, das später zur Definition geistiger Gesundheit gehören wird. Die Sehnsucht nach dieser Verschmelzung wird ausgedrückt in der Wiederholung als Paar. Es gibt ja Paare, die sagen: Wir könnten ständig ineinander kriechen - nur geht das als Erwachsener nicht mehr. Irgendwo setzt die Realität da klare Grenzen, man kann sich einander nähern, aber nicht verschmelzen. Dieses Bedürfnis nach Selbstauflösung hat in den meisten religiösen Systemen seinen festen Platz. Im psychologischen Kontext gilt die Auflösung des Ich als psychotisches Symptom. Wenn jemand diesen Widerspruch oder, wenn

Mutter mal nackig gesehen haben.

Benno Peters: [D] Mich verwirrt ein wenig die starke Vermischung von Sprache und Bild. Sprachlich wird ein emotionaler Überdruck ausgedrückt: „Er wischt die Tränen ab.“ Das geht fast schon ein wenig ins Wunderliche. Die Zeichnung dagegen ist eher karikaturhaft. Mir erschließt sich auch nicht ganz, warum der jetzt geweint haben soll. Also, Bach war ein sehr aggressiver, aufbrausender Mensch, der sich mit

5


6

Megabeta September 13

Rodelueg sums nies – Nie Aergepechs tim Nonbe Septer rebü Psychenso dun Reaktivität

seinen Orgelstücken selbst beruhigt hat. Warum der jetzt allerdings geweint hat, weiß ich nicht.

E

Gabor Baksay: Das ist ein Missverständnis. Nicht Bach hat geweint, sondern wir, also das Publikum. Es geht, glaube ich, um religiöse Tröstungen, Bach „wischt unsere Tränen ab“. Benno Peters: Bach war ein sehr spiritueller Mensch, der beim Komponieren seine eigenen Aggressionen zu besänftigen versuchte. Es war für die damaligen Zuhörer auch grenzwertig, wenn er, um einen seiner Auftraggeber zu ärgern, Orgelstücke geschrieben hat, in denen die ganze Kirche erzitterte. In Bach zeigt sich fast schon exemplarisch die Ambivalenz oder Zerrissenheit der Künstlerpsyche. Die mathematische Präzision und überirdische Ruhe, die viele in seiner Musik finden, entstand zum Teil aus handfesten Kämpfen mit den eigenen Leidenschaften, wenn man so will aus deren Sublimation.

Benno Peters: [E] Hier imponiert natürlich das teuflische Gesicht auf dem Körper eines kleinen Jungen, eines kleinen Wesens. Wir haben hier etwas Zusammengesetztes. Der Zeichner fühlt sich wie ein Kind, andererseits wie ein Teufel. Er empfand vielleicht nach dem Muster: Die Mutter hat mich abgelehnt, also war ich ein kleiner Teufel. Auch hier könnten wir wieder zu dem Künstler sagen: „Wenn du genau mitbekommst was du da zeichnest, ist das okay. Wenn du es nur optisch darstellen, aber nicht in Worte fassen und die passenden Gefühle nicht artikulieren kannst, dann leidest du höchstwahrscheinlich darunter.“ Trotzdem, er hat etwas Tolles ausgedrückt, und es kann sein, dass das für ihn befreiend war. Nur solange er es nicht eindeutig benennen kann, muss er das dreitausendmal malen. Und die anderen sagen dann womöglich: Das ist aber ein kreativer Mensch. Gabor Baksay: Dr. Peters, vielen Dank. Ich muss gestehen, es hat mir noch nie so viel Spaß gemacht, etwas über meine eigenen Zeichnungen

zu hören. Vieles trifft den Nagel auf den Kopf. Benno Peters: Die sind von Ihnen? (lacht)

Gabor Baksay: Die Kugelschreiberzeichnungen waren für die satirische Rubrik „Nackte Frauen“ unserer damaligen Website gedacht. Die habe ich aus FKK-Heftchen der 60er Jahre abgezeichnet. Die Bach-Zeichnung diente als Ankündigung für ein Dom-Konzert auf unserer Facebook-Seite und das „Teufelskind“ war nur zum Privatvergnügen Was Sie über die Unfähigkeit der sprachlichen Benennung von Sehnsüchten und Konflikten gesagt haben, trifft insoweit zu, als ich lange unter den Auswirkungen einer ziemlich verklemmten Kindheit gelitten habe. Unter den Fittichen meiner hochnarzisstischen Mutter, die mich als vaterloses Einzelkind sozusagen mit Haut und Haaren verschlungen hat, war ich äußerst schüchtern und einzelgängerisch. Erst mit Ende zwanzig habe ich mich in einer selbstverordneten Urschreitherapie in meiner Studentenbude (meine Nachbarin war zum Glück schwerhörig) weitgehend freischwimmen können. Durch gestalterische Arbeit, erst mit Bild, später auch mit Text, habe ich dann eine Form gefunden, diesen Druck immer wieder abzubauen und, wie ich glaube, auch genau zu benennen. Das ist seit Jahren mein Leben. Ich glaube, dieser jugendliche Triebstau ist die zuverlässigste Energieund Ideenquelle meiner kreativen Arbeit. Vor einem leeren Blatt sitzend, kann ich mich darauf verlassen, dass mir etwas einfallen wird, weil der Hunger und die Sehnsucht bis heute genauso präsent und drängend sind wie damals. Benno Peters: Ich denke, das ist bei Ihnen im Prinzip ein ähnlicher Prozess wie ich ihn vorhin bei Bach zu beschreiben versucht habe.

Übrigens, falls Sie Ihrer Mutter deren Narzissmus vorwerfen sollten, würde ich Ihnen gerne sagen, dass man solche Konstellationen nicht isoliert interpretieren darf. Man muss das ganze System sehen - Ihre Mutter und wiederum deren Eltern, da konnte sie vielleicht gar nicht anders.


Megabeta September 13

iPsychopath

„Agonie und Ekstase des Steve Jobs“

im Theater Aachen

Steve Jobs ist ein genialer Psychopath. Genial, charismatisch und gnadenlos. Mit seinem berüchtigten „reality distortion field“ trieb er sich selbst und seine Mitarbeiter zu Unmöglichem an und konnte Berge versetzen, indem er es einfach behauptete. Andy Herzfeld, ein Weggefährte aus frühen Mac-Entwicklertagen sagt: „Steve konnte sich und andere von so absolut allem überzeugen, mit einem Mix aus Charme, Charisma, Angeberei, Übertreibung, Marketing, Abwiegelung und Ausdauer.“ Wenn wir Manipulation und nicht vorhandenes Mitgefühl hinzufügen, haben wir die wichtigsten Charakteristika eines Psychopathen zusammen. Herzfeld weiter: „Steve feierte seine Erfolge auf dem Rücken seiner Ingenieure, die er wie Müll behandelte, die keinen Dank erhielten, damit er die Lorbeeren für sich beanspruchen konnte.“ Trotz dieses vernichtenden Urteils blieb Herzfeld seinem Chef bis zum Schluss freundschaftlich verbunden. Ebenso wie sein Garagenkumpel Steve Wozniak, der bei der Entwicklung des Ur-Apple die Drecksarbeit am Lötkolben machte und von seinem Freund und Partner um 5.000$ betrogen wurde. Das, obwohl das Geld damals von Atari einzig und allein wegen Wozniaks Arbeitsleistung bezahlt wurde. Wie viele brillante Psychopathen verfügte Jobs, dank seiner außergewöhnlichen Talente im visionären Erspüren von Konsumentenbedürfnissen, über die unbesiegbare Überzeugungskraft seiner sensationellen, von niemandem für möglich gehaltenen Ergebnisse.

Nicht verwendeter Coverentwurf von Bich Roy

Der Autor und Schauspieler Mike Daisey ist AppleFan der ersten Stunde. Als eine Art amerikanischer Günter Wallraff sorgte er mit Bühnenmonologen über seine Zeit als Angestellter bei Amazon, über den Scientology-Gründer L. Ron Hubbard und die Machenschaften bei Wal-Mart für Kontroversen. In Agonie und Ekstase des Steve Jobs, den er auf den amerikanischen Bühnen selbst verkörperte, zeigt er die Schattenseiten des Visionärs, besonders in der letzten Lebensphase von Jobs, in der die Erfolge von iPod, iPhone und iPad mit den skandalösen Arbeitsbedingungen bei Foxcom gegenübergestellt werden. In iCity, wie die gigantischen Produktionsanlagen in China genannt werden, wurden nach den Selbstmorden mehrerer Fließbandarbeiter Fangnetze zwischen die Hochhäuser gespannt.

Markus Weickert als Steve Jobs Insgesamt ist das Stück ein brüllend komischer Liebesmonolog, ein bewegendes Glaubensbekenntnis, ein erschreckender Aufschrei. Es wurde Mike Daisey, ganz Apple-untypisch, sozusagen open source produziert. Jeder darf es übersetzen, spielen, verändern. Agonie und Ekstase des Steve Jobs | Stück von Mike Daisey | Theater Aachen - Mörgens | Inszenierung Jens Dierkes | Mit Markus Weikert Premiere: Do, 19. 9, 20.00 Uhr | Weiter Termine: 19. + 27. September, jeweils 20.00 Uhr

7


8

MeGabeta September 13

Autismus 2.0

Versuch über schizophrene Aspekte in der Selbstwahrnehmung des Kunstbetrachters Nach anhaltender Leidenschaft und kritischem Engagement für zeitgenössische Kunst (auch als Rezensentin in diesem Magazin) steht Anna Gresse dem Kunstbetrieb inzwischen desillusioniert gegenüber. Hier schildert sie das Warum und entdeckt die schizophrene Symptomatik beim dissozierten Kunstbetrachter unserer Tage.

D

ie Auseinandersetzung mit Kunst – hatte sie nicht mal das Zeug zum Lebensinhalt? War das nicht sogar etwas, wofür man sich begeisterte? Einst wurde engagiert diskutiert, etwa über Beuys versus Warhol. Man ließ sich überraschen von Minimal Art, überwältigen von Land Art und mitreißen von Arte Povera. Und feierte überhaupt die „Attidudes“, die sich immer neu in „Form“ ausdrückten, kämpfte für die Anerkennung bestimmter Positionen. Diese Diskurse führten auf ausdifferenziertem, intellektuell anregendem Terrain heraus aus den hoch emotionalisierten Sackgassen-Disputen in politisch extrem aufgeheizten Zeiten. Aber dann – es mag zwanzig Jahre her sein, machten sich bei manchem Betrachter im Glauben an die Aussage- und Diskursfähigkeit zeitgenössischen Kunstschaffens nachhaltige Erschütterungen bemerkbar. Erste Senkungsrisse zeigten sich bereits angesichts der ihrem Wesen nach suspekten Euphorie der späten Siebziger und frühen Achtziger, die sich im eruptiven Gestus der Neuen Wilden ebenso entlud wie in spektakulären Groß-Ausstellungen, in der Neugründungen von Kunstvereinen und Galerien. Es folgte die Aufwertung und in der Konsequenz schließlich die Überbewertung von Kunstmesse und -markt zu ultimativen Seismographen künstlerischer Entwicklungen. Bestehende Diskurse und neue Denkansätze wurden in marktkonformen Beschleunigungsmechanismen zu kurzatmigen Trends verflüssigt. Geschuldet war dies nicht zuletzt der „feindlichen Übernahme“ des Kunstbetriebs durch die „Adabeis“ (Hochdeutsch: „auch dabeis“), jenen akademischen Halbgebildeten mit prallen Konten und noch fetterem Selbstbewusstsein, die sich damals verstärkt als (An-) Sammler und Mäzene unter das sachkundige Publikum mischten, die Vernissagen bevölkerten und etliche Akteure des Kunstbetriebs erfolgreich von Unabdingbarkeit und Gewicht ihrer Präsenz überzeugen konnten. Inzwischen zeigt sich der Erfolg ihrer Minierarbeit, mit der sie die Anpassung des Kunstschaffens und -betriebs an die Maximen ihres Lebensstils betrieben, nachhaltig in der Beliebigkeit und letztlich der galoppierenden Erosion jeglichen Kunstdiskurses. Das ist – in äußerster Verknappung beschrieben – der Status quo, mit dem man sich als Rezipient konfrontiert sieht. Und da steht nun der ernsthafte, diskursgetriebene Kunstliebhaber von einst und fischt in der trüben Brühe des zeitgenössischen Kunstbetriebs so unverdrossen wie weitgehend vergeblich nach Gehalt, während um ihn herum alles aufgeheizt konsumiert, parliert, profitiert und paradiert, zum neunhundertneunundneunzigsten Mal die gleichen Phrasen zu extrem begrenzten Inhalten drischt und sich obendrein in unerschütterlichem Konsens als geistige Elite fei-

ert. Da wird es dann ganz schön einsam um einen herum und man denkt sich, irgendwas kann da nicht stimmen. Dennoch bleibt man dabei und schaut und sucht. Und so zeigen sich bei derart Traumatisierten Symptome, wie sie im klassischen Konzept des Psychiaters Eugen Bleuler zum Thema „Schizophrenie“ beschrieben wurden.

1. Formale Denkstörungen

In diesem Bereich kommt vor allem das Phänomen der „Überwertigen Idee“ zum Tragen. Darunter versteht man einen Leitgedanken, der das Leben nachhaltig bestimmt und emotional stark besetzt ist. In unserem Fall handelt es sich um das Festhalten an der Vorstellung, dass das langweilige Objekt im notorischen White Cube irgendwann wieder zu einem spricht, dass die kommerziellen Strategien in den meisten Arbeiten wieder weniger durchsichtig erscheinen, dass etwa die Substanz von Neos Malerei sich nicht mehr im Verlauf des Betrachtens in Rauch auflöst und man angesichts dergleichen wieder Herzklopfen bekommt wie ehedem etwa in der Betrachtung von Cy Twomblys „Poems to the Sea“. Nach Bleuler wäre diese Vorstellung „mit intensiver Emotionalität besetzt“. Genau! Wäre man nicht überglücklich, wenn man das prätentiöse Gewese wieder auch nur annähernd nachvollziehen könnte, das etwa ein Sammler um seine neuesten Trophäen macht und man darin wieder mehr erkennen könnte als ein weiterer Aufguss epigonalen, kalten Kaffees, ad hoc durch den Filter geschossen? Damit wären wir auch schon bei

2. Störung der Affektivität

Hier drückt sie sich aus in Ambivalenz. Nicht von ungefähr bemüht Bleuler den Begriff der „Hassliebe“, um das Symptom affektiver Ambivalenz zu beschreiben. Und genau das treibt einen immer wieder in eine Ausstellung. Wenn die viel beargwöhnte Dominanz des Marktes tatsächlich alle Lebensbereiche durchdringt, wie sollte es ausgerechnet der Kunst gelingen, sich davon frei zum machen? Und bieten manche noch so dürftige Arbeiten nicht bei näherer Betrachtung doch mehr geistige Substanz als die Welt der Konsumartikel mit ihren „Markenphilosophien“? Andererseits: wie borniert (oder leidensfähig?) muss einer sein, der in vollendeter Ignoranz gegenüber jenen Dürftigkeiten in krasser Selbstverleugnung Seite um Seite in Ausstellungskatalogen mit akademischen Worthülsen füllt? Derart frustiert stellen sich mit der Zeit

3. Antriebsstörungen

ein. Motivation und Begeisterung lassen nach. Man schenkt sich den Besuch der einen oder anderen Ausstellung und muss auch nicht unbedingt jede Kritik in den Feuilletons gelesen haben. Die Kataloge rührt man erst


Megabeta September 13

4. Autismus

hinein. Bleuler beschreibt damit den Rückzug in die eigene, innere Gedankenwelt. Und für diesen Rückzug ist man bestens gerüstet. Ein paar Jahrzehnte intensiver Kunstrezeption sind mehr als ausreichend, um ei-

ne derart differenzierte Betrachtung seiner Umwelt zu erreichen, dass sie einen in die Lage versetzt, Kunstwerke in Dingen oder Situationen zu erkennen, in denen per se künstlerische Inhalte nicht mal ansatzweise intendiert sind. Heureka! Vielleicht ist es das ja: Autismus als Strategie der Kunstrezeption 2.0? Kunst ist dort, wo der Gegenstand auf die Erfahrung des Betrachters trifft. Es lebe das Ready Made! Die „Attitudes“ finden von selbst zur „Form“. Oder ist das schon wieder so eine „überwertige Idee“? Anna Gresse

Fotos: Gabor Baksay

gar nicht mehr an. Und kündigt sein Abo des dickleibigen Kunstmagazins, das alle paar Monate in seiner Eigenschaft als intellektueller Durchlauferhitzer für pseudo-kreative Banalitäten die Leserschaft mit kaum verhohlener Markt-Propaganda beliefert. Nee, danke! Mit viel Pech steigert man sich so allmählich in einen

9


10

MeGabeta September 13

Mega-Beta

Mein von Martin Heinen blocker…

L

uther hat ja schon gesagt, wenn ich morgen sterben sollte, würde ich heute noch eine Tageszeitung pflanzen, die Apfel heißt (also Apple) - oder ein Drauf- oder Fremdgeh-Portal für Priester-Singles, die einen oder zwei Partner suchen, oder eine NetzwerkGruppe „Stop Franziskus“ gründen. Alles ein 3.0-Hoax, früher nannte man das Lüge oder Falschmeldung oder Setz- und Druckfehler, natürlich. Und wenn vor ihm Zuckerberg gepredigt hätte, der statt Facebook einen Online-Translator in die Welt geboren hätte, dann hätte der gute Martin seine Thesen und seine Bibel-Übersetzung vielleicht noch der letzten Printausgabe der deutschen „Financial Times“ beilegen können, die auch knochen- und vor allem aschenlos vermodert ist. Keine Grabstelle, kein ewiges Opferlicht – und niemand, der dahin noch - länger als nötig – ab und zu Blumen des goldenen Journalismus hinbringt. Der reine Kohlenstoff der Information ist Wissen/Mehrwissen und Wert(e)/ Mehrwerte (gilt selbst für die zufällige oder beabsichtigte Falschinformation). Dazu vielleicht noch der Faktor Unterhaltung, den man aber diesen beiden Oberkategorien gnädig beiordnen kann. Das Wasser dafür ist das jeweilige Medium und in Addition das große Meer der Medien und kommunikativen Transportmittel. Heute scheint es so, dass 99 Prozent der Erde aus digitalem InfoBlubberwasser bestehen. Print scheint toter als der echte Luther – und wer schlau ist, der schreibt seine Texte auf Klopapier – nachdem er sie ins Netz gestellt hat. Der eigene Untergang ist längst Titelthema, noch. Der SpringerKonzern verkauft seine zentralen Tagesund Wochenzeitungen und dazu noch mehr als ein halbes Dutzend bunte Blättchen. Alles Klassiker, alle übrigens noch mit Traumrenditen. Gesamtumsatz: 512 Mio. im Jahr, Rendite über 20 Prozent. Fakt ist natürlich, dass die Print-Medien – hier vor allem die Tages- und Wochenzeitungen – erheblich an Auflage und Anzeigengeschäft verloren haben (50 Prozent im Durchschnitt der letzten 10 Jahre!). Wg. Facebook und Co. - könnte man meinen. Mehr noch wegen ihrer altbackenen Strukturen, ihres journalistischen (und kaufmännischem…) Selbstverständnisses und ihres traditionellen Luxus-Status (Verleger wie Redaktionen), die irgendwo noch in der Nachkriegszeit oder in halbherzigen Relaunch- und Modernisierungsversuchen der 80er- und 90er-Jahre verharren, darin schon verspielt hatten und haben. Kein Wunder – haben sie doch über fast 50 Jahre erfahren dürfen, wie reich und mächtig und unangefochten man mit Quasi-Monopolen werden kann. Das ist jetzt vorbei. Leider, teilweise, allein schon wegen des journalistischen Know-Hows und seiner Kultur, die dabei (scheinbar) für immer verloren gehen. Nun gut: Man mag entschuldigen, dass Zuckerberg und Co. eben weitaus schlauer, schneller, globaler waren. Aber wie, bitteschön, kann man so rasch und massiv seine Kernkompetenz, seine Existenzberechtigung verlieren? Ja, eben: weil man an den

fundamentalen, informativen Kernbedürfnissen (Kohlenstoff, siehe oben) der direkten Kunden (früher Leser oder Aboisten…neues Wort, auch von mir…) und Anzeigenkunden (AboistenPlus) entweder konsequent vorbeischreibt oder kommerziell/programmatisch/inhaltlich vorbeihandelt. Wert und Werte, Fachwissen, Meinung, Mehrwert, Spezialisierung, multimediale Vermarktung, Netzwerknutzen, Empathie und Emotion, Seismograph und Kompass – wenn ein Medium (damit ist nicht meine höchstpersönliche Handleserin gemeint…) eine solche Eindeutigkeit, intelligente Verknüpfung, zentrale Markierung nicht hat, dann ist es überhaupt keines (mehr). Also jedenfalls: dann ist es nicht überlebensfähig, nicht inhaltlich, nicht wirtschaftlich. Gegen ein notwendiges Umdenken, das in genügend Fällen zu spät kommt und käme, spricht auch die journalistische Selbstverliebtheit und -erhöhung, an der sich gerade die schreibende Kaste gerne selber krault und übereitel beweihräuchert. Oder sich auf der anderen Seite oft genug nur erfüllungsdevot, lobby- und anzeigenabhängig billig-prostituiert. Alles vorbei? Nein, ganz im Gegenteil. Aber die zukünftiger Verleger - sie werden einen neuen Namen bekommen (…ist mir noch nicht eingefallen…) - werden es anders und vielleicht auch besser machen. Jeff Bezos, Oberguru von Amazon, hat gerade mit dem Finger geschnippt und für rund 220 Mio. Dollar die „Washington Post“ gekauft (und damit gleich auch sieben weitere Tagesund Wochenzeitungen). Als Spielzeug? Als Genugtuung? Als Joke? Als Einflusswaffe? Nein, keinesfalls. Der hat wahrscheinlich nur gesehen, dass auch zur modernsten, schnelllebigsten Form der Informationsinflation die Tradition der Informationsfilterung – und -bewertung gehört. (Gewachsene, belastbare) Wertigkeit, dazu Kompetenzstatus, Autorität, Glaubwürdigkeit, Wahrheit, Standing, Identifizierung, klassisches Handwerk. Klingt fast romantisierend, ist es aber nicht. Bezos hat sich gerade ein immer noch starkes Skelett gekauft, das er jetzt hoffentlich behutsam und wirkungsvoll formatiert und transformiert. Genial, wenn es so ist und wird. Was ich nur sagen wollte: Die größte Wochenzeitung in Deutschland ist übrigens längst der Aldi-Handzettel, für den ich gerne schreiben und den ich gerne weiterentwickeln will, um mir dann endlich Amazon zu kaufen. Ab jetzt, also. Und: Die Zeiten waren nie besser, eine Tageszeitung zu gründen, es muss nur eine andere sein. Bis dahin kaue ich an Mega-Betablockern, die hemmen ja bekanntlich Adrenalin, beeinflussen die Ruheherzfrequenz, senken den Blutdruck und gehören sowieso zu den meistverkauften Arzneimitteln in Deutschland (über 2 Mrd. Dosen im Jahr). Der Megablockbuster im Segment heißt übrigens „Metoprolol“. Klingt fast wie ein neues Stadtmagazin für Aachen.

Martin Heinen


Designmetropole Aachen

A

D

B

C

Psycho Furniture Patricia Yasmine Graf (PYG-Design) beim Versuch, Haltung auf ihrem hyperaktivemStuhl zu bewahren. Bildlegende: A - Kommode (multiple Persönlichkeit), B - Stuhl (Borderline), C - Stuhl (Hyperaktiv, ADHS), D - Bett (Anorexia nervosa) Die Designmetropole Aachen hat sich seit ihrem Bestehen in vielfacher Hinsicht um die Kunst des Designs verdient gemacht: Diebstahl*, Vandalismus** und Autoaggression*** gehören zu ihren vornehmsten Ausdrucksmittel im Ringen um ein ganzheitliches Design für das noch junge Jahrtausend. Ihre neueste Entdeckung ist die ästhetische Relevanz geistesgestörter Einrichtungsgegenstände. Mit den von ihnen entwickelten „Psycho Möbeln“ bilden sie ein neuronales Netzwerk schizoider Weltbetrachtung, das sie auf der diesjährigen Mailänder Möbelmesse der Weltöffentlichkeit vorgestellt haben. Vor der Abreise befragten wir Patricia Yasmine Graf, Fabian Seibert und Jessica Bala über die gesundheitlichen Konsequenzen ihres Zusammenlebens mit psychotischen Einrichtungsgegenständen. Megabeta: Bei Naturvölkern ist es seit Jahrtausenden bekannt, dass die sogenannte unbelebte Welt der Dinge gar nicht unbelebt ist, sondern in höchstem Maße beseelt. Wie habt ihr das erkannt? Designmetropole: Der Unterschied zwischen Menschen und Dingen besteht nicht in ihrer Beseeltoder Unbeseeltheit, sondern in den unterschiedlichen Zeitdimensionen ihrer Existenz. Die stark verlangsamten Zeitabläufe der Dingwelt sind der Hauptgrund, warum wir ihre Beseeltheit normalerweise nicht wahrnehmen. Mit Hilfe von Zeitrafferaufnahmen, Aurafotografie und esoterischen PendelAnalysen sind wir ihnen aber schnell auf die Schliche gekommen. Moviebeta: Und wir habt ihr dann die Geistesgestörtheit der Möbel festgestellt? Designmetropole: Wir bekamen unerklärliche Kopfschmerzen, entwickelten eine Schwäche für Verschwörungstheorien und hatten insgesamt das Gefühl von „bad vibrations“ im Atelier. Mensch und Ding bilden ja, ähnlich wie es in Familien geistesgestörter Menschen geschieht, ein paranoides Kollektivbewusstsein, das sich gegenseitig durchdringt und beeinflusst. Aus Selbstschutz haben wir dann therapeutische Maßnahmen eingeleitet. Standardmäßig verabreichen wir einen Cocktail aus Neuroleptika, die wir als Polituren und Lackierungen verabreichen. Lösungsmittel verwenden wir nur in absoluten Notfällen. Eine dicke Schicht Xyladecor wirkt, sowohl euphorisierend als auch sedierend. Als zusätzliches Therapieangebot bieten sich meditative Krafttierreisen und Gesprächstherapien an. In Härtefällen müssen wir manchmal auf klassische Verhaltenstherapie mit Säge, Schraubenzieher oder, wenn es gar nicht anders geht, mit dem Vorschlaghammer zurückgreifen. Megabeta: Die Möbelmesse in Mailand ist ja auch eine Verkaufsmesse für Fachpublikum. Fällt es euch nicht schwer, euch von euren Schutzbefohlenen zu trennen? Designmetropole: Wir machen vor der Fahrt zur Messe ein kleines Abschiedsfest bei Kerzenlicht mit Didgederoo-Musik, und etwas Nudelsalat. Aber ganz ehrlich: Wir sind heilfroh, wenn die weg sind. Das Gespräch führte Gabor Baksay [Video des Interviews auf www.moviebeta.de] *Inszenierte Entwendung großflächiger Werbefahnen des Ludwig Forums zur Ausstellung „Nie wieder Störungsfrei“). **Typographiesche „Korrektur“ von Aachen-Ortschildern mit „Designmetropole Aachen“ in einer Nacht-und-Nebelaktion ***Suizidaler-Armreif von Fabian Seibert

11

Videostills: Gabor Baksay

Megabeta September 13


RInderLUNGE

September 13 MEGABETA

37

Fremd

Sonntag, 25.8., Burg Wilhelmstein, Manfred Leuchter mit Band und Gästen

Am 15.8. endgültiger Entrümpelungstermin des

Burg Wilhelmstein liegt in Würselen und somit, von Aachen aus gesehen, nicht wirklich in der Fremde. Die Burg Willi selbst ist nach dem ersten Besuch für immer unvergesslich ins Gedächtnis gebrannt, als eine der schönsten Open-Air Bühnen jenseits des Jupiters. Wer aber, wie ich, maximal einmal im Jahr dorthin fährt, der landet dann doch einigermaßen in der Fremde. Mit dem Ergebnis, dass ich mich auf dem Weg dorthin, garantiert verirre. Diesmal stand ich zu Fuß am Ende einer Sackgasse und verfluchte den Google-Maps-Audruck in meinen Händen – fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus. Nachdem ich dann entgegen meiner Gewohnheit einfach mal den anderen Passanten folgte, fand ich glücklich mein Ziel.

me; wir waren jung und freakig, wir glaubten an das

Manfred Leuchter und Band sind in Aachen so fremd wie Kaiser Karl, aber Manni selbst zieht es immer wieder und immer öfter in die Fremde, wo die Fremden seine Freunde sind. Einer davon, der iranische Percussionist Afra Mussawisade, ist festes Bandmitglied geworden und

zimmer und der Ort unserer (un)erfüllten Träu-

Gute im Menschen und an Maria, unsere Königin;

wir waren der Hofstaat, der 4 1 Lächeln von ihr al-

les gegeben hat, sie konnte trösten, reden, knutschen, FOTOS: CARLA ASTEN

bescherte an diesem Abend einen Eindruck von den Möglichkeiten der Percussion, die man nie zuvor geahnt hätte, baute dabei elektronische Elemente ebenso ein wie traditionelles Schlagwerk. Mit Stefan Michalke an Klavier und Keyboards und Antoine Pütz als Bassisten war die exquisite Besetzung perfekt. Fremd? Das Programm des Abends brachte uns nahe, dass es „fremd“ nicht mehr gibt, erzählte von Menschen, Ländern, Liebe, Leiden, Zuversicht. Die weite Welt wurde an diesem Abend mit jedem Stück ein wenig größer und naheliegender zugleich. Manni Leuchter versteht es einen Abend der groß beginnt, noch größer zu beenden und brachte mit Grant Stevens und Julia Messenger zwei Sänger die auf die Bühne deren Heimat Australien am anderen Ende der Welt liegt, deren Stimmen und Ausstrahlung aber locker die Welt umschließen können. Dass man selbst mit einer Mundharmonika in diesem musikalischen Umfeld mithalten kann, mag nun wirklich befremdlich anmuten, die Mundharmonika-Virtuosin Kathrin Gass hat bewiesen, dass auch das gelingen kann. Kann man leider nicht beschreiben, muss man erlebt haben. Fremd? Ja, bitte, immer wieder gerne, denn fremd sind nur wir selbst, uns selbst. (alx)

freien - nur mit ihrem Zuhören, ihrer Art und ihren Outfits; ich habe im Leben nie so tolle Leute wie da kennengelernt und sie waren alle interes-

sant: Ich sah: HIV-Infizierte, Junkies, Tunten, Mu-

BRUNO KÖSTER HAT EINE MARIENERSCHEINUNG

siker, Hippies, Tänzer, Künstler, Piraten, Rocker,

Punks, Heavy-Metaller, Männer und Frauen - und alle waren 1 1heit!!! Jeder war gleich, jeder redete

mit jedem. Es war so schillernd und bunt: Wir, die

Tertin-Deko auch und man war jeden Abend wieder neu bereichert. Auch ohne (2 much) Alkohol, weil

da 1fach 1 FLAIR war, 1 ATHMOSPHÄRE und 1 AVANTGARDETHRILL. Die Konzerte wa-

ren waren unersetzlich, alles war gut; dass das jetzt

4 ever ZU ist, ist mehr als 1 scheußliche Wendung

des Schicksals (siehe STUDIO 54 in NY ) und man kann sich fragen, wieso es nicht möglich war, diese

Underground-Flora-und-Fauna zu erhalten!!!XXX

Wer nun Beiträge in Facebook schreibt, dass im P-

BLAUDZUN

eck Verräter hausen, der sollte sich fragen, wieso

09.08, NORMALUHR UND SPÄTER MUSIKBUNKER

ILLU: MATHIAS

So fiel mir ein, dass eben jener BLAUDZUN abend im MuBu auftrat und: keine Frage... bereut habe ich das nicht. BLAUDZUN ist ein wahrer Musikpoet, einer, der die Schönheit der Kunst an ihr äußeres treibt. Ein "natural". Wie MORISSEY, COHEN, oder PATTI SMITH erfindet er seine eigenen Regeln, sein eigenes Genre und trägt einen auf dem fliegenden Teppisch seiner lyrischen Phantasie. Aber vor allem ist BLAUDZUN eben eins: echt verdammt groß! mat

man diesen unseren Familientreff-> HQ nicht be-

stehen lassen konnte. Man muss da auch mal 1sich-

tig sein! Und sich selbst die SCHULD geben, wenn man sie auch hat! SORRY! Wir alle gingen ja ins

HQ, bis eben alle unzufrieden waren; wir sind dann sogar aus 4zweiflung zu XXX in dessen KNEIPE!

MADXXX Foto: Harald Mingers

Ich wußte gar nicht, dass BLAUDZUN so groß war. Das wurde mir erst klar, als eine riesige, bärtige, behutete und bebrillte Menschengestalt in Richtung Normaluhr lief. Die Art, die man sich sicher gemerkt hätte, hätte man sie schon mal gesehen. Wie ein riesiger Rabbi aus Martin Bubers Erzählungen, gleichsam neugierig und schweigsam in sich gekehrt, das neue territorium erkundend.

Stimmung machen und 1 von jeglichen Sorgen be-

Foto: Harald Mingers

FOTOS: CARLA ASTEN

HQ :-( Das Hauptquartier war unser aller Wohn-


36

September 13 MEGABETA

RInderLUNGE

Im Kopf von DerSuk 013:

Achtung! Wichtiger Hinweis! WER SCHON MAL EIN SCHAFSAUGE GEGESSEN HAT, DEM DÜRFTE BEKANNT SEIN, DASS DER GESCHMACK SICH NICHT SONDERLICH VON DEM EINES HUNDE- ODER PFERDEAUGES UNTERSCHEIDET. DENNOCH HEISST ES: AUFGEPASST BEIM AUGENKAUF! DENN NICHT IMMER HANDELT ES SICH BEI DER ANGEBOTENEN WARE UM ECHTE AUGEN. EINE BEMALTE LITSCHI Z. B. IST FÜR EINEN LAIEN KAUM VON EINEM SCHAFSAUGE ZU UNTERSCHEIDEN. AUCH SILBERZWIEBELN, IN DIE EINE SCHWARZE OLIVENHÄLFTE EINGELEGT WURDE, KOMMEN EINEM TIERISCHEN AUGE SEHR NAHE. SKRUPELLOSE HÄNDLER NUTZEN UNSER HALBWISSEN SCHAMLOS AUS, KASSIEREN VIEL GELD FÜR FALSCHE AUGEN.

KOPIERT DIESEN LINK BITTE IN EUER FACEBOOKPROFIL UND SEID WACHSAM.

21.7.2013, BARMENER BADESEE! Liebe Gaby! Gestern fuhren wir nach 1-wöchigem Kartenstudium nach BARMEN (hinter Aldenhoven!) zu 1 Badesee in 1 Naturschutzgebiet, es gibt derer mehrere. Wir da so hin mit 1 Navi. Kamen an, voller Tatendrang und 4freude. Mit Taschen beladen usw., gehen da ins Gelände reinreinrein. Kommen wir so um 14 Uhr 45 an, ist der gesamte "Strand" voller Menschen; Wiese, Sand, Erde, alles belegt, der Boden mit Handtüchern abgedeckt wie auf Malle zur Hochsaison, dazwischen Hunde (trotz separatem Hundestrand) und brüllende Kinder, das Wasser auch voll, 4 allem überall auch fettleibige Leute mit von hinten so Popo-Falten im Rumpf, pubertierende Jungen mit Brüstchen von nachts-aus-der-Tiefkühltruhe-kalteFritten-essen (4 Hunger), junge Mädels mit Riesenbroschen am Bikinioberteil (Funkeln in der Sonne zum Anlocken des anderen Geschlechts) oder kiffende Schüler zwischen leeren Colaflaschen, lesende Zwerge mit dreckigen Fußsohlen, schlechttätowierte Frauen in den Wechseljahren mit Ranken- und Blumenmotiven (sind die mitten im Prozess des Reinnadelns aufgestanden und weggegangen oder reichte es Geld nicht?), schreiende Polen, Russen, Halb- und Vollasis. Mülleimer eh komplett überfüllt. Falls welche da. Wir so schüchtern noch 1 Platz neben 1 aschigen Feuerstelle im Schatten gefunden. Die Decken in den Dreck gerammt. Wir so beäugt von allen Nachbarn,

obwohl schlechtester Platz. Dann so links grillten Polen wie irre und warteten nicht, dass der Qualm endete aus dem Grill 4 dem Auflegen der Grillwaren (muss man, da sonst Krebs, aber eh Krebs wir allema später); kam 1 dicke Dame und schrie: "GRILL AUS - ich hol die Polizei!", da der Rauch zu ihrem Baby wehte, lachten die Polen nur, 1 Bier in der Hand, 1 platzbewachender Russe mit Bierbauch und Badehose, die nur vom Penis gehalten wurde, kommentierte und simultanübersetzte den Streit 4 seine Family in seine Muttersprache, kam dann 1 Platzwart und rief: "GRILL AUS, in 30 min ist der GRILL AUS!" Naja. Dann hamwa 1 Platz an der Sonne gefunden und gewechselt drauf, lagen da auch noch glühende Kohlen in Alufolie, in die ich packte (hahaha!) und so mehrere leere Chipstüten, war mein Gitarrist in Hundescheiße getreten und musste dann scheuern viele Stunden an der Schuhsohle, während mein Bassist die Kohlen löschte, die neben der Decke immer noch glühten, wir saßen auch in 1 Mückenschwarm und hatten immer Stöck-

MADx

chen und Disteln an den Armen sowie Beinen vom Gehen und Liegen (oder umgekehrt), die waren überall und aus dem Rasen hätten auch Zecken rauskommen können oder aus den Bäumen fallen. Da4 kamen rote Ameisen und gelbe, auch andere Spinnentiere; ins Wasser durfte man auch, außer man störte die Kinder; die Musik, die wir heimlich laufen ließen, weil sie meiner Freundin Keith MOON gefiel, funktionierte immerhin, obwohl Ghettoblaster von 1986 mit Originalpreisschild, immerhin. Es war dann doch 1 schöner Tag in/an der Sonne. (Liege sonst wohl eher Balkon!) MADxxx

xx

ILLU: GABOR BAKSAY


September 13 MEGABETA

volker-lang-accessoires.de

xx

GROTESK: O. Texier

IMPRESSUM 33. Jahrgang Verbreitete Auflage: 13.850 verteilte Exemplare in 261 Verteilstellen ( IVW II. Quartal 2011) im Großraum Aachen

HERAUSGEBER / VERLAG Pixel Produktion-Gabor Baksay redaktion@moviebeta.de

REDAKTION & ANZEIGEN fon 0241/18928-00 | fax 0241/1892801

ÜBERREGIONALE ANZEIGEN Berndt Media Service | PF 510141 | 44874 Bochum fon 0234/9419-10 | fax 0234/9419-191

TERMINKALENDER

Carla Asten : termine@moviebeta.de

MUSIK- UND GAMESREDAKTION

Mathias Dubois: musikredaktion@moviebeta.de

TEXTBEITRÄGE

Gabor Baksay (gb), Alexandra Hladik (alx), Mathias Dubois (mat), Martin Heinen (mh),Thomas Glörfeld, Lars Tunçay, Bich Roy, Anne Gresse, Robert Sukrow

COMIC

Olivier Texier, otexier.blogspot.de

LAYOUT

Mathias Dubois, Gabor Baksay, Bich Roy, Carla Asten, Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 8 vom 1.2.2011 Anzeigen- & Terminschluss ist der 15. des Vormonats. www.moviebeta.de

35


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.