Textbuch (dt.)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w S I R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
ANATEVKA
Musik von JERRY BOCK
Gesangstexte von SHELDON HARNICK
Deutsche Fassung von ROLF MERZ und GERHARD MERZ-HAGEN
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IC
Buch von JOSEPH STEIN
Bühnenvertrieb:
Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH
Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de
rev. 05/23
Alle Rechte vorbehalten.
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Hierzu zählen insbesondere das Recht der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und sonstige Medien, der mechanischen Vervielfältigung und der Vertonung (Neuvertonung), die Verwendung zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Aufführungen, gleich ob von Amateur- oder Profibühnen sowie anderen Interessenten. Text, Komposition sowie Text- und Musikmaterial des Bühnenwerks werden Bühnen / Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrags zur Verfügung gestellt. Jede darüber hinausgehende Verwertung von Text und /oder Musikmaterial des Bühnenwerks bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrags hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen / Veranstaltern der Text oder das Musikmaterial des Bühnenwerks ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Verlag getroffenen Vereinbarungen. Dieser Text und die damit verbundene Komposition gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur Erstübersetzung / der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Nicht vom Verlag genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Material darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden.
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Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Manuskript umgehend zurückzusenden an:
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Personen
Original* TEVJE, ein Milchmann
GOLDE
GOLDE, seine Frau
TZEITEL
ZEITEL
HODEL
HODEL
CHAVA
CHAVA
SHPRINTZE
SPRINTZE
BIELKE
BIELKE
YENTE
JENTE, eine Heiratsvermittlerin
MOTEL KAMZOIL
MOTTEL KAMZOIL, ein Schneider
SHANDEL
SCHANDEL, seine Mutter
PERCHIK
PERCHIK, ein Student
LAZER WOLF
LAZAR WOLF, ein Metzger
MORDCHA
MOTSCHACH, ein Gastwirt
RABBI
RABBI
MENDEL
MENDEL, sein Sohn
AVRAM
AWRAM, ein Buchhändler
NACHUM
NACHUM, ein Bettler
OMA TZEITEL
OMA ZEITEL, Goldes Großmutter
FRUMA-SARAH
FRUMA-SARA, Lazar Wolfs erste Frau
YUSSEL
JUSSEL, ein Hutmacher
CONSTABLE
WACHTMEISTER
FYEDKA
FEDJA, ein junger Mann
SASHA
SASCHA, sein Freund
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TEVYE
deren Töchter
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und
DER FIEDLER AUF DEM DACH
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DORFBEWOHNER
Ort der Handlung:
ANATEVKA, ein Dorf in Russland
Zeit:
1905, am Vorabend unruhiger Zeiten
* Im Klavierauszug wird teilweise die englische Schreibweise der Rollennamen verwendet. Für Besetzungsangaben, z.B. im Programmheft, empfehlen wir die in der rechten Spalte wiedergegebene deutsche Schreibweise.
Inhaltsverzeichnis
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Prolog ................................................................................................................................................................................................ 3 Musik Nr. 1 - TRADITION ..................................................................................................................................................... 3 Szene 1-1.......................................................................................................................................................................................... 9 Musik Nr. 2 - AKT 1 – OPENING ........................................................................................................................................ 9 Musik Nr. 3 - JENTE, 0, JENTE .......................................................................................................................................... 16 Musik Nr. 3a - SZENENWECHSEL ................................................................................................................................... 18 Szene 1-2........................................................................................................................................................................................ 19 Musik Nr. 4 - WENN ICH EINMAL REICH WÄR’ ....................................................................................................... 20 Musik Nr. 4a - ENDE SZENE 2 .......................................................................................................................................... 28 Szene 1-3........................................................................................................................................................................................ 28 Musik Nr. 5 - SABBAT-GEBET .......................................................................................................................................... 34 Musik Nr. 5a - SZENENWECHSEL ................................................................................................................................... 35 Szene 1-4........................................................................................................................................................................................ 35 Musik Nr. 6 - ZUM WOHL ................................................................................................................................................... 41 Musik Nr. 6a - ZUM WOHL – TANZ ................................................................................................................................ 45 Musik Nr. 6b - OPENING SZENE 5 / ZUM WOHL ..................................................................................................... 45 Szene 1-5........................................................................................................................................................................................ 46 Musik Nr. 7 - AUF DER STRAßE....................................................................................................................................... 48 Musik Nr. 7 Fortsetzung - SZENENWECHSEL ........................................................................................................... 48 Szene 1-6........................................................................................................................................................................................ 48 Musik Nr. 8 - PERCHIK UND HODEL TANZEN .......................................................................................................... 51 Musik Nr. 9 - TRADITION – REPRISE 1 ........................................................................................................................ 58 Musik Nr. 10 - WUNDER, EIN WUNDER! ..................................................................................................................... 61 Szene 1-7........................................................................................................................................................................................ 62 Musik Nr. 11 - TEVJES TRAUM (Der Schneider Mottel Kamzoil) ...................................................................... 63 Musik Nr. 12 - ÜBERGANG - AKT 1 ................................................................................................................................ 71 Szene 1-8........................................................................................................................................................................................ 72 Musik Nr. 13 - EINLEITUNG ZUR HOCHZEIT............................................................................................................. 78 Szene 1-9........................................................................................................................................................................................ 78 Musik Nr. 14 - GESTERN – HEUTE ................................................................................................................................. 78 Musik Nr. 15 - HOCHZEITSTANZ NR. 1 ........................................................................................................................ 80 Szene 1-10 ..................................................................................................................................................................................... 80 Musik Nr. 16 - HOCHZEITS-SZENE NR. 1 .................................................................................................................... 86 Musik Nr. 17 - HOCHZEITS-TANZ NR. 2 ...................................................................................................................... 88 Musik Nr. 18 - HOCHZEITS-SZENE NR. 2 .................................................................................................................... 89 Musik Nr. 19 - FINALE AKT 1 ........................................................................................................................................... 90
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Musik Nr. 20 - ENTR’ACTE ................................................................................................................................................ 91 Prolog – Akt 2............................................................................................................................................................................... 91 Musik Nr. 20 Fortsetzung - PROLOG – AKT 2 ............................................................................................................ 91 Musik Nr. 21 - OPENING AKT 2 ....................................................................................................................................... 91 Szene 2-1........................................................................................................................................................................................ 92 Musik Nr. 22 - NUN HAB’ ICH, WAS ICH WILL .......................................................................................................... 94 Musik Nr. 23 - TRADITION – REPRISE 2...................................................................................................................... 98 Musik Nr. 24 - IST ES LIEBE? ......................................................................................................................................... 100 Szene 2-2..................................................................................................................................................................................... 103 Musik Nr. 25 - DAS GERÜCHT ....................................................................................................................................... 103 Musik Nr. 25 Fortsetzung - SZENENWECHSEL ..................................................................................................... 107 Szene 2-3..................................................................................................................................................................................... 107 Musik Nr. 26 - ABSCHIED VOM ELTERNHAUS ...................................................................................................... 108 Szene 2-4..................................................................................................................................................................................... 110 Musik Nr. 27 - ÜBERGANG – AKT 2 ............................................................................................................................ 110 Szene 2-5..................................................................................................................................................................................... 111 Musik Nr. 28 - UNTERMALUNG: WUNDER, OH WUNDER ................................................................................ 111 Musik Nr. 29 - SZENENWECHSEL................................................................................................................................ 117 Szene 2-6..................................................................................................................................................................................... 118 Musik Nr. 30 - CHAVALEH .............................................................................................................................................. 119 Szene 2-7..................................................................................................................................................................................... 121 Musik Nr. 31 - ANATEVKA .............................................................................................................................................. 126 Musik Nr. 31 Fortsetzung - SZENENWECHSEL ..................................................................................................... 128 Szene 2-8..................................................................................................................................................................................... 129 Musik Nr. 32 - FINALE – UNTERMALUNG ............................................................................................................... 134 Musik Nr. 33 - VORHANG – AKT 2 ............................................................................................................................... 136 Musik Nr. 34 - VERBEUGUNGEN .................................................................................................................................. 136 Musik Nr. 35 - EXIT ............................................................................................................................................................ 136
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Prolog Die Außenfront von TEVJES Haus. Ein FIEDLER sitzt auf dem Dach und spielt. TEVJE ist vor dem Haus.
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Musik Nr. 1 - TRADITION TEVJE
Ein Fiedler auf dem Dach. Klingt verrückt, nicht wahr? Aber in unserem Dörfchen Anatevka ist das so. Jeder von uns ist ein „Fiedler auf dem Dach“. Jeder versucht, eine einschmeichelnde Melodie zu spielen, ohne sich dabei das Genick zu brechen. Das ist nicht leicht! Nun werdet ihr fragen, warum wir denn eigentlich hierbleiben, wo es doch so gefährlich ist? Wir bleiben, weil Anatevka unsere Heimat ist. Und was uns unser seelisches Gleichgewicht erhält, das ist mit einem Wort gesagt: Tradition!
DORFBEWOHNER
(treten singend auf)
TRADITION, TRADITION – TRADITION! TRADITION, TRADITION – TRADITION!
TEVJE
IC
Dank unserer Tradition haben wir bisher unser Gleichgewicht seit vielen, vielen Jahren gehalten. Hier in Anatevka haben wir Traditionen für alles: wie man isst, wie man schläft, wie man arbeitet und auch dafür, wie man sich kleidet. Zum Beispiel haben wir immer den Kopf bedeckt und tragen immer einen kleinen Gebetsschal als Zeichen unserer Gottergebenheit. Nun werdet ihr fragen, wie es mit diesen Traditionen angefangen hat. Ich werd’ es euch sagen: ich weiß es nicht. Das ist eben Tradition. Und auf Grund dieser Traditionen weiß hier jeder, was er zu tun und zu lassen hat und was der liebe Gott von ihm erwartet.
N
TEVJE UND PAPAS
WER MUSS ALLEIN FÜR WEIB UND KINDER SORGEN SCHON AM FRÜHEN MORGEN UND DAS VIEH VERSORGEN?
WER IST ALLEIN DER HERR IN SEINEM HAUS, SONST LACHT IHN DIE FAMILIE AUS?
ALLE DER PAPA, DER PAPA – TRADITION! DER PAPA, DER PAPA – TRADITION! 3
GOLDE UND MAMAS WER ALLEIN TRÄGT SORGE FÜR GEMÜTLICHKEIT, BEHAGLICHKEIT UND SAUBERKEIT? WER NIMMT SICH DER KINDER UND DER RINDER AN, DAMIT PAPA DIE BIBEL LESEN KANN?
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ALLE DIE MAMA, DIE MAMA – TRADITION! DIE MAMA, DIE MAMA – TRADITION!
SÖHNE
MAN LERNT HEBRÄISCH SCHON ALS KIND, EIN HANDWERK HINTERHER. DIE BRAUT WIRD EINEM VORBESTIMMT, VON WEM? – VOM PAPA!
ALLE
DIE SÖHNE, DIE SÖHNE – TRADITION! DIE SÖHNE, DIE SÖHNE – TRADITION!
TÖCHTER
WER FLICKT UND STICKT UND STRICKT, WER NÄHT VON FRÜH BIS SPÄT, UND WER WIRD DANN VERMÄHLT MIT DEM, DEN PAPA WÄHLT?
ALLE
IC
DIE TÖCHTER, DIE TÖCHTER – TRADITION! DIE TÖCHTER, DIE TÖCHTER – TRADITION! (Das Folgende wird simultan gesungen.)
N
TEVJE UND PAPAS
WER MUSS ALLEIN FÜR WEIB UND KINDER SORGEN SCHON AM FRÜHEN MORGEN UND DAS VIEH VERSORGEN?
WER IST ALLEIN DER HERR IN SEINEM HAUS, SONST LACHT IHN DIE FAMILIE AUS? DER PAPA – TRADITION! DER PAPA, DER PAPA – TRADITION!
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GOLDE UND MAMAS WER ALLEIN TRÄGT SORGE FÜR GEMÜTLICHKEIT, BEHAGLICHKEIT UND SAUBERKEIT? WER NIMMT SICH DER KINDER UND DER RINDER AN, DAMIT PAPA DIE BIBEL LESEN KANN?
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DIE MAMA – TRADITION! DIE MAMA, DIE MAMA – TRADITION!
SÖHNE
MAN LERNT HEBRÄISCH SCHON ALS KIND, EIN HANDWERK HINTERHER. DIE BRAUT WIRD EINEM VORBESTIMMT, VON WEM? – VOM PAPA! DIE SÖHNE – TRADITION! DIE SÖHNE, DIE SÖHNE – TRADITION!
TÖCHTER
WER FLICKT UND STICKT UND STRICKT, WER NÄHT VON FRÜH BIS SPÄT, UND WER WIRD DANN VERMÄHLT MIT DEM, DEN PAPA WÄHLT?
DIE TÖCHTER, DIE TÖCHTER – TRADITION! DIE TÖCHTER, DIE TÖCHTER – TRADITION!
TEVJE
IC
(spricht)
Und natürlich haben wir in unserer Gemeinde auch ganz besondere Typen. Zum Beispiel Jente, die Heiratsvermittlerin.
N
AWRAM
Wer ist es denn?
JENTE
Rachel, die Tochter vom Schuster!
AWRAM
Rachel? Die sieht doch so schlecht, die ist doch fast blind!
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JENTE Sei mal ehrlich, Awram, so schön ist dein Sohn auch nicht! So wie Rachel sieht und dein Sohn aussieht, gibt’s ein fantastisches Paar! (ALLE tanzen.)
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TEVE Und das ist Reb Nachum, der Bettler.
NACHUM
Eine milde Gabe, bitte! Eine milde Gabe, bitte!
LAZAR
Da, Reb Nachum, hast du eine Kopeke!
NACHUM
Was, eine Kopeke? Letzte Woche hast du mir zwei gegeben!
LAZAR
Ich hatte eine schlechte Woche!
NACHUM
Wenn du ´ne schlechte Woche hattest, muss ich darunter leiden? (ALLE tanzen.)
TEVJE
Und sehr wichtig: Unser geliebter Rabbi!
N
IC
MENDEL
Rabbi, darf ich dich etwas fragen?
RABBI
Aber natürlich, mein Sohn!
MENDEL
Gibt es in unserer Religion auch einen Segen für den Zaren?
RABBI Einen Segen für den Zaren? Selbstverständlich! (singend) Gott erhalte ihn – (sprechend) und er halte ihn – uns vom Leib! 6
CHOR (ALLE tanzen.) DAI DAI DAI DAI DAI DAI DAI DAI…
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TEVJE Und dann gibt es noch „die anderen“ in Anatevka! Und das sind eine ganze Menge! Der PRIESTER, der WACHTMEISTER und andere RUSSEN kreuzen die Bühne. Die beiden Gruppen JUDEN und RUSSEN nicken einander zu.
Unser hochverehrter Herr Wachtmeister, unser hochverehrter Herr Priester, unser hochverehrter Herr… ach, was weiß ich! Wir lassen sie in Ruhe und sie lassen uns in Ruhe – bis jetzt. Wir, unter uns, kommen ausgezeichnet miteinander aus. Natürlich kommt schonmal was vor. TEVJE zeigt auf ZWEI MÄNNER.
Der da hat dem da mal ein Pferd verkauft, aber einen Maulesel geliefert. Nun, das ist längst vergeben und vergessen. Und jetzt leben wir wieder in Frieden und Eintracht. Die ZWEI MÄNNER beginnen einen Streit, der von den DORFBEWOHNERN aufgenommen wird.
ERSTER MANN
Es war ein Pferd!
ZWEITER MANN
IC
Es war ein Esel!
N
ERSTER MANN
Es war ein Pferd!
ZWEITER MANN
Es war ein Esel!
GRUPPE 1
PFERD! GRUPPE 2 ESEL!
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GRUPPE 1 PFERD! GRUPPE 2 ESEL!
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GRUPPE 1
PFERD!
GRUPPE 2
ESEL!
GRUPPE 1
PFERD!
GRUPPE 2
ESEL!
ALLE
TRADITION, TRADITION – TRADITION! TRADITION, TRADITION – TRADITION!
TEVJE
(beruhigt sie)
Tradition! Ohne unsere Tradition wäre unser Leben genauso unsicher wie – wie der Fiedler da auf dem Dach.
N
IC
DORFBEWOHNER gehen ab, das Haus öffnet sich. Man sieht ins Innere.
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Szene 1-1 Die Küche in TEVJES Haus. GOLDE, ZEITEL und HODEL treffen Vorbereitungen für den Sabbat. SPRINTZE und BIELKE treffen mit Holzscheiten ein.
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Musik Nr. 2 - AKT 1 – OPENING
(Musik fadet aus, wenn SPRINTZE spricht.)
SPRINTZE
Mama, wo soll’n wir das Holz hintun?
GOLDE
Alberne Frage! Vor den Ofen natürlich! Dummes Ding! Wo ist denn Chava?
HODEL
Sie ist im Stall. Beim Melken.
BIELKE
Wann kommt denn Papa nach Hause?
GOLDE
Der Sabbat fängt gleich an und er schert sich überhaupt nicht darum, nach Hause zu kommen! Der thront doch den ganzen Tag bloß auf seinem Kutschbock und fühlt sich als König!
ZEITEL
IC
Mama, du weiß genau - Papa arbeitet schwer!
N
GOLDE
Sein Pferd arbeitet schwerer! Und du brauchst deinen Papa nicht bei mir zu verteidigen! Ich kenne ihn bisschen länger als du! Der kann einen wahnsinnig machen! (zu sich) Ach, lieber Gott, erhalt’ ihn mir noch recht lange! (laut) Sprintze, hol mir noch paar Kartoffeln ‘rein.
(CHAVA tritt ein. Sie trägt einen Korb und hat ein Buch unter ihrer Schürze.)
GOLDE Chava, bist du fertig mit Melken?
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CHAVA Ja, Mama. (Ihr Buch fällt zur Erde.) GOLDE
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Hast du schon wieder geschmökert? Mädchen überhaupt lesen? Glaubst du, dadurch kriegst du einen aus dem Märchenbuch? (hebt das Buch auf und gibt es CHAVA)
Da!
(CHAVA geht ab. SPRINTZE ritt mit einem Korb Kartoffeln ein.)
SPRINTZE
Mama! Jente ist auf dem Weg zu uns! Sie muss jeden Moment hier sein.
HODEL
Vielleicht hat sie endlich eine gute Partie für dich gefunden, Zeitel.
GOLDE
Dein Wort in Gottes Ohr.
ZEITEL
Muss sie ausgerechnet jetzt kommen? Der Sabbat fängt gleich an.
GOLDE
Räum’ du deinen Stall auf! Ich will allein mit Jente sprechen.
N
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SPRINTZE
Mama, darf ich rausgehen, spielen?
GOLDE
Hast du Füße? Dann geh’!
BIELKE
Darf ich auch raus? (SPRINTZE und BIELKE gehen ab.)
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ZEITEL Mama, was hat Jente schon für Männer an der Hand! Der letzte war auch das Letzte! Uralt und ohne Haare! GOLDE
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Du bist gut! Arm wie eine Synagogenmaus, aber Ansprüche stellen! Wenn du einen mit Haaren willst, dann heirate einen Affen!
ZEITEL
Schließlich, Mama, bin ich noch keine 20 Jahre und…
GOLDE
(fällt ihr erschreckt ins Wort)
Pschscht!
(spuckt dreimal durch die Finger)
Beschrei dein Alter nicht! Willst du, dass der Böse in dich fährt? Je eher du unter der Haube bist, desto besser! Verschwinde! (ZEITEL verlässt die Küche in dem Moment, wo JENTE eintritt.)
N
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JENTE
Gold, mein Täubchen, ich muss dich sprechen. Ich habe ja solche Neuigkeiten für dich! Aber nicht etwa Wochenmarkt-Vormittags-Nachbarn-Neuigkeiten! Nein! Einmal-im-Leben-am-Sabbat-Neuigkeiten! Wo sind deine Töchter? Draußen? Ja? Gut! Ach, sie sind ja Juwelen - Edelsteine sind sie! Du wirst sehen, Goldchen, ich finde für jede einen Mann! Aber du solltest nicht so mäkelig sein! Selbst der mieseste Mann, Gott soll mich schützen, ist besser als gar kein Mann, Gott soll mich schützen. Wer weiß das besser als ich! Seitdem mein Mann gestorben ist, bin ich eine arme Witwe allein - niemand, mit dem ich sprechen kann, niemand, dem ich widersprechen kann. Das ist kein Leben! Alles, was ich nachts tun kann, ist, an ihn zu denken, und auch das macht keinen Spaß! Du weißt genau so gut wie ich, dass mit ihm nicht viel los war. Fettlebe gab es bei uns nie. Was er anfasste, ging schief. Er war ein Nichts! Aber besser als gar nichts!
MOTTEL
(tritt ein)
Guten Abend. Ist Zeitel zu Hause? GOLDE Ja, aber sie hat keine Zeit. Komm später noch mal wieder! 11
MOTTEL Ich möchte ihr gern etwas sagen. GOLDE Später!
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ZEITEL
(tritt ein)
Oh, Mottel, hab’ ich doch richtig gehört!
GOLDE
Mach du deine Arbeit fertig!
(ZEITEL geht ab. Zu MOTTEL)
Ich sagte später!
MOTTEL
(im Abgehen)
Jawohl!
JENTE
Was will denn dieser arme kleine Schneider Mottel bei Zeitel?
GOLDE
IC
Die beiden sind von Kindesbeinen auf miteinander befreundet. Sie schwatzen miteinander, sie spielen miteinander…
N
JENTE
(argwöhnend) Sie spielen miteinander? Was spielen sie denn miteinander?
GOLDE
Was schon! Sie sind doch noch Kinder!
JENTE
Von solchen Kindern kommen andere Kinder!
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GOLDE Mottel ist harmlos! (GOLDE will ablenken und auf die versprochenen Neuigkeiten kommen.) Jente, du sagtest…
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JENTE
(elegisch) Ach, Kinder, Kinder! Sie sind ein Segen auf deine alten Tage. Aber mein Aaron, in Frieden soll er ruh’n, konnte mir leider zu keinen Kindern verhelfen. Glaub mir, er war eine Seele von einem Menschen, aber eben nicht genug Mann! Nicht einmal seine Stimme hat er gegen mich erhoben! Ach, hätte er’s doch getan! Aber - was hat’s für Zweck zu jammern? Andere Frauen jammern gerne. Aber nicht eine Jente! Nicht jede Frau auf der Welt ist eine Jente! (wendet sich zum Gehen)
Also, will ich mal gehen und mein bescheidenes Sabbatmahl zubereiten.
(Zögert, erwartet etwas. GOLDE läuft zu ihren Vorräten, rafft etwas zusammen und tut es JENTE in ihr Körbchen. Diese tut, als ob sie nichts bemerkt hätte.)
Also - auf Wiedersehen, Golde. Wie schön, dass wir uns wieder einmal gegenseitig das Herz ausgeschüttet haben. (Sie will gehen.)
GOLDE
Jente, du sagtest, du hättest Neuigkeiten für mich.
N
IC
JENTE
Großer jüdischer Gott, wo hab’ ich bloß meinen Kopf! Eines Tages werd’ ich ihn noch irgendwo liegen lassen und dann - "Gute Nacht, Jente". Natürlich, die Neuigkeiten! Du kennst doch Lazar Wolf, den Metzger. Ein guter Mann, ein feiner Mann. Und ich brauch’ dir nicht zu erzählen, dass er wohlhabend ist. Aber er ist einsam, der arme Mann. Er ist übrigens Witwer… du verstehst? Natürlich verstehst du! Um’s kurz zu machen: Weißt du, auf wen im ganzen Dorf er ein Auge geworfen hat, was heißt eins - alle beide? Auf Zeitel!
GOLDE
Meine Zeitel?
JENTE Nu, es wird die Zarentochter sein! Natürlich deine Zeitel!
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GOLDE So eine gute Partie - für meine Zeitel. Aber Tevje will doch einen gebildeten Mann. Außerdem kann er Lazar nicht leiden. JENTE
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Na, was! Er soll ihn ja nicht heiraten! Lazar will die Tochter, nicht den Vater. Hör mir mal zu, Golde: Schick deinen Mann zu Lazar. Sag ihm aber nicht, weshalb. Lass das Lazar selbst machen, der wird ihn schon ‘rumkriegen. Er ist ein guter Mann er ist ein wohlhaben - der Mann. Stimmt’s? Natürlich stimmt’s! Du wirst mir dann erzählen, wie die Sache gelaufen ist. Und du brauchst mir nicht einmal zu danken, denn - abgesehen von meiner Provision, die so oder so Lazar bezahlen muss, ist es mein schönster Lohn, Menschen glücklich zu machen. Gibt es einen schöneren? Also, auf Wiedersehen, Golde. (GOLDE will ihr danken.)
Gern geschehen!
(JENTE geht ab.)
ZEITEL
(tritt ein)
Was wollte sie denn, Mama?
GOLDE
Das wirst du noch früh genug erfahren. Mach du deinen Fußboden sauber. (GOLDE geht ab. HODEL und CHAVA treten ein mit Eimern, Schrubber und Scheuerlappen.)
Ich möchte wissen, ob Jente einen Mann für dich hat!
N
IC
HODEL
ZEITEL
Ich bin nicht wild darauf, dass Jente einen Mann für mich anbringt.
CHAVA
(neckt ZEITEL)
Ausgenommen Mottel, den Schneider! ZEITEL Danach hab’ ich dich nicht gefragt! 14
HODEL Aber Zeitel! Du bist doch die Älteste! Erst musst du unter die Haube, dann komm’ ich dran. CHAVA
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Und dann komm ich dran… HODEL
(ergänzt)
…wenn Jente einen anbringen sollte!
ZEITEL
Oh, Jente, Jente, hört mir auf mit Jente!!!
HODEL
Irgendjemand muss ja schließlich die Ehen vermitteln! Junge Leute können doch so etwas nicht allein entscheiden!
CHAVA
Hoffentlich bringt sie einen ganz tollen…
HODEL
…einen interessanten, …
CHAVA
…einen in guter Stellung, …
N
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HODEL
…einen mit Geld! (singt)
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Musik Nr. 3 - JENTE, 0, JENTE HODEL
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JENTE, O, JENTE, ACH, BRING EINEN MANN, ZWING EINEN MANN, SPRING EINEN AN! JENTE, O, JENTE, SCHAU MAL IN DEIN BUCH, DU WEIßT JA SCHON, WAS ICH SUCH’! CHAVA
JENTE, O, JENTE, ACH, FANG EINEN MANN, FIND EINEN MANN, BIND EINEN AN! SAG IHM, ICH SEHN’ MICH NACH IHM JA SO SEHR! ACH, JENTE, EIN MANN MUSS HER!
HODEL
FÜR PAPA MUSS ER GELEHRT SEIN.
CHAVA
FÜR MAMA IST DIE HAUPTSACHE REICH!
BEIDE
FÜR MICH MUSS ER ETWAS WERT SEIN ALS MANN, ALLES ANDERE, DAS IST MIR GLEICH.
JENTE, O, JENTE, ACH, FANG EINEN MANN, FIND EINEN MANN, BIND EINEN AN! NACHTS MUSS ES HERRLICH SEIN, IST MAN ZU ZWEIN, DOCH LEIDER BIN ICH GANZ ALLEIN.
N
IC
ZEITEL
Seit wann bist du denn so auf einen Mann versessen? Ich denke, du hast nur Augen für deine Bücher? (HODEL kichert)
Und du? Du hast nur Augen für den Sohn vom Rabbi!
HODEL
Warum sollte ich nicht? Wir haben nur einen Rabbi, und der hat nur einen Sohn. Und eine kann das Beste ja nur kriegen!
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ZEITEL Weil du aus einer armen Familie stammst, wirst du das heiraten, was Jente anbringt! Stimmt’s? Stimmt! (singt)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
HODEL, ICH HAB’ IHN, EIN MANN, DER IM GELDE SCHWIMMT! BEZAUBERND UND GUT, SEI FROH, WENN ER DICH NIMMT!
ER IST ZWAR SIEBZIG, NA, WENN SCHON! STIMMT’S? STIMMT! ER WIRD DICH GLÜCKLICH MACHEN, UND KANN ER DAS NICHT MEHR, ES GIBT JA NICHT NUR "DAS", FRAG MICH NICHT WAS! CHAVA, DA IST ER! DEN MAG PAPA BESTIMMT! BELESEN UND KLUG! SEI FROH, WENN ER DICH NIMMT!
ZWAR IST ER ‘N SÄUFER, NA, WENN SCHON! STIMMT’S? STIMMT! ER IST NUR SELTEN NÜCHTERN UND HAUT NIE, WENN ER TRANK. IM SUFF IST ER GANZ SCHÜCHTERN, NA, GOTT SEI DANK!
N
IC
GLAUBT IHR DENN, EIN PRINZ BEIßT AN? ICH TU WIRKLICH, WAS ICH KANN!
OHNE GELD, OHNE MITGIFT UND REICHE VERWANDTE, DA NIMMT MAN JEDEN MANN!
CHAVA
JENTE, O, JENTE, DU WEIßT DOCH BESCHEID, HAT JUNG GEFREIT DENN NIE GEREUT?
HODEL
JENTE, BRING UNS EINE GUTE PARTIE. BRICH BITTE NICHTS ÜBER’S KNIE.
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CHAVA UND HODEL ACH, JENTE, BRING UNS DOCH EINEN, DER HERZ HAT UND UNS MÄDCHEN VERSTEHT, NUR, JENTE, BRINGE UNS KEINEN, CHAVA, HODEL UND ZEITEL
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
WENN’S DIR UM PROZENTE GEHT!
JENTE, O JENTE, ES MUSS JA NICHT SEIN. ICH BLEIB’ ALLEIN, DENN ICH SEH’ EIN, DASS ES VERMITTELTE LIEBE NICHT GIBT. DRUM: ZWING KEINEN MANN, SING KEINEN AN, SPRING KEINEN AN, BRING KEINEN AN, ES SEI DENN, DASS ER MICH LIEBT.
N
IC
Musik Nr. 3a - SZENENWECHSEL
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Szene 1-2 TEVJES Haus von außen. TEVJE tritt auf. Er zieht seinen Wagen. Er hält an und setzt sich ganz außer Atem auf die Deichsel. TEVJE
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Heute bin ich das Pferd. Lieber Gott, musstest du mein armes, altes Pferd sein Hufeisen verlieren lassen? Ausgerechnet kurz vor Sabbat? Das war nicht nett! Es ist doch, weiß Gott, genug, dass du es auf mich, Tevje, abgesehen hast. Mit fünf Töchtern hast du mich gesegnet, einem armseligen Dasein - was hast du gegen mein Pferd? Manchmal habe ich das Gefühl, wenn bei dir da oben nichts los ist, dann sagst du zu dir: "Auf welche Weise könnte ich denn meinem Freund Tevje wieder mal eins auswischen?"
GOLDE
(kommt aus dem Haus)
Na, bist du endlich da, mein Ernährer?
TEVJE
(zum Himmel)
Wir sprechen uns später.
GOLDE
Wo ist denn dein Pferd?
TEVJE
IC
Der Hufschmied hat es zum Sabbat eingeladen.
N
GOLDE
Mach, beeil dich! Deinetwegen macht die Sonne nicht später Feierabend. (geht ins Haus)
TEVJE
Wie sagt doch das Gute Buch: "Heile uns, o Herr, und wir werden geheilet werden!" Mit anderen Worten: "Schick uns die Medizin, die Krankheit haben wir schon!" (macht eine Geste zur Tür)
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TEVJE (weiter)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Ich will mich ja nicht beklagen. Aber mit deiner gütigen Hilfe, o Herr, sind wir fast am Verhungern! Du hast viele, viele arme Leute geschaffen. Ich sehe natürlich ein, dass es keine Schande ist, arm zu sein. Aber eine besondere Ehre ist es auch nicht. Was wäre denn nun daran so furchtbar, wenn ich auch ein kleines Vermögen hätte?
Musik Nr. 4 - WENN ICH EINMAL REICH WÄR’ TEVJE
WENN ICH EINMAL REICH WÄR’, DEIDEL, DIDEL, DEIDEL, DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL, DUM, ALLE TAGE WÄR’ ICH BIDDY BUM, WÄRE ICH EIN REICHER MANN.
BRAUCHTE NICHT ZUR ARBEIT, DEIDEL, DIDEL, DEIDEL, DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL, DUM,
WÄRE ICH EIN REICHER BIDDY BUM, DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL MANN.
N
IC
ICH BAU’ DEN LEUTEN DANN EIN HAUS VOR DIE NASE HIER IN DIE MITTE UNSRER STADT, MIT FESTEM DACH UND TÜR’N AUS GESCHNITZTEM HOLZ. DA FÜHRT ‘NE LANGE, BREITE TREPPE HINAUF, UND NOCH EINE LÄNG’RE FÜHRT HINAB. JA, SO EIN HAUS, DAS WÄR’ MEIN GANZER STOLZ!
MEIN HOF WÄR’ VOLL VON HÜHNERN, GÄNSEN UND ENTEN UND WAS DA SONST NOCH KRÄHT UND SCHREIT. ALLES QUAKT UND SCHNATTERT, SO LAUT ES KANN. DAS IST EIN (Imitation von Federviehgeräuschen) WÄR’ DAS EIN SPEKTAKEL WEIT UND BREIT! UND JEDER HÖRT, HIER WOHNT EIN REICHER MANN . (er seufzt)
WENN ICH EINMAL REICH WÄR’, DEIDEL, DIDEL, DEIDEL, DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL, DUM, ALLE TAGE WÄR’ ICH BIDDY BUM, WÄRE ICH EIN REICHER MANN.
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TEVJE (weiter) BRAUCHTE NICHT ZUR ARBEIT, DEIDEL, DIDEL, DEIDEL, DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL, DUM,
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
WÄRE ICH EIN REICHER BIDDY BUM DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL MANN. MEIN WEIB STOLZIERT HERUM, BELADEN MIT GESCHME IDE UND AUFGEDONNERT WIE EIN PFAU. SIE ZU SEHEN, IST EINE WAHRE PRACHT. DIE FEINSTEN DELIKATESSEN LÄSST SIE SICH SERVIEREN, SPIELT SICH AUF ALS "GNÄD’GE FRAU", SCHEUCHT DAS PERSONAL BEI TAG UND NACHT.
DIE ALLERHÖCHSTEN HERREN BÄTEN MICH UM MEINEN RAT, UND SIE WÜRDEN MICH BEWUNDERN WIE EINST KÖNIG SALOMO: „DU BIST KLUG, REB TEVJE! EIN GENIE, REB TEVJE!“ UND MEIN URTEIL WÄR’ FÜR SIE DAS "A UND O". (er moduliert)
O - O - O - OH!
N
IC
ES WÄR’ GANZ EGAL,OB ICH DENEN RICHTIG RATE ODER FALSCH. WENN MAN REICH IST, GILT MAN AUCH ALS KLUG.
ICH HÄTTE ZEIT UND KÖNNTE ENDLICH ZUM BETEN OFT IN DIE SYNAGOGE GEHN. EIN EHRENPLATZ DORT WÄRE MEIN SCHÖNSTER LOHN! MIT DEN GELEHRTEN DISKUTIERT’ ICH DIE BIBEL, SO LANGE, BIS WIR SIE VERSTEHN. ACH, DAS WÜNSCHTE ICH MIR IMMER SCHON! (er seufzt)
WENN ICH EINMAL REICH WÄR’, DEIDEL, DIDEL, DEIDEL, DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL, DUM, ALLE TAGE WÄR ICH BIDDY BUM, WÄRE ICH EIN REICHER MANN.
BRAUCHTE NICHT ZUR ARBEIT, DEIDEL, DIDEL, DEIDEL, DIGGE, DIGGE, DEIDEL, DIDEL, DUM, 21
TEVJE (weiter) HERR, DU SCHUFST DEN LÖWEN UND DAS LAMM, SAG, WARUM ICH ZU DEN LÄMMERN KAM! WÄR’ ES WIRKLICH GEGEN DEINEN PLAN, WENN ICH WÄR’ EIN REICHER MANN?
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(Nach dem Lied treten auf: MOTSCHACH, MENDEL, AWRAM und andere BEWOHNER VON ANATEVKA.)
MOTSCHACH
Da ist er! Du hast meine Bestellung für Sabbat vergessen!
TEVJE
Reb Motschach, ich hab’ eine kleine Panne mit meinem Pferd gehabt.
MENDEL
Tevje! Des Rabbis Bestellung hast du auch nicht. gebracht!
TEVJE
Ich weiß, Reb Mendel.
AWRAM
Tevje! Du hast meine Bestellung für Sabbat vergessen!
TEVJE
Das sind ja schlimmere Neuigkeiten als die Pest von Odessa!
AWRAM
N
IC
(schwenkt die Zeitung, die er in der Hand hält)
Da wir gerade von Neuigkeiten sprechen - schreckliche Nachrichten kommen von draußen, schreckliche Nachrichten!
MOTSCHACH
Was ist denn passiert?
MENDEL Was steht denn da?
22
AWRAM (zeigt auf einen Zeitungsartikel) Aus einem Dorf namens Rajanka hat man alle Juden vertrieben. Sie mussten Hab und Gut zurücklassen.
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(ALLE sehen sich betroffen an.) MENDEL
Aus welchem Grund?
AWRAM
Das steht nicht da. Vielleicht wollte der Zar ihr Land… vielleicht eine Seuche…
MOTSCHACH
Ich wünsch’ dem Zaren eine Seuche an den Hals!
ALLE
Amen!
MENDEL
(zu AWRAM)
Warum bringst du uns eigentlich nie eine gute Nachricht?
AWRAM
IC
(hält ihm die Zeitung hin)
Findest du eine? Ich hab’s ja nur gelesen! Es war ein Erlass von oben. Die brauchten wieder mal paar Sündenböcke!
N
MOTSCHACH
Die einzigen Böcke, die man melken kann!
AWRAM
Den’n da oben wünsche ich, dass es sie dort juckt, wo sie nicht hinlangen können!
ALLE Amen!
23
PERCHIK (ist unauffällig während des vorangegangenen Gesprächs dazugekommen und hat sich hingesetzt)
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Warum schimpfen Sie? Was glauben Sie, wozu das gut ist? Sie stehen hier ‘rum und schimpfen und schwatzen und tun - nichts! Sie werden sich mit Ihrem Geschwätz noch das eigene Grab schaufeln! MENDEL
Entschuldigen Sie, Sie sind sicher nicht aus Anatevka?
PERCHIK
Nein.
MENDEL
Und woher sind Sie?
PERCHIK
Aus Kiew. Ich habe dort an der Universität studiert.
MOTSCHACH
Aha! An der Universität. Und dort haben Sie gelernt, erwachsene Leute zu kritisieren?
PERCHIK
Dort habe ich gelernt, dass zum Leben mehr gehört als Schwatzen. Sie sollten sich mal darum kümmern, was draußen in der Welt vor sich geht.
Warum sollte ich mir darüber den Kopf zerbrechen? Sollen die sich doch die Köpfe einschlagen!
N
IC
MOTSCHACH
TEVJE
Er hat Recht!
AWRAM
Er hat Recht - und er hat Recht. Wie können sie alle beide Recht haben?
TEVJE Weißt du was? Du hast auch Recht!
24
MOTSCHACH Da hat er Recht! Der ist ja noch nicht trocken hinter den Ohren! Gut Schabbes, Reb Tevje. DORFBEWOHNER
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Gut Schabbes, Reb Tevje. (Sie nehmen ihre bestellte Ware und gehen ab, nur MENDEL bleibt.)
MENDEL
Tevje, wo ist der Käse für Vater? Mein Käse!
TEVJE
Ja, natürlich! So, so, Sie sind aus Kiew, Reb…
PERCHIK
…Perchik!
TEVJE
Perchik. So, so, Sie sind also ganz neu hier? Wie sagt doch Abraham: "Als Gast weile ich in fremdem Lande."
MENDEL
Das hat Moses gesagt!
TEVJE
Kannst du mir verzeihen? König David fasste das in die Worte: "Ich bin schwerfällig mit dem Mund und mit der Zunge."
N
IC
MENDEL
Das war auch Moses.
TEVJE
Als Mann mit einer schwerfälligen Zunge hat der allerhand geredet.
MENDEL
Wo bleibt mein Käse?
(TEVJE bemerkt, dass PERCHIK mit hungrigen Augen auf den Käse schaut.)
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TEVJE Da, nehmen Sie. (reicht ihm ein Stück Käse) PERCHIK
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Ich habe kein Geld. Und ich bin kein Bettler.
TEVJE
Da, nehmen Sie schon! Machen Sie mir die Freude!
PERCHIK
Also gut - Gott vergelt’s!
(Er nimmt den Käse und verschlingt ihn.)
TEVJE
Danke. Es ist kein Verbrechen, arm zu sein.
PERCHIK
Die Reichen sind die Verbrecher auf dieser Welt. Aber eines Tages wird ihr Reichtum uns gehören.
TEVJE
Ach, wäre das schön! Wenn’s denen recht ist, mir soll’s recht sein.
MENDEL
Und wer wird dieses Wunder vollbringen?
N
IC
PERCHIK
Das Volk. Das einfache Volk.
MENDEL
Wie Sie?
PERCHIK
Wie ich.
MENDEL Unsinn!
26
TEVJE Und wovon wollen Sie leben, Reb Perchik, bis das "Goldene Zeitalter" anbricht? PERCHIK Ich will Kindern Unterricht geben. Haben Sie Kinder?
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TEVJE
Ich habe fünf Töchter.
PERCHIK
Fünf?
TEVJE
Töchter.
PERCHIK
Mädchen sollten sich auch weiterbilden. Sie gehören auch zum Volk.
MENDEL
(beiseite) Ein Anarchist!
PERCHIK
Ich würde sie gern unterrichten! Erweitern Sie den Horizont Ihrer Töchter durch große Ideen!
TEVJE
Was für große Ideen?
In der Bibel stehen genug, gerade für unsere Zeit.
N
IC
PERCHIK
TEVJE
Aber ich bin ein sehr armer Mann. Große Ideen gegen Kost und Logis? (PERCHIK nickt.)
Also gut. Dann bleiben Sie über den Sabbat bei uns. Natürlich essen wir nicht wie die Fürsten, aber wir hungern auch nicht. Wie sagt doch das Gute Buch: "Ein blinder Mann findet auch mal ein Huhn."
MENDEL Wo steht denn das? 27
TEVJE Na ja, so wortwörtlich steht’s nicht drin, es kann auch ein Hahn sein! Gut Schabbes! Musik Nr. 4a - ENDE SZENE 2
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MENDEL
Der kräht aber nicht bei uns! Gut Schabbes!
PERCHIK
Gut Schabbes!
(MENDEL geht ab, während TEVJE und PERCHIK ins Haus gehen.) Szene 1-3
Das Innere von TEVJES Haus. TEVJES TÖCHTER sind bereits auf der Bühne. TEVJE und PERCHIK treten ein.
TEVJE
Gut Schabbes, Kinder!
(laufen ihm entgegen)
TEVJES TÖCHTER
Gut Schabbes, Papa!
TEVJE
N
IC
Kinder!
(Sie bleiben stehen.)
Das ist Perchik. Perchik, das ist meine älteste Tochter.
PERCHIK
Gut Schabbes!
ZEITEL
Gut Schabbes! PERCHIK Sie haben eine reizende Tochter.
28
TEVJE Ich habe fünf reizende Töchter! (Er winkt die Mädchen zu sich. Sie fliegen ihm in die Arme. Er küsst eine nach der anderen.) Die ist mein… die ist mein… die ist mein… die ist mein… die ist mein…
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(MOTTEL tritt ein. Beinahe wird er auch von TEVJE geküsst.)
Der nicht! Perchik, das ist Mottel Kamzoil, und er ist…
GOLDE
(tritt ein; zu MOTTEL)
Wie schön, dass du schon wieder da bist!
TEVJE
Die ist auch mein - Golde, das ist Perchjk aus Kiew. Er verbringt den Sabbat mit uns. Er ist Lehrer. (zu SPRINTZE und BIELKE)
Möchtet ihr Unterricht bei ihm nehmen? (BEIDE kichern.)
PERCHIK
Ich bin ein wirklich guter Lehrer, ein sehr guter Lehrer.
IC
HODEL
Ich hab’ mal gehört: Ein Rabbi, der sich selbst anpreisen muss, ist meistens sein einziger Zuhörer.
N
PERCHIK
Ihre Tochter hat eine witzige und schnelle Zunge!
TEVJE
Den Witz hat sie von mir. Wie sagt doch das Gute Buch…
29
GOLDE Mottel, bleibst du auch zum Essen? (MOTTEL macht eine Geste wie: "Gern, wenn ich darf.")
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Natürlich, welche Ehre! Zeitel, also zwei mehr. Sprintze, Bielke, wascht euch! Zeitel, deck den Tisch. ZEITEL
Mottel kann mir helfen.
GOLDE
Meinetwegen. Chava, du gehst mit! (zu PERCHIK)
Sie können sich draußen am Brunnen waschen.
(TÖCHTER, MOTTEL und PERCHIK gehen ab.)
Tevje, ich muss dir etwas sagen.
TEVJE
Warum sollte es heute anders sein? (Er beginnt zu beten.)
GOLDE
Tevje, ich habe dir etwas zu sagen.
N
IC
TEVJE
Pscht! Ich bete! (betet)
GOLDE
(nachdem sie einen Moment gewartet hat)
Lazar Wolf will mit dir sprechen.
30
TEVJE (unterbricht sein Gebet) Der Fleischer? Was will er?
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(betet weiter) GOLDE
Ich weiß nicht. Er hat nur gesagt, es wäre wichtig.
TEVJE
Was kann der schon Wichtiges wollen! Ich hab’ nichts für ihn zu schlachten. (betet weiter)
GOLDE
Wenn der Sabbat vorbei ist, gehst du hin und sprichst mit ihm.
TEVJE
"Sprichst mit ihm!" Worüber denn? Wenn der sich einbildet, er könnte meine neue Milchkuh kaufen, … (er betet)
…dann irrt er sich.
(Er betet weiter.)
IC
GOLDE
Tevje, sei kein Ochse! Der Mann will dir was Wichtiges mitteilen, dann kannst du zumindest mal mit ihm sprechen.
N
TEVJE
"Mit ihm sprechen!" Worüber denn? Er will meine neue Milchkuh! (betet)
GOLDE
(befiehlt) Du sprichst mit ihm!
31
TEVJE Na schön! Wenn der Sabbat vorüber ist, werde ich mit ihm sprechen. (TEVJE und GOLDE gehen ab. Er betet immer noch. ZEITEL, MOTTEL und CHAVA bringen den Esstisch herein. CHAVA geht wieder ab.)
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ZEITEL Mottel, Jente war hier.
MOTTEL
Ich hab’ sie gesehen.
ZEITEL
Wenn die sich auf einen einigen, hab’ ich bald Hochzeit! Und dann ist es zu spät für uns!
MOTTEL
Mach dir keine Sorgen, Zeitel. Ich habe jemanden gefunden, der mir seine gebrauchte Nähmaschine verkaufen will. In ein paar Wochen habe ich genug zusammengespart. Dann kann ich sie kaufen und das wird auf deinen Vater Eindruck machen, und…
ZEITEL
Aber, Mottel in ein paar Wochen könnte es zu spät sein!
MOTTEL
Was sollen wir denn sonst machen!
Du solltest heute Abend bei meinem Vater um meine Hand anhalten! Am besten - gleich!
N
IC
ZEITEL
MOTTEL
Warum sollte er plötzlich eine andre Meinung von mir haben! Ich bin nur ein armer Schneider!
ZEITEL
Und ich bin nur die Tochter von einem armen Milchmann. Also sprich mit ihm. MOTTEL Zeitel! Wenn dein Vater "Nein" sagt, ist es aus. Für immer, das ist es ja eben. Er wird mich rausschmeißen. 32
ZEITEL Mottel! MOTTEL Ich bin doch bloß ein armer Schneider!
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ZEITEL
Mottel! Auch ein armer Schneider hat Anrecht auf ein bisschen Glück.
MOTTEL
Das ist wahr.
ZEITEL
(eindringlich) Wirst du mit ihm sprechen? Wirst du mit ihm sprechen?
MOTTEL
Also gut. Ich werde mit ihm sprechen.
TEVJE
(tritt ein)
Es ist schon spät! Wo seid ihr denn alle? So was!
MOTTEL
(folgt ihm)
Reb Tevje…
N
IC
TEVJE
(beachtet ihn nicht)
Kommt, Kinder, Kommt! Wir wollen die Kerzen anzünden!
MOTTEL
Reb Tevje!
(fasst Mut)
Reb Tevje! Reb Tevje! TEVJE Ja? Was gibt’s? (laut) Bitte, Mottel, was gibt’s denn? 33
MOTTEL (erschrocken) Gut Schabbes, Reb Tevje! TEVJE
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(irritiert) Gut Schabbes! Gut Schabbes!
Musik Nr. 5 - SABBAT-GEBET TEVJE
Kommt, Kinder, kommt!
(TEVJES FAMILIE, PERCHIK und MOTTEL versammeln sich um den Tisch. GOLDE zündet die Kerzen an und murmelt dabei ein Gebet.)
TEVJE UND GOLDE
(singen ihre Töchter an)
SCHENKE EUCH DER HERR SEINE GÜTE! SCHÜTZE EUCH DER HERR STETS VOR SCHMACH! ER VERLÄSST EUCH NIE UND GIBT EUCH EUER TÄGLICH BROT. SENDE EUCH DER HERR STOLZ UND DEMUT, WENDE ER VON EUCH NOT UND LEID. STÄRKE SIE, O HERR MIT ALLER DEINER HERRLICHKEIT.
CHOR (GLZ)
HUM HUM HUM
N
IC
TEVJE, GOLDE UND CHOR
GOTTES SEGEN SEI IMMER MIT EUCH!
(Hinter den Anwesenden wird es hell. Man sieht hinter einem transparenten Vorhang andere Familien beim Schein von Sabbat-Kerzen singen.)
GOLDE
HERR, ERHÖRE MEIN GEBET UND LENKE SIE.
TEVJE, GOLDE UND CHOR LASS SIE GUT SEIN ALS MÜTTER UND FRAU’N.
34
TEVJE GIB JEDER EINEN MANN, DER SIE ERNÄHREN KANN. TEVJE, GOLDE UND CHOR
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SCHENKE EUCH DER HERR SEINE GÜTE. SCHÜTZE EUCH DER HERR VOR GEFAHR. SCHENKE IHNEN GLÜCK UND LENKE IHR GESCHICK. ERHÖR UNSER GEBET. AMEN.
Musik Nr. 5a - SZENENWECHSEL
Szene 1-4
Im Wirtshaus am folgenden Abend. AWRAM, LAZAR, MENDEL und verschiedene DORFBEWOHNER sitzen an den Tischen. LAZAR wartet voller Ungeduld. Er trommelt mit den Fingern auf der Tischplatte und beobachtet die Eingangstür.
LAZAR
Reb Motschach.
MOTSCHACH
Ja, Lazar Wolf.
LAZAR
Bitte, bring mir eine Flasche Kognak, den besten, den du hast. Und zwei Gläser.
N
IC
AWRAM
Den besten, den er hat, Reb Lazar?
MOTSCHACH
Was ist denn passiert? Willst du ein Gelage veranstalten?
LAZAR
Es kann eins draus werden. Vielleicht sogar eine Hochzeit. MOTSCHACH Eine Hochzeit? Na, herrlich! Es wird mir eine Freude sein, bei dieser Hochzeit für Stimmung zu sorgen, den Tanz anzuführen und so weiter und so fort - gegen ein kleines Honorar natürlich. 35
LAZAR Natürlich! Eine Hochzeit wäre keine Hochzeit ohne dich - und dein kleines Honorar. (FEDJA, ein junger Russe, tritt ein, mit ihm andere RUSSEN.)
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ERSTER RUSSE Guten Abend, Wirt!
MOTSCHACH
Guten Abend!
ERSTER RUSSE
Wir hätten gern was zu trinken. Setz dich, Fedja.
MOTSCHACH
Wodka? Branntwein?
FEDJA
Wodka.
MOTSCHACH
Kommt sofort.
(TEVJE tritt ein. LAZAR, der bis jetzt die Eingangstür beobachtet hat, wendet sich ab und tut gleichgültig.)
TEVJE
IC
Guten Abend!
N
MOTSCHACH
Guten Abend, Tevje!
MENDEL
Was willst denn du hier so früh?
TEVJE
(leise zu MENDEL) Er will meine neue Milchkuh kaufen. (laut) Guten Abend, Reb Lazar!
36
LAZAR Ah, Tevje! Setz dich! Trinkst du einen mit? (schenkt ein) TEVJE
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Das kann ich dir nicht abschlagen! (trinkt)
LAZAR
Und wie geht’s dir so, Tevje?
TEVJE
Es geht so!
LAZAR
Na also!
TEVJE
Und wie geht’s dir so?
LAZAR
Genauso.
TEVJE
Oh, das tut mir aber leid!
N
IC
LAZAR
(schenkt ein)
Wie geht’s übrigens deinem Schwager in Amerika?
TEVJE
Ich glaube, es geht ihm gut.
LAZAR
Hat er geschrieben? TEVJE In letzter Zeit nicht. 37
LAZAR Und woher willst du wissen, dass es ihm gut geht? TEVJE Wenn’s ihm schlecht ginge, hätt’ er geschrieben.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
(schenkt sich noch ein Glas ein)
LAZAR
Tevje, ich nehme an, du weißt, weshalb ich mit dir sprechen wollte.
TEVJE
(trinkt)
Ja, ja, ich weiß, Reb Lazar. Aber es ist zwecklos, darüber zu sprechen.
LAZAR
(aus der Fassung gebracht)
Warum sollten wir nicht?
TEVJE
Warum sollten wir! Warum soll ich sie abstoßen?
LAZAR
Du hast ja noch paar mehr davon!
IC
TEVJE
Ich verstehe: Heute willst du eine, morgen willst du vielleicht zwei!
N
LAZAR
(entsetzt) Zwei? Was will ich denn mit zwei’n?
TEVJE
Dasselbe wie mit einer!
LAZAR
(schockiert) Tevje! Die Angelegenheit ist sehr wichtig für mich! TEVJE Was ist daran so wichtig für dich? 38
LAZAR Ehrlich gesagt, ich bin so einsam! TEVJE (entsetzt) Einsam? - Wovon sprichst du denn eigentlich?
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LAZAR
Das weißt du nicht?
TEVJE
Wir sprechen von meiner neuen Milchkuh, die du mir abkaufen willst.
LAZAR
(starrt erst TEVJE an, dann bricht er in Gelächter aus)
Eine Milchkuh! Damit ich nicht so einsam bin!
(Er brüllt vor Lachen. TEVJE starrt ihn vollkommen verwirrt an.)
TEVJE
Was ist da so komisch?
LAZAR
Ich habe von deiner Tochter gesprochen. Von deiner Tochter Zeitel. (bricht erneut in Gelächter aus; TEVJE kann es nicht fassen)
TEVJE
IC
Von meiner Tochter Zeitel?
N
LAZAR
Jawohl, von deiner Tochter Zeitel. Ich sehe sie jeden Donnerstag bei mir im Fleischerladen. Sie hat auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht. Sie gefällt mir gut! Und, was mich anbetrifft, Tevje, so weißt du ja, dass ich nicht schlecht dastehe. Ich habe mein eigenes Haus, ein gut gehendes Geschäft, eine Dienstmagd… Tevje, was sollen wir drum rumreden! Komm, gib mir deine Hand und die Heirat ist perfekt. Aussteuer brauchst du für sie nicht. Vielleicht springt für dich noch was dabei ‘raus!
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TEVJE (schreit) Schäm dich was! Schäm dich!
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(verschluckt sich) Was meinst du damit? Meine Zeitel ist doch nicht für Geld zu kaufen!
LAZAR
(beruhigt ihn)
Also gut! Wie du willst! Sprechen wir nicht von Geld! Die Hauptsache ist, dass wir uns einig werden. Und ich werde gut zu ihr sein. (bewegt) Ich hab’ sie gern. Wie denkst du darüber?
TEVJE
(zum Publikum)
Wie denk’ ich darüber? Wie denk’ ich darüber? Ich hab’ den Kerl nie ausstehen können! Warum auch! Man kann sich mit ihm allerdings sehr angeregt unterhalten. Aber bloß über Leber und Nieren. Andererseits: Nicht jeder kann ein Gelehrter sein. Und wenn man Geld hat, wird niemand Schafskopf zu dir sagen. Und bei einem Fleischer würde meine Zeitel keinen Hunger kennen. Allerdings gibt’s da ein Problem: Er ist viel älter als sie! Das ist ihr Problem! Aber sie ist viel jünger als er! Das ist sein Problem! Für mich war er immer nur "ein Fleischer". Ich habe ihm Unrecht getan. Ich glaube, er ist ein guter Mann. Er hat sie gern, er wird alles versuchen, sie glücklich zu machen.
IC
(wendet sich zu LAZAR)
Wie ich darüber denke? Ich bin einverstanden.
N
LAZAR
(freudig) Du bist einverstanden?
TEVJE
Ich bin einverstanden.
LAZAR
0 Tevje! Wie ich mich freue! Darauf woll’n wir anstoßen!
40
TEVJE Warum nicht? (prostet ihm zu) Auf dich!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
LAZAR
(erhebt ebenfalls sein Glas)
Nein, mein Freund, dich!
TEVJE
Auf uns beide!
Musik Nr. 6 - ZUM WOHL LAZAR
Auf unsere Abmachung!
TEVJE
Auf unsere Abmachung! Auf unser Wohlergehen! Auf Gesundheit und Glück! (DER FIEDLER tritt auf.)
Zum Wohl!
IC
(singt)
ZUM WOHL! ZUM WOHL! L’CHAIM!
N
TEVJE UND LAZAR
L’CHAIM! L’CHAIM, ZUM WOHL!
TEVJE
TRINK AUF DEN VATER, JA, DER BIN ICH
LAZAR UND NUN STOß AN AUF MICH
41
TEVJE UND LAZAR TRINK, L’CHAIM, ZUM WOHL, ZUM WOHL, L’CHAIM! L’CHAIM, L’CHAIM, ZUM WOHL! TEVJE
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
DAS LEBEN IST JA SO WUNDERSCHÖN, LAZAR
SO LANG WIR UNS VERSTEHN.
TEVJE UND LAZAR
TRINK! L’CHAIM, ZUM WOHL.
TEVJE
GOTT SIEHT UNS SO GERNE FRÖHLICH, SELBST WENN UNSER HERZ VOR SCHMERZ AM BODEN LIEGT .
LAZAR
DOCH NOCH FRÖHLICHER ALS FRÖHLICH SIND WIR, WENN DAS GLÜCK DAS UNGLÜCK ÜBERWIEGT!
TEVJE UND LAZAR
ZUM WOHL! ZUM WOHL! L’CHAIM!
TEVJE
AUF ZEITEL, SIE LEBE!
MEIN WEIB. NOCH WEIß DAS MÄDEL JA NICHTS DAVON.
N
IC
LAZAR
TEVJE
LASS NUR, ICH SAG’S IHR SCHON!
TEVJE UND LAZAR
TRINK! L’CHAIM, ZUM WOHL
LAZAR (gesprochen) Reb Motschach! 42
MOTSCHACH Ja, Lazar Wolf? LAZAR Die Runde geht auf mich!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
MENDEL
Was ist denn der Anlass?
LAZAR
Ich nehme mir eine Braut.
DORFBEWOHNER
Wen denn?
LAZAR
Tevjes älteste Tochter - Zeitel!
DORFBEWOHNER
Mazeltov! … Wunderbar! … Wir gratulieren! (gesungen)
AUF LAZAR WOLF,
TEVJE
AUF TEVJE.
AUF ZEITEL. SIE LEBE,
N
IC
DORFBEWOHNER
LAZAR
MEIN WEIB.
DORFBEWOHNER
DAS LEBEN HEUTE IST NICHT SEHR SCHÖN. EUCH SOLL ES BESSER GEH’N. TRINK! L’CHAIM, ZUM WOHL, ZUM WOHL, L’CHAIM, L’CHAIM, L’CHAIM, ZUM WOHL. DIE HOCHZEIT WIRD EIN EREIGNIS SEIN, WIR WERDEN GÄSTE SEIN! TRINK! L’CHAIM, ZUM WOHL! 43
GRUPPE 1 ERHEBT DAS GLAS, NEHMT EINEN TIEFEN SCHLUCK. TRINKT AUF DIE JUNGE BRAUT, TRINKT AUF DAS JUNGE PAAR. GRUPPE 2
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
BLEIBT EWIG JUNG UND BLEIBT EUCH IMMER TREU, DANN BLEIBT DIE LIEBE NEU, SO WIE IM ERSTEN JAHR.
DORFBEWOHNER
AUF EUCH UND EURE ZUKUNFT!
GRUPPE 2
AUF LEBEN,
GRUPPE 1
AUF LIEBE
GRUPPE 3
UND GLÜCK!
DORFBEWOHNER
WAS JE DAS SCHICKSAL AUCH BRINGEN MAG, HEUT IST EIN FEIERTAG! TRINKT! L’CHAIM! TRINKT AUS!
(Sie beginnen zu tanzen. Ein RUSSE fängt an zu singen. Die DORFBEWOHNER hören auf zu tanzen. Sie fühlen sich gestört.)
N
IC
DAI-DAI-DAI-DAI-DAI-DAI-DAI…
ERSTER RUSSE
AH – ZA VA SHA, ZDAROVIE, FRIEDE SEI MIT EUCH, NASDROVIE! GOTT BEWAHRE EUCH VOR ZWIETRACHT UND VOR HASS! (ANDERE RUSSEN gesellen sich dazu.)
44
ERSTER RUSSE (weiter) ZA VA SHA, ZDAROVIE, FRIEDE SEI MIT EUCH, NASDROVIE! GOTT BEWAHRE EUCH VOR ZWIETRACHT UND VOR HASS! ANDERE RUSSEN (GLZ)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
ZA, CHA ZA, CHA… HEY!
ALLE RUSSEN
ALLE EURE WÜNSCHE SOLLEN IN ERFÜLLUNG GEHN! NIEMALS SOLL EIN UNRECHT EUCH IM LEBEN JE GESCHEHN! ZA VA SHA, ZDAROVIE, FRIEDE SEI MIT EUCH, NASDROVIE! GOTT BEWAHRE EUCH VOR ZWIETRACHT UND VOR HASS! HEY!
ERSTER RUSSE (GLZ)
AH AH AH AH… HEY!
Musik Nr. 6a - ZUM WOHL – TANZ
Die RUSSEN beginnen zu tanzen, die DORFBEWOHNER gesellen sich dazu. Turbulentes Finale.
TEVJE
N
IC
(steht auf der Theke)
Zum Wohl!
(Blackout)
Musik Nr. 6b - OPENING SZENE 5 / ZUM WOHL
45
Szene 1-5 Die Straße vor der Gastwirtschaft. Aus dem Wirtshaus kommen: DER FIEDLER, TEVJE, LAZAR, die anderen DORFBEWOHNER und die RUSSEN. Sie trällern noch: "Zum Wohl! L ’Chaim!"
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
LAZAR
Tevje, weißt du auch, dass wir nach der Hochzeit miteinander verwandt sind? Dann bist du mein Papa!
TEVJE
Dein Papa! Ich hatte mir zwar immer schon einen Sohn gewünscht, aber einen, der ein bisschen jünger ist als ich.
WACHTMEISTER
(tritt auf)
Guten Abend!
ERSTER RUSSE
Guten Abend, Wachtmeister!
WACHTMEISTER
Was wird denn hier gefeiert?
ERSTER RUSSE
Tevje verheiratet seine älteste Tochter.
Herzlichen Glückwunsch, Tevje.
N
IC
WACHTMEISTER
TEVJE
Vielen Dank, Euer Ehren.
(ALLE gehen ab. TEVJE und der WACHTMEISTER bleiben.)
WACHTMEISTER
Tevje, ich habe eine Neuigkeit, die ich Ihnen mitteilen möchte - als Ihr Freund. TEVJE Ja, Euer Ehren? 46
WACHTMEISTER Ich informiere Sie, weil ich Sie gern mag. Sie sind ein zurückhaltender, ehrbarer Mann, auch wenn Sie ein Jude sind. TEVJE
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
So ein Kompliment bekommt man nicht oft zu hören. Und Ihre Neuigkeit? WACHTMEISTER
Wir haben Befehl von oben erhalten, dass demnächst hier in Anatevka eine kleine, inoffizielle Demonstration stattzufinden hat.
TEVJE
(erschrocken) Ein Pogrom? Hier?
WACHTMEISTER
Nein. Nur eine kleine, inoffizielle Demonstration.
TEVJE
Wie klein?
WACHTMEISTER
Wirklich nichts Ernstes. Wir müssen halt bisschen Wirbel machen. Falls ein Inspektor vorbeikommen sollte, soll er sehen, dass wir unsere Pflicht getan haben. Ich persönlich habe keinerlei Verständnis dafür, dass zwischen Menschen Unruhe gestiftet werden muss. Ich dachte, ich sage Ihnen Bescheid, damit Sie es den anderen sagen können.
IC
TEVJE
Ich danke Ihnen, Euer Ehren. Sie sind ein guter Mensch. Wenn ich so sagen darf: Schade, dass Sie kein Jude sind.
N
WACHTMEISTER
Das hab’ ich an Ihnen so gern, Tevje: Sie verlieren nie Ihren Humor.
TEVJE
Vielen Dank, Euer Ehren. Auf Wiedersehen!
(WACHTMEISTER geht ab, TEVJE blickt zum Himmel.)
47
Musik Nr. 7 - AUF DER STRAßE Lieber Gott, musst du mich ausgerechnet heute mit dieser Neuigkeit überraschen? Ich weiß, wir sind das "auserwählte Volk". Aber könntest du nicht ab und zu mal ein anderes auserwählen? Trotzdem - besten Dank dafür, dass du einen Mann für meine Zeitel geschickt hast. L ‘Chaim!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
(Der FIEDLER tritt auf, umkreist TEVJE, dann tanzen beide ab.)
Musik Nr. 7 Fortsetzung - SZENENWECHSEL
Szene 1-6
Vor TEVJE Haus. PERCHIK unterrichtet SPRINTZE und BIELKE, während diese Kartoffeln schälen. HODEL steht am Brunnen und macht Eimer sauber.
PERCHIK
Und nun, Kinder, will ich euch aus der Bibel die Geschichte von Laban und Jacob erzählen. Und dann wollen wir darüber sprechen. Einverstanden? (SPRINTZE, BIELKE und HODEL nicken.)
Gut. Also: Laban hatte zwei Töchter, Lea und die bildschöne Rachel. Jacob liebte Rachel, die Jüngere. Und er hielt bei Laban um ihre Hand an. Laban stimmte zu, aber nur, wenn Jacob sieben Jahre für ihn arbeiten würde.
SPRINTZE
War Laban so ein Ausbeuter?
N
IC
PERCHIK
Er war Arbeitgeber! Nachdem nun Jacob sieben Jahre für Laban gearbeitet hatte wisst ihr, was geschah? Laban wollte Jacob zum Narren halten und ihm die hässliche Lea geben. Um Rachel zu kriegen, musste er weitere sieben Jahre für Laban schuften. Also, Kinder, was lehrt uns die Bibel? Traue niemals einem Arbeitgeber! Habt ihr das verstanden?
SPRINTZE
Ja, Perchik!
BIELKE Ja, Perchik!
48
PERCHIK Gut. Und nun… GOLDE (kommt aus der Scheune)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Ist Papa noch nicht aufgestanden?
HODEL
Nein, Mama.
GOLDE
Dann Schluss jetzt mit dem Unterricht. Dann müssen wir heute Papas Arbeit mitmachen. Wie lange wird er wohl noch schlafen? Er kam heute Nacht nach. Hause getorkelt und fiel wie ein Toter ins Bett. Ich konnte. kein Wort aus ihm herauskriegen. Räumt das weg und fegt die Scheune. (SPRINTZE und BIELKE gehen in die Scheune zu HODEL.)
Ruf mich, wenn Papa aufsteht.
(GOLDE geht ab. HODEL pumpt Wasser in einen Eimer.)
HODEL
Das war vorhin ein sehr interessante Unterricht, Perchik.
PERCHIK
Findest du?
Ich weiß allerdings nicht, ob unser Rabbi mit deiner Bibelauslegung einverstanden wäre.
N
IC
HODEL
PERCHIK
(ironisch) Na, sein Sohn erst recht nicht!
HODEL
Vorsicht, meine kleinen Schwestern petzen gern!
PERCHIK (geringschätzig) Und was weißt du von ihm, außer, dass er des Rabbis Sohn ist? Würdest du dich auch für ihn interessieren, wenn er der Sohn vom Schuster oder vom Klempner wäre? 49
HODEL Eins weiß ich jedenfalls von ihm. Er hat keine verrückten Ideen und hat nicht die Absicht, die Welt umzukrempeln. PERCHIK
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Aha! Für dich ist jede neue Idee verrückt. Überleg mal, was Gott gesagt hat: "Es werde Licht!"
HODEL
Das hat er aber nicht zu dir persönlich gesagt! (hochnäsig) Guten Tag! (schickt sich an, zu gehen)
PERCHIK
Oh, bist du klug! Anscheinend sogar ein wenig intelligent.
HODEL
(bleibt wieder stehen)
Danke!
PERCHIK
Wozu hast du eigentlich deinen Verstand mitbekommen? Ohne Wissensdrang rostet er ja ein wie ein nicht benutztes Werkzeug! Guten Tag, Hodel!
HODEL
IC
Wir haben hier eine alte Tradition: Ein junger Mann hat sich einem jungen Mädchen gegenüber respektvoll zu benehmen! Aber für einen Neunmalklugen sind unsere Traditionen natürlich zu verstaubt.
N
PERCHIK
Unsere Traditionen! Nichts darf sich ändern! Alles ist gut und vollkommen, so wie es ist. Wir kennen es nicht anders, und wir hängen daran. Die Welt ist im Umbruch begriffen. Nur hier weiß man’s noch nicht. Hier leben Männlein und Weiblein noch getrennt nebeneinanderher. Die Männer tun was für ihre Bildung, die Frauen tun was in der Küche. Und die Jungen und Mädchen dürfen keinen Kontakt miteinander haben, ja, sie dürfen sich nicht einmal anschauen.
HODEL Aber ich schau’ dich doch an!
50
PERCHIK Du bist sehr mutig! Weißt du überhaupt, dass in den Städten junge Menschen miteinander gehen, ohne dass sie ein Heiratsvermittler zusammengebracht hat? Sie gehen Hand in Hand miteinander spazieren, sie tanzen sogar zusammen ganz neue Tänze - kennst du den?
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
(Er ergreift HODEL und fängt an, mit ihr zu tanzen. Er summt die Melodie.)
Musik Nr. 8 - PERCHIK UND HODEL TANZEN PERCHIK
Hab’ ich in Kiew gelernt. Gefällt’s dir?
HODEL
(verwirrt) O ja, sehr gut.
PERCHIK
(hört auf zu tanzen)
So. Jetzt haben wir die Tradition gebrochen! Oder hat hier jemals schon ein Mann mit einer Frau getanzt?
HODEL
(vollkommen durcheinander) Nein, nein, nie! Oh, vielen Dank! Gern geschehen! Was wollt’ ich denn sagen? Ach, auf Wiedersehen!
PERCHIK
Auf Wiedersehen!
N
IC
TEVJE
(tritt auf; er hat Kopfschmerzen)
Bielke! Sprintze!
(Er verwechselt seine Töchter.)
HODEL
Papa, ich bin doch Hodel! TEVJE Und wo ist Zeitel?
51
HODEL In der Scheune, Papa. TEVJE Hol sie her.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
(HODEL geht in die Scheune.)
Na, Reb Perchik? Wie war heute der Unterricht?
PERCHIK
(blickt unentwegt auf das Scheunentor)
Für den Anfang - nicht schlecht!
GOLDE
(tritt auf)
Naa? Ausgeschlafen? Was war denn heute Nacht los, außer dass du blau warst wie ein Veilchen? Hast du Lazar Wolf gesehen? Was hat er gesagt? Was hast du gesagt? Was hast du mir zu sagen?
TEVJE
Geduld, teures Weib! Eines nach dem anderen. Wie sagt doch das Gute Buch? "Gute Nachrichten laufen nicht weg, und schlechte lassen sich nicht verjagen." Übrigens gibt es noch ein anderes Wort, das da sagt…
GOLDE
IC
Dieser Mann macht mich noch meschugge!
ZEITEL, HODEL und CHAVA kommen aus der Scheune.
N
TEVJE
Ah, Zeitel, mein Lämmchen, komm mal zu Papa! Zeitel, ich möchte dir gratulieren. Du wirst bald heiraten.
GOLDE
(fällt aus allen Wolken)
Heiraten? ZEITEL Wie meinst du das, Papa? 52
TEVJE Lazar Wolf hat mich um deine Hand gebeten. GOLDE (erregt) Ich hab’s geahnt.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
ZEITEL
(bestürzt) Lazar Wolf, der Fleischer…
GOLDE
(voller Wonne) Oh, lieber Gott, ich danke dir, ich danke dir.
TEVJE
Und was sagst du dazu, Zeitel?
GOLDE
Was soll sie dazu sagen? Meine Älteste ist nun Braut! Mögest du mit ihm alt werden in Ehren und Reichtum, anders als Fruma-Sara, die erste Frau von ihm. Sie war ein grässliches Weib, Gott hab’ sie selig. Da ist meine Zeitel doch was ganz anderes. Und nun muss ich mich bei Jente bedanken. Meine Zeitel! Braut! (Sie rennt weg.)
HODEL UND CHAVA
Viel Glück, Zeitel! Mazeltov!
TEVJE
N
IC
Das ist ein Massel!
(HODEL und CHAVA gehen ab.)
Und Sie, Perchik, wollen Sie ihr nicht auch gratulieren?
PERCHIK
(ironisch) Gratuliere dir, Zeitel, zu dem reichen Freier!
TEVJE
Hast du’s schon wieder mit den Reichen? Was passt dir denn am Reichtum nicht? PERCHIK Reichtum ist kein Grund zum Heiraten. Geld ist ein Fluch!
53
TEVJE Möge mich der Herr damit beladen und ihn mir nie wieder abnehmen! Zeitel weiß, dass ich nur ihr Glück will, nicht wahr, Zeitel? ZEITEL
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Ja, Papa. TEVJE
(zu Perchik) Sehen Sie?
PERCHIK
O ja, ich sehe sehr gut! (geht ab)
TEVJE
Zeitel, mein Kind, du bist so still? Freust du dich nicht über diese glückliche Fügung?
ZEITEL
(bricht in Tränen aus)
Oh, Papa! Oh, Papa!
TEVJE
Was hast du denn? Komm, sag es mir doch.
ZEITEL
IC
Papa! Ich will ihn nicht heiraten, ich kann ihn nicht heiraten, ich kann nicht…
N
TEVJE
Was soll das heißen? Du kannst nicht? Wenn ich sage, du kannst, dann kannst du!
ZEITEL
Papa, wenn es des Geldes wegen ist, geh’ ich lieber Steine klopfen. Ich will jede Arbeit tun, nur zwinge mich nicht, ihn zu heiraten. Bitte, Papa! Bitte, Papa! Bitte, Papa!
TEVJE Was hast du gegen Lazar? Er hat dich so gern!
54
ZEITEL Papa, ich wäre mein ganzes Leben lang unglücklich mit ihm. Lieber geh’ ich Steine klopfen. TEVJE
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Aber er hat mein Wort! Und ein Wort ist ein Wort! ZEITEL
Bin ich weniger wert als ein Wort? Papa, zwinge mich nicht, ich wäre zeitlebens unglücklich! Papa!
TEVJE
Also gut. Ich werde dich nicht zwingen!
ZEITEL
Ich danke dir, Papa.
TEVJE
Es war wohl vom Schicksal nicht vorgesehen, dass du alle Annehmlichkeiten des Lebens haben solltest und dass wir auf unsere alten Tage ein bisschen Freude gehabt hätten, nach all der harten Arbeit.
MOTTEL
(tritt auf, ganz außer Atem)
Reb Tevje, darf ich dich sprechen?
TEVJE
IC
Später, Mottel, später.
N
MOTTEL
Ich würde aber gern jetzt mit dir sprechen.
TEVJE
Nicht jetzt, Mottel, ich habe Sorgen.
MOTTEL
Gerade darüber will ich mit dir sprechen. Ich glaube, ich kann dir helfen. TEVJE Helfen? Hilf mal einer Leiche, wenn sie tot ist! Geh, Mottel, geh! 55
ZEITEL Hör ihn doch wenigstens an, Papa. TEVJE Also gut. Hast du eine Zunge - dann sprich!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
MOTTEL
Reb Tevje, ich habe gehört, du hast die Absicht, Zeitel zu verheiraten.
TEVJE
Ohren hat et auch!
MOTTEL
Ich hab jemand für Zeitel!
TEVJE
Was für ein Jemand ist denn das?
MOTTEL
Wie für sie gemacht
TEVJE
So, so! Wie für sie gemacht!
MOTTEL
Passt wie’n Handschuh!
IC
TEVJE
So, so! Passt wie’n Handschuh!
N
MOTTEL
Beste Maßarbeit!
TEVJE
Wie für sie gemacht! Beste Maßarbeit! Hör auf zu reden wie ein Schneider! Raus mit der Sprache - wer ist es?
MOTTEL Aber bitte nicht vor Freude schreien!
56
TEVJE Na schön! Wer ist es? MOTTEL Wer ist es?
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
TEVJE
(macht eine Pause)
Wer ist es?
MOTTEL
Wer ist es?
TEVJE
Wer ist es?
MOTTEL
Ich bin’s. Ich.
TEVJE
(Starrt MOTTEL an. Dann wendet er sich amüsiert zum Publikum.)
Er ist es! Er selbst!
(zu MOTTEL) Du bist wohl vollkommen übergeschnappt!
N
IC
(zum Publikum) Der muss verrückt sein!
(zu MOTTEL) Sich selber ‘ne Braut aussuchen! Was glaubst du denn, was du bist? Bräutigam, Hochzeitsgesellschaft und Heiratsvermittler - alles in einer Person? Ich glaube, du willst sogar die Trauung selbst vornehmen. Du kannst doch nicht normal sein!
MOTTEL
Bitte, Reb Tevje, schrei mich nicht so an. Natürlich bin ich nicht mein eigener Heiratsvermittler, das wäre ein wenig ungewöhnlich.
TEVJE
Ungewöhnlich? Das wäre verrückt!
57
MOTTEL Die Zeiten ändern sich, Reb Tevje. Zeitel und ich, wir haben uns vor mehr als einem Jahr verlobt.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Musik Nr. 9 - TRADITION – REPRISE 1 TEVJE
(vollkommen überrumpelt) Was? Ihr habt euch heimlich verlobt?
ZEITEL
Ja, Papa.
TEVJE
(betrachtet ZEITEL und MOTTEL, wendet sich zum Publikum und singt)
SIE HAB’N SICH HEIMLICH VERLOBT! UNDENKBAR! EIN WITZ! IHR HABT EUCH HEIMLICH VERLOBT? ‘S IST UNERHÖRT! WO GLAUBT IHR DENN ZU SEIN? IN MOSKAU? IN LONDON? WO GLAUBEN SIE ZU SEIN? AMERIKA?
N
IC
WIE KÖNNT IHR SOWAS MACHEN? IHR SPINNER! IHR KINDER! WO GLAUBT IHR DENN ZU SEIN? IM ALTEN ROM?
SO GEHT DAS MAL NICHT! SO NICHT! NICHT HIER BEI UNS. ES GIBT PAAR SACHEN, DIE LASS’ ICH NICHT DURCH! TRADITION! HEIRATEN, DAS ARRANGIERT NUR DER PAPA! DARAN ÄNDERT SICH NICHTS. MANCH DUMMEN STREICH NEHM’ ICH JA IN KAUF! DOCH WO HÖRT DAS AUF? WO HÖRT DAS AUF? (spricht)
Wo hört das auf! Hab’ ich über meine Töchter überhaupt nicht mehr zu bestimmen? Oder braucht niemand mehr einen Vater zu fragen? 58
MOTTEL Ich wollte dich schon vor einiger Zeit fragen, Reb Tevje. Aber ich wollte erst das Geld für eine eigene Nähmaschine zusammensparen. TEVJE
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Hör auf, Unsinn zu reden! Du bist weiter nichts als ein armer Schneider. MOTTEL
Das stimmt, Reb Tevje! Aber auch ein armer Schneider hat Anrecht auf ein bisschen häusliches Glück. (schaut triumphierend auf ZEITEL)
Ich verspreche dir, Reb Tevje, dass deine Tochter bei mir nicht hungern wird.
TEVJE
(wendet sich tief beeindruckt zum Publikum)
Der fängt ja an, wie ein Mann zu reden. Andererseits: Was für eine Ehe soll denn das werden mit so einem armen Schneider! Andererseits: Er ist ein ehrlicher und fleißiger Handwerker. Andererseits: hat er aber auch absolut nichts! Andererseits: kann es ihm folglich nie schlechter gehen, höchstens besser! (singt)
DOCH SCHAUT ZEITEL INS GESICHT SIE MAG IHN, SIE LIEBT IHN. UND SCHAUT IHRE AUGEN AN; SIE STRAHLEN.
N
IC
SIE HAB’N SICH HEIMLICH VERLOBT! UNGLAUBLICH! EIN WITZ! SIE HAB’N SICH HEIMLICH VERLOBT! ‘S IST UNERHÖRT!
(zuckt mit den Achseln - zum Publikum)
Tradition!
(zu ZEITEL und MOTTEL) Also, Kinder, wann wollen wir Hochzeit machen?
ZEITEL Danke dir, Papa! MOTTEL Reb Tevje, du wirst es nicht bereuen! 59
TEVJE Ich werd’ es nicht bereuen? Ich hab’ es schon bereut! ZEITEL (schmiegt sich an TEVJE)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Danke, Papa!
MOTTEL
(ergreift TEVJE beim Arm)
Danke, Papa!
TEVJE
Danke, Papa!
(Er wendet sich zum Gehen.)
Sie haben sich heimlich verlobt!
(wendet sich nochmals zu ZEITEL und MOTTEL)
Jugend von heute!
(Plötzlich fällt ihm etwas Furchtbares ein.)
Golde! was soll ich Golde sagen? Wie soll ich es ihr beibringen? (blickt zum Himmel)
IC
Hilf!
N
(geht ab)
ZEITEL
Mottel, du warst wunderbar!
MOTTEL
Ein Wunder ist gescheh’n!
60
Musik Nr. 10 - WUNDER, EIN WUNDER! MOTTEL (weiter) Ein Wunder ist gescheh’n!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
(singt) WUNDER, EIN WUNDER! JA, EIN WUNDER IST GESCHEHN! SO, WIE DER HERR EINST DANIEL NAHM, KAM ICH ZUM LÖWEN, UND EIN WUNDER IST GESCHEHN, DENN DER LÖWE WAR GANZ ZAHM!
WUNDER, EIN WUNDER! JA, EIN WUNDER IST GESCHEHN! SO, WIE DEREINST IN JERICHO, KAM ICH ZUR FESTUNG, UND EIN WUNDER IST GESCHEHN, EINE MAUER STÜRZTE EIN. ALS MOSES PHARAOS HERZ ERRANG, WAR DAS NICHT WUNDERBAR? ALS SAMSON DIE PHILISTER GANZ ALLEIN BEZWANG, WAS FÜR EIN WUNDER DAS WAR!
DOCH VON ALLEN WUNDERN GROß UND KLEIN DA SCHEINT DAS GRÖßTE MEINS ZU SEIN: AUS ‘NEM KLUMPEN LEHM HAT ES GOTT VOLLBRACHT UND EINEN MANN AUS MIR GEMACHT!
N
IC
WUNDER, EIN WUNDER! JA, EIN WUNDER IST GESCHEHN! GOTT NAHM DEN SCHNEIDER BEI DER HAND, FÜHRT’ IHN ZU TEVJE, UND EIN WUNDER IST GESCHEHN, ER KAM INS GELOBTE LAND! ALS GOTT VOM HIMMEL MANNA FALLEN LIEß, WAR DAS NICHT WUNDERBAR? ALS ER DAS ROTE MEER SICH TEILEN LIEß, WAS FÜR EIN WUNDER DAS WAR!
DOCH VON ALLEN WUNDERN GROß UND KLEIN, DA SCHEINT DAS GRÖßTE MEINS ZU SEIN: MEINEN WEG HAT GOTT ZU DIR GELENKT UND HAT MIR DEIN HERZ GESCHENKT.
61
Szene 1-7 TEVJES Schlafzimmer. Das Zimmer ist vollkommen dunkel. Man hört ein Stöhnen. Dann nochmals. Es folgt ein Schrei. TEVJE
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
(schreit) Aaaah! Lazar! Mottel! Zeitel!
GOLDE
Was ist denn?
TEVJE
Hilfe! Hilfe!! Hilfe!!!
GOLDE
Tevje! Tevje! Wach auf!
(GOLDE zündet die Lampe an, der Lichtschein fällt auf den schlafenden TEVJE, der im Bett liegt. GOLDE sitzt in ihrer Bett.)
Tevje!
(schüttelt ihn)
Was ist denn los mit dir? Warum schreist du denn so?
TEVJE
Wo ist sie? Wo ist sie?
N
IC
(wacht auf, schrickt zusammen)
GOLDE
Wer denn? Wen suchst du denn?
TEVJE
Fruma-Sara, Lazar Wolfs erste Frau! Hier hat sie eben noch gestanden!
GOLDE Was redest du da für einen Unsinn, Tevje! Fruma-Sara ist seit Jahren tot! Du musst geträumt haben! Erzähl mir deinen Traum, ich werd’ dir sagen, was er bedeutet!
62
TEVJE Es war furchtbar! GOLDE Erzähle!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
TEVJE
Gleich - aber erschrick nicht!
GOLDE
(ungeduldig) Erzähle!
TEVJE
Also, hör zu!
Musik Nr. 11 - TEVJES TRAUM (Der Schneider Mottel Kamzoil) TEVJE (weiter)
Am Anfang hab’ ich geträumt, dass wir zu Haus eine Feier hatten. Alles, was Beine hat, war hier. Auch Musikanten.
(Während er spricht, betreten das Schlafzimmer: MÄNNER, ein RABBI, FRAUEN und MUSIKANTEN. TEVJE, im Nachthemd, steht auf und mischt sich unter die Traumgestalten.)
Mitten im Traum - wer kommt ‘rein? Deine Großmutter Zeitel, Gott hab’ sie selig.
IC
GOLDE
(unruhig) Meine Großmutter Zeitel? Wie sah sie aus?
N
TEVJE
Blendend - für eine Frau, die dreißig Jahre tot ist! Natürlich stand ich sofort auf, um sie zu begrüßen. Sie sagte: (OMA ZEITEL tritt ein. TEVJE geht auf sie zu und begrüßt sie pantomimisch.)
OMA ZEITEL
(singt) GESEGNET SOLLST DU SEIN!
63
RABBI MAZELTOV! MAZELTOV! OMA ZEITEL DIE ZEITEL WIRD BALD FREIN.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
RABBI
MAZELTOV! MAZELTOV!
OMA ZEITEL
ALS GUTEN SCHWIEGERSOHN KRIEGT IHR VON MIR ZUM LOHN DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL.
GOLDE
(entsetzt) Mottel!?
OMA ZEITEL
ER IST SO TREU UND FROMM!
RABBI
MAZELTOV! MAZELTOV!
OMA ZEITEL
SO SANFT WIE ABSALOM!
RABBI
IC
MAZELTOV! MAZELTOV!
N
OMA ZEITEL
UND BRAV UND STILL IST ER WIE’N FISCH IM TOTEN MEER DER SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL!
GOLDE
Ein Schneider? Nein, das stimmt nicht! Sie meint den Fleischer!
(TEVJE, der zu GOLDE ans Bett gegangen war und ihr zugehört hatte, rennt zurück zu OMA ZEITEL und singt)
64
TEVJE NEIN, NEIN, DAS STIMMT NICHT, OMA, ‘S IST KEIN SCHNEIDER! DU MEINST DEN FLEISCHER, OMA, MIT DEM NAMEN LAZAR WOLF!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
OMA ZEITEL (geht in die Luft und schreit)
Nein!
(singt)
ICH MEIN’ DEN SCHNEIDER, TEVJE, KEINEN ANDERN! DIE KLEINE ZEITEL, DIE WIRD SEINE BRAUT, MOTTEL WIRD IHR ANGETRAUT! UND SO WIRD ES GEMACHT!
CHOR
MAZELTOV! MAZELTOV!
OMA ZEITEL
DAS WÄRE DOCH GELACHT!
CHOR
MAZELTOV! MAZELTOV!
ER IST DER BESTE MANN, DEN ZEITEL KRIEGEN KANN, DER SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL.
N
IC
OMA ZEITEL
GOLDE
(spricht vom Bett aus)
Wir haben es doch schon den Nachbarn bekanntgegeben! Der Handel mit dem Fleischer ist perfekt!
TEVJE DIE LIEBEN NACHBARN, OMA, WISSEN ALLES! ES IST PERFEKT, OH OMA, MIT DEM FLEISCHER LAZAR WOLF!
65
OMA ZEITEL (geht wieder in die Luft und schreit) Nein! (singt)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
LASS DOCH DIE LIEBEN NACHBARN KLATSCHEN UND TRATSCHEN! UND DIESER LAZAR WOLF! LASS IHN! ICH WEISS, ER MACHT DIR DIE HÖLLE HEISS.
CHOR
GESEGNET SEI DEIN HAUS! MAZELTOV! MAZELTOV! BALD IST DER HOCHZEITSSCHMAUS! MAZELTOV! MAZELTOV! UND GOTT GIBT EUCH ZUM LOHN DEN BESTEN SCHWIEGERSOHN, DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL.
TEVJE
(spricht)
Es ist ein Fleischer!
CHOR
(singt)
DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL!
N
IC
TEVJE
(spricht)
Nein, Lazar Wolf!
(singt mit CHOR)
DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL…
66
CHOR
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
SCHAH! SCHAH! SEHT! WER IST DAS? WER IST DAS? WER KOMMT DA? WER? WER? WER? WER? WER? WER KENNT DIE FRAU DA? WIE SIE VOR WUT ZITTERT!
SOLOSTIMMEN
KANN DAS SEIN? JA! WARUM NICHT! NA, KLAR! SIE IST ARG VERBITTERT!
CHOR
SEHT! DES FLEISCHERS WEIB, ENTSTIEGEN AUS DER GRUFT! ACH, WIRD DER SICH FREUN! SORGT DAFÜR, DASS MAN IHN RUFT! FRUMA-SARA! FRUMA-SARA! FRUMA-SARA! FRUMA-SARA! FRUMA-SARA!
FRUMA-SARA
(schreit)
Tevje! Tevje!
DEINE TOCHTER ZEITEL WIRD DIE FRAU VON MEINEM GATTEN!
N
IC
(singt)
CHOR
IHREM GATTEN!
FRUMA-SARA
SO VERHÖHNST DU DEINE ALTE FREUNDIN FRUMA-SARA!
CHOR FRUMA-SARA!
67
FRUMA-SARA SAG MAL, HAST DU KEINERLEI RESPEKT VOR FRAUENEHRE? CHOR FRAUENEHRE!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
FRUMA-SARA
SIEHST DU DEINE TOCHTER SCHON IM GEIST IN MEINEN KLEIDERN?
CHOR
IHREN KLEIDERN.
FRUMA-SARA
WIE KANNST DU DAS DULDEN? PFUI! WILL DEINE TOCHTER INS GEMACHTE NEST? SIE WILL MEIN HAUS! UND MEINEN SCHMUCK! SIE WILL MEIN BETT! PFUI! PFUI!
CHOR
WIE KANNST DU SO ETWAS DULDEN! SIE WILL IHR BETT!
FRUMA-SARA
SCHMUCK!
CHOR
HAUS!
SCHMUCK!
N
IC
FRUMA-SARA
CHOR
NEST!
FRUMA-SARA
SCHMUCK!
CHOR BETT!
68
FRUMA-SARA PFUI! CHOR PFUI!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
FRUMA-SARA
TEVJE!
CHOR
TEVJE!
FRUMA-SARA
SO EIN VATER WIE TEVJE LÄSST DAS NICHT GESCHEHEN!
CHOR
NICHT GESCHEHEN!
FRUMA-SARA
SAG, DU GABST DEN SEGEN NICHT ZU DEINER TOCHTER HOCHZEIT!
CHOR
TOCHTER HOCHZEIT!
FRUMA-SARA
SAG MIR, ES IST NICHT WAHR! DANN IST DER FALL ERLEDIGT!
IC
CHOR
FALL ERLEDIGT!
N
FRUMA-SARA
SAGEN WILL ICH DIR, WAS SONST PASSIERT NACH DIESER HOCHZEIT!
CHOR
DIESER HOCHZEIT!
69
FRUMA-SARA
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
NIMMT ZEITEL MEINEN LAZAR WOLF, DAS SOLL SIE BEREU’N! ICH GEB’ IHR DREI WOCHEN! SIND DREI WOCHEN HERUM, BESUCH’ ICH SIE BEI NACHT, DANN PACK’ ICH SIE AM HALS, UND… (gibt TEVJE Ohrfeigen)
DAS KRIEGT DEINE ZEITEL, DIES KRIEGT DEINE ZEITEL, DAS KRIEGT DEINE ZEITEL! (lacht hysterisch)
DAS KRIEGT SIE ZUR HOCHZEIT, WENN SIE MEINEN LAZAR NIMMT!
(Sie beginnt TEVJE zu würgen. Der CHOR läuft schreiend von der Bühne.)
GOLDE
(während TEVJE von FRUMA-SARA gewürgt wird.)
Ein böser Geist! In den Dorfteich soll er fallen! In die Erde soll er sinken! So ein furchtbarer Traum! Und das alles wegen diesem Fleischer! Großmutter Zeitel - Gott hab’ sie selig - hat all die Mühsal auf sich geladen und hat den weiten Weg aus dem Jenseits hierher gemacht. Nur, um den Schneider Mottel Kamzoil zu preisen. Das tat sie nur zu unserem Besten! Was Besseres gibt es nicht! Amen!
IC
TEVJE
Amen!
N
GOLDE
(singt)
DIE OMA HAT GANZ RECHT! MAZELTOV! MAZELTOV! DER SCHNEIDER IST NICHT SCHLECHT! MAZELTOV! MAZELTOV! NUN KRIEGEN WIR ZUM LOHN DEN BESTEN SCHWIEGERSOHN DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL.
70
TEVJE NUN KRIEGT SIE NICHT DEN MANN… GOLDE MAZELTOV! MAZELTOV!
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TEVJE
…MIT DEM DER KRACH BEGANN.
GOLDE
MAZELTOV! MAZELTOV!
TEVJE
DIE OMA KAM HIERHER, BEFAHL UNS… (gesprochen)
…wie heißt er?
GOLDE
DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL!
TEVJE UND GOLDE
DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL! DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL! DEN SCHNEIDER MOTTEL KAMZOIL!
IC
(GOLDE geht zu Bett.)
N
TEVJE
(murmelt zum Himmel)
Ich danke dir!
(Dann geht auch TEVJE zu Bett.)
Musik Nr. 12 - ÜBERGANG - AKT 1
71
Szene 1-8 Die Dorfstraße und das Innere von MOTTELS Schneiderladen. MOTTEL und CHAVA sind im Laden. DORFBEWOHNER gelzen vorüber. EIN HÄNDLER
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Gurken! Saure Gurken! EINE FRAU
(aufgeregt) Hast du schon gehört? Tevjes Tochter Zeitel heiratet Mottel und nicht Lazar Wolf!
DORFBEWOHNER Nein!
EINE FRAU Ja!
MENDEL
Zeitel heiratet Mottel?
EINE FRAU Ja!
DORFBEWOHNER Nein!
IC
(Sie laufen in den Laden und umringen MOTTEL.)
Mazeltov! Gratuliere! Mazeltov! Viel Glück!
N
MOTSCHACH
(kommt die Straße entlang)
Weshalb denn diese Aufregung?
AWRAM
Die Zeitel wird bald heiraten! MOTSCHACH Ja, ich weiß, Lazar Wolf, den Fleischer. Das find’ ich wundervoll!
72
AWRAM Nein, sie heiratet Mottel, den Schneider! MOTSCHACH Mottel, den Schneider? Das find’ ich schrecklich!
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(läuft in den Laden)
Mazeltov, Mottel! (umarmt ihn)
Ich gratuliere dir herzlichst!
EINE FRAU
(zu SCHANDEL, MOTTELS Mutter, die gerade aus dem Laden ihres Sohnes kommt)
Stimmt das, Zeitel heiratet deinen Mottel? Ich kann es nicht glauben!
SCHANDEL
(gekränkt) Warum soll sie nicht? Hast du was gegen meinen Sohn?
EINE FRAU
Oh, entschuldige, Schandel! Mazeltov!
DORFBEWOHNER
(im Laden)
IC
Mazeltov! Mazeltov!
N
MOTTEL
(zu JUSSEL, dem Hutmacher)
Jussel, hast du einen Hochzeitshut für mich?
JUSSEL
Lazar Wolf hat einen bei mir bestellt. Aber so ein Hut ist nicht billig!
MOTTEL Hab’ ich seine Braut - nehm’ ich auch seinen Hut!
73
JUSSEL Dann komm, Mottel, komm! MOTTEL (zu CHAVA)
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Chava, würdest du bitte für paar Minuten auf den Laden aufpassen?
CHAVA
Natürlich, Mottel.
MOTTEL
Ich bin gleich wieder zurück.
(ALLE, außer CHAVA, verlassen den Laden.)
ALLE
Mazeltov!
(CHAVA begleitet sie auf die Straße.)
DORFBEWOHNER
(gehen am Laden vorüber zu CHAVA)
Wir haben eben von deiner Schwester gehört… Mazeltov, Chava! Mazeltov, Chava!
CHAVA
(ALLE, außer CHAVA, gehen ab. FEDJA, SASCHA und ein anderer RUSSE treten zur gleichen Zeit auf. Sie kommen über die Straße und versperren CHAVA den Weg in den Laden.)
N
IC
Danke schön! Vielen Dank!
SASCHA UND RUSSE
(äffen die anderen mit leichtem Akzent nach)
Mazeltov, Chava! Mazeltov, Chava!
CHAVA Würden Sie mich bitte vorbeilassen?
74
SASCHA (stellt sich ihr in den Weg) Warum? Wir möchten Ihnen gratulieren! CHAVA
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Würden Sie mich bitte vorbeilassen?
SASCHA
(stellt sich ihr in den Weg)
Warum? Wir möchten Ihnen gratulieren!
RUSSE
Mazeltov, Chava!
FEDJA
(ruhig) Komm, lass das!
SASCHA
Was ist denn los mit dir?
FEDJA
Ich sagte, lass das!
SASCHA
Wie kommst du mir denn vor, Fedja!
N
IC
FEDJA
(sehr bestimmt) Auf Wiedersehen, Sascha!
(SASCHA und der RUSSE wissen nicht, was sie machen sollen.)
Ich sagte, auf Wiedersehen! Verschwindet!
(SASCHA und der RUSSE schauen FEDJA verwundert an und gehen.)
Tut mir leid, Chava. Sie haben es nicht böse gemeint.
75
CHAVA Meinen Sie? (Sie geht in den Laden. FEDJA folgt ihr.) Kann ich etwas für Sie tun?
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FEDJA
0 ja - unterhalten Sie sich ein bisschen mit mir!
CHAVA
Lieber nicht.
(Die Situation ist ihr peinlich.)
FEDJA
Ich habe Sie oft in Awrams Buchladen gesehen. Es gibt im Dorf nicht viele Mädchen, die gern lesen.
(Ein Gedanke schießt ihm durch den Kopf. Er zeigt ihr das Buch, das er in der Hand hält.)
Soll ich Ihnen dieses Buch leihen? Es ist sehr gut.
CHAVA
Nein, danke.
N
IC
FEDJA
Warum nicht? Weil ich kein Jude bin? Denken Sie etwa so über uns, wie die da über euch denken? Das glaube ich von Ihnen nicht. Und Sie wissen ja auch von mir gar nichts. Darf ich Ihnen nicht ein bisschen über mich erzählen? Ich bin doch ein ganz netter Kerl - zuvorkommend - ehrlich - ich sehe nicht schlecht aus und bin sehr bescheiden.
CHAVA
So sollten wir uns lieber nicht unterhalten.
FEDJA
Ich mache manchmal Sachen, die ich lieber nicht machen sollte. Kommen Sie, nehmen Sie das Buch. Es ist von Heinrich Heine - auch ein Jude, soviel ich weiß. CHAVA Ist das so wichtig? 76
FEDJA Ganz meine Meinung! (hält ihr das Buch hin, sie nimmt es)
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Wenn Sie es gelesen haben, sagen Sie mir bitte, wie es Ihnen gefallen hat. Und dann müssen wir uns mal darüber unterhalten - auch über das Leben und unsere Einstellung dazu. Das würde uns bestimmt ein bisschen näherbringen. (MOTTEL tritt ein. CHAVA legt das Buch auf die Ladentafel.)
MOTTEL
Guten Tag, Fedja! Hast du irgendeinen Wunsch?
FEDJA
Nein danke.
(wendet sich zum Gehen)
MOTTEL
Vergiss dein Buch nicht!
CHAVA
Das gehört mir.
MOTTEL
Dank dir, Chava, dass du den Laden bewacht hast.
(CHAVA nimmt das Buch und verlässt mit FEDJA den Laden.)
N
IC
FEDJA
(bereits auf der Straße)
Auf Wiedersehen, Chava!
CHAVA
Auf Wiedersehen!
FEDJA (ergänzt mit sanftem Nachdruck) Fedja.
77
CHAVA Auf Wiedersehen, Fedja! (Sie gehen nach verschiedenen Seiten ab. MOTTEL probiert seinen Hochzeitshut.)
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Musik Nr. 13 - EINLEITUNG ZUR HOCHZEIT
Szene 1-9
Ein Teil von TEVJES Hof. Abends. ZEITEL tritt auf. Sie trägt ihr Brautkleid. Es folgen: GOLDE, HODEL, BIELKE, CHAVA, SPRINTZE und VERWANDTE. MOTTEL tritt auf, begleitet von ELTERN und VERWANDTEN. VIELE GÄSTE folgen. Sie tragen brennende Kerzen.
Die MÄNNER nehmen auf der rechten Seite ihre Plätze ein, die FRAUEN auf der linken. ZEITEL und MOTTEL stehen nun in der Mitte. MOTTEL schmückt ZEITEL mit dem Brautschleier. Vier MÄNNER, gefolgt vom RABBI, tragen den HochzeitsBaldachin herein, und zwar so, dass MOTTEL und ZEITEL darunter stehen. Die HOCHZEITSGESELLSCHAFT beginnt zu singen:
Musik Nr. 14 - GESTERN – HEUTE TEVJE
GESTERN NOCH WARN SIE KLEINE KINDER, SIE WAR SO SÜß UND ER SO SCHLAU.
WEISST DU NOCH, WAS SIE GERNE SPIELTEN? MANN UND FRAU!
N
IC
GOLDE
TEVJE
SCHNELL IST DIE KINDERZEIT VERGANGEN, HEUT FÄNGT DER ERNST DES LEBENS AN.
GOLDE
WANN SIND SIE GROß GEWORDEN? SAG MIR, WANN?
78
MÄNNER JAHRE KOMMEN, JAHRE GEHEN, WIE DIE ZEIT ENTFLIEHT. BLUMEN, DIE HEUT’ NOCH FRÖHLICH LEUCHTEN, MORGEN SCHON SIND SIE LÄNGST VERBLÜHT.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
FRAUEN JAHRE KOMMEN, JAHRE GEHEN, SCHNELL ENTEILT DIE ZEIT. STUNDEN UND TAGE, SIE VERWEHEN, MIT IHNEN LIEBE, LUST UND LEID.
TEVJE
ICH WERDE IMMER FÜR EUCH DA SEIN UND ALLES TUN, WAS ICH VERMAG.
GOLDE
NUN MÜSST IHR FÜREINANDER LEBEN, TAG FÜR TAG.
PERCHIK
SIE SIND SO GLÜCKLICH UND ZUFRIEDEN.
HODEL
SO SOLL’S BEI NEUVERMÄHLTEN SEIN.
PERCHIK UND HODEL
WIRD DIESES GLÜCK AUCH UNS BESCHIEDEN SEIN?
N
IC
ALLE
JAHRE KOMMEN, JAHRE GEHEN, WIE DIE ZEIT ENTFLIEHT. BLUMEN, DIE HEUT’ NOCH FRÖHLICH LEUCHTEN, MORGEN SCHON SIND SIE LÄNGST VERBLÜHT.
Während des Liedes läuft die Trauungszeremonie: Der RABBI lüftet ZEITELS Brautschleier. Er betet über einem Pokal, der mit Wein gefüllt ist. Dann reicht er ihn zuerst ZEITEL, dann MOTTEL. Beide nippen daran. ZEITEL schreitet langsam um MOTTEL herum. MOTTEL steckt ZEITEL. einen Ring an den Finger. Der RABBI stellt ein Weinglas auf den Boden. Das Lied endet. Nach einer kleinen Pause zertritt MOTTEL das Glas – Symbol dafür, wie zerbrechlich und vergänglich das Glück ist.
79
ALLE (in dem Moment, als das Glas zerbricht) Mazeltov!
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Musik Nr. 15 - HOCHZEITSTANZ NR. 1
Szene 1-10
Wenn sich der Vorhang öffnet, sieht man den ganzen Hof von TEVJES Anwesen. Ein Teil davon ist hinter der Mitte, senkrecht zum Bühnenausschnitt, durch eine kleine Trennwand unterteilt. Rechts und links davon sind lange Tafeln aufgestellt. Die MUSIKANTEN spielen. ALLE tanzen, wie es die Tradition gebietet. Nach dem Tanz setzen sich ALLE auf die Bänke, die entlang der Tafeln stehen: Die MÄNNER rechts - die FRAUEN links. MOTSCHACH steigt auf einen Schemel und bittet um Ruhe. Der Lärm ebbt ab.
ALLE
Pscht! Pscht! Ruhe! Reh Motschach! Pscht! Pscht!
MOTSCHACH
Liebe Freunde! Wir haben uns hier versammelt, um an der Freude unserer beiden Neuvermählten Zeitel und Mottel teilzuhaben. Mögen sie in Frieden miteinander leben bis an das Ende ihrer Tage. Amen.
ALLE
(Der RABBI geht langsam zu seinem Tisch. MENDEL ist bei ihm.)
N
IC
Amen!
MOTSCHACH
Ah, da kommt unser Rabbi! Möge er noch viele, viele Jahre unter uns weilen!
RABBI
Amen!
ALLE Amen!
80
MOTSCHACH Es ist mir eine Ehre, mitteilen zu dürfen, dass die Brauteltern den Neuvermählten folgende Geschenke mit in die Ehe geben: Ein neues Federbett, zwei Federkissen… GOLDE
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(zischt) Gänsefederkissen. MOTSCHACH
Gänsefederkissen. Und diese beiden Leuchter.
ALLE
Mazeltov!
MOTSCHACH
Und nun lasst uns in unserer Festesfreude derer gedenken, die nicht mehr unter uns weilen, unserer lieben Verblichenen, die in Not und Armut lebten und in Not und Armut starben. (Alle schnäuzen sich vor Ergriffenheit. MOTSCHACH wartet einen Moment.)
Genug der Tränen!
(Die Trauer ist sofort verflogen.)
Nun lasset uns fröhlich und zufrieden sein wie unser guter Freund Lazar Wolf, der alles auf Erden besitzt - bis auf eine Braut.
IC
(Gelächter)
Aber Lazar trägt keinen Groll in seiner Brust, im Gegenteil! Er hat sogar eine Hochzeitsüberraschung für das junge Paar, die er selbst verkünden will. Komm, Lazar Wolf!
N
LAZAR
(erhebt sich)
Wie Motschach sagte - ich hege keinen Groll. Was vorbei ist, ist vorbei. Ich schenke unseren Neuvermählten fünf Hühner, je eins für den Sabbat ihrer ersten fünf Ehewochen. (Beifallsgemurmel)
81
TEVJE (erhebt sich) Reb Lazar! Du bist ein vornehmer Mann! Im Namen meiner Tochter und ihres Ehemannes nehme ich deine Gabe an. Ein altes Sprichwort sagt…
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LAZAR Reb Tevje! Ich habe deine Tochter nicht bekommen, also brauche ich mir auch deine Sprichwörter nicht anzuhören.
TEVJE
Wenn du mir eine Sekunde zuhörst, werde ich dir sagen…
LAZAR
Warum sollte ich dir zuhören? Einem Mann, der sein Wort bricht? (Gemurmel der HOCHZEITSGESELLSCHAFT)
MENDEL
Doch nicht jetzt, Lazar, bei der Hochzeitsfeier!
LAZAR
Ich habe ein Recht, davon zu sprechen!
TEVJE
(ärgerlich) Was für ein Recht? Es ist nicht deine Hochzeit!
LAZAR
IC
Aber sie sollte es sein!
N
(Gemurmel der HOCHZEITSGESELLSCHAFT)
MENDEL
Reb Lazar! Blamiere Reb Tevje nicht hier vor allen Hochzeitsgästen!
LAZAR
Er hat mich vor dem ganzen Dorf blamiert!
(Ein Streit bricht aus. Jeder ergreift Partei.)
82
ALLE (sprechen durcheinander) Das stimmt! … Der Rabbi hat gesagt… Es war eine Schande! … Er hat kein Taktgefühl! … Hier ist nicht der Platz! …
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MENDEL Pscht! Pscht! Ruhe! Der Rabbi! - der Rabbi, der Rabbi!
RABBI
(erhebt sich, der Lärm lässt nach)
Dazu möchte ich sagen… Lasset uns hinsetzen! (setzt sich)
TEVJE
Wir alle hörten die weisen Worte, die unser Rabbi sprach. (Jeder kehrt an seinen Platz zurück.)
MOTSCHACH
Und nun möchte ich ein kleines Liedchen zum Vortrag bringen…
TEVJE
(platzt heraus)
Steck dir deine mickrigen Hühner an’n Hut!
N
IC
LAZAR
Lass meine Hühner aus den Spiel! Wir hatten einen Handel abgeschlossen, Reb Tevje!
TEVJE
Aber einen Termin haben wir nicht ausgemacht!
LAZAR
Wir haben darauf getrunken! ERSTER MANN Ich habe sie gesehen! Sie tranken darauf!
83
ZWEITER MANN Aber einen Termin haben sie nicht ausgemacht! SCHANDEL Und was vorbei ist, ist vorbei!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
TEVJE
Er ist und bleibt eben ein Fleischer!
GOLDE
Ich hatte neulich nachts ein Gesicht! Meine eigene Großmutter stieg zu uns aus dem Grab empor!
JENTE
Ich hatte neulich nachts auch ein Gesicht! Mein eigener Großvater stieg zu mir aus dem Grab empor. Und er sagte mir… (zeigt auf GOLDE)
…ihre Großmutter war eine ganz verlogene Person!
LAZAR
Wir haben darauf getrunken!
(Furchtbarer Lärm. MOTSCHACH versucht, Ruhe herzustellen. PERCHIK steigt auf einen Schemel und schlägt zwei Blechteller gegeneinander.)
MOTSCHACH
Ruhe! Ich singe jetzt!
N
IC
TEVJE
Aber den Termin haben wir nicht ausgemacht!
GOLDE
Meine Großmutter ist mir erschienen!
JENTE
(Wütend, weil ihr die Provision entging) Scheiß auf deine Großmutter!!! Abgemacht ist abgemacht!
84
PERCHIK (beruhigt sie) Ruhe! Ruhe! Was soll die Schreierei! (zitiert)
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"Sie tranken darauf!" - "Abgemacht ist abgemacht!" - Alles Unsinn! Zeitel wollte Mottel heiraten und nicht Lazar!
MENDEL
Entscheidet darüber ein junges Mädchen selbst?
PERCHIK
Warum nicht? Sie liebt ihn, und er liebt sie.
AWRAM
Liebe?
LAZAR
(voller Abscheu) Schrecklich!
MENDEL
Ein Anarchist!
JENTE
Und was wird aus uns Heiratsvermittlern?
IC
(Erneut bricht ein heftiger Streit aus.)
N
RABBI
Dazu möchte ich sagen…
(ALLE wenden sich zu ihm.)
TEVJE
Lasset uns hinsetzen.
(Der RABBI nickt zustimmend)
85
MOTSCHACH Musik! Spielt zum Tanz! Los, los, tanzt doch, wir sind auf einer Hochzeit!
Musik Nr. 16 - HOCHZEITS-SZENE NR. 1
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Die MUSIKANTEN beginnen zu spielen, aber niemand tanzt.
JENTE
(bissig) Schöne Hochzeit!
(PERCHIK geht auf die Frauenseite hinüber.)
AWRAM
Was macht denn der?
TEVJE
(ruft) Perchik!
ERSTER MANN
Holt ihn zurück!
PERCHIK
(zu HODEL)
Will jemand mit mir tanzen?
IC
MENDEL
Das ist eine Sünde!
N
PERCHIK
Es ist keine Sünde, auf einer Hochzeit zu tanzen!
AWRAM
Aber mit einem Mädchen!
LAZAR (hämisch zu TEVJE) Das hat man davon, wenn man einen Verrückten ins Haus nimmt!
86
TEVJE (gibt PERCHIK ein Zeichen, auf die Männerseite zurückzukommen) Er ist kein Verrückter. Seine Einstellung zum Leben ist ein wenig anders als unsere, aber…
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
MENDEL
Es ist eine Sünde!
PERCHIK
Es ist keine Sünde! Fragt den Rabbi! Fragt ihn doch! (ALLE umringen den RABBI.)
TEVJE
Nun, Rabbi?
RABBI
(blättert in einem Buch, findet die Stelle, die er gesucht hat)
Tanzen - nun ja, direkt verboten ist es nicht, aber…
TEVJE
Siehst du, es ist nicht verboten!
PERCHIK
(zu HODEL)
IC
Und es ist keine Sünde! Will nun jemand mit mir tanzen?
N
(HODEL steht auf, um mit PERCHIK zu tanzen.)
GOLDE
Hodel!
HODEL
Nur einen Tanz, Mama!
PERCHIK He, Musik! Spielt! Spielt!
87
Musik Nr. 17 - HOCHZEITS-TANZ NR. 2 Musik setzt ein. Sie tanzen. LAZAR Da, seht euch Tevjes Tochter an!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
MENDEL
Die tanzt mit einem Mann!
TEVJE
Ja, ja, ich sehe, sie tanzt!
(Er geht zu den beiden, als ob er sie vom Tanzen abhalten wollte. Dann ändert er seine Meinung.)
Und ich tanze auch! Mit meiner Frau! Komm, Golde! (GOLDE zögert erst, dann tanzt sie doch mit ihm.)
SCHANDEL
Golde!
(MOTTEL geht zu ZEITEL, um mit ihr zu tanzen.)
Mottel!
(ZEITEL tanzt mit MOTTEL. ANDERE machen es nach. Nun tanzen ALLE, außer JENTE und LAZAR, die vor Wut schäumen. Der Tanz ist auf dem Höhepunkt. Da tritt der WACHTMEISTER mit seinen SOLDATEN ein. Sie tragen Knüppel. Die TANZENDEN hören nach und nach auf zu tanzen.)
N
IC
WACHTMEISTER
Ich sehe, Tevje, wir kommen etwas ungelegen. Es tut mir leid. Aber wir haben Befehl für heute Abend. Für das ganze Dorf. (zu den MUSIKANTEN)
Macht weiter! Spielt, spielt!
88
Musik Nr. 18 - HOCHZEITS-SZENE NR. 2 WACHTMEISTER (weiter) (zu seinen SOLDATEN)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Also los!
Die RUSSEN beginnen ihr Zerstörungswerk. Sie springen über die Tische, zerreißen die Federkissen, zerschlagen Geschirr und Fenster. Ein SOLDAT wirft die zwei Leuchter, das Hochzeitsgeschenk der Brauteltern, auf den Boden. PERCHIK rauft mit ihm. Er wird von einem Knüppel getroffen und fällt hin. Die GASTE flüchten.
HODEL
(wirft sich neben ihn)
Perchik!
(Die GÄSTE sind nun alle verschwunden.)
WACHTMEISTER
(zu seinen SOLDATEN)
So, das genügt. (zu TEVJE)
Es tut mir aufrichtig leid, glauben Sie mir!
N
IC
(TEVJE antwortet nicht.) (zu seinen SOLDATEN)
Kommt!
(Der WACHTMEISTER und die SOLDATEN gehen ab.)
GOLDE
(zu HODEL)
Hilf ihm ins Haus. (HODEL stützt PERCHIK und führt ihn ins Haus.)
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TEVJE (ganz ruhig zu seinen Familienmitgliedern) Was steht ihr hier herum? Kommt! Räumen wir auf!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Musik Nr. 19 - FINALE AKT 1
Sie beginnen, Ordnung zu machen. Sie heben Scherben auf, bringen die zerrissenen Betten ins Haus, ZEITEL hebt die beiden Leuchter auf - einer ist zerbrochen. Plötzlich hört man aus einem Nachbarhaus den Lärm der zerstörungswütigen Soldaten. ALLE stehen für einen Moment wie gelähmt da. Dann räumen sie weiter auf, während der Vorhang fällt.
N
IC
ENDE 1. AKT
90
ZWEITER AKT
Musik Nr. 20 - ENTR’ACTE
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Prolog – Akt 2 Vor TEVJES Haus. TEVJE sitzt auf einer Bank.
Musik Nr. 20 Fortsetzung - PROLOG – AKT 2 TEVJE
(zum Himmel)
Das war eine schöne Mitgift, die meine Zeitel zu ihrer Hochzeit von dir bekommen hat. War das notwendig? Lassen wir das… Zeitel und Mottel sind nun schon fast zwei Monate verheiratet. Aber sie sind beide so glücklich, dass sie gar nicht merken, wie dreckig es ihnen geht. Und Mottel spricht immer noch von einer Nähmaschine. Ich weiß, du bist sehr überlastet - Kriege und Revolutionen und Seuchen und Überschwemmungen und all die anderen kleinen Dinge, welche die Leute sonst noch an dich herantragen. Aber könntest du dich nicht mal eine Sekunde von deinem Katastropheneinsatz frei machen? Nicht für mich. Für Mottel! Was würde dir das schon ausmachen?! Und wenn du schon mal in der Nähe bist - das linke Hinterbein von meinem Pferd… fall’ ich dir sehr auf die Nerven? Dann entschuldige bitte. Was steht doch in der Bibel? Muss ich dir erzählen, was in der Bibel steht!
IC
(geht ab)
N
Musik Nr. 21 - OPENING AKT 2
91
Szene 2-1 Vor TEVJES Haus. Nachmittag. HODEL tritt auf, gefolgt von PERCHIK. Sie ist gereizt. PERCHIK
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Was hast du denn, Hodel?
HODEL
Was soll ich schon haben? Wenn du abreisen musst, dann bitte!
PERCHIK
Ich muss wirklich. Ich werde morgen früh in Kiew erwartet.
HODEL
Das hast du bereits gesagt. Also, dann leb wohl!
PERCHIK
Große Veränderungen bahnen sich an in unserem Land. Gewaltige Veränderungen. Nur - von allein kommen sie nicht in Gang.
HODEL
Aha! Du glaubst natürlich, dass es ohne dich nicht geht!
PERCHIK
IC
Ich bin nicht der Einzige. Und so wie ich denken viele: Juden, Christen, viele Menschen. Sie können und wollen die Willkür in unserem Land nicht mehr ertragen. Verstehst du das nicht?
N
HODEL
Doch, doch, ich verstehe. Also, wenn du unbedingt gehen willst, dann leb wohl!
PERCHIK
Hodel! Dein Vater und alle hier in Anatevka glauben, das, was auf Zeitels Hochzeit passiert ist, war ein kleiner Wolkenbruch, der vorüberging - und nun ist wieder alles ganz friedlich. Aber so wird es nicht bleiben! Abscheuliche Dinge geschehen überall im Land. Pogrome, Gewalttätigkeiten, Menschen werden vertrieben. Sie machen vor nichts Halt und werden auch vor Anatevka nicht haltmachen. Begreifst du das nicht?
HODEL Ja. Ich, ich glaube ja. 92
PERCHIK Ich stehe vor einer großen und schweren Aufgabe. HODEL Dann leb wohl, Perchik.
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PERCHIK
Bevor ich gehe…
(er zögert, dann fasst er Mut)
…da ist eine gewisse Frage, die ich gerne noch mit dir diskutiert hätte.
HODEL
Ja, und?
PERCHIK
Eine politische Frage.
HODEL
Und die wäre?
PERCHIK
Wie stehst du zu der Ehe?
HODEL
Das ist eine politische Frage?
N
IC
PERCHIK
In theoretischem Sinne schon. (doziert)
Die Verbindung zwischen Mann und Frau, bekannt unter dem Begriff "Ehe", basiert auf gegenseitigem Vertrauen, auf gemeinsamer Geisteshaltung und auf gesellschaftskritischer Weltanschauung…
HODEL
…und Zuneigung!
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PERCHIK Und Zuneigung. Diese Verbindung ist von großer soziologischer Bedeutung. In ihr spiegeln sich Einigkeit und Solidarität. HODEL
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Und Zuneigung. PERCHIK
Jawohl. Und ich persönlich bin ja auch nicht abgeneigt. Verstehst du?
HODEL
Ich dachte, du fragst mich, ob ich dich heiraten will.
PERCHIK
In theoretischem Sinne schon!
HODEL
Ich hoffte, du würdest es auch wirklich tun!
PERCHIK
Also nehme ich an, du stimmst zu? Können wir uns als verlobt betrachten, obwohl ich dich verlassen muss? Ich bin sehr glücklich, Hodel, sehr glücklich.
Musik Nr. 22 - NUN HAB’ ICH, WAS ICH WILL HODEL
IC
Ich auch, Perchik.
N
PERCHIK
(singt)
ICH SAGTE STETS ZU MIR: "ICH HAB’ JA, WAS ICH WILL!" DAMIT BEGNÜGTE ICH MICH.
ICH HATTE WOHL EIN ZIEL, DOCH WOLLTE ICH NICHT VIEL. UND PLÖTZLICH HAB’ ICH NUN DICH!
ICH HAB’ ETWAS, WOFÜR ICH STERBEN, JEMAND, FÜR DEN ICH LEBEN WILL.
94
PERCHIK (weiter) JA, NUN HAB’ ICH, WAS ICH WILL, UND WEIß, WIE REICH ICH BIN. ICH BRAUCH’ NICHT MEHR ALS NUR DICH. NUN HAT ALLES EINEN SINN, DENN DU BIST ALLES FÜR MICH.
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GEHST DU IM LEBEN MIT, GANZ GLEICH WOHIN? UND WIRST DU AUCH BEI MIR SEIN, WO IMMER ICH BIN?
HODEL
OHNE DICH, NICHT EINEN SCHRITT. ICH GEH’ MIT DIR!
PERCHIK
WOHIN DAS SCHICKSAL UNS AUCH TREIBEN MAG,
HODEL
ICH WERDE BEI DIR SEIN, BEI DIR JEDEN TAG.
PERCHIK
OHNE DICH, NICHT EINEN SCHRITT!
PERCHIK UND HODEL
ICH GEH’ MIT DIR!
N
IC
PERCHIK
ICH HAB’ ETWAS, WOFÜR ICH STERBEN, JEMAND, FÜR DEN ICH LEBEN WILL. JA NUN HAB’ ICH, WAS ICH WILL, ICH WEIß, WIE REICH ICH BIN. ICH BRAUCH’ NICHT MEHR ALS NUR DICH. NUN HAT ALLES EINEN SINN, DENN DU BIST ALLES FÜR MICH.
HODEL
Und wann werden wir heiraten, Perchik? PERCHIK Ich lasse dich nachkommen, sobald ich kann. Es wird kein leichtes Leben sein, Hodel. 95
HODEL Es wird leichter sein, wenn wir zusammen sind. PERCHIK Ja.
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TEVJE
(tritt auf)
Guten Abend.
PERCHIK
Guten Abend. Reb Tevje, ich habe eine schlechte Nachricht. Ich muss Anatevka verlassen.
TEVJE
Wann?
PERCHIK
Noch heute.
PERCHIK
Schade, Perchik. Wir werden dich alle vermissen.
PERCHIK
Aber ich habe auch eine gute Nachricht. Sie können mir gratulieren.
IC
TEVJE
Gratulieren? Wozu?
N
PERCHIK
Wir haben uns verlobt.
TEVJE
Verlobt?
HODEL Ja, Papa, wir sind verlobt. (nimmt PERCHIKS Hand)
96
TEVJE (Er trennt sie sanft.) Nein, ihr seid es nicht! Ich weiß, dass du ihn gern hast und dass er dich gern hat. Aber du gehst fort von hier - und du bleibst da. Also, gute Reise, Perchik. Ich wünsche dir, dass du sehr glücklich wirst, und meine Antwort ist Nein.
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HODEL
Bitte, Papa! Verstehst du uns denn nicht?
TEVJE
Ich verstehe euch sehr gut. Ich habe Mottel und Zeitel meine Erlaubnis gegeben, und nun glaubt ihr, das gleiche Recht zu haben. Tut mir leid, Perchik. Ich mag dich gern, aber du gehst weg von hier. Meine besten Wünsche begleiten dich, aber meine Antwort bleibt Nein.
HODEL
Du verstehst uns nicht, Papa.
TEVJE
(sehr ruhig) Du hörst mir ja nicht zu. Ich sage Nein. So leid es mir tut, Hodel. Wir werden schon einen Mann für dich finden. Hier in Anatevka.
PERCHIK
Reb Tevje!
TEVJE
Ist noch was?
N
IC
PERCHIK
Wir wollten nicht um Ihre Erlaubnis bitten, sondern um Ihren Segen. Wir werden bald heiraten.
TEVJE
(zu HODEL)
Ihr bittet mich nicht um Erlaubnis?
HODEL Aber wir hätten gern deinen Segen.
97
Musik Nr. 23 - TRADITION – REPRISE 2 TEVJE
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ICH HÖRE WOHL NICHT GANZ RECHT! MEINEN SEGEN! WOFÜR? DASS IHR MICH EINFACH ÜBERGEHT? DAS GIBT ES NICHT! WIE WAR’S BEI ZEITEL UND MOTTEL? SIE FRAGTEN. SIE BATEN. UND NUN, OB ICH WILL ODER NICHT, SIE HEIRATEN!
WAS WILLST DU DANN NOCH VON MIR? VERLASS MEIN HAUS! ENTBLÖSSE MEIN HAUPT UND DEN BART REIß MIR AUS! TRADITION!
SIE FRAGEN NICHT MAL UM ERLAUBNIS BEI IHR’M PAPA! WAS IST NUR MIT UNS’RER TRADITION? WIRD MAN MAL SCHWACH UND GIBT EINMAL NACH, JA, WO FÜHRT DAS HIN? WO FÜHRT DAS HIN? WO FÜHRT DAS HIN?
Dahin: Ein Mann sagt mir, er wird heiraten. Er fragt mich nicht, er sagt es mir. Aber zuerst mal verlässt er sie.
HODEL
Er verlässt mich nicht, Papa.
IC
PERCHIK
Sobald ich kann, lasse ich sie nachkommen und heirate sie. Ich liebe sie.
N
TEVJE
(ahmt ihn nach)
"Ich liebe sie!" - Liebe! Ist wohl was Neues! Andererseits - unsere Schliche waren ja damals auch neu, oder etwa nicht? Andererseits - haben sie eigenmächtig gehandelt, ohne die Eltern zu fragen, ohne Heiratsvermittler. Andererseits wie war denn das bei Adam und Eva? Hatten die einen Heiratsvermittler? Ja, sie hatten einen! Dann scheinen die beiden denselben Heiratsvermittler zu haben. (singt)
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TEVJE (weiter) GANZ EINFACH MICH ÜBERGEH’N! UNGLAUBLICH! EIN WITZ! UND SEGNEN SOLL ICH SIE NOCH? WO GIBT’S DENN DAS!
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ICH GLAUB’, ICH SPERRE SIE EIN! ICH KÖNNT’S NICHT! NEIN, NEIN! DA, SCHAUT MEINE HODEL MAL AN: SIE LIEBT IHN.
Tradition.
(zuckt mit den Achseln)
Also gut, Kinder, ihr habt meinen Segen und meine Erlaubnis.
HODEL
O danke, Papa. Du weißt nicht, wie glücklich du mich machst.
TEVJE
(zum Publikum)
Was blieb mir andres übrig?
PERCHIK
Vielen Dank, Papa.
IC
TEVJE
(sorgenvoll) "Vielen Dank, Papa!" Und was soll ich deiner Mutter erzählen? Noch einen Traum?
N
PERCHIK
Vielleicht erzählen Sie ihr, dass ich verreise, um einen reichen Onkel zu besuchen oder irgend sowas.
TEVJE
Bitte, Perchik! Ich weiß schon, wie ich meine Frau zu behandeln habe. (PERCHIK und HODEL ab; TEVJE angriffslustig) Golde! Golde! (GOLDE kommt aus dem Haus, TEVJE nun sehr ängstlich.) 99
TEVJE (weiter) Hallo, Golde! Ich habe eben gerade mit Hodel und Perchik gesprochen GOLDE Und?
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TEVJE
Die scheinen ganz vernarrt ineinander zu sein.
GOLDE
Und?
TEVJE
Und… Ich habe mich entschlossen, ihnen die Erlaubnis zur Verlobung zu geben. (will ins Haus gehen)
GOLDE
(hält ihn zurück)
Was? Einfach so? Ohne erst mich zu fragen?
TEVJE
(brüllt) Wer fragt denn da dich? Ich bin der Vater!
GOLDE
Und wer ist er? Ein Habenichts! Er hat nichts, absolut nichts!
N
IC
TEVJE
Das will ich nicht sagen. Wie ich hörte, hat er einen reichen Onkel, einen sehr reichen Onkel. (ändert das Thema)
Er ist ein guter Junge, Golde.
Musik Nr. 24 - IST ES LIEBE?
Ich mag ihn. Er ist ein bisschen meschugge, aber ich mag ihn. Und, was wichtiger ist: Hodel mag ihn. Hodel liebt ihn. Also, was wollen wir machen? Wir leben in einer anderen Zeit, einer ganz anderen Zeit. Liebe! (Er geht zum Haus. Plötzlich kommt ihm ein Gedanke.) 100
TEVJE (weiter) Golde, liebst du mich? Was fühlst du eigentlich für mich? Golde… (singt) IST ES LIEBE?
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GOLDE
WAS IST LOS?
TEVJE
IST ES LIEBE?
GOLDE
IST ES LIEBE? BEI FÜNF HEIRATSFÄH’GEN TÖCHTERN FRAGT MAN DOCH NICHT SOLCHEN QUATSCH. DU BIST KRANK! GEH INS HAUS! LEG DICH HIN! RUH DICH AUS! MACH SCHON, WAS ICH DIR SAGE!
TEVJE
GOLDE, HÖR ZU, WAS ICH DICH FRAGE: IST ES LIEBE?
GOLDE
LASS DAS SEIN!
TEVJE
SAG, IST ES LIEBE?
N
IC
0 nein!
GOLDE
IST ES LIEBE!
TEVJE
Nun?
101
GOLDE SEIT FÜNFUNDZWANZIG JAHR’N DA WASCHE ICH, KOCHE ICH, PUTZE ICH, GAB DIR FÜNF TÖCHTER, MELK’ DIE KUH. NACH FÜNFUNDZWANZIG JAHR’N LASS MICH DAMIT IN RUH!
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TEVJE
GOLDE! WIR SAH’N UNS ZUR HOCHZEIT DAS ALLERERSTE MAL. ICH WAR SCHEU.
GOLDE
UND ICH AUCH.
TEVJE
ICH WAR ÄNGSTLICH.
GOLDE
UND ICH AUCH.
TEVJE
UNS’RE MÜTTER, UNS’RE VÄTER SAGTEN: "LIEBE KOMMT ERST SPÄTER!" SAG, LIEBST DU MICH DENN, GOLDE? IST ES LIEBE?
IC
GOLDE
SEI JETZT STILL!
N
TEVJE
0 NEIN! SAG, IST ES LIEBE?
GOLDE
IST ES LIEBE?
TEVJE Nun?
102
GOLDE SEIT FÜNFUNDZWANZIG JAHR’N LEB’ ICH MIT IHM, LACH’ MIT IHM, WEIN’ MIT IHM, SEIT FÜNFUNDZWANZIG JAHR’N IST SEIN BETT MEIN. DAS MUSS JA LIEBE SEIN!
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TEVJE WEIB, DU LIEBST MICH?
GOLDE
ICH GLAUB’, DASS ICH’S TU.
TEVJE
ICH LIEB’ DICH, GOLDE, IMMERZU.
BEIDE
MAN WUSSTE VONEINANDER NICHT BESCHEID! UND NACH FÜNFUNDZWANZIG JAHR’N WIRD’S ENDLICH ZEIT!
Szene 2-2
Die Dorfstraße. JENTE, ZEITEL und andere DORFBEWOHNER kommen und gehen. JENTE und ZEITEL begrüßen sich.
Musik Nr. 25 - DAS GERÜCHT
IC
FISCHVERKÄUFER
Fische! Frische Fische!
N
JENTE
Ach Zeitel! Zeitel, mein Täubchen! Rate, wen ich gerade gesehen habe! Deine Schwester Chava mit diesem Fedja! Und das ist nicht das erste Mal, dass ich die beiden zusammen gesehen habe.
ZEITEL
Du hast Chava mit Fedja gesehen? JENTE Hab’ ich die zusammengebracht? Na also! Übrigens war ich heute zufällig auf dem Postamt und da sagte man mir, dass ein Brief da wäre - für deine Schwester Hodel. 103
ZEITEL O wie schön! Den muss ich gleich holen! (will gehen) JENTE
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Ich hab’ ihn schon.
(Die Musik reißt ab.)
Er ist von ihrem Zukünftigen, von Perchik. (gibt ZEITEL den Brief)
ZEITEL
Da wird sich Hodel aber freuen. Sie hat schon sooo darauf gewartet. Aber, der ist ja offen?
JENTE
Der ist offen?
(Die Musik setzt wieder ein. ZEITEL geht ab. JENTE beobachtet sie, bis sie verschwunden ist. Dann wendet sie sich zu einer Gruppe von DORFBEWOHNERN.) Rifka, Rifka! Ich habe tolle Neuigkeiten!
IHR KENNT DOCH PERCHIK, DEN JUNGEN HITZKOPF? DENKT IHR NOCH AN DIE HOCHZEIT VON ZEITEL UND VON MOTTEL? ALS PERCHIK SCHAMLOS TANZTE MIT TEVJES TOCHTER HODEL? JA, WIE MAN HÖRT, SITZT PERCHIK IM GEFÄNGNIS, IN KIEW!
N
IC
(singt)
DORFBEWOHNER NEIN!
JENTE
JA!
(JENTE und die ERSTE GRUPPE gehen ab. EINE FRAU tritt auf und geht zu einer ZWEITEN GRUPPE.)
104
ERSTE FRAU (spricht) Schandel, Schandel, weißt du das Neueste? (singt)
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DU KENNST DOCH PERCHIK, DEN JUNGEN HITZKOPF? DENKST DU NOCH AN DIE HOCHZEIT, DA TANZTE ER MIT HODEL. JA, WIE MAN HÖRT, SITZT HODEL IM GEFÄNGNIS, IN KIEW!
DORFBEWOHNER
NEIN! FÜRCHTERLICH! FÜRCHTERLICH!
(ZWEITE GRUPPE geht ab. EINE ZWEITE FRAU geht zur DRITTEN GRUPPE.)
ZWEITE FRAU
(spricht)
Mirila!
(singt)
IC
DU KENNST DOCH HODELS PERCHIK, DEN HITZKOPF AUS KIEW! DENKST DU NOCH AN DIE HOCHZEIT VON ZEITEL UND VON MOTTEL? JA, WIE MAN HÖRT, SITZT MOTTEL IM GEFÄNGNIS, WEIL ER ZUR HOCHZEIT TANZTE!
N
DORFBEWOHNER NEIN!
ZWEITE FRAU
IN KIEW!
(DRITTE GRUPPE geht ab. MENDEL geht zur VIERTEN GRUPPE.)
105
MENDEL (spricht) Rabbi! Rabbi! (singt)
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
DU KENNST DOCH PERCHIK MIT SEINEN WELTREFORMEN! WEIßT DU, WIE DAMALS TEVJE ZUM TANZ DIE GOLDE HOLTE? JA, WIE MAN HÖRT, SITZT TEVJE IM GEFÄNGNIS, UND GOLDE FUHR NACH KIEW.
DORFBEWOHNER NEIN!
MENDEL
DOCH, ES STIMMT!
DORFBEWOHNER
NICHT MÖGLICH!
MENDEL
ES STIMMT!
(VIERTE GRUPPE geht ab. AWRAM geht zur FÜNFTEN GRUPPE. JENTE tritt auf. Sie bleibt in einiger Entfernung stehen und lauscht.)
AWRAM
N
IC
(schreit)
Hört alle mal her! Schreckliche Nachrichten! Ganz schreckliche! (singt)
IHR KENNT DOCH PERCHIK, MIT DEM BEGANN DAS UNGLÜCK! ICH HÖRTE HEUT VON JEMAND, DER ES WEIß: DIE GOLDE SITZT IM ZUCHTHAUS! DIE HODEL FLOH NACH KIEW! MOTTEL LERNT JETZT TANZEN, UND TEVJE SPIELT VERRÜCKT. SPRINTZE HAT DIE MASERN, NUR’S PFERD, DAS IST GESUND!
106
GRUPPE (GLZ) JA. SO. WAS? OI! AI! AH! OH! OH! OI! JENTE
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DAS KOMMT DAVON, WENN FRAU’N MIT MÄNNERN TANZEN!
ALLE
Uh!
Musik Nr. 25 Fortsetzung - SZENENWECHSEL
Szene 2-3
Vor dem Bahnhof von ANATEVKA. Es ist Morgen. HODEL tritt auf und geht zu einer Bank. TEVJE folgt ihr, er trägt ihren Koffer.
HODEL
Du musst nicht warten, Papa. Sonst kommst du zu spät zu deiner Kundschaft.
TEVJE
Bloß noch paar Minuten. Hat er Schwierigkeiten, dein Held? (HODEL nickt.)
N
IC
Verhaftet?
(Sie nickt.)
Schon verurteilt?
HODEL
Ja. Aber er hat nichts Unrechtes getan. Er denkt nie an sich. Was er auch tut er handelt nur aus Menschenliebe.
TEVJE
Aber - wenn er nichts Unrechtes getan hat, dann hätte er doch keine Schwierigkeiten.
107
HODEL Papa, wie kannst du so etwas sagen - ein gescheiter Mann wie du! Was tat denn Joseph Unrechtes, und Abraham und Moses? Und die haben auch viel ertragen müssen. TEVJE
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Und warum willst du mir nicht sagen, wo er jetzt ist, dein Joseph?
HODEL
Er ist weit, Papa, sehr weit. In Sibirien.
TEVJE
In Sibirien! Und er mutet dir zu, Vater und Mutter zu verlassen, ihm in diese Eiswüste zu folgen und ihn dort zu heiraten?
HODEL
Nein, Papa. Ich will zu ihm. Ich lasse ihn nicht allein. Er steht vor einer großen und schweren Aufgabe. Und dabei will ich ihm helfen.
Musik Nr. 26 - ABSCHIED VOM ELTERNHAUS TEVJE
Aber Hodel! Mein Kind!
HODEL
Papa…
(singt)
N
IC
HODEL
PAPA, VERSUCH’ DOCH BITTE ZU VERSTEH’N, DASS ICH TU’, WAS ICH TU’. ICH WILL ZU IHM, UND DESHALB MUSS ICH GEH’N, FORT AUS DEM ELTERNHAUS. HIER WAR DES LEBENS ALLERSCHÖNSTE ZEIT, IMMER FREUD’, NIEMALS LEID. ALLES UM MICH WAR VOLLER FRÖHLICHKEIT IN MEINEM ELTERNHAUS. DOCH WIE SCHNELL DIESE ZEIT VERRANN. DANN GAB ICH MEIN HERZ EINEM MANN. DAS GESCHICK LIEB’ IHN ALLEIN, DARUM MUSS ICH BEI IHM SEIN. 108
HODEL (weiter) ALLES IM LEBEN IST VON GOTT BESTIMMT, EUER WEG, UNSER WEG. AUCH, DASS ER MIR DAS ALLERSCHÖNSTE NIMMT, EUCH UND DAS ELTERNHAUS.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
FÄLLT AUCH DAS ABSCHIED NEHMEN NOCH SO SCHWER, ICH WILL GEH’N, ICH MUSS GEH’N. AUCH WENN WIR UNS VIELLEICHT NIE WIEDERSEH’N, BLEIBT DOCH MEIN HERZ ZU HAUS, HIER - IN MEINEM ELTERNHAUS.
TEVJE
Und wer, mein Kind, wird die Hochzeit für euch ausrichten, dort in Sibirien?
HODEL
Papa, ich verspreche dir, dass wir uns unter einem Baldachin trauen lassen werden, wie es unser Glauben vorschreibt.
TEVJE
(versucht, heiter zu sein)
Zweifellos sind auch paar Rabbis in Sibirien. So! Und nun grüße ihn von mir recht herzlich - deinen Moses! Ich habe immer gewusst, dass er ein guter Junge ist. Sag ihm, ich verlasse mich darauf, dass er gut zu meiner Tochter sein wird. Sag ihm das.
HODEL
Papa, Gott allein weiß, wann wir uns wiedersehen.
N
IC
TEVJE
Also legen wir unser Schicksal in seine Hände.
(Er küsst HODEL - geht - hält an - schaut zurück und blickt zum Himmel.)
Bitte, beschütze sie und sorge dafür, dass sie immer schön warm angezogen ist. (Er geht ab.)
109
Szene 2-4 Die Dorfstraße. Einige Monate später. DORFBEWOHNER treten auf.
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Musik Nr. 27 - ÜBERGANG – AKT 2 AWRAM
Reb Motschach, weißt du schon das Neueste? Mottel und Zeitel haben Familienzuwachs bekommen.
MOTSCHACH
Mottel und Zeitel haben Familienzuwachs bekommen? Ich muss ihnen gratulieren!
AWRAM
Rabbi, wisst Ihr schon das Neueste? Mottel und Zeitel haben Familienzuwachs bekommen.
RABBI
Na, so was!
MENDEL
Mazeltov!
ERSTER MANN
Mazeltov!
Mazeltov!
(SCHANDEL kommt angelaufen. Sie trifft eine Frau.)
N
IC
ZWEITER MANN
EINE FRAU
Schandel, wo läufst du denn hin?
SCHANDEL
Zu meinem Jungen. Zu Mottel. Er hat doch ein Kind bekommen. DORFBEWOHNER Mazeltov, Mazeltov, Glück und Segen, Schandel! 110
Szene 2-5
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
MOTTELS Schneiderwerkstatt. MOTTEL und CHAVA sind im Laden. GOLDE und DORFBEWOHNER drängen sich um MOTTEL. Sie gratulieren ihm. Sie treten zur Seite, und man sieht eine gebrauchte Nähmaschine.
Musik Nr. 28 - UNTERMALUNG: WUNDER, OH WUNDER DORFBEWOHNER
Mazeltov, Mottel! Wir haben’s gerade erfahren! Herzlichen Glückwunsch! Ist das schön!
MOTTEL
Ich danke euch! Ich danke euch vielmals!
AWRAM
Mazeltov! Zeitel!
(außer sich vor Freude)
ZEITEL
Die hast du bekommen?
MOTTEL
Ja, die hab’ ich bekommen!
ZEITEL
IC
Die ist wunderbar!
N
MOTTEL
Ich weiß!
ZEITEL
Hast du sie schon ausprobiert?
MOTTEL
(hält zwei verschiedenfarbige Stoffstücke hoch, die er zusammengenäht hat) Da, schau!
111
ZEITEL Wunderbar! MOTTEL
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Ich weiß. Das hat nicht mal ‘ne Minute gedauert. Und sieh mal, wie klein und gleichmäßig die Stiche sind. ZEITEL
Wunderbar!
MOTTEL
Ich weiß! Von nun an gibt’s bei mir nur noch 1a Maßarbeit, Maschinenanfertigung! Keine Handarbeit mehr!
ZEITEL
Wunderbar!
(Der RABBI tritt ein.)
MOTSCHACH
Der Rabbi, der Rabbi!
MOTTEL
Da, Rabbi, meine neue Nähmaschine!
RABBI
Mazeltov! Mottel! Glück und Segen!
Rabbi, gibt’s auch einen Segen für Nähmaschinen?
N
IC
ZEITEL
RABBI
Es gibt für alles einen Segen. (betet)
Amen.
DORFBEWOHNER Amen. Mazeltov. (DORFBEWOHNER und RABBI gehen ab.) 112
GOLDE Und das Kindchen? Wie geht’s denn dem Kindchen? ZEITEL Es geht ihm wunderbar, Mama!
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(FEDJA tritt ein. Peinliche Pause.)
FEDJA
Guten Abend.
MOTTEL
Guten Abend.
FEDJA
Ich möchte mein Hemd abholen.
MOTTEL
Es ist fertig.
ZEITEL
Da, schau, unsere neue Nähmaschine!
FEDJA
Aha! Gratuliere!
MOTTEL
IC
Danke.
N
(wieder eine peinliche Pause)
FEDJA
Auf Wiedersehen.
(geht aus dem Laden)
MOTTEL
Auf Wiedersehen. GOLDE Wie funktioniert die denn? 113
MOTTEL Das ist einfach fantastisch! Man näht mit Händen und Füßen! CHAVA geht aus dem Laden und trifft sich draußen mit FEDJA. FEDJA
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Wissen die immer noch nichts von uns? (CHAVA schüttelt den Kopf.)
Du musst es ihnen sagen!
CHAVA
Ich möchte schon, aber ich habe Angst davor.
FEDJA
Chava, dann lass mich mit deinem Vater sprechen.
CHAVA
Nein! Das wäre das Schlimmste, was wir tun könnten. Ganz bestimmt!
FEDJA
Lass es mich versuchen.
CHAVA
Nein! Ich werde mit Vater reden, ich verspreche es dir. (TEVJE tritt auf.)
N
IC
FEDJA
(streckt ihm seine Hand entgegen)
Guten Abend.
TEVJE
(gibt ihm lasch die Hand)
Guten Abend.
114
FEDJA (sieht CHAVA vielsagend an) Guten Abend.
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(geht ab) TEVJE
Guten Abend. Worüber habt ihr beiden denn gesprochen?
CHAVA
Über nichts Besonderes. Was man eben so spricht. (TEVJE geht zu MOTTELS Laden.)
CHAVA
Fedja und ich – wir kennen uns schon so lange, dass…
TEVJE
(dreht sich um)
Chava, es wäre mir lieber, wenn du dir solche Freunde vom Leibe hieltest. Vergiss nicht, wer du bist und wer dieser da ist.
CHAVA
Er hat einen Namen, Papa.
TEVJE
IC
Natürlich. Alle Kreaturen auf Erden haben einen Namen.
N
CHAVA
Fedja ist keine Kreatur, Papa. Fedja ist ein Mann.
TEVJE
Wer sagt, dass er keiner ist. Ich sage nur, dass er keiner von uns ist. Wie sagt doch das Gute Buch: "Man soll schön unter sich bleiben!" Mit anderen Worten: "Ein Fisch kann wohl einen Vogel heiraten. Aber wo wollen sie miteinander wohnen?" (TEVJE geht zu MOTTELS Laden. CHAVA hält ihn fest.)
115
CHAVA Die Welt ändert sich, Papa. TEVJE
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Nein. Es gibt Dinge für uns, die sich nicht ändern. Es gibt Dinge, die werden sich nie ändern! CHAVA
Darüber denken wir anders!
TEVJE
Was heißt "wir"?
CHAVA
Fedja und ich. Wir wollen heiraten.
TEVJE
Hast du den Verstand verloren? Weißt du, was das bedeutet, einen zu heiraten, der einen anderen Glauben hat?
CHAVA
Aber, Vater…
TEVJE
Nein, Chava! Ich sage nein! Du sollst niemals wieder davon sprechen! Du sollst niemals wieder seinen Namen nennen! Du sollst ihn niemals wieder sehen! Hast du mich verstanden?
N
IC
CHAVA
Ja, Papa. Ich habe dich verstanden.
(GOLDE kommt mit SPRINTZE und BIELKE aus MOTTELS Laden.)
GOLDE
Ach, da seid ihr? Geh’n wir nach Hause, Abendbrot essen. Es wird Zeit!
TEVJE
Erst will ich Mottels neue Nähmaschine sehen! GOLDE Die kannst du ein andermal sehen. 116
TEVJE Ruhe! Mutter, mach mich nicht wütend! Du weißt, wenn ich wütend bin, wagt keine Fliege mehr zu husten. GOLDE
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Hab’ ich eine Angst vor dir! Nach dem Abendessen werd’ ich in Ohnmacht fallen. Komm nach Hause!
TEVJE
(streng) Golde! Der Herr im Haus bin ich! Und das Familienoberhaupt bin auch ich! Ich will Mottels neue Nähmaschine sehen, und zwar jetzt!
(Er schreitet zu Ladentür, öffnet sie, schaut in den Laden, schließt die Tür wieder, wendet sich zu GOLDE.)
So! Kommt nach Hause!
Musik Nr. 29 - SZENENWECHSEL
N
IC
(TEVJE, GOLDE, BIELKE und SPRINTZE gehen ab. CHAVA bleibt und schaut ihnen nach.)
117
Szene 2-6 Eine Landstraße. Später Nachmittag. TEVJE zieht seinen Wagen. TEVJE
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(sinkt erschöpft auf seinen Wagen) Wie lange wird dieses niederträchtige Pferd noch krank feiern - mit seinem schlimmen Bein? (blickt zum Himmel)
Lieber Gott! Wenn ich auf zwei Beinen laufen kann, warum kann es das Pferd nicht auf dreien? Ich weiß, ich sollte nicht zu ungerecht mit ihm sein. Es ist ja auch eins deiner Geschöpfe und hat dieselben Rechte wie ich: das Recht, krank zu sein; das Recht, hungrig zu sein, und das Recht, zu arbeiten wie ein Pferd! Ach, lieber Gott, dieser Wagen! Ich bin ganz fertig vom vielen Ziehen! Ich weiß, ich weiß. Ich soll ihn mal eine Weile schieben! (Er beginnt, seinen Wagen zu schieben. Die Musik setzt ein.)
GOLDE
(aus dem Hintergrund)
Tevje!
(Sie kommt angelaufen, vollkommen außer sich.)
Tevje!
IC
TEVJE
(bestürzt) Was ist? Was hast du denn?
N
GOLDE
Unsre Chava. Sie ist seit heute Morgen verschwunden. Mit Fedja.
TEVJE
Was?
GOLDE Ich habe sie überall gesucht. Ich war sogar beim Pfarrer. Er hat mir erzählt die beiden sind verheiratet.
118
TEVJE Verheiratet? (GOLDE nickt.)
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Geh nach Hause, Golde. Wir haben ja noch ein paar Kinder. Geh nach Hause, Golde. Du hast deine Arbeit. Ich habe meine Arbeit. GOLDE
Und Chava?
TEVJE
Chava ist für uns gestorben. Wir wollen sie vergessen. Geh nach Hause. (GOLDE geht ab. TEVJE singt.)
Musik Nr. 30 - CHAVALEH TEVJE (weiter)
KLEINER SPATZ! KLEINE CHAVALEH! WARUM GINGST DU FORT? WARUM TUST DU UNS WEH?
N
IC
WENN ICH WÜSSTE, WO DU BIST, OB DU, MEIN SPATZ, WIRKLICH GLÜCKLICH BIST UND OB ICH DICH WIEDERSEH’? CHAVALEH, CHAVALEH.
KLEINER SPATZ! KLEINE CHAVALEH! DU WARST IMMER SO EIN LIEBES, KLEINES DING. OH, WIE PAPA AN DIR HING! ZÄRTLICH UND SANFT WAR MEIN VÖGELCHEN. OB ICH DICH EINMAL WIEDERSEH’? CHAVALEH, CHAVALEH. (CHAVA tritt auf)
119
CHAVA Papa, ich möchte mit dir sprechen. (TEVJE beachtet sie nicht, er will seinen Wagen weiterschieben.)
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Halt, Papa! Höre mich wenigstens an. Papa. Ich bitte dich, versuche, uns zu verstehen! TEVJE
Ich soll versuchen, euch zu verstehen? Wie soll ich das! Soll ich denn alles verleugnen, woran ich glaube? Andererseits: Wie kann ich denn mein eigenes Kind verleugnen? Andererseits: Wie kann ich denn meinem Allerhöchsten meinen Allerwertesten zuwenden, Leute! So beweglich bin ich nicht! Andererseits… Da gibt’s kein "Andererseits". Nein, Chava. Nein - nein - nein!
CHAVA
Papa! Papa!
(Während CHAVA ganz langsam abgeht, sieht man die DORFBEWOHNER hinter einem transparenten Vorhang. Sie singen:)
DORFBEWOHNER
N
IC
TRADITION. TRADITION. TRADITION.
120
Szene 2-7 TEVJES Scheune. JENTE tritt mit zwei Jungen ein - höhere Schüler, denen die Situation unbehaglich ist. JENTE
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Golde, bist du zu Hause? Hier hab’ ich die beiden jungen Männer, von denen ich dir erzählt habe. (GOLDE tritt auf, gefolgt von BIELKE und SPRINTZE.)
Golde, Liebling, hier sind sie: nette Jungens, gebildete Jungens, Golde, aus sehr gutem Hause. Jeder von ihnen eine Mäzzie, eine selten günstige Gelegenheit! Das Beste vom Besten! Was Besseres kannst du deinen Töchtern nicht antun!
GOLDE
Ich weiß nicht, Jente, meine Mädels sind ja noch so jung!
JENTE
Na, und? Sehen die vielleicht aus wie Großväter? Halt dich ran, sonst sind sie weg. Hier gibt’s keine Angst um die Zukunft, bei denen gehst du auf Nummer Sicher.
GOLDE
Und welcher ist für welche!?
JENTE
Na, das ist doch egal! Verteil’ sie doch! Los, greif zu!
N
IC
GOLDE
Ich weiß nicht recht, Jente. Ich möchte lieber erst mit Tevje sprechen.
(LAZAR, AWRAM, MENDEL, MOTSCHACH und andere DORFBEWOHNER treten auf.)
AWRAM
Golde, ist Tevje da?
GOLDE
Ja. Er ist drüben im Haus. Warum? Ist was passiert?
121
AWRAM (zu BIELKE uns SPRINTZE) Holt mal euren Vater her.
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(SPRINTZE und BIELKE gehen ab.) JENTE
(zu den beiden JUNGEN)
Geht nach Hause. Sagt euren Eltern, ich käme vorbei. (JUNGEN ab)
GOLDE
Was ist denn los? Warum schart ihr euch zusammen wie eine Hammelherde? Was habt ihr denn? (TEVJE tritt auf.)
AWRAM
Reb Tevje, hast du den Wachtmeister heute schon gesprochen?
TEVJE
Nein. Warum?
LAZAR
IC
Im Ort gehen Gerüchte um. Du kennst ihn doch gut. Und da dachten wir, dass er dir vielleicht gesagt hätte, was wahr ist und was nicht.
N
TEVJE
Gerüchte? Was für Gerüchte?
AWRAM
Jemand aus Zolodin hat erzählt, dass in St. Petersburg ein Erlass herausgegeben wurde, dass alle… Pscht. Pscht. (Der WACHTMEISTER und zwei SOLDATEN treten auf)
TEVJE Willkommen, Euer Ehren. Was gibt’s Neues?
122
WACHTMEISTER Ich sehe, Sie haben Besuch. TEVJE Das sind alles gute Freunde.
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WACHTMEISTER
Das trifft sich gut. Was ich zu sagen habe, ist auch für ihre Ohren bestimmt. Tevje, wieviel Zeit brauchen Sie, um Ihr Haus und Ihre Sachen zu verkaufen? (Totenstille. Niedergeschlagen schauen alle TEVJE an.)
TEVJE
Warum sollte ich mein Haus verkaufen? Ist es jemand im Wege?
WACHTMEISTER
Ich bin hierhergekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Sie Anatevka verlassen müssen.
TEVJE
Und wie komme ausgerechnet ich zu dieser Ehre?
WACHTMEISTER
Natürlich nicht nur Sie, Tevje. Alle. Erst hatte ich geglaubt, dass man mit Ihnen eine Ausnahme machen würde. Ihre Tochter ist ja nun verheiratet mit einem…
TEVJE
Meine Tochter ist für mich gestorben.
N
IC
WACHTMEISTER
Ich verstehe. Auf jeden Fall: Der Erlass trifft Sie alle. Sie müssen fort.
TEVJE
Aber dieses Fleckchen Erde war immer unsere Heimat. Warum sollen wir fort von hier?
WACHTMEISTER
(irritiert) Ich weiß nicht, warum: Überall in der Welt sind Unruhen. Und Unruhestifter. TEVJE (ironisch) Wie wir. 123
WACHTMEISTER Übrigens sind Sie nicht die Einzigen, die wegmüssen. Ihre Leute müssen alle Dörfer verlassen - Zolodin, Rabalewka - der ganze Bezirk muss geräumt werden. (DORFBEWOHNER machen ihrem Unwillen Luft.)
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Ich habe einen Befehl erhalten, der besagt, dass Sie Ihre Häuser zu verkaufen haben und den Ort innerhalb von drei Tagen verlassen müssen.
DORFBEWOHNER
Drei Tage! … In drei Tagen!
TEVJE
Sie kennen uns doch ein Leben lang. Und Sie wollen diesen Befehl ausführen?
WACHTMEISTER
Ich habe damit nichts zu tun. Verstehen Sie das nicht?
TEVJE
(voll Bitterkeit)
Wir verstehen.
ERSTER MANN
Und was geschieht, wenn wir uns weigern?
WACHTMEISTER
Dann wird man Sie zwingen.
Wir werden uns verteidigen!
N
IC
LAZAR
1. DORFBEWOHNER
Bleibt in euren Häusern!
2. DORFBEWOHNER
Weigert euch zu gehen!
3. DORFBEWOHNER Gebt euer Land nicht auf!
124
ZWEITER MANN Wir werden kämpfen! WACHTMEISTER Gegen unsere Armee? Ich gebe Ihnen den Rat, lassen Sie das!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
TEVJE
Und ich gebe Ihnen auch einen Rat: Verlassen Sie mein Haus!
(Die DORFBEWOHNER bedrängen den WACHTMEISTER und die zwei SOLDATEN.)
Noch ist das mein Haus und mein Boden! Verlassen Sie mein Haus! (WACHTMEISTER und SOLDATEN gehen.)
WACHTMEISTER
(dreht sich im Gehen um)
Sie haben drei Tage Zeit. (geht ab)
ERSTER MANN
So weit ich zurückdenken kann, haben unsere Familien hier gelebt. Und nun sollen wir einfach geh’n.
MOTSCHACH
IC
Wir sollten uns mit den Leuten aus Zolodin zusammentun. Vielleicht haben die eine Idee.
N
ERSTER MANN
Wir sollten uns verteidigen! Auge um Auge, Zahn um Zahn.
TEVJE
Sehr gut! Dann wäre bald die ganze Welt blind und ohne Zähne!
MENDEL
Rabbi, wir warten doch nun schon ewig auf den Messias. Jetzt kommen… Das wäre der richtige Moment!
125
RABBI Nun, werden wir eben woanders auf ihn warten. Inzwischen fangen wir an zu packen. DORFBEWOHNER
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(im Abgehen) Er hat Recht… Wir sehen uns noch vor der Abreise.
ERSTER MANN
Nur drei Tage Zeit.
MOTSCHACH
Wie soll ich in dieser Zeit mein Geschäft verkaufen? Und meine Ware!
DRITTER MANN
Wo soll ich hin… mit meiner Frau, meinen Schwiegereltern und drei Kindern?
(ALLE gehen ab außer JENTE, GOLDE, AWRAM, LAZAR, MENDEL und TEVJE.)
JENTE
Na ja…
Musik Nr. 31 - ANATEVKA
Anatevka war nicht gerade der "Garten Eden"!
GOLDE
N
IC
Und letzten Endes…Was gab’s denn hier schon groß? (singt)
WAS WAR DENN HIER SCHON LOS? WAS WAR DENN HIER SCHON DA!
JENTE
EIN BETT!
LAZAR EIN TISCH!
126
MENDEL EIN STUHL! AWRAM EIN SCHRANK!
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
TEVJE
Man hätte hier längst schon mal ein Streichholz dranhalten sollen!
MENDEL
EIN BAUM!
AWRAM
EIN STRAUCH!
GOLDE
WAS IST SCHON ‘N HERD!
LAZAR
ODER ‘N HERD!
MENDEL
Leute, die mal hier waren, können sich später nicht einmal daran erinnern, dass sie hier waren.
GOLDE
EIN STÜCKCHEN HOLZ!
EIN STÜCKCHEN STOFF!
N
IC
JENTE
ALLE
WAS LÄSST MAN HIER? NICHT SEHR VIEL AUßER ANATEVKA.
ANATEVKA, ANATEVKA, FRÖHLICHES, TRAURIGES ANATEVKA, HIER WAR DER SABBAT JA SO SCHÖN.
127
ALLE (weiter) ANATEVKA, ANATEVKA, RÜHRENDES, STÖRRISCHES ANATEVKA, SOLLN WIR DICH NIEMALS WIEDERSEH’N?
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BALD WIRD MAN EIN FREMDER SEIN AN FREMDEM ORT, UND MAN FINDET KEINEN MENSCHEN DORT AUS ANATEVKA. WIR GEHÖR’N ZU ANATEVKA. FLEIßIGES, ÄRMLICHES ANATEVKA! GELIEBTES DÖRFCHEN! KLEINE HEIMATSTADT.
GOLDE
Es ist ein Ort wie jeder andere.
MENDEL
Und unsere Vorfahren mussten schon viele Orte Hals über Kopf verlassen.
TEVJE
(zuckt mit den Achseln)
Vielleicht tragen wir deshalb immer einen Hut auf dem Kopf.
N
IC
Musik Nr. 31 Fortsetzung - SZENENWECHSEL
128
Szene 2-8 Vor TEVJES Haus. MOTTEL und ZEITEL beladen einen Handwagen und einen Gepäckkarren mit ihrer Habe. SPRINTZE und BIELKE kommen mit Bündeln. SPRINTZE
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Wo werden wir in Amerika hingehen?
MOTTEL
Zu Onkel Abraham. Bloß, der weiß noch nichts davon.
SPRINTZE
Ach, ich wünschte, ihr würdet mit dem Kindchen mit uns kommen.
ZEITEL
Wir bleiben in Warschau, bis wir genug Geld zusammen haben, dann kommen wir nach.
GOLDE
(kommt mit Pokalen)
Mottel, sei vorsichtig damit. Meine Eltern - Gott hab’ sie selig - schenkten sie uns zur Hochzeit.
ZEITEL
(zu BIELKE und SPRINTZE)
IC
Kommt, Kinder, helft mir, die letzten paar Sachen packen. (Sie gehen ins Haus.)
N
JENTE
(tritt auf)
Golde, Täubchen, ich muss dich noch sehen, bevor ich abreise. Ich habe ja solche Neuigkeiten für dich. Golde, Täubchen, erinnerst du dich? Gestern wusste ich noch nicht, wohin mit meinen alten Knochen. Jetzt weiß ich’s. Soll ich’s dir sagen? Ich werd’s dir sagen. Golde, mein ganzes Leben lang wollte ich schon dorthin. Und nun werde ich hingehen - was heißt gehen, auf allen vieren werde ich hin kriechen. Rate, wohin? Du rätst es nie! Jedes Jahr zum Pesachfest, na, was sagen wir da? - Da sagen wir: "Nächstes Jahr in Jerusalem, nächstes Jahr im Gelobten Land!"
129
GOLDE Du gehst ins Gelobte Land? JENTE
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Erraten! Und weißt du, warum? Im Schlaf kam mein Seliger, mein Aaron, zu mir und sagte: "Jente, geh ins Gelobte Land!" Unter normalen Umständen würde ich nie auf ihn hören. Denn so gut er auch war, mit allzu viel Gehirn war er nicht gesegnet. Aber im Traum ist das ein Wink des Himmels. Stimmt’s? Also werd’ ich mich auf den Weg machen, irgendwie komme ich schon hin. Und nun willst du wissen, was ich dort tun werde? Ich bin Heiratsvermittlerin, nicht wahr? Also werde ich Ehen stiften, jawohl! Kinder entspringen Ehen, nicht wahr? Also werde ich dem Gelobten Land dazu verhelfen, unser Volk zu vermehren und zu vergrößern. Das ist meine Mission! - So, nun leb wohl, Golde.
GOLDE
Leb wohl, Jente. Mach’s gut! Gott schütze dich. (Sie umarmen sich.)
JENTE
(im Abgehen)
Hoffentlich werden wir uns bald wiedersehen, Golde, aber aus einem glücklicheren Anlass. Bis dahin werden wir schweigen und leiden, leiden, leiden. Stimmt’s? Natürlich stimmt’s! (Sie geht ab. GOLDE sitzt auf einem großen Reisekorb. Sie verpackt traurig ein paar Silberbecher. TEVJE kommt mit einem Bücherpaket und lädt es auf den Wagen.)
N
IC
TEVJE
Wir müssen uns beeilen, Golde.
(Sie schaut auf die Silberbecher.)
Komm, Golde, wir müssen bald geh’n.
GOLDE
Geh’n! Das sagt sich so einfach!
TEVJE Wir werden bald alle wieder zusammen sein. Mottel, Zeitel und das Kind kommen bald nach, du wirst sehen. Dieser Mottel ist ein Prachtkerl!
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GOLDE Und Hodel und Perchik? TEVJE (macht Spaß)
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Vielleicht kommen sie uns jeden Sabbat besuchen - aus Sibirien. Du weißt doch, was Hodel schreibt. Er sitzt im Gefängnis und sie geht arbeiten. Er wird nun bald entlassen und sobald er draußen ist, wollen die beiden die Welt aus den Angeln heben. Es könnte ihnen also gar nicht besser gehen. Na, und die anderen Kinder haben wir ja alle bei uns.
GOLDE
(still) Nicht alle.
TEVJE
(scharf) Alle! Komm, Golde, wir müssen uns fertig machen.
GOLDE
Ich muss erst noch den Fußboden fegen.
TEVJE
Den Fußboden fegen?
GOLDE
Ich lasse doch das Haus nicht schmutzig zurück!
(Sie geht hinter das Haus, während LAZAR mit einem großen Koffer auftritt.)
Du siehst, Tevje, ich bin schon unterwegs.
N
IC
LAZAR
TEVJE
Und wo geht die Reise hin?
LAZAR
Nach Chicago. Amerika. Meine Frau, Fruma-Sara - Gott hab’ sie selig - hat dort einen Bruder.
TEVJE Das ist ja fein!
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LAZAR Ich kann ihn nicht ausstehen, aber… verwandt ist verwandt! (Sie umarmen sich.) Leb wohl, Tevje!
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(LAZAR geht ab. ZEITEL kommt mit einer Decke und einem Bündel aus dem Haus, während TEVJE hineingeht.)
TEVJE
Zeitel, ist drin alles fertig?
ZEITEL
Gleich, Papa.
(Sie tut die Decke auf MOTTELS Wagen, kniet nieder und durchwühlt das Bündel. CHAVA und FEDJA treten auf. ZEITEL will ins Haus gehen. Sie sieht CHAVA und FEDJA)
Chava!
(CHAVA läuft zu ihr, sie umarmen sich; ZEITEL schaut zum Haus.)
Papa wird dich sehen!
CHAVA
Ich will ihn sehen. Ich möchte ihm "Lebwohl" sagen.
ZEITEL
IC
Er wird nicht zuhören.
N
CHAVA
Aber hören wird er mich schon!
ZEITEL
Vielleicht ist es besser, ich gehe zu Mama und sage ihr, dass…
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GOLDE (kommt hinter dem Haus vor) Chava!
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(Sie geht zu CHAVA, während TEVJE gerade mit einem Seil aus dem Haus kommt. Er sieht CHAVA und FEDJA, dreht sich um, geht wieder ins Haus und bückt sich, um einen Reisekorb zu verschnüren. Er kehrt CHAVA und FEDJA den Rücken.)
CHAVA
Papa, wir sind gekommen, um uns zu verabschieden.
(TEVJE antwortet nicht. Er lässt sich in seiner Arbeit nicht stören.)
Wir gehen auch fort von Anatevka. Nach Krakau. Wir bleiben nicht unter Menschen, die es übers Herz bringen, anderen so etwas anzutun. Wir wollten gern, dass ihr das wisst. Leb wohl, Papa, leb wohl, Mama.
(Sie wartet auf eine Antwort, bekommt keine und wendet sich zum Gehen.)
FEDJA
Ja, wir ziehen auch weg von hier. Gewalt vertreibt die einen, Gleichgültigkeit die anderen. Komm, Chava.
ZEITEL
Lebt wohl! Chava… Fedja!
TEVJE
IC
(flüstert ZEITEL zu, während er zum nächsten Koffer geht)
Gott sei mit euch!
N
ZEITEL
(Schaut ihn an. Dann sagt sie sanft zu CHAVA.)
Gott sei mit euch!
CHAVA
Wir werden euch nach Amerika schreiben - wenn ihr wollt. GOLDE Wir sind bei Onkel Abraham.
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CHAVA Ja, Mama. (CHAVA und FEDJA gehen. TEVJE dreht sich um und schaut ihnen nach. Einen Moment ist es ganz still. Dann wendet sich TEVJE zu GOLDE.)
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TEVJE (mit gespielter Entrüstung)
Wir sind bei Onkel Abraham! Wir sind bei Onkel Abraham! Muss denn das so hinausposaunt werden?
GOLDE
Hör auf zu schreien! Sieh lieber zu, dass du mit der Packerei vorankommst! Wir müssen den Zug kriegen!
TEVJE
(gereizt) Ich brauch deine Ratschläge nicht, Golde! Zeitel, vergiss das Kindchen nicht.
Musik Nr. 32 - FINALE – UNTERMALUNG TEVJE
Wir müssen den Zug kriegen und das Schiff! Sprintze, Bielke, tut mal die Bündel auf den Wagen.
IC
(TEVJE schiebt den Wagen in die Mitte der Bühne. MOTTEL lädt den Reisekorb auf. ZEITEL bringt das, Kind aus dem Haus. Man verabschiedet sich voneinander.)
N
ZEITEL
Auf Wiedersehen, Papa. (Sie umarmen sich.)
GOLDE
Auf Wiedersehen, Mottel.
MOTTEL Auf Wiedersehn, Mama. (ZEITEL und GOLDE umarmen sich.)
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TEVJE Sei fleißig, Mottel! Kommt bald nach! MOTTEL Ja, Reb Tevje. Ich versprech’ es dir.
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
(TEVJE wirft noch einen letzten Blick auf das Kind. Dann gehen ZEITEL und MOTTEL mit ihrem Handwagen ab. Die Musik endet. TEVJE geht nun zu seinem Wagen.)
TEVJE
Kommt, Kinder.
(nimmt Töpfe vom Wagen)
Golde, diese Töpfe können wir doch hierlassen!
GOLDE
Nein, das können wir nicht!
TEVJE
(tut die Töpfe wieder auf den Wagen)
Also gut, nehmen wir sie mit!
BIELKE, SPRINTZE
(hopsen kindisch umher)
IC
Wir fahren mit der Eisenbahn und dann mit einem Schiff. Wir fahren mit der Eisenbahn und dann mit einem Schiff.
N
GOLDE
Lasst das! Noch sind wir nicht in Amerika!
TEVJE
Kommt Kinder, es ist so weit!
135
Musik Nr. 33 - VORHANG – AKT 2
N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de
Die Bühne beginnt, sich zu drehen. TEVJE setzt seinen Wagen in entgegengesetzter Richtung in Bewegung. Die anderen DORFBEWOHNER und der FIEDLER schließen sich an. Die Drehbühne hält an, einen letzten Moment sind alle zusammen. Dann gehen die DORFBEWOHNER zu verschiedenen Zeiten in entgegengesetzten Richtungen ab. TEVJES FAMILIE bleibt allein auf der Bühne. TEVJE beginnt, seinen Wagen in Richtung Hinterbühne zu ziehen. Seine FAMILIE folgt ihm. Der FIEDLER bleibt zurück und spielt sein Thema. Dann klemmt er sich seine Violine unter den Arm und folgt der FAMILIE, während der Vorhang fällt. ENDE
Musik Nr. 34 - VERBEUGUNGEN
N
IC
Musik Nr. 35 - EXIT
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