ANNIE WARBUCKS Textbuch

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Textbuch

Die Fortsetzung des Musicals ANNIE

Buch von THOMAS MEEHAN

Musik von CHARLES STROUSE

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Gesangstexte von MARTIN CHARNIN Deutsch von HOLGER HAUER (2023)

Original Off-Broadway Version 1993

Bühnenvertrieb:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de 11/23


Alle Rechte vorbehalten. Hierzu zählen insbesondere das Recht der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen und sonstige Medien, der mechanischen Vervielfältigung und der Vertonung (Neuvertonung), die Verwendung zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Aufführungen, gleich ob von Amateur- oder Profibühnen sowie anderen Interessenten.

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Text, Komposition sowie Text- und Musikmaterial des Bühnenwerks werden Bühnen / Veranstaltern ausschließlich für Zwecke der Aufführung nach Maßgabe des jeweiligen Aufführungsvertrags zur Verfügung gestellt. Jede darüber hinausgehende Verwertung von Text und /oder Musikmaterial des Bühnenwerks bedarf der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für dessen Vervielfältigung, Verbreitung, elektronische Verarbeitung, Übermittlung an Dritte und Speicherung über die Laufzeit des Aufführungsvertrags hinaus. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn Bühnen / Veranstaltern der Text oder das Musikmaterial des Bühnenwerks ohne vorherigen Abschluss eines Aufführungsvertrages zur Ansicht zur Verfügung gestellt wird. Weitere Einzelheiten richten sich nach den zwischen Bühnen / Veranstaltern und Verlag getroffenen Vereinbarungen. Dieser Text und die damit verbundene Komposition gilt bis zum Tag der Uraufführung / deutschsprachigen Erstaufführung / bis zur Erstübersetzung / der Neuübersetzung als nicht veröffentlicht im Sinne des Urheberrechtsgesetzes. Es ist nicht gestattet, vor diesem Zeitpunkt das Werk oder einzelne Teile daraus zu beschreiben oder seinen Inhalt in sonstiger Weise öffentlich mitzuteilen oder sich öffentlich mit ihm auseinanderzusetzen. Nicht vom Verlag genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche und ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Material darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden.

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Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Manuskript umgehend zurückzusenden an:

Musik und Bühne Verlagsgesellschaft mbH

Bahnhofstraße 44-46 | 65185 Wiesbaden ----------------------------------------------------------------e-mail: post@musikundbuehne.de Internet: www.musikundbuehne.de


DIE ROLLEN................................................................................................................................................................. 3 1. AKT ............................................................................................................................................................................ 4 1. Ouvertüre ........................................................................................................................................................................... 4 1. SZENE ........................................................................................................................................................................ 4 2. Opening / Alles wird für Annie anders sein ......................................................................................................... 4 2. SZENE ......................................................................................................................................................................10 3. Über dem Gesetz ........................................................................................................................................................... 11

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3A. Ändern (Intro) ............................................................................................................................................................ 16 4. Ändern .............................................................................................................................................................................. 16 5. Ändern (Szenenwechsel) .......................................................................................................................................... 17

3. SZENE ......................................................................................................................................................................18 4. SZENE ......................................................................................................................................................................18 6. Die neue Frau ................................................................................................................................................................. 21 6A. Die neue Frau (Tag).................................................................................................................................................. 25 6B. Die neue Frau (Szenenwechsel) .......................................................................................................................... 25

5. SZENE ......................................................................................................................................................................26 7. Diese Art von Frau ....................................................................................................................................................... 31

6. SZENE ......................................................................................................................................................................31 7A. Ein jüng’rer Mann (Intro)....................................................................................................................................... 37 8. Ein jüng’rer Mann......................................................................................................................................................... 38 8A. Ein jüng’rer Mann (Playoff)................................................................................................................................... 39

7. SZENE ......................................................................................................................................................................39 9. Doch du bleibst stark .................................................................................................................................................. 42 10. Über dem Gesetz (Reprise) .................................................................................................................................... 46 10A. Szenenwechsel zu Warbucks‘ Haus ................................................................................................................. 47

8. SZENE ......................................................................................................................................................................47 11. Ich hab mich................................................................................................................................................................. 53

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9. SZENE ......................................................................................................................................................................58

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2. AKT ..........................................................................................................................................................................60 10 SZENE ....................................................................................................................................................................60 13A. Tennessee (US) ........................................................................................................................................................ 60 14. Liebe ............................................................................................................................................................................... 65 15. Liebe (Reprise) ........................................................................................................................................................... 67 11. SZENE ...................................................................................................................................................................68 15A. Utility ........................................................................................................................................................................... 68

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16. Irgendwer muss doch was machen .................................................................................................................... 74 16A. Reunion....................................................................................................................................................................... 78 17. Lass die Girls mal ran ............................................................................................................................................... 80 17A. Lass die Girls mal ran (Tag) ................................................................................................................................ 82

2. SZENE ......................................................................................................................................................................85 18. Schick gemacht ........................................................................................................................................................... 85 19. Sheila-Oliver-Walzer ................................................................................................................................................ 89 20. Schlaflied ....................................................................................................................................................................... 91 21. Es hätte so schön sein können .............................................................................................................................. 95

13. SZENE ...................................................................................................................................................................96 22. Lächelst du ................................................................................................................................................................... 98

14. SZENE ................................................................................................................................................................ 100

22A. Hochzeit, Hochzeit................................................................................................................................................100 22B. Orgelmusik ..............................................................................................................................................................100 23. Es war mir klar .........................................................................................................................................................108 24. Applausmusik............................................................................................................................................................109

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25. Ausgangsmusik .........................................................................................................................................................109

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DIE ROLLEN ANNIE Ein neues Mitglied der Familie von Daddy Warbucks. Immer noch das temperamentvolle, freundliche, freimütige Mädchen, das wir kennen und lieben. OLIVER WARBUCKS Ein erfolgreicher Geschäftsmann mit einem warmen Herzen. Reich, mit steifem Kragen, bullig.

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GRACE FARRELL Treue Sekretärin von Mr. Oliver Warbucks. Sie wird schließlich die große Liebe (und Ehefrau) von Oliver Warbucks. Gelassen, liebenswert, sanft.

CHARLENE GRACE PATERSON Die Tochter von Ella Paterson und Freundin der Waisenkinder. Sie ist ein süßes Mädchen, das sich mit Annie anfreundet. DRAKE Der Chefbutler von Oliver Warbucks. Bescheiden, fürsorglich, aufmerksam.

HARRIET DOYLE Als erste Frau Oberinspektorin des Jugendamts von New York und eine intrigante Bürokratin. Rücksichtslos, hartnäckig, hinterhältig. ELLA PATERSON Eine liebevolle Mutter, die sich um Annie kümmert. Gütig und weise.

SHEILA KELLY Eine Angestellte des Jugendamtes und Mrs. Doyles Partnerin im Verbrechen. Sie versucht, Warbucks zu heiraten. Hinterlistig, schlau, unaufrichtig.

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ENSEMBLE Waisenkinder; Regierungsmitglieder; Personal im Weißen Haus; Hochzeitsgäste; Zugreisende; Dienerschaft

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1. AKT

1. Ouvertüre

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1. SZENE

2. Opening / Alles wird für Annie anders sein

(Die Ouvertüre endet und auf dem Vorhang erscheint der Schriftzug: ‘Wie Sie sich vielleicht noch erinnern...‘. Dann hebt sich der Vorhang und wir befinden uns im Wohnzimmer der 5th Avenue Villa von Oliver Warbucks. Es ist der Weihnachtsmorgen 1933, und der Raum ist dementsprechend geschmückt. Weihnachtsdekoration, ein Tannenbaum, etc.

WARBUCKS, GRACE, DRAKE, MRS. PUGH, DIE WAISEN UND DIE BEDIENSTETEN sind da und singen die Schlusstakte von ‘WIR FEIERN DAS WEIHNACHTSFEST ANDERS‘ und hier beginnt ‘ANNIE WARBUCKS‘ – mit dem letzten Moment aus ‘ANNIE‘. ANNIE, in ihrem roten Kleid steht bei WARBUCKS und ZWEI BEDIENSTETEN, die einen großen rotgrünen Weihnachtskarton halten. ALLE

WIR FEIERN DAS WEIHNACHTSFEST ANDERS, WIR FEIERN DAS WEIHNACHTSFEST ANDERS, WIR FEIERN DAS WEIHNACHTSFEST ANDERS, WIR FEIERN DAS WEIHNACHTSFEST ANDERS,... DIES JAHR!!

(weiter)

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(WARBUCKS hält ANNIE die Augen zu und die beiden BEDIENSTETEN öffnen den Karton. Heraus springt SANDY. WARBUCKS nimmt seine Hände von ANNIES Augen und SIE freut sich wie eine Schneekönigin)

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ANNIE (sie umarmt Sandy, während die MUSIK darunter weiterläuft) Sandy! Oh, Sandy! (zu allen)

Ich dachte, ich würde ihn nie wiedersehen. (zu Warbucks)

Oh. Mr. Warbucks, danke, dass Sie ihn gefunden haben. WARBUCKS Mr. Warbucks? Nenn mich nie wieder Mr. Warbucks!

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ANNIE Nicht? Aber wie soll ich Sie dann nennen? (ER schaut sie schelmisch an) Papa. AWARBUCKS Genau so, meine Süße!

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(zu GRACE)

Haben Sie das gehört, Grace?

ANNIE Papa, ich habe noch nie etwas zu Weihnachten bekommen, aber dieses Jahr bekomme ich plötzlich alles. Sogar einen neuen Namen. Ich bin jetzt Annie Warbucks!

(...und während alle ‘ad lib‘ gratulieren, verändert sich die MUSIK langsam zu ‘ALLES SIEHT FÜR ANNIE ANDERS AUS‘. SIE singt) ÄRGER LUD ANNIE IMMER EIN. WEG MIT ÄRGER! ALLES WIRD FÜR ANNIE ANDERS SEIN! (ALLE summen; fröhliche Aufgeregtheit)

ANNIE (weiter) MEINE KLAMOTTEN WAR’N NICHT FEIN. HEIL’GES NÄHGARN! ALLES WIRD FÜR ANNIE ANDERS SEIN!

GESTERN, DA HAB ICH NOCH SCHRECKLICH GEZITTERTLÖCHER IN ALL MEINEN SCHUH’N. WÄR’N WIR SCHON WEITER, ICH HÄTT HEUT GETWITTERT1: ES WAR GRUS’LIG, DOCH ICH TRAF DICH! PLÖTZLICH EIN NEUER START, DIE…

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WARBUCKS …LEUTE, DIE WOLL’N NE PARTY!

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ALLE

ALLES WIRD FÜR ANNIE ANDERS--!

BEDIENSTETE ÄRGER LUD ANNIE IMMER EIN. ANNIE, WARBUCKS GRACE WEG MIT ÄRGER!

BEDIENSTETE ALLES WIRD FÜR ANNIE ANDERS SEIN! IHRE KLAMOTTEN WAR’N NICHT FEIN.

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Alternative Option: IN MEINEM LEBEN HAT’S HÄUFIG GEWITTERT

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ALLE ANNIE

HEIL’GES NÄHGARN! ALLES WIRD FÜR ANNIE ANDERS SEIN!

ALLE

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GESTERN, DA HAT SIE NOCH SCHRECKLICH GEZITTERTLÖCHER IN ALL IHREN SCHUH’N. WÄR’N WIR SCHON WEITER, SIE HÄTT HEUT GETWITTERT: ES WAR GRUS’LIG, DOCH ICH TRAF DICH! PLÖTZLICH EIN NEUER START, DIE LEUTE, DIE WOLL’N NE PARTY

MÄNNER WOLKEN?

FRAUEN HA’M SICH VERZOGEN MÄNNER HEUT STRAHLT-

FRAUEN EIN REGENBOGEN! ALLE

ALLES WIRD FÜR ANNIE ANDERS – FROHE WEIHNACHT, ANNIE WARBUCKS FROHE WEIHNACHT, ANNIE WARBUCKS. ALLES WIRD FÜR ANNIE ANDERS SEIN!

(Die Nummer endet und DRAKE geht ab. ANNIE beginnt mit ihren neuen Spielsachen zu spielen, während sich die Bediensteten ‘auflösen‘. WARBUCKS hält sie auf.)

WARBUCKS Annie, ich habe Weihnachten nicht mehr gefeiert, seit ich ein Kind war! Das gute, alte Weihnachten. Kennen Sie irgendwelche Weihnachtslieder, Mrs. Pugh?

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MRS. PUGH Ich kenne alle, Sir.

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WARBUCKS Gut. Dann singen Sie und ich jetzt eins zusammen! MRS. PUGH Ich und Sie, Sir? Zusammen? WARBUCKS Genau!

(MRS: PUGH beginnt zu singen und WARBUCKS stimmt mit ein) ‘HÖRT, DIE ENGELSCHÖRE SINGEN:

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WARBUCKS & MRS. PUGH HEIL DEM NEUGEBORNEN KIND! GNAD UND FRIEDE ALLEN MENSCHEN, ...’ DIE ERLÖST SIND VON DER SÜND! DRAKE (erscheint und unterbricht das Singen) Verzeihung, Sir... (auf SIMON WHITEHEAD hinweisend, der nun in Hut und Mantel erscheint)

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Ihr Anwalt Mr. Whitehead.

WARBUCKS (freudig) Guten Morgen, Simon. Frohe Weihnachten! SIMON Frohe Weihnachten, Oliver

WARBUCKS (zu Simon) Wie schön Sie zu sehen, Simon. Wie wär’s mit etwas Eierpunsch oder einem Glas Champagner? Pardon, warum sind Sie eigentlich hier?

SIMON (ihn erinnernd) Um mich mit Ihnen und Ihren Steuerberatern zu treffen? Wir sollten heute hierherkommen, und zwar mit der voraussichtlichen Steuerrückzahlung für 1933. WARBUCKS Oh ja, natürlich.

SIMON Ah, und das muss das kleine Mädchen sein, für das ich die Adoptionspapiere ausgestellt habe. Na, du bist aber eine Hübsche. ANNIE Vielen Dank, Sir.

SIMON Ich bin Mr. Whitehead, der Rechtsanwalt deines Vaters.

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ANNIE Was ist ein Rechtsanwalt?

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SIMON Ein Rechtsanwalt, meine Kleine, ist ein Jurist, der in Harvard studiert hat. (SIMON lacht über seinen eigenen Scherz) DRAKE (erscheint erneut) Verzeihung, Sir. Ihre Steuerberater sind soeben eingetroffen. WARBUCKS (amüsiert) Oh, wirklich? Dann geleiten Sie sie bitte herein, Drake.

(DRAKE winkt zwei männliche Steuerberater aus dem OFF herein. Augenblicklich erscheinen beide mit Aktenordnern voller Steuerunterlagen. Die BEDIENSTETEN beginnen mit den Geschenken abzugehen. Drake entschwindet ebenfalls. Zu Annie: )

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(WARBUCKS) Mein Schatz, es dauert nur eine Minute. (zu MRS. PUGH) Und später singen wir noch ein Weihnachtslied! MRS. PUGH Sehr gerne, Sir.

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(MRS. PUGH verlässt die Bühne und nimmt die Waisenkinder mit sich) GRACE Meine Herren. Mr. Warbucks.

WARBUCKS (immer noch freudig) Guten Morgen, meine Herren. (ER schüttelt ihre Hände) Price. Waterhouse.

PRICE & WATERHOUSE Guten Morgen, Sir.

WATERHOUSE (zaghaft) Frohe Weihnachten, Sir. PRICE(zaghaft) Frohe Weihnachten, Sir.

WARBUCKS Frohe Weihnachten. In Ordnung, raus damit. Wieviel habe ich dieses Jahr verdient?

PRICE (nervös) Nun ja, Mr. Warbucks, die Depression, natürlich..., 1933 war für alle ein ganz fürchterliches Jahr...

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WATERHOUSE (versucht das Ganze etwas abzumildern) Millionen Arbeitslose, Suppenküchen, Schlangen vor den Läden, Menschen leben unter...

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WARBUCKS Ich gucke die Wochenschau. Wieviel habe ich gemacht? PRICE (wieder schüchtern) Nur sechsundachtzig Millionen Dollar

WARBUCKS (ernst und nicht mehr freudig) Und wieviel geht davon an die Steuer?

WATERHOUSE (ängstlich) Viertausenddreihundert und dreizehn Dollar.

WARBUCKS Diese Blutsauger! Meine Fabriken schließen, von Shanghai bis Pittsburgh. Die Aktienkurse fallen weltweit – ich werde wahrscheinlich demnächst Äpfel auf dem Union Square verkaufen müssen. (MRS. PUGH erscheint)

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MRS. PUGH Entschuldigung, Sir. WARBUCKS Was? (MRS. HARRIET DOYLE tritt auf. Sie ist eine Bürokratin mittleren Alters, die eine Aktenmappe bei sich trägt. Ihr folgt MISS CLARK, eine uniformierte Gefängniswärterin)

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MRS. DOYLE Guten Morgen.

(SIE öffnet ihre Brieftasche und zeigt einen Ausweis vor, während sie sich vorstellt) Harriet Doyle, Oberinspektorin des New York City Büros für Kindeswohl. SIMON Worum geht es, Madame?

MRS. DOYLE Um eine offizielle Angelegenheit. GRACE An Weihnachten?

MRS. DOYLE Das Wohl der Kinder von New York zu fördern habe ich geschworen – danke schön – dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr! Es handelt sich um eine persönliche Rechtsangelegenheit. Mr. Warbucks, vielleicht möchten Sie das lieber im privaten besprechen. WARBUCKS (gibt Grace ein Zeichen) Grace.

GRACE (gestikuliert die Steuerberaten nach draußen) Meine Herren. WARBUCKS Wir gehen in mein Arbeitszimmer, meine Damen.

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(WARBUCKS führt MRS. DOYLE and MISS CLARK auf die andere Seite der Bühne, währen PRICE und WATERHOUSE abgehen. Gleichzeitig fliegt der Tannenbaum nach oben weg und die Büromöbel erscheinen. Die Bühne verwandelt sich zu...)

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2. SZENE (Warbucks Arbeitszimmer. Einen Moment später. WARBUCKS, GRACE, MRS. DOYLE, MISS CLARK, SIMON UND ANNIE) WARBUCKS (weiter) (zu Simon, während des Umbaus) Eine persönliche Rechtsangelegenheit, was? Simon, Sie bleiben.

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SIMON Genau das hatte ich vor, Oliver.

WARBUCKS (zu MRS. DOYLE auf SIMON hinweisend) Mein Chefberater und persönlicher Anwalt, Simon Whitehead. (auf GRACE weisend) Meine Sekretärin Miss Farrell.

MRS. DOYLE (nimmt einige offiziell aussehende Dokumente und eine blaue Akte aus ihrer Mappe) Mr. Whitehead, Miss Farrell. (ER nickt) Es ist schwierig, aber uns ist aufgefallen, dass Ihnen, obwohl Sie niemals verheiratet waren, aus irgendeinem Grunde erlaubt wurde, ... (SIE schaut in eines der Dokumente) ... ein kleines Mädchen zu adoptieren. ANNIE Worauf Sie wetten können. Mich! Annie Warbucks!

MRS. DOYLE Ja, die Fürsorge weiß alles über dich, meine Süße. (nun schaut sie in das blaue Dossier) Findelkind, aufgewachsen in einem unserer städtischen Waisenhäuser, unter der Betreuung von Agatha Hannigan – die in Kürze ihre zwölfjährige Haftstrafe in Leavenworth antreten wird. (SIE reicht WARBUCKS eines der offiziellen Dokumente) Mr. Warbucks... dies ist der Gerichtsbeschluss, der die illegale Adoption dieses...

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WARBUCKS Illegale Adoption?

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MRS. DOYLE ...dieses Kindes aufhebt und es zurück in unsere Obhut überstellt. (ruft) Miss Clark! WARBUCKS Was?

ANNIE Das dürfen die doch nicht, oder, Papa? GRACE Dürfen sie, Sir?

WARBUCKS Nein, natürlich dürfen sie nicht... (zu SIMON) Dürfen sie, Simon?

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(ER gibt SIMON den Gerichtsbeschluss) MRS. DOYLE Mr.… äh... SIMON Whitehead.

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MRS. DOYLE (überheblich) Mr Whitehead, Ihnen ist doch sicherlich bekannt, dass es gegen jedes geltende Recht verstößt, wenn einem Single-Mann, oder auch einer Single-Frau die Erlaubnis erteilt wird, ein Kind zu adoptieren. Abschnitt 29, Absatz 2A, Familiengesetz von 1919. SIMON Es tut mir leid, Oliver, aber dieser Beschluss gibt ihr das Recht Annie mitzunehmen. ANNIE Mitzunehmen? Das ist doch Quatsch. ich bin gerade erst hergekommen. MRS. DOYLE (zu ANNIE) Du wirst gut versorgt.

(mit einer Geste zu MISS CLARK) Miss Clark!

(SIE geht einen Schritt näher auf ANNIE zu) ANNIE (zu WARBUCKS) Nein!

3. Über dem Gesetz

(ANNIE) Fassen Sie mich nicht an, oder Sie kriegen einen auf die Nase und ein Tritt vors Schienbein!

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MRS. DOYLE Sie lassen zu, dass das Kind so mit mir spricht?

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WARBUCKS Moment mal!

MRS. DOYLE Von wegen: Moment mal. Wissen Sie eigentlich mit wem Sie reden? Ich bekleide dieses Amt als erste Frau in der Geschichte New Yorks. - Danke schön – Ich habe mich von ganz unten hochgearbeitet, habe dann sogar am Familiengesetz mitgeschrieben. Sie, mein Herr, sprechen mit einer Frau, die das Gesetz kennt! WARBUCKS Es interessiert mich einen, pardon, Scheiß, was das Gesetz sagt, Frau Oberinspektorin! Ich bin Oliver Warbucks und ich werde nicht...

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MRS. DOYLE (nun plötzlich empört und sarkastisch) Oh....ach so...Verzeihung... (SIE blickt WARBUCKS mit großer Geringschätzung an, während sie singt: ) ACH... ICH WUSSTE SCHON, WIE SIE REAGIER’N. (MISS CLARK einbeziehend)

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WIE ZWEI BETTLER WOLLN SIE UNS ABSERVIER’N! IHNEN, MISTER ALLMÄCHTIG SAG ICH JETZT: SIE STEHN NICHT ÜBER DEM GESETZ! (DAS GILT AUCH, WENN SIE BEI ROT GEHEN)

SIE SIND ANDERS ALS FRÄULEIN ‘DOYLE‘ UND ‘CLARK‘ DESHALB WOHNEN SIE AN ‘NEM SCHICKEN PARK. TROTZ DES GELDES HEISST ES ZU GUTER LETZT SIE STEHN NICHT ÜBER DEM GESETZ! DANN WOLLN WIR DOCH MAL SEHN WAS ALL IHR REICHTUM BRINGT UND TROTZ DEM ANWALT, DER KLUG DAHER SCHWALLT, SORG ICH DAFÜR, DASS ES HIER BALD KNALLT!

SO, DANN RUF ICH JETZT MAL DIE ZEITUNG AN. BEI DER KLATSCHPRESSE KENN ICH AUCH ‘N MANN. AN DER WALL STREET WIRD DANN RICHTIG GEHETZT: WARBUCKS PFEIFT EINFACH AUFS GESETZ.

(die MUSIK läuft leise weiter) Miss Clark!

WARBUCKS Ich glaub das einfach nicht! (zu Simon) Tun Sie irgendwas!

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SIMON Oberinspektorin Doyle, seien Sie doch vernünftig. Zugegeben, er ist nicht verheiratet, aber sehen Sie denn nicht, wieviel Freude er ihr bringt?

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MRS. DOYLE Ein Kind braucht keine Freude... SIMON (ungläubig) Was?

MRS. DOYLE Ein Kind braucht Hygiene. Und eine Frau, die es darin trainiert. Mit anderen Worten: Es braucht, neben einem Vater, eine Mutter! ANNIE Ich brauche keine Mutter. MRS. DOYLE Oh ja, brauchst du!

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ANNIE Oh nein, brauch ich nicht! MRS. DOYLE Oh ja, brauchst du! WARBUCKS Oh nein, braucht sie nicht!

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MRS. DOYLE (singt, während sie ihre Papiere zusammenpackt) GUT, ICH GEHE, ICH SEHE, SIE HÖREN NICHT. ALSO SEHN WIR UNS EBEN VOR GERICHT!

(ganz dicht vor WARBUCKS Nase)

LANG GENUG HABEN SIE SICH WIDERSETZT SIE KÖNN’N NICHT ALLES MACHEN! ‘S GIBT EIN BÖSES ERWACHEN! UND DANN WERD ICH LAUT LACHEN! SIE STEHN NICHT ÜBER DEM GESETZ, ÜBER DEM GESETZ, ÜBER DEM GESETZ!

(Die Nummer endet und SIE will gehen) Miss Clark!

SIMON (ein Ausbruch) Einen Moment, Frau Oberinspektorin MRS. DOYLE Was? SIMON Was wäre...

IC

MRS. DOYLE Was wäre...was?

N

SIMON Was wäre, wenn er heiraten würde? WARBUCKS Was!?

SIMON (macht leidenschaftlich weiter) Hören Sie mir zu, Oliver. Das ist brillant. Wenn Sie verheiratet wären, würde die Adoption legalisiert, richtig, Frau Oberinspektorin?

MRS, DOYLE (nach einer Pause, in der SIMON sie stumm fixiert hat) Nun, ich denke, wenn er heiraten würde, und zwar sofort, könnte er das Kind behalten, vorausgesetzt diese Frau wäre für das Büro für Kindeswohl akzeptabel und nicht einfach irgendein... (mit einem Seitenblick auf GRACE) ...Blondchen.

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WARBUCKS (mit strengem Blick zu SIMON) Das ist ungeheuerlich. (ANNIE geht zu IHM. ER schaut SIE an. Dann, nach einer kleinen Pause) Also gut. Ich werde heiraten. ANNIE Wen denn?

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GRACE (leise) Ja, Mr. Warbucks, wen denn?

WARBUCKS Ich habe absolut keine Ahnung. Aber es wird doch wohl irgendwo in Amerika eine Single-Frau geben, die einen alternden, glatzköpfigen Mann mit leicht abstehenden Ohren und zwei Milliarden Dollar auf dem Konto heiraten würde. SIMON Denk an die Rendezvous, Oliver. Vielleicht gefallen dir sogar die Rendezvous. Romantische Abendessen bei Kerzenschein, Kutschfahrten bei Mondlicht im Central Park. WARBUCKS Die letzte Frau, mit der ich aus war, war Woodrow Wilsons Schwester. MRS. DOYLE Sie ist akzeptabel. WARBUCKS Sie ist tot.

(ER denkt laut)

Eine Mutter. Annie, ich muss für dich eine Mutter finden. Aber wo finde ich eine attraktive, kluge, liebevolle Frau, die dir eine gute Mutter wäre und mit mir ein paar wenige, glückliche Stunden die Woche verbringt? (ANNIE zeigt heimlich auf GRACE)

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Aber natürlich. Das ist es. Warum habe ich nicht gleich daran gedacht... Grace?

N

GRACE (macht hoffnungsvoll einen kleinen Schritt nach vorne) Ja, Sir? WARBUCKS Glauben Sie, Sie könnten...

GRACE (noch hoffnungsfroher, einen weiteren Schritt machend) Ja, Sir.

WARBUCKS ...eine Liste von allen Single-Frauen machen, die ich kenne und sie mir bis morgen zukommen lassen? GRACE (macht einen kleinen Schritt zurück und schafft es fast vollständig ihre Enttäuschung zu verbergen Ja, Sir!

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MRS. DOYLE Vielleicht kann das Büro helfen. Wir haben eine Kartei mit schon bewilligten Single-Frauen, reich, arm, alle hochqualifiziert, die gerne Kinder in Pflege nehmen wollen, aber nicht adoptieren. Alle verantwortungsvoll und älter... (wieder ein hinterlistiger Blick zu GRACE) Wir bewilligen nie jemanden unter dreißig. Jüngere Frauen sind, unserer Meinung nach, zu flatterhaft.

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(zu MISS CLARK)

Miss Clark! Nehmen Sie das Kind und... GRACE Nein!

WARBUCKS Warten Sie! Ich finde eine Frau, die ich heiraten kann, Madame. Aber bis dahin bleibt Annie bei mir. MRS. DOYLE (starrt WARBUCKS an, nach einer kurzen Pause) Wir sind nicht herzlos. Wir sind sogar hilfsbereit. (SIE reicht WARBUCKS einige Ordner)

Ich habe hier einige Vorschläge mit Bildern, Adressen, Telefonnummern – um die Sache ins Rollen zu bringen. Und um unsere Fairness zu untermauern, geben wir Ihnen dreißig Tage, um eine Frau zu finden.

WARBUCKS Dreißig Tage? Simon, vielleicht können wir eine Befreiung von diesem Single-Eltern-Gesetz erwirken. Ich rufe Bürgermeister LaGuardia an. SIMON Oliver, lass mich das regeln. Ich rufe LaGuardia an. (zu MRS DOYLE)

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Wir verlangen sechzig Tage.

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MRS. DOYLE Nun... also gut. Sechzig Tage. Aber ich brauche das schriftlich. SIMON Ich setze eine Vereinbarung auf, und Sie unterschreiben. MRS. DOYLE Ich setze sie auf, und er unterschreibt. (SIE wendet sich zum Gehen) Fröhliche Weihnachten. (beim Rausgehen) Miss Clark!

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WARBUCKS (als MISS CLARK an ihm vorbei geht, hinter MRS. DOYLE her) War nett mit ihnen zu plaudern, Miss Clark. Also, Annie, das ist wahrscheinlich das Beste, was uns passieren konnte. Du bekommst eine Mutter.

3A. Ändern (Intro)

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ANNIE Ja...ganz bestimmt.

(sie ruft leise nach draußen) Sandy.

(SANDY kommt herein und läuft zu ANNIE. Während des Folgenden spielt SIE mit ihm)

WARBUCKS Weißt du...ich habe ja nicht so viel Erfahrung als Vater, und... äh, na ja, wegen der Depression und den Schwierigkeiten bei meinen Geschäften auf der ganzen Welt, da werde ich eine ganze Weile weg sein... und da ist es natürlich gut, wenn du eine Mutter... ANNIE Du wirst nicht hier sein?

WARBUCKS Doch, natürlich werde ich das. So oft ich kann. Annie, ich verspreche dir, wir werden jemand ganz wunderbares finden und dann werden wir drei zusammen ganz viele Dinge... ANNIE Wir drei zusammen?

WARBUCKS Ja, wir drei zusammen. (ANNIE dreht sich ab)

IC

Mein kleiner Schatz, alle Dinge verändern sich...

N

4. Ändern (ER singt)

ÄNDERN, ÄNDERN NICHTS BLEIBT IMMER GLEICH DINGE ÄNDERN SICH, AUS ARM WIRD REICH. HEUTE ERSTER, MORGEN ZWEITER, DOCH WIR MACHEN EINFACH WEITER!

ANNIE

WIE’S WOHL SEIN WIRD WENN WIR NICHT MEHR ZWEI SIND, SONDERN DREI? IST DANN UNS’RE SCHÖNSTE ZEIT VORBEI?

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(ANNIE) ICH FÜRCHT‘ MICH, FRAG MICH: LÄSST DU MICH IM STICH? WARBUCKS & ANNIE WENN ALLES SICH ÄNDERT FÜR FÜR DICH. (die MUSIK von ‘ÄNDERN‘ läuft als Underscore weiter)

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ANNIE Ein Kind und sein Vater, ist das keine Familie?

GRACE Natürlich ist das eine Familie, Annie. Nur das Büro für Kindeswohl denkt das nicht.

SIMON Und rate mal, wer das Gesetz auf seiner Seite hat? Oliver, wir müssen diese ganze Frauen-suchAngelegenheit sehr diskret behandeln. Keine Zeitungen, kein Radio, kein Garnichts. Andernfalls wird jede geldgierige Single-Frau in Amerika vor ihrer Einfahrt ihr Zelt aufschlagen. WARBUCKS Oh, verdammt. Grace, lassen Sie uns sofort mit dieser Liste beginnen. GRACE Ja, Sir.

WARBUCKS (bedeutet SIMON auch mitzukommen)

(SIMON geht ab, währen GRACE sich noch kurz an ANNIE wendet) GRACE Alles wird gut werden.

(GRACE geht ab, während die MUSIK von ‘ÄNDERN‘ weitergeht. Gleichzeitig verändern sich die Szene und das Licht. Wir wechseln zu...)

N

IC

5. Ändern (Szenenwechsel)

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3. SZENE (Der Balkon von Warbucks Arbeitszimmer. Einen Moment später. ANNIE und SANDY bleiben auf der Bühne während des Szenenwechsels. Auch die MUSIK spielt weiter.) ANNIE (zu SANDY) So, nun werde ich also auch noch eine Mutter bekommen. Junge, Junge, die Dinge können sich ganz schön schnell ändern, wenn man ein Kind ist.

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ÄNDERN TUT SICH ALLES TAG UND NACHT. ALLES ANDERS, KAUM BIST DU ERWACHT. HEUTE ERSTER, MORGEN ZWEITER, DOCH WIR MACHEN EINFACH WEITER! UND ES BLEIBT NUR EINE FRAGE, DIE ES FÜR MICH GIBT: NACH DER HOCHZEIT, HAT ER MICH NOCH LIEB?

ICH FÜRCHT‘ MICH, FRAG MICH: LÄSST DU MICH IM STICH? WENN ALLES SICH ÄNDERT FÜR FÜR DICH!

(Das LICHT ändert sich und ANNIE geht mit SANDY ab. Die Szene verändert sich und nach dem Applaus für das Lied führt uns die MUSIK von ‘ÄNDERN‘ in die nächste Szene...?

4. SZENE

(Das Spielzimmer im Nebengebäude des Waisenhauses für Mädchen in Downtown Manhattan. Es ist Anfang Januar im Jahr 1934 – ein kalter Wintertag. Wir hören die typischen Downtown Manhattan Geräusche, während die Musik weiterläuft. Zwei Waisen, MOLLY und PEPPER tauchen auf. MISS CLARK bringt TESSIE herein, die ‘für draußen‘ angezogen ist und einen kleinen, billigen Koffer trägt.)

IC

MISS CLARK So, Mädels, hier habt ihr eure kleine Freundin zurück. Spielt schön. (MISS CLARK ab)

N

PEPPER Tessie, was ist passiert?

TESSIE (sehr traurig) Sie wollten mich nicht. Sie ham‘ gesagt, ich bin zu groß. Ich glaube, ich werd‘ nie adoptiert. MOLLY Ich glaube, keiner von uns.

PEPPER Natürlich nicht. Wer will uns schon? Es heißt doch gleich: Zerzaust, verlaust und du klaust! TESSIE (sehnsüchtig, wehmütig) Und sie hatten ein ganz neues Auto. Einen DeSoto.

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MOLLY Bist du drin gefahren? TESSIE Yap. Genau acht Blocks. Vier hin – und vier zurück. MOLLY Das tut mir leid, Tessie.

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TESSIE Ach, is schon ok. Die beiden hießen Mr. und Mrs. Jessi. Ich wäre dann Tessie Jessi geworden. (ANNIE kommt herein, mit Hut und Mantel. SIE hat einen Stapel Papiere dabei) ANNIE Tach zusammen. Molly, Tessie, Pepper.

MOLLY & TESSIE & PEPPER (ad lib, nicht zusammen) Hi, Annie. ANNIE Hi, Molly.

MOLLY (während sie sich umarmen) HI ANNIE. TESSIE Warum bist du wieder hier, Annie?

ANNIE Ich muss mal mit jemanden in meiner Größe reden. Ich hab Ärger.

PEPPER Ich hab gedacht, wenn du ‘n paar Millionen hast, dann hast du keinen Ärger mehr!? ANNIE Das denkst auch nur du.

IC

DIE WAISEN Was für Ärger?

N

ANNIE Also – Mr. Warbucks muss heiraten, damit er mich behalten kann -- Ich kriege ‘ne Mutter. TESSIE Verdammte Axt.

ANNIE Er geht jetzt mit Frauen aus. In den letzten zwei Wochen fast jeden Abend. Und ihr solltet die mal sehen. (SIE verzieht ihr Gesicht) Er trifft mich hier später mit einer neuen. (PEACHES, eine kleine freche Schwarze, ca. 11 Jahre alt, stürmt herein) PEACHES Ok, ihr kleinen Scheißer. Wer hat meinen ‘Wahre Liebe‘ Groschenroman geklaut?

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MOLLY Ich nicht! PEACHES Oh ja, dann warst du es, Tessie, stimmts? TESSIE Nein, war ich nicht. Ich war gar nicht hier.

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PEACHES Warst du wohl. Wo ist er? TESSIE Geht dich nix an! PEACHES Ist das so?

(TESSIE läuft auf PEACHES zu und sie beginnen zu kabbeln) TESSIE So ist das!

(während sie kämpfen, feuern MOLLY und PEPPER sie an) ANNIE (geht dazwischen) Hey, ihr zwei, hört auf oder ich mach euch beide platt! (nachdem sie aufgehört haben, zu PEACHES: ) Wer bist du?

PEPPER Sie ist neu hier. Ist letzte Woche hier abgeliefert worden. (ANNIE schüttelt PEACHES Hand)

IC

ANNIE Hi, ich bin Annie.

N

PEACHES Hab von dir gehört.

MOLLY Hey, Peaches, rate was passiert ist. PEACHES Was?

MOLLY Annie kriegt ‘ne Mutter. ANNIE (bedrückt) Ja, ich krieg ‘ne Mutter.

PEACHES Bist du bekloppt, Mädchen? Du tust ja so, als wolltest du keine.

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ANNIE Wer will schon ‘ne Mutter, wenn sie so ‘ne alte Hexe ist wie Miss Hannigan. TESSY & MOLLY & PEACHES Richtig! PEACHES Richtig. Du hast ja schon ‘‘n Vater, der wie ‘ne Billardkugel aussieht.

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(PEPPER lacht über ihren eigenen Scherz) ANNIE (schaut SIE scharf an) Halt die Klappe, Pepper!

(SIE zeigt den WAISEN einige Unterlagen)

Hier sind einige Frauen, die alle meine Mutter werden könnten.

6. Die neue Frau

(Die WAISEN umringen ANNIE, um sich das anzuschauen, während die MUSIK von ‘DIE NEUE FRAU‘ als UNDERSCORE beginnt) PEACHES Die hier ist durch den Kanal geschwommen. TESSIE Und die hier spielt Klavier.

ANNIE Ich wette, nicht so gut wie Miss Farrell.

ANNIE & DIE WAISEN (während sie andere Unterlagen öffnen, singen sie...)

N

IC

DIESE HIER HEISST BARBARA LEE, DREIUNDVIERZIG? NIE! SIE SCHREIBT POESIE, EIN GESICHT WIE DONALD DUCK! TRUTSCHIG! HÄSSLICH!

PEPPER (mit noch mehr Unterlagen) NANCY TURNER – TESSIE

SALLY FREY

PEACHES DAS HIER IST NICHT JUGENDFREI! MOLLY

DA IS‘ WIRKLICH KEINE BEI.

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DIE WAISEN NICHT EINE FÜR ANNIE. ALLEINE BLEIBT ANNIE. ANNIE (Musik als Underscore weiter) Hä? bei euch piepts wohl. Ihr habt keine Ahnung, was ihr da redet! PEACHES Oh doch, ham‘ wir. Schnucki, hör gut zu. Wenn die Frau, die dein Vater heiratet, genauso hinterlistig ist, wie die Frauen in ‘‘Wahre Liebe‘, dann bist du geliefert.

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MOLLY Richtig, sie sollte sich echt in Acht nehmen, vor den sexy Senhoritas. PASS BESSER AUF SIE WIRD IHN SCHNAPPEN. WAS DIE SO ALLES KANN!

DIE WAISEN PASS AUF! PASS AUF! DENN DIE NEUE FRAU, DIE KLAUT DIR SONST NOCH DEINEN MANN. TESSIE

UND WENN DU SCHLÄFST,

PEPPER HÄNGT SIE SICH AN IHN,

PEACHES KLEBRIG WIE MARZIPAN.

DIE WAISEN PASS AUF! PASS AUF! DENN DIE NEUE FRAU, DIE KLAUT DIR SONST NOCH DEINEN MANN.

N

IC

MOLLY gesprochen) Kapierst du jetzt? (singt) SIE IST SO SCHICK,

DIE WAISEN HAT TOLLE KURVEN.

PEACHES DU BIST NICHT MAL ‘NE FRAU. TESSIE

SIE TRÄGT NUR SEIDE

PEPPER UND TRINKT MARTINIS.

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DIE WAISEN DU TRINKST DOCH NUR KAKAO. SIE HAT ES DRAUF UND SIE KANN LIEFERN, MOLLY

MIT ALLEM DRUM UND DRAN!

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DIE WAISEN PASS AUF! PASS AUF! DENN DIE NEUE FRAU, DIE-DENN DIE NEUE FRAU, DIE KLAUT DIR SONST NOCH DEINEN MANN. (DANCE BREAK für 4Takte) MOLLY

MANN,SIE IST SCHARF, IN IHREN HIGH HEELS

DIE WAISEN MACHT SIE SICH AN IHN RAN!

PASS AUF! PASS AUF! DENN DIE NEUE FRAU, DIE KLAUT DIR SONST NOCH DEINEN MANN! SIE KENNT DAS SPIEL, KENNT ALLE TRICKS UND GIBT SICH GANZ LIEB UND NETT. SIE GEHT GERN SHOPPEN, GEHT GERN AUF REISEN – DU GEHST GANZ FRÜH INS BETT.

(gesprochen)

IC

Blääh!

N

(gesungen)

ALLE SIND GLEICH FLIMMERN UND SCHIMMERN, VON BROOKLYN BIS JAPAN.

DIE WAISEN PASS AUF! PASS AUF! DENN DIE NEUE FRAU, DIE-DENN DIE NEUE FRAU, DIE KLAUT DIR SONST NOCH -DEN MANN... DEN MANN... DEN MA-AA-AA-AA-AA-AA-ANNN!!!

(Die Nummer endet. MISS CLARK, in Uniform, kommt herein, gefolgt von WARBUCKS und DR. MARGARET WHITTLEBY. Dahinter Warbucks Chauffeur FLETCHER)

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MISS CLARK Hier ist sie, Mr. Warbucks. ANNIE Hi, Papa. WARBUCKS Hi, Annie.

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(zu den WAISEN) Hi, die Damen.

DIE WAISEN Hi, Mr. Warbucks!

WARBUCKS Annie, Das ist Dr. Margaret Whittleby. Sie wird heute mit uns zu Mittag essen. DR. WHITTLEBY (zu Annie, schüttelt dabei fest ihre Hand) Hallo, meine Kleine. ANNIE Hallo.

WARBUCKS (zu ANNIE) Sie ist Kinderpsychologin. (zu den WAISEN)

Kinder, sagt hallo zu Dr. Whittleby. DIE WAISEN (außer MOLLY) Hallo!

(MOLLY streckt ihre Zunge raus und macht einen ‘Lippenfurz‘ in Richtung Dr. Whittleby)

IC

MISS CLARK Du! Ich wird‘ dir gleich...

N

DR. WHITTLEBY (bevormundend und übereifrig) Nein, bitte nicht das Kind bestrafen. Wir verstehen genau, warum es das getan hat. Sie will einem leichten Grad von unterbewusstem Groll gegen mich Ausdruck verleihen. MOLLY (nickt zustimmend) So isses, Lady!

DR. WHITTLEBY Untersuchungen haben ergeben, dass, wenn ein kleines Mädchen so macht...

(SIE streckt ihre Zunge raus und macht exakt das gleiche Geräusch, dass Molly zuvor gemacht hat) ... sie nur eine verhaltene Feindseligkeit verspürt. Wogegen würde sie eine stärkere Feindseligkeit verspüren, hätte sie Folgendes getan. (SIE streckt wieder ihre Zunge raus, steckt ihre Daumen in die Ohren, zappelt mit den Fingern und macht erneut einen ‘Lippenfurz‘)

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WARBUCKS (nach einem langen, ungläubigen Blick auf sie) Faszinierend. So, sollen wir was futtern gehen, Dr. Whittleby? DR. WHITTLEBY Klingt fantastisch, Oliver. (SIE nimmt ANNIES Hand) Gib mir deine Hand, meine Süße. (ANNIE macht ein groteskes Gesicht und schreit lautlos in Richtung der WAISEN, unsichtbar für DR. WHITTLEBY, während SIE an der Seite von WARBUCKS hinausgeht. FLETCHER folgt ihnen. MIS CLARK räumt die liegengebliebenen Spielsachen zusammen und geht ab)

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ANNIE Tschüss , zusammen. DIE WAISEN Tschüss, Annie.

WARBUCKS Tschüss, die Damen.

DIE WAISEN Tschüss, Mr. Warbucks.

DR. WHITTLEBY (über die Schulter beim Abgehen mit ANNIE) Tschüss, ihr Süßen. DIE WAISEN (ganz süßlich) Tschüss, Dr. Whittleby.

6A. Die neue Frau (Tag)

(Als SIE außer Hörweite sind strecken die WAISEN ihre Zungen raus, stecken ihre Daumen in die Ohren, zappeln mit den Fingern und machen einen lauten ‘Lippenfurz‘. Die MUSIK von ‘ DIE NEUE FRAU‘ {Reprise} beginnt und SIE singen)

N

IC

PASS AUF! PASS AUF! DENN DIE NEUE FRAU, DIE-DENN DIE NEUE FRAU, DIE KLAUT DIR SONST NOCH -DEN MANN... DEN MANN... DEN MA-AA-AA-AA-AA-AA-ANNN!!!

(Die Nummer endet mit einem BLACKOUT. MUSIK untermalt den Szenenwechsel – wir gehen zu...)

6B. Die neue Frau (Szenenwechsel)

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5. SZENE (Das Frühstückszimmer in Warbucks Haus. Es ist einen Monat später, ein regnerischer Wintermorgen im Februar. GRACE sitzt allein am Frühstückstisch, schreibt Notizen auf einen Notizblock und nippt ab und an einer Tasse Kaffee. DRAKE und einige ZIMMERMÄDCHEN trage verschieden Frühstücksutensilien im Hintergrund hinaus – Geschirr, Kaffeekanne, Karaffe mit Orangensaft,... ANNIE kommt in ihrem roten Kleid herein)

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GRACE (während Drake ihr Kaffee nachschenkt) Danke, Drake. DRAKE Sehr gerne, Miss Grace.

ANNIE (beim Reinkommen) Morgen, Mr. Drake. DRAKE Miss Annie.

ANNIE (geht zu GRACE) Guten Morgen, Miss Farrell. GRACE Guten Morgen, Annie.

ANNIE Sie sind heute sehr früh hier.

GRACE Ja, dein Vater wollte, dass ich...

WARBUCKS (beim Reinkommen) Grace! Hilfe! Die Sonne geht gerade auf und schon ist Oberinspektorin Doyle da. Drake, Kaffee bitte. DRAKE Sehr gerne, Sir,

IC

(DRAKE gießt eine Tasse Kaffee ein und reicht sie WARBUCKS)

N

MRS. DOYLE (beim Reinkommen) Was ist mit Amanda Wagstaff? Ehrenamt in der Gemeinde, steht im Who is who. WARBUCKS Nie von ihr gehört.

GRACE Sie sind mit ihr ausgegangen, Mr. Warbucks, ins Luchow’s.

WARBUCKS Diese Schnattertante, die mir ein Ohr abgekaut hat und aussieht wie Stan Laurel? Nein, auf keinen Fall. Nein! (ER setzt sich) Mit wie vielen Frauen war ich bisher aus? Einhundert?

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GRACE Sechs, Sir. WARBUCKS Sechs? Und keine ist auch nur im Entferntesten vorstellbar. MRS. PUGH (zu WARBUCKS, während sie reinkommt) Entschuldigen Sie, Miss Farrell, aber Mr. Warbucks hat einen Anruf aus China, auf seiner privaten Leitung. Oberbefehlshaber Chiang Kai-chek.

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WARBUCKS Ich bin nicht hier, Grace.

GRACE (zu MRS. PUGH) Sagen sie ihm: „Ching dung i tan, shou jeh huwhey, Warbucks, lai gen knei jiang hua.“2 MRS. PUGH Ja, Miss Farrell. (zu sich beim Rausgehen) „Ching dung i tan, shou jeh huwhey…”

MRS. DOYLE (bezieht sich auf eine ihrer Unterlagen) Bernice Platt? Hat die letzten siebenunddreißig Jahre im Mt. Sinai Hospital gearbeitet. WARBUCKS Siebenunddreißig Jahre? Wie alt, zum Teufel, ist sie? MRS. Doyle Vierundfünfzig.

WARBUCKS Vierundfünfzig?

MRS. DOYLE Das perfekte Alter für jemanden in Ihrem Alter, Mr. Warbucks. Liebt Oper. WARBUCKS (irritiert) Was?

IC

MRS. DOYLE (erkennt das Missverständnis) Sie liebt die Oper!

N

WARBUCKS Ah, ach so –Oh, } Die Oper. Ich hasse Oper. Dieses Gekreische. (ER reicht DRAKE die leere Kaffeetasse)

Danke, Drake. Ich mag Lieder wie dieses wunderbare irische Schlaflied. Tu-ra-lu-ra-lu-ra-lu.

2

auf Deutsch: „ Es tut mir leid, Mr. Warbucks kann heute nicht mit Ihnen sprechen. Bitte rufen sie morgen wieder an.“

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(WARBUCKS) (ER singt a capella – jegliche Aktivität erstirbt und alle hören zu) GEH ZU BETT, MEIN KLEINER SCHATZ TURALURALU ICH MACH BUBU, TRÄUM VON DIR UND FRAGE: WAS MACHST DU? (ER spricht)

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Also das nenne ich Musik, Frau Oberinspektorin. MRS. DOYLE (abfällig) Ich werde es mir merken.

(MRS. PUGH kommt wieder herein und bringt MRS. Kelly mit, die in der einen Hand einen Briefumschlag, in der anderen einen Regenschirm trägt.) MRS. PUGH Mrs. Kelly, Sir.

WARBUCKS Mrs. Kelly? Ich kenne keine Mrs.....

MRS.DOYLE Nein, nein, nein, nein, nein... einfach nur Kelly. Sie ist eine Angestellte aus meinem Büro. Sie sind so schrecklich wählerisch, da musste ich Sie bitten, mir noch einige Vorschläge vorbeizubringen. (SIE schnappt sich den Umschlag von MRS. KELLY) Geben Sie her. Gut, Kelly, gehen Sie freundlicherweise wieder zurück ins Büro und arbeiten Sie weiter. Und kein Taxi! Sie nehmen den Bus oder laufen. (WARBUCKS holt einen Dollarschein aus der Tasche und gibt ihn MRS. KELLY) WARBUCKS Mrs. Kelly, es gießt draußen. Hier ist ein Dollar, nehmen Sie sich ein Taxi.

IC

MRS. KELLY Oh, vielen Dank, Sir Sehr freundlich. (zu ANNIE) Hallo, Mäuschen.

N

ANNIE Hallo.

MRS. KELLY Wo hast du denn diese wunderbaren roten Haare her? – Von der Feuerwehr?

(MRS. KELLY lächelt GRACE an, nickt allen zu und wird von MRS. PUGH hinausgebracht) MRS. DOYLE (ruft ihr hinterher) Und bringen Sie später das Wechselgeld mit, falls etwas übrigbleibt! (SIE öffnet den Umschlag, den Mrs. Kelly ihr gebracht hat) Gut, Mr. Warbucks, sehen wir mal, wen wir hier haben... SIMON (tritt ein und unterbricht MRS. DOYLE) Pardon, Oliver, ich habe endlich...

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MRS. DOYLE Ich spreche gerade, danke. SIMON Tut mir leid. Oliver, ich habe endlich Bürgermeister LaGuardia erreicht, und... GRACE Und?

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ANNIE Und was? Was hat er gesagt? SIMON (zu ANNIE) Es tut mir leid, Annie. (zu WARBUCKS)

Ein städtisches Gesetz, sagt er. Es ist ein städtisches Gesetz. Es gibt keine Ausnahme, nicht einmal für Sie. WARBUCKS In Ordnung, dann rufe ich Gouverneur Lehmann an! (WARBUCKS geht ab)

SIMON (folgt ihm hastig) Warten Sie, Oliver! Lassen Sie mich das machen!

MRS. DOYLE (folgt den beiden) Sie können den Vatikan anrufen – Gesetz ist Gesetz!

(das TELEPHON auf dem Frühstückstisch klingelt. Im Hintergrund treten Drake und MRS. PUGH auf. GRACE nimmt den Hörer.)

GRACE Warbucks Residence, Grace Farrell am Apparat… oh, Steven, ja, vielen Dank, dass Sie zurückrufen. Hören Sie, ich fühle mich wirklich sehr geschmeichelt, dass der Präsident Sie gebeten hat, mich anzurufen, aber ich arbeite für Mr. Warbucks schon seit...

IC

ANNIE Miss Farrell, mit wem reden Sie?

N

GRACE (zu ANNIE) Ich bin gleich fertig, einen Moment noch, mein Schatz. (ins Telefon) Steven, eine Anstellung im Weißen Haus, das ist sehr... ANNIE Will da jemand, dass Sie in Washington arbeiten?

GRACE (hält den Hörer zu) Präsident Roosevelt dachte, dass ich eventuell für ein oder zwei Jahre zu ihm... ANNIE Ein oder zwei Jahre? Aber Sie gehen nicht, oder Miss Farrell?

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GRACE Eine Sekunde, Süße. (ins Telefon) Steven, ich rufe Sie heute Nachmittag zurück, in Ordnung? Gut, danke, Auf Wiederhören. (SIE legt auf) ANNIE Sie dürfen nicht nach Washington gehen, Miss Farrell – bitte. Mein Vater...

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GRACE Dein Vater wird heiraten. Und Mrs. Warbucks wird vermutlich nicht sehr begeistert sein, wenn ich ständig hier bin. Also werde ich... ANNIE unterbricht) Aber vielleicht könnte er Sie heiraten. Sie lieben ihn doch, oder? Ich weiß das, ich kann... GRACE Annie, stopp! Ich bin seine Angestellte, Punkt. Es gibt nichts Persönliches zwischen uns.

ANNIE Oh nein, nein, nein, nein, nein – mein Vater mag Sie, Miss Farrell, total – ich weiß das. Immer wenn er ihren Namen sagt, wird seine Stimme ganz sanft. WARBUCKS (ruft lautstark aus dem off) Grace! GRACE (steht rasch auf und rennt ab) Ich komme, Mr. Warbucks.

ANNIE (geht zu DRAKE) Haben Sie das gehört, Mr. Drake? Mrs. Pugh? DRAKE Ja, Miss.

(MRS. PUGH nickt)

N

IC

ANNIE Sie müssen mir helfen. (zu MRS. PUGH) Sie müssen mir alle helfen. Sagen Sie meinem Vater, dass er Miss Farrell heiraten soll. DRAKE Ach Gott, nein, Miss, es geht nicht, dass Angestellte ihren Arbeitgebern... ANNIE Bitte!

DRAKE Nun ja, vielleicht...

ANNIE Super! Ich hole meinen Papa!

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7. Diese Art von Frau (ANNIE rennt ab, während die MUSIK leise beginnt. Das Licht verändert sich, Warbucks Küchenmöbel erscheinen und wir gehen zu...)

6. SZENE

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(Die Küche in Warbucks Haus. Direkt im Anschluss. Einige BEDIENSTETE und der KOCH arbeiten in der Küche. DRAKE und MRS. PUGH sind auch da) DRAKE Miss Annie! Miss Annie! Oh Gott. (ER klatscht in die Hände)

Alle herhören. Alle mal herhören!

(auch die übrigen BEDIENSTETEN kommen schnell dazu und versammeln sich) Können wir uns vorstellen, mit Mr. Warbucks... (er beginnt zu flüstern)

...über das Thema Hochzeit und Miss Farrell zu sprechen?

die BEDIENSTETEN reagieren durcheinander mit Schock, Sorge und Nervosität) MRS PUGH Wir könnten alle gekündigt werden. DIE BEDIENSTETEN Gekündigt! MRS. PUGH Aber für Annie...

IC

(ANNIE kommt mit WARBUCKS, GRACE und MRS. DOYLE zurück)

N

WARBUCKS (beim Reinkommen) Drake! DRAKE Sir!

WARBUCKS Annie hat mir gesagt, dass Sie und die Angestellten mir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen hätten. DRAKE Ja, Sir.

WARBUCKS Also?

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DRAKE (zögert, aber ANNIE drängt ihn, indem sie ‘sagen Sie’s, sagen Sie’s‘ flüstert) Nun, also... Sir.… hinsichtlich ihrer Wahl einer Ehefrau, da denken wir... (ER singt) (VER)ZEIHEN SIE UNS BITTE UNS’RE DREISTIGKEIT UND VIELLEICHT GEHT ES UNS GAR NICHTS AN...

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BEDIENSTETE (gesprochen) GAR NICHTS!

WARBUCKS Vielleicht. Sprechen Sie, Drake.

DRAKE (singt, wendet sich zwischendurch an die Bediensteten) DOCH DIESES EINE MAL, BEZÜGLICH IHRER WAHL, MIT WEM SIE LEBEN TAG UND NACHT, DA HABEN WIR MAL NACHGEDACHT. WARBUCKS So? DRAKE

SIE VERDIENEN JEMANDEN BESONDERES! EINE SCHÖNE BLUME UND KEIN STROH!

DRAKE & BEDIENSTETE REIZEND UND BEZAUBERND! DRAKE (unschuldig) UND BLOND VIELLEICHT?

DRAKE & BEDIENSTETE DIESE ART VON FRAU MACHT SIE FROH!

IC

MRS. DOYLE (MUSIK als Underscore weiter) Mr. Warbucks, ich denke, ich bin besser qualifiziert, um die Art von Frau für Sie...

N

DRAKE Verzeihen Sie mir, Frau Oberinspektorin, aber ich bin über ein Jahrzehnt bei Mr. Warbucks und ich... MRS. DOYLE Das Büro für Kindeswohl ist äußerst wählerisch und wir werden nicht... WARBUCKS Ma‘m. Setzen!

(ER weist sie mit einer Geste an, sich zu setzen, und sie tut es) Machen Sie weiter, Drake.

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DRAKE Danke, Sir. (ER und die BEDIENSTETEN umringen GRACE, ER singt) ELEGANT... DRAKE & BEDIENSTETE ES WÄR SCHÖN, SIE WÄR ELEGANT!

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DRAKE

ALLE SCHAUN, BETRITT SIE EINEN RAUM.

DRAKE & BEDIENSTETE MIT STIL UND CHARME UND WITZ. DRAKE

SOGAR NOCH WENN SIE SITZT.

WEIBLICHE BEDIENSTETE DIE KOMMT...

MÄNNLICHE BEDIENSTETE ...UND DANN... DRAKE ANNIE

...FÜR IMMER BLEIBT.

DIE AUCH NOCH SCHREIBMASCHINE SCHREIBT.

DRAKE & BEDIENSTETE LIEBT MUSICALS UND SPIELT VIELLEICHT EIN INSTRUMENT. ANNIE

IC

DRAKE

EINE PIANISTIN

N

DAS WÄR FEIN.

DRAKE & BEDIENSTETE AUSGEGLICHEN, GUTES HERZ DRAKE

UND BLOND VIELLEICHT?

DRAKE & BEDIENSTETE JA, SO SOLLTE MRS. WARBUCKS SEIN. ANNIE (während die MUSIK als Underscore weitergeht, zu WARBUCKS und während SIE beiläufig eine Banane isst) Papa, ist es dir eigentlich wichtig, aus welchem Teil des Landes sie kommt?

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WARBUCKS Nicht wirklich. Obwohl ich mir vorstellen könnte... ANNIE (‘schiebt noch etwas an‘) Also ich finde, es sollte irgendwo aus der Nähe der Fifth Avenue sein, wie Connecticut – wo Miss Farrell herkommt.

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DRAKE (singt) OH, WELCH EIN SCHÖNE KLANG IM OHR: CONNECTICUT! ACH, WIR WOLLN ES SINGEN IMMERZU: ANNIE

CON-NEC-TI-CUT!

BEDIENSTETE CON-NEC-TI-CUT!

MRS. PUGH KOMMT EINE FRAU VON DA, RUFT JEDER GLEICH: HURRA! DRAKE ANNIE

DRAKE

SIE BRÄT DAS BESTE EI MIT SPECK

UND PLAUDERT DANN MIT CHIANG KAI-CHEK— DOCH...

DRAKE & BEDIENSTETE WICHTIG IST VOR ALLEM SIE IST WUNDERBAR! WARBUCKS (gesprochen) Da stimme ich zu.

WIR ALLE STIMMEN ZU.

IC

DRAKE

N

DRAKE & BEDIENSTETE REIZEND UND BEZAUBERND! DRAKE

UND BLOND VIELLEICHT?

DRAKE & BEDIENSTETE DIESE ART VON FRAU MACHT SIE FROH! (die Nummer endet) WARBUCKS Drake! DRAKE Sir?

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WARBUCKS Sie können gehen. (ängstliche Laute und Betroffenheit bei den Bediensteten) DRAKE Ja, Sir. Äh, entschuldigen Sie, meinen Sie ‘Sie können gehen‘ wie: ‘Verlassen Sie den Raum‘, oder mehr wie: ‘Verlassen Sie die Vereinigten Staaten‘?

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WARBUCKS Gehen Sie und kümmern Sie sich um das Abendessen. DRAKE Vielen Dank, Sir. Und noch eine Sache, Sir.? WARBUCKS Ja?

DRAKE Gott schütze Sie.

(auf ein Nicken von DRAKE hin entfernen sich einige Bedienstete, während ER selbst mit einigen ANDEREN und dem Koch im Hintergrund während des Folgenden tätig wird) GRACE (geht zu WARBUCKS, aufs peinlichste berührt) Mr. Warbucks, ich möchte, dass Sie wissen, dass ich wirklich gar nichts damit zu tun hatte... WARBUCKS (nimmt unabsichtlich ihre Hand) Natürlich nicht, Grace. Das war schon ein bisschen dumm von Ihnen, Sie mit einem alten, glatzköpfigen Großvater verkuppeln zu wollen. GRACE (streichelt über seine Hand) Oh, Mr Warbucks, Sie sind nicht alt...

MRS. DOYLE (sieht all das ‘Händchen halten‘ und unterbricht sofort) Jetzt aber mal Schluss hier. Um eines ganz klarzustellen: Miss Farrell ist völlig unakzeptabel. Das Kind braucht eine deutlich ältere Frau.

IC

GRACE Da stimme ich zu.

N

(zu ANNIE)

Warte, bis ich dich in die Finger kriege, dann wirst du... (GRACE beginnt ANNIE zu verfolgen)

ANNIE (während sie vor GRACE wegläuft, den Küchentisch umrundet und wieder bei WARBUCKS landet) Uh – oh...uh – oh... Papa...Papa... Papa... Miss Farrell geht vielleicht zum Arbeiten nach Washington. MISS DOYLE Was für eine wunderbare Idee. WARBUCKS Was? Wovon redet sie, Grace?

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GRACE Nun, Sir. Ich bekam vor einiger Zeit einen Anruf von Steven McCall. WARBUCKS Steven wer?

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GRACE McCall. Er gehört zum Stab von Präsident Roosevelt im Weißen Haus und ist außerdem ein sehr enger Freund. Also, ich meine, er hat in Harvard studiert, während ich in Radcliffe war, und, ähh, ach Sie wissen schon. WARBUCKS Ja, Grace. Und?

GRACE Und, äh, der Präsident bat Steven herauszufinden, ob ich interessiert wäre, für ihn im Weißen Haus zu arbeiten. WARBUCKS Für Roosevelt arbeiten, anstatt für mich? Warum um alles in der Welt sollten Sie so etwas blödsinniges machen? -- Einen Moment. Sind sie etwas Mitglied der Demokraten, Grace? GRACE Oh nein, Sir, natürlich nicht.

WARBUCKS Na, Gott sei Dank. Ich würde es auch nicht zulassen, selbst wenn Sie den Job wollten. Sie sind eine junge, unverheiratete Frau und da unten wimmelt es nur so von Demokraten. Und Gott weiß, was die nach Einbruch der Dunkelheit machen. MISS DOYLE Entschuldigen Sie, Sir, ich glaube nicht, dass es fair ist, sich Miss Farrell in den Weg zu stellen. WARBUCKS Grace, egal welches Gehalt Ihnen das Weiße Haus anbietet, ich verdreifache es.

IC

GRACE Es geht nicht ums Geld, Mr. Warbucks. Es wäre meine Chance, etwas Bedeutendes für Amerika zu tun und...

N

WARBUCKS Was ist bedeutender für Amerika als boomende Warbucks-Geschäfte? Gar nichts! Vor allem, wenn sie nicht boomen! Also, das war das! Washington ist passé – und das sind Sie auch, Frau Oberinspektorin. MRS. DOYLE Ich muss gehen?

WARBUCKS Sie müssen gehen.

MRS. DOYLE Ich gehe. Also gut, einen schönen Nachmittag, Mr. Warbucks. Aber vergessen Sie nicht, die Vereinbarung ist noch nicht unterschrieben. WARBUCKS Schicken Sie sie in mein Büro – ich werde sie unterzeichnen.

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MRS. DOYLE Downtown, in meinem Büro, Donnerstagmorgen, elf Uhr (SIE beginnt abzugehen, stoppt dann aber noch mal) Und denken Sie daran: Es sind nur noch vierunddreißig Tage übrig. Die Uhr tickt. Tick… tack… tick…tack… (MRS. DOYLE geht ab.)

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ANNIE Es tut mir leid, Miss Farrell

GRACE (beim Abgehen) Entschuldigen Sie, Mr. Warbucks. (GRACE geht ab und ANNIE und WARBUCKS bleiben allein auf der Bühne zurück)

ANNIE Ich hoffe, du bist nicht sauer, Papa, weil, es war meine Idee und ich hab sie angestiftet. WARBUCKS Wirklich? Und ich dachte die ganze Zeit, es wäre Sandys Idee gewesen.

ANNIE Ich glaube, ich wäre keine gute Tochter für irgendeine von den Frauen, mit denen du ausgehst. WARBUCKS Nein?

ANNIE Nein. Aber für Miss Farrell, Mann, da würde ich Spinat essen, jeden Tag mein Zimmer aufräumen, immer um neun ins Bett gehen... sie liebt dich echt doll, Papa. WARBUCKS Blödsinn, mein Schatz. Das tut sie nicht. Aber ich verrate dir ein kleines Geheimnis.

IC

7A. Ein jüng’rer Mann (Intro)

N

(WARBUCKS) Ich habe sie lieb. Sehr lieb.

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8. Ein jüng’rer Mann (WARBUCKS) Aber sie verdient einen Mann, der nicht schon über fünfzig ist. Grace sollte jemanden heiraten, der näher an ihrem Alter ist. Sie ist nicht zu jung für mich, mein Schatz, aber – naja – ich bin zu alt für sie. (ER singt)

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SIE IST JUNG UND SCHÖN ICH ALT UND BIEDER SIE VERDIENT EINEN EINFACH VIEL JÜNG’REN MANN. FÜR SO EINE FRAU, DA SCHREIBT MAN LIEDER, SOLCHE LIEDER SCHREIBT NUR EIN JÜNG’RER MANN. DAS ‘ICH BIN FÜR DICH DA‘ LIED DAS ‘DU BIST WUNDERBAR‘ LIED UND NICHT DAS ‘GROSSPAPA‘ LIED DAS SCHRIEB ICH FÜR DICH.

DRUM KEIN EHERING, GETRENNTE WEGE. ICH GEB ZU, ICH FÜRCHTE SCHON, DANN UND WANN – DASS SIE LIEBT, EINEN JÜNG’REN MANN.

ANNIE (während die MUSIK leise weitergeht) Papa, wenn du ihr einfach sagen würdest: Ich liebe Sie – dann wäre Miss Farrell so glücklich, dass sie...

WARBUCKS Ich weiß, ich weiß, ...sich kaputtlachen würde. Egal, Annie, ich bin nicht der Typ Mann, der jemals zu Grace, ‘Ich uuhh Sie‘ sagen könnte. Oder zu irgendjemandem. ANNIE Aber Papa...

IC

WARBUCKS Annie, flitz mal los, bitte.

N

ANNIE Ja, Papa. Ok, Papa. (SIE geht ab)

WARBUCKS (jetzt ganz allein auf der Bühne, ER singt) FÜR SO EINE FRAU, DA SCHREIBT MAN LIEDER, SOLCHE LIEDER SCHREIBT NUR EIN JÜNG’RER MANN. DAS ‘ICH BIN FÜR DICH DA‘ LIED DAS ‘DU BIST WUNDERBAR‘ LIED UND NICHT DAS ‘GROSSPAPA‘ LIED DAS WÄR MEIN LIEDLEIN.

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(WARBUCKS) DRUM KEIN EHERING, GETRENNTE WEGE. ICH GEB ZU, ICH FÜRCHTE SCHON, DANN UND WANN – DASS SIE LIEBT... DASS SIE LIEBT... EINEN JÜNG’REN MANN.

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(das LICHT wird langsam zum BLACK und die MUSIK spielt leise während des Umbaus zu...)

8A. Ein jüng’rer Mann (Playoff)

7. SZENE

(Das Büro für Kindeswohl in New York City in Downtown Manhattan. Es ist kurz vor elf am folgenden Donnerstagmorgen. Es gibt einen Schreibtisch, ein paar Stühle, Aktenschränke, etc... MRS. DOYLES Angestellte MRS. KELLY schreibt irgendetwas auf einer Schreibmaschine, während die uniformierte MISS CLARK telefoniert. Ein weiterer Angestellter, HARRY, sitzt neben ihnen und studiert einige Unterlagen)

MISS CLARK (ins Telefon) ...nein, nein, nein, es tut mir leid, aber Sie müssen den Jungen mit ins Büro für Kindeswohl bringen... ja, ja, von neun bis fünf, jeden Tag von Montag bis Freitag... Wiederhör’n. (SIE legt auf und spricht vor sich hin)

Es scheint heutzutage mehr Waisen als Kinder mit Eltern zu geben. (an ein Portrait gerichtet)

Zumindest seit LaGuardia Bürgermeister ist.

IC

HARRY Endlich habe ich diesen Bewährungsvorgang gefunden, nach dem Oberinspektorin Doyle gestern gebrüllt hat.

N

MISS CLARK Zu spät, sie ist beim Arzt.

Harry Ich hoffe, es ist nichts Ungefährliches.

MRS. KELLY Harry, bitte rede nicht so. Wir sollten Gott dafür danken, dass es sie gibt, denn so haben wir einen Jab, im Gegensatz zu sehr vielen anderen. HARRY (nachdem er mit seinem Ordner fertig ist und abgeht) Du hast Recht – aber du bist auch erst seit drei Wochen hier. MISS DOYLE Wissen Sie, was ihr Problem ist, Kelly? Sie sind einfach so verdammt nett.

39


MISS KELLY (süßlich, mit einem Lächeln) Ich versuche es. (MISS CLARK geht ab. Auf dem Weg nach draußen stößt sie mir WARBUCKS zusammen, der mit ANNIE, GRACE und SIMON hereinkommt.) WARBUCKS (zu MISS KELLEY) Guten Morgen, ich habe eine Verabredung mit Oberinspektorin Doyle.

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KELLY (steht auf und tut so, als sei sie aufgeregt) Oh, ich weiß, wer Sie sind, Sir. Ich traf Sie an einem regnerischen Tag in ihrem Haus. Mrs. Kelly. Sie gaben mir einen Dollar für das Taxi. WARBUCKS Oh ja. Mrs. Kelly, die Oberinspektorin erwartet mich.

KELLY Es tut mir leid, Sir, aber sie wurde aufgehalten. Aber ich weiß, worum es geht. (SIE greift nach einigen Papieren)

Sie wollen die Vereinbarung unterschreiben, die Ihnen sechzig Tage Zeit gibt, um zu... hier sind fünf Kopien. Sie sagt, sie sollen alle unterschreiben. WARBUCKS Fünf Kopien? Also gut, bringen wir es hinter uns.

SIMON Ich werde sie zur Sicherheit noch einmal überprüfen. WARBUCKS (während SIMON die Vereinbarung liest) Mein Anwalt. Und meine Sekretärin, Miss Farrell. MRS. KELLY (gibt IHM einen Stift) Hier, Sir. WARBUCKS Danke.

IC

(ER setzt sich und unterschreibt alle fünf Kopien, die MRS. KELLY ihm reicht. ER gibt sie dann weiter an SIMON.)

N

MRS. KELLY Ich fand das sehr aufmerksam mit dem Taxi, Sir. Es hat ja furchtbar geregnet.

WARBUCKS Ich erinnere mich. Es hatte den Anschein, dass es Oberinspektorin Doyle ziemlich egal war, dass Sie bis auf die Knochen nass gewesen wären. MRS. KELLY Sie kann manchmal etwas gemein sein. Trotzdem bin ich überzeugt, dass sie ganz tief drinnen ein wundervoller Mensch ist. WARBUCKS Die Frage ist nur, wie tief ist ‘ganz tief‘?

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MRS. KELLY Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Sir, dann möchte ich, dass Sie wissen, dass ich es eine himmelschreiende Ungerechtigkeit finde, dass sie Sie zwingt zu heiraten, nur um, äh... na ja, Sie wissen schon. Entschuldigen Sie, dass ich meinen Pinsel in ihren Plumpudding stecke. WARBUCKS (lacht) Ihren Löffel in meine Lasagne. (zu SIMON)

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Waren das alle fünf? SIMON Alle fünf.

WARBUCKS Ihren Löffel... Das habe ich nicht mehr gehört, seit ich ein kleiner Junge in Hell’s Kitchen war. MRS. KELLY Sie stammen aus Hell’s Kitchen?

GRACE Mr. Warbucks wuchs in der Zehnten Avenue auf. ANNIE (stampft auf) Und in der fünfundvierzigsten West!

MISS KELLY Oh, mein Gott. Ich habe mein ganzes Leben in Hell’s Kitchen verbracht.

(Zu GRACE, als sie sich hinter ihr durchquetscht und sich WARBUCKS nähert) Entschuldigung.

(zu WARBUCKS)

Dreiundvierzigste und Zehnte. Meine Familie..., wir waren sehr arm.

IC

WARBUCKS Es ist keine Schande, in ärmlichen Verhältnissen aufzuwachsen, Mrs. Kelly.

N

MRS. KELLY (beginnt Papiere durchzuschauen) Vermutlich nicht...Oh, mein Gott, wenn Oberinspektorin Doyle hören würde, wie ich hier mit Ihnen rede, dann würde sie... ANNIE (wird nervös, beim offensichtlichen Interesse von WARBUCKS an MRS. KELLY) Papa, die anderen Kinder kommen bald zu uns nach Hause, wegen des Flugs mit deinem Flugzeug... WARBUCKS Eine Minute, mein Schatz.

(zu MRS. KELLY, während die MUSIK leise beginnt)

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9. Doch du bleibst stark (WARBUCKS) Wissen Sie, ich war seit fast dreißig Jahren nicht mehr dort. Klauen die Kinder immer noch Eis hinten aus dem Eiswagen? MRS. KELLY Ja. Und eine Dame passt besser gut auf ihre Handtasche auf.

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WARBUCKS (lächelt und erinnert sich zärtlich) Ah, es war ein großartiger Ort um aufzuwachsen.

MRS. KELLY War es, und war es auch nicht. Aber ich sage immer...man wird dort so schnell erwachsen und... aber das wollen Sie bestimmt nicht wissen... WARBUCKS Nein, nein, bitte...

MRS. KELLY (singt) PAPA RUFT: BIS GLEICH, DU LIEGST IM BETT DU BIST GRAD VIERZEHN UND ER IST FORT MAMA SAGT: DEIN HINTERN IST ZU FETT. DU BIST SO JUNG, GLAUBST JEDES WORT. WARBUCKS (sanft und mitfühlend) College?

MRS. KELLY (singt) VIEL ZU ARM – DIE ARBEIT RUFT DA STEHT ER, DIE HAUT SO HELL WIE QUARK. DU GLAUBST, DASS ER DIE GROSSE LIEBE IST. DU DENKST, ER (IST) GOTT, DOCH ER IST EIN BIGAMIST, DER DICH OFT VERGISST... DOCH DU BLEIBST STARK. KRIEGST EIN BABY, WOHNST GLEICH UNTERM DACH FÜNF TREPPEN RAUF, ZEHN MAL AM TAG.

N

IC

JEDE WEIHNACHT LIEGST DU WEINEND WACH. DAS BÄUMCHEN KLEIN, DAS ESSEN KARG. EINES TAGES LAG EIN ZETTEL DA: LEB JETZT MEINEN TRAUM, VERGIB MIR, MARC. ER IST NACH ASIEN, NACH CHINA AUF DEM SPRUNG. SEIN TRAUM IST QUIRLIG UND BLOND UND ZIEMLICH JUNG. NOCH EIN SEITENSPRUNG... DOCH DU BLEIBST STARK.

(Während Mrs. Kelly singt, ist ANNIE mehr und mehr beunruhigt über das zunehmende Interesse ihres Vaters an MRS. KELLY. Während die MUSIK als Underscore weitergeht, unterbricht ANNIE WARBUCKS) WARBUCKS Mrs. Kelly...

ANNIE Papa, die anderen Kinder kommen jetzt aber wirklich bald zu uns nach Hause, wegen des Flugs mit deinem Flugzeug. Hast du das vergessen? Können wir jetzt endlich... WARBUCKS Simon, Fletcher soll Annie und Grace nach Hause fahren.

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SIMON (nimmt die unterschriebenen Papiere) Sehr gern, Oliver. GRACE Und vergessen Sie bitte nicht ihr Meeting mit Professor Einstein, Sir. WARBUCKS (stoppt sie) Natürlich nicht. Ich komme, so schnell ich kann.

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GRACE Mrs. Kelly. SIMON Mrs. Kelly

WARBUCKS Mrs. Kelly, ich dachte gerade...

ANNIE (unterbricht WARBUCKS beim Rausgehen, auf ein Wandbild von Bürgermeister LaGuardia) Ist das ihre Mutter? (WARBUCKS schickt sie raus. ANNIE, GRACE und SIMON gehen)

WARBUCKS (zu Mrs. Kelly) Ich könnte meine Leute anweisen, Ihren Ehemann zu finden – wenn Sie möchten. MRS. KELLY Nein, wir sind geschieden und, na ja, es spielt auch keine Rolle mehr. WARBUCKS Tut es nicht?

MRS. KELLY Nein. (sie singt) PLÖTZLICH IST DEIN BABY BLASS UND SCHLAPP UND DU WEINST NACHTS AN IHREM BETT. ALL DIE TEUREN ÄRZTE WINKEN AB. DU FRAGST NICHT NACH, DU BIST ZU NETT.

N

IC

EIN PAAR TAGE SPÄTER LIEGT SIE DANN KLEIN UND STILL UND TOT IN IHREM SARG. DU SAMMELST ALL IHRE SÜSSEN PUPPEN EIN, DU STEHST AM ABGRUND, DU WEISST, DU BIST ALLEIN DU WILLST NICHT MEHR SEIN... DOCH DU BLEIBST STARK. ALSO SAGST DU DIR: LOS KOMM, ICH KANN! ICH BIN DOCH STARK, AUCH OHNE MANN! LANGSAM KEHREN MUT UND KRAFT ZURÜCK, UND HIER UND DA EIN KLEINES GLÜCK.

43


(MRS. KELLY) LEBEN NUR MIT MIR IST SCHON OKAY. DENN ES IST HALT KEIN VERGNÜGUNGSPARK. WENN TRÄUME STAUB SIND, WIRD DAS HERZ EIN HARTER STEIN. DU LEBST DEIN LEBEN, DOCH LEBST ES GANZ ALLEIN... ABER DU BLEIBST STARK—

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JA, DU BLEIBST STARK, GANZ STARK... JA, DU BLEIBST STARK!

(die Nummer endet)

MRS. KELLY (bezugnehmend, als MRS. DOYLE eintritt) Bitte verzeihen Sie mir… oh mein Gott, ich habe irgendwas im Auge...

(Tränen kullern aus ihren Augen. WARBUCKS gibt ihr ein Taschentuch und tröstet sie sanft) Vielen Dank, Sir.

MRS. DOYLE Was zum Teufel ist denn hier los?

WARBUCKS (bedeutet ihr gestisch still zu sein) Frau Oberinspektorin, bitte. (MRS. DOYLE schaut bass erstaunt)

MRS. DOYLE (in einem heftigen, ärgerlichen Flüsterton zu Mrs. Kelly) Kelly, was glauben Sie, wer Sie sind?

MRS KELLY (zu MRS. DOYLE, mit Tränen in der Stimme) Es tut mir leid. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist... bitte feuern Sie mich nicht. Ich habe nur... (fängt erneut an zu weinen)

...entschuldigen Sie mich. Ich muss mich erst einmal sammeln.

IC

(SIE rennt weinend ab)

N

MRS. DOYLE Und wenn sie sich gesammelt hat, kann sie auch gleich ihre Klamotten einsammeln.

WARBUCKS Beruhigen Sie sich, Frau Oberinspektorin. Ich finde Mrs. Kelly ist eine interessante Frau. MRS DOYLE Interessant? Wofür?

WARBUCKS Eine interessante Frau, um sie vielleicht... MRS. DOYLE ...zu heiraten? Kelly? Sind Sie verrückt geworden? Diese Frau ist ein schlecht bezahlter Niemand aus Hell’s Kitchen. Sie hat keine vernünftige Herkunft, keine Erziehung, keine Bildung...

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WARBUCKS Genau wie meine Mutter. Sie war auch ‘Niemand‘ aus Hell’s Kitchen und die beste Mutter, die sich Kind nur wünschen konnte. Madame, Sie wollten, dass ich mit all diesen Frauen ausgehe, die Sie ausgegraben haben. Gut, das habe ich gemacht. Ich habe versucht offen zu sein. Aber ich werde Mrs. Kelly auf jeden Fall wiedersehen – Ende der Diskussion. Und ich will ihren Namen auf der genehmigten Liste, Punkt! MRS. DOYLE (nachdem sie IHN eine Weile angestarrt hat, mit großem Widerwillen) Also gut...also gut, Warbucks, ganz wie Sie wollen.

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WARBUCKS Ganz genau.

(MRS. KELLY kommt zurück)

MRS. KELLY Es tut mir so leid, Ma‘m. So etwas habe ich wirklich noch nie gemacht. WARBUCKS Es ist schon in Ordnung, Mrs. Kelly. Bitte setzen Sie sich. MRS. KELLY (setzt sich) Ja, vielen Dank.

WARBUCKS Mrs. Kelly, ich habe mir gedacht...vielleicht könnten wir zwei in Kürze einmal gemeinsam zu Abend essen, um uns etwas besser kennenzulernen. MRS. KELLY (unsicher) Mit mir? Oh, ja...gerne, Mr. Warbucks. Ich würde wirklich… WARBUCKS Oliver. Nennen Sie mich Oliver. Mrs. KELLY Oliver. Und ich bin Sheila.

IC

MRS DOYLE (erbost, SIE setzt sich) Um Himmels willen. (MRS. CLARK eilt herein)

N

MISS CLARK Entschuldigen Sie, da ist ein dringender Anruf für Mr. Warbucks. Aus London – England. MRS. DOYLE Wenn es ein R-Gespräch ist, übernehmen wir nicht die Kosten. (MISS CLARK geht ab)

WARBUCKS (während er zum Telefon geht) Es ist kein R-Gespräch. (ins Telefon) Hallo, hier spricht Oliver Warbucks... Was? ... wirklich? Die Vorzugsaktien auch? Großer Gott, das könnte eine Panik auslösen... In Ordnung, ich melde mich in einer Stunde wieder bei ihnen. Auf Wiederhören. (ER legt auf) Ich muss sofort wieder ins Büro. Auf Wiedersehen, Mrs. Kelly.

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MRS. KELLY Sheila. WARBUCKS Sheila. Ich melde mich wegen unseres Essens. Auf Wiedersehen. (WARBUCKS eilt hinaus, während MISS CLARK mit einem Blatt Papier hereinkommt.)

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MISS CLARK Frau Oberinspektorin, haben Sie das schon gelesen?

MISS DOYLE Raus hier! Kelly bekommt ihre Entlassungspapiere, also bleiben Sie draußen... (MISS CLARK zieht sich aufgeregt zurück, MRS. DOYLE ins off...)

...das gilt für Sie alle, außer natürlich, Sie wollen auch gefeuert werden! (MRS. KELLY heftig heranwinkend) Sie! Herkommen!

MRS. KELLY Also gut, Frau Oberinspektorin, wie lautet das Urteil? MRS. DOYLE Sie waren...perfekt.

MRS. KELLY War ich? Oh, danke, Mama.

MRS. DOYLE Ah, meine Kleine, mein kleines Mädchen... (die MUSIKVAMP beginnt leise)

IC

10. Über dem Gesetz (Reprise) Florence...Florence...Florence...

N

(das Telefon auf dem Schreibtisch klingelt. MRS. DOYLE nimmt ab...)

Ja? Ja, ja, er ist gerade weg. Er ist drauf angesprungen. Wir kriegen das hin. Wir drei, wir werden uns Warbucks Mäuse und Moneten schnappen. Ja, ja, ... alles klar...bis später. (SIE legt auf) MRS. KELLY (genießt den Gedanken) Jaaa. (hat dann doch Bedenken – SIE singt) DOCH GEFÄHRLICH BLEIBT ES, ER IST SCHLAU MRS. DOYLE (gesprochen) Wir sind schlauer.

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MRS. KELLY (singt) ICH GEH BESTIMMT NICHT WIEDER IN DEN BAU! MRS. DOYLE (spricht über die Musik) Ach, damals. Du warst jung, hast es vermasselt und du hast den Preis bezahlt.

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MRS. KELLY Acht beschissene Jahre. Wenn der alte Knacker sofort hops gegangen wäre, wäre ich damit durchgekommen. Ich hätte einfach mehr Arsen nehmen müssen. MRS.DOYLE Ach, Flo, das war damals und heute ist heute... (SIE singt) DU HAST WARBUCKS IN DEINEM LIEBESNETZ. MRS. KELLY DU WARST TOLL, BEIM BELÜGEN-

MRS. DOYLE DU WARST TOLL, BEIM BETRÜGEN-

MRS. DOYLE & MRS. KELLY ACH, DAS WIRD EIN VERGNÜGEN WIR ZWEI STEHN ÜBER DEM GESETZ! ÜBER DEM GESETZ! ÜBER DEM GESETZ!

(MRS. DOYLE und MRS. KELLY verschwinden, während sich die Szenerie verwandelt.)

IC

10A. Szenenwechsel zu Warbucks‘ Haus

8. SZENE

N

(die Eingangshalle von Warbucks Haus. Etwa eine Stunde später am selben Tag. Donnerstag. Zu Beginn der Szene ist DRAKE auf der Bühne. WARBUCKS kommt mit einem Aktenkoffer herein. Ihm folgt SIMON.) WARBUCKS (beim Reinkommen) Drake! DRAKE Sir?

(ANNIE tritt ein und hört zu) WARBUCKS Packen Sie bitte meinen Koffer. Ich muss sofort nach London.

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ANNIE London? DRAKE Jawohl, Sir. (ER geht ab) WARBUCKS Simon, ruf Teterboro an und sag Captain Curtis, er soll meine Maschine für einen Transatlantikflug auftanken.

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SIMON Alles klar, Oliver.

(ER geht ab und MRS. PUGH tritt auf)

MRS. PUGH Mr. Warbucks, die Kinder sind jetzt hier – für den Flug.

(die WAISEN kommen lautstark von hinten hereingerannt, gerade als MRS. PUGH abgeht)

WAISEN (durcheinander) Wir fliegen! Wir wollen fliegen, Mr Warbucks. Hi, Mr. Warbucks. Sie nehmen uns in ihrem Flugzeug mit, Mr. Warbucks…. WARBUCKS Es tut mir leid, meine Damen, aber ich muss nach London. Wir müssen unseren Vergnügungsflug leider verschieben. (ANNIE und die übrigen WAISEN reagieren enttäuscht – mit einem großen gemeinsamen Seufzer) ANNIE Papa, wie wäre es, wenn wir alle nach London mitkommen? PEACHES Jaaaa!

WARBUCKS Oh, nein, das tut mir leid, aber ich habe dort zu tun.

IC

ANNIE & WAISEN (seufzend) Ohhh...

N

WARBUCKS Meetings, den ganzen Tag, jeden Tag... und Abendessenmeetings jeden Abend. Und keiner von den anderen bringt kleine Mädchen mit. Einige bringen vielleicht große Mädchen mit, aber das ist eine andere Geschichte. GRACE (eilt herein) Ich habe es gerade gehört, Sir. Wie schlimm ist es?

WARBUCKS Ich muss mir einen großen Kredit bei der Bank von England besorgen, und zwar augenblicklich. Ansonsten können wir alles verlieren, dieses Anwesen, - alles. GRACE Oh, Mr. Warbucks.

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WARBUCKS Grace, rufen Sie bitte Oberinspektorin Doyle an, und sagen Sie ihr, sie soll alle Verabredungen für die nächsten Tage canceln, die sie für mich gemacht hat. GRACE Ja, Sir. (SIE geht los) WARBUCKS (vorsichtig) Und Grace...

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GRACE (stoppt und dreht sich zu WARBUCKS) Ja, Sir?

WARBUCKS Sie können ihr auch sagen, dass sie keine neuen ‘Dates‘ für mich organisieren muss. Ich... äh, ... ich werde eine der Damen, die ich schon getroffen habe, heiraten. GRACE (versucht ihren Schock nicht zu zeigen) Sicher, Mr. Warbucks? ANNIE Sicher?

WARBUCKS Sicher.

GRACE Ich rufe sie an. (GRACE geht ab)

WARBUCKS (durchsucht seine Taschen nach seiner Lesebrille) Annie, läufst du bitte mal in mein Büro und guckst, ob meine Lesebrille auf dem Schreibtisch liegt? ANNIE Aber klar, Papa.

(zu den WAISEN) Na los, kommt.

IC

(während ANNIE mit den WAISEN verschwindet, kommt SIMON mit weiteren Geschäftspapieren herein)

N

SIMON Ihre Maschine ist in fünfundvierzig Minuten startklar. WARBUCKS Gut.

SIMON Hier sind die Zahlen für den Vorstand.

WARBUCKS Zeigen Sie mal her. Sonst noch irgendwas? SIMON (holt ein offiziell aussehendes Dokument hervor. ANNIE und die WAISEN kommen mit der Lesebrille zurück. SIE stoppt und hört das Folgende) Hier. Sie haben weniger als einen Monat und Sie sollten die Heiratsvereinbarung wirklich unterzeichnen bevor Sie abfliegen. Dann kann ich direkt alles veranlassen, sobald Sie...

49


WARBUCKS (geht noch durch die Papiere und bemerkt nicht, dass ANNIE ihn hören kann) Was zum Teufel mache ich hier? In meinem Alter, kurz vorm finanziellen Ruin, und plötzlich mit Frau und Kind? Das ist wirklich das Letzte, was ich brauche. (ER unterschreibt die Vereinbarung und reicht sie SIMON) Da – sie ist unterschrieben.

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(ANNIES Augen haben sich vor Traurigkeit geweitet; WARBUCKS merkt nun, dass SIE und die WAISEN da sind. Er ruft ins Off) Fletcher!

FLETCHER (erscheint augenblicklich) Sir!

WARBUCKS Den Dusenberg bitte zum Haupteingang. FLETCHER Jawohl, Sir!

(FLETCHER geht ab und GRACE tritt auf)

GRACE Ich habe mit Oberinspektorin Doyle gesprochen, Sir. Sie ist nun auf dem Weg hierher. Und sie ist äußerst wütend. WARBUCKS Wann ist sie das nicht?

(DRAKE kommt mit Warbucks Koffer und Mantel herein) ANNIE Deine Brille, Papa.

WARBUCKS (nimmt die Brille) Danke, mein Liebes.

IC

DRAKE hilft Warbucks in den Mantel)

N

Danke, Drake.

(ER sieht ANNIE an und es fällt ihm wieder ein, dass er heiraten muss. ER dreht sich zu GRACE) Grace.

GRACE Ja, Sir?

WARBUCKS Ich habe gedacht, ähm... da ich ja heiraten werde sollten wir die Wohnräume umdekorieren. Vielleicht etwas... äh... femininer. GRACE (sehr kühl) Sehr gern, Sir. Vielleicht sollte ich den Elchkopf über ihrem Bett abnehmen.

50


WARBUCKS Oh ja, gut, sehr gut. GRACE (leicht sarkastisch, was WARBUCKS nicht mitbekommt) Und stattdessen eine rosa Pünktchengardine aufhängen. WARBUCKS (etwas unwohl) Was auch immer. Vielleicht fragen Sie Mrs. Kelly, ob sie Pünktchen mag.

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GRACE (sehr leise, fast zu sich selbst) Mrs. Kelly?

ANNIE (ebenfalls sehr leise, ohne Atem) Mrs. Kelly? SIMON (ebenfalls sehr leise) Mrs. Kelly?

WARBUCKS Also, Grace, ich habe keine Ahnung vom Dekorieren, speziell für eine Ehefrau. (ER ruft)

Fletcher!

FLETCHER Sir!

(während Fletcher hereinkommt, nimmt WARBUCKS DRAKE den Koffer ab und gibt ihn FLETCHER) WARBUCKS Hier.

(FLETCHER geht mit dem Koffer ab)

Egal, Sie sind hier diejenige mit dem guten Geschmack.

IC

GRACE Vielen Dank, Mr. Warbucks.

N

WARBUCKS Gern geschehen.

(die WAISEN kommen herein. Ein TELEFON klingelt und Simon hebt ab) SIMON (ins Telefon) Ja? (zu WARBUCKS)

Oliver, London ist wieder dran. WARBUCKS Und was? Na gut, ich nehme es in meinem Büro entgegen. Keine Störung, von niemandem. Kommen Sie, Simon. (WARBUCKS und SIMON ab)

51


DRAKE (zu GRACE) Darf ich Ihnen beim ‘Umdekorieren‘ zur Seite stehen? GRACE Danke, Drake. Aber ich werde nichts für Mr. Warbucks umdekorieren, da ich im Weißen Haus für Präsident Roosevelt arbeiten werde. ANNIE Im Weißen Haus!

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GRACE (zu SICH, genauso wie zu ANNIE und DRAKE, während sie ihre Sachen zusammenpackt) Ich muss hier raus, augenblicklich. Ich gehe nach Hause, packe, dann kriege ich noch den Nachtzug nach Washington. ANNIE Nein, Miss Farrell, Sie können nicht weggehen. GRACE Annie, ich...

ANNIE Sie gehen wegen mir weg, stimmt’s?

(DRAKE zieht sich zurück, da er merkt, dass dieser Moment zwischen ANNIE und GRACE privat ist)

GRACE Aber nein, mein Liebling, natürlich nicht. Annie, manchmal muss man einfach sein Zeug zusammenpacken und weggehen, sogar von Menschen, die einem viel bedeuten. Wenn du in einem anderen Leben nicht wirklich gewollt bist, dann musst du dein eigenes Leben in Angriff nehmen. (SIE umarmt ANNIE)

Du besuchst mich in Washington, Annie, aber für jetzt heißt es... Auf Wiedersehen. (GRACE rennt ab, nach einem kurzen Augenblick läuft DRAKE hinter ihr her) DRAKE Miss Farrell! Miss Farrell!

IC

ANNIE (beginnt auch abzugehen) Ich muss Papa....

N

(MRS. DOYLE wird von MRS. Pugh hereingebracht) MRS. PUGH (kündigt sie an) Oberinspektorin Doyle...

MRS. DOYLE (unterbricht MRS PUGH, zu ANNIE) Du, wo ist dein Vater? Er kann nicht einfach nach England...

ANNIE (eilig) Mrs. Doyle, wenn mein Vater seine Meinung ändert, dann können Sie doch auch Ihre ändern, und dann kann er Mrs. Farrell heiraten. MRS. DOYLE Hör mir mal zu, Kleine. Eine von den Frauen, die ich abgesegnet habe, wird er heiraten.

52


ANNIE (heftig) Aber er braucht niemanden außer mir und Mrs. Farrell. Wir kochen nämlich sogar für ihn! (beginnt ruhig und steigert sich...) Und am liebsten isst er ein gegrilltes amerikanisches Käsesandwich... und sie hat mir beigebracht, es genauso zu machen, wie er es mag...ganz dunkel getoastet, aber nicht angebrannt, und mit Käse, es müssen Schmelzkäsescheibletten sein, geschmolzen, aber nicht zu flüssig.

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(jetzt schreit SIE fast...)

Und wir sind die Einzigen, die genau wissen, wie es geht... (ruhiger)

...die Einzigen... (lauter...)

...und es muss geschnittenes Weißbrot sein.

MRS. DOYLE Gibt es irgendeine Pointe bei dieser rührenden Sandwich Geschichte?

ANNIE (nach einer kleinen Weile, trocken) Lassen Sie uns in Ruhe, Mrs. Doyle. Lassen Sie Mr. Warbucks und mich einfach in Ruhe. MRS. DOYLE Jetzt hörst du mir mal zu, meine Kleine.

11. Ich hab mich

(MRS. DOYLE) Er wird jemanden heiraten, die nicht Mrs. Farrell ist, oder du kommst wieder ins Waisenhaus. Für den Rest deines Lebens. Kapiert?

IC

(geht ab um WARBUCKS zu suchen)

Wo ist denn bloß dein Vater? Warbucks! Warbucks!

N

ANNIE Okay. Das reicht jetzt. Ich lauf weg. WAISEN Warum?

ANNIE Weil, seit ich hier bin habe ich alles kaputt gemacht, für jeden. Mr. Warbucks, Mrs. Farrell, jeden – das ist alles meine Schuld. Na ja, und ihr habt ihn ja gehört, mein Vater will mich gar nicht wirklich. Ich bin das Letzte, was er braucht. MOLLY Wo willst du denn hin? ANNIE Keine Ahnung. Nach Westen.

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WAISEN Wow. ANNIE (Underscore ‘ICH HAB MICH‘ beginnt) Vielleicht fahre ich auf einem Güterzug mit, wie die Landstreicher. WAISEN Wow.

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ANNIE (singt) WEISS NICHT WO ICH HINGEH FINDE ICH MEIN GLÜCK? DIES HIER, WO ICH GLÜCKLICH WAR, LASS ICH NUN ZURÜCK— „PACK MEIN ZEUG ZUSAMMEN“ ANNIE & WAISEN WIE MRS. FARRELL SAGT. ANNIE

MORGEN IST BESTIMMT EIN NEUER TAG. GEHEN IST BESSER ALS BLEIBEN UND TRAURIG ZU SEIN. BLEIBEN HEISST SCHMERZEN

WAISEN UND SCHMERZEN HEISST WEINEN ANNIE

UND EINS WEISS ICH SICHER ICH SAGS EUCH, ICH WILL NICHT MEHR WAS WIRD MORGEN SEIN?

WEIN’N!

ANNIE & WAISEN NUN, DAS WEISS ICH NICHT – HAB NICHT VIEL, DOCH ICH HAB MICH.

IC

ANNIE

N

WAISEN KÖNNTE SEIN, DU FINDST ‘NEN KOFFER GANZ VOLL LECKEREI’N. ANNIE

KÖNNTE AUCH SEIN, ICH LEB ARM AUF DER STRASSE, DOCH ANGST HAB ICH KEINE, BLEIB ICH AUCH FÜR IMMER ALLEIN! WAS WIRD MORGEN SEIN?

WAISEN (WAS WIRD MORGEN SEIN?) ANNIE

NUN, DAS WEISS ICH NICHT –

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WAISEN (NUN, DAS WEISST DU NICHT –) ANNIE

HAB NICHT VIEL, DOCH ICH HAB MICH. DRAUSSEN GANZ ALLEIN,--

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WAISEN (DRAUSSEN GANZ ALLEIN,--) ANNIE

BIN ICH DENN ALLEIN?

WAISEN (BIST DU DENN ALLEIN?) ANNIE

HAB NICHT VIEL, DOCH ICH HAB MICH.

(SIE schnappt sich MOLLY und drückt sie fest, während die Musik sanft weiterspielt) Tschüss, Molly.

MOLLY Tschüss, Annie.

ANNIE Sagt niemandem, dass ich weggelaufen bin, ok? WAISEN OK.

ANNIE Schwört ihr’s?

IC

WAISEN Wir schwören!

N

ANNIE Hand aufs Herz, beim Grab meiner Mutter – sonst fällt das Brötchen auf die Butter. WAISEN Hand aufs Herz, beim Grab meiner Mutter – sonst fällt das Brötchen auf die Butter. ANNIE Ich muss Sandy holen.

(SIE rennt ab. MRS. DOYLE erscheint, gefolgt von MRS. PUGH. Die MUSIK ändert sich wieder zum HERZSCHLAG aus dem OECHESTER) MRS. PUGH Es tut mir sehr leid, Madame, er darf so lange nicht gestört werden, bis... PEPPER Mrs. Pugh, ham Sie schon gehört?

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MRS. PUGH Was denn, Liebes? PEPPER Annie ist abgehauen. MRS. DOYLE Was?!

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TESSIE Du kleine Ratte. Pepper, du hast geschworen! Jetzt fällt das Brötchen auf die Butter! MRS. DOYLE Annie ist abgehauen? Seid ihr kleinen Mistkäfer sicher? WAISEN Ja.

MRS. PUGH Oh, mein Gott. Ich muss es Mr. Warbucks sagen! (MRS. Pugh geht ab)

PEPPER Jetzt muss das alte Dinosaurier-Ei nicht mehr heiraten. MRS. DOYLE Oh doch, das wird er, du dummes, kleines... TESSIE Jetzt, wo er Annie nicht mehr hat.

MRS. DOYLE (zu sich, als sie bemerkt, dass Tessie recht hat) Jetzt, wo er Annie nicht mehr hat. (WARBUCKS stürmt, gefolgt von MRS. PUGH, herein)

IC

WARBUCKS Was, zur Hölle, geht hier vor?

N

MRS. DOYLE Viel. Warten Sie, bis Sie gehört haben, was diese kleinen Schnuckis mir gerade erzählt haben. WARBUCKS Hä? Was? Was ist los, meine Damen? TESSIE Annie ist weggelaufen. WARBUCKS Was?

MRS. DOYLE (macht TESSIE nach) Annie ist weggelaufen. WARBUCKS Was redest du da? Das kann nicht sein.

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PEACHES Das kann es doch. Und der Grund ist, dass sie alles für alle kaputtgemacht hat. TESSIE Miss Farrell hat gekündigt... PEPPER ...und geht jetzt nach Washington.

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WARBUCKS Grace hat gekündigt? Soll das ein Scherz sein? TESSIE Nö. Die Wahrheit.

WARBUCKS Ok, Kinder, sagt mir, und sagt es mir schnell, wo ist Annie hingegangen? MRS. DOYLE Antwortet ihm! Das ist wichtig! Sagt’s ihm! Sofort!

(MRS. DOYLE nähert sich drohend den WAISEN, die sich ängstlich zurückziehen, so dass nur MOLLY allein vor ihr steht) Wo ist Annie hingegangen? MOLLY Ich weiß es nicht.

MRS. DOYLE (zu MOLLY) Doch, du weißt es! Du kleine Lügnerin, sag mir sofort, wo Annie hingegangen ist. MOLLY Ich bin keine kleine Lügnerin! MRS. DOYLE (zornig) Sag’s mir!

N

IC

MOLLY (trotzig) Afrika! (MRS. DOYLE packt MOLLY und schüttelt sie. WARBUCKS nimmt MOLLY zur Seite und stellt sie sanft auf den Schreibtisch) WARBUCKS (zu MOLLY) Sag es mir.

MOLLY Sie hat gesagt, sie geht ‘nach Westen‘. (SIMON kommt herein)

SIMON Oliver, wenn Sie es vor Einbruch der Dunkelheit bis Grönland schaffen wollen, dann... WARBUCKS Rufen Sie London an und sagen Sie, dass ich nicht komme... Und rufen Sie Teterboro an... die sollen meinen Flug streichen.

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SIMON Was ist mit dem Kredit? WARBUCKS Mrs. Pugh, Drake... MRS. PUGH & DRAKE Ja, Sir?

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WARBUCKS Passen Sie bitte auf die Kinder auf. MRS. PUGH (sanft) Meine Damen.

(SIE bringen die WAISEN nach draußen)

WARBUCKS (ruhig) Simon, Annie ist weggelaufen. Rufen Sie die Polizei an. (SIMON geht ab)

Frau Oberinspektorin.

(MRS. DOYLE schaut WARBUCKS kurz an und geht dann ebenfalls. WARBUCKS sitzt an seinen Schreibtisch, zusammengesackt, verloren und bestürzt. Nach einer Weile, wie auch immer, schafft er es sich zusammenzureißen und nimmt das Telefon ab. In den Hörer: ) Vermittlung, hier spricht Oliver Warbucks. Geben Sie mir Washington, D.C., das Weiße Haus!

(Während als Underscore die MUSIK von ‘Ich hab mich‘ beginnt, dimmen die Lichter runter und die Szene verwandelt sich zu...)

9. SZENE

N

IC

(wenn das Licht angeht, während die MUSIK weiterläuft, sehen wir das Zug Depot der Pennsylvania Railroad Eisenbahngesellschaft auf der Westseite von Manhattan. Es ist später am selben Tag. Nacht. Wir sehen einen Güterzug mit einem offenen Waggon. Wir sehen Blaulicht flackern, rot und weiß und hören das Geräusch von Zugpfeifen und einem vorbeifahrendem Güterzug. Ein BAHNANGESTELLTER erscheint im offenen Waggon und schwenkt eine rote Laterne) BAHNANGESTELLTER (ruft ins Off) Ok, Charlie, los geht’s. Bring ihn raus, bring ihn raus.

(ER geht ab und ANNIE erscheint mit Sandy. SIE steigt über die Schienen zum Wagon. SIE trägt wieder ihre alten Waisenhaus Klamotten, Pullover, Schuhe, alles. Zwei LANDSTREICHER klettern an Bord, als sich der Zug ‘in Bewegung setzt‘. ANNIE ruft zu den BEIDEN: )

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ANNIE Mister! Mister! Hey, Mister! (ein LANDSTREICHER hilft ANNIE und SANDY in den Waggon, während die MUSIK von ‘ICH HAB MICH‘ {Reprise} weiterläuft) Danke, Mister,... (SIE sitzt, angeschmiegt an SANDY in der offenen Tür des Waggons. Sie singt)

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KÖNNTE SEIN, ICH FIND ‘NEN KOFFER GANZ VOLL LECKEREI’N. KÖNNTE AUCH SEIN, ICH LEB ARM AUF DER STRASSE, DOCH ANGST HAB ICH KEINE, BLEIB ICH AUCH FÜR IMMER ALLEIN! WAS WIRD MORGEN SEIN? NUN, DAS WEISS ICH NICHT – HAB NICHT VIEL, DOCH ICH HAB MICH.

(ANNIE rückt noch näher an SANDY und umarmt ihn. Als ihr Trotz sich in Zweifel und Furcht verwandelt, singt SIE leise weiter) DRAUSSEN GANZ ALLEIN BIN ICH DENN ALLEIN?

(SIE überwindet ihre Ängste und singt laut und tapfer, furchtlos) HAB NICHT VIEL, DOCH ICH HAB MICH.

N

IC

PAUSE

59


2. AKT

10 SZENE

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13A. Tennessee (US)3 (Die Projektion ‘Sechs Wochen später‘ erscheint auf dem Vorhang. Die MUSIK beginnt, wenn sich der Vorhang öffnet und wir im schattigen Dämmerlicht den Vorgarten des Häuschens eines Farmpächters aus Tennessee sehen. Wir sehen einen verwitterten Gartenzaun mit einem Briefkasten davor und einigen Kisten und Jutesäcken davor und dahinter. Hier wohnen ALVIN, ELLA UND C.G. PATERSON. Wenn die Szene beginnt, sehen wir ANNIE auf einer der Kisten sitzen. Gekleidet in ihren schmuddeligen Sachen, mit einem Kopftuch auf dem Kopf, verschlingt sie hungrig etwas aus einer Schüssel. MRS. PATERSON – ELLA steht mit ihrer zehnjährigen Tochter C.G. daneben.) ELLA Du fährst im Güterzug mit? Mäuschen, das ist ziemlich gefährlich. ANNIE (während SIE isst) Kann sein. ELLA Iss. Iss alles auf.

ANNIE Danke, Ma’am. Wie ich dem Mann ja schon gesagt habe... ELLA Meinem Ehemann, Alvin.

ANNIE Fünf Bahnpolizisten waren hinter mir her und dann bin ich den Fluss entlanggelaufen, bis ich hierhergekommen bin.

IC

ELLA Da hast du Glück gehabt, Mäuschen, dass wir zuhause waren.

N

C.G. Mama, wir sind immer zuhause. (ALVIN tritt auf)

ALVIN (beim Reinkommen) Alles in Ordnung. Ich habe den Bahnpolizisten gesagt, dass hier niemand vorbeigekommen ist, und da sind sie wieder zurück zum Zug. Jetzt bist du sicher, Mäuschen. ANNIE Vielen Dank, Sie haben mein Leben gerettet.

(SIE ‘enthüllt‘ SANDY, der mit Mäntelchen und Kopftuch ‘verkleidet‘ war) Und seins auch.

3

Bitte beachten: Es gibt keine Nr. 12

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ALVIN Ich vermute ma, du hast nichts angestellt, wofür man dich einsperren sollte, stimmt‘s? ANNIE Außer, dass ich in den letzten Wochen in einigen Güterzügen mitgefahren bin und in ein paar Landstreichercamps übernachtet habe. Ich bin aus New York City weggelaufen... (SIE zeigt nach vorne) ...und bin auf dem Weg nach Westen.

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ALVIN Ist das so?

ELLA (zeigt auch nach vorne) Wenn du weiter nach ‘Westen‘ gehst, dann landest du bald in Miami Beach. Das hier ist Tennessee. ANNIE Oh, dann sollten wir besser in dies Richtung gehen und versuchen...

ALVIN Nein, nein, mein Kind. Sie schnappen dich, sobald es hell wird. Du bleibst hier bei uns, für ein paar Tage. Wir päppeln dich auf – wir haben zwar nicht so viel, aber... ANNIE Also...

ELLA Sei still, mein Kind, du bleibst. Ist dein Hund auch hungrig? ANNIE Er ist immer hungrig.

ELLA Bring ihn in den Hof, da liegen noch ein paar alte Schinkenknochen. ANNIE (schickt SANDY ins OFF) Vielen Dank, Ma’am.

IC

ELLA Sehr gerne, Mäuschen. Christine Grace, hör auf, an deinen Zehen rumzuspielen. Und nochmal zu dir. Wenn du hierbleibst, müssen wir eine Sache von dir wissen.

N

ANNIE Was?

ELLA Deinen Namen.

ANNIE (denkt einen kleinen Moment nach) Ruby Keeler. ELLA Ruby Keeler also?

(Eine Taschenlampe blitz aus dem Off hinten links auf) ALVIN Uh-oh, da kommt jemand! (ER versteckt ANNIE schnell hinter sich. MR. STANLEY tritt auf)

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MR. STANLEY Alvin? Alvin Paterson, bist du zuhause? ALVIN Ja, Sir, Mr. Stanley. Ich bin hier. MR. STANLEY N’Abend.

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ALVIN N’Abend.

MR. STANLEY (zu ELLA und C.G.) N’Abend, Leute. ELLA & C.G. N’Abend, Mr. Stanley.

Mr. STANLEY Einer meiner Helfer ist abgehauen und hat sich volllaufen lassen. Also brauche ich morgen bei der Mühle jemanden für die Frühschicht. Hast du Zeit? ALVIN Ja, Sir.

MR. STANLEY Zwölf Stunden Arbeit, fünf Cent die Stunde. Du bist pünktlich morgens um sechs da. ALVIN Ja, Sir. Ich bin da.

MR. STANLEY Gut. Und jetzt sag mir, wen du hinter deinem Rücken versteckst.

ALVIN Ohhh, äh..., das ist die Tochter meiner Schwester, Bessie. Sie besucht uns – wegen der Wiedereröffnung der Kirche.

IC

ANNIE A-men!

N

ALVIN Am Sonntag, den ganzen Tag. Ich bin der Prediger und deshalb predige ich.

ELLA Yup. Und dann verheiratet er meine Kusine Cora mit Eugene Jones. Sie erinnern sich an die kleine, dürre Cora, nicht wahr? Aber, wir haben sie fett gekriegt, Mr. Stanley, und jetzt ist sie... MR. STANLEY (nicht interessiert, wie ELLA gehofft hatte) Alles klar. N’Abend, Leute.

ALVIN, ELLA, C.G. & ANNIE (während MR. STANLEY abgeht) N’Abend, Mr. Stanley. C.G. Papa, du hast Arbeit.

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ALVIN Gelobt sei der Herr. Lasst mal sehen... Zwölf Stunden, fünf Cent in der Stunde, das macht... C.G. Sechzig Cent! ALVIN Sechzig Cent!

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ANNIE Die bezahlen Ihnen nur sechzig Cent?

ALVIN Und ich bin froh darüber, Ruby. Es ging uns hier auf der kleinen Farm mal recht gut, aber diese Zeiten sind vorbei. Wir können hier überhaupt nix mehr anbauen. ELLA Überhaupt nix.

ANNIE Überhaupt nichts? Warum nicht?

ALVIN (zeigt in eine Richtung und runter) Wegen dem verdammten Fluss da unten.

ELLA Wenn man diese verfluchte Ding wenigstens Fluss nennen könnte – zu dieser Jahreszeit. Fluss? Das ist ein Ocean! ALVIN Diese Springfluten, Ruby, die spülen alles weg – bis Kentucky – erst schwimmt ein Hühnerstall vorbei, dann ein Kühlschrank... alles. ANNIE Wow.

IC

ELLA Und dann, in jedem Sommer trocknet der alte Fluss aus, so dass man sich nicht mal mehr die Füße nass machen kann.

N

ALVIN Und deshalb gehe ich morgen früh um sechs arbeiten. Ich sollte besser ins Bett gehen. ELLA Gute Nacht, Alvin.

ALVIN Gute Nacht, meine Zuckerschnute.

(SIE küssen sich lang und leidenschaftlich) C.G. (peinlich berührt) Oh, Mama, Papa; nicht vor - Ruby Keeler.

ALVIN Es ist nix verkehrt daran, wenn ein Mann seine Frau küsst.

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ELLA ...oder eine Frau ihren Mann. (C.G. streckt ihren Hals, um einen Kuss auf die Stirn zu bekommen) ALVIN (küsst SIE auf den Kopf) Nacht, C.G.

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ANNIE Und was ist mir?

ALVIN (küsst ANNIE auf den Kopf) Nacht, Ruby. ANNIE Gute Nacht.

(ALVIN geht ins Häuschen)

ELLA Also gut, Ruby, schwing deinen kleinen Hintern hier rüber, damit ich dir dein schmutziges Gesicht waschen kann. ANNIE Ja, Mrs. Paterson.

ELLA C. G., hol ma die Waschschüssel. Also, Ruby, warum bist du weggelaufen?

ANNIE Mein Vater, der wollte heiraten, wissen Sie, und dann hätte ich eine Mutter gekriegt. C.G. Und deshalb bist du weggelaufen? Seid ihr alle so bekloppt in New York?

ANNIE Nein, und ein anderer Grund ist, dass er mich gar nicht bei sich haben wollte. Ich habe gehört, wie er das gesagt hat.

N

IC

ELLA Ist das so? Kindchen, du hast keine Ahnung, wie oft ich Grace schon angeschrien habe, dass sie bloß verschwinden soll und mich in Ruhe lassen soll. Aber wenn sie dass jemals gemacht hätte, weglaufen – Mädchen, du würdest mein Heulen bis nach Chattanooga hören! ANNIE Ich wollte mit meinem Weglaufen meinen Vater nur glücklich machen.

ELLA Super Idee, Ruby. Sein kleines Mädchen ist auf Nimmerwiedersehen verschwunden; ich wette, du hast ihn sehr glücklich gemacht. Ich sehe richtig vor mir, wie er jede Nacht n Feuerwerk macht, weil er so verdammt fröhlich ist.

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14. Liebe ANNIE Aber wenn mein Papa verheiratet ist, dann braucht er mich doch nicht mehr. Dann hat er ja sie. ELLA Braucht dich nicht mehr? Mäuschen, du hast wohl dein kleines Hirn im Güterzug verloren. Weißt du gar nix von Papas? Sie haben so viel Liebe in sich – dat reicht locker für ne Frau und ne kleine Tochter.

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C.G. Wie bei Papa?

ELLA Genau wie bei Papa. Und ich bin ganz sicher, dein Papa ist genauso. Er liebt dich, stimmts?

ANNIE Ich glaube schon. Ich meine, er hat das nie so richtig gesagt, aber er hat mir einen Stoffpanda geschenkt, und Schlittschuhe, und ein Fahrrad... ELLA Schlittschuhe? Ein Fahrrad? Dinge. Das sind bloß Dinge. Ruby... (SIE singt) LIEBE, DIE KANN MAN DOCH NICHT SEHEN, WIE BÄUME UND KAKTEEN LIEBE, SIE SIEHT VERSCHIEDEN AUS, WOHNT IN FAST JEDEM HAUS LIEBE SCHMECKT GANZ SÜSS, UND SIE KOMMT GANZ LEIS TIEF IM BÄUCHLEIN SPÜRST DU SIE KALT UND HEISS. SIE REIBT DEINE ZEH’N, UND SIE KÄMMT DEIN HAAR SIE GEHT NIE VORBEI-NIEMALS MEHR VORBEI-IST SIE EINMAL DA!

N

IC

LIEBE, SIE BRINGT DICH AUCH ZUM WEIN’N, DOCH TROCKNEN ÄUGELEIN, WENN DU DICH WEHRST GEGEN DEN SCHMERZ UND DANN ÖFFNEST DU DEIN HERZ FÜR LIEBE ALLEIN.

C.G. (MUSIK als Underscore weiter) Weißt du was, Ruby! Mama und Papa bringen mich jede Nacht zu Bett und geben mir einen GuteNacht-Kuss. ELLA Ja, das machen wir.

C.G. Das ist so schön, das fühlt sich manchmal wie Tanzen an.

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ELLA Weißt du, Ruby, es gibt auf der ganzen weiten Welt nur eine Sache, von der man nie genug haben kann... (SIE singt) SIE GEHT NIE VORBEI-NIEMALS MEHR VORBEI-IST SIE EINMAL DA!

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LIEBE, SIE BRINGT DICH AUCH ZUM WEIN’N, DOCH TROCKNEN ÄUGELEIN, WENN DU DICH WEHRST GEGEN DEN SCHMERZ UND DANN ÖFFNEST DU DEIN HERZ FÜR LIEBE ALLEIN!

(Am Ende der Nummer verliert ANNIE die Fassung, rennt zu ELLA und wirft sich weinend in ihre Arme. SIE wiegt ANNIE sanft.)

Weißt du, was du machen solltest, meine Kleine? Du solltest nach Hause gehen, zu deinem Papa, nach New York City... Christine Grace, hör jetzt endlich auf an deinen Zehen rumzuspielen! Du gehst nach Hause zu deinem Papa, er heiratet und du bekommst eine sehr nette Mama. ANNIE Die mir dann auch einen Gute-Nacht-Kuss gibt... (SIE holt tief Luft und fällt eine Entscheidung) Also gut. Ich gehe zurück. ELLA So ist das richtig, Mädchen.

ANNIE Aber ihr müsst mich zurückbringen, damit ihr die die Belohnung kriegt. C.G. Belohnung? Was für ‘ne Belohnung?

ANNIE Ich hab gelogen. Mein Name ist nicht Ruby Kessler.

IC

ELLA Natürlich nicht. Ruby Kessler ist ein berühmter Filmstar.

N

C.G. Und wie heißt du wirklich? ANNIE Ich heiße... Annie.

C.G. Hmm... ich find Ruby besser.

ANNIE (holt tief Luft und dann raus damit: ) Annie Warbucks. ELLA Annie Warbucks. (plötzlich erkennt sie: ) Annie Warbucks! Oh mein Gott, das ganze Land sucht nach dir. Seit Wochen! Und es gibt eine große Belohnung, für den, der dich findet. Einhundert Dollar, haben sie im Radio gesagt, glaube ich.

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C.G. Wow, dann sind wir reich! Wir werden verdammt reich. ELLA Im Radio ha‘m sie auch gesagt, dass dein Papa in Washington beim Präsidenten ist. ANNIE Könnt ihr mich vielleicht da hinbringen?

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ELLA Also... wenn du unseren alten Chevy wieder ans Laufen drankriegst. C.G. Also los, kurbeln, Mama, kurbeln!

ELLA Ich nicht. Ich scheuch deinen Vater hoch und sag ihm, er soll ihn ankurbeln. (SIE geht in die Hütte und beginnt direkt zu rufen) Alvin, Alvin, steh auf, steh auf!

15. Liebe (Reprise)

C.G Du hast echt Schwein, Annie.

ANNIE Warum? Weil mein Vater reich ist?

C.G. Nee. Weil, das wird jetzt genau wie bei mir – du kriegst Mama und Papa und das heißt auch zwei Gute-Nacht-Küsse. ANNIE & C.G. (singen)

N

IC

LIEBE SCHMECKT GANZ SÜSS, UND SIE KOMMT GANZ LEIS TIEF IM BÄUCHLEIN SPÜRST DU SIE KALT UND HEISS.

C.G.

SIE REIBT DEINE ZEH’N,

ANNIE UND SIE KÄMMT DEIN HAAR

ANNIE & C.G. SIE GEHT NIE VORBEI NIEMALS MEHR VORBEI IST SIE EINMAL DA! LIEBE, SIE BRINGT DICH AUCH ZUM WEIN’N, DOCH TROCKNEN ÄUGELEIN, WENN DU DICH WEHRST GEGEN DEN SCHMERZ UND DANN ÖFFNEST DU DEIN HERZ FÜR LIEBE ALLEIN!

(Lied und Szene enden, Bühne und Licht verändern sich und wir erreichen...)

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11. SZENE

15A. Utility

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Das Kommunikationszentrum (Büro) des Weißen Hauses. WARBUCKS, GRACE, MRS. DOYLE, MRS KELLY, SIMON und ANDERE MITARBEITER DES WEISSEN HAUSES, darunter auch DAVID LILIENTHAL telefonieren angestrengt u.ä. Ebenso sind SENATOR ARTHUR H. VANDENBERG, Republikaner aus Michigan und republikanische Oppositionsführer gegen Roosevelt zur Stelle. Gereizt und ungeduldig hin und her gehend, ist VANDENBERG von den übrigen abgesondert. Am Anfang der Szene hört man noch das Klappern von Fernschreibern, welches dann aber verklingt. Es ist der Nachmittag des folgenden Tages. Eine Sekretärin, GLADYS, eilt zu Szenenbeginn herein) GLADYS Senator Vandenberg? Senator Vandenberg? Vandenberg Ja?

GLADYS Der Präsident bat mich, ihnen mitzuteilen, dass er auf dem Weg ist. Nur noch eine Minute. (GLADYS ab)

VANDENBERG Danke, Präsident Roosevelt. Wir waren um zwei verabredet, jetzt ist es drei. Wir Republikaner haben genauso viel zu tun wie die Demokraten in dieser Stadt, Roosevelt eingeschlossen. WARBUCKS (leicht sarkastisch, und etwas unwirsch, dass Vandenberg keinerlei Anteil an der Suche nach Annie nimmt) Das ist gut zu wissen, Herr Senator. GRACE (am Telefon) Danke. Vielen Dank, dass Sie angerufen haben. (SIE legt auf)

IC

WARBUCKS (zu GRACE) Irgendwas Neues, Grace?

N

GRACE Nein, es tut mir leid, Sir. Cheyenne, Wyoming. Aber das Kind, das sie gefunden haben, war gerade mal sechs. Und nicht mal rothaarig. WARBUCKS Verdammt.

(ein Telefon klingelt. MRS. KELLY antwortet pantomimisch)

GRACE Mr. Warbucks, ich fühle mich ganz schrecklich, dass ich genau an dem Tag fortgegangen bin, an dem Annie weggelaufen ist. Ich meine, wenn ich geblieben wäre, wäre sie bestimmt nicht...

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WARBUCKS Wissen Sie, Grace, ich hätte nie gedacht, dass man jemanden so vermissen kann wie ich jetzt... Naja, und seit ich sie adoptiert habe, habe ich ihr nicht einmal gesagt, wie gern ich sie habe. Nicht ein einziges Mal. GRACE Oh, Mr. Warbucks.

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MRS. DOYLE (unterbricht GRACE mit Absicht) Cheyenne, hä? Na, immerhin liegt das ‘im Westen‘.

WARBUCKS (nimmt SIMON und GRACE beiseite und flüstert ärgerlich, MRS. DOYLE meinend) Simon, was macht diese Frau hier? Überall, wo ich hingehe, taucht sie auf... also gegen Mrs. Kelly, Sheila...da habe ich nichts, aber warum ist sie...?

SIMON Die Oberinspektorin, Oliver, ist offiziell verantwortlich für jedes Kind, das technisch gesehen ein Mündel der Stadt ist. Mit anderen Worten, wenn Annie nicht gefunden wird, sitzt diese Frau ziemlich tief in der.... (ein Telefon klingelt und Grace geht um abzuheben - ...pantomimisch)

MRS. KELLY (legt auf, sie war noch in einem Telefonat) Wieder falscher Alarm, Mr. Warbucks. Aber die Frau hat sechs Stunden lang versucht uns zu erreichen. Wir brauchen dringend mehr Telefonanschlüsse.

WARBUCKS Sie haben recht, Mrs. Kelly. Und holen Sie mehr Leute vom Weißen Haus und noch ein paar vom Secret Service... MRS. KELLY Sehr gute Idee.

WARBUCKS ...rund um die Uhr, damit, falls irgendjemand irgendwas erfährt...

VANDENBERG Jetzt mal langsam, Oliver. Das hier ist immer noch ein Regierungsbüro.

IC

WARBUCKS Ich bezahle für alles!

N

VANDENBERG Nichtsdestotrotz sollte Roosevelt mal seine Prioritäten neu ordnen... WARBUCKS Hören Sie, Senator. Meine Tochter...

VANDENBERG (während ROOSEVELT im Rollstuhl von GLADYS hinter ihm hereingeschoben wird) Nein, Sie hören jetzt mal zu. Ich will genau wie jeder andere auch, dass Ihre Tochter gefunden wird. Aber es ist jedermanns Job hier, dafür zu sorgen, dass die Wirtschaftskrise endlich vorübergeht und sich nicht zwischendurch auf die Suche nach ihrer Angelika zu machen, ein kleines, verlorengegangenes Mädchen, das...

ROOSEVELT (unterbricht ihn) Senator Vandenberg, ich bin davon überzeugt, dass wir hier im Weißen Haus das Herz, das Hirn und die Hingabe haben, beides zu leisten – die Depression zu beenden und ein verlorengegangenes Mädchen zu finden. Die, nebenbei bemerkt, übrigens Annie heißt.

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WARBUCKS (in stiller Dankbarkeit) Vielen Dank, Franklin. ROOSEVELT Weitermachen. (ein Telefon klingelt und GLADYS geht ran) Irgendwelche Neuigkeiten, Oliver?

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WARBUCKS Nein, Franklin, nichts.

GLADYS Oh, ja. Ich sage es ihm. (SIE legt auf) Eine Nachricht für Sie, Mr. Warbucks. WARBUCKS Haben sie sie gefunden?

MRS. DOYLE Sie haben sie gefunden!?

GLADYS Nein, es tut mir leid. Sie möchten bitte zur südlichen Rasenfläche kommen, damit die MovietoneNachrichtenteam filmen kann – um einen Appell an Annie zu richten, zurückzukommen. (GLADYS geht ab)

WARBUCKS Ist es schon so weit? Entschuldige mich, Franklin. (WARBUCKS ab)

MRS. DOYLE Warten Sie, ich werde mit Ihnen in den Nachrichten auftreten! (ab)

IC

ROOSEVELT (ruft ihr hinterher) Wir versuchen sie zurückzuholen, Frau Oberinspektorin, nicht sie zu verjagen!

N

SIMON Entschuldigen Sie mich, Herr Präsident.

ROOSEVELT (zu GRACE, während GLADYS zurückkommt) Grace, wenn wir wieder in meinem Büro sind, will ich den Statusbericht der W.P.A, der F.H.A. und des C.C.C. sehen... GRACE Ja, Sir.

VANDENBERG Herr Präsident... GLADYS (unterbricht ihn) Entschuldigen Sie, Herr Präsident, aber ein Alvin T. Paterson möchte sie sprechen.

70


ROOSEVELT Ich kenne keinen Alvin T. Paterson. Hat er einen Termin? GLADYS Nein, Sir. Aber er sagt, es ist äußerst dringend. ROOSEVELT Na gut, Gladys. Schicken Sie ihn rein.

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(VANDENBERG gestikuliert ärgerlich) GLADYS (führt Alvin herein) Hier entlang, Sir. (GLADYS ab)

ALVIN (Hut in der Hand, sieht ROOSEVELT und erstarrt) Ohh Jesses. Präsident Roosevelt. Paterson, Sir. Alvin T. Paterson. ROOSEVELT Mr. Paterson.

ALVIN (gestikuliert während ANNIE hereinkommt, gefolgt von SANDY und den schüchternen ELLA und C.G.) Wir haben sie hergebracht – Annie Warbucks. Hier ist sie, Sir. ROOSEVELT Annie!

GRACE (sieht ANNIE und läuft zu ihr. ALLE sind überrascht, erfreut, erleichtert und sprechen leise durcheinander...) Annie! Oh, ich danke Gott. Annie, geht es dir gut, Liebling? ANNIE Ja, Miss Farrell.

IC

MRS KELLY (geht zu ANNIE und umarmt SIE) Meine Süße, Himmel Herrgott, wir waren alle krank vor Sorge um dich – vor allem dein Vater und ich. Er wird so glücklich sein, dass du heil und gesund wieder...

N

GLADYS (kommt wieder herein) Entschuldigung, Mrs. Kelly, Oberinspektorin Doyle möchte, dass Sie zur südlichen Rasenfläche kommen. MRS. KELLY (umarmt ANNIE) Willkommen zurück, Annie.

(SIE gibt SANDY einen kleinen Stups) Mandy.

(SIE geht ab) ALVIN Wir haben sie gefunden. Also, ich, Alvin T. Paterson, und die hier ist meine Frau, Ella, und unsere Tochter, Christine Grace – wir nennen sie C.G...

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ELLA Wir haben sie den ganzen Weg von Tennessee hierhergefahren. Einfach durch. Haben nich ma angehalten zum Telefonieren, oder sonst was – na, Sie wissen schon. ANNIE Mein Vater. Ist mein Vater hier? ROOSEVELT (zu GLADYS) Gladys!

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GLADYS Ja, Sir?

ROOSEVELT Irgendjemand soll den Movietone-Nachrichtenleuten sagen, das Interview abzubrechen und Mr. Warbucks herbringen! GLADYS Ja, Sir.

ROOSEVELT Annie. Ich hoffe, mein Kind, dir ist klar, dass du uns allen einen gehörigen Schrecken eingejagt hast. ANNIE Es tut mir leid, Präsident Roosevelt.

ROOSEVELT Nun, es sei dir verziehen. Vollständige präsidiale Begnadigung.

ANNIE Vielen Dank, Präsident Roosevelt. Mr. und Mrs. Paterson haben auf mich aufgepasst und jetzt haben sie mich zurückgebracht. Bekommen sie ihre Belohnung? GRACE Natürlich, Annie. ANNIE Super!

IC

ALVIN (zu GRACE) Vielen Dank, Miss. Das freut uns sehr. Es sind hundert Dollar, nicht?

N

GRACE Nein, Mr. Paterson, das stimmt nicht. ALVIN Ja, nä, das ist schon okay.

GRACE Es sind hunderttausend Dollar. ALVIN (ruhig) Oh, das ist... äh... auch schön.

(die PATTERSONS, ungeschickt und unsicher, wie sie sich nun benehmen sollen, treten den Rückzug an...)

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ANNIE (nimmt ALVIN am Arm) Nein, warten Sie, Mr. Paterson und erzählen Sie ihm, worüber wir im Auto gesprochen haben. ROOSEVELT Was wollen Sie mir erzählen? ALVIN (nervös, weil er mit dem Präsidenten spricht) Also, Mr. President, ich bin sicher, dass Sie wissen, das wir Farmer, unten im Tal von Tennessee, also, dass wir pleite sind, am Ende.

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ANNIE Sie können nix mehr anbauen. ELLA Also ham wir uns gefragt...

ALVIN ...ob es vielleicht was gibt… ANNIE ...was Sie tun könnten.

ROOSEVELT Es ist uns bewusst, dass es da unten Probleme gibt.

LILIENTHAL Aber um ehrlich zu sein, wir haben noch keinen Weg gefunden, etwas dagegen zu unternehmen. Eine stärkere finanzielle Förderung könnte vielleicht... VANDENBERG Neue Förderung! Seit ihr Demokraten am Ruder seid, heißt es immer nur ‘neue finanzielle Förderung‘. Das muss aufhören. Verhalten Sie sich bedächtig, denken Sie nach, warten Sie ab. ALVIN (leicht den Kopf schüttelnd, zu ELLA) Abwarten. ELLA Abwarten.

IC

VANDENBERG Ja, abwarten.

N

(GLADYS kommt wieder herein) ANNIE Mann, Mann, Mann...

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16. Irgendwer muss doch was machen ANNIE

SCHEINT, DASS IN WASHINGTON GAR NICHTS WEITERGEHT. OH, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, SONST IST ES ZU SPÄT.

(ANNIE bittet ALVIN und ELLA gestisch um Unterstützung. Die beiden treten nervös vor...)

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ELLA

SIE SAGTEN VOR ZWEI JAHR’N,

ALVIN & ELLA NOCH ALS KANDIDAT... DASS IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, SONST IST ES ZU SPAT... (sie schauen sich irritiert an) SPÄT. ANNIE

BEVOR IHRE WELT IN SCHERBEN ZERFÄLLT,

(C.G. singt mit)

ANNIE & ELLA & ALVIN & C.G. ERGREIFT DIE CHANCE UND ZEIGT, DASS IHR VERSTEHT. ELLA

MR. PRESIDENT!

IC

ANNIE & ELLA & ALVIN & C.G. DAS LAND, ES TROCKNET AUS, SO, DASS NICHTS MEHR GEHT. OH, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN JA, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, JA IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN...

N

ALVIN

ANNIE (spricht zu ELLA) Sagen Sie’s ihm. ELLA

IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, SONST IST ES ZU SPÄT!

VANDENBERG (während die MUSIK als Underscore weitergeht) Es ist mir egal, was diese ‘Leute‘ sagen, ich sage weiterhin: Abwarten! ALVIN Abwarten. Verdammt, verdammt, verdammt.

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LILIENTHAL (deutet auf ALVIN, als er eine Idee hat...) Das ist es! Ein Damm, oder besser, eine Reihe von Dämmen, die... ja, natürlich, die die Fluten aufhalten und gleichzeitig das Wasser stauen... ALVIN ...und es freigeben, wenn das Land zu trocken wird! LILLIENTHAL Mr. President, innerhalb eines Jahres könnten wir...

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VANDENBERG Abwarten.

ROOSEVELT Hm, ja. David, das könnte...

GRACE Verzeihen Sie, Mr. President, aber das liegt nicht in der Kompetenz des Weißen Hauses. VANDENBERG Korrekt! Die Regierung hat keinerlei Befugnis, sich in Tennessee einzumischen.

ANNIE Sie sind doch der Boss, Mr. President, stimmt‘s? Wenn Sie diese Befugnis für Tennessee wollen, dann kriegen Sie sie doch, oder? ROOSEVELT Also, das stimmt, Annie, ich würde sie schon bekommen. Ich müsste den Kongress überzeugen, sowohl die Demokraten als auch die Republikaner, wir schaffen eine neue Behörde. Wir haben zwar fast schon das ganze Alphabet durch, aber... (ER singt)

WIR FINDEN SICHERLICH EIN WORT, DAS GEHT.

ALLE

SONST IST ES ZU SPÄT!

OH, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN,

N

IC

(ELLA beginnt hingebungsvoll mitzuklatschen; der PRÄSIDENT fordert sie gestisch auf, weiterzumachen.) BEVOR UNS‘RE WELT ELLA

BEVOR UNS’RE WELT

ALLE ELLA

IN SCHERBEN ZERFÄLLT, IN SCHERBEN ZERFÄLLT

ALLE. ERGREIFT DIE CHANCE UND ZEIGT, DASS IHR VERSTEHT! (SANDY bellt in der folgenden Stille)

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ROOSEVELT (spricht zu SANDY) Du auch?

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ALLE (singen) HOFFNUNG STIRBT JEDEN TAG, ZWEIFEL LANG GESÄT. OH, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN JA, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, JA, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, SONST IST ES ZU SPÄT! (das Tempo verringert sich für den A-capella-Chor) BEVOR UNS‘RE WELT IN SCHERBEN ZERFÄLLT, ERGREIFT DIE CHANCE UND ZEIGT, DASS IHR VERSTEHT!

HOFFNUNG STIRBT JEDEN TAG, ZWEIFEL LANG GESÄT. IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, SONST IST ES ZU SPÄT!

ROOSEVELT (gesprochen) Nun, irgendwer muss etwas machen! (ALLE jubeln) ALLE

(mit dem Einsetzen des ORCHESTERS zieht das TEMPO wieder an) IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN JA, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, JA, IRGENDWER MUSS DOCH WAS MACHEN, SONST IST - SONST IST - SONST IST - SONST IST SONST IST ES ZU SPÄT!

N

IC

VANDENBERG (nach der Nummer) Also gut, also gut, ich gebe mich geschlagen! Ich werde Ihnen helfen, die Sache durch den Senat zu bekommen. Und ich weiß auch, wie wir es nennen können: Das Büro der Tennessee Dämme. – Das B.d.T.D.! ROOSEVELT Nein, Senator, ich denke nicht.

(VANDENBERG zuckt mit den Achseln und geht ab)

GRACE (zu ALVIN) Wären Sie so freundlich, mit ihrer Familie im Blauen Salon zu warten, Sir? Ich veranlasse dann, dass sie ihre einhunderttausend Dollar sofort in bar erhalten. ALVIN Oh, ja, Miss, sehr schön. Wir sind sehr erfreut. (ER geht zu ROOSEVELT) Dat war schön, Sie mal kennengelernt zu haben, Franklin D. Roosevelt.

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ROOSEVELT Es war schön, Sie einmal kennengelernt zu haben, Alvin T. Paterson. Und sollten Sie irgendwann wieder in Washington sein, Mr. Paterson, und das gilt natürlich genauso für sie, Mrs. Peterson, Sie wissen ja, wo ich wohne. ALVIN Danke, Sir. Und sollten Sie irgendwann noch mal als Präsident kandidieren, werde ich Sie vielleicht sogar wählen!

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(ER, ELLA und C:G: wenden sich zum Gehen)

ANNIE Auf Wiedersehen, Mr. Paterson. Mrs. Paterson. ALVIN & ELLA Auf Wiedersehen, Annie. ANNIE Auf Wiedersehen, C.G...

C.G. Auf Wiedersehen, Annie. Man sieht sich. ALVIN (zu Grace) Miss.

(ELLA & C.G. gehen ab. ALVIN dreht sich noch einmal zu GRACE um, immer noch sehr ruhig) Es war uns wirklich eine Freude. (Alvin geht ab)

GRACE Mr. President, ich schau mal nach, wo Mr. ...

ALVIN (brüllt lautstark und begeistert aus dem OFF) Ein-hun-dert-tau-send Dollar!

IC

(WARBUCKS kommt, gefolgt von MRS. DOYLE und SIMON herein)

N

WARBUCKS (beim Reinkommen) „Abbrechen?“ „Abbrechen?“ Man sagt den Movietone-Nachrichten nicht einfach so... was zum Teufel ist denn los...? GRACE (weist auf ANNIE) Mr. Warbucks. WARBUCKS Was?

(ER sieht ANNIE. Die MUSIK schwillt an.; ruhig) Annie!

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16A. Reunion ANNIE Papa! WARBUCKS (jubelnd, mit großer Erleichterung) Annie! (SIE läuft zu WARBUCKS und springt in seine Arme. ER umarmt Sie liebevoll)

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MRS. DOYLE Junge Dame, du hast mich fünfzehn Jahre meines Lebens gekostet! Und, Warbucks, glauben Sie bloß nicht, nur weil Sie sie jetzt wiederhaben, können Sie sie auch behalten! Ihre sechzig Tage sind längst abgelaufen und... ROOSEVELT Oberinspektorin Doyle, verzeihen sie. MRS. DOYLE Ja?

ROOSEVELT Klappe! Setzen!

(MRS. DOYLE und SANDY setzen sich augenblicklich hin. MRS. KELLY kommt herein) MRS. KELLY Entschuldigung, ich...

(SIE sieht WARBUCKS and ANNIE und täuscht sofort ein Weinen vor)

Oh, Mr. Warbucks, Oliver, ich freue mich so für Sie und Annie, ich könnte platzen vor Freude. WARBUCKS Danke, Sheila. Franklin, könnten Sie...

FRANKLIN Oh, natürlich, Oliver. Wer würde denn gerne den Vizepräsidenten kennenlernen?

IC

MRS. DOYLE (hebt ihre Hand) Ich!

N

(auch andere bekunden ihr Interesse)

ROOSEVELT (während LILIENTHAL ihn rausschiebt) Sehr gut! Ein wunderbarer Mensch. Los geht’s. (ALLE, außer WARBUCKS und ANNIE folgen IHM) Sein Büro ist in Indien.

ALLE (allgemeine Irritation) Was? Wie bitte?

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ROOSEVELT Am Ende des Ganges. Hahaha... (allgemeine Erheiterung - ALLE, außer SIMON, WARBUCKS und ANNIE gehen ab. Als MRS. DOYLE losgeht, hält MRS. KELLY sie zurück und sagt heftig...) ROOSEVELT (weiter) Sie können sich nicht zufällig an seinen Namen erinnern?

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MRS. KELLY Frau Oberinspektorin, könnten Sie bitte einen Augenblick warten?

WARBUCKS (geht Hand in Hand mit ANNIE ab, begleitet von SIMON) Sechs Wochen! SIMON Annie, wo bist du denn bloß gewesen?

ANNIE (beim Rausgehen) Also, unten, hinter der Penn Station, da ist ja dieser große Güterbahnhof und da sind Sandy und ich... MRS. DOYLE (MRS. DOYLE und MRS. KELLY sind nun allein) Was?

MRS. KELLY Ich lass das. Der Präsident, die Männer vom Secret Service... es ist zu gefährlich, Ma.

MRS. DOYLE Ach, jetzt gibst du auf. Die Göre ist wieder da, Florence, und wir sind wieder in der Spur. Wir werden... MRS. KELLY Nein, Ma – da kommt jemand. SIMON (beim Reinkommen) Ah, hier sind die Damen.

(eine HILFSKRAFT kommt herein und sammelt im Hintergrund einige Akten auf einem Schreibtisch zusammen)

N

IC

Mr. Warbucks möchte Samstagabend in New York eine große Party schmeißen, um Annies Rückkehr zu feiern. Und er möchte, dass Sie auch kommen, Mrs. Kelly, damit Sie und Annie sich besser kennenlernen können und... MRS. KELLY Wo wird sie stattfinden – im Waldorf?

SIMON Nein, Annie möchte eine Bootsfahrt machen – also wird er die Staten-Island-Fähre mieten. MRS. KELLY Ist nicht Ihr Ernst.

SIMON Mein voller Ernst. Samstagabend, acht Uhr, Pier zwei, am Battery Park. (ER und auch die HILFSKRAFT gehen ab)

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MRS. DOYLE Samstagnacht... (sie reibt sich in froher Erwartung die Hände reibt, Musik beginnt)

17. Lass die Girls mal ran

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(MRS. DOYLE) Oh, mein Baby, meine kleine Flo, wir werden es tun!

MRS. KELLY Yeah. Aber ich hab immer noch Schiss, dass die ganze Sache nach hinten losgeht. Wir beide, Seite an Seite im Knast und dann Hand in Hand auf dem Weg zum elektrischen Stuhl.

MRS. DOYLE (sieht sie strafend an) Florence! Es wird keinen elektrischen Stuhl geben, denn diesmal bist du nicht allein – wir kümmern uns beide um Warbucks. Florence, es gibt nur eine Sache, die stärker ist als eine Frau, die einen Mann loswerden will. MRS. KELLY Was?

MRS. DOYLE Zwei Frauen, die einen Mann loswerden wollen.

MRS. KELLY Yeah, auf die Hochzeitsreise in Atlantic City. Wir drei zusammen. MRS. DOYLE Yeah.

(SIE singt) IHR GEHT HAND IN HAND, DIE AMPEL ZEIGT ROT. EIN GANZ KLEINER STOSS UND SCHON IST ER TOT.

IC

MRS. KELLY (gesprochen) Und schwarz steht mir so gut.

N

MRS. DOYLE & MRS. KELLY (singen) LASS DIE GIRLS MAL RAN! (ORCHESTER für vier Takte)

MRS. DOYLE EIN BISSCHEN ARSEN, DANN GEHT ES GANZ LEICHT. MRS. KELLY DU HAST MIR GEZEIGT, WIE WENIG SCHON REICHT. MRS. DOYLE & MRS. KELLY LASS DIE GIRLS MAL

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MRS. KELLY RAN! MRS. DOYLE DAMIT ETWAS KLAPPT, NE. MRS. KELLY DIE FALLE ZUSCHNAPPT, NE.

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MRS. DOYLE FRAG NICHT DEINEN SOHN, NE. MRS. KELLY NEIN?

MRS. DOYLE & MRS. KELLY NEIN!

HILFSKRAFT (kommt herein und unterbricht, gesprochen) Frau Oberinspektorin, können Sie bitte das Licht ausschalten, wenn Sie gehen? (SIE geht ab)

MRS. DOYLE Ja, ja, ja. (SIE singt)

NIMMST DU EINE STUNDE IN VERBRECHENSKUNDE, SUCH ‘NE FRAUENRUNDE,

MRS. DOYLE & MRS. KELLY DENN LERNST DU ES VON EINEM MANN, JA. ZEIGT SICH DASS ER ES NICHT KANN, JA.

IC

MRS. DOYLE ER ‘S EIN IDIOT, KIND! DÜMMER ALS BROT, KIND!

N

MRS. KELLY ZEIGST DU EIN LÄCHELN BEGINNT ER ZU HECHELN! DER HERR NIMMT EIN BAD, MRS. DOYLE EIN FÖN FÄLLT HINEIN

MRS KELLY DIE MILLIONEN KOMMEN DANN MRS. DOYLE SCHENK IHM EINEN EIN. MRS. DOYLE & MRS. KELLY LASS DIE GIRLS MAL RAN! –

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MRS. DOYLE (MUSIK weiter als Underscore) Ah, Florence, Florence... (Während der letzten Zeile umarmt MRS. DOYLE MRS. KELLY. Plötzlich tritt GRACE ein. SIE sieht GRACE) GRACE Entschuldigung, Frau Oberinspektorin, wenn Sie den Vizepräsidenten noch treffen wollen – er muss in fünf Minuten weg.

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MRS. DOYLE Ja, ja, ich lerne ihn ein andermal kennen. GRACE Sehr schön. „Florence?“

MRS. DOYLE Florence? Oh, ja, ich habe Mrs. Kelly gerade erzählt, dass ich nächsten Sommer nach Florenz in den Urlaub fahre. Italien. GRACE Italien? Wie hübsch. (GRACE geht ab) MRS. KELLY Glaubst du, sie ist uns auf der Spur?

MRS. DOYLE Natürlich nicht. Was hat sie schon gehört? Ein Wort. Florence. MRS. KELLY Stimmt.

(BEIDE schauen dahin, wo GRACE die Bühne verlassen hat – die MUSIK stoppt) MRS. DOYLE Wir müssen sie auch loswerden! Wir müssen sie alle loswerden!

IC

17A. Lass die Girls mal ran (Tag)

N

(MRS DOYLE) DER ERSTE IST DRAKE

MRS. KELLY (DER ERSTE IST DRAKE) MRS. DOYLE DER ALBERNE TROPF

MRS. KELLY (DER ALBERNE TROPF) EIN KLAVIER KÖNNTE FALL‘N, MRS. DOYLE (SPASS MIT TASTEN) MRS. KELLY DIREKT AUF SEIN’N KOPF

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MRS. DOYLE (STARK) MRS. DOYLE & MRS. KELLY LASS DIE GIRLS MAL MRS. KELLY RAN!

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MRS. DOYLE DA WÄR NOCH DER HUND MRS. KELLY STIMMT (G-R-R-R)

MRS. DOYLE NOCH IST ER GESUND MRS. KELLY STIMMT (DOCH…)

MRS. DOYLE & MRS. KELLY WIR MACHEN IHN RUND! MRS. DOYLE STIMMT! MRS. KELLY STIMMT!

MRS. DOYLE AN GRACE GEHN WIR DANN RAN MRS. KELLY HÄNGT AN EINEM KRAN DRAN.

IC

MRS. DOYLE IHR HALS WIE EIN SCHWAN DANN.

N

MRS. DOYLE & MRS. KELLY ZU MRS. PUGH, WIR SIND SO FREI, SAGEN WIR TSCHÜSS, ADIEU, GOODBYE!

MRS. KELLY (während die MUSIK als Underscore weiterläuft) Und dann schließlich noch das kleine Gör! MRS. DOYLE (singt) SIE SCHLÄFT BIS UM ACHT, DANN IST ES SOWEIT MRS. KELLY ICH FLÜSTER: WACH AUF! ES WIRD LANGSAM ZEIT!

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MRS. DOYLE (schnell gesprochen, Annie imitierend) Heiliger Strohsack! Was für ein herrlicher Morgen. Ich glaube, ich werde mein rotes Kleid anziehen… (MRS. DOYLE zieht ein Gesicht)

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MRS. DOYLE & MRS. KELLY (singen) LASS DIE GIRLS MAL– UND DANN GEHT ES LOS, KIND— WIR WERDEN GANZ GROSS, KIND! WIR KRIEGEN DAS MOOS, KIND! DENN IST DER WARBUCKS ERST GESCHICHTE, GEWINNEN MAL DIE BÖSEWICHTE!

(das ORCHESTER schwillt an – es geht Richtung Finale) JA, ALLE GEHN DRAUF, EIN TEUFLISCHER PLAN – DIE RECHNUNG GEHT AUF,

MRS. DOYLE (voller Zuversicht) DENN WIR SIND – MRS. KELLY JETZT DRAN!

MRS. DOYLE & MRS. KELLY LASS DIE GIRLS MAL RAN! LASS – DIE – GIRLS– MAL– RAN – DIE GIRLS – DIE GIRLS – DIE GIRLS – DIE GIRLS –

(dabei machen sie nach links einen ‘falschen Abgang‘ und erscheinen noch einmal zum finalen Moment)

IC

DIE GIRLS – DIE GIRLS –

N

(der SONG endet im Blackout; damit endet auch die Szene und es geht über zu...)

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2. SZENE

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(Das offene Oberdeck der Staten Island Fähre, geschmückt mit Wimpeln, Fähnchen, Blumen etc. – alles für die Party. Im Hintergrund sehen wir die Skyline von Manhattan, während die Fähre durch den Hafen von New York segelt. Es ist der folgende Samstagabend, ein milder Abend im ausgehenden April. Nachdem wir ein Nebelhorn hören, beginnt die MUSIK von ‘SCHICK GEMACHT‘ und die SZENE fängt an. Die Bühne ist im ersten Moment leer, doch dann kommen die WAISEN, ‘schick gemacht‘, in neuen, kleinen ‘Navy-Oberfähnrich‘-Kleidchen. Sie schauen sich um und sind von der Partydekoration schwer beeindruckt. „Wow“, „Spitze“ etc., alle durcheinander. Dann beginnen sie fröhlich zu singen und zu tanzen.)

18. Schick gemacht

WAISEN (singen) SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT, SCHAU MICH AN, BIN... SCHICK GEMACHT! SAHST DU JEMALS SCHON SO EIN HERRLICHES WESEN? MOLLY

SICHER NICHT, DENN ALLE VORHER WAREN BESEN!

PEACHES ODER EIN KEHRBLECH!

WAISEN SCHICK GEMACHT, (‘NE) GLATTE ZEHN! UND SO WOLL’N WIR DICH HEUTE AUCH GERNE SEH’N!

IC

(die NUMMER geht weiter mit dem ENSEMBLE, während Warbucks‘ Angestellte, Gäste und auch MRS. PUGH singend und tanzend hereinkommen und es den Waisen gleichtun.)

N

GÄSTE

SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT, SCHAUT UNS AN, SIND... SCHICK GEMACHT! NUR CHAMPAGNER HEUT UND WIR LERNEN UNS KENNEN.

WAISEN (LERNEN UNS KENNEN) WAS ZUR FOLGE HAT, DASS WIR UNS NIE MEHR TRENNEN! NA GUT, VIELLEICHT MORGEN.

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ALLE

SCHICK GEMACHT, (‘NE) GLATTE ZEHN! UND SO WOLL’N WIR DICH HEUTE AUCH GERNE SEH’N!

(ANNIE kommt herein und läuft zu den WAISEN, die sie fröhlich begrüßen)

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ANNIE (beim Reinkommen) Tach, Kinder!

(ROOSEVELT wird in seinem Rollstuhl von DRAKE hereingeschoben, begleitet von WARBUCKS. SIMON kommt mit GRACE und sie treten zu ROOSEVELT) SIMON Mr. President, ich muss sagen, Sie sehen wirklich schnittig aus. ROOSEVELT Vielen Dank, Simon. Nun, ich hab mich... (ER singt) SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT, OLIVER?

WARBUCKS Was?

ROOSEVELT BIN SCHICK GEMACHT!

WARBUCKS (lobt) MR PRESIDENT, SIE SEH’N AUS WIE EIN FILMSTAR. ROOSEVELT (winkt schmunzelnd) NA, WENN SIE DAS SAGEN, DANN IST ES BESTIMMT WAHR! YIPPIE YAH YEI“

IC

ALLE

SCHICK GEMACHT!

N

ROOSEVELT (gesprochen zu ANNIE) Annie? ANNIE Ja, Sir?

ROOSEVELT (singt) JETZT IST KLAR, ICH NENN’DIE BEHÖRDE T.V.A.4

(die MUSIK geht weiter als Underscore, als ALVIN, ELLA und C.G. hereinkommen, richtig ‘schick gemacht‘.

4

Tennessee Valley Authority

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C.G. Hi, Annie! ANNIE (rennt zu den PATERSONS) C.G.! Hi! ELLA & ALVIN (während sich ANNIE und C.G. umarmen) Hi, Annie!

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ANNIE Wow! Sie sehen alle piekfein aus! ALVIN Nun, danke, Kleines, wir...

ALVIN & ELLA & C.G. (singen) SIND... SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT HABEN UNS HEUT... SCHICK GEMACHT! ELLA

ALVIN C.G.

ALLE

AB UND AN DA BRAUCHT MAN SCHON ETWAS MEHR GLANZ, DENN

MEINE FÜSSE WOLLEN DOCH AB UND AN TANZEN. ...SCHWING MAL DIE HÜFTEN! SCHICK GEMACHT SCHICK WIE NIE.

ALVIN & ELLA & C.G. WIR FLIRTEN MIT DER HIGH SO-CI-ET-Y.

IC

(Das TEMPO wird langsamer und ALVIN beginnt seinen Soft-Shoe-Tanz)

N

ALLE

SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT, SCHAUT SIE AN, SIND... SCHICK GEMACHT!

MÄNNER BUM-BUM-BUM-BUM

(ALVIN macht weiter mit seinem Soft-Schuh-Tanz und ANNIE steigt mit ein. ELLA singt währenddessen) ELLA GUCK, MEIN ALVIN!

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ALLE (bringen die Fähre zum Schwanken) ANNIE (wenn der Soft-Shoe-Teil endet und die MUSIK wieder Tempo aufnimmt, gesprochen, wie James Cagney) Alles in Ordnung! Alles in Ordnung!

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ALLE (klatschen mit) SCHICK GEMACHT! SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT! SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT! SCHI-SCHI-SCHI-SCHI-SCHI...SCHICK GEMACHT! SCHI-SCHI-SCHI-SCHI-SCHI...SCHICK GEMACHT! SCHI-SCHI-SCHI-SCHI-SCHI...SCHICK GEMACHT! GEMACHT! GEMACHT! SCHICK GEMACHT! (das Orchester schwillt in vier Takten an) ALLE

AB UND AN, DA BRAUCHT MAN SCHON ETWAS MEHR GLANZ, DENN

ANNIE & C.G. & WAISEN (ETWAS MEHR GLANZ, DENN...) ALLE

UNSRE FÜSSE WOLLEN DOCH AB UND AN TANZEN. SCHWING MAL DIE HÜFTEN! SCHICK GEMACHT! (‘NE) GLATTE ZEHN! UND SO WOLL’N WIR DICH HEUTE AUCH GERN... SO WOLL’N WIR DICH HEUTE AUCH GERN... SO WOLL’N WIR DICH HEUTE AUCH – GERN...

(das TEMPO verdoppelt sich)

N

IC

SEEH-HEE-HEE-HEE-HEE-HEE-HEE-HEEN— SCHICK GEMACHT, SCHICK GEMACHT, SCHICK GE -SCHICK – GE – MACHT!!

(das LIED endet mit Applaus. Alle klatschen und bilden kleine Grüppchen, während sich das Licht verändert und MRS. KELLY, ausgesprochen attraktiv, in einem sexy Kleid von hinten rechts auftritt und in einem Scheinwerferkegel stehen bleibt. OBERINSPEKTORIN DOYLE tritt unauffällig auch auf) SIMON (weist WARBUCKS auf Mrs. Kelly hin) Oliver. (WARBUCKS dreht sich um sieht sie und steht augenblicklich auch allein in einem Scheinwerferkegel)

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WARBUCKS Entschuldigen sie mich, Franklin. (ALLE ‘freezen‘ jetzt, außer WARBUCKS und MRS. KELLY, während die MUSIK von ‘SCHICK GEMACHT‘ als sanfter, langsamer Walzer zu spielen beginnt. WARBUCKS und MRS. KELLY gehen aufeinander zu, treffen sich in der Mitte der Bühne und tanzen für eine Weile einen romantischen Walzer.)

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19. Sheila-Oliver-Walzer MRS. KELLY Oliver. Es ist genau wie bei Aschenputtel. WARBUCKS Ich bin froh, dass Sie hier sind, Sheila.

(SIE tanzen weiter Walzer, bis die MUSIK zu einer Rumba wechselt – SIE tanzen Rumba. Am Ende des Rumba-Teils...) So etwas habe ich noch nie gemacht.

MRS. KELLY Oliver, Sie können alles schaffen, schaffen was Sie in Angriff nehmen.

(das Tempo ändert sich und SIE winken ANNIE heran, damit SIE mit IHNEN tanzt. Nun tanzen die drei zusammen. MRS. KELLY nimmt ANNIE am Ende zur Seite) Weißt du, mein Mäuschen, dein Vater war tieftraurig, als du verschwunden warst. Und schau, wie glücklich er jetzt lächelt. Also sei lieb zu ihm, hörst du? Was immer er will, tu es, okay? ANNIE Ja, Mrs. Kelly.

TESSIE Annie, komm ma her.

(ANNIE geht zu den Waisen, während ALVIN und ELLA zu WARBUCKS und ROOSEVELT gehen)

N

IC

ANNIE Komm mit, C.G. (C.G. geht auch zu den WAISEN) ALVIN Mr. President!

ROOSEVELT Reverend Paterson. ALVIN Mr. Warbucks!

WARBUCKS Mr. Paterson, Mrs. Paterson. Ich hoffe, Sie haben einen schönen Abend. ELLA Dat ham wir.

89


ALVIN Sie sollen nur wissen, Sir, dass wir sehr sorgfältig mit den hunderttausend Dollar umgehen. ELLA Wir ham nur‘n bisschen Kleinkram gekauft und so. ALVIN Aber das meiste, also neunzigtausend, ham wir bestens investiert...

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ROOSEVELT In amerikanische Staatsanleihen!

ELLA In Aktien von Warbucks Industries! ROOSEVELT Natürlich. Hätte ich wissen können.

ALVIN Wir ham neuntausend Anteile, zehn Dollar das Stück.

WARBUCKS (überzeugt) Wahrscheinlich die beste Investition, die man machen kann!

(DRAKE erscheint und klatscht, um Aufmerksamkeit bittend, in die Hände. Die MUSIK stoppt) DRAKE Meine Damen und Herren, um Annie wieder zuhause zu begrüßen – Feuerwerk! WAISEN Yay!

(Im Hintergrund erscheinen Lichtblitze am Himmel und man hört die Geräusche eines Feuerwerks, die während des Folgenden andauern) ANNIE & WAISEN (imitieren Feuerwerk) Wissshhh...boom! Wissshhh... boom! Wissshhh… boom! Boom! Boom!

IC

MRS. DOYLE (flüstert zu Mrs. Kelly) Florence, bring es zu Ende.

N

MRS. KELLY Keine Sorge. (MRS. KELLY geht zu ANNIE) Gefällt es dir, meine Kleine? ANNIE Ja, Ma’m. (ANNIE gähnt) ‘Tschuldigung, Ma’m.

MRS. KELLY Na, na, na, sehe ich da eine kleine Schlafmütze?

90


ANNIE Ja, Ma’m. (gähnt noch einmal) ‘Tschuldigung. Die Fahrt hier auf der Fähre und das ganze andere ist so toll. Aber ich bin sonst nie so lange auf. MRS. KELLY (setzt sich und bedeutet ANNIE sich neben sie zu setzen) Komm, setz dich zu mir und leg deinen Kopf in meinen Schoß.

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ANNIE (rückt etwas von ihr weg) Oh, nein, das ist schon in Ordnung.

MRS. KELLY (legt noch einen drauf) Seit mein kleines Baby gestorben ist, hat leider kein Kind mehr seinen Kopf in meinen Schoß gelegt. ANNIE (legt nun den Kopf in IHREN Schoß) Oh, na klar, ich mach das gerne, Mrs. Kelly.

MRS. KELLY Du bist so eine Liebe. Mach es dir bequem und Mrs. Kelly wird dir etwas vorsingen.

20. Schlaflied

(ANNIE kuschelt sich ein und gähnt erneut. Das Feuerwerk hat sein Finale und alle applaudieren. MRS. KELLY singt a capella) SCHLAFE SANFT, MEIN KLEINER FRATZ TURA-LURA-LU MAMA SINGT FÜR IHREN SCHATZ MACH DIE ÄUGLEIN ZU

(MUSIK beginnt als Underscore, während MRS. Kelly den zweiten Teil des Liedes summt. ANNIE schließt ihre Augen, nickt und schläft langsam ein. WARBUCKS, bei ROOSEVELT, der von LILLIENTHAL geschoben wird, sieht und hört, wie MRS. KELLY für ANNIE singt und sie im Arm hält. ER geht langsam zu ihr, bewegt und beeindruckt. GRACE, ALVIN, ELLA und die Partygäste bemerken den Augenblick ebenfalls.

IC

WARBUCKS (bei MRS. KELLY) Ist sie eingeschlafen?

N

MRS. KELLY Ja. Ich glaube, sie war total erledigt. Ist sie nicht wunderbar... (mit einem Hauch von Bosheit) ...wenn sie schläft!? WARBUCKS (flüstert zu MRS. KELLY) Sheila, woher kennen Sie dieses Schlaflied?

MRS. KELLY (flüstert zurück) Meine Mutter hat es mir beigebracht, Es war immer mein Lieblingslied.

WARBUCKS (flüstert) Das gibt es doch gar nicht – das ist auch mein Lieblingslied. Aber ich dachte immer, meine Mutter hat es sich ausgedacht.

91


DRAKE (tritt vor und klatscht in die Hände) Meine Damen und Herren, wir erreichen nun wieder Manhattan, wo ein abendliches ChampagnerBuffet am Dock serviert wird. (die MENGE raunt beeindruckt) MRS. DOYLE (murmelt zu sich selbst) So, nun wird‘s Zeit.

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(einige PARTYGÄSTE verlassen das Schiff – offstage. ALVIN und ELLA bleiben noch.)

DRAKE Und, Kinder, nach dem Abendessen seid ihr alle eingeladen, zu Ehren des Präsidenten, das Elefantenschwanzspiel zu spielen!

(lautstark verlassen die WAISEN die Bühne, wobei sie MRS. DOYLE anrempeln und ANNIE aufwecken. Man hört die Landungsglocke und DRAKE geht ab.)

MRS. DOYLE (nähert sich WARBUCKS) Oh, ganz nebenbei, Mr. Warbucks, haben Sie die Nachricht erhalten, dass es eine Änderung gegeben hat? Sie brauch Montag nicht vor elf im Gericht zu erscheinen. WARBUCKS Im Gericht? Wovon reden Sie...?

MRS. DOYLE Sie haben ihre sechzig Tage weit überschritten. Da sind mir die Hände gebunden, Sie werden das Kind zurückgeben müssen... WARBUCKS Moment mal, Oberinspektorin! Ich habe Ihnen gesagt, ich werde heiraten und das tue ich auch. MRS. DOYLE Ja, aber wann? Und wen? Also, ich habe mir wirklich ein Bein ausgerissen, um...

IC

WARBUCKS Oberinspektorin, einen Augenblick bitte. (zu MRS. KELLY) Entschuldigen Sie mich. (ER führt ANNIE etwas zur Seite, zu ANNIE, privat) Annie... ich muss jemanden heiraten. Jetzt sofort.

N

ANNIE (ein allerletzter Versuch) Weißt du was, Papa? Miss Farrell wird nächste Woche sechsundzwanzig...

WARBUCKS Annie, bitte... (er schüttelt den Kopf und weist zu MRS. KELLY) Mrs. Kelly mag dich wirklich sehr. Und wenn du eine Mutter hast, mein Schatz,... ANNIE ...dann bekomme ich zwei Gute-Nacht-Küsse, stimmt‘s? WARBUCKS Stimmt. ANNIE (nickt, nach einem Blick auf MRS. KELLY) Okay.

92


WARBUCKS (gibt Annie einen Kuss auf die Stirn, geht zu MRS. KELLY und setzt sich neben sie) Mrs. Kelly...Sheila, wollen sie vielleicht...? MRS. KELLY Wieder verheiratet sein? Mit Ihnen? Oh, Oliver, nur zu gerne! (WARBUCKS, der jetzt erst richtig begreift, was gerade passiert, ist leicht benommen)

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MRS. DOYLE Also gut, Mr. Warbucks, wenn sie darauf bestehen – dann wird es Mrs. Kelly!

SIMON (geht zu WARBUCKS, schüttelt ihm die Hand, dann privat) Ich gratuliere, Oliver. Ich denke, sie haben ein weise Entscheidung getroffen. Sie ist wirklich ein Juwel. WARBUCKS Ja.

SIMON Frau Oberinspektorin, darf ich annehmen, dass die Vorladung vor Gericht nun null und nichtig ist? MRS. DOYLE Ja, in dem Moment, in dem Sie verheiratet sind.

WARBUCKS (immer noch leicht überfordert; zu MRS. KELLY) Abendessen, Sheila?

MRS. KELLY (täuscht Tränen der Rührung vor) Danke, Oliver, aber das Boot hat gerade angelegt und ich denke, ich möchte jetzt gerne nach Hause und eine Weile ganz für mich sein. WARBUCKS Natürlich. Das verstehe ich. (zu DRAKE) Drake. DRAKE Ja, Sir.

IC

WARBUCKS Fletcher soll Mrs. Kelly bitte nach Hause fahren.

N

DRAKE Ja, Sir. Hier entlang, Ma’am.

GRACE (aufrichtig) Herzlichen Glückwunsch, Mrs. Kelly. MRS. KELLY (gespielt bescheiden) Vielen Dank, Miss Farrell. ROOSEVELT Ich gratuliere, Mrs. Kelly.

MRS. KELLY (mit Knicks zum Präsidenten) Mr. President. WARBUCKS Wann? Ich weiß nicht...

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MRS. DOYLE (wirft ein) Mittwoch! WARBUCKS (verwirrt) Wann auch immer. Drake, Sie treffen bitte alle Vorbereitungen. DRAKE Ja, Sir.

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ALVIN Und ich würde der stolzeste Prediger aller Zeiten sein, Sir, wenn ich die Zeremonie abhalten darf. WARBUCKS (durcheinander) Ja, natürlich, Reverend Paterson, Alvin. (MRS. KELLY küsst WARBUCKS) Gute Nacht, Sheila. Wir bleiben in Kontakt. MRS. KELLY Gute Nacht, Annie. Gute Nacht, Oliver. (MRS. KELLY geht ab)

MRS. DOYLE So, ich glaube, ich probiere mal das Buffet. Ich verhungere. Ich könnte ein ganzes Schwein verdrücken. (MRS. DOYLE geht ab) DRAKE Ich bin sicher, das könnten Sie. (DRAKE geht hinter IHR ab)

ROOSEVELT Ich gratuliere, Oliver! (mit Seitenblick auf GRACE) Also, unter den Umständen, wenn man alle Gesichtspunkte mit einbezieht, da ist das jetzt gar nicht so schlecht für sie gelaufen. WARBUCKS Ich danke Ihnen, Franklin.

N

IC

ROOSEVELT Unnötig zu erwähnen, dass sie keine Eleanor ist, aber wer ist das schon? (ROOSEVELT wird von LILLIENTHAL hinausgeschoben, SIMON , Alvin und ELLA gehen auch ab) Also dann stürmen wir das Buffet! (ROOSEVELT singt zu sich selbst, während sie in der Gasse verschwinden) SCHICK GEMACHT, BIN SCHICK GEMACHT!...

(WARBUCKS, GRACE und ANNIE bleiben auf der Bühne zurück) WARBUCKS Grace...?

GRACE Ja, Mr. Warbucks? WARBUCKS Nun, dann werden wir uns wohl auch mal etwas zum Essen holen. Würden Sie vielleicht mit uns kommen...?

94


GRACE Nein, vielen Dank, Sir. (von offstage rechts hören wir Stimmen, Gelächter, Gläser klirren, Besteck klappern... alles Geräusche eines abendlichen Buffets in vollem Gange.) WARBUCKS (fühlt sich plötzlich unbehaglich in Grace‘ Nähe) Nun...

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GRACE (ebenfalls unbehaglich) Nun...

(...und als ER zu Gehen beginnt...)

Mr. Warbucks, wegen Mrs. Kelly. WARBUCKS Ja, Grace?

GRACE (SIE entscheidet sich, nicht weiterzusprechen) Nun… also… ich freue mich sehr für Sie. WARBUCKS Vielen Dank, Grace.

GRACE Und sollte es jemals irgendetwas geben, was ich für Sie tun kann... oder wenn Annie irgendwann...

(ANNIE rennt verzweifelt ab. WARBUCKS beginnt ihr zu folgen, unsicher, was er tun soll. ER dreht sich noch einmal zu GRACE um. Sie versteht ihn und sagt: ) Gehen Sie.

(Warbucks nickt dankbar und geht. GRACE bleibt allein zurück)

21. Es hätte so schön sein können

N

IC

GRACE

ES HÄTTE SO SCHÖN SEIN KÖNN’N, DIE CHANCE WAR DA. VIELLEICHT ETWAS STEIF ZU BEGINN, ABER SPÄTER BESTIMMT WUNDERBAR. VERWIRREND UND NEU, WIE DER MAI, JA, SO FÜHLT SICH EIN ANFANG DOCH AN: EINFACH WUNDERVOLL, GENAU DAS WÄR ES DANN. EIN UNGLEICHES PAAR VIELLEICHT, UND DOCH WÄR‘N WIR EINS. IM LAUFE VON JAHR’N FÜHLT DAS HERZ AUCH MAL SCHMERZ MANCHMAL SEINS, MANCHMAL MEINS.

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(GRACE) DIE LIEBE BRAUCHT KRAFT UND SIE SCHAFFT, MIT VIEL ARBEIT, WAS LIEBE NUR KANN: EINFACH WUNDERVOLL, GENAU DAS WÄR ES DANN.

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NACHTS SPAZIEREN GEHEN, AUF DEM BORDSTEIN BALANCIERN, HAMBURGER IM STEHN , SEIN’N KOPF SANFT POLIER’N.5

DOCH DIESE ART WUNDER IST WOHL NICHT EXISTENT. MAN TRIFFT SICH, MAN LACHT UND MAN DENKT UND MAN HOFFT UND DOCH BLEIBT MAN GETRENNT. DU WIRST EINFACH TRAURIG, VERSUCHST ZU VERGESSEN, DOCH DENKST IMMER DRAN. ES HÄTTE SO SCHÖN SEIN KÖN’N, ES HÄTTE SO SCHÖN SEIN KÖN’N, ES HÄTTE SO SCHÖN SEIN KÖN’N, DOCH ES FING GAR NICHT AN.

(das Ende des Liedes ist auch das Ende der Szene – das Licht und das Bühnenbild verändern sich und wird zu...)

13. SZENE

(eine SUITE im Waldorf – Astoria Hotel. Eine aufwendige Art-Deco Ausstattung, wie aus einem AstaireRogers Film. Es ist der folgende Mittwochabend, kurz vor neun Uhr. DRAKE ist allein auf der Bühne. ER bürstet Warbucks Frackjacke, als ANNIE ROOSEVELT hereinschiebt)

N

IC

DRAKE Guten Abend, Mr. President.

ROOSEVELT Guten Abend, Drake. Nun, ist unser sittsamer Bräutigam bereit, den großen Sprung zu wagen? DRAKE Er zieht sich zumindest an, Mr. President.

ROOSEVELT Ah. Es war sehr aufmerksam von ihm, mein gesamtes Kabinett einzuladen. Und zu meiner Freude kann ich sagen, dass die meisten auch gekommen sind. ANNIE Mr. Drake...

5

(bei fehlender Glatze: SEIN`N KOPF SANFT MASSIER`N)

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(ein älterer Herr in Stetson Hut und Cowboystiefeln tritt ein und geht zu ANNIE) MANN (unterbricht ANNIE mit texanischem Akzent) Ah, da bist du ja. Bin mächtig stolz, dass du jetzt eine Mutti bekommst, Annie. (ER schüttelt ANNIES Hand) Gratuliere.

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ANNIE Danke schön, Sir.

MANN Gern geschehen, Kleines.

(ER gibt ROOSEVELT einen freundlichen Klaps und geht hinaus) ANNIE (zu Roosevelt) Wer war das?

ROOSEVELT Es tut mir leid, Annie, aber ich habe nicht die leiseste Idee. (zu DRAKE) Drake? DRAKE Das war Mr. Garner, Sir. ROOSEVELT Wer?

DRAKE Ihr Vizepräsident, Sir. ROOSEVELT Oh ja, natürlich.

WARBUCKS kommt im Hemd herein, die Manschetten offen und Manschettenknöpfe in der Hand)

IC

WARBUCKS Entschuldigen Sie, Franklin. (zu DRAKE) Drake, können Sie mir hiermit bitte helfen.

N

DRAKE (tut es) Natürlich, Sir.

WARBUCKS So, äh... also keine Spur von Miss Farrell?

DRAKE Nein, Sir. Ich glaube nicht, dass wir Miss Farrell heute Abend sehen werden. Tatsächlich möchte ich vermuten, dass Miss Farrell gerade jetzt in einer heruntergekommenen Bar am Hafen sitzt, sich mit Martinis zuschüttet und sich ihre schönen braunen Augen ausheult. WARBUCKS Danke, Drake. DRAKE Sehr gerne, Sir.

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WARBUCKS Wie spät ist es, Drake? DRAKE (schaut auf seine Taschenuhr) Sechs Uhr zweiundfünfzig. Nur noch acht Minuten bis... (ER zieht den Daumen vor seinem Hals entlang, macht eine ‘Kehle durchschneiden’ Geste und das passende Geräusch)

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WARBUCKS Danke, Drake.

DRAKE Sehr gerne, Sir.

ROOSEVELT Sechs Uhr zweiundfünfzig! Drake, ich sollte draußen die Gäste begrüßen. DRAKE Eine hervorragende Idee, Mr. President.

(ER schiebt ROOSEVELT im Rollstuhl hinaus) Wenn ich Sie begleiten darf...

ROOSEVELT Ja, vielen Dank, Drake. (über die Schulter zu WARBUCKS) Viel Glück, Oliver. WARBUCKS Vielen Dank, Franklin.

(ER und ANNIE sind nun allein auf der Bühne) Wird langsam Zeit, hm?

IC

22. Lächelst du

N

ANNIE Mh-mm.

WARBUCKS Geht es dir gut, mein Schatz? ANNIE (überlegt) Yap.

WARBUCKS (übertreibt etwas für ihre gute Stimmung) Wir haben’s geschafft, was? Wir haben gesagt, wir finden jemanden Wunderbares, und das haben wir, nicht wahr? ANNIE Yap. Liebst du sie, Papa?

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WARBUCKS Das werde ich, Annie. Und du auch. Wir werden gemeinsam das glücklichste Leben haben, das man sich vorstellen kann. (es gelingt ihm nicht, ANNIE aufzuheitern) Na, komm schon, ich kann nicht heiraten, wenn du wie Oberinspektorin Doyle aus der Wäsche guckst. (SIE verzieht keine Miene; ER singt)

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LÄCHELST DU FÜR MICH, DANN LÄCHEL AUCH ICH. FÜHL ICH MICH FLAU, SCHAURIG UND GRAU, EINFACH ABSCHEULICH. SEHE ICH DICH LÄCHELN FÜR MICH WIRD ES ERFREULICH GEHT’S DIR SCHLECHT – MIR AUCH. MIT GRUMMELN IM BAUCH. WASSER UND BROT, STEHN IN DER NOT NUR AUF DER KARTE... JEGLICHE QUAL IST MIR EGAL, GEHT VORBEI WENN DU SCHAUST UND LÄCHELND STRAHLST FÜR MICH!

(das ORCHESTER spielt vier Takte ‘Chaplin’ Musik und stoppt nach der letzten Note – gesprochen) Ich hab dich lieb, Annie Warbucks. ANNIE Ich hab dich auch lieb, Papa.

IC

WARBUCKS Hand aufs Herz, beim Grab meiner Mutter – sonst fällt das Brötchen auf die Butter.

N

(ANNIE beginnt langsam strahlend zu lächeln. SIE dreht sich zu WARBUCKS und umarmt IHN. Das ORCHESTER spielt vier Takte als Einleitung, Warbucks und Annies beginnen ihren ‘Walzer’ durch den Raum – und dann zum Bühnenhintergrund. Nun beginnt der Hochzeitswalzer, das Licht ändert sich und wir kommen zu...)

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14. SZENE

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Ein Ballsaal im Waldorf- Astoria Hotel, für WARBUCKS Hochzeit dekoriert. Einen Moment später. Das Ganze ist eine hochoffizielle Angelegenheit und jeder ist perfekt gekleidet. Das gesamte ENSEMBLE, mit Ausnahme von DRAKE, GRACE und MRS. KELLY ist auf der Bühne. Die WAISEN sind Blumenmädchen, alle anderen sind Hochzeitsgäste, auch ELLA, C.G. MRS. PUGH, ROOSEVELT, als Warbucks Trauzeuge, SIMON, MRS. DOYLE und natürlich SANDY. ALVIN kommt, mit einer Bibel in der Hand herein um die Zeremonie abzuhalten. WARBUCKS und ANNIE kommen vom Bühnenhintergrund nach vorne. Während der Szene erklingt die MUSIK von ‘Hochzeit, Hochzeit‘ als Underscore. Zu Begin zeigt das Licht die Szene nur als Silhouette, am Ende von ALVINS Rede ist alles hell erleuchtet.)

22A. Hochzeit, Hochzeit

DIE WAISEN HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! WIR GEHN HEUT ZU EINER HOCHZEIT!

ALLE (außer den WAISEN,WARBUCKS, MRS. KELLY) NUN KOMMT DAS DAS GLÜCK ZUR TÜR HER-EIN. NUN WIRD WARBUCKS NIE MEHR SINGLE SEIN.

DIE WAISEN (leise)

HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! WIR GEHN HEUT ZU EINER HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT HOCHZEIT! HOCHZEIT!

DIE WAISEN (wieder im Vordergrund) HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT!

N

IC

ALLE (außer den WAISEN,WARBUCKS, MRS. KELLY) BIS HEUT WAR WARBUCKS STETS ALL-EIN. (HIER IM WALDORF) WIRD ER NICHT MEHR LANGE SINGLE SEIN!

DIE WAISEN (leise)

WIR GEHN HEUT ZU EINER HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! HOCHZEIT! WIR GEHN HEUT ZU EINER HOCH-ZEIT!

22B. Orgelmusik

ELLA (spricht, als sie MRS. KELLY hereinkommen sieht – im Hochzeitskleid und mit Brautstrauß) Mr. Warbucks, hier kommt die Braut!

ALVIN (zu ALLEN) Liebe Hochzeitsgesellschaft, wir sind hier heute zusammengekommen, um diesen Mann und diese Frau in den heiligen Stand der Ehe zu begleiten. Sheila, nehmen Sie Oliver zu ihrem gesetzlich angetrauten Ehemann?

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MRS. KELLY (sanft) Ja. ALVIN Oliver, nehmen Sie Sheila zu ihrer gesetzlich angetrauten Ehefrau? WARBUCKS Ja, ich will.

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ALVIN Somit erkläre ich euch hiermit zu Mann und Fr..... (DRAKE stürmt mit einem Telegramm herein)

DRAKE (unterbrechend, die Orgelmusik ‘trudelt aus’) Mr. Warbucks! Mr. Warbucks! Ein Telegramm, Sir, aus London!

WARBUCKS (verdutzt) Sind Sie verrückt geworden, Drake? Sie unterbrechen die Hochzeit wegen eines Telegramms? DRAKE Sir, ich glaube, es ist ausgesprochen dringlich! WARBUCKS (nimmt es und liest) Ach du Scheiße.

(WARBUCKS wird blass, zittert und sackt in sich zusammen) Nein.

(Die Menge raunt)

ROOSEVELT Was ist los, Oliver?

ANNIE (gleichzeitig) Stimmt was nicht, Papa?

IC

SIMON (gleichzeitig) Geht’s dir gut, Oliver?

N

WARBUCKS Die Bank von England hat ‘Nein!’ gesagt. Alles ist weg. Ich bin ruiniert. (ALLE stöhnen auf)

MRS. DOYLE Was? Sie suchen sich genau diesen Moment aus, um pleite zu gehen? (schnappt sich das Telegramm von WARBUCKS) Geben Sie her. (liest laut vor) Weltweite Panik. Londoner Börse geschlossen. (ALLE stöhnen auf)

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(MRS. DOYLE) Warbucks-Aktien allesamt wertlos. Warbucks-Industrieunternehmen vollständig kollabiert. ALVIN (leise) Großer Gott. WARBUCKS Es tut mir leid, Alvin. Sie sind pleite und ich bin es auch. Absolut pleite.

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(ALLE stöhnen auf. ER geht zu MRS. KELLY) Sheila...

MRS. KELLY Was?

WARBUCKS Annie wird jetzt mehr als je zuvor eine Mutter brauchen. Wir werden zwar arm sein, aber das macht uns nichts – uns beiden aus Hells Kitchen. ANNIE Man kann von Liebe leben, Mrs. Kelly.

MRS. KELLY Du kannst von Liebe leben, Schnuckelchen. Wo ist der Fahrstuhl? GRACE (beim Reinkommen) Gleich da vorne links – Schnuckelchen. (MRS. Kelly bleibt überrascht stehen)

Mr. Warbucks, diese Frau heißt nicht Sheila Kelly, sondern Florence Doyle und sie ist die Tochter von Oberinspektorin Doyle. (ALLE stöhnen auf)

MRS. DOYLE Die hat sie doch nicht alle!

IC

MRS. KELLY Wo haben Sie denn so einen Quatsch her?

N

GRACE (zieht ein offiziell aussehendes Schreiben hervor) Vom F.B.I. Ich hatte ein merkwürdiges Gespräch mitbekommen. ‘Florence, Florence.’ (zu ROOSEVELT) Also bat ich unseren Freund J. Edgar, einmal den Namen Sheila Kelly zu checken. Vor einer Stunde kamen die Ergebnisse. (SIE liest aus dem F.B.I. Report)

1914 in Mount Kisko, New York, verhaftet. Versuchter Mord an einem älteren, reichen Mann nach Heirat unter Vortäuschung falscher Tatsachen. WARBUCKS Älter?

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GRACE Hat acht Jahre eingesessen. Miss Florence Doyle, auch bekannt als Kleine Flo. (ALLE stöhnen auf und flüstern sich ‘Flo’, etc.... zu) PEACHES Hallo Flo, wie geht’s denn so?

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DIE WAISEN Gleich versohl’n sie dir den Po! MRS. KELLY Nichts wie raus hier, Ma!

(MRS. Doyle und MRS. KELLY versuchen zu fliehen, doch WARBUCKS schnappt beide und bringt sie zur Bühnenmitte)

WARBUCKS Langsam! Langsam! Was habt ihr zwei euch gedacht? (zu MRS. KELLY) Mich heiraten und mich dann beseitigen? Was für ein krankes Hirn denkt sich so einen perfiden Plan aus? MRS. KELLY Moment mal. Mama und ich haben uns das nicht ausgedacht. Es war nicht mein krankes Hirn! MRS. DOYLE Und mein krankes Hirn war es auch nicht!

MRS. KELLY & MRS. DOYLE (zeigen auf SIMON, der hinter Roosevelt steht) Es war sein krankes Hirn! WARBUCKS Der Präsident?

SIMON (SIMON tritt WARBUCKS kühn entgegen) Nein!

IC

(ER zieht eine Pistole aus dem Jackett)

N

ELLA Vorsicht, er hat eine Pistole!

(die MENGE stellt sich vor den Präsidenten. ALLE schreien) SIMON Ich bin das kranke Hirn! Ich bin Anwalt!

WARBUCKS (macht einen Schritt auf SIMON zu, setzt sich dann aber angesichts der Bedrohung durch die Waffe) Simon, um Himmels willen, nehmen Sie die Pistole runter! Ich verstehe das nicht. Warum?

103


SIMON Warum? Weil ich aus einer First-Class-Boston-Harvard Familie stamme, und Sie sind ein ZehnteAvenue-Baracken-Ire, darum! (ER tritt zornig mit dem Fuß auf) Mir sollten die zwei Milliarden gehören, nicht ihnen! (MRS. DOYLE und MRS. KELLY einbeziehend)

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Und wir hatten es fast geschafft! Sie waren das perfekte Opfer, Warbucks. Ich habe LaGuardia natürlich nicht angerufen, oder sonst irgendwen, weil Annies Adoption nämlich die ganze Zeit schon völlig rechtmäßig war, „Glatzköpfchen“. ANNIE (tritt SIMON auf den Fuß) Nennen sie meinen Papa nicht „Glatzköpfchen“!

SIMON (fällt mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden) Aaauuu! Ooh, ooh, aaauuu! Du verfluchtes Gör! Ich werde dir deinen kleinen Hals…. WARBUCKS Oh nein, das wirst du nicht!

(SIMON macht einen letzten, verzweifelten Versuch, ANNIE zu packen, wird aber von WARBUCKS gebändigt) So, hab dich! Und was mache ich jetzt mit dir?

ROOSEVELT Sie können gerne meine Secret Service Leute einsetzen, Oliver. WARBUCKS Danke, Franklin.

(ER ruft Richtung Offstage nach dem Secret Service) Nehmen sie alle drei mit.

IC

(zu SIMON)

Dafür bekommt ihr mindestens zehn Jahre, Simon.

N

SIMON Oh nein, das werden wir nicht! Weil ich nämlich selbst der Anwalt der Verteidigung sein werde! MRS. KELLY (während SIE und SIMON rausgebracht werden) Oh, super. Dann landen wir auf dem elektrischen Stuhl.

WARBUCKS Auf Wiedersehen, Frau Oberinspektorin. Sie werden das Gefängnis lieben.

MRS. DOYLE Na klar. Ich hätte es wissen müssen. Gefängnis. Wo sonst landen New Yorker Beamte. (ALLE jubeln, während SIE abgeführt wird) GRACE Mr. Warbucks, ich fürchte, Annie, Drake und ich müssen ihnen etwas beichten.

104


WARBUCKS Etwas beichten? ANNIE Es ist so, Papa – wir haben uns das mit dem Telegramm aus London nur ausgedacht. Es ist sozusagen ein geschwindelter Schwindel. DRAKE Sehen Sie, Sir, Miss Grace wollte einfach zu hundert Prozent fair sein – auch gegenüber Mrs. Kelly.

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GRACE Ich dachte, dass ihr vielleicht wirklich etwas an Ihnen liegt. Das musste ich herausfinden. Und das habe ich jetzt auch! ROOSEVELT (zu GRACE, WARBUCKS einbeziehend) Dann ist er also immer noch stinkreich? GRACE Stand heute Nachmittag: Drei Milliarden.

ROOSEVELT Drei Milliarden? Oliver, wollen Sie nicht die T.V.A. finanzieren?

DRAKE Nun, Sir, die Wahrheit ist, dass Ihr Darlehen der Bank von England heute morgen genehmigt wurde. Und als diese Nachricht die Wall Street erreichte, sind Ihre Aktienwerte um acht Punkte gestiegen! WARBUCKS Acht Punkte! (zu ALVIN) Sie haben gerade weitere zweiundsiebzigtausend Dollar verdient, Alvin! ALVIN Wir sind sehr erfreut!

WARBUCKS (zu ANNIE) Einen Augenblick mal. Annie, wenn deine Adoption ‘völlig rechtmäßig’ ist, dann muss ich nicht mehr heiraten. Ich kann für den Rest meines Lebens Single bleiben. (zu GRACE) Ist das nicht wundervoll, Grace?

IC

GRACE (ohne es zu meinen, sitzend) Ja, Mr. Warbucks. Wundervoll.

N

WARBUCKS (geht zu GRACE) Also... Grace, haben Sie gesehen, wie ich den beiden hinterhergesprungen bin und ganz alleine... einhändig... Mrs. Kelly und die Oberinspektorin aufgehalten habe und dann auch noch den verrückten Simon gebändigt habe? GRACE Oh, ja, Sir. Sie waren so...schwungvoll.

WARBUCKS Das war ich, nicht wahr? Wissen Sie, es kommt mir gerade in den Sinn, Grace... nun, vielleicht bin ich doch noch kein ‘sooo alter Mann’. GRACE (überschwänglich, voller Liebe) Alt? Mr. Warbucks, Sie sind nicht alt. Sie sind so jung, wie Sie sich fühlen!

105


WARBUCKS Genau! Grace, Sie haben Recht. Man ist so jung, wie man sich fühlt! Und ich fühle mich wie vierzig – einundvierzig! Grace, ich werde Ihnen jetzt etwas sagen, was ich noch zu keiner andern Frau jemals gesagt habe. Können Sie sich vorstellen, was es ist? GRACE (aufgeregt) Oh Gott, ich hoffe... ich glaube ja, Sir.

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WARBUCKS Nun, es ist, äh... also... GRACE Ja, Sir?

WARBUCKS Also, Grace, ich... äh... es ist... GRACE (geradeheraus) Sie lieben mich. WARBUCKS Ja, das ist es.

GRACE Seit vielen Jahren.

WARBUCKS Seit vielen Jahren, genau. Und noch mehr Jahren. Und Sie lieben mich auch. GRACE Oh ja, Sir, das tue ich.

WARBUCKS Auch schon seit Jahren?

GRACE Ja, Sir. Seit Jahren. – Und noch mehr Jahren.

IC

WARBUCKS Ich wusste es! Miss Farrell...

N

(WARBUCKS sucht nach den richtigen Worten. ANNIE, mit einer Geste der Verzweiflung, drückt ihn auf seine Knie) ...heiraten Sie mich!

GRACE Oh, Mr. Warbucks! Natürlich heirate ich Sie!

(ALLE applaudieren, während ANNIE und die WAISEN jubeln und kreischen. WARBUCKS steht nun plötzlich durch seine Aufregung auf der anderen Seite der WAISEN)

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GRACE Mr. Warbucks? (SIE geht einen Schritt Richtung WARBUCKS und ‘quetscht’ dadurch die Gruppe der Waisen etwas enger zusammen...) Oliver?

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WARBUCKS Nur weiter, Grace. GRACE Liebling?

(nun sind die WAISEN ein enger Haufen zwischen GRACE und WARBUCKS) WARBUCKS Jetzt hast du’s gleich, mein Schatz!

(SIE küssen sich lang und leidenschaftlich. ALLE applaudieren und jubeln wieder. Als sie sich trennen, fallen die ‘gequetschten’ Waisen im Spaß ohnmächtig zu Boden) ANNIE (geht zu WARBUCKS und GRACE) Wow, ich bin in meinem ganzen Leben noch nie so glücklich gewesen. Und zwar, weil ihr zwei heiratet.

(zu GRACE, während WARBUCKS ein wenig nach hinten ausweicht und den beiden Zeit für sich alleine gibt) Und es ist besonders toll, weil ich weiß, dass Sie mich mögen. GRACE Ich mag dich nicht nur, Annie. Ich liebe dich. ANNIE Und ich liebe dich auch, Miss Farrell. GRACE Miss Farrell?

IC

ANNIE Grace.

N

GRACE Weiter, Annie. ANNIE Mami.

GRACE Jetzt hast du’s, mein Schatz.

DIE WAISEN (umzingeln Grace, strecken ihre Arme nach ihr aus...) Mami! (während sie die WAISEN anschaut, wird GRACE klar, dass sie nun nicht nur eine, sondern fünf Töchter hat) GRACE (aus dem Wirrwarr heraus) Ach du meine Güte. Fünf Kinder? Schaffen wir das, Liebling?

107


WARBUCKS Warum nicht? Sie sind klein und handlich. (Die WAISEN jubeln. Dann zu Alvin...) Alvin! Ändern Sie den Namen der Braut auf der Heiratsurkunde zu Grace. Dann können Sie uns gleich hier und jetzt trauen.

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ALVIN Betrachten Sie ihn als geändert.

(die MUSIK beginnt als Underscore, während sich alle zur Hochzeitszeremonie hinsetzen und aufstellen)

23. Es war mir klar

(ALVIN) Liebe Hochzeitsgesellschaft, wir sind hier immer noch zusammengekommen, um diesen Mann und diese Frau... (die Hochzeit nimmt ihren Lauf als ‘eingefrorenes Tableau’, während MOLLY zu ANNIE geht.) MOLLY Wow, Annie, jetzt haben wir beide einen Mami und einen Papa. Wer hätte das gedacht. ANNIE Ich!

ES WAR MIR KLAR SCHON MORGEN WIRD ES WUNDERBAR! DAS WAR MIR KLAR.

TROTZ DUNKELHEIT, KEIN STERNENLICHT SCHIEN WEIT UND BREIT, WAR ES MIR KLAR.

N

IC

ICH HAB GEHOFFT, UND GEWUSST, ICH MUSS FEST DRAN GLAUBEN... ICH GLAUB, DER TRICK IST, DU MUSST EINFACH FEST DRAN GLAUBEN!

ALLE (steigen ein) MACH’S SO WIE ICH, DANN GEHT DIE DUNKELHEIT UND ES STRAHLT SON-NENSCHEIN FÜR DICH – ANNIE (allein) ICH HAB GEHOFFT! ICH HAB GETRÄUMT! SO SEHR GEHOFFT! SO SEHR GETRÄUMT!

108


(SIE schaut nach hinten zu WARBUCKS und GRACE) (ANNIE) IST NICHT GANZ WAHR: ES WAR MIR KLAR--! WARBUCKS & GRACE (gesprochen) Ja! Ja!

N H U T R VE FÜ ZU w MU R R R w A T w SI R U AN .m K IE FF S us U B Ü IC ik ND DU HR HT un B R U db Ü C N ue HN H GE hn E N e. de

ANNIE (singt, die Hände in die Hüften gestützt und mit breitem Lächeln, während der Vorhang langsam fällt) SO SONNENKLAR!

24. Applausmusik

N

IC

25. Ausgangsmusik

109


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